Verflixtes Schlaraffenland

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1 Verflixtes Schlaraffenland Wie Essen und Psyche sich beeinflussen Tagungsband zum 16. aid-forum

2 WIR INFORMIEREN VIELSCHICHTIG aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. Heilsbachstr Bonn Tel.: , Fax:

3 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 3 Inhalt Vorwort... 4 Grußwort zum 16. aid-forum... 6 Dr. Margareta Büning-Fesel, aid infodienst Wie isst die Psyche mit?... 8 Prof. Dr. Christoph Klotter, Hochschule Fulda Hunger entsteht im Gehirn Prof. Dr. Susanne Klaus, Deutsches Institut für Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke Übergewicht: Reine Kopfsache? Dr. Annette Horstmann, IFB AdipositasErkrankungen, Universität Leipzig & MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig Das dicke Gehirn: Eine Metapher für unser Unwissen? PD Dr. Hubert Preißl, Universität Tübingen Wie sich Konsumenten manipulieren lassen Prof. Dr. Michael Siegrist, ETH Zürich Essverhalten und kognitive Leistung Prof. Dr. Joachim Westenhöfer, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Körperbildstörung eine Frage des Gewichts? Prof. Dr. Tanja Legenbauer, LWL-Universitätsklinik Hamm Essen gegen Stress? Univ.-Doz. Mag. Dr. Ingrid Kiefer, AGES, Wien aid-medien Impressum... 91

4 4 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Vorwort Liebe geht durch den Magen, Essen hält Leib und Seele zusammen, Schokolade macht glücklich Essen ist weit mehr als nur die Befriedigung eines Grundbedürfnisses. Was, warum und wie wir essen, entscheidet nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche. Umgekehrt beeinflusst das Essverhalten auch unser Wohlbefinden. Diese Wechselwirkung zwischen Essen und Psyche hat das 16. aid-forum am 14. Mai 2013 in Bonn aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Acht Experten/-innen aus verschiedenen Disziplinen und rund 300 Teilnehmer/-innen diskutierten im Bonner Wissenschaftszentrum den Einfluss psychischer und neurobiologischer Faktoren auf das Essverhalten, aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung, wann Essen zum Problem wird, welche Folgen eine verzerrte Körperwahrnehmung hat, welchen Einfluss die Ernährung auf Leistungsfähigkeit und Stress hat und ob Empfehlungen für ein gesundes Essverhalten, die eine Wechselwirkung zwischen Essen und Psyche nicht berücksichtigen, zum Scheitern verurteilt sind. Der vorliegende Tagungsband enthält die ausführlich dokumentierten Vorträge und Diskussionen der Veranstaltung mit vielen Anregungen für die Beratungspraxis und für das eigene Wohlbefinden. Wir wünschen Ihnen interessante Einblicke und Erkenntnisse! Das aid-forum moderierte der Journalist und Oecotrophologe Dr. Friedhelm Mühleib. Ein ergänzendes Interview mit Dr. Friedhelm Mühleib finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Dr. oec. troph. Friedhelm Mühleib Pressebüro, Zülpich KONTAKT Dr. Friedhelm Mühleib Seestr Zülpich info@muehleib.de Internet: ZUR PERSON p seit 1984 selbstständig als freier Journalist, Buchautor, Moderator und Berater p Text und Redaktion: Konzeption, Redaktion und Umsetzung von Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften, Broschüren, Newslettern etc.; seit 2008 redaktionelle Betreuung der Mitgliederzeitschrift des BerufsVerband Oecotrophologie (VDOE POSITION); seit 2009 Beratung zur Planung, Erstellung und Umsetzung von Weblogs p Lehrtätigkeit und Seminare: Gründer und Mitinhaber des Seminarhauses freiraum (Fokus: Seminare für Ernährungsfachkräfte); seit 2004 regelmäßig Seminare zu journalistischen Themen, u.a. zum Verbraucher- und Nutzwertjournalismus; Lehrauftrag Journalismus für Oecotrophologen (FH Hamburg 1989 bis 1995) p PR und Öffentlichkeitsarbeit: Schwerpunkt seit Mitte der 1990er Jahre: Etatbetreuung und Events für Unternehmen und Verbände der Ernährungs- und Getränkeindustrie p 1982 bis 1983 Stipendium Wissenschaftsjournalismus der Robert-Bosch-Stiftung bei ZEIT und Bild der Wissenschaft p 1980 Promotion p 1977 bis 1980 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrarpolitik und Marktforschung p 1972 bis 1976 Studium der Oecotrophologie in Bonn

5 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 5 Im Internet haben wir Filmbeiträge zum aid- Forum für Sie bereitgestellt. Eine Kurzreportage über das aid-forum und Interviews mit den Referentinnen und Referenten geben interessante Einblicke ins Thema Essen und Psyche. Die Links zu den Interviews finden Sie jeweils am Ende der einzelnen Beiträge in diesem Tagungsband. Oder Sie scannen mit Ihrem Smartphone einfach den QR-Code ein, der neben dem Link abgedruckt ist. Schauen Sie rein! Hier finden Sie die Kurzreportage zum 16. aid Forum. Spannende Vorträge, begeisterte Teilnehmer und ein hochaktuelles Thema so lässt sich das 16. aid-forum zusammenfassen. Foto: Robert Schubert, aid

6 6 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Grußwort zum 16. aid-forum Dr. Margareta Büning-Fesel, aid infodienst Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass unser 16. aid-forum wieder auf so großes Interesse gestoßen ist. Wir haben das Thema dieser Veranstaltung vor 13 Jahren schon einmal angesprochen. Beim 3. aid-forum ging es auch um Ernährung und Psyche. Dieses Forum wird zeigen, dass sich seitdem in diesem Bereich viel getan hat. Was ist verflixt am Schlaraffenland? Das Schlaraffenland ist ursprünglich ein Märchen aus alter Zeit, als das Essen noch knapp war und die Menschen häufig hungrig. In der heutigen Zeit leben wir hingegen nahezu mitten in einem Schlaraffenland, denn unser Lebensmittelangebot war noch nie so vielfältig wie heute. Man kann, zumindest im urbanen Raum, zu jeder Tages- und Nachtzeit fast an jeder Straßenecke etwas zu essen besorgen. Aber allzu häufig wird dieses Überangebot auch als Belastung empfunden und ist für viele Menschen eine eher verflixte Situation. Gefragt sind daher Wege, Regeln und Hilfestellungen, um mit dieser oft verwirrenden Vielfalt umgehen zu können. Denn was, warum und wie viel wir essen, entscheiden nicht nur die physiologischen Signale unseres Körpers, sondern auch die Psyche. Umgekehrt übt unser Essverhalten einen wichtigen Einfluss auf unser Wohlbefinden aus. Daher ist einem unbeschwerten Genuss dieses vielfältigen Lebensmittel-Angebotes oftmals der Kampf zwischen Kopf und Bauch gewichen. Ein Grund dafür mag sein, dass wir die Zusammenhänge zwischen Essen und Psyche nicht (er)kennen und deshalb nicht richtig darauf reagieren. Dr. oec. troph. Margareta Büning-Fesel Geschäftsführender Vorstand aid infodienst e. V. KONTAKT Dr. Margareta Büning-Fesel aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. Heilsbachstraße Bonn Internet: ZUR PERSON p seit Dezember 2011 Geschäftsführender Vorstand des aid p seit Sommersemester 2003 Lehrauftrag an der Hochschule Niederrhein zum Thema Kampagnen zur Ernährungsaufklärung p 1996 Promotion am Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund p 1991 bis 2001 Leiterin des Dezernats Grundlagen der Ernährung im aid; Arbeitsschwerpunkte: Ernährung von Schwangeren, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen sowie diverse diätetische Themenbereiche p freie Referentin im Rahmen von Vorträgen und Seminaren p 1985 bis 1990 Studium der Oecotrophologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn p Mitglied im Vorstand des Vereins 5 am Tag und Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Ernährungsverhalten (AGEV) p Mitglied im Beirat des Kompetenzzentrums für Ernährung Bayern KErn

7 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 7 Mit dem 16. aid-forum haben wir dieses Thema aus drei Perspektiven betrachtet: Wir möchten, dass Sie anhand aktueller Forschungsergebnisse die Zusammenhänge zwischen Essen und Psyche besser verstehen, damit Sie Ihre Klientinnen und Klienten zum Beispiel in der Ernährungsberatung besser beraten können und etwas Neues dazulernen. Wir möchten, dass Sie als Multiplikator/-in im Bildungsbereich die Zusammenhänge zwischen Kopf und Bauch auch in die Ernährungsbildung einfließen lassen können, um Kompetenzentwicklung und Leistungsfähigkeit positiv zu beeinflussen. Wir möchten, dass Sie für sich selber Erkenntnisse hinzugewinnen, wie Sie durch Ihre Ernährung einen positiven Einfluss auf die Psyche und zur Bewältigung von Stress und Spannungen erzielen können. Haushalt täglich noch selbst gekocht wird, stattdessen spielen die Außer-Haus-Verpflegung und Convenience-Produkte eine immer größere Rolle. Auch sinkt die Kompetenz, sich selber etwas zu essen machen zu können, zudem werden Kenntnisse im Bereich der Lebensmittel-Zubereitung immer weniger in den Familien weitergegeben. Letztlich trägt auch die stetige I nformationsüberflutung zur Verwirrung bei: Vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern fällt es schwer, im Dschungel der Informationen eine rationale Entscheidung bei der Auswahl ihrer Lebensmittel zu treffen. Ich hoffe, dass wir Ihnen mit diesem Tagungsband zum 16. aid- Forum neue Erkenntnisse, Tipps und konkrete Hinweise zum Umgang mit dem verflixten Schlaraffenland mitgeben, die Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit weiterhelfen oder die Sie auch für sich persönlich nutzen können. Zahlreiche Einflussfaktoren sorgen heute dafür, dass wir letztlich unzufrieden mit unserem Essverhalten sind. Sorgten feste Mahlzeiten früher noch für eine Strukturierung des Tages, ist heute vielfach Snacking, also das Essen zwischendurch, angesagt. Untersuchungen zeigen, dass nur in etwa jedem zweiten Ein ergänzendes Interview mit Dr. Margareta Büning-Fesel finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Der unbeschwerte Genuss in unserem Schlaraffenland weicht oftmals einem Kampf zwischen Kopf und Bauch. Dr. Margareta Büning-Fesel, Geschäftsführender Vorstand des aid infodienst Foto: Robert Schubert, aid

8 8 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Wie isst die Psyche mit? Wie isst die Psyche mit? Diese Frage ist äußerst komplex. Es ist schwierig, sie naturwissenschaftlich zu beantworten. Für eine erste Annäherung an das Thema greife ich deshalb auf ein soziologisches Modell zurück: auf die Idealtypenbildung nach Max Weber. Dieser führt aus, was Sozialwissenschaft für ihn ist: Die Sozialwissenschaft, die wir betreiben wollen, ist eine Wirklichkeitswissenschaft. Wir wollen die uns umgebende Wirklichkeit des Lebens, in welches wir hineingestellt sind, in ihrer Eigenart [also qualitativ; A. d. A.] verstehen den Zusammenhang und die Kulturbedeutung ihrer einzelnen Erscheinungen in ihrer heutigen Gestaltung einerseits, die Gründe ihres geschichtlichen So-und-nicht-anders-Gewordenseins andererseits. Nun bietet uns das Leben [ ] eine schlechthin unendliche Mannigfaltigkeit von nach- und nebeneinander auftauchenden und vergehenden Vorgängen in uns und außer. Und die absolute Unendlichkeit dieser Mannigfaltigkeit bleibt intensiv durchaus ungemindert auch dann bestehen, wenn wir ein einzelnes Objekt [ ] isoliert ins Auge fassen. (Weber 1988, S. 170 f.) Weber stellt so der Naturwissenschaft, die auf unilineare Ursache-Wirkungs-Beziehungen aus ist, eine Sozialwissenschaft gegenüber, die komplexe und mitunter widersprüchliche Sachverhalte verstehen will. Verstehen das bedeutet, sich in der Wissenschaftstheorie der Hermeneutik anzusiedeln. Nun liegt es nahe, die Hermeneutik gegen die Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft, den Positivismus, auszuspielen. Aber das macht wenig Sinn. Beide haben ihre Berechtigung auf unter- Prof. Dr. Christoph Klotter Hochschule Fulda KONTAKT Prof. Dr. Christoph Klotter Hochschule Fulda Fachbereich Oecotrophologie Marquardstraße Fulda christoph.klotter@he.hs-fulda.de Internet: ZUR PERSON p seit 2011 Vizepräsident der Hochschule Fulda p 2006 bis 2011 Dekan des Fachbereichs Oecotrophologie p 2003 bis 2005 wissenschaftlicher Leiter der Sommer-Universität Fulda p WS 2002/2003 Gastprofessur an der Universität Innsbruck p 1999 Abschluss der Habilitation p 1999 Approbation als Psychologischer Psychotherapeut p 1997 Abschluss der psychoanalytischen Weiterbildung p von 1995 bis 2001 Hochschulassistent am IfP der Technischen Universität Berlin p seit 1994 Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter von Sal.A. (Gesellschaft für angewandte Gesundheitswissenschaft) p Sommer 1989 Abschluss der Dissertation p seit 1989 hauptberufliche Tätigkeit als Projektleiter am Institut für Gesundheitsförderung (in Berlin): verantwortlich für das Kompaktprogramm gegen Übergewicht und das Kompaktprogramm gegen Bluthochdruck, Entwicklung zahlreicher Präventionskonzepte, Aus- und Fortbildung von Kursleitern, Einzelberatung, Erstgespräche, Gruppentrainings, Evaluation p verhaltenstherapeutische Weiterbildung zum Trainer für Stressbewältigungs-Gruppen p Mitarbeit beim Spandauer Institut für angewandte Gesundheitsforschung (SINAG; Teil der DHP-Studie): Prävention, Gruppentrainings, Therapieprogrammentwicklung p 1984 bis 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am IfP der Technischen Universität Berlin im Lehrgebiet Persönlichkeitspsychologie p 1983 Abschluss des Studiums der Psychologie p Studium der Mathematik, Philosophie und Psychologie

9 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 9 schiedlichen Feldern und beide sind historische Geschwister, gleichsam geboren bzw. wiederbelebt im 19. Jahrhundert (Foucault 1974). Der komplexen und häufig in sich paradoxen Wirklichkeit nähert sich Weber mit der Idealtypenbildung: Der Idealtypus wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit vorfindbar, es ist eine Utopie, und für die historische Arbeit erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe und wie fern die Wirklichkeit jenem Idealbild steht (Weber 1988, S. 190 f.) Diese Herangehensweise ist ein theoretischer Zugang. Die Typologie basiert auf Konzepten aus der Philosophie, der Psychologie, der Soziologie, der Kulturwissenschaft und anderen Disziplinen. Ich stelle keine empirischen Ergebnisse vor, sondern theoretische Überlegungen, die die Bandbreite des Themas aufzeigen, ohne sie erschöpfend abzubilden. Einige Interpretationen des Essverhaltens sind überlappend, andere sind paradox. Die verschiedenen Konzepte zum Essverhalten in diesen überspitzen Typologien zeigen, dass das Thema Essen und Psyche nicht kohärent darstellbar ist. Es ist voller Widersprüche. Ich beginne mit eher bekannten Typen und fahre dann mit vielleicht weniger augenscheinlichen fort. Jeder Typus ist eine Folie 1: Warum essen wir, wie wir essen? Im vorliegenden Beitrag sollen überspitzte Idealtypen helfen, diese Frage zu beantworten. mögliche Antwort auf die Frage, warum Menschen so essen, wie sie essen (Folie 1). Der Mensch als Lernmaschine Der Mensch ist eine Lernmaschine. Wir reagieren mit unserem Verhalten auf Umweltreize. Wenn wir zum Beispiel ins Kino gehen, bestellen wir Popcorn. Für viele Menschen gehören Kino-Besuch und Popcorn zusammen. In diesem Typ sind Theorien bekannter Lern-Psychologen zusammengefasst. Verknüpfungen zwischen Reizen und Essverhalten werden demnach durch Wiederholung und positive oder aversive Verstärkung erlernt (vgl. Iwan Pawlow, Burrhus F. Skinner). Zu diesem Typ passt auch das Konzept vom Lernen am Modell, das Albert Bandura geprägt hat. Kinder essen, was ihre Eltern essen. Ihr Essverhalten wird geprägt durch das, was sie zu Hause vorgelebt bekommen. Popcorn im Kino: Bestimmte Verhaltensweisen lernen wir einfach bzw. gewöhnen sie uns an. Foto: BlueSkyImages/Fotolia.com

10 10 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Die Konfliktesserin Dieser Typ geht auf die Psychoanalyse zurück (Folie 2). Nach Sigmund Freud entwickeln wir aufgrund unbewusster und unlösbarer psychischer Konflikte ein gestörtes Essverhalten. Nach seiner Vorstellung rühren Essprobleme aus Störungen in der oralen Phase: Entweder erlebt das Baby in dieser zu starke Versagungen, so ist es ein Leben lang auf der Suche nach der guten und üppigen Nahrung, oder es wird zu lange in dieser Phase gehalten, so lernt dieser Mensch nicht, sich selbstständig zu entwickeln. Die Psychoanalytikerin Hilde Bruch führt ein gestörtes Essverhalten auf eine gestörte Mutter-Kind-Interaktion zurück. Vermag die Mutter die Unmutsäußerungen des Kindes nicht zu differenzieren und richtig zu interpretieren, etwa als Magengrimmen, nasse Windel oder Hunger, und gibt sie unspezifisch auf alle Unmutsäußerungen die Flasche, so lernt auch das Kind nicht, seine inneren Reize zu differenzieren und wird ein Leben lang alle inneren Reize mit Nahrungsaufnahme beantworten. Der Emotionsmanager Folie 2: Der Typ der Konfliktesserin fasst einige psychoanalytische Ansätze zur Erklärung unseres Essverhaltens zusammen. Gemäß diesem Typ bewältigen wir negative Stimmungen wie Wut, Enttäuschung oder Einsamkeit mit übermäßigem Essen. Das Essverhalten kann nicht nur auf unterschiedliche Weise verstärkt werden (zum Kind: Jetzt hast du aber schön den Teller leer gegessen! ), es ist selbst einer der zentralen Verstärker. Für die gute Note in der Schule bekommt das Kind eine Tafel Schokolade geschenkt. Wir können uns mit Essen aber auch selbst verstärken: Nach diesem harten Tag habe ich mir ein gutes Schnitzel verdient. Wir lernen schnell in unserem Leben, dass wir mit Essen unangenehme Stimmungen kompensieren oder übertünchen können. In Worte gefasst könnte das so klingen: Mein Chef war heute so unerträglich, da muss ich mir jetzt etwas Gutes gönnen. Das Gute ist dann häufig das Essen. Es ist einfach verfügbar und, anders als Freunde oder Partner, unkompliziert und unmittelbar als Emotionsbewältigung einsetzbar. Der Emotionsmanager nutzt Essen, um negative Gefühle wie Stress zu bewältigen. Foto: olly/fotolia.com

11 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 11 Die Selbstverwirklicherin Der Typ der Selbstverwirklicherin geht auf humanistische Ansätze zurück. Bedeutende Vertreter der humanistischen Psychologie wie Abraham Maslow und Carl Rogers sagen, dass Selbstverwirklichung das wichtigste Ziel im Leben ist. Essen kann ein Mittel zur Selbstverwirklichung sein. Das zeigt sich im Streben nach Kochkunst, in der Existenz von Gourmets und neuerdings durch die so genannten Foodies, also begeisterte Essensliebhaber, die in den sozialen Online-Netzwerken aktiv sind. Trotz der vielfachen Klagen über den vermeintlichen Verlust an Esskultur investieren fast alle Menschen unglaublich viele Ressourcen in die Küche, das Geschirr, in die Zubereitung etc. Das heißt, dass Essen ein ideales Feld für die Selbstverwirklichung ist. Es fehlt uns nur das Bewusstsein dafür, dass es so ist. Zu den Foodies: Bilder von selbst gekochtem Essen hochladen, Rezepte austauschen, über Koch- und Lebensmitteltrends diskutieren solche Foodie-Aktivitäten sind aktuell ein großer Trend im Internet. Es handelt sich dabei um eine Bewegung, die in gewisser Weise studierte Ernährungsexperten in Frage stellt. Wenn professionelle Ernährungsberater und andere Fachkräfte in diesem Kontext erwähnt werden, geschieht das häufig mit deutlicher Kritik. Den derzeitigen Ernährungsexpertinnen und -experten ist anzuraten, dieser Demokratisierung des Essverhaltens Aufmerksamkeit zu schenken und die eigene ex cathedra-haltung zu überdenken. Eine weitere Gruppe von Menschen, die unter anderem das Essen zur Selbstverwirklichung nutzen, sind LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability). Das Akronym steht für Menschen, die ihren Lebensstil an Werten wie Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichten. Es sind derzeit noch nicht viele, aber es werden immer mehr. Der Systemgefangene Gemäß der unterschiedlichen systemischen Ansätze (Paul Watzlawick oder Niklas Luhmann) sind Individuen Teile eines bestimmten Systems und ihr Verhalten wird von den Regeln des jeweiligen Systems diktiert. Innerhalb des Systems Familie diktiert die gesamte Familie, was wir essen. Wenn man Paul Watzlawick glaubt, gibt es kaum ein Entrinnen aus einem System, und das wiederum macht Verhaltensänderungen (und die Ernährungsberatung) so schwierig. Wenn ein Individuum versucht abzunehmen, anders zu essen, mehr Zeit mit Sport zu verbringen etc., dann rebelliert das System dagegen. Jedes System ist konservativ und duldet weder Änderungen noch Entrinnen. Dazu zwei kleine Vignetten aus der Praxis: Eine Frau will nicht nur abnehmen, sondern ihr gelingt dies auch, worauf ihr Mann zu ihr sagt: Wenn du weiter abnimmst, kannst du gleich die Koffer packen. Eine Mutter besucht ihre anorektische Tochter nach neun Monaten in der Klinik und sagt beim Hereinkommen zu der Tochter als erste Bemerkung: Ganz schön fette Waden. Essen, Kochen und Social Media rücken als Mittel zur Selbstverwirklichung immer enger zusammen. Foto: Bartłomiej Szewczyk/Fotolia.com

12 12 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Die Kopfschrittmacherin Das Essverhalten wird entscheidend durch neuronale Prozesse und insbesondere durch das limbische System mitbestimmt. Dieser Zusammenhang lässt sich über das Bild eines Kopfschrittmachers verdeutlichen und wird in den nachfolgenden Beiträgen in diesem Tagungsband vertieft. Das Tier Ein weiterer Typus, der zur Erklärung des Essverhaltens herangezogen werden kann, ist das Tier. Wir essen, um zu überleben, sowohl individuell als auch als Art. Das evolutionäre Programm, dem wir unterworfen sind, heißt: Iss so viel du kannst, und zwar möglichst viel Fettes und Süßes. Was wir als Fachkräfte in der Ernährungsberatung verhindern wollen, weil es in der heutigen Überflussgesellschaft zum Problem wird, ist evolutionär angelegt. Hätten unsere Vorfahren nach den zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gelebt, gäbe es keine Menschen mehr. Die ausgewogene Mischkost ist nicht überlebenssichernd, zumindest nicht historisch. Das geistige Wesen Wir sind einerseits Tier, das heißt biologisch geprägt. Zugleich sind wir aber auch geistige Wesen, weil wir immer versuchen, uns vom Tier abzugrenzen. Nach dem französischen Ethnologen Claude Lévi-Strauss ist die primäre Bestrebung des Menschen, nicht Tier zu sein und sich über das Tier zu erheben. Entsprechend löste Charles Darwin im 19. Jahrhundert einen Sturm der Entrüstung aus, als er sagte, der Mensch stamme vom Tier ab. Das war eine Art Kulturrevolution und nach Auffassung von Sigmund Freud eine Kränkung der gesamten Menschheit. Wie versuchen Menschen sich vom Tier abzugrenzen? Indem sie zum Beispiel gelernt haben, Feuer zu machen. Diese historische Errungenschaft der Esskultur wird jeden Sommer beim Grillen reinszeniert und damit Menschheitsgeschichte regelmäßig und mit allergrößter Leidenschaft wiederholt. Soweit sind wir auf unsere Geschichte bezogen. Weitere Errungenschaften sind Kochwerkzeuge, Esskultur, die Erbringung des Opfers und das so genannte Symposion aus der Antike, das auch heute noch existiert. Der altgriechische Begriff steht sinngemäß für gemeinsames Trinken in geselliger Runde, aber so mäßig, dass man sich noch unterhalten kann. All das sind kulturelle Errungenschaften, die sich im Essverhalten widerspiegeln, wobei der Kochtopf eine höhere Stufe der Entwicklung darstellt als das Grillen. Der Krieger Essen hat eine kriegerische Dimension. Was der Typus des Kriegers umfasst, wird in ersten Zügen durch den Begriff der sozialen Distinktion deutlich, den der Soziologe Pierre Bourdieu geprägt hat. Wir grenzen uns über das Essen sozial ab. Das Essen ist ein primäres Mittel, um Macht zu demonstrieren. Es ist immer ein Kriegsschauplatz und davon nicht abzulösen. Zu heiteren Bildern, in denen wir friedlich, fröhlich und feierlich gemeinsam essen, gibt es immer eine Kehrseite, den Krieg. In der frühen Neuzeit war es üblich, dass Adlige in der Öffentlichkeit gegessen haben und dem armen und hungernden Volk Esskultur ist ein Mittel, mit dem sich der Mensch vom Tier abgrenzt. Foto: Monkey Business/Fotolia.com

13 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 13 vorgeführt haben, wie prächtig sie essen können. Heute demonstrieren die Mittelschicht und die Oberschicht über den Erwerb von viel Obst und Gemüse, das natürlich Bio sein muss, dass sie mit denen da unten nichts zu tun haben wollen. Eine andere Dimension des Kriegers betrifft Gesundheits- und Ernährungsexperten, die Ungläubige, Unwissende und Uneinsichtige von einer gesunden Ernährung überzeugen wollen. Auch sie sind in einer Mission unterwegs, auf einer Art Kreuzzug. Schließlich hat der Typus auch eine ökologische Dimension: Darf ich so viel Fleisch essen, dass Menschen in anderen Ländern deshalb an Hunger leiden? Eine bestimmte Form von Fleischkonsum ist mit Hungerproduktion verbunden. Die Genießerin Nach Emmanuel Levinas, einem französischen Phänomenologen und Philosophen, hat Genuss keine Finalität. Beim Genuss gibt es kein um zu. Wir essen nicht, um gesund zu bleiben. Das glauben wir vielleicht, aber die wahre Motivation für Genuss liegt jenseits der Finalität. Nach Levinas sind die Dinge, von denen wir leben, keine Werkzeuge. Ihre Existenz erschöpft sich nicht in dem Gebrauchsschema, das ihnen zugrunde liegt. [ ] Sie sind immer in einem gewissen Maße [ ] Gegenstand des Genusses, sie sprechen unseren Geschmack an, da sie schon geschmückt und schön gemacht sind. Jenseits der Nützlichkeit gibt es also etwas Schönes, etwas Schmuckes. Während der Gebrauch des Werkzeugs eine Finalität voraussetzt und eine Abhängigkeit im Hinblick auf das Andere bezeichnet, zeichnet sich im Leben [...] die eigentliche Unabhängigkeit ab, die Unabhängigkeit des Genusses und seines Glückes, die das ursprüngliche Modell aller Unabhängigkeit ist. (Levinas 2008, S. 152) Der Akt des Genusses ist demnach eine Demonstration von Unabhängigkeit und Autonomie. Dementsprechend ist es schwierig, Menschen auf dieser Ebene durch rationale Erklärungen und Empfehlungen über gesunde Ernährung zu erreichen. Den Genuss lassen wir uns von niemandem nehmen. Er ist der Prototyp aller Unabhängigkeit. Die Zigarette, die ich rauche, die Schokolade, die ich zu mir nehme, das Glas Wein, das ich am Feierabend trinke, sind Manifestationen meiner Unabhängigkeit. Der Souverän Nach einer Definition des Philosophen Georges Bataille, einem Lehrer von Levinas, kommt Souveränität allein demjenigen zu, der prinzipiell alles negiert, was die Autonomie seiner Entscheidung einschränkt. Das ist auch im Bereich des Essens von Bedeutung. Wir alle streben nach Souveränität. Das bedeutet, Auf erfolgloser Mission: Gesundheits- und Ernährungsexperten, die Ungläubige, Unwissende und Uneinsichtige mit erhobenem Zeigefinger von einer gesunden Ernährung überzeugen wollen. wir lassen uns von niemandem hineinreden. Souveränität gehört nach Bataille zum Wesen des Menschen und diese Souveränität besteht jenseits von Arbeit und Kalkül und jenseits von Gesundheit. Das Streben nach Genuss und Souveränität macht Ernährungsberatung besonders schwierig, weil es häufig als ein Hineinregieren erlebt wird, als Einschränkung meiner Freiheit. Das bedeutet für die Ernährungsberatung eine deutliche Verschiebung hin zu Partizipation: Die Ernährungsberaterin begleitet, sie gibt nichts vor. Die Vernünftige Kontrolle über den Körper bis hin zur Askese steht im Mittelpunkt dieses Typus (Folie 3). Vernunft bzw. Selbstdisziplin ist heute die wichtigste Tugend. Sie ist aus der protestantischen Ethik entstanden und ist der Geist des Kapitalismus. Radikale Askese knüpft an die Idee von Mäßigung als einem anzustrebenden Wert an, die vor Jahren im Abendland mit Pythagoras und Platon geboren wurde und seither unter unterschiedlichen Benennungen das Abendland bestimmt. Selbstdisziplin kann zu moralischem Masochismus werden, wenn wir darben und uns dabei moralisch überlegen fühlen. Viele Ernährungsideologien, die von der vorherrschenden Lehrmeinung abweichen, leben diesen moralischen Masochismus. So grenzen sich Foto: Kitty/Fotolia.com

14 14 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN die Vegetarier oder die Veganer vom fleischfressenden spießigen Biertrinker ab, fühlen sich moralisch überlegen, aber müssen auch auf einiges verzichten, um sich als bessere Menschen zu fühlen. Das Zentrale in dieser Typologie ist jedoch die Vernunft, die das Essverhalten leiten soll was aber den wenigsten gelingt. Das Einkaufs- und Essverhalten ist zu 80 Prozent vom Unbewussten und den Emotionen bestimmt. Der Normsklave Wir alle unterwerfen uns sozialen Erwartungen und wir tun das, um unserem Ich-Ideal zu genügen und sozial dazuzugehören. Der Normsklave tut das jedoch übermäßig (Folie 4). Er unterwirft sich bedingungslos zum Beispiel dem Schlankheitsideal oder dem Jugendwahn, um nicht negativ aufzufallen. Das Problematische daran ist, dass das Subjekt in der Norm potenziell verschwindet. Wir leben in einer Zeit, in der sich die Norm erfüllung sehr stark als gesellschaftliche Erwartungshaltung radikalisiert hat. So sank die Norm des richtigen Gewichtes im 20. Jahrhundert massiv. Niemand zwingt uns explizit wegen vermeintlicher Figurprobleme fünfmal in der Woche ins Fitness Studio zu gehen. Wir machen dies freiwillig. Folie 3: Dieser Typus ist in verschiedenen Ausprägungen denkbar: von der mäßigen Kontrolle des Essverhaltens bis hin zum moralischen Masochismus. Der gute Mensch Ein weiterer Aspekt, der unser Essverhalten von der Psyche her bestimmt, besteht darin, dass wir uns über die Ernährung und unser Kaufverhalten als moralisch gute Menschen erweisen wollen. Die zunehmende Verbreitung von Vegetarismus und Veganismus verdeutlicht das. Kein Fleisch zu essen, bedeutet Folie 4: Der Druck zur Erfüllung der sozialen Norm ist heute massiv und kann großen Einfluss auf das Essverhalten des Einzelnen haben. Foto: Robert Schubert, aid

15 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 15 moralisch gut zu sein. Vor diesem Hintergrund ist es gesellschaftlich auch akzeptiert, die Lebensmittelindustrie jederzeit und ohne Wenn und Aber zu kritisieren. Es geht vermeintlich um den Kampf zwischen Gut und Böse. Wir wollen uns über das Essen nichts zu Schulden kommen lassen. Wir haben die Illusion einer gewaltfreien Ernährung. Doch selbst wenn wir Veganer sind, töten wir immer noch Pflanzen. Essen ist immer ein gewaltsamer Akt. Wenn wir überleben, stirbt etwas anderes. Das, was wir brauchen, ist nicht die Flucht vor oder die Verleugnung der Schuld, vielmehr einen bewussten Umgang mit der Schuld. Unsere Vorfahren opferten den Göttern. Und was machen wir? Folie 5: Unbeschwert und völlig ohne Reue essen heute die wenigsten, unter anderem dank gesellschaftlicher Gesundheitszwänge. Die Weltverbessernde Über das Essen können wir sozusagen die Welt erlösen. Dazu ein historisches Beispiel von Gustav Schlickeysen, einem Lebensreformer aus dem 19. Jahrhundert. Er schrieb: Wie ein unheilbringendes Wetter zog ein grausamer Irrtum durch die Geschichte der Menschheit: die Verleugnung seiner eigenen Natur. An die Stelle des göttlichen Gesetzes stellte er seinen schwachen und kindischen Willen. Schwer hatte er im Laufe der Jahrhunderte zu büßen. Nun erstrahlt der armen gequälten Menschheit ein sonniger Strahl der Erlösung im Lichte frugivorer [Früchte essender, Anm. d. Red.] Erkenntnis. (zitiert nach Krabbe 1974) Da uns heute die wahren Utopien fehlen, glauben wir an die Erlösung übers Essen. Wir glauben, durch die richtige Ernährung unsterblich werden zu können. Zusammenfassung Die Wechselwirkungen zwischen Essen und Psyche sind vielfältig. Die vorgestellte Typologie orientiert sich an der Idealtypenbildung nach Max Weber als einem soziologischen Modell zur Annäherung an solche komplexen Wechselwirkungen. Sie zeigt mit Hilfe gedanklicher Konstrukte gesellschaftliche Möglichkeiten zu der Frage auf, wie die Psyche mit isst. Die Typen beschreiben nicht das Essverhalten von Individuen. Es gibt nicht die Konfliktesserin oder den Emotionsmanager. Das Verhalten eines einzelnen Menschen wird durch ganz unterschiedliche Faktoren beeinflusst; ein Mensch kann Elemente verschiedener Typen in sich vereinen. Das Essverhalten eines Einzelnen lässt sich nur mit Hilfe einer individuellen, biografischen Analyse entschlüsseln. Der Kulturzugehörige Wenn wir einer bestimmten Kultur zugehören, wahren wir unsere psychosoziale Identität über Zugehörigkeit und Abgrenzung. Unsere Kultur gewährleistet, dass wir einer Gemeinschaft angehören und zugleich außerhalb einen Feind haben, von dem wir uns abgrenzen können. Diese Zugehörigkeit ist für Menschen deutlich wichtiger als Gesundheit, was eine weitere Erschwerung für die Arbeit von Gesundheitsexperten darstellt. Das Verlangen nach psychosozialer Identität rangiert weit vor der Gesundheit. Deshalb essen wir zum Frühstück keine Fischsuppe und bieten unseren Freunden bei der Essenseinladung keine Insekten an. Die unbesorgte Esserin ohne Reue Dieser Typus ist heute fast ausgestorben. Das liegt zum einen an der Verwissenschaftlichung des Essens: Der Fokus liegt nicht mehr auf den Lebensmitteln, sondern auf der Aufnahme von Nährstoffen. Zum anderen sind wir heute massiven gesellschaftlichen Gesundheitszwängen ausgesetzt (Folie 5). Literatur Ein ergänzendes Interview mit Prof. Dr. Christoph Klotter finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Bataille G: Die psychologische Struktur des Faschismus. Matthes & Seitz, München (1978) Foucault M: Die Ordnung der Dinge. Suhrkamp, Frankfurt (1974) Krabbe WR: Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform. Vandenhoeck & Rubrecht, Göttingen (1974) Levinas E: Totalität und Unendlichkeit. Verlag Karl Alber, Freiburg und München (2008) Weber M: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. 7. Auflage, Mohr, Tübingen (1988)

16 16 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Viele der vorgestellten Typologien sind sehr westlich geprägt. Den Gedanken der Autonomie, wie Sie ihn im Zusammenhang mit der Genießerin beschrieben haben, wird man in China oder vielen anderen östlichen Kulturen eher nicht finden. Prof. Dr. Christoph Klotter: Sie haben Recht. Die Typologien sind durchaus westlich orientiert bzw. eurozentristisch. Die Idee der Autonomie hat in der Tat mit kollektivistischen Gesellschaften wenig zu tun. Publikum: Ich beschäftige mich mit geschlechtsspezifischer Präventionsarbeit, primär mit Männergesundheit. Aktuell biete ich Abnehmkurse für Schichtarbeiter an. Vor dem Hintergrund interessiert mich, inwieweit das Geschlecht das Essverhalten beeinflusst. Prof. Dr. Christoph Klotter: Essen ist doing gender : Die Geschlechter demonstrieren und repräsentieren sich über Essen. Es gibt definitiv geschlechtsspezifisches Essverhalten. Männer und Frauen ernähren sich unterschiedlich, das ist empirisch abgesichert. Frauen essen zum Beispiel mehr Obst und Gemüse und trinken weniger Alkohol. Wir zeigen unser Geschlecht über das, was wir essen. Das bedeutet für Frauen auch, dass sie viel restriktiver essen müssen. Woher kommen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Unsere heutigen Geschlechterrollen sind durch viele Jahrtausende an Geschichte geprägt. Ein Mann definiert sich immer noch als Jäger und Krieger. Obwohl diese Rollen nicht mehr aktuell sind, beziehen sich die Geschlechter noch immer auf solche archaischen Bilder, zumindest zum Teil. Wenn Sie einen Gewichtsreduktionskurs für Männer anbieten, können Sie das nur im Rahmen dieser Stereotypen machen. bei den Krankentransportfahrern könnte der sitzende Lebensstil sein. Autofahren oder LKW-Fahren ist für den Körper nicht förderlich. Es gibt medizinische Aussagen, dass es genauso riskant ist, acht Stunden am Tag zu sitzen wie täglich eine Packung Zigaretten zu rauchen. Permanentes Sitzen ist einfach adipogen. Eine Frage wäre, wie Pausen einzubauen sind. Ob Unterforderung eine Rolle spielt, überprüfen Sie ja bereits. Das könnte in der Tat auch eine Rolle spielen. Publikum: Erkennen Sie Trends bei den verschiedenen Typen? Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Motiv der Weltverbesserung in den vergangen Jahren für viele Menschen an Bedeutung gewonnen hat und häufiger geworden ist. Prof. Dr. Christoph Klotter: Das Essen wird immer mehr moralisiert und ideologisiert. Das zeigt sich relativ gut in den Social Media. Nehmen Sie beispielsweise die Foodies. Was vor Jahren völlig brach gelegen hat, entwickelt sich auf einmal exponentiell. Das Essen wird zu einem der primären Identitätsangebote, auch in politischer Hinsicht. Was früher die politische Landschaft war, ist heute das Essen. Wir haben mittlerweile im Die Wechselwirkungen zwischen Essen und Psyche sind vielfältig. Prof. Dr. Christoph Klotter Publikum: Ich beschäftige mich mit einem ähnlichen Thema. Ich habe es auch mit Männern in Schichtarbeit zu tun, und zwar im Rettungsdienst. Dort beobachten wir, gerade bei den nicht voll ausgelasteten Krankentransportfahrern, dass sie in relativ kurzer Zeit enormes Übergewicht entwickeln. Im Moment gehen wir der Frage nach, inwieweit das durch eine berufliche Unterforderung und die Ansprüche des Schichtdienstes beeinflusst wird. Das wäre ja im Grunde ein weiterer Außeneinfluss, der sich in den Typen aus Ihrem Beitrag so jetzt noch nicht wiederfindet. Prof. Dr. Christoph Klotter: Die Typologie, die ich vorgestellt habe, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine relativ einfache Erklärung für die Entwicklung von Übergewicht Foto: Robert Schubert, aid

17 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 17 Wesentlichen körpernahe Utopien. Die Generation 1968 hatte Erlösungsphantasien über die Sexualität, wir über das Essen. Nur stellt sich die Frage, ob der Körper zur Erlösung taugt. Die Weltverbesserung als Motiv nimmt zu und die Ideologisierung des Essens nimmt zu, beides geht mit einer erheblichen Radikalisierung einher. Eine niedersächsische Landwirtschaftsministerin musste zurücktreten, im Grunde weil ihr Mann Geflügel züchtete. Nach einer riesigen Kampagne in den Social Media hat sie nach drei Wochen entmutigt das Handtuch geworfen. Das finde ich teilweise auch problematisch. Social Media sind eine Form von Demokratisierung, die positiv wie negativ bewertet werden kann. Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Ich frage mich bei Ihrer Schilderung, ob sie nicht sehr stark durch eine bestimmte soziale Brille geprägt ist. Ich könnte als Gegenentwurf sagen: ich habe nicht den Eindruck, dass das bewusste Essen zunimmt. Ich habe den Eindruck, dass in vielen Bereichen das besinnungslose Fressen zunimmt, wenn ich mir das Oktoberfest und Weihnachtsmärkte ansehe, bzw. die Eventkultur, die darin besteht, dass sich die Menschen nichts mehr zu sagen haben und sie die Stille durch das Bewegen der Kaumuskulatur überbrücken. Wo ist da ein kritisches Bewusstsein oder ein Erlösungsbewusstsein? Prof. Dr. Christoph Klotter: Was ich angesprochen habe, waren die empirisch abgesicherten Veränderungen, die derzeit in den Social Media stattfinden. Aber ich gebe Ihnen Recht, Rituale des Exzesses sind definitiv vorhanden. Das Essen ist in der Regel kein bewusster Akt. Jede Gesellschaft nimmt sich bestimmte Rituale wie Kirmes oder Oktoberfest, um kollektiv Verbote zu überschreiten. Das hat sich in der Tat nicht geändert. Publikum: Worte wie Tugend und Vernunft klingen bei Ihnen so, als seien das Eigenschaften, die uns eigentlich mehr schaden als nutzen. Ich denke, Tugend und Vernunft gehören aber doch zum Wertekanon, an dem wir unsere Arbeit als Gesundheitsexperten ausrichten. Prof. Dr. Christoph Klotter: Nach Max Weber sind die Idealtypen eine Überspitzung, eine Art Karikatur. Dementsprechend habe ich mir herausgenommen, auch das Vernünftige ein wenig zu überspitzen. Eine Gesellschaft wird durch bestimmte Werte zusammengehalten. Jede menschliche Gemeinschaft definiert sich erst über die Verbote und dazu gehören auch die Mäßigung und andere Tugenden. Der Mensch grenzt sich vom Tier dadurch ab, dass er zum Triebaufschub fähig ist und dass er Verboten unterworfen ist. Dementsprechend gibt es keine Kultur ohne Verbote und ohne bestimmte gemeinschaftstiftende Werte. Mäßigung gehört definitiv als zentraler Wert dazu. Das war eine Überspitzung. Publikum: Wie sieht denn der Idealtyp einer qualifizierten Ernährungsberatung aus, der vielleicht anzustreben wäre? Prof. Dr. Christoph Klotter: Die idealtypische Ernährungsberaterin läuft meines Erachtens Gefahr, dass sie sich nur auf die Seite der Mäßigung stellt. Wenn Sie sich unsere nationale Geschichte ansehen, dann ist unsere Esskultur einerseits durch die Mäßigung bestimmt (antike Mäßigung, christliche Mäßigung, protestantische Ethik) und andererseits durch die germanische Tugend des Iss so viel du kannst. Das ist eine widersprüchliche Tradition und in diesem Paradox ist unser Essverhalten gefangen. Ich gebe Fachkräften der Ernährungsberatung den Rat, die andere Seite (die Seite der Übertretung) mit ins Boot zu holen und sich nicht nur auf die Seite der Mäßigung zu schlagen. Denn ausschließliche Mäßigung erzeugt Widerstand. Ich habe vorhin Bataille zitiert. Der beschreibt das menschliche Wesen als bestimmt durch das Verbot und durch die Überschreitung, die analog der Strenge des Verbots funktioniert. Es gibt zum Beispiel keine menschliche Kultur ohne Verbot und es gibt keine Kultur ohne kollektiv organisierte Überschreitungen. Ernährungsberatung sollte die Überschreitung in Maßen mit integrieren. Publikum: Wenn man sich mit Menschen über die Qualität oder den Wert von Essen unterhält, dann sehe ich in Europa ein Nord-Süd-Gefälle. In Nordeuropa machen wir uns sehr viele Gedanken über das, was im Essen drin ist, und in Südeuropa, wo viele unserer Lebensmittel herkommen, steht der Geschmack im Mittelpunkt. Bei einer französischen Saucission du porc (frz. Wurst aus Schweinefleisch) mit Edelschimmel und dicken Fettadern macht sich der Nordeuropäer Gedanken, ob der Edelschimmel krebserregend ist und was das Fett für seinen Cholesterinspiegel bedeutet. Der Südeuropäer geht eher auf einen regionalen Markt zum Erzeuger seinen Vertrauens, lässt sich ein Stück abschneiden und sagt schmeckt oder schmeckt nicht. Was sagen Sie dazu? Prof. Dr. Christoph Klotter: Auf einer Tagung in der Schweiz hat ein Schweizer Kollege ein Problem in seinem Land geschildert. Die Deutsch-Schweizer sind gesundheitsbewusst und verhalten sich gesundheitsgerecht. Die Französisch-Schweizer ach - ten überhaupt nicht auf die Gesundheit und essen, was sie mögen. Und wer lebt länger? Die Französisch-Schweizer. Es spricht also einiges dafür, dass man nicht nur mehr vom Leben hat, sondern auch länger lebt, wenn man auf Qualität und Genuss achtet, und dass die Fixierung auf die wissenschaftlichen Daten eher hinderlich ist. Das französische Paradox umschreibt, dass Franzosen im Durchschnitt ungünstigere physiologische Parameter haben als Deutsche und trotzdem länger leben. Es gibt Interpretationen dazu, die sagen, dass die soziale Unterstützung, also das soziale Netzwerk, das Leben verlängert und auch der Genuss am Essen.

18 18 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Hunger entsteht im Gehirn Die Psyche kann nicht ohne die Physis existieren. Deshalb nähere ich mich dem Tagungsthema von der Seite des Körpers. Ich erläutere physiologische Grundlagen, die zu verstehen helfen, wie unsere Psyche funktioniert. Der Körper besteht aus dem zentralen Nervensystem, das alles koordiniert, und der so genannten Peripherie, die alles außerhalb des zentralen Nervensystems umfasst. Von der Peripherie werden Signale zur Verarbeitung ins zentrale Nervensystem geleitet. An der Nahrungsaufnahme sind verschiedene Organe beteiligt, die über die Blutbahn und das Nervensystem mit dem Gehirn in Kontakt stehen. Die Leber spielt als Stoffwechselorgan eine Rolle, der Magen-Darm-Trakt verarbeitet die Nahrung und das Fettgewebe speichert überschüssige Energie. Zahlreiche exogene Faktoren beeinflussen unsere Nahrungsaufnahme wie zum Beispiel Geruch, Aussehen und Geschmack des Essens. Daneben werden wir von intrinsischen Faktoren beeinflusst, von denen ich zwei wichtige vorstelle: die peripheren Peptidhormone Leptin und Ghrelin (Folie 1). Die Entdeckung von Leptin und Ghrelin hat zu neuen Erkenntnissen in der Erforschung der Appetitregulation geführt und einen enormen Aufschwung in der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet ausgelöst. Welche Faktoren regulieren unseren Appetit? Foto: xalanx/fotolia.com Prof. Dr. Susanne Klaus Deutsches Institut für Ernährungsforschung, Potsdam-Rehbrücke KONTAKT Prof. Dr. Susanne Klaus Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) Arthur-Scheunert-Allee Nuthetal Internet: ZUR PERSON p seit 1997 Professorin für Physiologie des Energiestoffwechsels an der Universität Potsdam, Forschungsschwerpunkt: Rolle des Energiestoffwechsels bei der Regulation des Körpergewichts, insbesondere die Interaktion der Makronährstoffe mit genetischen Faktoren bei der Entstehung von Übergewicht p Arbeitsgruppenleiterin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke (DIfE) p 1996 Habilitation in Physiologie an der Philipps-Universität in Marburg p 1993 bis 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Hochschulassistentin an der Philipps-Universität in Marburg (Arbeitsgruppe Tierphysiologie) p 1988 bis 1993 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Paris p 1988 Dissertation in Zoophysiologie an der Philipps-Universität in Marburg p 1985 Diplom in Biologie an der Philipps-Universität in Marburg

19 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 19 Folie 1: Die Entdeckung der Gegenspieler Leptin und Ghrelin hat einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Hunger und Sättigung geleistet. Folie 2: Kurzzeit- und Langzeitregulation sind eng verschaltet. Leptin wurde 1994 zum ersten Mal beschrieben, Ghrelin folgte etwas später im Jahr Leptin wird vom Fettgewebe produziert, Ghrelin hauptsächlich vom Magen. Beide Hormone wirken antagonistisch: Leptin hemmt den Appetit und Ghrelin regt ihn an. Wenn übers Abnehmen diskutiert wird, werden beide Hormone deshalb manchmal wie Gut und Böse gegenübergestellt. Doch diese Unterteilung ist nicht angebracht, denn alle natürlichen Regulationsmechanismen haben essentielle Funktionen. Nahrungsaufnahme und Energiehomöostase Die Nahrungsaufnahme wird durch ein hocheffizientes Regulationssystem kontrolliert, das im Gehirn integriert und kontrolliert wird (Folie 2). Langfristig ist es darauf ausgerichtet, die Energiebilanz auszugleichen und damit das Körpergewicht konstant zu halten. Akute Signale für Hunger und Sättigung werden daher mit langfristigen Signalnetzwerken im Hirn verschaltet, die unsere Energiereserven und deren Veränderungen messen. Wann ist es wieder Zeit etwas zu essen? Als Antwort darauf gibt es im Körper akute Signale für Hunger und Sättigung, die mit Langzeit-Regulationssystemen verschaltet sind. Foto: Liddy Hansdottir/Fotolia.com

20 20 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Dass sowohl die Kurzzeitregulation als auch die Langzeitregulation wichtig sind, zeigen die folgenden Beispiele. Jemand mit Übergewicht, der vielleicht abnehmen sollte, muss dennoch weiterhin etwas essen. Entsprechend kann nicht nur die langfristige Regulation den Ton angeben, auch die Kurzzeitregulation muss funktionieren. Das Gleiche gilt für eine untergewichtige Person, die länger nichts gegessen hat. Sie verspürt Hunger. Die Lösung ist aber natürlich nicht, solange zu essen, bis die Person Normalgewicht erreicht hat. Sie isst nur, bis sie nach dieser Mahlzeit satt ist. Wie die beiden Mechanismen miteinander verschaltet sind, ist noch nicht komplett erforscht. Wir essen in Mahlzeiten. Das mag banal klingen, ist aber wichtig zum Verständnis der Regulationssysteme. Eine Mahlzeit impliziert, dass die Nahrungsaufnahme einen Beginn und ein Ende hat. Interessanterweise gibt es Mahlzeiten auch im Tierreich. Ratten oder Mäuse zum Beispiel haben im Labor immer Futter verfügbar. Dennoch fressen sie nicht ständig, sondern strukturieren ihre Nahrungsaufnahme wie wir in Form von Mahlzeiten. Die Dauer einer Mahlzeit steht in grobem Zusammenhang mit der aufgenommenen Nahrungsmenge: je länger ich esse, desto mehr kann ich essen. Neben der Dauer der einzelnen Mahlzeiten bestimmt die Anzahl der Mahlzeiten die gegessene Menge. Bei Ratten oder Mäusen bleibt die Gesamtmenge der aufgenommenen Nahrung relativ konstant. Wird eine Ratte beim Fressen gestört, fängt sie einfach früher wieder an zu fressen bzw. nimmt mehr Mahlzeiten zu sich. Im Endeffekt frisst sie genauso viel, nur anders verteilt. Zwischen den Mahlzeiten liegen Pausen. Es muss also Signale geben, die mitteilen, wann man satt ist und wann es wieder Zeit ist zu essen. Auf Basis dieser Überlegungen hat der englische Biologe John Blundell Anfang der 1990er Jahre das Konzept der Sättigungskaskade entwickelt (Blundell 1991). Demnach verläuft der Sättigungsprozess in Phasen (Folie 3). Das Essen an sich sowie das Ende einer Mahlzeit sind vor allem sensorisch gesteuert, durch Aussehen, Geschmack, Geruch und Textur der Nahrung. Wir essen sozusagen solange wie es uns schmeckt. Dann schließt sich ein Zeitraum der Sattheit an, der wiederum in verschiedene Phasen unterteilt werden kann. Zunächst spielen kognitive Prozesse eine Rolle: wir wissen, dass wir gerade gegessen haben, und essen deshalb nicht wieder. Es folgt die prä-resorptive Phase, in der uns physiologische Signale wie das Ausmaß der Magendehnung mitteilen, dass wir satt sind noch bevor die Nährstoffe resorbiert sind. Danach schließt sich die post-resorptive Phase an. Sie fasst Sättigungsmechanismen zusammen, die durch die aufgenommenen Nährstoffe bzw. ihre Stoffwechselprodukte (z. B. Glukose) ausgelöst werden, hauptsächlich die Ausschüttung intestinaler Hormone. Die einzelnen Phasen überschneiden sich teilweise. Folie 3: Die Sättigungskaskade fasst sensorische, kognitive sowie prä- und post-resorptive Prozesse zusammen. Die Signale, die einzelne Phasen in der Sättigungskaskade bestimmen, sind mittlerweile relativ gut erforscht. Wir wissen heute zum Beispiel, dass Ghrelin Hunger auslöst und den Beginn einer Mahlzeit mitinitiieren kann. Auch der Abfall des Blut-Glukose-Spiegels ist ein klassisches Signal, dass uns sagt, dass es Zeit ist, etwas zu essen. Durch Unterzuckerung ausgelöster Heißhunger vergeht interessanterweise nach einer Zeit wieder, selbst wenn wir nichts essen. Die Leber kann Glukose ausschütten und den Blutzucker wieder normalisieren. Bekannte Sättigungssignale sind neben der Magendehnung intestinale Hormone wie zum Beispiel Cholecystokinin (CCK). Periphere Signale Die appetitregulierenden Signale aus der Peripherie lassen sich in gastrische und intestinale Sättigungssignale unterteilen (Folie 4). Die gastrische Sättigung wird durch Mechanorezeptoren in der Magenwand wahrgenommen. Diese leiten die Botschaft über den Vagusnerv an den Hirnstamm und darüber weiter an den Hypothalamus. Es handelt sich dabei um eine rein volumetrisch beeinflusste Rückmeldung. Die Energiedichte der aufgenommenen Nahrung spielt keine Rolle. Das illustriert eine Studienübersicht von Ann Prentice und Susan Jebb (Prentice & Jebb 2003). In den ausgewerteten Studien haben die Versuchsteilnehmer in der Regel eine Art Suppe bekommen, die in Varianten mit unterschiedlicher Energiedichte ausgegeben wurde. Es wurde dann gemessen, wie viel die Teilnehmer jeweils gegessen haben. Die Ergebnisse waren eindeutig. Pro Tag wurde mehr Energie aufgenommen, wenn die Energiedichte erhöht worden war, denn Menschen können die Energiedichte nicht gut wahrnehmen. Wenn wir Lebensmittel mit einer höheren Energiedichte essen, nehmen wir mehr Energie auf, bis die gastrische Sättigung erreicht ist. Dadurch kann es zur passiven Überkonsumierung kommen ein nicht zu unterschätzendes Problem beim heutigen großen Angebot an energiedichten Lebensmitteln wie Fast Food.

21 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 21 Foto: Robert Schubert, aid Der Mensch kann Energiedichte nicht gut wahrnehmen. Dadurch kann es zur passiven Überkonsumierung kommen. Prof. Dr. Susanne Klaus Bei der intestinalen Sättigung werden Nährstoffe wie Peptide, Aminosäuren, Glukose und Fettsäuren von Chemorezeptoren im Magen-Darm-Trakt wahrgenommen. Die Rezeptoren leiten Signale an den Vagusnerv weiter oder veranlassen die Sekretion von intestinalen Hormonen. Die Hormone werden im Blutkreislauf freigesetzt und wirken auf den Hypothalamus, der wiederum mit dem Hirnstamm verschaltet ist. Wir kennen mittlerweile eine Reihe von Hormonen des Gastrointestinaltraktes. Ghrelin ist das einzige, das Hunger auslöst. Alle anderen appetitregulierenden Hormone, die im Magen-Darm-Trakt produziert werden (CCK, GLP-1, Oxyntomodulin, PYY), wirken sättigend. Bei Ratten hat CCK interessanterweise zwar eine akut sättigende Wirkung (das heißt, wenn sie das Hormon bekommen, hören sie auf zu fressen), dafür fangen sie aber auch früher wieder an zu fressen als ohne das Hormon. Die aufgenommene Energie bleibt insgesamt gleich. Auch in Humanversuchen zeigte sich keine Wirksamkeit von CCK oder anderen Darmhormonen auf die Reduktion des Körpergewichts. Hungerhormon Ghrelin Ghrelin wurde zum ersten Mal im Jahr 2000 von Matthias Tschöp in der Fachzeitschrift Nature beschrieben. Der Adipositas- und Diabetesforscher hat herausgefunden, dass Ratten mehr fressen und an Körpergewicht zunehmen, wenn ihnen Ghrelin ins Gehirn appliziert wird (Tschöp et al. 2000). Diese Erkenntnis hat damals sehr erstaunt, denn man hatte das erste und bisher einzige Mal ein Signal gefunden, das im Magen produziert wird und Hunger auslöst. Folie 4: Überblick über die gastrische und intestinale Sättigung.

22 22 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Foto: olly/fotolia.com Wenn wir lange nichts gegessen haben, zirkuliert viel Ghrelin im Körper. Wissenschaftler haben auch untersucht, wie sich der Plasma- Ghrelin-Spiegel im Tagesverlauf verhält. Es konnte gezeigt werden, dass es wiederkehrende tageszeitliche Schwankungen gibt (Yildiz et al. 2004). Nachts ist der Ghrelin-Spiegel hoch, also in der Zeit, in der wir am längsten nichts gegessen haben. Nach jeder Mahlzeit sinkt die Menge an zirkulierendem Ghrelin. Dann steigt sie wieder an, bis wir das nächste Mal etwas essen. Ghrelin ist also ein typisches Kurzzeitsignal, das durch die Aufnahme von Nahrung herunterreguliert wird. Leptin Die bisher vorgestellten Signale sind hauptsächlich für die Kurzzeitregulation verantwortlich. Was ist aber mit der Langzeitregulation? Darüber war sich die Wissenschaft lange im Unklaren. Wie kann der Körper dem Hirn signalisieren, dass die Energiespeicher voll oder leer sind? Bei der Erforschung dieser Frage hat die Entdeckung von Leptin durch die Arbeitsgruppe um den Molekulargenetiker Jeffrey Friedman einen entscheidenden Beitrag geleistet (Zhang et al. 1994). Leptin wird durch das obese-gen (engl. adipös) kodiert. Erste Hinweise auf dieses Gen gab die so genannte ob/ob-maus, die das Gen in einer mutierten Form in sich trägt. Sie fiel erstmals um 1950 in einer Mäusezucht durch übermäßige Nahrungsaufnahme und entsprechende Fettleibigkeit auf und wurde danach weitergezüchtet. Friedman hat in jahrelanger Kleinarbeit das Genom der ob/ob-maus untersucht und ist dabei auf eine Mutation des obese-gens gestoßen. Er hat herausgefunden, dass dieses Gen ein Hormon kodiert, das vom Fettgewebe ausgesendet wird und dass das Hormon ausschließlich im Fettgewebe vorhanden ist. Diese Erkenntnisse haben damals eine Lawine an Forschungsaktivitäten ausgelöst. Es herrschte große Euphorie, weil man dachte, man hätte die Erklärung für Übergewicht gefunden. Übergewichtige Menschen haben nicht genug Leptin, das ihnen sagt, dass sie dick sind, so lautete die These. Kliniken haben daraufhin ihre Patientendaten durchforstet und nach extrem adipösen Patienten gesucht, bei denen ein Leptin-Mangel zu beobachten war. Tatsächlich wurde 1997 zum ersten Mal ein Mädchen mit einer Mutation im Leptin-Gen beschrieben, das mit zehn Jahren schon über 80 Kilogramm wog. Sein Körpergewicht lag seit der Geburt deutlich über der normalen Gewichtsverteilung von Kindern und wich mit zunehmendem Alter immer weiter nach oben ab (Montague et al. 1997). Etwas später wurden zwei Patientinnen gefunden, die Mutationen im Leptin bindenden Rezeptor aufwiesen. Sie hatten den gleichen Phänotyp wie das Mädchen: normale Größe, aber extreme Gewichtszunahme. Man hat dann begonnen, Patienten mit Leptin zu behandeln. Gibson et al. haben 2004 beispielsweise den Fall eines Kindes beschrieben, bei dem mit vier Jahren eine Mutation des Lep tin-gens diagnostiziert wurde. Sein Körpergewicht lag zu dem Zeitpunkt mit über 60 Kilogramm weit über dem Normalgewicht für Kinder im gleichen Alter. Nach der Behandlung mit Leptin hat das

23 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 23 Kind sofort deutlich an Gewicht verloren, ohne eine diätetische Intervention. Im Alter von neun Jahren hatte sich das Gewicht beinahe an den oberen Bereich der Normalverteilung angenähert. Eine angeborene Leptin-Defizienz ist jedoch extrem selten. Das Leptin-Gen ist ein rezessives Gen, das heißt, die Mutation muss bei beiden Eltern vorliegen, um im Kind aufzutreten. Bisher sind weltweit weniger als 20 Fälle bekannt. Diese Patienten können behandelt werden. Doch ein Leptin-Mangel ist keine Erklärung für das Übergewicht der übrigen Bevölkerung. Übergewichtige ohne eine Mutation des Leptin-Gens weisen im Vergleich zu normalgewichtigen Personen deutlich höhere Leptin-Spiegel im Blut auf (Yildiz et al. 2004). Sie haben nicht zu wenig Leptin, sondern eine Leptin-Resistenz. Der Körper sig nalisiert durch die Ausschüttung von Leptin, dass die Energiespeicher voll sind, also viel Fettgewebe vorliegt. Das Gehirn nimmt dieses Signal jedoch nicht wahr. Wir kennen mittlerweile viele Mechanismen molekularer Art, auf denen diese Resistenz beruht. Vergleicht man die tageszeitlichen Schwankungen von Leptin und Ghrelin im Plasma, dann zeigt sich, dass Leptin anders als Ghrelin weniger durch Mahlzeiten reguliert wird, sondern mehr von der vorhandenen Fettmasse abhängt (Yildiz et al. 2004). Folie 5: Zu wenig Leptin ist ein starkes Signal für Hunger und führt zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme. Umgekehrt schränkt ein hoher Leptin-Spiegel die Nahrungsaufnahme in der Regel jedoch nicht ein. Wenn die Fettspeicher zu groß sind, wird viel Leptin produziert (Folie 5). Das sollte die Nahrungsaufnahme eigentlich vermindern, doch das passiert beim Menschen in der Regel nicht. Umgekehrt ist es aber so, dass zu geringe Fettspeicher und zu wenig Leptin ein extrem starkes Signal zum Essen geben, wie wir bei den Patienten gesehen haben, die kein Leptin bilden können. Deswegen geht man heute davon aus, dass Leptin im Rahmen der Evolution eher ein Signal ist, das uns vorm Verhungern schützen soll. Eine angeborene Leptin-Defizienz ist extrem selten und keine Erklärung für die große Anzahl Übergewichtiger in der Bevölkerung. Prof. Dr. Susanne Klaus Foto: Robert Schubert, aid

24 24 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Folie 6: Was passiert mit den peripheren Signalen, wenn sie im Gehirn ankommen? Folie 8: Eine Mutation des POMC-Gens ist ein Beispiel für genetisch bedingte Adipositas. Blut-Hirn-Schranke Neurone 2. Ordnung Nucleus arcuatus Ghrelin (Hungersignal) Hunger Y1/Y5R NPY AGRP Sättigungspeptide Zentrale Regulation der Energiehomöostase AGRP Sättigung MC3/4R amsh POMC CART Insulin Leptin (Adipositassignale) Hypothalamus Mediane Eminenz (nach Schartl et al. 2009) Folie 7: Übersicht über die Verschaltung verschiedener peripherer Signale zur Appetitregulation im Gehirn. Im Körper gibt es eine Reihe peripherer Faktoren, die Signale zur Appetitregulation an das Gehirn senden (Folie 6). Was aber passiert dort? Wir wissen seit langer Zeit, dass der Hypothalamus ein wichtiges Integrationszentrum für die Nahrungsaufnahme ist. Der Hypothalamus ist evolutionär gesehen ein relativ alter Teil des Gehirns mit verschiedenen Kerngebieten. Bereits in den 1940er und 1950er Jahren wurden Versuche mit Ratten gemacht, bei denen einzelne Gebiete des Hypothalamus mit Hilfe von Elektroden zerstört wurden. Dabei hat man festgestellt, dass Ratten anfingen, sich zu überfressen, wenn man den ventromedialen Teil zerstörte. Daraus schloss man, dass es sich dabei um ein Sättigungszentrum handelt. Zerstörte man den lateralen Teil des Hypothalamus, eine eher diffuse Region mit wenig definierten Kernen, dann nahmen die Tiere keine Nahrung mehr auf und verhungerten teilweise sogar, wenn man ihnen die Nahrung nicht direkt ins Maul steckte. Entsprechend war die Schlussfolgerung, dass der laterale Hypothalamus ein Hungerzentrum ist. Man wusste damals noch nichts über die peripheren und zentralen Signale und ihre Verschaltung. Wie das funktioniert, hat man erst nach der Entdeckung von Leptin verstanden. Leptin überwindet die Blut-Hirn-Schranke und bindet im Hypothalamus an Rezeptoren im Nucleus arcuatus (Folie 7). Diese Gehirnregion ist mit zwei Arten von Neuronen ausgestattet, die antagonistisch wirkende Neuropeptide produzieren und über die Aktivierung von übergeordneten Neuronen die Information an höhere Hirnzentren weiterleiten. Die POMC/CART- Neuronen werden von Leptin stimuliert und hemmen die Nahrungsaufnahme über die Ausschüttung des Melanozytenstimulierenden Hormons (α-msh). Die NPY/AGRP-Neuronen wiederum werden von Leptin gehemmt und stimulieren die Nahrungsaufnahme über die Ausschüttung der Neuropeptide Y und AGRP. Am Beispiel des POMC-Gens lässt sich veranschaulichen, welche Auswirkungen eine Störung der Informationswege in Bezug auf Hunger und Sättigung haben kann (Folie 8). Proopiomelanocortin (POMC) kodiert verschiedene Proteine und Peptide, darunter das Adrenocorticotrope Hormon (ACTH), das wichtig für die Funktion der Nebenniere ist, und das Neuropeptid α-msh, das an der Sättigung beteiligt ist. Die von POMC kodierten Hormone binden an verschiedene Rezeptoren im Hypothalamus. Wenn α-msh durch Mutationen in den entsprechenden Rezeptoren (MC3R, MC4R) nicht binden kann, kann keine Sättigung vermittelt werden und es kommt zu Hyperphagie und Adipositas. Tatsächlich haben etwa ein bis fünf Prozent der extrem Adipösen eine Mutation im MC4-Rezeptor. Bei genetisch bedingter Adipositas spielt diese Mutation also eine größere Rolle als ein durch Genmutation verursachter Leptin-Mangel. Interessanterweise haben Menschen mit einem POMC-Defekt rote Haare. Das liegt daran, dass das Gen auch die Haarfarbe und die Hautfarbe beeinflusst.

25 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 25 Foto: viperagp/fotolia.com Das Appetitverhalten unterliegt einer homöostatischen Kontrolle, es wird daneben aber vor allem auch durch psychosoziale Einflüsse gesteuert. Essen ist mehr als Energiehomöostase Der Hypothalamus erhält nicht nur direkten Input von peripher freigesetzten Signalen, sondern auch vom Hirnstamm und von höheren Hirnzentren. Dadurch können die internen Signale aus dem Körper mit externen Signalen wie optischen Eindrücken, Geruch und Geschmack verschaltet und integriert werden. Das Appetitverhalten unterliegt somit einer homöostatischen Kontrolle, das heißt der Regulation der Energiebilanz. Im Alltag wird es aber vorwiegend durch psychosoziale Einflüsse gesteuert, insbesondere auch durch die Hedonik (Folie 9). Dies involviert höhere Gehirnfunktionen wie das limbische System (Sitz von Emotionen) und weite Areale der Hirnrinde bzw. des Kortex (Sitz des Bewusstseins). wechslung. Es kommt, zumindest kurzfristig, zur sensorischspezifischen Sättigung. Orosensorische Eindrücke können auch spezifische Nahrungs-Aversionen hervorrufen. Aussehen, Geschmack, Geruch und Textur von Nahrung werden von verschiedenen Neuronen wahrgenommen und in verschiedenen Regionen des Gehirns verschaltet (Folie 10). Interessanterweise laufen die Signale jedoch alle im orbitofrontalen Kortex zusammen. Dieser steht in Verbindung mit dem lateralen Hypothalamus, in dem Hunger- und Sät- Geschmack und Geruch haben mit einen Einfluss darauf, was und wie viel wir essen. Zur Wahrnehmung der fünf Geschmacksempfindungen süß, sauer, salzig, bitter und umami sind heute mehrere Gen-Familien für Geschmacksrezeptoren bekannt. Daneben ermöglichen uns etwa 700 Gene für Geruchsrezeptoren die Wahrnehmung und Unterscheidung von tausenden verschiedenen Geruchsmolekülen. Auch die Textur, also wie sich die Nahrung im Mund- und Rachenraum anfühlt, hat Einfluss auf die Nahrungsaufnahme. Wenn wir ständig ähnliche sensorische Eindrücke erleben, entsteht die Lust auf Ab- Folie 9: Hedonische Aspekte haben einen großen Einfluss auf das Essverhalten.

26 26 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Folie 10: Sinnlich wahrnehmbare Essensreize sind im Gehirn mit der homöostatischen Kontrolle des Essverhaltens verschaltet. Folie 11: Bei der Nahrungsaufnahme sind verschiedene Regulationssysteme komplex miteinander verbunden. tigungsneuronen sitzen, die durch homöostatische Signale kontrolliert werden. Der orbitofrontale Kortex ist auch mit dem limbischen System verschaltet, das bei Emotionen eine Rolle spielt. Orosensorik, psychische Einflüsse und homöostatische Kontrolle beinflussen sich gegenseitig. Man kann die Systeme deshalb nicht getrennt betrachten (Folie 11). Periphere Signale aus dem Körper zu Energieaufnahme und Energieverbrauch werden im zentralen Nervensystem mit übergeordneten Faktoren aus der Umgebung verschaltet. Verfügbarkeit von Nahrung, Orosensorik, Belohnungsoptimierung, die innere Uhr, soziale Gewohnheiten und Stress sind alles wichtige Einflussfaktoren auf unser kognitives und emot ionales Serotonin und Dopamin Das Belohnungszentrum im cortico-limbischen System spielt eine wichtige Rolle bei der Nahrungsaufnahme und ist auch bei Suchtverhalten von Bedeutung. Daran beteiligt sind Neurotransmitter wie Dopamin und das so genannte Glückshormon Serotonin. Serotonin wird im Körper aus Tryptophan gebildet und wirkt appetithemmend. Ein höherer Serotonin- Spiegel führt dazu, dass wir eine Mahlzeit früher beenden und dadurch weniger Nahrung aufnehmen. Das Prinzip findet bei Appetitzüglern Anwendung. Diskutiert wird auch eine mögliche Unterdrückung der Kohlenhydratzufuhr, wobei die Ausschüttung von Serotonin durch Kohlenhydrate stimuliert wird. Die Signale für Aussehen, Geschmack, Geruch und Textur von Nahrung laufen im orbitofrontalen Kortex zusammen. Foto: Alena Ozerova/Fotolia.com Das aus Tyrosin gebildete Dopamin ist für die Nahrungsaufnahme notwendig. Es motiviert zum Essen. Gerade Dopamin spielt eine große Rolle in der Hedonik des Essverhaltens und im Belohnungssystem (Verlangen, Motivation). Neben Serotonin und Dopamin sind auch körpereigene Opioide und Cannabinoide Teil des Belohnungszentrums. Das Opioid-System vermittelt beispielsweise die Grundlage für den Belohnungseffekt süßer und fetthaltiger Lebensmittel. Zusammenfassung und Ausblick Die homöostatische Kontrolle, das metabolische Gehirn und das kognitive, emotionale Gehirn sind eng miteinander verbunden und spielen bei der Appetitkontrolle und Regulation der Energiehomöostase gemeinsam eine wichtige Rolle (Fo lie 12).

27 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 27 Ein ergänzendes Interview mit Prof. Dr. Susanne Klaus finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Literatur Berthoud HR: Metabolic and hedonic drives in the neural control of appetite: who is the boss? Curr Opin Neurobiol. 21(6): doi: /j. conb (2011) Blundell JE: Pharmacological approaches to appetite suppression. Trends Pharmacol Sci. 12(4): (1991) Folie 12: Überblick über das komplexe System, das die Nahrungsaufnahme reguliert. Gehirn und damit auch auf unser metabolisches Gehirn. Außerdem spielt die individuelle Prädisposition bestehend aus Genetik, Epigenetik und früher Prägung eine wichtige Rolle für die Nahrungsaufnahme. Heute sind knapp 30 Peptide und Neurotransmitter bekannt, die den Appetit und das Essverhalten beeinflussen. In den letzten 15 Jahren sind nur noch zwei oder drei Faktoren neu entdeckt worden. Wir wissen mittlerweile relativ gut, welche Botenstoffe an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt sind. Aber die Regulation des Essverhaltens ist ein komplexes System und wir sind noch weit davon entfernt, es vollständig zu verstehen. Gibson WT, Farooqi IS, Moreau M, DePaoli AM, Lawrence E, O Rahilly S, Trussell RA: Congenital leptin deficiency due to homozygosity for the Delta133G mutation: report of another case and evaluation of response to four years of leptin therapy. J Clin Endocrinol Metab. 89(10): (2004) Lenard NR, Berthoud HR: Central and peripheral regulation of food intake and physical activity: pathways and genes. Obesity 16 (Suppl 3):S11 S22 (2008) Montague CT et al.: Congenital leptin deficiency is associated with severe earlyonset obesity in humans. Nature 387(6636):903 8 (1997) Prentice AM, Jebb SA: Beyond body mass index. Obes Rev. 2(3): (2003) Rolls ET: Taste, olfactory, and food texture processing in the brain, and the control of food intake. Physiology and Behavior 85:45 56 (2005) Schartl M, Gessler M, Eckardstein Av: Biochemie und Molekularbiologie des Menschen. Elsevier, München (2009) Tschöp M, Smiley DL, Heiman ML: Ghrelin induces adiposity in rodents. Nature 407(6806): (2000) Yildiz BO, Suchard MA, Wong ML, McCann SM, Licinio J: Alterations in the dynamics of circulating ghrelin, adiponectin, and leptin in human obesity. Proc Natl Acad Sci U S A 101(28): Epub 2004 Jul 1 (2004) Zhang Y, Proenca R, Maffei M, Barone M, Leopold L, Friedman JM: Positional cloning of the mouse obese gene and its human homologue. Nature 372(6505): (1994)

28 28 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Publikum: Differenzieren Sie zwischen Hunger und Appetit, und wenn ja, gibt es eine hormonelle Differenzierung zwischen Hunger und Appetit? Prof. Dr. Susanne Klaus: Das ist schwierig. Wissenschaftlich gesehen können wir zwischen Sättigung und Sattheit differenzieren. Sättigung ist das, was während der Nahrungsaufnahme passiert. Sattheit ist die Phase nach der Nahrungsaufnahme, wenn man satt ist. Ich glaube, für Appetit und Hunger gibt es keine naturwissenschaftliche Definition, vielleicht gibt es eine aus der Psychologie. Appetit ist die Lust auf Essen. Die kann, muss aber nicht durch Hunger verursacht sein. Wenn ich vor dem Fernseher sitze und Werbung für einen Schokoriegel sehe, bekomme ich auf einmal Appetit darauf. Das sind physische Vorgänge, bei denen natürlich auch etwas im Gehirn passiert. Dort sagt mein Belohnungssystem vielleicht: Aha, mein Dopamin-Spiegel ist zu niedrig! Ich habe jetzt die Motivation, Schokolade zu essen, um meinen Dopamin-Spiegel wieder zu erhöhen. Das kann Hunger sein, muss es aber nicht. Hunger ist eher die Botschaft unseres homöostatischen Systems, wenn wir wirklich längere Zeit nichts gegessen haben. Prof. Dr. Susanne Klaus: Wie lässt sich Grundlagenforschung in die Praxis übertragen? Vor diesem Problem stehen wir alle, und ich glaube, es gibt noch keine richtige Antwort. Ein Verständnis der Physiologie kann uns helfen, in Extremfällen Abhilfe zu schaffen. Das wird heute bereits genutzt. Mittlerweile sind beispielsweise Kombinationstherapien zur Appetitzügelung in der Entwicklung. Die Physiologie ist wichtig für uns, um Hintergründe zu verstehen. Ich denke nicht, dass es angebracht ist, einem Übergewichtigen Details über Hormone und Hirnverschaltungen zu erklären. Das will er vielleicht gar nicht wissen. Aber man kann ihm vielleicht erklären, dass das, was bei ihm passiert, etwas Physisches ist, dass es nicht eingebildet ist, dass es durchaus eine körperliche Grundlage hat. Vielleicht hilft das, den Rahmen zu definieren, in dem man sich überhaupt bewegen kann, und die extrem unrealistischen Vorstellungen vieler Menschen etwas zu dämpfen. Publikum: Sie sagten vorhin, dass Anzahl mal Größe der Mahlzeiten im Tierversuch konstant ist. Inwieweit kann man das beim Menschen auch beobachten und inwieweit lässt es sich bei Tieren durch exogene Faktoren stören? Publikum: In der Ernährungsberatung geht es für mich darum, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Wie kann ich das Wissen aus Ihrem Beitrag für die Praxis nutzen? Haben Sie dazu Anregungen? Muss ich künftig sagen: Lieber Patient, wir müssen jetzt erst mal in die Biochemie einsteigen und deinen Hormonstatus untersuchen? Foto: Robert Schubert, aid Prof. Dr. Susanne Klaus: Um mit Letzterem anzufangen: man kann das stören. Es gibt zum Beispiel Ansätze mit hochkalorischen Diäten. Wenn man einer Ratte statt normalem Rattenfutter sehr abwechslungsreiches Futter gibt, frisst sie ebenfalls mehr und wird dicker. Doch nicht alle Ratten nehmen dann zu. Es gibt individuelle Unterschiede. Zu dem Thema gibt es auch zahlreiche Humanstudien, bei denen zum Beispiel die Mahlzeitenanzahl oder die Energiedichte der Mahlzeiten manipuliert wurde. Das Problem dabei ist, dass man die Versuche über Monate durchführen müsste, um wirklich aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen. Das ist aber nicht möglich. Soweit ich die Literatur kenne, scheint es beim Menschen so zu sein, dass die Anzahl der Mahlzeiten tatsächlich relativ unbedeutsam ist in Bezug auf die Gesamtmenge der aufgenommenen Nahrung. Es gibt aber doch sehr große individuelle Unterschiede. Für manche Menschen ist es offenbar besser, nur dreimal am Tag zu essen, denn wenn sie fünf Mahlzeiten essen, nehmen sie insgesamt auch mehr Nahrung zu sich. Beim Menschen ist es offensichtlich nicht so gut reguliert, weniger zu essen, wenn die vorherige Mahlzeit sehr üppig war. Bei mir persönlich ist es so: Wenn ich gut frühstücke, kann ich trotzdem zu Mittag essen, auch genauso viel wie ohne Frühstück. Deshalb frühstücke ich in der Regel relativ wenig, weil ich mittags

29 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 29 immer gleich viel Hunger habe. Damit kann ich mein Körpergewicht einigermaßen im Griff behalten. Andere Menschen haben sicherlich andere Methoden. Publikum: Sie haben in Ihrem Beitrag den Zusammenhang zwischen Tryptophan, Tyrosin, Serotonin und Dopamin erwähnt. Das wird ja auch therapeutisch genutzt. Was halten Sie davon, wenn behauptet wird, die Zufuhr von tryptophan- und tyrosinhaltigen Lebensmitteln würde sich auf die Stimmung auswirken? Inwieweit haben solche Aussagen aus Ihrer Sicht eine Daseinsberechtigung? Prof. Dr. Susanne Klaus: So einfach funktioniert das sicherlich nicht. Das Entscheidende ist, was von diesen Aminosäuren im Gehirn ankommt, und das hat mit der Nahrungszusammensetzung insgesamt zu tun. Prof. Dr. Susanne Klaus: Man kann natürlich Verschwörungstheorien anhängen und sagen, die Lebensmittelindustrie mischt überall Glutamin hinein und das führt dazu, dass wir mehr essen. Ich denke aber, das wäre auch wieder zu einfach gedacht. Bei uns kommt heute eine Kombination von ungünstigen Faktoren zusammen. Wir essen mehr und bewegen uns weniger. Die Genetik hat sich nicht geändert, aber die Epigenetik kann sich geändert haben. Wir wissen, dass es frühkindliche Einflüsse gibt. Das zeigt sich zum Beispiel bei Kindern von Müttern, die Gestationsdiabetes hatten, und die deshalb eher zu Diabetes und auch zu Übergewicht neigen. Einige Einflüsse können sich durchaus schnell ändern, in der Vergangenheit war das zum Beispiel die Verfügbarkeit von Nahrung. Es gibt Studien von Kindern in Holland, die nach dem Zweiten Weltkrieg geboren sind. Deren Mütter hatten sehr stark gehungert und hatten, ebenso wie ihre Kinder, eine erhöhte Neigung zu Übergewicht und Diabetes. In Bezug auf die Lebensmittelindustrie glaube ich schon, dass Rezepturen einen großen Einfluss haben, gerade über die Energiedichte. Die ist in verarbeiteten Lebensmitteln oft viel höher als in frischen, unverarbeiteten Produkten. Die Energiedichte zu reduzieren wäre zwar kein Allheilmittel, aber sicherlich ein sinnvoller Ansatz. Publikum: Dazu sagen die Vertreter dieser Auffassung, dass man zum Beispiel Datteln isoliert essen solle, weil dann die Kohlenhydrat- und Tryptophanrelation optimal sei. Prof. Dr. Susanne Klaus: Manche Leute machen das. Ich halte relativ wenig davon. Unser Gehirn sichert unser Überleben und ist komplex. Es wäre merkwürdig, wenn wir unser Gehirn so einfach manipulieren und irgendwelche Sättigungshormone regulieren könnten, indem wir isoliert Datteln essen. Unser System ist sehr robust. Das Gehirn selektiert, was es aufnimmt, und das wird normalerweise nur in geringem Maß durch die Nahrungsaufnahme an sich beeinflusst. Publikum: Das Thema Übergewicht hat in den letzten Jahren enorm an Dramatik gewonnen. Übergewicht nimmt drastisch zu, während sich die Genetik, vermutlich auch die Epigenetik und die anderen Faktoren, die Sie beschrieben haben, wahrscheinlich über viele Jahre nicht verändert haben. Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass die Rezepturen von Lebensmitteln hier eine Rolle spielen? Läuft zum Beispiel möglicherweise die Metabolisierung der heutigen Fettrezepturen im Körper anders ab? Es ist ja auch für die Politik wichtig zu wissen, was sich da im Verborgenen abspielt. Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Die Idee der Energiehomöostase ist ein sehr zentrales Konstrukt in Ihrem Beitrag. Ich frage mich, wie zutreffend dieses Modell sein kann. Der Mensch ist ja zum Beispiel in den ersten 15 oder 16 Lebensjahren darauf programmiert, eine positive Energiebilanz zu haben, sonst würde er nicht wachsen. Prof. Dr. Susanne Klaus: Es gibt eine Energiehomöostase. Das bedeutet aber nicht, dass die Bilanz zu jedem Zeitpunkt ausgeglichen sein muss. Sie haben Recht, in der Wachstumsphase muss die Energiebilanz positiv sein. Wir hatten in früheren Zeiten auch Hungerphasen, in denen die Menschen abgenommen haben. Danach brauchten auch sie eine positive Energiebilanz, um wieder zuzunehmen. Aber genau zu solchen Regulierungen dient ja das System.

30 30 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Übergewicht: Reine Kopfsache? Adipositas wird von Menschen ohne Übergewicht oft als selbst verschuldet wahrgenommen. Die sollen einfach weniger essen, heißt es. Nichtbetroffene gehen davon aus, dass bei Adipösen ein Mangel an Selbstkontrolle vorliegt. Dieses Stigma wird auch auf andere Bereiche übertragen, zum Beispiel auf den Arbeitsmarkt. Menschen mit Übergewicht wird weniger zugetraut. Es wird davon ausgegangen, dass sie ihr Leben irgendwie nicht im Griff haben. Foto: Subbotina Anna/Fotolia.com Betroffene hingegen beschreiben Symptome, die einer Abhängigkeit ähneln. Sie erleben ein starkes Verlangen danach zu essen. Sie sind sich des unerwünschten Verhaltens bewusst, fühlen sich aber unfähig, es zu ändern. Durch das Scheitern kommt es schließlich zu negativen emotionalen Konsequenzen. Wenn man beide Sichtweisen gegenüberstellt, dann scheint es in der Kontrolle des Essverhaltens bei Nichtbetroffenen Regulationsmechanismen zu geben, die bei Adipösen nicht mehr zur Verfügung stehen. Genau diesem Thema widmet sich unsere Forschung am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Welche Kontrollmechanismen stehen Übergewichtigen und Nichtbetroffenen beim Essverhalten zur Verfügung? Neurowissenschaften. Wir sind auf der Suche nach Spuren, die dieser Verhaltensunterschied (der Kontrollverlust bei Adipösen gegenüber der vorhandenen Kontrolle bei normalgewichtigen, gesunden Menschen) im Gehirn hinterlässt. Dr. Annette Horstmann IFB AdipositasErkrankungen, Universität Leipzig & Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften KONTAKT Dr. Annette Horstmann Max-Planck-Institut für Kognitions-und Neurowissenschaften Abteilung für Neurologie Stephanstr. 1A Leipzig Internet: ZUR PERSON p seit November 2013 Leiterin der Nachwuchs-Forschungsgruppe Decision making in obesity: neurobiology, behavior, and plasticity am medizinischen Zentrum der Universität Leipzig p seit 2010 wissenschaftliche Mitarbeiterin am medizinischen Zentrum der Universität Leipzig, IFB AdipositasErkrankungen und in der Abteilung Neurologie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften p 2008 bis 2010 Post-Doktorandin in der Abteilung Neurologie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften p 2007 bis 2008 Gastwissenschaftlerin der Fellow-Forschungsgruppe Aufmerksamkeit & Bewusstsein am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften p 2004 bis 2008 Doktorandin an der Internationalen Graduiertenschule Biowissenschaften, Fakultät für Biologie und Biotechnologie an der Ruhr-Universität Bochum p 2008 Dissertation in Neurowissenschaften, Thema Sensomotorische Integration am Beispiel der Auge-Hand-Koordination beim Menschen: neuronale Substrate der zentralnervösen Vermittlung und Eigenschaften des Systems p 1997 bis 2003 Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum, Schwerpunkte Neurobiologie und Zoologie, Nebenfächer Biomechanik und Biophysik

31 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 31 Zentrale Kontrolle des Essverhaltens Bei der zentralen Kontrolle unseres Essverhaltens sind verschiedene Systeme miteinander verschaltet. Das homöostatische System, also das Bedürfnis nach angepasster Energiezufuhr, ist in sehr alten Gehirnregionen angesiedelt, im Hypothalamus und im Hirnstamm. Weiter gibt es das Belohnungssystem. Es umfasst Belohnungssignale, die ausgeschüttet werden, wenn wir etwas essen, und Signale, die uns zum Essen motivieren. Das Belohnungssystem wird durch ein weitläufiges Netzwerk limbischer und paralimbischer Areale im Gehirn reguliert. Zu den involvierten Regionen gehören zum Beispiel das Belohnungszentrum (Nucleus accumbens), die Basalganglien, das Striatum, der Hippocampus und die Amygdala. Belohnung als Anreiz zur Nahrungsaufnahme gibt es auch bei Tieren. Evolutionsgeschichtlich relativ neu dagegen ist die kognitive Kontrolle des Essverhaltens. Die gibt es nur beim Menschen und sie hat in unserer heutigen Zeit, in der ein Mangel an Nahrungsenergie sehr selten geworden ist, stark an Bedeutung gewonnen. Die kognitive Kontrolle wird im Präfrontalkortex vermittelt. Diese Gehirnstruktur hat sich entwicklungsgeschichtlich erst sehr spät, dafür aber massiv herausgebildet. Sie beschäftigt sich mit dem Ich in der Gesellschaft, mit Zwängen, mit sozialen Interaktionen und mit dem Unterdrücken von unangebrachten Verhaltensweisen. Essen wirkt als Verstärker Essen ist ein natürlicher positiver Verstärker, genau wie positive soziale Interaktionen oder Sex. Leptin und andere hormonelle Faktoren verhindern, dass wir verhungern. Sie zwingen uns, Essen als lebenserhaltende Maßnahme mit der nötigen Energie zu verfolgen. Dagegen gibt es bis heute allerdings kein identifiziertes natürliches Signal für zu hohe Energiereserven. Das war in der Evolution nicht vorgesehen. Alle Signale zur Regulation des Essverhaltens, die zurzeit untersucht werden, dienen ausschließlich dazu, den Körper vor dem Verhungern zu schützen. Dieser Schutzmechanismus ist entwicklungsgeschichtlich sinnvoll. Wiederholte Verstärkung durch Essen kann aber zu Problemen führen. Wenn man ein positiv verstärktes Verhalten sehr häufig ausführt, kann es gewohnheitsmäßig werden. In dem Fall ist es nicht mehr zielgerichtet. Man hat sich an die positive Auswirkung des Verhaltens gewöhnt und führt es deshalb weiter, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Das kennt man von natürlichen oder auch synthetischen Suchtmitteln. Anfangs ist die Einnahme eine impulsive Handlung. Irgendwann wird der Konsum jedoch zwanghaft, ist nicht mehr zielgerichtet und mündet letztendlich in ein chronisches Verhaltensmuster. Selbst wenn man dann mit sehr viel Aufwand versucht, das Verhalten zu durchbrechen, ist man stark anfällig für Rückfälle. Im Extremfall kommt es zu einer Sucht. Umgang mit dem Überfluss? Bisher kennen Forscher nur natürliche Signale, die den Körper vorm Verhungern schützen sollen. Foto: Bernard BAILLY/Fotolia.com

32 32 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Bei den verschiedenen Stadien einer Sucht gibt es im Gehirn schrittweise Anpassungen. Mit dem Überkonsum und der positiven wiederholten Verstärkung bilden sich automatisch ablaufende Reiz-Reaktions-Ketten heraus. Hier sind vor allem die Basalganglien, im speziellen das dorsale und das ventrale Striatum involviert. Entzug bewirkt einen negativen emotionalen Status. Auch das zeigt sich im Gehirn im ventralen Striatum, aber vor allem auch in der Amygdala, dem Emotionszentrum des Gehirns. Wenn ich meine Sucht nicht befriedigen kann, kommt es zu einer übermäßigen kognitiven Beschäftigung mit meinem Suchtmittel. Wann kann ich das nächste Mal essen, rauchen etc.? Das wird von einem heftigen Verlangen nach der Droge begleitet. Dieses Verlangen kann auch durch situative Reize ausgelöst werden, also Situationen, in denen ich eine positive Verstärkung durch meine Droge erlebt habe. Ein zuvor neutraler Stimulus löst jetzt heftiges Verlangen aus. Das erleben Nichtsüchtige nicht und können es deshalb nur schwer nachvollziehen. Das konditionierte Verlangen wird vor allem durch den orbitofrontalen Kortex (einer Struktur, in der sensorische, Belohnungs- und Kontextinformationen zusammenlaufen) und den Hippocampus, das Haupterinnerungszentrum des Gehirns, unterstützt. Das Gehirn verändert sich Adipositas zeichnet sich neben Stoffwechselveränderungen vor allem durch Veränderungen im Verhalten aus: Betroffene essen, obwohl sie nicht hungrig sind. Verändertes Verhalten spiegelt sich im Gehirn wider, denn unser Gehirn ist ein flexibles Organ. Es passt sich ständig dem Gebrauch und den momentanen Anforderungen an (z. B. Taubert et al. 2010). Unter Neurowissenschaftlern gibt es den Ausspruch, dass man niemals das gleiche Gehirn zweimal benutzt. Mit dem Lesen dieses Textes hat sich Ihr Gehirn schon wieder etwas verändert. Veränderungen im Gehirn lassen sich nachweisen. Ein bildgebendes Verfahren, das in der Hirnforschung weit verbreitet ist, ist die Magnetresonanztomografie (MRT). Bei diesem Verfahren gibt es zwei grundsätzliche Techniken. Mit der strukturellen MRT kann man den Aufbau des Gehirns darstellen und die Hirnanatomie verschiedener Probanden miteinander vergleichen. Bei der funktionellen MRT geht es dagegen um die Gehirnfunktion. Mit dem Verfahren kann dem Gehirn sozusagen bei der Arbeit zugeschaut werden. Es macht aktivierte Gehirnareale sichtbar. Das Gehirn verändert sich in seiner Struktur ständig und passt sich den momentanen Anforderungen an. Foto: ra2 studio/fotolia.com

33 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 33 Durch wiederholte Aufnahmen mit einer strukturellen MRT lassen sich Veränderungen im Aufbau des Gehirns verfolgen, die durch zwischenzeitliche Erfahrungen entstanden sind. Wir haben Probanden eingeladen und sie gebeten, auf einer Wippe die Balance zu halten. Ohne Übung schafften sie das im Durchschnitt knapp zehn Sekunden lang. Nach zwei Wochen Training hatte sich die erreichte Zeit etwa verdoppelt. Wir haben vor dem ersten Training und nach den zwei Wochen die Hirnstruktur untersucht und festgestellt, dass es bereits während dieser Zeit massive Veränderungen in der Hirnorganisation gab. Adipositas: Spuren im Gehirn? In unserer Forschung interessiert uns, ob wir in Abhängigkeit von Adipositas Unterschiede in der Organisation des Gehirns feststellen können und ob das Geschlecht bei diesen Unterschieden eine Rolle spielt. Wir erforschen Geschlechterunterschiede, weil es zwischen Männern und Frauen Unterschiede in der Prävalenz von Adipositas, beim Essverhalten und in der Prävalenz von Essstörungen gibt. Es gibt in der Tat Hinweise darauf, dass Frauen und Männer das Essverhalten im Gehirn anders regeln. Das veranschaulicht eine Studie von Cornier et al. (2010). Normalgewichtige Probanden haben für diese Untersuchung sechs Tage lang eine Diät bekommen, deren Kalorienmenge ihrem Energiebedarf entsprach. Danach wurde den Probanden erlaubt, so viel zu essen, wie sie wollten. Die Frauen haben weiter die gleiche Kalorienmenge aufgenommen. Die Männer hingegen haben mehr gegessen als sie eigentlich physiologisch brauchen. Woran genau das liegt, wissen wir nicht. Die Autoren der Studie haben sich jedoch auch die Hirnfunktion angesehen. Dabei haben sie festgestellt, dass die Frauen automatisch den Präfrontalkortex und damit ein Kontrollareal mitaktiviert haben, wenn sie Bilder von appetitlichem Essen gesehen haben. Das könnte dazu geführt haben, dass ihre Energieaufnahme nicht über den tatsächlichen Bedarf hinausging. Bei den Männern war der Präfrontalkortex beim Ansehen der Essensbilder nicht aktiviert. Steht möglicherweise genau diese eigentlich automatische Aktivierung von Kontrollarealen bei adipösen Probanden nicht zur Verfügung? Dieser Frage sind wir in einer Studie mit 61 Frau- Wenn Frauen Bilder von appetitlichem Essen sehen, wird im Gehirn ein Kontrollareal aktiviert; bei Männern nicht. Foto: B. and E. Dudzinscy/Fotolia.com

34 34 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Folie 1: Stichprobe für eine Studie über den Zusammenhang zwischen Adipositasmarkern und Hirnstruktur. Folie 3: Das Putamen ist für Gewohnheiten zuständig. Das Volumen dieser Hirnregion korreliert nur bei Frauen positiv mit dem BMI. Striatum unterstützt durch die Bildung von Reiz-Reaktions- Ketten automatische Verhaltensweisen, also Gewohnheiten. Damit spiegelt sich ein höherer BMI in allen drei Netzwerken im Gehirn wider, die für die verschiedenen Aspekte einer Suchtentstehung (Überkonsum, Entzug und Verlangen) wichtig sind. Folie 2: Je höher der BMI ist, desto größer ist das Gehirnvolumen von Belohnungsarealen. en und 61 Männern nachgegangen (Horstmann et al. 2011). Ihr Body Mass Index (BMI) lag zwischen 18 und 44 kg/m 2 und das durchschnittliche Alter betrug 25 Jahre. Wir haben nur junge, gesunde Probanden eingeschlossen, um Ko-Morbiditäten durch eine länger bestehende Adipositas sowie Veränderungen des Gehirns durch das Alter allgemein auszuschließen. BMI und Alter waren bei Frauen und Männern ähnlich verteilt (Folie 1). Uns hat nun interessiert, wie Marker von Adipositas möglicherweise mit der Hirnstruktur (gemessen am Volumen der grauen Substanz) korrelieren. Als erste Näherung haben wir uns den BMI angesehen. Wir konnten mit Hilfe der strukturellen MRT zeigen, dass es bei Frauen und Männern eine positive Assoziation zwischen dem BMI und dem Volumen der grauen Substanz im Belohnungszentrum und im Orbitofrontalkortex gab (Folie 2). Diese Gehirnregionen sind für die positive Verstärkung und für konditionierte Reize aus der Umgebung zuständig. Weiterhin haben wir eine positive Korrelation zwischen dem BMI und dem Volumen des dorsalen Striatums gefunden bzw. einem Teil des Striatums, dem Putamen. Diesen Zusammenhang gab es jedoch nur bei Frauen (Folie 3). Das Der Body Mass Index ist nur ein sehr grobes Maß für Adipositas, denn er wird auch durch die Muskelmasse beeinflusst. Ein direkteres Maß ist Leptin, ein Hormon, das vom Fettgewebe ausgeschüttet wird. Die im Körper zirkulierende Menge an Leptin korreliert stark mit dem prozentualen Anteil an Körperfett, mit einem geringen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Wir haben uns deshalb in einem nächsten Schritt die Korrelation zwischen Leptin und der Hirnstruktur angesehen. Dabei zeigten sich die gleichen Zusammenhänge wie beim BMI. Bei Männern und Frauen gab es auch hier eine positive Korrelation zwischen dem Leptin-Spiegel und dem Volumen an grauer Substanz im Belohnungssystem. Ein positiver Zusammenhang im Striatum war wieder nur bei Frauen zu beobachten. Bei Leptin zeigte sich im Unterschied zum BMI auch eine negative Abhängigkeit. Je höher der Leptin-Spiegel bei Frauen war, desto geringer war das Volumen im Präfrontalkortex, der Kontrollregion. Der Leptin-Spiegel und damit der prozentu ale Anteil an Körperfett scheint insgesamt also mit dem Volumen von Gehirnarealen zu korrelieren, die zwei gegensätzliche Systeme zur Kontrolle des Essverhaltens repräsentieren: Belohnung und kognitive Kontrolle. Tatsächlich gibt es auch einen Zusammenhang zwischen dem Volumen des dorsalen Striatums bzw. Putamen (Gewohnheiten) und dem Volumen des Präfrontalkortex (Kontrolle), zumindest bei Frauen. Je größer das Volumen der Region für die kognitive Kontrolle ist, desto geringer ist das Volumen der Region, die automatisches Verhalten kontrolliert (Folie 4).

35 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 35 Folie 4: Bei Frauen steht das Volumen der Kontrollregion in negativem Zusammenhang zum Volumen der Region für Gewohnheiten. Folie 5: Im Vergleich zu normalgewichtigen Frauen sind bei übergewichtigen Frauen Belohnungsareale (Orbitofrontalkortex, Nucleus accumbens) im Gehirn vergrößert und Kontrollareale (Präfrontalkortex) verkleinert. Bezug zum Essverhalten Kann man einen Bezug zwischen diesen Ergebnissen und dem Essverhalten herstellen? Um das zu überprüfen, haben wir Probanden den Fragebogen zum Essverhalten (FEV, deutsche Version des Three Factor Eating Questionnaire) ausfüllen lassen. Damit lässt sich erfassen, welche Faktoren in welchem Ausmaß Einfluss auf das Ernährungsverhalten einer Person haben. In dem Fragebogen gibt es eine Subskala zur Störbarkeit des Essverhaltens. Sie gibt Auskunft darüber, inwiefern externe Reize wie Emotionen oder bestimmte Situationen ein eher unkontrolliertes, reflexives Essverhalten auslösen. Als wir die Ergebnisse aus dem Fragebogen mit dem Gehirnvolumen verglichen haben, fanden wir folgende Korrelation: Je anfälliger jemand in seinem Essverhalten für externe Störungen ist, desto geringer ist das Volumen des Präfrontalkortex. Umgekehrt heißt das, je höher das Volumen der Kontrollregion, desto weniger Einfluss haben externe Reize auf das Essverhalten einer Person. Wie lässt sich all das im Kontext der Verhaltenskontrolle interpretieren? Wir gehen davon aus, dass es vor allem bei adipösen Frauen ein Ungleichgewicht zwischen automatischen/gewohnheitsmäßigen und zielgerichteten Verhaltensweisen gibt. Stellen wir uns die Kontrolle des Essverhaltens als einfache Aktionskette vor (Folie 5). Dann gibt es einen Reiz, in diesem Fall ein Nahrungsmittel, und eine Antwort darauf, das wäre das Verzehren dieses Nahrungsmittels. Die Antwort kann zu verschiedenen Ergebnissen führen, zum Beispiel zu einem kurzfristigen positiven Gefühl, welches ich empfinde, wenn ich das Nahrungsmittel esse, oder zu einer negativen Langzeitkonsequenz wie Adipositas. Beide Ergebnisse sollten eigentlich die Kopplung zwischen Stimulus und Antwort unterschiedlich beeinflussen. Eine Belohnung sollte die Kopplung stärken, Adipositas als negative Langzeitkonsequenz sollte sie schwächen. Das funktioniert jedoch bei adipösen Frauen nicht. Wir erklären uns das mit den Veränderungen im dorsalen Striatum, die wir bei ihnen gefunden haben. Wir gehen davon aus, dass es deshalb eine verstärkte Kopplung zwischen Stimulus und Antwort gibt, was wiederum die Ausbildung von gewohnheitsmäßigem Verhalten fördert. Weiter vermuten wir, dass die Veränderungen im Orbitofrontalkortex bzw. im Belohnungszentrum möglicherweise bedeuten, dass Essen bei adipösen Probanden einen höheren Belohnungswert hat als bei normalgewichtigen Probanden. Dass wir bei Adipösen weniger graue Substanz im lateralen Präfrontalkortex gefunden haben, interpretieren wir als eine verminderte zielgerichtete Verhaltenskontrolle. Menschen mit Adipositas sind eventuell weniger gut dazu in der Lage, ihr Verhalten auf der Basis langfristiger Ziele zu kontrollieren. Experimentelle Überprüfung Um unsere Vermutungen zu überprüfen, haben wir diese Überlegungen in einer Hypothese zusammengefasst: In einer Aufgabe, die ein Abwägen zwischen unmittelbarer Belohnung und langfristigen Zielen erfordert, sollten wir Unterschiede zwischen normalgewichtigen und adipösen Frauen sehen. Adipöse Frauen sollten unmittelbare Belohnungen vorziehen und langfristige Konsequenzen vernachlässigen. Die Methode, die wir zur experimentellen Überprüfung der Hypothese gewählt haben, heißt Iowa Gambling Task. Damit lässt sich das Entscheidungsverhalten bei Ungewissheit testen, genauer gesagt die Sensitivität der Probanden gegenüber unmittelbaren Belohnungen und langfristigen Konsequenzen. Ungewissheit heißt in diesem Fall, dass die Probanden vorher nicht wissen, wie das Spiel genau aufgebaut ist. Sie sehen lediglich vier verdeckte Kartenstapel und bekommen die Aufgabe, ihren Gewinn zu maximieren, während sie 100 Karten ziehen. Sie können für jeden Zug wählen, von welchem Stapel sie ziehen möchten. Mit jeder Karte erhalten sie Punkte. Bei einigen Karten werden allerdings zusätzlich Strafpunkte abgezogen.

36 36 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Foto: Knut Wiarda/Fotolia.com Für adipöse Frauen hat Essen, basierend auf der Gehirnstruktur, möglicherweise einen höheren Belohnungswert als für normalgewichtige Menschen. Die Probanden wissen nicht, dass die unterschiedlichen Stapel mit verschiedenen Gewinn- und Verlustrechnungen verbunden sind (Folie 6). Es gibt zwei gute Stapel, die am Ende zu einem Nettogewinn führen, und zwei schlechte Stapel mit einem Nettoverlust. Bei den beiden schlechten Stapeln ist der Gewinn pro Karte doppelt so hoch wie bei den guten Stapeln. Gleichzeitig sind die selteneren Strafen dort aber deutlich höher, so dass es am Ende zu einem Verlust kommt. Stapel B ist besonders verlockend. Hier ist im Durchschnitt nur jede zehnte Karte eine Strafkarte, die übrigen neun geben einen hohen Gewinn. Die Strafkarten sind aber besonders schlecht und bringen jeweils Minuspunkte. Die adipösen Frauen in unserer Studie haben genau diesen Stapel B deutlich bevorzugt. Wir haben alle getroffenen Entscheidungen pro Proband zusammengerechnet und das Ergebnis über den BMI aufgetragen. Dabei zeigt sich, dass die Präferenz für Karten von Stapel B bei Frauen positiv mit dem BMI assoziiert ist (Folie 7). Auch die normalgewichtigen Frauen griffen anfangs bei Stapel B häufig zu. Mit der Zeit passten sie aber ihr Verhalten an und wählten andere Stapel (Folie 8). Die adipösen Frauen hingegen entwickelten im Laufe der Zeit sogar noch eine stärkere Präferenz für diesen Stapel. Bei den Männern gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen übergewichtigen und adipösen Probanden. Wir können also festhalten, dass es bei adipösen Frauen eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber unmittelbarer Belohnung gibt. Gegenüber negativen Langzeitkonsequenzen besteht hingegen eine erniedrigte Aufmerksamkeit. Folie 6: Versuchsaufbau zur Überprüfung des Entscheidungsverhaltens von normalgewichtigen und adipösen Frauen. Folie 7: Adipöse Frauen bevorzugen Karten vom Stapel B. Dieser bietet zwar häufiger eine kurzfristige Belohnung, führt am Ende aber zu einem Nettoverlust.

37 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 37 Ein ergänzendes Interview mit Dr. Annette Horstmann finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Literatur Bechara A, Damasio AR, Damasio H, Anderson SW: Insensitivity to future consequences following damage to human prefrontal cortex. Cognition. 50(1 3):7 15 (1994) Folie 8: Mit der Zeit entwickelten die adipösen Probandinnen sogar eine noch stärkere Neigung, den langfristig ungünstigen Stapel B zu wählen. Zusammenfassung Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Volumen der grauen Hirnsubstanz und Markern von Adipositas in Hirnregionen, die auch bei Süchten verändert sind und die Verhaltenskontrolle beeinflussen. Dabei gibt es positive und negative Beziehungen. Einige Marker gehen mit mehr grauer Substanz einher, andere mit weniger. Das Geschlecht spielt hier eine große Rolle. Es gibt zwar Gemeinsamkeiten bei Männern und Frauen, aber auch klare Unterschiede. Diese Unterschiede auf der Verhaltensebene zwischen normalgewichtigen und adipösen Frauen deuten auf klare Veränderungen in der zielgerichteten Kontrolle des Verhaltens hin, und zwar nicht nur des Essverhaltens. Cornier MA, Salzberg AK, Endly DC, Bessesen DH, Tregellas JR: Sex-based differences in the behavioral and neuronal responses to food. Physiol Behav. 9(4): (2010) Horstmann A, Busse FP, Mathar D, Müller K, Lepsien J, Schlögl H, Kabisch S, Kratzsch J, Neumann J, Stumvoll M, Villringer A, Pleger B: Obesity-Related Differences between Women and Men in Brain Structure and Goal-Directed Behavior. Front Hum Neurosci. 5:58. doi: /fnhum ECollection (2011) Taubert M, Draganski B, Anwander A, Müller K, Horstmann A, Villringer A, Ragert P: Dynamic properties of human brain structure: learning-related changes in cortical areas and associated fiber connections. J. Neurosci. 30: (2010) Für adipöse Frauen sind negative Langzeitkonsequenzen weniger wichtig als unmittelbare Belohnung. Foto: lu-photo/fotolia.com

38 38 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Publikum: Wenn eine adipöse Frau abnimmt und in einen normalgewichtigen Bereich zurückkommt, verändert sich dann auch ihr Gehirn dank der Plastizität wieder zurück? Dr. Annette Horstmann: Das hoffen wir sehr und wir prüfen das gerade experimentell. Wir folgen Frauen, die sich einem langfristigen Abnehmprogramm unterziehen und schauen uns an, ob diese Veränderungen reversibel sind. Bisher haben wir ja nur eine Querschnittsstudie und können derartige Fragen noch nicht beantworten. Es könnte zum Beispiel sein, dass das Gehirn bei den adipösen Frauen schon vorher diese Struktur hatte und dass das dazu geführt hat, dass sie adipös geworden sind. Das wissen wir noch nicht, aber genau hier forschen wir weiter. Prof. Dr. Susanne Klaus: Aus Ihrer Abbildung zum Iowa Gambling-Test könnte man lesen, dass Männer etwas risikofreudiger sind als Frauen. Ist das auch in anderen Tests bestätigt worden? Dr. Annette Horstmann: Ja. Prof. Dr. Susanne Klaus: Bei dem Test ging es ja um Risikoverhalten. Können Sie hier etwas zu Alterseffekten sagen? Werden Menschen mit zunehmendem Alter risikobewusster? Oder vielleicht nur die Frauen und die Männer bleiben unvernünftig? Dr. Annette Horstmann: Das ist allgemein so und hängt bei den Männern auch mit dem Level an Sexualhormonen zusammen. Es gibt einen sehr starken Zusammenhang zwischen Testosteron und dem Risikoverhalten. In einer Studie mit Hochrisikobankern zum Beispiel hat man sich den Testosteron-Spiegel angesehen und eine sehr starke Korrelation zwischen Hochrisikogeschäften und hohem Hormon-Spiegel gefunden. Publikum: Wie heterogen war die Stichprobe in Ihrer Studie? Können möglicherweise Kultur, Geografie oder das soziale Gefüge einen Einfluss gehabt haben? Dr. Annette Horstmann: Die Stichprobe war eine Gruppe von Frauen und Männern aus Leipzig, alle mit dem gleichen kulturellen Hintergrund. Ich bin aber sehr sicher, dass kulturelle Faktoren und gesellschaftliche Faktoren ebenso wie Normen, und ob man mit diesen Normen übereinstimmt bzw. sich anpasst oder nicht da eine sehr große Rolle spielen. Aber dazu kann ich mit unseren Daten noch nichts sagen. Foto: Robert Schubert, aid

39 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 39 Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Ihre Arbeit ist ja verschiedentlich in der Presse aufgegriffen worden. Ein Kollege hat aus Ihren Ergebnissen die plakative Überschrift Diäten helfen nicht beim Abnehmen gemacht. Kann man das so stehen lassen? Dr. Annette Horstmann: Wenn Diät einfach heißt: Ich muss jetzt weniger essen, weil das gegen meinen Impuls geht, kann man das so stehen lassen. Ich denke aber, dass Abnehmprogramme sehr wohl erfolgreich sein können, wenn sie auch auf die Verhaltenskontrolle abzielen und diese gezielt stärken. Ich bin immer noch davon überzeugt, dass das Gehirn ein plastisches Organ ist und dass man vielleicht einfach etwas mehr Kontrolle braucht. Man muss versuchen, die Verhaltensmuster zu ändern, und dabei geht es eher um Therapie als um Diät. Publikum: Was halten Sie von Adipositas-Chirurgie? Wie verändert sich das Gehirn dadurch? Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Wie weit sollte Kontrolle gehen? Dr. Annette Horstmann: Kontrolle sollte nur so weit gehen, wie die Betroffenen es auch selber wünschen. Wenn man Betroffene fragt, ob sie die Kontrolle über Ihr Essverhalten gerne in die Hände von jemandem geben möchten, von dem sie wissen, dass er Ahnung davon hat, dann sagen viele Menschen ja. Ich denke, dem kann man ein bisschen entgegenkommen. Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Die Frage der Kontrolle finde ich ganz spannend. Adipositas-Programme versuchen ja bereits seit vielleicht 30 oder 40 Jahren, Patienten eine verstärkte Selbstkontrolle beizubringen. Nahezu alle Programme basieren auf der Idee der Selbstkontrolle. Aber wenn ich die Literatur richtig überblicke, ist das ja nicht gerade etwas, das man als Erfolgsstory bezeichnen würde. Dr. Annette Horstmann: Auch das prüfen wir gerade an einer Stichprobe in Leipzig. Wir haben das Glück, dass in Leipzig viel Adipositas-Forschung stattfindet, auch zur Therapie. In Bezug auf die bariatrische Chirurgie sind die Langzeitergebnisse bisher sehr uneindeutig. Viele Menschen profitieren auf lange Sicht davon. Es gibt aber auch einen großen Prozentsatz an Patienten, die sich dieser drastischen Operation unterzogen haben und dann den Therapieerfolg durch ihr Verhalten selber wieder torpedieren, zum Beispiel indem sie hochkalorische Getränke zu sich nehmen oder Öl trinken. Hier kann man wieder beobachten, dass nicht Vernunft sondern der Wunsch nach Belohnung das Verhalten steuert. Adipositas-Chirurgie kann also für einige Menschen hilfreich sein, für andere aber eben überhaupt nicht. Es wäre wichtig, schon vorher sagen zu können, welche Patienten profitieren werden und welche voraussichtlich nicht, denn bariatrische Chirurgie geht zum Beispiel auch mit einer erhöhten Inzidenz von Suiziden einher. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Sie haben eben gesagt, mehr Kontrolle könnte Veränderungen schaffen. Was bedeutet das für die Ernährungsberatung? Hat man nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn man in der Beratung Methoden, Abläufe und Strategien wählt, die ganz stark auf die Kontrolle des Essenden abzielen? Dr. Annette Horstmann: Sie haben vollkommen Recht. Programme, die nur auf die Stärkung der Selbstkontrolle abzielen, sind zum Scheitern verurteilt, weil die Menschen kein Bewusstsein für den Kontrollverlust haben. Man kann sich allerdings einer Krücke bedienen. Wenn man Ernährungspläne aufstellt und immer wieder die Einhaltung der Pläne forciert, formalisiert man das Essen und bringt ein gewisses Maß an Gewohnheit hinein. Das ist deutlich erfolgreicher. Ein erfolgreiches Programm, das ich kenne, besteht aus drei Säulen: der Ernährung, der Bewegung und vor allem diesem Planungsgedanken. Es wird immer wieder darauf bestanden, dass man sich einen Plan macht und sich auch daran hält. Das ist mehr oder minder erfolgreicher. Die Teilnehmer sind hinterher nicht schlank, aber sie verlieren eine Menge an Gewicht. Das Gehirn ist ein plastisches Organ. Man muss versuchen, die Verhaltensmuster zu ändern. Dabei geht es eher um Therapie als um Diät. Dr. Annette Horstmann Foto: Robert Schubert, aid Dr. Annette Horstmann: Ja, auf die Kontrolle des Essenden, aber auch seiner Umwelt. Ein erfolgreiches Beispiel aus der Gesundheitspolitik ist die Stigmatisierung des Rauchens. Beim Rauchen wirkt man nicht nur auf den Einzelnen ein, sondern es ist auch öffentlich nicht toleriert, bzw. man muss ein bisschen abseits stehen, wenn man es eben doch tut. Ich denke, die Umwelt ist auch ein Faktor, den man nicht vernachlässigen sollte.

40 40 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Das dicke Gehirn: Eine Metapher für unser Unwissen? Unbegrenzt köstliches Essen für alle über viele Jahrhunderte war diese Vorstellung vom Schlaraffenland verlockend und erstrebenswert. Doch die Zeiten haben sich geändert. Unser heutiger Überfluss geht einher mit einer Zunahme von Übergewicht und damit verbundenen Krankheiten, aber auch mit der Zunahme von Essstörungen. Neurowissenschaftliche Untersuchungen des Essverhaltens haben in den letzten Jahren in diesem Zusammenhang zunehmendes Interesse gefunden. Das ist sicherlich auch darin begründet, dass traditionelle Ansätze basierend auf peripheren Regelmechanismen zur Erklärung des normalen und abnormalen Essverhaltens nicht ausreichend sind. Aber inwieweit kann ein neurowissenschaftlicher Ansatz zu einem besseren Verständnis in diesem Feld führen? Essen per se ist überlebensnotwendig. Deshalb findet man in allen Lebewesen neuronale Verarbeitungsprozesse, die die Nahrungsaufnahme regeln (Folie 1). Hierbei kann man im einfachsten Fall von einem homöostatischen System ausgehen. Homöostase bezeichnet einen Prozess der Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes in unserem Körper. Im Bezug auf Nahrungsaufnahme sprechen wir hierbei von Energiehomöostase, das heißt, es wird so viel Nahrung aufgenommen wie auch wieder verbraucht wird. Die primären Regelkreise hierfür befinden sich im Hypothalamus. Dieses System ist allerdings nicht autark, sondern steht in konstanter Wechselwirkung mit Signalen aus der Körperperipherie, zum Beispiel Hormonen wie Leptin und Insulin, aber auch mit anderen Gehirnstrukturen. Dieses Gehirnnetzwerk ist durch bidirektionale Verbindungen gekennzeichnet. Somit können höhere Gehirnstrukturen, die mit Kognition, emotionaler Verarbeitung, Entscheidungen und Belohnung verbunden sind, das homöostatische System direkt beeinflussen. Hierbei hat sich in letzter Zeit insbesondere gezeigt, dass Selbstkontrolle und hedonisches, also lustbetontes Verhalten starken Einfluss auf die Nahrungsaufnahme haben. PD Dr. Hubert Preißl Universität Tübingen KONTAKT PD Dr. Hubert Preißl Universität Tübingen Institut für Medizinsche Psychologie/fMEG Zentrum Otfried-Müller-Strasse Tübingen Internet: ZUR PERSON p seit 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am fmeg (fötale Magnetoenzephalographie)-Zentrum, Tübingen p seit 2011 Abteilungsleiter Metabolic Neuroimaging am Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen p seit 2011 Mitglied am Exzellenzcluster für integrative Neurowissenschaften, Tübingen p 1997 bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am MEG (Magnetoenzephalographie)-Zentrum, Tübingen p 2000 bis 2011 Associate Professor, Department Obstetrics and Gynecology, University of Arkansas for Medical Sciences, Little Rock, USA p 1994 bis 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie, Tübingen p 1989 bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen p Diplom- und Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen p Mitgliedschaften: Deutschen Adipositas Gesellschaft, Institute of Electrical and Electronics Engineers (USA), Society for the Study of Ingestive Behavior (USA), Human Brain Mapping (USA) und Society for Neuroscience (USA)

41 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 41 Folie 1: Übersicht über Mechanismen, die an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt sind. Folie 2: Der Joghurt mit hohem Fettgehalt hat die Aktivität im Hypothalamus (dem homöostatischen Regulationszentrum) verringert. (CBF = cerebral blod flow, zerebraler Blutfluss, Kennzeichnung der Messzeitpunkte) Was passiert beim Essen im Gehirn? Um uns dem Thema zu nähern, stelle ich eine Studie vor, die wir im Rahmen eines Projekts zum Thema fettreduzierte Nahrungsmittel durchgeführt haben (Frank et al. 2012). In der Studie bekamen die Probanden zwei Joghurts mit unterschiedlichem Fettgehalt. Ein Joghurt war fettreduziert (<0,1 Prozent Fett), der andere mit Milchfett angereichert (8 Prozent Fett). Um herauszufinden, was während der Nahrungsaufnahme im Gehirn passiert, haben wir vor sowie 30 und 120 Minuten nach dem Verzehr die Hirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie gemessen. Im Unterschied zu den Untersuchungen, die Frau Dr. Horstmann vorgestellt hat, beobachten wir bei unserer Forschung nicht die Hirnstruktur, sondern die funktionale Aktivierung. Natürlich hängen Anatomie und Aktivität zusammen. Daher wurden bei allen Studien, die ich in diesem Beitrag erwähne, statistische Korrekturen für mögliche Änderungen in der Anatomie vorgenommen. Was tut sich beim Verzehr des Joghurts im Gehirn? Wir konnten beobachten, dass der fettreiche Joghurt eine Abnahme der Aktivität im Hypothalamus bewirkt, ähnlich wie sie auch bei der Gabe von Glukose auftritt (Folie 2). Die Aufnahme der Warum essen manche Menschen mehr als sie benötigen? Die Neurowissenschaften suchen hier nach Antworten. Foto: viperagp/fotolia.com

42 42 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Es gab auch Änderungen in nicht-homöostatischen Arealen (Folie 3), und zwar in der Inselrinde (Insula), die in die Verarbeitung von emotionalen Prozessen und Körperwahrnehmungen involviert ist. Des Weiteren stellt die Inselrinde einen Teil des gustatorischen Kortex dar, der für die Verarbeitung von Speisen mit verantwortlich ist. Dreißig Minuten nach dem Verzehr beider Joghurts war die Aktivität in dieser Region zunächst reduziert, nach 120 Minuten war dann eine erhöhte Aktivität zu beobachten. Der stimulierende Effekt war beim fettreduzierten Joghurt deutlich stärker als beim fettreichen Joghurt. Folie 3: 120 Minuten nach dem Verzehr ist beim fettreduzierten Joghurt eine deutlich stärkere Aktivierung der Inselrinde zu beobachten, die Emotionen und Körperwahrnehmungen verarbeitet. Nahrung schlägt sich also in neuronaler Aktivität nieder, und zwar in einem Hirnareal, das für die homöostatische Langzeitregulation verantwortlich ist. Wie sich das auf das spätere Verhalten auswirkt, ist jedoch eine andere Frage. Eine einfache Manipulation in einem Lebensmittel (hier der Fettgehalt) führt schon zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Hirnaktivität. Fett allein ist ausreichend, um Änderungen in homöostatischen und belohnungsrelevanten Arealen zu erzeugen. Bereits ein unterschiedlicher Fettgehalt bei Joghurts hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Aktivität des Gehirns. Foto: tashka2000/fotolia.com

43 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 43 Folie 4: Was passiert im Gehirn, wenn wir Bilder von Nahrung sehen? Folie 5: Für die Verarbeitung höherer Aufgaben arbeiten im Gehirn jeweils mehrere Areale in Netzwerken zusammen. In jedem Fett oder Öl gibt es zahlreiche Aromastoffe. In Olivenöl kommen zum Beispiel Stoffe vor, die Geruchsqualitäten erzeugen wie grün, nach Gras (Hexanal) oder fettig, frittiert ((E,E)-2,4-Decadienal). Welche Auswirkungen haben diese Aromastoffe auf das Gehirn? Um das zu untersuchen, haben wir Probanden wieder zwei verschiedene Joghurts gegeben und die Hirnaktivität vor, während und nach dem Verzehr beobachtet (Frank et al. 2013). Beide Joghurts hatten einen gleich niedrigen Fettgehalt. Der eine Joghurt war zusätzlich mit einem Extrakt aus den Aromastoffen von Olivenöl versetzt. die verschiedenen Hirnregionen auf einer Netzwerkebene zusammenarbeiten. Es gibt im Gehirn zwar Areale, die für spezifische Aufgaben zuständig sind. Visuelle Reize etwa kommen im Gehirn im visuellen Kortex an und werden dort verarbeitet. Für höhere Aufgaben (wie das Erkennen von Objekten oder die Verarbeitung von Essensbildern) ist jedoch die Interaktion mehrerer Areale notwendig. Beispiele für Hirnnetzwerke sind das visuelle Netzwerk (A und B), das Netzwerk für akustische und andere sensorische Reize (C) und das Netzwerk für die Kontrolle von Verhalten (F) (Folie 5). Nach den Ergebnissen der ersten Studie könnte man jetzt vermuten, dass der fettarme Joghurt wieder eine kurzfristige Auswirkung auf das Gehirn erzeugen würde. Interessanterweise konnten wir jedoch nach dem Verzehr des Aromaextrakt-Joghurts eine erhöhte Aktivität in einer Region nahe der Inselrinde (genauer: im frontalen Operculum) beobachten. Allein die Aromastoffe erzeugen also bereits eine fettähnliche, langanhaltende Wirkung auf die Hirnaktivität. In Bezug auf die Hungerwahrnehmung hat es in beiden Studien keinen Unterschied gemacht, welchen Joghurt die Probanden bekommen haben. Der Hunger war 30 Minuten nach dem Joghurtverzehr gleichermaßen verringert und nach 120 Minuten wieder gleichermaßen erhöht. Um den Einfluss des Körpergewichts auf Hirnnetzwerke zu untersuchen, haben wir Probanden Bilder von Nahrung und von Wenn man sich mit der Gehirnaktivität des Menschen beschäftigt, muss man sich von der Vorstellung einer Topologie verabschieden. PD Dr. Hubert Preißl Foto: Robert Schubert, aid Wenn wir etwas essen, verändert sich also unsere Hirnaktivität. Doch nicht nur die Aufnahme von Lebensmitteln hat Einfluss auf das Gehirn, auch sensorische Eindrücke von Nahrung erzeugen Änderungen der Hirnaktivität (Folie 4). Einfluss sensorischer Eindrücke Wenn man sich mit der Gehirnaktivität des Menschen beschäftigt, muss man sich von der Vorstellung einer Topologie verabschieden. Stattdessen steht die Frage im Mittelpunkt, wie

44 44 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Die Aktivitätsreduktion in visuellen Arealen bei Übergewichtigen und die Tatsache, dass das Salience-Netzwerk bei Übergewichtigen stärker mit visuellen Netzwerken interagiert als bei Normalgewichtigen, könnte als Versuch eines Kontrollmechanismus interpretiert werden: Das Salience-Netzwerk dient möglicherweise als Mediator für eine Top-down-Regulation, indem es visuelle Aufmerksamkeit von Essensreizen wegleitet, um eine geringere Nahrungsaufnahme zu erreichen. Folie 6: Bilder von Essen erzeugen im Gehirn von Übergewichtigen und Normalgewichtigen unterschiedliche Reaktionen. anderen Gegenständen gezeigt und jeweils die Hirnaktivität gemessen und verglichen (Frank et al. 2010; Kullmann et al. 2013a). In einer weiteren Studie untersuchten wir 12 normalgewichtige und 12 übergewichtige bzw. adipöse Personen aus Tübingen, alle mit relativ homogenem sozialen Hintergrund. Die Teilnehmer waren Anfang bis Mitte 20 Jahre alt. In der Gruppe der Übergewichtigen lag der Body Mass Index (BMI) im Durchschnitt bei etwa 30 kg/m 2, in der normalgewichtigen Gruppe bei 21 kg/m 2. Das Essverhalten der Teilnehmer wurde mit einem Fragebogen erfasst (Fragebogen zum Essverhalten, FEV). Gemäß der Ergebnisse wiesen die übergewichtigen Probanden beim Essen eine höhere kognitive Kontrolle auf als die normalgewichtigen Probanden. Sie schränken sich beim Essen stärker ein, ohne dass sich das jedoch positiv auf ihr Gewicht auswirkt. Ihr Essverhalten schien außerdem etwas anfälliger gegenüber Einflüssen wie Stress und anderen Emotionen zu sein. Dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant. In Bezug auf die Hirnaktivität konnten wir bei Normal- und Übergewichtigen vor allem in zwei Netzwerken Unterschiede feststellen. Im Salience-Netzwerk 1 kam es bei Übergewichtigen zu einer erhöhten Aktivierung beim Ansehen der Essensbilder, in visuellen Bereichen war dagegen eine reduzierte Aktivierung zu beobachten (Folie 6). Außerdem korreliert die Aktivität in den visuellen Arealen mit Ergebnissen aus dem Fragebogen zum Essverhalten: Je geringer die Aktivität im visuellen Netzwerk war, desto stärker schränkten die Probanden ihr Essverhalten ein (Kullmann et al. 2012). Einfluss von Insulin auf Gehirnaktivität Insulin ist über die Regulation des Blut-Glukose-Spiegels an der Kontrolle der Nahrungsaufnahme beteiligt (Folie 7). In einer weiteren Untersuchung sind wir der Frage nachgegangen, ob das Hormon die Aktivität im Gehirn in Abhängigkeit vom Körpergewicht unterschiedlich beeinflusst, wenn sich jemand Bilder von Nahrung ansieht. Wir haben dazu einen placebokontrollierten, standardisierten oralen Glukose-Toleranztest mit einer Stichprobe aus 12 Normalgewichtigen und 12 Übergewichtigen durchgeführt. Die Probanden bekamen vor der Glukosegabe sowie 30 Minuten und 120 Minuten danach Bilder von Lebensmitteln gezeigt. Die Gehirnaktivität wurde währenddessen wieder mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie beobachtet (Heni et al. 2014). Bei Übergewichtigen ruft Glukose in zwei Gehirnbereichen eine erhöhte Aktivität im Vergleich zu Normalgewichtigen hervor: im visuellen Kortex und im Pallidum, einem Areal, das dem Belohnungssystem zugeordnet ist. Gleichzeitig gibt es eine negative Korrelation zwischen der Aktivität in bestimmten frontalen Bereichen und der Insulinmenge im Plasma: Je höher der Insulinanstieg ist, desto geringer ist die Aktivität im orbitofrontalen Kortex und im anterioren cingulären Kortex (Kullmann et 1 Der englische Begriff salience beschreibt das Hervorspringen eines Objekts aus anderen Objekten. Folie 7: Beeinflusst der Hormonspiegel, wie Essensreize im Gehirn verarbeitet werden und gibt es dabei Unterschiede zwischen Normal- und Übergewichtigen?

45 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 45 Foto: fotoknips/fotolia.com Es scheint vom Körpergewicht abzuhängen, wie das Gehirn von Menschen auf Nahrung reagiert. al. 2012). Diese Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass die Verarbeitung von Essensreizen im Gehirn nach der Aufnahme von Nahrung (Glukose) stark vom Körpergewicht abhängt. Dazu haben wir Probanden in einer placebokontrollierten Studie intranasales Insulin-Spray gegeben und wieder vor der Gabe und zu zwei Zeitpunkten danach die Gehirnaktivität gemessen (Kullmann et al. 2013b). Es hat sich gezeigt, dass Insulin die Aktivität in homöostatischen Regionen (Hypothalamus) und in belohnungsassoziierten Arealen (orbitofrontaler Kortex) verringert. Insulingaben könnten also möglicherweise die Belohnungswirkung von Nahrung verringern. Die Studie wurde jedoch nur mit Normalgewichtigen durchgeführt, ihre Aussagekraft ist deshalb beschränkt. Andere Studien haben die Idee untersucht, mit Gaben von Insulin als postprandialem Hormon die Nahrungsaufnahme einzuschränken. Einen gewissen gewichtsreduzierenden Effekt gab es aber offenbar nur bei normalgewichtigen Männern, so dass man diesen Ansatz nicht weiter verfolgt hat. Die durch intranasales Insulin hervorgerufene Gehirnaktivität in frontalen Bereichen korreliert positiv mit dem BMI. Das betrifft das anteriore Cingulum, das an der Verarbeitung affekti- ver und autonomer Reize beteiligt ist, und den präfrontralen Kortex, der in die kognitive Kontrolle involviert ist. Es kommt also mit steigendem BMI zu einer Modulation des Belohnungssystems und zu einer erhöhten kognitiven Kontrolle des Essverhaltens. Auswirkungen von Adipositas-Chirurgie Bariatrische Eingriffe sind zurzeit eine viel diskutierte Form der Adipositastherapie. Eine verbreitete bariatrische Operationsform ist die Roux-en Y Bypassoperation. Dabei wird der Magen verkleinert und ein Teil des Dünndarms überbrückt. Durch das verringerte Magenvolumen kann weniger Nahrung aufgenommen werden. Außerdem ist die Resorption von Nährstoffen eingeschränkt, weil weniger Dünndarm zur Verfügung steht. Es kommt zu Gewichtsverlust, verändertem Essverhalten und hormonellen Veränderungen. Welche Auswirkungen haben derartige Eingriffe auf die Gehirnaktivität, wie beeinflussen sie auch durch den damit verbundenen Gewichtsverlust die Regulation der Nahrungsaufnahme?

46 46 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Foto: Jaimie Duplass/Fotolia.com Einige Studien deuten darauf hin, dass sich die Gehirnaktivität nach einer Gewichtsabnahme der einer normalgewichtigen Person annähert. Um diesen Fragen nachzugehen, haben wir die Gehirnaktivität von ehemals stark adipösen Patientinnen (mindestens ein Jahr nach ihrer Roux-en Y Bypassoperation) mit der von normalgewichtigen und stark adipösen Frauen verglichen (Frank et al. 2014). Die Probandinnen bekamen wieder Bilder gezeigt (von Nahrung und von anderen Gegenständen, die nichts mit Essen zu tun haben), während wir die Gehirnaktivität mit Hilfe der funktionalen Magnetresonanztomografie gemessen haben. Die bariatrischen Patienten zeigten beim Ansehen von Nahrung eine ähnliche Aktivität in visuellen Bereichen wie normalgewichtige Probandinnen, während bei adipösen Probandinnen eine reduzierte Aktivität zu beobachten war. Auch die Reaktion auf hoch- bzw. niedrigkalorische Bilder im Hypothalamus als Teil des homöostatischen Systems war bei normalgewichtigen und postoperativen Probandinnen ähnlich und gleichzeitig abweichend von der neuronalen Antwort der adipösen Probandinnen. Diese und andere Studien deuten darauf hin, dass es nach einer Gewichtsabnahme wieder zu einer Normalisierung der Gehirnfunktion kommt. Bisher liegen allerdings nur Ergebnisse aus Querschnittsstudien vor. Längsschnittstudien zu dem Thema laufen zurzeit.

47 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 47 Ein ergänzendes Interview mit PD Dr. Hubert Preißl finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Literatur Frank S, Laharnar N, Kullmann S, Veit R, Canova C, Hegner YL, Fritsche A, Preissl H: Processing of food pictures: influence of hunger, gender and calorie content. Brain Res. 1350: (2010) Frank S, Linder K, Kullmann S, Heni M, Ketterer C, Cavusoglu M, Krzeminski A, Fritsche A, Häring HU, Preissl H, Hinrichs J, Veit R: Fat intake modulates cerebral blood flow in homeostatic and gustatory brain areas in humans. Am J Clin Nutr. 95(6): (2012) Folie 8: Zusammenfassung der vorgestellten Erkenntnisse. Zusammenfassung In den letzten fünf bis zehn Jahren gab es zahlreiche neue Erkenntnisse auf dem Feld der neurowissenschaftlichen Grundlagen zur Regulation der Nahrungsaufnahme. Diese können zu einem besseren Verständnis des Essverhaltens beitragen. Folie 8 fasst die Schlussfolgerungen aus meinem Beitrag zusammen. Das Belohnungssystem und die homöostatische Regulation sind stark interagierend. Essen beeinflusst nicht nur das homöostatische System, und damit die langfristige Kontrolle, sondern auch das kurzfristige Belohnungssystem. Einige neuronale Antworten im Gehirn werden durch das Körpergewicht beeinflusst. So ist etwa die Verarbeitung sensorischer Reize gewichtsabhängig, ebenso wie die Aktivierung von Kontrollarealen, die zudem insulinabhängig ist. Es gibt Hinweise darauf, dass gewichtsabhängige Änderungen in der Gehirnakvitität reversibel sind. Diese müssen jedoch noch durch Langzeitstudien bestätigt werden. Frank S, Linder K, Fritsche L, Hege MA, Kullmann S, Krzeminski A, Fritsche A, Schieberle P, Somoza V, Hinrichs J, Veit R, Preissl H: Olive oil aroma extract modulates cerebral blood flow in gustatory brain areas in humans. Am J Clin Nutr. 98(5): doi: /ajcn Epub 2013 Sep 11 (2013) Frank S, Wilms B, Veit R, Ernst B, Thurnheer M, Kullmann S, Fritsche A, Birbaumer N, Preissl H, Schultes B: Altered brain activity in severely obese women may recover after Roux-en Y gastric bypass surgery. Int J Obes (Lond) 38:341 8 (2014) Gómez-Pinilla F. Brain foods: the effects of nutrients on brain function. Nat Rev Neurosci. Jul;9(7): (2008) Heni M, Kullmann S, Ketterer C, Guthoff M, Bayer M, Staiger H, Machicao F, Häring HU, Preissl H, Veit R, Fritsche A: Differential effect of glucose ingestion on the neural processing of food stimuli in lean and overweight adults. Hum Brain Mapp 35: (2014) Kullmann S, Heni M, Veit R, Ketterer C, Schick F, Häring HU, Fritsche A, Preissl H: The obese brain: Association of body mass index and insulin sensitivity on resting state network functional connectivity. Human Brain Mapping 33(2):280 7 (2012) Kullmann S, Pape AA, Heni M, Ketterer C, Schick F, Häring HU, Fritsche A, Preissl H, Veit R: Functional network connectivity underlying food processing: disturbed salience and visual processing in overweight and obese adults. Cerebral Cortex 23(5): (2013a) Kullmann S, Frank S, Heni M, Ketterer C, Veit R, Häring HU, Fritsche A, Preissl H: Intranasal insulin modulates intrinsic reward and prefrontal circuitry of the human brain in lean women. Neuroendocrinology 97(2): (2013b)

48 48 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Was genau wird bei der funktionellen Magnetresonanztomografie (MRT) gemessen? PD Dr. Hubert Preißl: Die Messungen erfassen Blutflussänderungen und/oder Veränderung im Sauerstoffgehalt des Blutes im Gehirn. Neuronen verbrauchen Sauerstoff, wenn sie aktiviert werden. Das führt zu einer Blutflussänderung bzw. zu einer Änderung des Sauerstoffgehalts im Blut. Das wird mit dem Kernspin im Rahmen der MRT gemessen und ist ein indirektes Maß für die neuronale Aktivierung. Publikum: Sie sagten, es spreche einiges dafür, dass es eine Art Insulinresistenz im Gehirn gibt. Es gibt die Theorie, dass Neuronen bei Insulinresistenz nicht richtig mit Glukose versorgt werden können. Die Minderversorgung mit Glukose soll auch bei der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle spielen und es wird gesagt, man könne die Energieversorgung durch Ketonkörper sichern. Was sagen Sie dazu? PD Dr. Hubert Preißl: Sie kennen vielleicht die Diskussion, dass Alzheimer von einigen als Insulinresistenz Diabetes Typ-3 bezeichnet wird. Als erstes muss man jedoch sagen, dass die Glukoseaufnahme im Gehirn normalerweise insulinabhängig ist. Insulinresistenz kann nur über einen Mediator, zum Beispiel über Astrozyten, zu einer Veränderung der Energiezufuhr führen. Daneben gibt es Hinweise, dass Insulin zum Beispiel für den Hippocampus, wo Gedächtnisspuren gebildet werden, notwendig ist, um dort die entsprechenden synaptischen Veränderungen zu modulieren. Es existieren also mehrere Modellsysteme, bei denen man sich vorstellen kann, dass eine geringere Wirkung von Insulin zu einer Veränderung der neuronalen Verschaltung oder auch der Funktion von Neuronen führen kann. Ob jetzt die Gabe von Ketonen die Lösung ist, bleibt die Frage. Aber es gibt einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Demenz allgemein, nicht nur von Alzheimer, und der Insulinsensitivität im zentralen Nervensystem. Foto: Robert Schubert, aid

49 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 49 Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: In Ihrer Forschung spielt auch die Messung von Hirnströmen eine große Rolle, wie Sie mir in einem Gespräch erklärt haben. Sie haben dabei erwähnt, dass man die Hirnströme, die bei Adipösen im Verhältnis zu Normalgewichtigen verändert sind, möglicherweise beeinflussen kann. Könnten Sie das noch erläutern? PD Dr. Hubert Preißl: Die Frage lautet, ob wir unsere Hirnaktivität indirekt modulieren können und ob das einen Effekt auf unser Verhalten hat. Um das zu untersuchen, nehmen wir die Hirnaktivitiät mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie in Verbindung mit einem brain computer interface (einer Schnittstelle zwischen Gehirn und Computer) auf. Wir extrahieren die gegenwärtige Aktivität, verarbeiten sie elektronisch und melden dem Probanden seine aktuelle Hirnaktivität über ein Thermometer zurück. Das ist ein Neuro-Feedback-System. In einer Studie haben wir die Inselrinde der Probanden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen trainiert. Sahen die Probanden einen blauen Hintergrund, sollten sie sich entspannen. Wurde ein roter Hintergrund gezeigt, sollten sie ihre Hirnaktivität (rückgemeldet über das Thermometer) erhöhen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Probanden die Aktivität in der Inselrinde tatsächlich verändern können. Sie erhöhen die Aktivität in der Regulationsphase und fahren sie in der Relaxationsphase zurück. In dieser ersten vorläufigen Studie konnten wir auch zeigen, dass die Regulationsfähigkeit von Übergewichtigen stärker ist als von Normalgewichtigen. Das ist bei Übergewichtigen mit einer stärkeren Konnektivität von bestimmten Arealen assoziiert. Möglicherweise sind Übergewichtige in der Regulationsfähigkeit stärker, weil ihre Netzwerke schon eine intrinsisch stärkere Konnektivität haben. In dem Fall müsste man eigentlich dazu übergehen, die Konnektivität in diesen Netzwerken wieder zu minimieren. Das wäre ein möglicher Ansatz. Daneben gibt es viele weitere Ansätze, wie man andere Hirnareale oder Konnektivitäten verwenden und den Einfluss auf das Essverhalten untersuchen kann. Publikum: Muss man demnächst Lehrbücher für Elektroenzephalografie umschreiben und sagen, dass man inzwischen bei der EEG-Ableitung zwischen adipösen und schlanken Menschen unterscheiden kann? PD Dr. Hubert Preißl: Nein, das wird nicht nötig sein. Natürlich stellt sich immer die Frage nach dem diagnostischen Einsatz von Beobachtungen wie denen aus unseren Studien. Man kann zwar sagen, dass strukturelle Änderungen im Gehirn möglicherweise ein Hinweis auf bestimmte Modifikationen sind, die man auch therapieren könnte. Aber ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, wir sehen uns die Patienten nicht mehr an, sondern machen einfach ein EEG, das uns sagt, was wir machen müssen. Publikum: Sie haben gesagt, dass sich die Gehirnaktivität eines Adipösen durch eine bariatrische Operation an die eines Normalgewichtigen angleichen kann. Könnte man den gleichen Effekt auch erzielen, wenn man den adipösen Patienten bittet, sich so zu verhalten, als hätte er die Operation bereits hinter sich? Die Empfehlung wäre dann: Iss bitte so, als hättest du nur einen ganz kleinen Magen? PD Dr. Hubert Preißl: Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube nicht, dass sich die Gehirnaktivität allein dadurch ändert. Ich stelle mir auch die Durchführung schwierig vor. Wir können über die Kausalität noch keine Aussagen machen, weil wir nur Querschnittstudien haben und die Befunde weiter untersucht werden müssen. Auch der Effekt der Reversibilität nach Diäten von solchen Eingriffen muss noch weiter untersucht werden.

50 50 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Wie sich Konsumenten manipulieren lassen Wir essen, weil wir Hunger haben. Das meinen wir zumindest. Tatsächlich lassen wir uns beim Essen von zahlreichen Faktoren beeinflussen, ohne dass wir es realisieren. Informationen und andere Umweltfaktoren beeinflussen uns bei den zwei grundsätzlichen Entscheidungen, die wir zu treffen haben: was und wie viel wir essen. In der Realität fällen wir noch viel mehr Entscheidungen, wenn es ums Essen geht. Der amerikanische Konsumforscher Brian Wansink hat das untersucht. Er hat Probanden gebeten, alle Entscheidungen zu notieren, die sie rund ums Essen und Trinken fällen. Er kam auf rund 200 Entscheidungen pro Tag. Das ist bereits ein Hinweis darauf, dass nicht alle unsere Entscheidungen wohl durchdacht sein können, sondern dass Umweltfaktoren einen starken Einfluss haben dürften. Foto: KaferPhoto/Fotolia.com Wie viel essen wir? Welche Faktoren beeinflussen, wie viel wir essen? Essen wir bis wir satt sind, oder spielen Normen eine zentrale Rolle, zum Beispiel dass für uns eine Mahlzeit erst dann als beendet gilt, wenn der Teller leer gegessen ist? Auch hierzu hat Wansink ein interessantes Experiment durchgeführt (Wansink et al. 2005a), bei dem eine Gruppe von Probanden Suppe aus normalen Suppentellern gegessen hat, während sich der Teller bei der zweiten Gruppe durch einen versteckten Mechanismus immer Wir essen, bis der Teller leer ist. Portions- und Verpackungsgrößen bestimmen unser Essverhalten. wieder gefüllt hat. Beide Gruppen hatten das Gefühl, gleich viel gegessen zu haben. Tatsächlich gab es jedoch substanzielle Unterschiede in der verzehrten Menge. Die Probanden mit der sich selbst wieder füllenden Schüssel hatten signifikant mehr gegessen. Prof. Dr. Michael Siegrist ETH Zürich KONTAKT Prof. Dr. Michael Siegrist ETH Zürich Institute for Environmental Decisions (IED) Consumer Behavior Universitätsstrasse 22, CHN J Zürich Schweiz Internet: ZUR PERSON p seit 2007 Professor für Consumer Behavior an der ETH Zürich p Area Editor der Zeitschrift Risk Analysis und Mitglied der Editorial Boards der Zeitschriften Journal of Risk Research, Human and Ecological Risk Assessment und Science Communication, Veröffentlichung von über 100 wissenschaftlichen Artikeln in internationalen Zeitschriften p 2001 Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich p 1998 bis 2000 Forscher an der Western Washington University, WA, USA p 1997 bis 1998 Projektleiter und stellvertretender Leiter der Abteilung Marketingforschung beim Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten in Bern p Studium der Psychologie, Betriebswirtschaftslehre und Publizistikwissenschaften an der Universität Zürich, anschließend wissenschaftlicher Assistent am Psychologischen Institut der Universität Zürich

51 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Wir wollen alles probieren Varietät ist ein weiterer wichtiger Umweltfaktor. Wenn bei einem Büfett die Vielfalt groß ist, essen wir tendenziell mehr und nehmen mehr Kalorien zu uns als bei einem kleineren Angebot. Der Effekt lässt sich selbst dann erzielen, wenn die Varietät nur scheinbar erhöht ist. Das lässt sich mit verschiedenfarbigen Schokolinsen zeigen, die alle gleich schmecken. Selbst wenn Menschen wissen, dass die Farbe in Bezug auf den Geschmack bedeutungslos ist, essen sie signifikant mehr Schokolinsen (43 Prozent), wenn sie zehn statt sieben Farben vor sich haben (Kahn & Wansink 2004). 51 Foto: Tomasz Trojanowski/Fotolia.com Die Packungsgröße zählt Wir wissen, dass die Packungsgrößen in den letzten Jahren im Lebensmittelhandel zugenommen haben. Hat auch das einen Einfluss darauf, wie viel wir konsumieren? In einer amerikanischen Studie bekamen die Probanden bei einem Kinobesuch kostenlos entweder eine große oder eine mittelgroße Packung Popcorn. Nach dem Film wurde gemessen, wie viel Popcorn sie während des Films konsumiert hatten. Dabei zeigte sich, dass die Packungsgröße einen deutlichen Einfluss auf die konsumierte Menge hatte. Je größer die Packung war, desto mehr Popcorn wurde konsumiert (Wansink & Kim 2005). In einem zweiten Versuch wollten die Wissenschaftler wissen, was passiert, wenn die Teilnehmer schlecht schmeckendes Popcorn bekommen. Dazu wurde Popcorn zwei Wochen gelagert und das Experiment noch einmal durchgeführt mit identischem Ergebnis. Die Teilnehmer beschwerten sich zwar über das schlecht schmeckende Popcorn (einige wollten sogar ihr Geld zurück haben, obwohl sie für das Popcorn gar nichts bezahlt hatten), aber trotzdem haben die Teilnehmer mit größeren Packungen wieder signifikant mehr gegessen als jene mit kleineren Packungen. Beim frischen Popcorn hat die Verdopplung der Portion die Aufnahme um 45 Prozent erhöht, beim alten Popcorn immerhin noch um rund 30 Prozent. Viel deutlicher kann man nicht demonstrieren, dass wir die Packungsgröße als Norm dafür nehmen, wie viel wir bei einer Konsumgelegenheit essen oder trinken. Großer Aufwand geringerer Konsum Auch der Aufwand hat einen Einfluss darauf, wie viel wir essen. Wenn Schokolade auf dem Schreibtisch liegt, essen wir mehr davon, als wenn wir sie erst aus dem Keller holen müssen. Macht man den Aufwand beliebig groß, dann überrascht es nicht, dass die konsumierte Menge abnimmt. Uns hat nun interessiert, ob selbst kleinste Barrieren schon den Konsum Zu solch extremen Mitteln muss man nicht greifen. Studien zeigen, dass schon ein geringer Mehraufwand dazu führt, dass wir weniger essen. verringern. Um das zu untersuchen, haben wir Probanden unter dem Vorwand einer Schokoladen-Degustation eingeladen (Siegrist & Brunner 2012). Ihre Aufgabe war, uns zu sagen, wie gut ihnen die Schokolade schmeckt. Tatsächlich hat uns aber nur interessiert, wie viele Schokoladenstücke gegessen wurden. Es gab drei Versuchsbedingungen. Eine Gruppe bekam ausgepackte Schokoladenkugeln in einer Schale und konnte sich mit der Hand bedienen. Der Aufwand war also sehr klein. Die zweite Gruppe bekam einzeln eingepackte Schokolade. Eine Vorstudie hatte bereits gezeigt, dass Probanden bei eingepackter Schokolade weniger konsumieren. Man könnte nun vermuten, dass das daran liegt, dass die Probanden nur die Verpackung und nicht die Schokolade sehen. Um dem vorzubeugen, haben wir die Schokoladenkugeln in durchsichtige Folie eingepackt. Die dritte Gruppe erhielt ausgepackte Schokoladenkugeln; sie bekam aber zusätzlich die Anweisung, sich aus hygienischen Gründen mit einer Zuckerzange zu bedienen. Im Ergebnis haben die Probanden, die die ausgepackte Schokolade mit der Hand essen konnten, signifikant mehr konsumiert als die Probanden der anderen beiden Gruppen. Schon eine kleine Vergrößerung des Aufwandes hat also die konsumierte Menge verringert.

52 52 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Einfluss von Information auf Verzehrmenge Wie ist es mit Informationen im Hintergrund? Wenn wir etwas sehen, das uns an unsere Figur erinnert beeinflusst das, wie viel wir essen? In der folgenden Studie haben wir untersucht, ob ein Priming mit dem Bild einer mageren Figur dazu führt, dass Menschen weniger konsumieren (Brunner & Siegrist 2012). Wir haben 29 männliche und 66 weibliche Versuchspersonen erneut unter dem Vorwand einer Schokoladen- Degustation eingeladen. Die Probanden hatten 20 Stücke einer Schokolade vor sich. Sie bekamen fünf Minuten Zeit, um uns in einem Fragebogen mitzuteilen, wie gerne sie die Schokolade mögen und wie sie die Süße beurteilen. Die Antworten waren für uns irrelevant. Uns hat wieder nur interessiert, wie viel Schokolade gegessen wird. Die Manipulation war wie folgt: Die Versuchspersonen kamen in den Experimentalraum, wo sie an einem Computer mit Bildschirmschoner vorbei mussten. Dieser zeigte entweder magere Figuren (Skulpturen des Bildhauers Alberto Giacometti) oder ein abstraktes Bild mit warmer Ausstrahlung, das ein orange eingerahmtes gelbes und rotes Rechteck zeigt (Gemälde von Mark Rothko). Unsere Hypothese war, dass die Versuchspersonen weniger Schokolade essen, wenn sie die mageren Skulpturen sehen, weil sie dadurch an ihre Figur und das ideale Körpergewicht erinnert werden. Genau das konnten wir auch feststellen. Die Probanden der Giacometti-Gruppe aßen signifikant weniger Schokolade. Die Ergebnisse sind statistisch korrigiert für Hunger, das Mögen der Degustations-Schokolade und das Mögen von Schokolade allgemein. Wir haben die Probanden nach der Verkostung gefragt, ob sie meinen, dass der Bildschirmschoner einen Einfluss auf die verzehrte Menge gehabt haben könnte. Das haben alle Versuchspersonen verneint doch die Daten zeigen das Gegenteil. Informationen prägen unser Urteil Ein anderer Faktor, der einen Einfluss auf die Beurteilung von Produkten haben kann, sind die symbolischen Informationen, die mit einem Produkt verbunden sind. Eine symbolische Information kann zum Beispiel die Natürlichkeit von Produkten sein. Das Konzept spielt auch im Marketing eine Rolle. Was passiert, wenn wir einer Gruppe sagen, in einem Produkt sei Fruchtzucker, und einer anderen, das Produkt enthalte einfa- Symbolische Informationen haben einen Einfluss auf die Beurteilung von Produkten und auf das sensorische Erleben. Prof. Dr. Michael Siegrist Foto: Robert Schubert, aid

53 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 53 Folie 1: Symbolische Informationen (wie hier die Anspielung auf Natürlichkeit durch den Begriff Fruchtzucker) beeinflussen, wie wir Produkte beurteilen. Folie 2: Alle Probanden verkosteten die gleiche Mousse au Chocolat, jeweils mit unterschiedlicher Begleitinformation. Gingen die Probanden davon aus, dass künstliches Vanillearoma enthalten war, bewerteten sie das Produkt signifikant schlechter (Vorliebe). chen Zucker? Der Begriff Fruchtzucker löst positive Assoziationen aus, wie Äpfel, Früchte oder gesund. Unsere Hypothese war deshalb, dass ein Produkt gesünder eingestuft wird, wenn es vermeintlich Fruchtzucker enthält. Wir haben Probanden jeweils eine von zwei Produktbeschreibungen gezeigt (Folie 1). Sie sollten auf dieser Basis einstufen, wie gesund das Produkt ist. Der einzige Unterschied in der Beschreibung A war der Begriff Fruchtzucker statt Zucker. Die Probanden haben die Frühstücksflocken mit Fruchtzucker als gesünder wahrgenommen. Wir haben die gleiche Studie noch einmal leicht verändert durchgeführt. Diesmal konnten die Versuchspersonen beide Produktbeschreibungen gleichzeitig sehen und sollten dann ein Produkt als gesünder einstufen. Die Ergebnisse waren identisch mit dem ersten Versuch. Die Probanden hatten wieder das Gefühl, das Produkt mit Fruchtzucker sollte präferiert werden, denn: Fruchtzucker = Früchte = gesund. Symbolische Informationen können auch einen Einfluss auf das sensorische Erleben haben. In einer anderen Studie haben wir wieder Probanden zu einer Produkt-Degustation eingeladen, diesmal sollten sie Mousse au Chocolat verkosten. Es gab drei Versuchsbedingungen. Die erste Gruppe erhielt keine Information, der zweiten wurde gesagt, das Produkt enthalte natürliches Vanillearoma und die dritte Gruppe bekam die Information, das Produkt würde künstliches Vanillin enthalten. In Wahrheit haben alle drei Gruppen identische Produkte probiert. Bezüglich der erwarteten gustatorischen Eigenschaften gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen (Folie 2). Bei der Angabe, wie gut die Produkte geschmeckt haben, waren die Werte bei der Information künstliches Vanillin jedoch signifikant niedriger als beim natürlichen Vanillearoma und in der Kontrollgruppe. Allein die Information hatte einen Einfluss darauf, wie gut das Produkt den Probanden geschmeckt hat. Foto: Sonja Birkelbach/Fotolia.com Die Natürlichkeit von Produkten spielt für viele Verbraucher eine wichtige Rolle.

54 54 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Manche Restaurants preisen Gerichte auf der Speisekarte mit sehr blumigen Beschreibungen an. Dann wird nicht einfach nur Hühnchen angeboten, sondern ein zart gegrilltes Hühnchen und statt einfacher Cookies gibt es Großmutters Cookies. Wansink hat untersucht, ob derartige Beschreibungen einen Einfluss darauf haben, wie gut den Gästen ein Gericht schmeckt (Wansink et al. 2005b). Eine Gruppe von Restaurantbesuchern bekam eine Speisekarte mit blumigen Beschreibungen, während eine andere Gruppe eine Speisekarte mit nüchternen Beschreibungen von Gerichten erhielt (Folie 3). Nach dem Ende der Mahlzeit sollten die Probanden angeben, wie sehr sie das Essen gemocht haben. Der ersten Gruppe hat das Essen signifikant besser geschmeckt als der zweiten Gruppe. Selbstgemachtes schmeckt besser Wansink et al., 2005b Folie 3: Blumige Beschreibungen eines Gerichts führen dazu, dass der Geschmack besser beurteilt wird. Wenn wir etwas selber zubereiten, hat das einen Einfluss darauf, wie gut es uns schmeckt? Um das herauszufinden, haben wir Probanden eingeladen einen Himbeershake zu trinken (Dohle et al. 2014). Dieser bestand aus Himbeeren, Zucker, Sahne und Milch. Er war sehr schmackhaft, aber auch sehr kalorienreich. Die eine Gruppe musste sich den Shake selber zubereiten und ihn dann verkosten. Die zweite Gruppe bekam den schon zubereiteten Shake zusammen mit dem Rezept und konnte direkt verkosten. Im Ergebnis hat der Shake den Probanden, die ihn selber zubereiten mussten, signifikant besser geschmeckt. Sie haben auch signifikant mehr davon getrunken. Den Aspekt des Selbermachens darf man als Einfluss auf unser Verhalten also nicht unterschätzten. Wenn wir etwas selber machen, essen wir auch mehr davon. Und es schmeckt uns besser. Foto: JackF/Fotolia.com

55 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 55 Labels beeinflussen wie es schmeckt Eine amerikanische Studie hat untersucht, welchen Einfluss Labels (hier: das Label einer bekannten Fast-Food-Kette) darauf haben, wie gut Kindern etwas schmeckt (Robinson et al. 2007). Kinder haben (unwissentlich) jeweils identische Produkte bekommen und sollten sie verkosten, zum Beispiel zwei Teller mit den gleichen Chicken Nuggets, einmal ohne Label und einmal mit dem Label der Fast-Food-Kette. Sie sollten dann entscheiden, welches Produkt besser schmeckt oder ob beide gleich gut sind. Da die Produkte identisch waren, hätte man eigentlich erwarten können, dass sie auch als gleich gut im Geschmack beurteilt werden. Tatsächlich aber haben die Produkte, die vermeintlich von der Fast-Food-Kette stammten, den Kindern deutlich besser geschmeckt (Folie 4). Selbst Karotten schmeckten ihnen besser, wenn sie das Fast-Food-Label trugen. Auch bei Erwachsenen spielt das Label eine Rolle. In einer Studie haben wir untersucht, inwieweit Information einen Einfluss auf die Beurteilung von Wein hat (Siegrist & Cousin 2009). Robert Parker ist ein bekannter US-amerikanischer Weinkritiker. Er hat einen starken Einfluss auf die Konsumenten, die Weine gemäß seinen Empfehlungen kaufen. Dadurch können seine Einschätzungen auch den Preis beeinflussen. Weinhersteller können wiederum versucht sein, Weine zu produzieren, welche Parker bevorzugt. Parker beurteilt Weine auf einer Skala mit 100 Punkten. Wir haben den Probanden erklärt, dass ein Wein mit über 90 Punkten als exzellenter, außerordentlicher Wein gilt und einer mit unter 80 Punkten als schlecht. Folie 4: Labels beeinflussen den Geschmack schon bei Kindern (hier: das Label einer bekannten Fast-Food-Kette). Wir haben Probanden jeweils eine positive bzw. negative Information über den zu probierenden Wein gegeben, vor oder nach dem Verkosten (Folie 5). Eine Kontrollgruppe hat den Wein ohne die Information verkostet. Für die Studie haben wir einen Malbec-Wein südamerikanischer Herkunft verwendet, der damals 20 Euro gekostet hat und 92 Parker-Punkte erhalten hatte. Als positive Information haben wir den Probanden die richtige Information gegeben, dass dieser Wein von Par- Was für ein Wein ist das? Informationen, die wir vor dem Kosten zu einem Wein bekommen, beeinflussen unser Urteil. Uns hat nun interessiert, ob es für die Beurteilung des Geschmacks eine Rolle spielt, ob wir den Probanden vor oder nach dem Verkosten Informationen über den Wein geben. Weshalb ist der Zeitpunkt kritisch? Wenn die Teilnehmer nach dem Degustieren die Information bekommen, dass der Wein gut oder schlecht ist, lassen sie sich möglicherweise beeinflussen, weil sie nicht unwissend erscheinen wollen. Vielleicht mochten sie den Wein nicht und sagen trotzdem, der Wein schmecke sehr gut, wenn sie eine hohe Parker-Punktzahl sehen. Es könnte aber auch sein, dass sie sich beeinflussen lassen, wenn sie die Information vorher bekommen. Jeder Wein hat Aspekte, die man mag und Komponenten, die man vielleicht weniger positiv beurteilt. Man kann sich natürlich auf die einen oder die anderen Komponenten konzentrieren. Möglicherweise beeinflusst die Vorab-Information tatsächlich das sensorische Erleben der Probanden, weil sie andere Aspekte fokussieren. Foto: Robert Kneschke/Fotolia.com

56 56 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Folie 5: Versuchsaufbau zur Untersuchung des Einflusses von Information auf die Beurteilung eines Weins. Folie 6: Information, die gegeben wird, bevor sich Probanden ein eigenes Bild machen konnten, beeinflusste die Beurteilung des Weins signifikant. ker 92 Punkte erhalten hat und als sehr guter Wein beurteilt worden ist. Der anderen Gruppe haben wir gesagt, dass Parker den (gleichen) Wein mit nur 78 Punkten beurteilt hätte. Damit wäre er unterdurchschnittlich gewesen. Wenn die Probanden die Information vor dem Verkosten erhalten hatten, gab es einen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe (Folie 6). Bei positiver Information wurde der Wein deutlich besser beurteilt, bei negativer Information wurde er schlechter beurteilt. Erhielten die Probanden die Parker-Punktzahl erst, nachdem sie sich ein eigenes Bild vom Wein machen konnten, unterschieden sich die Einschätzungen nicht von der Kontrollgruppe. Menschen scheinen sich nur dann beeinflussen zu lassen, wenn man die Information gibt, bevor sie sich ein eigenes Bild machen konnten. Positive Beeinflussung von Konsumenten Umweltfaktoren können das Ernährungs- und Konsumverhalten nicht nur negativ sondern auch positiv beeinflussen. Nach dem Nudge-Konzept (engl. anstupsen/anstoßen) kann die Essumwelt so verändert werden, dass Menschen automatisch die richtige Wahl treffen. Wir haben dazu ein Experiment durchgeführt, bei dem die Probanden bei einem Mittagsmenü verschiedene Komponenten angeboten bekamen (Bucher et al. 2011). Eine Gruppe konnte sich bei Karotten, Nudeln und Hühnchen bedienen, die zweite Gruppe hatte Bohnen, Nudeln und Hühnchen zur Auswahl und die dritte Gruppe bekam zu Nudeln und Hühnchen beide Ge- Foto: Robert Schubert, aid

57 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 57 Folie 7: Gruppeneinteilung einer Studie über den Einfluss des Angebots auf die Auswahl von Mittagessenskomponenten. Folie 8: Durch ein größeres Gemüseangebot lässt sich das Verzehrsverhalten günstig beeinflussen. müse vorgesetzt (Folie 7). Die Probanden sollten sich nun wie bei einem normalen Mittagessen Essen auf einen Teller schöpfen. In dieser Studie haben wir mit Essensattrappen gearbeitet, was einen geringeren Aufwand bei der Durchführung bedeutet (kein Kochen, keine Abfälle, das Essen wird nicht kalt). In anderen Studien konnten wir bereits zeigen, dass sich Probanden gleich viel aufschöpfen, unabhängig davon ob wir echte oder unechte Lebensmittel verwenden. Wurden zwei Gemüse angeboten, war der Energieanteil, den die Probanden bei der Mahlzeit durch Gemüse abgedeckt hatten, am höchsten (Folie 8). Die drei Gruppen unterschieden sich jedoch nicht in der Energiemenge der insgesamt aufgeschöpften Lebensmittel. Das ist ein wichtiger Aspekt, schließlich möchte man Menschen nicht zu einer höheren Energieaufnahme ermutigen, indem man mehr Gemüse anbietet. Mit dieser Strategie ließ sich also der gewünschte Effekt erzielen. Diesen Ansatz haben wir auch erfolgreich mit Kindern repliziert. Schlussfolgerungen Umweltfaktoren können einen starken Einfluss darauf haben, wie viel Menschen essen. Selbst ein geringer Mehraufwand führt bereits dazu, dass weniger konsumiert wird. Die Aktivierung von Konzepten (z. B. die Anspielung auf Körperkonzepte durch die Giacometti-Skulpturen) kann bewirken, dass weniger gegessen wird. Auch die Anzahl angebotener Gemüse hat einen Einfluss auf das Essverhalten. Daneben können Informationen das sensorische Erleben beeinflussen, allerdings nur, wenn sie vor dem Essen vermittelt werden. In der Regel realisieren Menschen nicht, dass derartige Faktoren einen Einfluss auf ihr Verhalten haben. Das heißt: wir lassen uns beeinflussen, ohne dass wir dies bemerken. Literatur Ein ergänzendes Interview mit Prof. Dr. Michael Siegrist finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Brunner T, Siegrist M: Reduced food intake after exposure to subtle weight-related cues. Appetite. 58(3): (2012) Bucher T. van der Horst K, Siegrist M: Improvement of meal composition by vegetable variety. Public Health Nutrition. 14(8): (2011) Dohle S, Rall S, Siegrist M: I cooked it myself: Preparing food increases liking and consumption. Food Quality and Preference. 33(1):14 16 (2014) Kahn BE, Wansink B: The influence of assortment structure on perceived variety and consumption quantities. Journal of Consumer Research. 30: (2004) Robinson T, Borzekowski D, Matheson D, Kraemer H: Effects of Fast Food Branding on Young Children s Taste Preferences. Archives of Pediatric & Adolescent Medicine. 161(8):792 7 (2007) Siegrist M, Brunner T: Does increased effort reduce our food intake? Annual Meeting of the International Society for Behavioral Nutrition and Physical Activity, Austin, TX, USA, May (2012) Siegrist M, Cousin ME: Expectations influence sensory experience in a wine tasting. Appetite. 52(3): doi: /j.appet Epub 2009 Feb 11 (2009) Wansink B, Kim J: Bad popcorn in big buckets. Portion size can influence intake as much as taste. Journal of Nutrition Education and Behavior. 37:242 5 (2005) Wansink B, Painter JE, North J: Bottomless bowls: Why visual cues of portion size may influence intake. Obesity Research. 13: (2005a) Wansink B, van Ittersum K, Painter JE: How Descriptive Food Names Bias Sensory Perceptions in Restaurants. Food Quality and Preference. 16(5): (2005b) Foto: Robert Schubert, aid

58 58 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Wenn Sie jetzt noch Ihren Geldgebern danken würden, wem würden Sie dann danken? Herrn Parker, der Verbraucherzentrale Zürich oder? Prof. Dr. Michael Siegrist: Alle unsere Forschungsergebnisse, die ich heute präsentiert habe, wurden von der ETH Zürich finanziert, also nicht von der Industrie. Wobei solche Mechanismen natürlich auch für die Lebensmittelindustrie interessant wären. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: In der Wochenzeitschrift DIE ZEIT gab es am 8. Mai 2013 den Artikel Süße Geschäfte. Ein kritischer Text, in dem unter anderem steht: Essen ist kein Essen mehr, sondern Markenbotschafter. Geschichten sind keine Geschichten mehr, sondern Werbung. Die für Kinder wichtigsten Rituale Essen und Geschichtenerzählen werden kommerzialisiert. Die Unternehmen dringen nicht nur in die Familie und den Sportverein vor, sie versuchen auch die Gedanken- und Gefühlswelt der Kinder zu besetzen. Man mag nun einwenden, dass ein bisschen Marketing doch keinen großen Schaden anrichten kann. Haben wir uns nicht alle an die dauernde Werbung gewöhnt, dient sie nicht sogar einem wichtigen Zweck? Die Antwort ist Nein. Wie würden Sie diese sehr herbe Kritik beurteilen? Ist das zu hart? Moderator Dr. Friedhelm Mühleib und Prof. Dr. Michael Siegrist Prof. Dr. Michael Siegrist: Ich habe grundsätzlich Schwierigkeiten mit Kulturpessimismus. Man kann das ja auch positiv sehen. Die Studien haben schließlich auch gezeigt, dass Menschen Produkte besser geschmeckt haben, wenn sie positive Information dazu erhalten hatten. Es gibt auch Studien, wieder mit Wein, in denen alle Probanden den gleichen Wein bekamen. Während der einen Gruppe gesagt wurde, dass es sich um einen billigen Wein handele, der ein paar Euro kostet, teilte man der anderen Gruppe mit, dass es ein sehr teurer Wein sei. Man hat dabei festgestellt, dass der Wein den beiden Gruppen nicht nur unterschiedlich gemundet hat, sondern dass auch die Gehirnaktivitäten zwischen den Gruppen unterschiedlich waren. Es gibt ähnliche Studien mit verschiedenen Marken koffeinhaltiger Limonaden. Wenn Konsumenten zufrieden sind und ihnen die Produkte besser schmecken, weil sie in eine gute Botschaft verpackt sind, dann habe ich damit grundsätzlich erst einmal keine Schwierigkeiten. Anders sieht es natürlich aus, wenn es um Beeinflussung von Kindern geht. Ich glaube, hier sind wir auf etwas schwierigerem Terrain als bei Erwachsenen, zum Beispiel wenn man zu den Chicken Nuggets noch ein Spielzeug anbietet. Das ist aus meiner Sicht problematisch, weil man Kinder hier relativ stark beeinflusst und sie dazu bringt, häufiger nicht empfehlenswerte Lebensmittel zu kaufen. Wenn Sie diese Aspekte thematisieren, dann bin ich einverstanden, dass man das kritisieren sollte. Aber ich glaube, es ist nicht grundsätzlich schlecht eine Geschichte einzubringen. Es kommt darauf an, wie man das für sich nutzt. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Aber sind Kinder nicht noch viel schutzloser als Erwachsene gegenüber solchen Einflüssen? Prof. Dr. Michael Siegrist: Wie gesagt, bei Kindern habe ich auch meine Bedenken, wenn zum Beispiel Fast-Food-Ketten oder andere Hersteller Kinder mit Spielsachen dazu bringen wollen, nicht empfehlenswerte Lebensmittel zu kaufen. Foto: Robert Schubert, aid Publikum: Ihr Beitrag hat mich ein wenig ratlos gemacht. Sind wir alle gewissermaßen ein Stück weit Opfer unseres Unterbewusstseins? Wie bewusst können wir überhaupt Entscheidungen treffen? Wie stark werden wir manipuliert, ohne dass wir es merken? Dazu kommen physiologische Regelmechanismen und Einflüsse im Körper, die wir gar nicht wahrnehmen. Wie kann man überhaupt Menschen mit Botschaften erreichen und Veränderungen im Ernährungsverhalten anstoßen, wenn uns die Werbeindustrie andernorts mit Hilfe von zwei- bis dreistelligen Milliardenbe-

59 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 59 trägen manipuliert, ohne dass wir es mitbekommen? Brauchen wir nicht noch viel stärker als bisher Verhaltensprävention, Fast- Food-Verbote um Schulen, verbindliche Qualitätsstandards und Ähnliches? Prof. Dr. Michael Siegrist: Gott sei Dank fällen wir die meisten Entscheidungen automatisch, sonst würden wir unsere gesamte Zeit im Supermarkt verbringen, um die Produkte auszuwählen. Von daher ist es überlebenswichtig, das wir nicht bei jeder Essens- oder Kaufentscheidung eine vollständige Analyse der Situation durchführen. In unserer Essumwelt gibt es immer positive und negative Einflüsse. Wenn es um Schulen herum sehr viele Fast-Food-Restaurants gibt, steigt sicher auch die Tendenz der Kinder, diese Fast-Food-Restaurants zu besuchen. Ich bin immer etwas kritisch, wenn es um staatliche Vorschriften geht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass diese selten den gewünschten, günstigen Effekt gehabt haben (siehe z. B. die Fettsteuer in Dänemark). Dazu kommt, dass es gerade im Lebensmittelbereich extrem schwierig ist, weil ja nicht der Hamburger an sich das Problem ist. Er ist nur dann ein Problem, wenn Sie sich hauptsächlich von Hamburgern ernähren. Wenn Sie aber einmal im Monat Fast Food essen, werden Sie keine gesundheitlichen Nebenwirkungen haben. Es ist im Ernährungsbereich also sehr schwierig, Maßnahmen zu finden, die dann auch den erwünschten Effekt bringen und nicht plötzlich Nebenwirkungen haben, die vielleicht schlimmer sind als das, was man vermeiden wollte. Publikum: Das provoziert eine Nachfrage. Versprechen Sie sich dann mehr von der Reformierung der Lebensmittelindustrie? Prof. Dr. Michael Siegrist: Auch dazu muss ich sagen, dass uns ja niemand zwingt, bei einem bestimmten Händler einzukaufen; es zwingt uns niemand, gewisse Produkte zu kaufen. Natürlich ist es bis zu einem gewissen Grad auch unsere Entscheidung, zum Beispiel weniger Zeit in der Küche aufwenden zu wollen. Hier sind die abnehmenden Kochfähigkeiten ein wichtiger Faktor, denn wir wissen, dass sich Menschen mit besseren Kochfähigkeiten auch ausgewogener ernähren. Gleichzeitig haben wir den Trend, dass Menschen weniger Zeit in der Küche verbringen möchten. Sie möchten zwar schon kochen, zum Beispiel am Wochenende oder wenn Gäste da sind, aber unter der Woche möchten sie die Arbeit in der Küche reduzieren. Vor dem Hintergrund ist es natürlich schwierig, den schwarzen Peter der Lebensmittelindus trie zuzuschieben. Wir möchten nicht mehr kochen, wir möchten Convenience Food haben, und beschweren uns dann, dass das Convenience Food nicht die gleiche Qualität hat wie das, was wir selber machen könnten. Das ist eine gewisse Schizophrenie des Verbrauchers. Wir haben die Lebensmittelindustrie, die wir verdienen. Foto: Robert Schubert, aid

60 60 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Essverhalten und kognitive Leistung Kognitive Leistungsfähigkeit umfasst verschiedene, aber häufig zusammenhängende Prozesse, die unterschiedlich komplex sind (Folie 1). Hierzu gehören zum Beispiel Wahrnehmung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Aktivierung, Informationsverarbeitung und Bewegungssteuerung, aber auch hochkomplexe Fähigkeiten und Prozesse wie Problemlösung und Intelligenz. Der Einfluss von Ernährung auf die kognitive Leistungsfähigkeit muss dahingehend differenziert werden, ob die Auswirkung des Nahrungsfaktors als akute, kurzfristige Folge (normalerweise im Minuten- bis Stundenbereich) einer Nahrungsaufnahme erfasst wird oder als langfristige Folge einer chronischen Nahrungszufuhr bzw. Ernährungssituation (über Monate oder gar Jahre). Folie 1: Kognitive Leistung umfasst verschiedene Konstrukte. Der Zusammenhang zwischen Ernährung und kognitiver Leistung muss deshalb differenziert betrachtet werden. Das Thema Beeinflussung der kognitiven Leistung über das Essen hat in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit erhalten. Es ist auch aus Marketingsicht hochinteressant. Wenn man Menschen versprechen kann, sie würden intelligenter oder könnten ihr Gedächtnis verbessern, wenn sie dieses oder jenes essen, wäre das ein starkes Marketingargument. Das Lebensmittelrecht lässt im Rahmen der Health-Claims-Verordnung (engl. Gesundheitsbehauptungen) gesundheitsbezogene Angaben in diesem Bereich inzwischen prinzipiell zu. Lebensmittelhersteller dürfen in der Werbung und Kennzeichnung von Lebensmitteln jedoch nur Angaben verwenden, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach wissenschaftlicher Prüfung zugelassen wurden. Wenn man vergleicht, welche Aussagen ursprünglich beantragt wurden und welche Aussagen letztlich wissenschaftlich substanziiert werden konnten, ist die Schnittmenge nicht allzu groß. Prof. Dr. Joachim Westenhöfer Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg KONTAKT Prof. Dr. Joachim Westenhöfer Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg Fakultät Life Sciences Department Gesundheitswissenschaften Ulmenliet Hamburg Internet: ZUR PERSON p seit 2010 Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der HealthBehavior.de GmbH p seit 1995 Professor für Ernährungs- und Gesundheitspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) p Mitglied der Leitung des Competence Center Gesundheit der HAW Hamburg und Sprecher des Forschungsschwerpunkts Public Health; Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Entstehung und Therapie von Essstörungen und Adipositas, Regulation von Appetit, Sättigung und Körpergewicht, Wirksamkeit von Ernährungsberatung, -therapie und -aufklärung sowie von Maßnahmen der Gesundheitsförderung, Entwicklung internetbasierter Trainingsprogramme für einen gesunden Lebensstil und erfolgreiches Gewichtsmanagement p Veröffentlichung von über 170 Publikationen p 1986 bis 1995 wissenschaftlicher Angestellter an der Ernährungspsychologischen Forschungsstelle der Universität Göttingen p Studium der Psychologie

61 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 61 Foto: daynamore/fotolia.com Bereich möchte ich im vorliegenden Beitrag in den Mittelpunkt stellen. Mit Essverhalten ist in diesem Zusammenhang weniger gemeint, was wir essen, sondern eher der Stil, also das Wie. Viele Menschen mit subjektiven oder objektiven Gewichtsproblemen versuchen, ihr Gewicht durch Diäten und gezügeltes Essen zu beeinflussen. Zahlreiche dieser Maßnahmen sind nicht wirklich erfolgreich, wie die bestehende Übergewichtsepidemie zeigt. Es gibt daneben Hinweise darauf, dass Diäten, gezügeltes Essen und ein gestörtes Essverhalten mit Beeinträchtigungen von kognitiven Leistungen verbunden sein können. Zwei Bereiche sind hier relativ gut untersucht und belegt: der Einfluss auf die Aufmerksamkeit und der Einfluss auf das Arbeitsgedächtnis. Die Zusammenhänge werde ich mit Beispielen illustrieren. Gezügeltes Essverhalten und Arbeitsgedächtnis Können wir uns schlau essen? Diese Frage erhält zunehmend Aufmerksamkeit in Medien und Forschung. Generell ist bislang nur ein kleiner Bereich kognitiver Leistungsfähigkeit im Hinblick auf Ernährungseinflüsse erforscht. Zu vielen beanspruchten Aussagen gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise. Die besten Daten gibt es zurzeit für den Bereich der Kohlenhydrate, und hier insbesondere für Glukose. Gut belegt sind die Auswirkungen von Kohlenhydraten auf Reaktionszeit, Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Der entscheidende Faktor scheint die Verfügbarkeit von Glukose im Gehirn zu sein. Insbesondere eine mangelnde Verfügbarkeit von Glukose geht mit einer Leistungsminderung einher. Aber auch hier sind die Ergebnisse nicht eindeutig. Der Einfluss kann durch Faktoren wie die Tageszeit oder den Mahlzeitenkontext modifiziert werden. Die Mechanismen dieser Einflüsse sind noch nicht hinreichend geklärt. (Westenhöfer 2006) Ein bereits etwas älteres, aber sehr anschauliches Experiment wurde 1998 mit 71 Studentinnen durchgeführt (Green & Rogers 1998). Tatsächlich werden viele dieser Untersuchungen mit Studenten gemacht, was ihre Generalisierbarkeit möglicherweise in Frage stellt. Die Teilnehmerinnen zwischen 18 und 30 Jahren wurden gemäß ihrer Antworten in einem Fragebogen zum Essverhalten (Dutch Eating Behaviour Questionnaire, DEBQ) in drei Gruppen eingeteilt (Folie 2). Eine Gruppe von Studentinnen hielt gerade Diät, um an Gewicht abzunehmen (dieting). Eine zweite Gruppe gab an, zwar gerade keine Diät zu machen, aber generell darauf zu achten, nicht zu viel zu essen und ihre Nahrungsaufnahme einzuschränken (high restraint). Die dritte Gruppe hatte keine stark ausgeprägte Tendenz, ihre Nahrungsaufnahme zu regulieren (low/medium restraint). Neben Ernährungsfaktoren sind in den letzten Jahren verschiedene Aspekte des Essverhaltens in ihrer Beziehung zu kognitiven Funktionen in den Fokus der Forschung gerückt. Diesen Folie 2: Rahmendaten einer Untersuchung über den Einfluss von gezügeltem Essverhalten auf das Arbeitsgedächtnis.

62 62 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Folie 3: Die Ergebnisse zeigen, dass Diäthalten die Leistung der phonologischen Schleife als Teil des Arbeitsgedächtnisses negativ beeinflusst. Folie 4: Rahmendaten einer weiteren Untersuchung über den Einfluss von gezügeltem Essverhalten bzw. Diäthalten auf das Arbeitsgedächtnis. In der Studie wurde eine Komponente des Arbeitsgedächtnisses getestet, die als phonologische Schleife bezeichnet wird und für die kurzfristige Speicherung sprachlicher Informationen relevant ist. Die Studentinnen bekamen auf einem Bildschirm Buchstabenfünflinge dargeboten, die entweder phonetisch sehr verschieden waren (z. B. HMJRZ) oder sehr ähnlich (z. B. CPTDG). Sie sollten sich die Buchstaben merken. Man kann sich vorstellen, dass dies bei den verwechselbaren Buchstaben schwieriger ist. In einer zusätzlichen Variante wurden die Teilnehmerinnen aufgefordert, sich die Buchstaben zu merken und parallel dazu laut zu zählen. In allen Bedingungen konnten sich die Teilnehmerinnen, die gerade eine Diät machten, signifikant weniger Buchstabenkombinationen merken als die Teilnehmerinnen der anderen beiden Gruppen (Folie 3). Diäthalten geht also mit einer Verschlechterung des Arbeitsgedächtnisses einher. Die australischen Forscher Marika Kemps und Eva Tiggemann haben ein ähnliches Experiment durchgeführt (Folie 4). An ihrer Studie haben 66 Studentinnen zwischen 18 und 37 Jahren teilgenommen, von denen 33 gerade eine Diät machten (Kemps & Tiggemann 2005). Die Studentinnen sollten auf einen Bildschirm schauen, auf dem nacheinander gezeichnete Objekte an verschiedenen Stellen in einer 4x4-Matrix gezeigt wurden. Sie wurden gebeten, sich die Objekte anzusehen und bestimmte Erinnerungsaufgaben zu erfüllen. Als erstes sollten sie sich die Objekte merken und benennen, sie mussten also die Wortinformation erinnern. Als zweites sollten sie nur zeigen, an welcher Position innerhalb der Matrix ein Objekt aufgeleuchtet war. In einem dritten Schritt sollten sie das Benennen und Zeigen kombinieren. Die erste Aufgabe testet wieder die phonologische Schleife. Die zweite gibt Aufschluss über eine weitere Komponente des Arbeitsgedächtnisses, das so genannte visuell-räumliche Notizbuch. Dabei handelt es sich um ein begrenztes System zur vorübergehenden Speicherung von räumlichen und visuellen Informationen. Bei der dritten Aufgabe Folie 5: Diäthalten verschlechtert die Leistung der zentralen Exekutive, einer verbindenden Komponente des Arbeitsgedächtnisses. wird zusätzlich die zentrale Exekutive gefordert, ebenfalls ein Teil des Arbeitsgedächtnisses. Er stellt eine Verbindung zwi - schen den anderen beiden Systemen und dem Langzeitgedächtnis her. Bei den ersten beiden Aufgaben gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Bei der komplexesten Aufgabe, der Kombinationsaufgabe, haben die Teilnehmerinnen, die gerade Diät hielten, jedoch signifikant schlechter abgeschnitten als die anderen Teilnehmerinnen (Folie 5). Es gibt also deutliche Hinweise darauf, dass Diäthalten mit Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisses einhergeht, sei es in Bezug auf die phonologische Schleife oder die zentrale Exekutive. Gezügeltes Essverhalten und Aufmerksamkeit Neben dem Arbeitsgedächtnis ist Aufmerksamkeit der zweite, gut untersuchte Bereich in Bezug auf Essen und kognitive Leistung. Hier gibt es ein Konstrukt, das im Englischen attentional bias genannt wird und in etwa mit Verzerrungen der Aufmerksamkeit übersetzt werden kann. Die Psychologie beschäftigt sich schon sehr lange damit. Aufmerksamkeitsverzerrungen lassen sich mit einem Test messen, der von dem amerikani-

63 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 63 Foto: Natalia Merzlyakova/Fotolia.com Wer Diät hält, hat weniger Kapazitäten im Arbeitsgedächtnis. schen Psychologen J. Ridley Stroop entwickelt wurde. Beim ursprünglichen Stroop-Test bekommen Probanden Worte in verschiedenen Farben vorgelegt und müssen dann die Farbe benennen, in der das Wort geschrieben ist. Wenn die Farbe mit der Wortinformation übereinstimmt (z. B. das Wort rot in rot gedruckt) ist das relativ einfach. Deutlich schwieriger wird es bei inkongruenten Reizen (z. B. das Wort rot in blau gedruckt). Hier verlängert sich die Antwortzeit, was als Interferenzeffekt bezeichnet wird. In der klinischen Psychologie und in der Gesundheitspsychologie werden heute Variationen dieses klassischen Tests eingesetzt. Der emotionale Stroop-Test ist eine Weiterentwicklung, mit der man thematische Untersuchungen durchführen kann. Wieder ist die Aufgabe, die Schriftfarbe zu benennen. Verwendet werden jedoch keine Farbworte sondern Worte, die für den Probanden eine emotionale bzw. thematische Bedeutung haben. Man vergleicht dann die Reaktionszeiten bei neutralen und Reizworten. Bei emotional beladenen Worten ist die Reaktionszeit generell etwas langsamer. Bei einem Menschen mit Alkoholproblemen wären relevante Reizworte zum Beispiel Bier, Schnaps oder Whiskey. Neutrale Wörter wären Auto, Straße, Wagen. Einen solchen thematischen Stroop-Test haben Wissenschaftler eingesetzt, um die Auswirkungen von gezügeltem Essverhalten auf die verzerrte Aufmerksamkeit zu untersuchen (Green & Rogers 1993) (Folie 6). 55 Probandinnen wurden in drei Gruppen eingeteilt: Studentinnen, die Diät halten, die ein stark gezügeltes Essverhalten haben oder die ein gering gezügeltes Essverhalten haben. Sie wurden dann mit 100 figurbezogenen Worten (wie Schenkel, Brust oder Taille), mit 100 essensbezogenen Worten (wie Hamburger oder Butter) und mit zwei Sets aus neutralen Worten konfrontiert. Gemessen wurde jeweils die Reaktionszeit bei der Nennung der Schriftfar- Diäten, gezügeltes Essen und ein gestörtes Essverhalten können mit Beeinträchtigungen von kognitiven Leistungen verbunden sein. Prof. Dr. Joachim Westenhöfer Foto: Robert Schubert, aid

64 64 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Food Body Classic Bulimic vs. Controls Dieting vs. Controls Anorexic vs. Controls Folie 6: Versuchsaufbau einer Studie über den Zusammenhang zwischen gezügeltem Essverhalten und Aufmerksamkeit. Folie 8: Während einer Diät werden essensbezogene Begriffe langsamer verarbeitet. Magersüchtige reagieren verlangsamt auf figurbezogene Begriffe. Aktuelle Studie zum Einfluss des Essverhaltens Folie 7: Die Reaktionszeit bei Worten, die mit der Figur oder Essen zu tun haben (target words), war bei der Diätgruppe und den Probanden mit stark gezügeltem Essverhalten signifikant länger. be. Grundsätzlich wurden die Farben bei den nicht-neutralen Worten etwas langsamer benannt als bei den neutralen Worten. Der Unterschied ist bei den Probanden mit dem gering gezügelten Essverhalten nicht signifikant, wohl aber bei den Diät haltenden Probanden und bei den Probanden mit stark gezügeltem Essverhalten (Folie 7). Dieser Zusammenhang ist weiter untersucht worden; inzwischen gibt es eine Fülle von Studien dazu. Eine 2004 veröffentlichte Metaanalyse vergleicht Ergebnisse aus Stroop-Tests von Diät haltenden Personen und Personen mit Bulimie bzw. Magersucht mit denen von Kontrollpersonen (Dobsen & Dozois 2004). Bei bulimischen Probanden zeigen sich ausgeprägte Verlangsamungen bei der Farbbenennung, sowohl bei nicht-neutralen als auch bei neutralen Wörtern. Anorektische Probanden reagieren vor allem bei figurbezogenen Worten mit einer Verzögerung, während sich bei Probanden, die gerade Diät halten, eine ausgeprägtere Verzögerung bei den essensbezogenen Worten zeigt (Folie 8). Welche potenzielle Relevanz haben derartige kognitive Beeinträchtigungen beim gezügelten Essen? Die Beeinträchtigungen des Gedächtnisses und der Aufmerksamkeit können als störend und belastend erlebt werden und damit die Motiva tion beeinträchtigen, neue Essgewohnheiten zu etablieren und aufrechtzuerhalten. Sie können weiterhin die Selbstkon trolle des Essverhaltens erschweren und damit die erfolgreiche Realisierung von selbstkontrolliertem Essverhalten. Die Beanspruchung kognitiver Ressourcen kann außerdem einer Ermüdung ( ego-depletion ) Vorschub leisten, denn auch kognitive Ressourcen können ermüden wie ein überstrapazierter Muskel. In einer eigenen Studie sind wir dem Thema Beeinträchtigungen und Essverhalten weiter auf den Grund gegangen. Vorab möchte ich dazu einige relevante Begriffe klären. Unter Diät haltend verstehen wir jemanden, der im Moment von sich sagt, er mache eine Diät, um abzunehmen. Gezügeltes Essen bezeichnet die übergreifende Absicht, die Nahrungsaufnahme einzuschränken, um abzunehmen oder nicht zuzunehmen. Unterscheiden kann man dabei zwischen rigider und flexibler Kontrolle. Rigide Kontrolle ist der Versuch, das Essen nach dem Alles oder Nichts -Prinzip einzuschränken, einhergehend mit Verboten. Eine flexible Kontrolle ist dagegen ein zeitlich übergreifendes Muster mit moderaten Einschränkungen. Lassen sich Beeinträchtigungen in der Gedächtnisleistung und Verzerrungen der Aufmerksamkeit bei gezügelten Essern replizieren? Mit welcher Komponente des gezügelten Essens sind solche Beeinträchtigungen verknüpft, mit der rigiden oder der flexiblen Kontrolle? Diese Fragestellungen haben wir in unserer Studie untersucht (Westenhöfer et al. 2013).

65 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 65 Foto: Jürgen Fälchle/Fotolia.com Der Versuch, sein Essverhalten rigide zu kontrollieren, scheitert in der Regel. Wir hatten die Gelegenheit, 106 Frauen zu untersuchen, die an einem kommerziellen britischen Gewichtsreduktionsprogramm teilgenommen haben. Ein Einschlusskriterium für die Studie war, dass die Teilnehmerinnen seit mindestens sechs Monaten aktive Mitglieder sein mussten. Zum Untersuchungszeitpunkt brachten die Probandinnen im Alter von 21 bis 74 Jahren im Durchschnitt 80 Kilogramm auf die Waage, der durchschnittliche Body Mass Index (BMI) lag bei 30 kg/m². Aufgrund der Aufzeichnungen aus dem Programm konnten wir rekonstruieren, dass die Teilnehmerinnen seit Beginn der Mitgliedschaft im Durchschnitt zehn Kilo abgenommen hatten, sie waren also relativ erfolgreich in der Gewichtsreduktion. Verzerrte Aufmerksamkeit In einem zweiten Schritt haben wir uns dem Thema Aufmerksamkeit gewidmet. Aus Vorversuchen wussten wir, dass es einige Versuchspersonen gibt, die es im Stroop-Test schaffen, die Wortbedeutung völlig zu ignorieren und nur auf die Schriftfarbe zu reagieren. Sie schalten die kognitive Verarbeitung aus. Wir haben uns deshalb eine neue Testvariante überlegt, um sicherzustellen, dass die Probanden die Wörter auch wirklich lesen und verarbeiten. Anstelle der Farbe mussten sie identifizieren, ob es sich um ein Adjektiv oder Substantiv handelt und auf eine entsprechende Taste drücken. Es gab neutrale Worte wie blau und Vogel oder essens- und figurbezogene Worte wie Kuchen und schlank. In der Studie wurden englische Wörter eingesetzt, da die Probanden aus Großbritannien kamen. Mit Hilfe statistischer Verfahren haben wir sichergestellt, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Wortgruppen in Bezug auf die Anzahl der Buchstaben, die Anzahl der Silben und die Gebrauchshäufigkeit der Wörter in der englischen Sprache gab. Die neutralen Worte wurden im Durchschnitt nach 968 Millisekunden als Adjektiv oder Substantiv identifiziert. Bei den figurund essensbezogenen Wörtern brauchen die Probandinnen mit 997 Millisekunden signifikant länger. Die Differenz zwischen den neutralen und den figur- und essensbezogenen Worten war umso größer, je ausgeprägter die rigide Kontrolle des Essverhaltens war. Zur flexiblen Kontrolle gab es keine signifikante Beziehung. Generell gab es keine Unterschiede in der Anzahl richtiger bzw. falscher Reaktionen. Gedankliche Voreingenommenheit Wir haben im nächsten Schritt untersucht, ob die Aufmerksamkeitsverzerrungen möglicherweise etwas mit gedanklichen Präokkupationen zu tun haben. Womit sind die Probanden gedanklich beschäftigt, welche gedanklichen Voreingenommenheiten bestehen? Das lässt sich mit einem speziellen Fragebogen erfassen. Dabei zeigt sich, dass rigide Kontrolle mit einer ganzen Reihe von essens-, diät- und figurbezogenen gedanklichen Präokkupationen einhergeht, zum Beispiel ich denke die meiste Zeit des Tages über Lebensmittel nach, ich kenne den Zucker- und Fettgehalt von Lebensmitteln oder über meine Figur nachzudenken beeinträchtigt meine Konzentrationsfähigkeit. Bei der flexiblen Kontrolle zeigt sich dagegen lediglich eine signifikante Assoziation mit diätbezogener Präokkupation.

66 66 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Arbeitsgedächtnis Neben Einflüssen des Essverhaltens auf die Aufmerksamkeit haben wir untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen rigider bzw. flexibler Kontrolle des Essens auf das Arbeitsgedächtnis gibt. Dafür haben wir den N-Back-Test eingesetzt. Bei diesem Test sehen die Probanden auf einem Bildschirm nacheinander eine Reihe von Buchstaben. Sie müssen immer dann eine Reaktionstaste drücken, wenn der aktuell dargebotene Reiz mit dem Reiz N Stellen davor identisch ist, wobei N gleich 1 oder 2 sein kann. Die einfachere Variante ist also der 1-Back- Test. Wird zum Beispiel die Buchstabenfolge AKFAL angezeigt und erscheint dann wieder das L, muss die Reaktionstaste gedrückt werden, weil L mit dem zuvor angezeigten Buchstaben identisch ist. Beim 2-Back-Test müsste im Beispielfall entsprechend die Reaktionstaste gedrückt werden, wenn nach AKFAL ein A angezeigt würde. Gewicht und Gewichtsentwicklung Zunächst haben wir uns angesehen, wie die Gewichtsentwicklung mit dem gezügelten Essen zusammenhängt. Dabei hat sich gezeigt, dass ein höherer BMI mit einer geringeren flexiblen Kontrolle und mit einer höheren rigiden Kontrolle einhergeht. Bezogen auf den Gewichtsverlust seit Beginn der Mitgliedschaft im Programm konnten wir sehen, dass ein besserer Gewichtsverlust mit höherer flexibler Kontrolle und mit geringerer rigider Kontrolle assoziiert ist. Bei 70 Probanden hatten wir zusätzlich die Gelegenheit, das Gewicht weitere sechs Monate später zu erfassen. Auch hier zeigte sich wieder, dass die Probanden mit einer hohen flexiblen Kontrolle auch weiter gut abnehmen konnten. Bezogen auf das Gewicht ist eine flexible Kontrolle des Essens also günstig, eine rigide Kontrolle ist eher ungünstig. Das sind bekannte Zusammenhänge, die sich also gut replizieren lassen. Beim leichteren 1-Back-Test konnten wir lediglich nicht signifikante Tendenzen beobachten: Die Anzahl der richtigen Reaktionen korrelierte negativ mit der flexiblen Kontrolle und die Reaktionszeit korrelierte positiv mit der flexiblen Kontrolle. Mit der rigiden Kontrolle gab es keinen Zusammenhang. Beim schwierigeren 2-Back-Test dagegen gab es signifikante Beziehungen: Je flexibler das Essverhalten, desto häufiger reagierten die Probanden in der Aufgabe falsch. Eine flexible Kontrolle ist sozusagen schlecht fürs Gedächtnis. Bei der rigiden Kontrolle gab es wieder keine Zusammenhänge. Zusammenfassung Eine flexible Kontrolle des Essverhaltens geht mit einem geringeren Gewicht (BMI) und einer besseren Gewichtsabnahme einher. Umgekehrt geht eine rigide Kontrolle mit einem höheren Gewicht (BMI) und einer schlechteren Gewichtsabnahme einher (Folie 9). Neben diesen bekannten Zusammenhängen konnten wir neue Aspekte nachweisen (Folie 10). Wir konnten zeigen, dass die rigide Kontrolle des Essverhaltens, die letztlich nicht zu einer langfristig erfolgreichen Gewichtskontrolle beiträgt, mit einer übersteigerten gedanklichen Fixierung auf nahrungs- und figurbezogene Aspekte einhergeht, die sich in verzögerten Reaktionszeiten auf entsprechende Reize niederschlägt. Die flexible Kontrolle des Essverhaltens, die mit einer besseren Gewichtsreduktion und -stabilisierung einhergeht, ist nicht so stark mit solchen Verzerrungen der Aufmerksamkeit verknüpft. Sie erfordert aber offenbar eine deutlich stärkere Beanspruchung kognitiver Ressourcen, was sich in einer verschlechterten Leistung des Arbeitsgedächtnisses niederschlägt. Folie 9: Ergebnisse aus Westenhöfer et al Folie 10: Weitere Ergebnisse aus Westenhöfer et al

67 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 67 sind. Damit blieben weniger kognitive Ressource für das Arbeitsgedächtnis. Welche der beiden Varianten zutrifft, wissen wir im Moment noch nicht. Hier ist weitere Forschung nötig. Folie 11: Bei einer rigiden Kontrolle des Essverhaltens ist verzerrte Aufmerksamkeit und gedankliche Präokkupation mit Nahrung zu beobachten. Beides könnte zum Diät- Misserfolg dieser Form des gezügelten Essens beitragen. Für die Praxis lässt sich schlussfolgern, dass wir Menschen mit (objektiven oder subjektiven) Gewichtsproblemen von der rigiden Kontrolle weg zur flexiblen Kontrolle führen müssen. Dafür ist es notwendig, Wege zu finden, wie die erfolgreiche flexible Kontrolle des Essverhaltens kognitiv weniger belastend sein kann, denn die Belastung erschwert es offenbar durchzuhalten, bis sich neue Essgewohnheiten etabliert haben. Ein ergänzendes Interview mit Prof. Dr. Joachim Westenhöfer finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Literatur Dobson K, Dozois D: Attentional biases in eating disorders: A meta-analytic review of Stroop performance. Clinincal Psychology Review 23(8): (2004) Green MW, Rogers PJ: Selective attention to food and body shape words in dieters and restrained nondieters. International Journal of Eating Disorders 14(4):515 7 (1993) Folie 12: Wodurch kommt die kognitive Beeinträchtigung bei einer flexiblen Kontrolle des Essverhaltens zustande? Die Grafik veranschaulicht zwei mögliche Erklärungen. Schlussfolgerungen Es ist bereits länger bekannt, dass rigide Kontrolle zum Misserfolg bei Diäten führt. In diesem Prozess spielt das so genannte Craving (engl. heftiges Verlangen) eine zentrale Rolle (Meule et al. 2011). Menschen, die ihr Essverhalten rigide kontrollieren, entwickeln eine Gier nach Lebensmitteln. Unsere Ergebnisse bieten mögliche Erklärungen für diesen Mechanismus. Die rigide Kontrolle könnte durch die verzerrte Aufmerksamkeit und durch die gedankliche Präokkupation mit Nahrung und Figur diesem Verlangen Vorschub leisten und dadurch den Misserfolg beim Abnehmen mitbedingen (Folie 11). Green MW, Rogers PJ: Impairments in working memory associated with spontaneous dieting behaviour. Psycholical Medicine 28(5): (1998) Kemps E, Tiggemann M: Working memory performance and preoccupying thoughts in female dieters: evidence for a selective central executive impairment. British Journal of Clinical Psychology 44: (2005) Meule A, Westenhöfer J, Kübler A: Food cravings mediate the relationship between rigid, but not flexible control of eating behaviour and dieting success. Appetite 57:582 4 (2011) Westenhöfer J: Kohlenhydrate und kognitive Leistungsfähigkeit. Aktuelle Ernährungsmedizin 31: (2006) Westenhöfer J, Engel D, Holst C, Lorenz J, Peacock M, Stubbs J, Whybrow S, Raats M: Cognitive and weight-related correlates of flexible and rigid restrained eating behaviour. Eating Behaviors 14:69 72 (2013) Bezogen auf die flexible Kontrolle kann ich zwei Erklärungsmöglichkeiten anbieten (Folie 12). Eine flexible Kontrolle ist erfolgreich in der Gewichtsreduktion, sie führt also ganz offensichtlich zu einer negativen Energiebilanz. Diese negative Energiebilanz könnte über den Umweg einer verminderten Glukoseverfügbarkeit zu den Beeinträchtigungen des Arbeitsgedächtnisses führen. Alternativ könnte die flexible Kontrolle kognitive Ressourcen für die Selbstkontrolle und Selbstbeobachtung beanspruchen, die zur erfolgreichen Kontrolle nötig

68 68 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Publikum: Rigide und flexible Kontrolle, das klingt jetzt so einfach. Haben wir nicht auch ein Risiko durch zu viel Ernährungsinformation? Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Jein. Es gibt viel Information, auch viel widersprüchliche Information. Wir haben von Herrn Siegrist gehört, dass Informationen unser Essverhalten beeinflussen, aber nicht immer unbedingt so, wie wir uns das wünschen. Das ist meiner Ansicht nach etwas sehr Entscheidendes. Dadurch kommt es zu einer ganzen Reihe von belegten, paradoxen Folgen. Studien zeigen zum Beispiel, dass Menschen mehr von Produkten essen, auf denen wenig Fett steht, und sich dadurch der Energiespar-Effekt durch den geringeren Fettgehalt wieder relativiert. Generell denke ich, und das wäre eben auch die Einschränkung bei der flexiblen Kontrolle, dass es nur für einen begrenzten Zeitraum gut geht, sein Essverhalten dauernd mit dem Kopf steuern zu wollen. Es ist wie Herr Siegrist gesagt hat: wir würden wahrscheinlich verrückt werden, wenn wir bei diesen 200 Essentscheidungen am Tag jedes Mal eine vollständige Analyse machen müssten. Das geht gar nicht. Von daher wird diese Phase der Selbstkontrolle und der Informationsverarbeitung in ihrer Wirksamkeit begrenzt sein. Wir müssen in Zukunft noch wesentlich mehr Phantasie entwickeln und Wege finden, wie es uns gelingen kann, diese Phase möglichst schnell abzuschließen und in eine Phase von Automatismen bzw. gesünderen oder besseren Gewohnheiten zu kommen. Publikum: Ich beobachte in der Praxis seit Jahren, dass Patientinnen, insbesondere in fortgeschrittenem Alter, verzweifelt versuchen abzunehmen und dann nach Jahren mit bis Kalorien ihr Übergewicht wenig erfolgreich halten. Wenn sie dann in Betreuung sind und etwas entspannter an die Sache herangehen, fangen sie an abzunehmen, obwohl sie mehr essen bei gleicher Bewegung. Ich habe mich immer gefragt, woran das liegen könnte. Möglicherweise spielen Stresshormone und Auswirkungen auf die Insulinwirksamkeit eine Rolle. Ich komme immer mehr zu dem Schluss, dass nicht nur was man isst, sondern auch wie man isst, und insbesondere die innere Haltung zum Essen (also ein entspanntes Verhalten und ein bisschen mehr Zuversicht), manchmal mehr Erfolg bringt als Kalorienzählen. Das stammt nun aus meiner Erfahrung, aber ich denke, hier könnten Studien, auch aus psychologischer Sicht, spannend sein. Wir müssen Wege finden, wie die erfolgreiche flexible Kontrolle des Essverhaltens kognitiv weniger belastend sein kann. Prof. Dr. Joachim Westenhöfer Foto: Robert Schubert, aid

69 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 69 Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Es wäre es sicherlich wert, dazu Studien durchzuführen. Erfahrungen sind immer ein guter Anlass für Forschung, sie können Studien jedoch nie ersetzen. Denn wir neigen dazu, Information in einer für uns konsistenten Art und Weise zu verarbeiten und zurechtzulegen. Entsprechend müssen wir Erfahrungen rigoros in Form von Studien überprüfen. Aber Erfahrungen bieten Ansatzpunkte für Studien und das Thema Genuss beim Essen kann ich mir gut als Thema vorstellen. Denn ständig Kalorien zu zählen, ist vermutlich wenig genusssteigernd und wird das Belohnungssystem kaum reizen. Publikum: Wie ist das bei der flexiblen Kontrolle wenn man sein Essen zum Beispiel schon 30 Jahre lang flexibel kontrolliert, hat sich das Verhalten doch irgendwann verselbstständigt, es ist internalisiert. Vielleicht würde sich das dann auch positiv auf den Arbeitsspeicher auswirken? Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: In diese Richtung gehen meine eigenen Theoriebildungen auch, dass also die flexible Kontrolle bzw. die dazugehörigen Verhaltensweisen irgendwann habitualisiert werden und dann keine kognitiven Ressourcen mehr beanspruchen. Kritisch ist die Phase genau bis zu dieser Gewohnheitsbildung. Wir haben noch keine Anhaltspunkt dafür, wie lange diese Phase eigentlich dauert. Dazu fehlen gute Studien. Es gibt eine amerikanische Studie (National Weight Control Registry), die langfristig erfolgreiche Gewichtsabnehmer untersucht hat, um herauszufinden, was sie anders machen als andere. Dort finden wir einige Anhaltspunkte, aber wirklich überwältigend sind die Ergebnisse auch nicht. In größerem Umfang Menschen zu finden, die in dieser Phase des langfristigen Erfolgs sind, das ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen und bisher vielleicht noch nicht genügend bewältigt worden. Publikum: Warum sind manche Gruppen-Programme, die sehr restriktiv sind, trotzdem erfolgreich? Spielt hier möglicherweise die Gruppendynamik eine Rolle? Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Ja, es gibt einen Gruppeneffekt. Die Mehrzahl der mir bekannten Studien, die den Erfolg von Einzelsetting und Gruppensetting vergleicht, zeigt, dass das Gruppensetting erfolgreicher ist. Ganz offensichtlich, weil die Gruppendynamik und die damit verbundene Sozialpsychologie über welche Wege auch immer dazu beiträgt, dass die Motivation, das Durchhalten und die soziale Unterstützung gesteigert werden. Foto: Robert Schubert, aid

70 70 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Körperbildstörung eine Frage des Gewichts? Unter dem Begriff Körperbild ist das Bild zu verstehen, welches wir von unserem Körper hinsichtlich Größe, Form und Umriss haben. Der Begriff umfasst auch Gefühle bezogen auf unseren Körper und seine Eigenschaften (Slade 1994). Das Körperbild ist somit ein multidimensionales Konzept (Folie 1). Die perzeptive Ebene beinhaltet die Wahrnehmung, die wir von unserem Körper, den Körperteilen und ihren Ausmaßen haben. Dazu gehört, wie wir uns im Raum bewegen oder unseren Körperumriss einschätzen, wenn wir uns im Spiegel betrachten. Wir können zum Beispiel in der Regel relativ gut absehen, ob wir durch einen engen Durchgang passen. Auf der affektiven Ebene finden wir körperbezogene Gefühle. Das können zum Beispiel Ekel, Scham oder auch Stolz und damit verbundene Gedanken wie ich bin dick oder ich bin schön sein. Die Verhaltensebene bezieht sich auf körperbezogene Aktivitäten, darunter Tätigkeiten, mit denen ich mich wohlfühlen und meinen Körper genießen kann, ebenso wie Vermeidungsund Kontrollverhalten hinsichtlich Gewicht und Körperform. Schließlich umfasst das Konzept des Körperbildes auch den kognitiven Umgang mit dem eigenen Körper und damit Fragen wie Schatz, habe ich zugenommen? oder Sieht die Hose an mir schön aus?. Folie 1: Eine erhöhte Körperunzufriedenheit führt zu Störungen in den unterschiedlichen Bereichen. Die einzelnen Komponenten beeinflussen sich wechselseitig. Störung des Körperbildes In der Allgemeinbevölkerung und insbesondere unter Frauen ist die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper weit verbreitet. Neben der allgemeinen Unzufriedenheit gibt es eine pathologische Ausprägung, die vor allem bei Essstörungspatienten mit Bulimie oder Anorexie zu finden ist. Prof. Dr. Tanja Legenbauer LWL-Universitätsklinik Hamm KONTAKT Prof. Dr. Tanja Legenbauer LWL Universitätsklinik Hamm Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Heithofer Allee Hamm Internet: ZUR PERSON p seit 2014 Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LWL Universitätsklinik Hamm, Ruhr-Universität Bochum. Forschungsschwerpunkte: Untersuchung kognitiver und emotionaler Aspekte der Selbstregulation und Körperbildstörungen bei Adipositas und Essstörungen sowie psychopathologischer und differenzialdiagnostischer Aspekte affektiver Dysregulation bei Kindern und Jugendlichen, Entwicklung und Evaluation neuer Konzepte zur Behandlung von Körper - bild- und Essstörungen p seit 2011 Leiterin der Forschungsabteilung der LWL Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ruhr-Universität Bochum p psychotherapeutische Tätigkeit in verschiedenen Settings (ambulant, stationär) mit Schwerpunkt Psychosomatik und Psychotherapie vor allem im Bereich Essstörungen und Adipositas p 2010 Habilitation an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz p 2002 Promotion an der Universität Trier und Approbation zur Psychologischen Psychotherapeutin, Fachrichtung Verhaltenstherapie p Studium der Psychologie an den Universitäten Frankfurt und Marburg

71 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 71 Foto: RioPatuca Images/Fotolia.com Patienten mit einer Essstörung halten sich für dicker als sie sind. In unserer Arbeitsgruppe haben wir zum Körperbild eine Studie durchgeführt (Vocks et al. 2007), bei der wir Frauen in einem neutralen, eng anliegenden Gymnastikanzug fotografiert haben. Das Bild wurde anschließend digital verzerrt, so dass die Frauen auf dem Foto etwas dünner oder dicker als in Wirklichkeit waren. Die bearbeitete Variante haben wir den Probandinnen am Computer gezeigt und sie gebeten, die Verzerrung wieder zu korrigieren. In der Studie haben wir Patientinnen mit unterschiedlichen Essstörungen untersucht, darunter waren bulimische Patientinnen und einige anorektische Patientinnen, die aber nicht sehr untergewichtig waren. Um die affektiv-kognitive Komponente zu untersuchen, wollten wir wissen, wie sich die Probanden fühlen (also wie ihr Körper ihrem Gefühl nach aussieht). Sie sollten das Foto am Computer wieder entsprechend korrigieren. Die Esstörungspatientinnen stellen sich hier 9,5 Prozent dicker ein als sie tatsächlich sind (Folie 3). Bei ihnen gibt es also eine deutliche Dis- Zur Erfassung der perzeptiven Komponente des Körperbildes sollten uns die Probandinnen am Computer zeigen, wie sie glauben, dass sie tatsächlich aussehen. Wir konnten beobachten, dass sich die Essstörungspatientinnen 2,7 Prozent dicker einstellen als sie tatsächlich sind (Folie 2). Die gesunden Kontrollprobandinnen halten sich dagegen für dünner, was sehr selbstwertdienlich ist. Wir sehen uns offensichtlich eher schlanker als wir tatsächlich sind, wenn wir gesund sind und kein gestörtes Körperbild haben. Folie 2: Patientinnen mit einer Essstörung halten sich für dicker als sie tatsächlich sind. Die gesunden Kontrollpersonen schätzen sich dünner ein.

72 72 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Cash 1995, Cash & Grant 1996, Freedman 1990, Shafran et al. 2004, Reas et al Folie 3: Die Probandinnen mit einer Essstörung fühlen sich auch deutlich dicker als sie in Wirklichkeit sind. Die Kontrollgruppe unterschätzt sich leicht. Folie 5: Bei der Diagnose einer Essstörung können sich verschiedene verhaltensbezogene Störungen des Körperbildes zeigen. krepanz im Körperbild. Die Kontrollpersonen geben dagegen erneut eine leichte Unterschätzung ab. Sie sehen sich nicht nur etwas dünner, sondern fühlen sich auch dünner als sie tatsächlich sind was auch wieder selbstwertdienlich ist. Im nächsten Schritt haben wir uns die Diskrepanz zum Ideal angesehen, das unter anderem durch die Medien geprägt wird. Wir haben gefragt, wie sollte man aussehen bzw. wie möchten Sie gerne aussehen? Für die Essstörungspatientinnen ist der ideale Körper ungefähr 15 Prozent dünner als der eigene (Folie 4). Bei den Gesunden liegt das Ideal mit knapp 12 Prozent auch deutlich unter dem, wie sie tatsächlich aussehen. Weil es bei den Essstörungspatientinnen beim Körpergefühl aber eine weitaus stärkere Verzerrung nach oben gibt, kommt es bei ihnen zu einer enorm großen Abweichung von insgesamt 24 Prozent zwischen dem gefühlten und dem idealen Körperbild. Bei den Kontrollpersonen beträgt die Diskrepanz nur knapp zehn Prozent. Sie fühlen sich etwas dünner als sie tatsächlich sind, wollen gleichzeitig aber nicht ganz so dünn sein wie die Essstörungspatientinnen, dadurch ist die Differenz letztlich relativ gering. Das erklärt, warum gesunde Frauen zwar eine Körperunzufriedenheit besitzen, aber nicht im pathologischen Ausmaß wie Patientinnen mit einer Essstörung. Störung auf behavioraler Ebene Folie 4: Bei den essgestörten Probandinnen gibt es eine enorme Abweichung zwischen dem als ideal angesehenen Körperbild und dem gefühlten Körperbild. Ein gestörtes Körperbild zeigt sich auf der Verhaltensebene durch Vermeidungs- und Kontrollverhalten. Vermeidungsverhalten beinhaltet unter anderem das Meiden bestimmter Orte und Aktivitäten, bei denen der Körper im Mittelpunkt steht. Unter Kontrollverhalten fasst man beispielsweise Rückversicherungen, Vergleiche mit anderen und Kontrollhandlungen zusammen, die der Absicherung der Ausmaße des eigenen Körpers dienen. Zudem werden bei einer Körperbildstörung körperbezogene Aktivitäten vernachlässigt (Folie 5). Sauna? Nein, danke. Menschen mit einer Körperbildstörung meiden häufig Orte oder Aktivitäten, bei denen ihr Körper im Mittelpunkt steht. Foto: Kzenon/Fotolia.com

73 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 73 Bei Patienten mit einer Essstörung lässt sich in der Praxis oft beobachten, dass sie sich zum Beispiel die Jacke über die Beine legen, damit ja niemand die (vermeintlichen) Speckröllchen sieht oder die Beine auf dem Stuhl nicht plattgedrückt aussehen. Bei Kleidung und Körperpflege zeigt sich entweder, dass die Patienten sehr darauf achten und perfekt aussehen wollen. Sie sind zum Beispiel extrem stark geschminkt, so dass man gar keine richtige Mimik mehr ausmachen kann. Oder aber die Patienten tragen sehr weite Kleidung, um ihre Körperformen zu verbergen und möglichen negativen Rückmeldungen vorzubeugen. Aktivitäten und Orte wie Arztbesuche oder das Schwimmbad, wo der Körper exponiert ist bzw. man wenig bekleidet ist, werden ebenfalls vermieden. Körperbezogene Aktivitäten, die etwas mit Genuss, Pflege und auch Psychohygiene zu tun haben, werden vernachlässigt, zum Beispiel Bewegung oder sinnliche Erfahrungen wie sich eincremen, ein Duftbad nehmen, sich massieren lassen oder in die Sauna gehen. All das wird vermieden, weil solche Tätigkeiten die mentale Repräsentation des Körpers im Kopf aktivieren und bei einem gestörten Körperbild sofort negative Feedback-Schleifen auslösen. Diese führen wiederum zu einer schlechten Stimmung und beeinflussen dann möglicherweise auch das Essverhalten. Entstehung eines negativen Körperbildes Verschiedene soziokulturelle und individuelle Faktoren tragen zur Entstehung eines gestörten Körperbildes bei bzw. machen für eine Störung anfällig (Folie 6). Das Schlankheitsideal Folie 6: Bei Menschen mit einer Essstörung triggern Anspielungen auf den Körper sehr häufig fehlgesteuerte Bewältigungsstrategien. aus den Medien kann ein Großteil der Frauen nicht erfüllen. Das führt zu erhöhter Körperunzufriedenheit. Die Menschen aus dem eigenen, direkten Umfeld haben einen großen Einfluss darauf, wie stark das verbreitete Schlankheitsideal internalisiert wird. Dazu gehören die Peers, aber vor allem auch die Familie und die Rollenvorbilder, die dort vorgelebt werden. Mit spezifischen soziokulturellen Faktoren ist gemeint, dass Kinder und Jugendliche zum Beispiel in Kunstturnvereine gehen, wo ein sehr schlankes Schönheitsideal vorherrscht, das immer weiter verstärkt wird. Weitere Risikogruppen sind Hochleistungssportlerinnen oder Eiskunstläuferinnen, also Ausübende ästhetischer Sportarten, bei denen der Körper im Mittelpunkt steht. Schlanker = besser? Das Umfeld hat einen großen Einfluss darauf, wie stark das verbreitete Schlankheitsideal verinnerlicht wird. Foto: serge2302/fotolia.com

74 74 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Zu den individuellen Faktoren gehört der Bereich der sensorischen Informationen. Möglicherweise funktioniert zum Beispiel die Rückmeldung über die eigene Lage im Raum nicht gut. Auf der körperlichen Ebene wissen wir, dass Jugendliche, die sehr früh menstruieren, ein höheres Risiko für eine Essstörung und damit auch für eine Körperbildstörung haben. Die individuelle Sozialisation umfasst Hänseleien, also negativ behaftete Erfahrungen mit dem eigenen Körper. Bei den psychischen Faktoren spielen hohe Ansprüche, Perfektionismus und ein niedriger Selbstwert eine große Rolle. All diese Faktoren wirken sich darauf aus, wie unser Körperbild geprägt ist. Im Alltag wird dieses Schema, das wir von uns im Kopf haben, immer wieder aktiviert zum Beispiel wenn wir die Rückmeldung bekommen deine Hose sitzt aber eng! oder wenn einfach nur der Knopf nach dem Essen kneift. Bei einer Störung begegnen Betroffene dieser Aktivierung mit dysfunktionalen Bewältigungsstrategien wie dem beschriebenen Vermeidungs- und Kontrollverhalten (sie halten Diät und versuchen, ihr Körpergewicht zu regulieren, damit sie sich besser fühlen). Hier haben wir auch die Verbindung zu Essstörungen und zum Schlaraffenland. Essverhalten, Körper und Figur sind zentrale Themen bei den Störungen Bulimie und Anorexie. Das Körperbild in der Diagnose von Essstörungen Christopher Fairburn, Mediziner und Professor der Psychiatrie, ist bekannt für seine Forschung zu Risikofaktoren und zur Ätiologie von Essstörungen. Er hat das so genannte transdiagnostische Modell der Essstörungen entwickelt (Fairburn 2008). Demnach steht die Überbewertung von Figur und Gewicht im Mittelpunkt und wirkt sich stark auf das Essverhalten aus, nämlich über das strenge Diäthalten. Er unterscheidet diejenigen, die die Kontrolle aufrechterhalten können das sind die anorektischen Patienten, die dann Untergewicht entwickeln und diejenigen, die das nicht können und Essanfälle oder eine Bulimie entwickeln. Das Körperbild ist zentral, weil es immer wieder aktiviert wird und Gedanken über Figur und Gewicht auslöst. Nach den Leitlinien für die Diagnose von Essstörungen besteht bei Anorexie eine starke pathologische Störung im Körperbild. Es kommt zu einer Überbewertung von Figur und Gewicht sowie zu einer Leugnung des Schweregrades des Untergewichts. Magersüchtige Patienten finden sich nicht dünn. Wenn man ihnen sagt, sie seien dünn und müssten deshalb mehr essen, Patienten mit einer Essstörung macht Essen Angst. Das muss in der Therapie berücksichtigt werden. Foto: evgenyatamanenko/fotolia.com

75 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 75 dann verstehen sie das nicht, weil sie sich anders sehen als sie tatsächlich aussehen. Das ist für die therapeutische Begleitung wichtig. Das Schwierige bei der Behandlung von anorektischen Patienten ist, dass sie essen müssen, damit sich in ihrem Körper alles wieder reguliert. Aber genau das Essen macht ihnen am meisten Angst, weil es mit einer Gewichtszunahme einhergeht. Auch das ist in den diagnostischen Leitlinien hinterlegt und gehört zur kognitiven Komponente der Körperbildstörung. Bei Bulimie ist es nicht ganz so eindeutig, dass das Körperbild bei der Essstörungsdiagnose tatsächlich eine Rolle spielt. Eine Körperbildstörung ist in den diagnostischen Kriterien nicht enthalten. Die Leitlinie beschreibt jedoch, wie die Selbstbewertung übermäßig von Figur und Gewicht abhängig ist. In den letzten Jahren hat sich die Diagnose der Binge-Eating- Störung (BES) etabliert. Bei dieser Störung erleiden (überwiegend) Frauen mindestens zweimal pro Woche Essanfälle und einen Kontrollverlust. Das geht mit einer Gewichtszunahme einher. Sie leiden unter den Anfällen und ergreifen keine Gegenmaßnahmen. Die Körperbildkomponente ist in den diagnostischen Leitlinien nicht enthalten, auf der Symptomebene ist sie aber ähnlich ausgeprägt wie bei Anorexie oder Bulimie (de Zwaan & Mitchell 1992; Spitzer et al. 1992, 1993; Striegel- Moore & Franko 2003). BES weist eine hohe Komorbidität zu Adipositas auf. Schätzungsweise zehn Prozent der Adipositas- Betroffenen haben eine BES (Bruce & Agras 1992), bei Teilnehmern von Gewichtsreduktionsprogrammen liegt der Anteil der komorbid an BES Erkrankten bei schätzungsweise 30 Prozent. Adipositas und Körperbildstörung In der Klinik berichten uns übergewichtige Personen häufig von einer starken Körperunzufriedenheit. Das spielt für die Behandlung eine große Rolle, daher möchte ich auch das Thema Adipositas und Körperbild und die Studienlage dazu aufgreifen. Einige Untersuchungen haben versucht, die kognitiv-affektive Körperbildstörung abzubilden. Demnach ist die dysfunktionale Einstellung zu Figur und Gewicht unabhängig vom Body Mass Index (BMI), das heißt Übergewichtige sind nicht häufiger betroffen als Normalgewichtige. Allerdings sind die Befunde inkonsistent. Sieht man sich nämlich nur die adipösen Frauen an, dann berichten diese sehr wohl über eine viel größere körperliche Unzufriedenheit als normalgewichtige Frauen. Zum Thema Körperbildstörungen besteht noch viel Forschungsbedarf. Prof. Dr. Tanja Legenbauer Bei der perzeptiven Komponente zeigt sich, dass adipöse Frauen ohne BES keine Störung bei der Einschätzung ihrer tatsächlichen Körperausmaße aufweisen. In Bezug auf die kognitiv-affektive Komponente gibt es bei Binge-Eating-Patientinnen mit Adipositas jedoch Hinweise auf eine mögliche Störung: In Untersuchungen weisen sie eine höhere Körperunzufriedenheit auf als adipöse Personen ohne BES und zwar in einem Ausmaß, wie sie auch bei anorektischen und bulimischen Patienten auftritt (Barry et al. 2003). Adipöse BES-Patienten zeigen auch ein Vermeidungs- und Kontrollverhalten, das vergleichbar mit dem von Patienten mit Anorexie oder Bulimie ist (Reas et al. 2005). Insgesamt ist die Befundlage aber sehr uneindeutig. Es gibt erst wenige Untersuchungen mit sehr kleinen Stichproben. Oft basieren die Ergebnisse auf Selbstberichten und stammen nicht aus experimentellen Bedingungen. Problematisch ist auch, dass das Vorhandensein einer Essstörung meist nicht kontrolliert wurde. Deswegen haben wir in einer eigenen Studie adipöse Patienten mit und ohne BES in Bezug auf ihre Körperbildstörung untersucht (Legenbauer et al. 2011). Foto: Robert Schubert, aid Studie zum Körperbild bei Adipositas Die Stichprobe bestand aus 15 Adipositas-Patienten mit einer Binge-Eating-Störung und einem durchschnittlichen BMI von 42,5 kg/m². In der Kontrollgruppe waren 15 adipöse Personen

76 76 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Folie 7: Methodik einer eigenen Untersuchung zum Körperbild bei Adipositas (Legenbauer et al. 2011). Folie 8: Wie wichtig sind Gewicht und Figur für die Selbstbewertung? Bei den Personen mit Binge-Eating-Störung spielt beides für den Selbstwert eine signifikant größere Rolle als bei der Kontrollgruppe ohne Binge-Eating-Störung (Grafik aus Betz 2004). ohne Essstörung. Ihr durchschnittlicher BMI war ähnlich hoch (43 kg/m²), allerdings waren sie etwas älter (durchschnittlich 40,7 Jahre vs. 33,8 Jahre). Wir haben erneut mit der Fotoverzerrtechnik gearbeitet (Folie 7). Die Patienten wurden dafür in eigener Sportbekleidung aufgenommen, also mit einer eng anliegenden Leggings und einem eng anliegenden Oberteil. Zusätzlich kamen Fragebögen zum Einsatz, um die kognitiv-affektive Komponente auch nochmal mit einem Selbstbericht zu erfassen. Mit dem Eating Disorder Inventory 2 beispielsweise konnten wir die körperliche Unzufriedenheit, aber auch so etwas wie Schlankheitsstreben, erfassen. Der Multidimensional Body Self Relation Questionnaire erfasst auch einzelne Körperteile, was für uns wichtig war. Das körperbezogene Vermeidungsverhalten haben wir über den Body Image Avoidance Questionnaire erfasst. Auf der kognitiv-affektiven Ebene, also im Selbstbericht, zeigten sich signifikante Unterschiede im Schlankheitsstreben und bei der Unzufriedenheit mit einzelnen Körperteilen zwischen den adipösen Binge-Eatern und den adipösen Nicht-Binge- Eatern. Die Signifikanz war moderat bis hoch. Bei den anderen Fragebögen waren die Unterschiede nicht signifikant, beim Fragebogen zur Körperunzufriedenheit wird der Signifikanzbereich knapp verpasst. Das körperbezogene Vermeidungsverhalten unterscheidet sich in unserer Stichprobe nicht. Übergewichtige machen ihren Selbstwert zu einem großen Teil an Figur und Gewicht fest. Wir wollten außerdem wissen, wie es mit der Wichtigkeit von Figur und Gewicht in Bezug auf die Selbstbewertung aussieht. Zur Erinnerung: Bei der Bulimia Nervosa gehört das in der Diagnose zu den Hauptkriterien. Bei der Binge-Eating-Störung ist dieser Aspekt in den Diagnosekriterien nicht enthalten. Trotzdem wollten wir das gerne untersuchen und haben die Probanden gefragt, wie stark der Einfluss des Gewichts auf ihre Selbstbewertung ist. Hier zeigt sich, dass signifikant mehr Adipöse mit BES als ohne BES angeben, das Gewicht habe einen großen Einfluss auf ihre Selbstbewertung. Das gleiche Ergebnis zeigte sich bei der Frage nach dem Einfluss der Figur auf die Selbstbewertung. Foto: Gina Sanders/Fotolia.com Beim Test mit der Fotoverzerrtechnik gab es in der Gruppe der Binge-Eater bei den Fragen Wie sehen Sie tatsächlich aus? und Wie fühlt sich Ihr Körperausmaß an? signifikante Abweichungen vom Originalbild (9 bzw. 11 Prozent). Das heißt, sie überschätzen sowohl ihr tatsächliches Aussehen als auch ihre empfundenen Körperausmaße. Die Frage Wie würden Sie gerne aussehen? zeigt, dass sich beide Gruppen dünnere Körper wünschen. Die Abweichung betrug bei den Binge-Eatern minus 25 Prozent und in der Kontrollgruppe minus 22 Prozent.

77 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 77 Zusammenfassung Auf der perzeptiven Ebene gibt es kein spezifisches Defizit bei den adipösen Binge-Eatern. Die Antworten aus den Fragebögen weisen jedoch darauf hin, dass beide Gruppen (Adipöse mit und ohne BES) im Vergleich zu Normalgewichtigen eine höhere Körperunzufriedenheit haben. Die Essstörung verschlimmert also bei Adipösen das Ausmaß der Körperbildstörung. Die Befunde werden durch Hinweise auf den positiven Einfluss von Körperbildtherapie auf den Gewichtsverlauf unterstützt. Bei der Körperbildstörung spielt das Gewicht eine Rolle. Adipöse haben eine negativere Selbstbewertung, unabhängig davon, ob sie eine Essstörung haben oder nicht. Bei Adipositas muss in der Begleitung auf mögliche Ess- und Körperbildstörungen geachtet werden. Wenn Ihnen als Berater hier extrem negative Ausprägungen auffallen, sollte Ihr Patient von einem geschulten Psychologen mitbehandelt werden. Damit werden Sie in Ihrer Arbeit unterstützt, erfolgreich eine Gewichtsreduktion herbeizuführen. Legenbauer T, Vocks S, Betz S, Báguena Puigcerver MJ, Benecke A, Troje NF, Rüddel H: Differences in the nature of body image disturbances between female obese individuals with versus without a comorbid binge eating disorder: an exploratory study including static and dynamic aspects of body image. Behavior Modification 35: (2011) Reas DL, Grilo CM, Masheb RM, Wilson GT: Body checking and avoidance in overweight patients with binge eating disorder. International Journal of Eating Disorders 37:342 6 (2005) Shafran R, Fairburn CG, Robinson P, Lask B: Body checking and its avoidance in eating disorders. International Journal of Eating Disorders 35(1): (2004) Slade PD: What is body image. Behavior research and Therapy, 32: (1994) Spitzer RL, Devlin M, Walsh BT, Hasin D, Wing R, Marcus M et al.: Binge eating disorder: a multisite field trial of the diagnostic criteria. International Journal of Eating Disorders 11: (1992) Spitzer RL, Yanovsky S, Wadden T, Wing R, Marcus MD, Stunkard A et al.: Binge eating disorder: its further calidation in a multisite study. International Journal of Eating Disorders 13: (1993) Striegel-Moore RH, Franko DL: Epidemiology of binge eating disorder. International Journal of Eating Disorders 34:19 29 (2003) Vocks S, Legenbauer T: Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia nervosa. Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm. 2. Auflage. Hogrefe, Göttingen (2010) Vocks S, Legenbauer T, Rüddel H, Troje N: Static and dynamic body image in bulimia nervosa: mental representation of body dimensions and motion patterns. International Journal of Eating Disorders 40:59 66 (2007) de Zwaan M, Mitchell JE: Binge eating in the obese. Annals of Medicine 24:303 8 (1992) Ein ergänzendes Interview mit Prof. Dr. Tanja Legenbauer finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein. Literatur Barry DT, Grilo CM, Masheb RM: Comparison of patients with bulimia nervosa, obese patients with binge eating disorder, and non-obese patients with binge eating disorder. Journal of Nervous and Mental Disease 191: (2003) Betz S: Haben Frauen mit einer Binge Eating Störung auch eine Körperbildstörung? Eine experimentelle Studie anhand des statischen und dynamischen Körperbildes. Diplomarbeit, Johannes Gutenberg Universität Mainz (2004) Bruce B, Agras WS: Binge eatin in females: a populatin-based investigation. Internatinoal Journal of Eating Disorders 12: (1992) Cash TF: What do you see when you look in the mirror? Bantam, New York (1995) Cash TF: The treatment of body image disturbances. In: Thompson JK (Hrsg): Body Image, eating disturbances and obesity (S ). American Psychological Association, Washington (1996) Cash TF, Grant JR: Cognitive-behavioral treatment of body image disturbances in anorexia and bulimia nervosa. A meta-analysis. International Journal of Eating Disorders, 22: (1996) Fairburn CG: Cognitive behavior therapy and eating disorders. Guilford Press, New York, London (2008) Freedman R: Cognitive-behavioral perspectives on body image change. In: Cash TF, Prutzinsky T (Hrsg.): Body images: development, deviance and change, (1990) Prof. Dr. Tanja Legenbauer mit Moderator Dr. Friedhelm Mühleib Foto: Robert Schubert, aid

78 78 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Diskussion Publikum: Sie haben jetzt nur von Frauen gesprochen. Die Binge-Eating-Störung beobachte ich aber auch bei arbeitenden Männern nicht selten, gerade im Schichtbetrieb. Ich glaube, dass es hier zu einem statistischen Underreporting kommt, weil das wenig abgefragt wird, aber auch, weil Männer nicht den Kontakt suchen und eine Körperbildstörung nicht als etwas Schlimmes wahrnehmen. Wie viele Männer sind nach Ihren Erfahrungen betroffen? Wie sieht Ihrer Erfahrung nach das Körperbild von Männern aus? Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Wenn man Körperbildforschung macht, stößt man vorrangig auf Frauenstudien. Das kommt durch die Verbindung zu klassischen Essstörungen und die sind einfach eine Frauenkrankheit. Beim Binge-Eating ist das tatsächlich anders, da liegt das Geschlechterverhältnis von Betroffenen bei 60 Prozent Frauen zu 40 Prozent Männern. Hier sind also deutlich mehr Männer betroffen als bei Anorexie oder Bulimie. Auch Männer weisen hier ein gestörtes Körperbild auf, aber das ist wirklich wenig erforscht. Es gibt auch keine Therapiekonzepte für Männer und die existierenden Manuale sind auf Frauen ausgelegt. Selbst die Fragebögen zur Erfassung beziehen sich auf Frauen, was möglicherweise zum Underreporting führt. Hier gibt es noch viel Nachholbedarf und bei der Bearbeitung ist eine psychologische Unterstützung hilfreich. Publikum: Wenn die Männer diese denn aufsuchen. Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Genau, das tun sie oft nicht, das ist schade. Aber die Begleitung spielt in jedem Fall eine bedeutsame Rolle. Publikum: Weil das Gewicht selber nicht erfahrbar ist, versuche ich das Thema Körperbild bei Männern über den Bauchumfang anzugehen und darüber zu erreichen, dass sie ihren Körper wieder erspüren. Darauf reagieren sie gut. Sind sind stolz, zum Foto: Robert Schubert, aid Beispiel 4 Zentimeter weniger zu haben, erzählen anderen davon und haben ihren Körper wieder ein bisschen empfunden. Aber ich finde es auch schade, dass es für Männer bisher wenige Ansätze gibt. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Was ist Ihre Erklärung dafür, dass Männer nicht mehr Sensibilität für ihren Körper entwickeln? Prof. Dr. Joachim Westenhöfer: Vielleicht kann ich zu dieser Thematik einen kleinen Beitrag leisten. Wir haben gerade mit Studenten ein Telefon-Survey abgeschlossen. Dabei haben wir knapp 300 Männer und Frauen nach der körperlichen Unzufriedenheit gefragt. Es ging also nicht um Körperbildstörung, weil das am Telefon natürlich schwierig zu erfassen ist, aber um Unzufriedenheit mit dem Körper. Ein Teilergebnis war, dass Frauen, die im unteren Normalgewichtsbereich sind, tendenziell mit ihrem Gewicht zufrieden oder sehr zufrieden sind. Männer im unteren Normalgewichtsbereich sagen, sie sind mit ihrem Gewicht zufrieden. Gerade im unteren Normalgewichtsbereich gibt es daneben aber auch eine Tendenz, dass Männer sagen, sie fühlen sich eigentlich eher zu dünn. Das finden wir bei Frauen überhaupt nicht. Das war sehr eindrucksvoll bei Männern und wäre jetzt auch meine Antwort in Ihre Richtung. Ich interpretiere das so, dass es bei Männern nicht das Idealbild des spindeldürren Models gibt, sondern eher des Cowboys, der sich mit seiner Muskelgewalt auf einem Pferd festhält und durch die Prärie reitet. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Aber geht es nicht eigentlich darum, sich mit seinem Gewicht wohlzufühlen? Publikum: Ich denke, viele Männer sind hier weniger selbstreflektiert und definieren sich über ihre Leistungsfähigkeit. Bei ihnen passiert erst etwas, wenn es ein Lebensereignis gibt. Ich gebe Kurse für Männer und frage immer, warum jemand in den Kurs kommt. Häufig antworten sie so etwas wie: es läuft alles nicht mehr so gut, auf der Treppe geht ihnen die Luft aus etc. Das ist das, was sie spüren. Der Körper ist etwas, das einfach zu funktionieren hat. Es geht um Leistung. In meinem Kurs sind Männer, die sagen, dass sie gar nicht 20 Kilo abnehmen wollen. Wie sehe ich denn dann aus!?. Die Idee, dass ihnen der Bauch mit 50 Jahren zusteht, ist bei der Klientel, mit der ich zu tun habe, gar nicht so selten. Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Aus der Forschung wissen wir, dass (jüngere) Männer Muskeln haben wollen und dass essgestörtes Verhalten häufig kombiniert mit Sportsucht oder extremem Bodybuilding-Muskelaufbau auftritt. Meine Erfahrung aus der Ar-

79 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 79 beit mit adipösen Männern ist, dass sie sowohl in Bezug auf Essen als auch auf den eigenen Körper ganz wenig Gespür dafür haben, was da überhaupt passiert. Man kann mit ihnen schlecht Körperbildtherapie in der Form machen, dass man sagt, schauen Sie sich mal im Spiegel an, was mögen Sie vielleicht an sich? Damit holt man sie nicht ab. Meine Empfehlung wäre, es eher mit Bewegung zu versuchen. Schauen sie, wie sie Männer zum Sport motivieren können. Sie müssen nicht zum schnellsten Läufer werden oder den längsten Marathon laufen. Der Ansatz zielt eher darauf ab, dass sie sich in ihrem Körper wieder wohlfühlen und auch lernen, auf ihn zu hören. Wann bin ich satt, wann ist es mir zu viel, wann fühle ich mich in meinem Körper wieder wohl? Im Grunde geht es darum, die Körperwahrnehmung zu schulen, ohne zu sehr auf den Körper zu fokussieren. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Manchmal scheinen Menschen, die in ihrer Jugend dick waren und später abgenommen haben, übergewichtige Menschen abzulehnen. Haben Sie hierfür eine Erklärung? Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Übergewichtige Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihres Gewichts möglicherweise Hänseleien erfahren haben, haben ein höheres Risiko zur Entwicklung einer Essstörung als normalgewichtige Kinder. Das geht meistens mit einer erhöhten Körperunzufriedenheit und einer Körperbildstörung einher. Bei Patienten fällt mir oft auf, dass sie ein Bild von sich im Kopf haben, wie sie früher waren. Diese perzeptive Störung ist in der Therapie nur schwer zu verändern. Man braucht viel Zeit und viele Wiederholungen, um hier überhaupt etwas zu bewegen. Die mentale Repräsentation des eigenen Körpers, die sich über lange Jahre im Gehirn herausgebildet hat, scheint ziemlich rigide zu sein. Selbst wenn Frauen im Rahmen der Essstörung sehr stark abgenommen haben, werden immer noch diese alten Bilder aktiviert. Möglicherweise kommt es dann dazu, dass man dicke Menschen eher ablehnt, weil man sich immer wieder an sein früheres Selbst erinnert fühlt. Das ist jetzt nur eine Hypothese, aber so könnte man es vielleicht erklären. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Wie sieht es in Deutschland mit Therapiemöglichkeiten für Essstörungen aus? Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Ich denke, hier ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig. Es ist wichtig, dass man sowohl in der Ernährungsberatung als auch in der Psychotherapie nicht versucht, alles alleine zu lösen. Man muss sich zusammen an einen Tisch setzen und diese Patienten gemeinsam behandeln. Es nützt nichts, mit ihnen nur übers Essen zu sprechen, aber es nützt auch nichts, mit ihnen nur über die Hintergründe zu reden. Sie müssen ihr Essverhalten verändern und gesunde, ausgewogene Gewohnheiten entwickeln. Dazu brauchen wir die Expertise von Ernährungsberatern und Ernährungspsychologen. Das können Psychologen nicht und das müssen sie auch nicht können. Aber man muss auch herausfinden, welche Verknüpfungen es zwischen dem Essen und Lebenserfahrung bzw. Dysfunktionalem im Alltag gibt, die aus psychologischer Sicht aufgelöst werden sollten. Hier ist Interdisziplinarität gefragt und muss auch noch in viel stärkerem Maße umgesetzt werden. Publikum: Meines Wissens nach muss bei einer Essstörungstherapie bei Jugendlichen eigentlich die Ernährungsberatung vor der psychologischen Behandlung erfolgen, weil das Gehirn durch den Nahrungsentzug am Anfang zu einer kognitiven Therapie gar nicht fähig ist. Man macht erst einen Kostaufbau und beginnt danach die Psychotherapie. Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Jein. Mit jemandem, der ausgehungert und mangelernährt ist, kann man sicherlich nicht an zugrunde liegenden Bedingungen arbeiten, schon gar nicht kognitiv anspruchsvoll. Das erste Ziel ist die Gewichtszunahme. Die sollte aber psychologisch begleitet werden, weil die Patienten ja eine enorme Angst vorm Zunehmen haben. Wenn das gut integriert wird, also wenn Ernährungsberater und Psychologe zusammenarbeiten, dann ist das fundiert und auch so, dass die Patienten mitgehen können. Ich habe viele Patienten gesehen, die im Krankenhaus stationär einfach nur gefüttert worden sind. Die nehmen hinterher wieder ab, weil das Zunehmen nicht begleitet wurde. Auf der anderen Seite bringt es wie gesagt nichts, nur übers Essen zu reden ohne Input für Veränderung zu geben. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Wie viele Menschen mit einer Essstörung haben tatsächlich die Möglichkeit, sich einer Therapie zu unterziehen? Oder umgekehrt gefragt: trägt nicht der größte Teil der Betroffenen das Problem mit sich herum und leidet, ohne jede Möglichkeit zu einer Therapie? Prof. Dr. Tanja Legenbauer: Das ist eine schwierige Frage. Wir wissen, dass Patienten mit einer Anorexie oder einer Bulimie eher spät in Behandlung kommen, etwa vier bis sieben Jahre nach Erstausbruch der Erkrankung. Das hat meistens damit zu tun, dass am Anfang die positiven Effekte der Erkrankung überwiegen und der Leidensdruck, der dann auch zu einer Therapie motiviert, erst später kommt. Man geht davon aus, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung an Anorexie erkrankt sind und etwa drei Prozent an Bulimie. Wie viele aber davon tatsächlich in Behandlung gehen, kann ich nicht sagen. Menschen mit Anorexie oder Bulimie haben in der Regel bereits eine lange Zeit mit der Essstörung gelebt, bevor sie eine Behandlung aufsuchen. Foto: banglds/fotolia.com

80 80 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Essen gegen Stress? Stress ist die unspezifische Reaktion des Organismus auf jegliche Anforderungen durch Stressoren wie zum Beispiel Hitze, Kälte, Lärm, Krankheit, Ärger, Überforderung, Zeitdruck, Angst, Wut oder Einsamkeit (Selye 1976). Dabei ist zwischen Eustress, einer als positiv erlebten Aktivierung des Organismus, und Distress mit einer belastenden und schädigenden Reaktion auf ein Übermaß an Anforderungen zu unterscheiden. Stress zeigt sich auf körperlicher und psychischer Ebene (Folie 1) und hat sowohl bei akutem als auch chronischem Stress Einfluss auf das Essverhalten. Stressesser und Stresshungerer Wie lassen wir uns bei der Ernährung durch Stress beeinflussen? Hier gibt es zwei grundsätzliche Prinzipien: einige Menschen reagieren mit Essen, andere mit Nichtessen. Die klassischen Stressesser essen bei Stress permanent. Sie greifen bevorzugt zu schnell verfügbaren, süßen und fettreichen Lebensmitteln. Die andere Form der Stressesser belohnt sich Folie 1: Stress kann viele unterschiedliche Auswirkungen haben. mit Essen, meistens in einer angenehmen Atmosphäre. Diese Menschen handeln nach dem Motto: Das war ein stressiger Tag! Jetzt gönne ich mir etwas Gutes. Univ.-Doz. Mag. Dr. Ingrid Kiefer AGES, Wien KONTAKT Univ.-Doz. Mag. Dr. Ingrid Kiefer AGES Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Spargelfeldstraße Wien Österreich Internet: ZUR PERSON p seit 2010 Scientific Coordinator am Zentrum Ernährung & Prävention des Fachbereichs Daten, Statistik, Risikobewertung der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH), Arbeitsschwerpunkte: strategische Unterstützung, Leitung von Projekten und Arbeitsgruppen, Mitgliedschaft in nationalen Gremien p seit 2008 Leitung der Stabsstelle Unternehmenskommunikation der AGES, Arbeitsschwerpunkte: Risikound Krisenkommunikation, aktives Themensetting, Medienbeobachtung und -auswertung, Marketing, interne Kommunikation und Wissenstransfer p 2007 bis 2010 Aufbau und Leitung des Kompetenzzentrums Ernährung & Prävention der AGES, Arbeitsschwerpunkte: ernährungswissenschaftliche Risikobewertung, angewandte Ernährungsprävention, wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung sowie Informationsvermittlung p 1988 bis 2010 Institut für Sozialmedizin der Universität Wien/Medizinische Universität Wien, Arbeitsschwerpunkte: Ernährungsepidemiologie, Prävention ernährungsassoziierter Krankheiten, Ernährungsberatung und Gewichtsreduktion p zahlreiche Funktionen im öffentlichen Gesundheits- und Bildungswesen, z. B. Mitglied des obersten Sanitätsrats Österreichs (seit 2005), Mitglied EFSA Advisory Forum Working Group on Communication (seit 2009), Mitglied der Nationalen Ernährungskommission (NEK) Österreich und des Präsidiums der NEK p Lehrbeauftragte an der Medizinischen Universität Wien, beim Universitätslehrgang Master of Public Health Vienna und beim Universitätslehrgang für Gender Medicine

81 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 81 Auch bei den Stresshungerern gibt es zwei Ausprägungen. Die erste Gruppe kann bei Stress nichts essen, sie hat keinen Hunger und ihre Kehle ist wie zugeschnürt. Die zweite Gruppe der Stresshungerer sind Personen, die sich einfach keine Zeit nehmen zu essen. Über den Tag ist ihre Nahrungsaufnahme in der Regel reduziert. In späteren Stunden kompensieren sie das aber üblicherweise mit einer größeren Zufuhr an Energie. Was macht uns zu Stressessern oder Stresshungerern? Hier spielen Art und Intensität des Stressors eine wichtige Rolle (Folie 2). Leichtere stressauslösende Faktoren und zwischenmenschlicher Stress wie Zurückweisung oder Einsamkeit führen eher zum Überessen. Extreme Stressoren wie der Tod eines Angehörigen oder eine Scheidung hingegen bewirken häufiger eine verringerte Nahrungsaufnahme. Weitere Einflussfaktoren sind Alter, Geschlecht und Körpergewicht. Kinder mit natürlichem Hunger- und Sättigungsgefühl sind hauptsächlich Stresshungerer. Bei Schulangst beispielsweise reagieren sie häufig mit Frühstücksverweigerung. Auch Normalgewichtige sind vermehrt unter den Stresshungerern zu finden. Übergewichtige, Adipöse und insbesondere auch Frauen zählen dagegen zu den klassischen Stressessern. Mit Blick auf die Studienlage kann man zusammenfassend sagen, dass Stress bei rund 80 Prozent aller Menschen das Essverhalten verändert. Rund 46 Prozent der Menschen vermindern ihre Nahrungszufuhr unter Stress, 34 Prozent essen mehr, wenn sie gestresst sind (Macht 2008). Folie 2: Diese Faktoren beeinflussen, ob wir zu Stressessern oder Stresshungerern werden. Nahrungsauswahl Es gibt zahlreiche Studien, die den Zusammenhang zwischen Stress und Nahrungsauswahl untersucht haben. Daher wissen wir zum Beispiel, dass bei chronischem Stress das Verlangen nach fett- und zuckerreichen Lebensmitteln steigt, unabhängig von der Intensität des Stressors (Torres & Nowson 2007; Oliver et al. 2000). Das hängt unter anderem mit der Hirnaktivität zusammen. Die Auswirkungen von physikalischem, chemischem oder psychosozialem Stress haben Tomei et al. (2012) bei im Freien tätigen Arbeiterinnen und Arbeitern untersucht. Sie fanden heraus, dass unter diesen Gegebenheiten der Konsum von Schokolade und Kaffee sowie von Zigaretten erhöht war. Das Keinen Appetit? Stress kann uns zu Stressessern oder Stresshungerern machen. Foto: mbt_studio/fotolia.com

82 82 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Wer ständig gestresst ist, greift vor allem bei fetten und süßen Lebensmitteln oft zu. Foto: stockphoto-graf/fotolia.com ist ein besonderer Stressbewältigungsmechanismus unserer Zeit: wir bauen die Reserven nicht wieder ab, die wir bei Stress (ursprünglich als Vorbereitung auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion) mobilisieren, zum Beispiel durch Bewegung oder andere Verarbeitungsmechanismen. Stattdessen kompensieren wir durch Essen, Rauchen und anderen Drogenmissbrauch. Stress beeinflusst auch in starkem Maße unser Snackverhalten. Die Essfrequenz steigt und es kommt zum so genannten Herumgrasen. Außerdem naschen wir mehr als sonst. All das tritt unabhängig vom tatsächlichen Hungergefühl ein (Rutters et al. 2009). In einer Untersuchung mit Studentinnen haben diese in stressigen Situationen vermehrt Süßigkeiten, Kekse und Fast Food gegessen, unabhängig davon, ob sie akutem oder chronischem Stress ausgesetzt waren. Parallel dazu ging der Konsum von Obst und Gemüse zurück (Mikolajczyk et al. 2009). Geschlecht Generell kann davon ausgegangen werden, dass sich Frauen von Gefühlen mehr zum Essen verleiten lassen als Männer und sie dadurch auch bei Stress anders essen. In einer Studie bekamen Probanden lösbare und unlösbare Buchstabenrätsel. Sie sollten so einer akuten Stresssituation ausgesetzt werden. Gleichzeitig hatten sie verschiedene Lebensmittel in Reichweite. Angeboten wurden Schokolinsen, Kartoffelchips, Weintrauben und Erdnüsse. Man hat dann beobachtet, wer zu welchen Nahrungsmitteln greift (Folie 3). Dabei hat sich gezeigt, dass die Frauen, wenn sie keinen Stress hatten, vorwiegend Weintrauben gegessen haben, während sie in den Stresssituationen in größerem Ausmaß zu den Schokolinsen gegriffen haben (Zellner et al. 2006; 2007). Einfluss des Körpergewichts Folie 3: Frauen essen bei Stress anders als Männer. Das Körpergewicht ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf das Essverhalten bei Stress. Studien zeigen, dass akuter Stress bei übergewichtigen Erwachsenen das Verlangen nach Snacks und süßen Desserts erhöht (Lemmens et al. 2011; Weinstein et al. 1997). Auch übergewichtige Kinder essen in Stresssituationen bereits etwa 100 Kilokalorien mehr als normalgewichtige Kinder, wobei eine stressreduzierte Enthemmung des Essverhaltens vor allem bei den Kindern festzustellen ist, die ihr Essverhalten bereits zügeln. Es wird mehr genascht und der Konsum von Snacks steigt (Roemmich et al. 2011). Übergewichtige reagieren bei jeder emotionalen Belastung so als hätten sie Hunger. Sie erhöhen die Nahrungsaufnahme, die eine beruhigende Wirkung hat, und beenden so den emotionalen Zustand.

83 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 83 Folie 4: Warum ist Stress ein Risikofaktor für Übergewicht? Ein Erkläransatz. Folie 5: Bei der Frage, ob sich Stress durch Essen verringern lässt, sind viele Mechanismen denkbar. Der Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Stress ist mittlerweile ein sehr populäres Thema. Wir wissen, dass Stress ein Risikofaktor für die Entstehung von Übergewicht ist. Aber wie kann man das Ganze begründen (Folie 4)? Bei Stress ändert sich das Essverhalten. Wir essen schneller, nehmen größere Bissen, greifen eher zu Fettem und Süßem. Die Sättigung wird beeinträchtigt. Dadurch kommt es insgesamt zu einer höheren Energiezufuhr und das Risiko einer Gewichtszunahme steigt, insbesondere im viszeralen Bereich (Björntorp 2001; Lemmens et al. 2011) unabhängig vom Geschlecht und von der Veränderung des Körpergewichts (Speaker et al. 2012). Stress bewirkt zudem Veränderungen im Hormonhaushalt. Der Cortisolspiegel steigt. Cortisol kann im Speichel gemessen werden und ist ein wichtiger Parameter bei Untersuchungen zu Stress. Kontrolliertes Essverhalten Kontrollierte Esser achten darauf, wie viel, was und wann sie essen. Sie meiden möglicherweise kalorienreiche Nahrungsmittel oder lassen einzelne Mahlzeiten aus. Auch Diät- oder Fastentage sind üblich, um das Essen bzw. das Gewicht im Griff zu behalten. Je mehr man sich jedoch kontrolliert, desto größer ist das Risiko, in einer Stresssituation die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren und dann insbesondere zu hochkalorischen Lebensmitteln zu greifen (Oliver et al. 2000). Wenn Sie mit Übergewichtigen in der Gewichtsreduktion arbeiten, kennen sie das sicherlich: sobald eine stressige Situation eintritt, fallen diese Klienten sofort wieder in ihr altes Essverhalten zurück. Deshalb können Abnehmprogramme, die Stressverarbeitungsmechanismen nicht berücksichtigen, langfristig auch keinen Erfolg haben. Essen gegen Stress? Können wir Stress wegessen? Bei dieser Frage spielt die Einstellung zum Stress eine wesentliche Rolle, denn sie ruft bestimmte körperliche und psychische Folgen hervor. Wenn jemand freiwillig fastet, ist er glücklich und wenig gestresst. Wenn jemand dagegen hungert, ist genau das Gegenteil der Fall und der Nahrungsentzug wird zum negativen Stressor, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen. Wenn es ums Essen gegen Stress geht, sind viele Möglichkeiten zu prüfen (Folie 5). Ist es die Nahrungsaufnahme an sich, die den Stress reduziert? Sind es einzelne Mahlzeiten? Spielt der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme eine Rolle oder bewirken einzelne Lebensmittel oder gar Nährstoffe die Stressreduktion? Ist es vielleicht nur der belohnende Effekt des Essens, der uns entspannter werden lässt? Spielen die sensorischen Eigenschaften eine Rolle oder reicht das Kauen bereits aus? Die wissenschaftliche Datenlage zu den einzelnen Fragen ist oft nicht eindeutig bzw. widersprüchlich. Im Folgenden stelle ich einige Ergebnisse vor. Ob bestimmte Lebensmittel oder Nährstoffe bei Stress helfen, ist zurzeit ein populäres Forschungsthema. Foto: Photobank/Fotolia.com

84 84 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Makronährstoffe Für eine Untersuchung über den Einfluss von Kohlenhydraten und Proteinen bekamen Probanden zwei Tage lang entweder eine kohlenhydratreiche Kost (66 Energieprozent Kohlenhydrate, 4 Energieprozent Eiweiß) oder eine eiweißreiche Kost (41 Energieprozent Kohlenhydrate, 27 Energieprozent Eiweiß). Nach vier Wochen wurde ein Follow-Up durchgeführt. Die Probanden sollten Rechenaufgaben lösen, ihre Befindlichkeit wurde erfasst und der Cortisolspiegel als Maß für Stress gemessen. Dabei hat sich gezeigt, dass die kohlenhydratreichere Kost eine Reduktion des Cortisolspiegels im Speichel um 15 Prozent bewirkt hat. Der Blutdruck war niedriger, die Teilnehmenden zeigten mehr Gelassenheit bei den Rechenaufgaben und gaben an, glücklicher zu sein. Eine weitere Studie hat den Einfluss des Frühstücks auf Stress untersucht. Die prospektive Erhebung wurde mit einer relativ großen Stichprobe von 686 Probanden durchgeführt (Benton & Brock 2010). Frühstücker sind demnach gelassener und glücklicher als Menschen, die auf ihr Frühstück verzichten. Auch die Auswirkung von unterschiedlichen Makronährstoffverhältnissen beim Frühstück wurde untersucht. Hierbei wurden geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt. Bei den Frauen spielte die Zusammensetzung des Frühstücks für ihre Laune und den Stresslevel keine Rolle. Die Männern waren dagegen weniger gestresst und glücklicher durch mehr Kohlenhydrate. Fett-, Protein- und Energiegehalt hatten keinen Einfluss. Die Lebensmittelauswahl beim späteren Mittagessen war unabhängig vom Frühstücksverhalten, der Zusammensetzung des Frühstücks und der Befindlichkeit am Morgen. Menschen, die in emotionalen Situationen Kohlenhydrate bevorzugen (carbohydrate craver), fühlen sich nach der Aufnahme von Kohlenhydraten zufriedener, glücklicher und entspannter. So genannte protein craver dagegen, die vorher unruhig und hungrig waren, sind nach der Aufnahme von Protein glücklicher. Darüber hinaus fühlen sie sich gelangweilt, normal, oder auch energiegeladener (Christensen & Pettijohn 2001). Insgesamt ist die Datenlage zur Wirkung von Kohlenhydraten bei Stress nicht eindeutig (Folie 6). Zwar gibt es Hinweise auf eine stressreduzierende Wirkung, in anderen Studien lässt ein hoher Kohlenhydratanteil jedoch den Cortisolspiegel sogar steigen. Unumstritten ist aber, dass ein positiver Effekt auf die Stimmung gegeben ist. Auf Basis der verfügbaren Untersuchungen lässt sich weiter sagen, dass eine kohlenhydratreiche und eiweißarme Mahlzeit nach einer akuten Stressbelastung bei stressempfindlichen Personen den Stress reduziert und die Stimmung verbessert. Folie 6: Erkenntnisstand zur Auswirkung von Makronährstoffen auf Stress. Zum Zusammenhang zwischen Fett und Stress zeigt eine Untersuchung, dass bereits eine fettreiche Mahlzeit (42 Gramm Fett) bei psychologischem Stress und auch bei gesunden Personen den Blutdruck erhöht. Im Zusammenhang mit Essen und Psyche werden in letzter Zeit Omega-3-Fettsäuren zunehmend diskutiert. Untersuchungen bei Ratten haben gezeigt, dass größere Gaben von Fisch den Cortisolspiegel reduzieren (Hennebelle et al. 2012; Ferraz et al. 2011). Dadurch kann man davon ausgehen, dass negative körperliche und psychische Folgen von Stress ebenfalls reduziert sind. In einer Studie mit gesunden jungen Erwachsenen konnte man zudem zeigen, dass Gaben von 1,4 Gramm langkettigen Omega-3-Fettsäuren im therapeutischen Bereich kardiovaskuläre Reaktionen bei Stress reduzieren können (Ginty & Conklin 2012). Von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind bislang (Stand: Mai 2013) noch keine Health Claims über den Zusammenhang zwischen Makro- oder Mikronährstoffen und Stress freigegeben worden. Nur in Bezug auf oxidativen Stress gibt es welche. Mikronährstoffe Chronischer Stress führt unabhängig vom Stressor zu einer Reduktion des Plasmaspiegels an Magnesium und steigert den oxidativen Stress im Körper (Cernak et al. 2000). Das ist für die Beratung ganz wesentlich, da neben Magnesium auch mehr Antioxidantien zugeführt werden müssen. Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass bei chronischem Stress auch die Eisen- und Zinkspiegel im Blut reduziert sind (Teng et al. 2008). Kann man Stress mit der Substituierung von einzelnen Mikronährstoffen reduzieren? Dieser Frage sind Wissenschaftler in einer aktuellen Metaanalyse nachgegangen (Long & Benton 2013). Acht randomisierte placebokontrollierte Studien, in denen mindestens 28 Tage lang Vitamin-/Mineralstoffpräparate gegeben wurden, erfüllten die Einschlusskritierien. Die

85 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 85 Foto: Robert Schubert, aid Kohlenhydrate haben einen positiven Effekt auf die Stimmung. Dr. Ingrid Kiefer Auswertung dieser Studien zeigte eine positive Wirkung auf den wahrgenommenem Stress, insbesondere wenn hohe Dosen an B-Vitaminen verabreicht wurden. In diesem Fall zeigte sich eine effektive Verbesserungen der Stimmung. In einer Untersu chung bei Männern mit chronischem Arbeitsstress war ein signifikanter Rückgang der persönlichen Belastung zu beobachten, nachdem drei Monate lang hochdosierte B-Vitamine gegeben wurden (Stough et al. 2011). Bei 50- bis 60-jährigen Män nern konnte Stress durch die Gabe eines Mikronährstoffpräparats (mit hochdosierten B-Vitaminen, Mineralstoffen, Anti oxidantien, Kräuterextrakten) signifikant gesenkt werden. Die Gabe erfolgte über acht Wochen (Harris et al. 2011). Interessanterweise zeigt eine Untersuchung, dass das Kauen von Kaugummi in akuten psychischen Stresssituationen den Cortisolspiegel senkt (Scholey 2008). Allein die Kaubewegung scheint bereits den Stress zu reduzieren. Bei vielen Untersuchungen zu Stress, in denen der Cortisolspiegel gemessen wird, geht es vorrangig um das subjektive Stressempfinden. Hier zeigt sich insgesamt, dass Süßes, Fettes und sehr energiedichte Nahrung das subjektive Stressempfinden reduzieren. Bei stressempfindlichen Personen tritt der Effekt nur in Kombination mit einer Eiweißreduktion ein (Gibson 2006). Vermutlich kommt es durch die Nahrung zu einer Verschiebung der Konzentration von Stresshormonen. Außerdem ist ein wesentlicher Punkt, dass fett- und zuckerreiche Lebensmittel vielen Menschen besser schmecken und insgesamt als belohnender empfunden werden. Zusammenfassung Stress hat einen wesentlichen Einfluss auf unser Essverhalten, abhängig von Art, Intensität und Dauer des Stressors. Daneben spielen Geschlecht und Körpergewicht eine große Rolle. Es gibt Stressesser und Stresshungerer, das heißt, Stress kann sowohl zum Überessen als auch zum Nichtessen führen. Fett- und zuckerreiche Lebensmittel werden bei Stress bevorzugt und reduzieren, zumindest subjektiv, unser Stressempfinden. Die Datenlage ist zum Teil uneindeutig. Ein positiver Effekt scheint durch Kohlenhydrate und geringe Eiweißportionen gegeben. Was heißt all das für die praktische Ernährungsberatung? Wir müssen unsere Ernährungsempfehlungen für Menschen in Stress situationen nicht ändern. Empfehlenswert sowohl bei akutem als auch chronischem Stress ist eine ausreichende Versorgung mit allen Makro- und Mikronährstoffen durch die richtige Auswahl von Nahrungsmitteln. So kann man Stress effektiv vorbeugen, stressige Zeiten und Situationen gelassener überstehen und das Risiko für eine gesteigerte Stressanfälligkeit durch eine unzureichende Versorgung mit wichtigen Nährstoffen minimieren. Ein ergänzendes Interview mit Dr. Ingrid Kiefer finden Sie auf YouTube im aid-kanal unter oder Sie scannen den nebenstehenden QR-Code mit Ihrem Smartphone ein.

86 86 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Literatur Benton D, Brock H: Mood and the macro-nutrient composition of breakfast and the mid-day meal. Appetite. 55(3): (2010) Björntorp P: Do stress reactions cause abdominal obesity and comorbidities? Obes Rev. 2(2):73 86 (2001) Cernak I, Savic V, Kotur J, Prokic V, Kuljic B, Grbovic D, Veljovic M: Alterations in magnesium and oxidative status during chronic emotional stress. Magnes Res. 13(1):29 36 (2000) Christensen L, Pettijohn L: Mood and carbohydrate cravings. Appetite. 36(2): (2001) Ferraz AC, Delattre AM, Almendra RG, Sonagli M, Borges C, Araujo P, Andersen ML, Tufik S, Lima MM: Chronic ω-3 fatty acids supplementation promotes beneficial effects on anxiety, cognitive and depressive-like behaviors in rats subjected to a restraint stress protocol. Behav Brain Res. 219(1): (2011) Gibson EL: Emotional influences on food choice: sensory, physiological and psychological pathways. Physiol Behav. 89(1):53 61 (2006) Ginty AT, Conklin SM: Preliminary evidence that acute long-chain omega-3 supplementation reduces cardiovascular reactivity to mental stress: a randomized and placebo controlled trial. Biol Psychol. 89(1): (2012) Harris E, Kirk J, Rowsell R, Vitetta L, Sali A, Scholey AB, Pipingas A: The effect of multivitamin supplementation on mood and stress in healthy older men. Human Psychopharmacology 26(8) (2011) Hennebelle M, Balasse L, Latour A, Champeil-Potokar G, Denis S, Lavialle M, Gisquet-Verrier P, Denis I, Vancassel S: Influence of omega-3 fatty acid status on the way rats adapt to chronic restraint stress. PLoS One 7(7):e doi: /journal.pone (2012) Lemmens SG, Rutters F, Born JM, Westerterp-Plantenga MS: Stress augments food wanting and energy intake in visceral overweight subjects in the absence of hunger. Physiology & Behavior 103(2): (2011) Long SJ, Benton D: Effects of vitamin and mineral supplementation on stress, mild psychiatric symptoms, and mood in nonclinical samples: a meta-analysis. Psychosom Med 75(2): (2013) Macht M: How emotions affect eating: a five-way model. Appetite. 50(1):1 11 (2008) Mikolajczyk RT, El Ansari W, Maxwell AE: Food consumption frequency and perceived stress and depressive symptoms among students in three European countries. Nutrition Journal 8:31 (2009) Oliver G, Wardle J, Gibson EL: Stress and food choice: a laboratory study. Psychosomatic Medicine 62(6): (2000) Roemmich JN, Lamibase MJ, Lobarinas CL, Balantekin KN: Interactive effects of dietary restrait and adiposity on stress-induced eating and the food choice of children. Eat Behav 12(4): (2011) Rutters F, Nieuwenhuizen AG, Lemmens SG, Born JM, Westerterp-Plantenga MS: Acute stress-related changes in eating in the absence of hunger. Obesity 17(1):72 7 (2009) Scholey A: An investigation into the effects of gum chewing on mood and cortisol levels during psychological stress. 10th International Congress of Behavioral Medicine (2008) Selye H: Stress in health and disease. Butterworth, Woburn (1976) Speaker KJ, Fleshner M: Interleukin-1 beta: a potential link between stress and the development of visceral obesity. BMC Physiology 27(12):8 (2012) Stough C, Scholey A, Lloyd J, Spong J, Myers S, Downey LA: The effect of 90 day administration of a high dose vitamin B-complex on work stress. Human Psychopharmacology 26(7):470 6 (2011) Teng WF, Sun WM, Shi LF, Hou DD, Liu H: Effects of restraint stress on iron, zinc, calcium, and magnesium whole blood levels in mice. Biol Trace Elem Res. 121(3):243 8 (2008) Tomei G, Sancini A, Capozzella A, Caciari T, Tomei F, Nieto HA, Gioffrè PA, Marrocco M, De Sio S, Rosati MV, Ciarrocca M: Perceived stress and stress-related parameters. Annali di Igiene 24(6): (2012) Torres SJ, Nowson CA: Relationship between stress, eating behavior, and obesity. Nutrition 23(11 12): (2007) Weinstein SE, Shide DJ, Rolls BJ: Changes in food intake in response to stress in men and women: psychological factors. Appetite 28(1):7 18 (1997) Zellner DA, Loaiza S, Gonzalez Z, Pita J, Morales J, Pecora D, Wolf A: Food selection changes under stress. Physiology & Behavior 87(4): (2006) Zellner DA, Saito S, Gonzalez J: The effect of stress on men s food selection. Appetite 49(3):696 9 (2007) Foto: Robert Schubert, aid

87 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 87 Diskussion Publikum: Sie haben eine Studie erwähnt, bei der Kräuter gegeben wurden. Ist bekannt, welche Kräuter möglicherweise eine stressreduzierende Wirkung haben? Dr. Ingrid Kiefer: Die EFSA bereitet ihre Stellungnahme über Health Claims zu pflanzlichen Mitteln (botanicals) zurzeit vor. Sobald sie veröffentlicht ist, werden wir sehen, für welche Aussagen tatsächlich ein wissenschaftlicher Nachweis besteht, denn bei der Prüfung der Claims legt die EFSA hohe Maßstäbe an die Qualität der Studien an. Publikum: Ich habe eine Frage zum Thema Proteine versus Kohlenhydrate: Wurde in den Studien dazu mit üblichen Lebensmitteln gearbeitet? Oder waren das extra hergestellte Lebensmittel, zum Beispiel Blöcke aus Eiweiß oder Fett? Oder anders: hätte man über die Lebensmittel auf den Nährstoffgehalt schließen können? Dr. Ingrid Kiefer: Das waren herkömmliche Mahlzeiten, bei denen entweder der Anteil an Eiweiß oder Kohlenhydraten höher war. Die Zusammensetzung ist rechnerisch ermittelt worden. Publikum: Es könnte also theoretisch sein, dass das Löffeln eines Müslis als Darreichungsform auch zur Zufriedenheit beiträgt? Dr. Ingrid Kiefer: Ganz genau. Das ist die Frage des sensorischen Effekts, aber dazu habe ich in der Literatur nichts gefunden. Ich bin davon überzeugt, wenn man das in wissenschaftlichen Studien untersuchen würde, hätte so etwas wie das Knistern von Chips auch einen beruhigenden Effekt. Publikum: Sie haben erwähnt, dass fettreiche Mahlzeiten bei Stress den Blutdruck erhöhen können. Waren die fettreichen Mahlzeiten vielleicht salzreich und könnte das den Blutdruck mit beeinflusst haben? Dr. Ingrid Kiefer: Man hat hier nur auf die Gesamtfettmenge geachtet. Publikum: Sie haben gesagt, die Gabe von B-Vitaminen entstresst. Würde es Sinn machen, einfach ganz pragmatisch B-Vitamine zu geben und zu schauen, was passiert? Dr. Ingrid Kiefer: Wir haben in Österreich für den letzten österreichischen Ernährungsbericht den Vitamin-B-Status für repräsentative Stichproben erhoben. Dabei konnten wir für keine Bevölkerungsgruppe eine Unterversorgung bei B-Vitaminen feststellen, unabhängig von Geschlecht, Gewicht etc. Dadurch ist für mich allein schon die Frage nicht relevant, dass man sagt, man gibt einfach B-Vitamine. Ich schätze das Risiko für eine Unterversorgung gering ein. Foto: Robert Schubert, aid

88 88 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Publikum: Sie haben immer nur Cortisol als Stressindikator erwähnt. Es gibt aber ja noch andere Stresshormone wie Adrenalin oder Dopamin. Gibt es da auch Zusammenhänge zur Nahrung? Dr. Ingrid Kiefer: Ja, die gibt es. In den Studien wurde aber fast immer nur Cortisol gemessen, weil das am leichtesten zu messen ist. Adrenalin zum Beispiel wirkt ja nur ganz kurz. Moderator Dr. Friedhelm Mühleib: Wie ist Ihre Erfahrung mit Stresspatienten? Burn-out-Patienten zum Beispiel befinden sich ja in einer kritischen Situation, in der sie mit ganz anderen Problemen konfrontiert sind als mit der Ernährung. Ich würde vermuten, dass das Thema Essen für die Betroffenen zu dem Zeitpunkt eher zweitrangig ist? Dr. Ingrid Kiefer: Ich habe intensiv mit einem Psychiater zusammengearbeitet, als wir das Thema Stress bearbeitet haben, und leider ist eine Mitarbeiterin von mir vor zwei Jahren auch von Burn-out betroffen gewesen und war ein Jahr arbeitsunfähig. Aus diesen Erfahrungen mit den Patienten meines Kollegen und mit meiner Mitarbeiterin weiß ich, dass Stresspatienten in der akuten Phase für unsere Ernährungsempfehlungen überhaupt nicht zugänglich sind. Sie fokussieren sich eher auf irgendwelche Mittel, die für teures Geld angeboten werden, wie spezielle Nahrungsergänzungsmittel. Das heißt, wir erreichen in der kritischen Phase kaum etwas, wenn wir diesen Menschen sagen, sie sollen sich vernünftig und ausgewogen ernähren. Publikum: Es gibt ja einen Zusammenhang zwischen Stress und Schlafqualität und außerdem einen Zusammenhang zwischen Schlafqualität und Essverhalten. Erheben Sie während Ihrer Studien das Schlafverhalten und den möglichen Einfluss auf das Essverhalten und in Bezug auf die metabolische Plastizität? Dr. Ingrid Kiefer: Das sind interessante Forschungsfragen, die wir jedoch nicht untersuchen. Aber die Schlafdauer spielt eine ganz große Rolle, das weiß man schon bei Kindern. Je weniger sie schlafen, desto höher ist ihr Risiko, übergewichtig zu werden. Zum Abschluss möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen. Ich habe selbst zwanzig Jahre in der praktischen Ernährungsberatung gearbeitet. Ich würde empfehlen, in der Beratung auf alle Fälle zu schauen, ob jemand ein Stresshungerer oder Stressesser ist. In der Gewichtsreduktion werden Sie in der Regel Stressesser haben. Geben Sie hier entsprechende Ernährungsempfehlungen. Auch Stresshungerer kommen hin und wieder in die Beratung. Das sind eher dünne Menschen, die Probleme mit dem Essen haben, oder Kinder, bei denen sich die Eltern Sorgen machen, dass sie zu wenig essen. Hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass Stresshungerer durch viele kleine Portionen (also durch das eigentlich unerwünschte Snackverhalten) einen größeren Erfolg haben und wieder mehr essen. Außerdem hat es sich als gute Strategie erwiesen, Stresshungerern den Mechanismus bewusst zu machen und ihnen einfache Tipps zu geben, zum Beispiel sich zu bewegen bevor sie etwas essen möchten. Foto: Robert Schubert, aid

89 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN 89 aid-medien Therapiefall Ernährungsberatung Update 2012 Kommunikationsstrategien für die Praxis Tagungsband zum 10. aid-forum Mehr als wir verdauen können! Strategien zum Umgang mit der Informationsflut Tagungsband zum 13. aid-forum Worauf kommt es in der Ernährungsberatung neben fachlicher Kompetenz an? Wie gelingt ein professionelles Auftreten? Welche Kommunikationsstrategien sind Erfolg versprechend? Die Broschüre gibt Antworten und reflektiert neue Entwicklungen. Das 10. aid-forum beschäftigte sich mit dem Therapiefall Ernährungsberatung einem Thema, das aktueller ist denn je. Daher gibt es den Forumsband jetzt als Update 2012 in überarbeiteter, aktualisierter und maßgeblich erweiterter Form. Die Referentinnen haben zu ihrem Vortrag ein Update verfasst, in dem sie aufzeigen, was sich aus ihrer heutigen Perspektive verändert hat. Die Broschüre wirft damit einen besonderen Blick auf bewährte Ansätze und aktuelle Entwicklungen in der Ernährungsberatung. Broschüre, A 4, 124 Seiten 1 DVD, ca. 8 Minuten 3. überarbeitete Neuauflage 2012 Bestell-Nr Preis 9,50 Sie werden uns täglich serviert: Widersprüchliche Schlagzeilen und neue Siegel, Kennzeichnungsvorschriften, Kochsendungen und Ernährungsratgeber. Wie können Verbraucher/-innen und Fachkräfte damit umgehen? Der Tagungsband zum 13. aid-forum zeigt Strategien auf. Sieben Expertinnen und Experten verschiedener Fachgebiete diskutieren, was Informationen überhaupt leisten können, welche Grenzen es aus psychologischer Sicht gibt und wie sich die Lücke zwischen Wissen und Handeln schließen lässt. Die Vorträge und Diskussionen sensibilisieren für einen bewussteren Umgang mit Informationen. Berater/-innen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Laien finden Denkanstöße und Anregungen für ihren (Berufs-)alltag. In vier kurzen Filmbeiträgen wird sowohl die journalistische Perspektive als auch die Verbrauchersicht deutlich. Broschüre, A 4, 104 Seiten 1 DVD, ca. 14 Minuten Erstauflage 2011 Bestell-Nr Preis 9,50 Weitere aid-medien finden Sie unter

90 90 VERFLIXTES SCHLARAFFENLAND WIE ESSEN UND PSYCHE SICH BEEINFLUSSEN Yes, we can! Erfolgreiche Motivation in der Beratungspraxis Tagungsband zum 14. aid-forum Bis(s) zum Netzprofi: Ernährungskommunikation 2.0 Tagungsband zum 15. aid-forum Wie können Beratungskräfte Menschen dazu motivieren, sich auf eine gesunde Lebensweise umzustellen? Welche Strategien motivieren zum Durchhalten? Der Tagungsband zum 14. aid-forum stellt aktuelle Ansätze und erprobte Methoden vor. Neun Ernährungsberater, Psychologen und Sportwissenschaftler zeigen, welche Form der Kommunikation und Begleitung nötig ist, um Menschen abzuholen und nachhaltig zu motivieren. Die Frage, welches Selbstverständnis des Beraters für den Prozess förderlich ist, wird ebenso diskutiert wie geeignete Ansätze, die den Klienten zum Umgang mit Hindernissen befähigen. In drei kurzen Filmbeiträgen berichten Menschen zudem von ihren Erfahrungen mit Verhaltensänderungen und darüber, was sie motiviert. Welche neuen Möglichkeiten eröffnen Social Media für die Ernährungskommunikation? Wie können hierzu digitale Medien professionell und wirkungsvoll genutzt werden? Experten für Medien, Kommunikation und Ernährung geben praxisnahe Antworten auf diese Fragen. Die Broschüre zum 15. aid-forum zeigt, wie sich Social-Media-Plattformen zum Austausch mit der eigenen Zielgruppe nutzen lassen und was eine gute Website ausmacht. Außerdem wird diskutiert, inwieweit sich aus der digitalen Kommunikation neue Betätigungsfelder für Fach-, Lehr- und Beratungskräfte im Ernährungsbereich ergeben und wie sich Ernährungskommunikation 2.0 attraktiv und professionell umsetzen lässt. Beiliegend gibt es zu jedem Vortrag einen Zusammenschnitt aus dem Livestream der Tagung. Broschüre, A 4, 100 Seiten 1 DVD, ca. 9 Minuten Erstauflage 2012 Bestell-Nr Preis 9,50 Broschüre, A 4, 96 Seiten DVD mit 11 Audio- oder Videosequenzen Erstauflage 2013 Bestell-Nr Preis 12,00 Weitere aid-medien finden Sie unter

91 D Umweltfreundlich Impressum 3443/2014 Foto: Matthias Gschwendner Fotolia.com produziert! Herausgegeben vom aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V. Heilsbachstraße Bonn Redaktion Dipl. Oecotroph. Eva Zovko, aid Claudia Schmidt-Packmohr M.A., aid Dipl. Oecotroph. Andrea Fenner, Edinburgh Konzeption des 16. aid-forums Dipl. Oecotroph. Eva Zovko, aid Abbildungen, Folien und Tabellen Die zu den Vorträgen gehörenden Abbildungen, Folien und Tabellen stammen von den jeweiligen Autorinnen und Autoren. Fotos Titelfoto: 1000words/Fotolia.com Schubert Fotografie, Ladbergen Fotolia.com Gestaltung grafik.schirmbeck Josef-Kreuser-Str Meckenheim Druck Druckerei Lokay e. K. Königsberger Str Reinheim Dieses Heft wurde in einem klimaneutralen Druckprozess mit Farben aus nachwachsenden Rohstoffen bei einer EMAS-zertifizierten Druckerei hergestellt. Das Papier besteht zu 100 Prozent aus Recyclingpapier. Nachdruck und Vervielfältigung auch auszugsweise sowie Weitergabe mit Zusätzen, Aufdrucken oder Aufklebern nur mit Genehmigung des aid gestattet. Erstauflage ISBN Ernährung im Fokus Zeitschrift für Fach-, Lehr- und Beratungskräfte Ernährung im Fokus ist eine Fachzeitschrift für Fach-, Lehr- und Beratungskräfte sowie Studenten/Studentinnen und erscheint sechsmal im Jahr. Sie bietet Ihnen: Aktuelles aus Diätetik und Ernährungsmedizin, Neues zu Ernährungskommunikation und Ernährungsbildung, Methodik und Didaktik in Schule und Beratung, Einblicke in Ernährungssoziologie und Esskultur, Aktuelles aus Lebensmittelrecht und Verbraucherschutz, Trends vom Lebensmittelmarkt und im Haushalt, Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung. Print-Online-Abo Jahresabo: 6 Hefte/Downloads und Online-Zugang zum Archiv Preis: 24,00, Bestell-Nr Online-Abo Jahresabo: 6 Ausgaben zum Download und Online-Zugang zum Archiv Preis: 20,00, Bestell-Nr Ermäßigtes Online-Abo für Schüler, Studenten und Auszubildende Jahresabo: 6 Ausgaben zum Download und Online-Zugang zum Archiv Preis: 10,00, Bestell-Nr Bestellen Sie Ihr Abo oder ein Probeheft unter Hier finden Sie außerdem unsere Online-Meldungen, Veranstaltungstermine, das monatliche Online-Spezial, aktuelle Tagungsberichte sowie das Online-Archiv. Weitere aid-medien finden Sie unter

92 Foto: MartesiaBezuidenhout/Fotolia.com Foto: caldix/fotolia.com aid infodienst Wissen in Bestform Ihr Informationsanbieter rund um Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung. Wir bereiten Fakten verständlich auf und bieten für jeden den passenden Service. Mit mehr als 60 Jahren Erfahrung. unabhängig praxisorientiert wissenschaftlich fundiert Foto: Picture-Factory/Fotolia.com Bestell-Nr.: 3443, Preis: 9,50

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