Vertrauensarbeitszeit Gleitzeit Arbeitszeit-Flexibilisierung
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- Christina Gehrig
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1 FACHZEITSCHRIFT FÜR WIRTSCHAFTSRECHT DEZEMBER Vertrauensarbeitszeit Gleitzeit Arbeitszeit-Flexibilisierung Subtraktionsmethode zur Ermittlung von Abstimmungsergebnissen Immaterialgüterrecht/IT-Recht Downloads aus dem Internetradio Steuerrecht SE-Gründung durch Hereinverschmelzung Ortskernschutz/NÖ ROG Größenbeschränkungen für Handelsbetriebe VfGH ändert Anlassfall-Judikatur Europarecht Berufsanerkennungs-Richtlinie
2 ARBEITSZEIT- 888 ecolex 2005 Vertrauensarbeitszeit ein nach dem AZG gangbares Arbeitszeitmodell? Schon seit einiger Zeit wird unter dem Schlagwort Selbststeuerung statt Weisung 1 ) Vertrauensarbeitszeit als neue flexible Form der Arbeitserbringung propagiert. Dabei handelt es sich um ein von der betrieblichen Praxis entwickeltes Arbeitszeitmodell, das bislang noch keine rechtliche Regelung erfahren hat. Hier soll deshalb eine erste arbeits(zeit)- rechtliche Annäherung an dieses Thema erfolgen. A. WAS IST VERTRAUENSARBEITSZEIT? Obwohl sich bislang noch keine einheitliche Definition von Vertrauensarbeitszeit heraus kristallisiert hat, gibt es doch einen gemeinsamen Nenner aller unter diesem Namen firmierenden Modelle: Bei der Vertrauensarbeitszeit verzichtet der AG auf die Kontrolle der Arbeitszeit und vertraut darauf, dass die Beschäftigten ihren vertraglichen Verpflichtungen, die va in Form von Zielen und Qualitätsstandards vereinbart sind, ohne Überprüfung nachkommen. 2 ) Die AN entscheiden somit eigenverantwortlich, wann sie ihre Aufgaben erfüllen und letztlich auch wie viel Arbeitszeit sie dafür aufwenden. Damit soll die Ergebnis- und nicht die Zeitorientierung im Vordergrund stehen und von der bislang gepflogenen Zeitverbrauchkultur abgegangen werden, wonach die Arbeitsvertragsparteien den Arbeitseinsatz bloß nach der Menge der verbrauchten Stunden bewerten. 3 ) Nicht mehr die Verweildauer im Betrieb, sondern ausschließlich der Grad der Zielerreichung ist Ausweis der Leistungsfähigkeit. 4 ) In seiner extremsten Form stellt die Vertrauensarbeitszeit damit sicherlich eine grundlegende Veränderung der inneren Struktur des Arbeitsvertrages dar. 5 ) Vertrauensarbeitszeit zeichnet sich damit durch folgende Elemente aus, die unterschiedlich ausgestaltet und kombiniert sein können: & Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung und die diesbezügliche Kontrolle durch den AG, & Wegfall personenbezogener Anwesenheitsvorgaben, & & Zielvereinbarung und Ergebnisorientierung, Erweiterte Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Beschäftigten. 6 ) Vorteile werden auf AG-Seite darin gesehen, dass die gerade bei flexibler Arbeitszeit aufwändige Zeiterfassung und Zeitkontrolle entfalle. Weiters werde Eigeninitiative und Selbständigkeit der AN gefördert, was sich in erhöhter Effizienz und Qualität der Arbeitsleistung auswirke. Für den AN werden neben gesteigerter Arbeitszufriedenheit und Motivation als positiv vor allem Möglichkeiten gesehen, Arbeitszeit und gewünschte Freizeit zu koordinieren und längere Freizeit-Phasen zu erreichen. Andererseits werden aber auch die Gefahren solcher ergebnisorientierter MARTIN E. RISAK Arbeitszeitmodelle betont: Arbeitsverdichtung aufgrund eines konturenlosen Arbeitstages, Arbeitszeitverlängerung wegen fehlender Einschätzung über die erbrachte Leistung, Kontrolle der Beschäftigten untereinander sowie Umgehung von arbeitszeitrechtlichen und entgeltrechtlichen Vorschriften. 7 ) B. PROBLEMSTELLUNG In diesem Beitrag soll das Arbeitszeitmodell der Vertrauensarbeitszeit nicht auf seine betriebs- oder personalwirtschaftliche Zweckmäßigkeit durchleuchtet, sondern auf dessen arbeitszeitrechtliche Implikationen eingegangen werden. Dabei wird von der in der Praxis offenbar verbreiteten Spielart ausgegangen, wonach der Arbeitsvertrag weiterhin eine Vereinbarung der wöchentlichen Arbeitszeit enthält, ihre Aufzeichnung und Kontrolle jedoch unterbleiben soll. Hinsichtlich der arbeitsrechtlichen Beurteilung ist dabei danach zu unterscheiden, ob Vertrauensarbeitszeit für AN eingeführt werden soll, die dem AZG unterliegen oder nicht. Für zweitere Gruppe, bei der va leitende Angestellte isd 1 Abs 2 Z 8 AZG 8 ) von Dr. Martin E. Risak ist Univ.-Ass. am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien. 1) Schlachter, Vertrauensarbeitszeit in Deutschland und Japan: kollektive Gestaltungsmöglichkeiten auf betrieblicher Ebene, FS 50 Jahre BAG (2004) ) Schloffeldt/Hoff, Vertrauensarbeitszeit und arbeitszeitrechtliche Aufzeichnungspflicht nach 16 II ArbZG, NZA 2001, 530; ähnlich auch Neumann, Auswirkungen neuer Arbeitszeitmodelle auf die Versicherungspflicht, NZS 2001, 14 (16). 3) Vgl MünchAR/Schüren, 165 Rz 43. 4) Schlachter, FS 50 Jahre BAG 1254; vgl auch Reinecke in Küttner, Personalbuch 2005 (2005) Arbeitszeitmodelle, Rz 16. 5) Trittin, Umbruch des Arbeitsvertrages: Von der Arbeitszeit zum Arbeitsergebnis, NZA 2001, 1003 (1005). 6) Wingen/Schulze, Vertrauensarbeitszeit: Hintergründe und Gestaltungserfordernisse für Gesundheit und Sicherheit unter Zeitautonomie in Griese/Timpe/Winterfeld (Hrsg), Psychologie der Arbeitssicherheit und Gesundheit (2003); vgl auch Böhm/Hermann/Trinczek, Herausforderung Vertrauensarbeitszeit. Zur Kultur und Praxis eines neuen Arbeitszeitmodells (2004) jeweils mzn der deutschen Lit. 7) Siehe dazu insb Hoff, Vertrauensarbeitszeit: einfach flexibel arbeiten (2002) 27 ff; Schlachter, FS 50 Jahre BAG 1253 ff. 8) Siehe dazu Grillberger, AZG 2 1 Erl 2.8; Cerny in Cerny ua, AZG (2001) 1 Erl 15; zuletzt OGH ecolex 2004/66.
3 praktischer Bedeutung sind, stellen sich die sogleich angesprochenen arbeitszeitrechtlichen Fragen nicht. Hier ist aus Sicht des AG va wichtig, einer Nachforderung von Entgelt für allfällige Mehrleistungen durch eine ohnehin zumeist übliche All-In-Entlohnung vorzubeugen (dazu auch unten D.2.). Auf diese AN-Gruppe, bei der wohl zumeist schon jetzt auch wenn dies nicht so bezeichnet wird irgendeine Form von Vertrauensarbeitszeit gelebt wird 9 ), wird in der Folge nicht mehr weiter eingegangen, sondern nur auf jene dem AZG unterliegenden AN. Eine umfassende Diskussion aller arbeitsrechtlichen Implikationen, va betreffend die Fragen der bei diesem Thema besonders wichtigen Vertragsgestaltung kann hier nicht erfolgen. Ziel des Beitrages ist es, eine erste arbeits(zeit)rechtliche Annäherung an die Vertrauensarbeitszeit zu unternehmen. C. ARBEITSZEITRECHTLICHE EINORDNUNG Die Übertragung von Zeitsouveränität an den AN ist im österreichischen Arbeitsrecht in lediglich einem gesetzlich geregelten Modell verwirklicht und zwar bei der Gleitzeit ( 4 b AZG). 10 ) Bei dieser kann der AN innerhalb eines vereinbarten zeitlichen Rahmens Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit frei bestimmen. Der Unterschied zur Vertrauensarbeitszeit liegt dabei aber darin, dass bei der Gleitzeit weiterhin zum Teil sehr komplexe Arbeitszeitaufzeichnungen in Form von Zeitkonten geführt werden, die es dem AG ermöglichen, die Arbeitszeit des gleitenden AN zu kontrollieren. Die Vertrauensarbeitszeit geht dabei noch einen Schritt weiter: Sie überträgt nicht nur die Zeitsouveränität an den AN, sondern lässt auch die Zeiterfassung und somit Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit entfallen. 11 ) Bei der Vertrauensarbeitszeit gibt es gerade keinen formalisierten Aufbau und Abbau von Zeitguthaben, sondern eine bloße Ergebnisorientierung: dem AG kommt es gerade nicht darauf an, ob der AN seine vereinbarten Stunden absitzt, sondern dass dieser die vereinbarten Ergebnisse im vereinbarten Zeitrahmen erbringt. Durchrechnungsmodelle, die in 4 AZG unter dem Titel Andere Verteilung der Normalarbeitszeit geregelt sind, zeichnen sich dadurch aus, dass dem AN keine Zeitsouveränität eingeräumt wird. Dadurch unterscheiden sie sich grundlegend von der Gleitzeit und auch der Vertrauensarbeitszeit. Die Vertrauensarbeitszeit stellt sohin ein gesetzlich ungeregeltes Arbeitszeit-Modell dar. Damit kommen die Sonderbestimmungen für die gesetzlich geregelten Formen der Arbeitszeitflexibilisierung nicht zur Anwendung. Dies hat insb hinsichtlich der hier nicht möglichen Ausweitung der täglichen Normalarbeitszeit für den AG vor allem finanziell spürbare Auswirkungen (dazu sogleich unten). D. EINZELFRAGEN 1. ARBEITSZEITGRENZEN Das AZG sieht als absolute Höchstgrenzen in 9 Abs 1 zehn Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche vor. Sollte nicht eine der sehr eng definierten Ausnahmen vorliegen, macht deren Überschreitung den AG gem 28 Abs 1 Z 1 AZG verwaltungsstrafrechtlich haftbar. Es ist somit unabdingbar, den AN auch bei der Vertrauensarbeitszeit zur Beachtung dieser Grenzen anzuhalten. In der dieser zu Grunde liegenden Vereinbarung ist deshalb das Selbstbestimmungsrecht des AN so einzuschränken, das seine Ausübung nicht zu einer Überschreitung der täglichen bzw wöchentlichen Höchstarbeitszeit führt. 12 ) Dies ist auch für die ebenfalls nach AZG und ARG relevanten Ruhezeiten vorzusehen. 13 ) Der AG hat dabei aber nicht nur die entsprechenden vertraglichen Vorkehrungen zu treffen bzw diesbezügliche Weisungen zu erteilen, sondern auch durch geeignete arbeitsorganisatorische Maßnahmen sowie durch laufende Kontrolle die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen. 14 ) Hinsichtlich der Grenzen der täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeit ist, da für die Vertrauensarbeitszeit keine diese ausweitende Sonderbestimmungen zur Anwendung kommen, 3 Abs 1 AZG relevant: Die tägliche Normalarbeitszeit darf acht Stunden, die wöchentliche vierzig Stunden nicht überschreiten. Wird darüber hinaus gearbeitet, so fallen gem 6 Abs 1 AZG Überstunden an. 2. ÜBERSTUNDEN Überstunden, dh jene Arbeitsleistungen, die über die gesetzlichen Normalarbeitszeitgrenzen hinaus erbracht werden, sind gem 10 Abs 1 AZG mit einem Zuschlag von 50% abzugelten. Bei einer Abgeltung in Zeitausgleich ist dieser deshalb im Verhältnis 1:1,5 zu bemessen. Der Gesetzgeber hat einen privilegierten Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 nur bei den von ihm geregelten Modellen (insb Gleitzeit und Durchrechnung) zugelassen, wenn dieser innerhalb des Durchrechnungszeitraums/der Gleitzeitperiode erfolgt. Da jedoch die Vertrauensarbeitszeit den Erfordernissen für diese Modelle nicht genügt (insb Zeitaufzeichnungen und deren Kontrolle), ist somit jede anfallende Überstunde zuschlagspflichtig. 15 ) Theoretisch denkbar ist natürlich, das Selbstbestimmungs- 9) So zb MünchAR/Schüren 165 Rz 43; Preiss, Der Arbeitsvertrag 2 (2005) II A 90 Rz 132 f. 10) Siehe dazu Grillberger, AZG 2 4 b Erl 1 ff; Chr. Klein in Cerny ua, AZG 3 4 c Erl 11 f; Wolf in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap XI Rz 82; Kandera, Arbeitszeitflexibilisierung (1999) 133 jeweils mzn. 11) Trittin, NZA 2001, ) Am einfachsten erfolgt dies durch ein Verbot über die absoluten Grenzen der Höchstarbeitszeit hinaus zu arbeiten. 13) Dies kann dergestalt erfolgen, dass ähnlich der Gleitzeit ein Rahmen vorgegeben wird, innerhalb dessen gearbeitet werden kann und der die Ruhezeiten beachtet. 14) VwGH ZfVB 1984/1411; ZAS 1984, 145 (G. Klein/Tomandl); RdW 1984, 255 ua. Gerade bei der der Vertrauensarbeitszeit immanenten großen zeitlichen Selbstbestimmung wird der AG seiner Kontrollpflicht zumeist nicht ausreichend nachkommen, wenn er bloß die Arbeitszeitaufzeichungen auf allfällige Arbeitszeitverstöße überprüft (dazu unten D.3.). Gerade hier wird ein weitergehendes Kontrollsystem (zb Stichproben, Plausibilitätsprüfung) bestehen müssen, damit ein Verschulden des AG auszuschließen ist. 15) Ähnlich Chr. Klein in Cerny ua, AZG 6 8 Erl 1 für ein anderes gesetzlich nicht geregeltes Flexibilisierungsmodell. ARBEITSZEIT- ecolex
4 ARBEITSZEIT- 890 ecolex 2005 recht des AN so zu begrenzen (und dies auch dann zu kontrollieren), dass durch dessen Ausübung keine Überstunden anfallen eine solche Einengung dürfte jedoch dem Modell der Vertrauensarbeitszeit widersprechen, da es kaum mehr als einen frei gewählten Beginn der Arbeitszeit ermöglicht, die Selbstbestimmung hinsichtlich deren Dauer scheidet so zumeist aus. 16 ) Um den Abgeltungsanspruch für Überstunden auszulösen reicht es übrigens aus, dass über die Normalarbeitszeit hinausgehende Mehrleistungen vom AG geduldet und entgegengenommen wurden. 17 ) Deshalb kann der AG nicht darauf verweisen, er habe die Mehrleistung nicht angeordnet, sondern es dem AN im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit lediglich übertragen, seine Arbeitszeit nach eigenem Ermessen zu verteilen. Gerade durch dieses Arbeitszeitmodell hat der AG akzeptiert, dass der AN Überstundenarbeit leistet und diese dann danach selbständig ausgleicht. Dafür gibt es aber keine Ausnahme vom Überstundenzuschlag, sodass dieser weiterhin anfällt. Auch das Argument, dass letztlich im Durchschnitt ohnehin die gesetzliche Normalarbeitszeit eingehalten werde, führt ebenso nicht zum gewünschten Ziel. Dies trifft nämlich bei jedem Zeitausgleich 1:1 für Überstunden zu und ist nur ausnahmsweise für diverse gesetzlich geregelte Flexibilisierungselemente zulässig. Ansonsten bleibt es gem 10 Abs 1 AZG bei der Zuschlagspflicht gerade auch bei Zeitausgleich. Wird somit im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit länger als acht Stunden am Tag bzw 40 Stunden die Woche gearbeitet, so fallen Überstunden an. 18 ) Auch wenn diese in Zeitausgleich abgegolten werden, kann die Zuschlagspflicht dadurch nicht beseitigt werden. Darin liegt me die größte arbeitsrechtliche Hürde für die praktische Umsetzung von Vertrauensarbeitszeit. Einer Nachforderung von noch nicht abgegoltenen Überstundenzuschlägen kann jedoch mit einem dementsprechenden überkollektivvertraglichen Entgelt und der Widmung der Überzahlung in Form einer All-In-Klausel im Arbeitsvertrag 19 ) uu auch kombiniert mit einer Verfallsklausel 20 ) weitgehend vorgebeugt werden. 21 ) Damit ist Vertrauensarbeitszeit aus meiner Sicht nur für AN praktikabel, welche wesentlich über das kollektivvertragliche Mindestentgelt entlohnt werden. Für alle anderen spricht das große Risiko der Entgeltnachzahlung aus AG-Sicht gegen dieses Arbeitszeitmodell: Dem AN wird materiell mehr oder weniger eine Lizenz zur selbstbestimmten Überstunde eingeräumt. Gerade unter diesen (finanziellen) Aspekten sollte Vertrauensarbeitszeit nicht ohne eine ins Detail überlegte Gestaltung der ihr zu Grunde liegenden vertraglichen Vereinbarung eingeführt werden. 22 ) 3. ARBEITSZEITAUFZEICHNUNG Das AZG ist hinsichtlich der Aufzeichnungen der Arbeitszeit äußerst streng und steht schon auf den ersten Blick einem gänzlichen Verzicht der Arbeitszeiterfassung im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit entgegen: Nach 26 Abs 1 AZG hat der AG zur Überwachung der Einhaltung der Arbeitszeitnormen in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Die Arbeitszeitaufzeichnungen haben nicht nur das Ausmaß der Arbeitszeit, sondern auch den tatsächlichen Beginn und Ende sowie die Lage der Arbeitspausen festzuhalten. 23 ) Adressat der Aufzeichnungspflicht ist der AG 24 ), der bei Zuwiderhandeln gem 28 Abs 1 AZG verwaltungsstrafrechtlich belangt werden kann. Damit ist ein völliger Verzicht des AG auf Arbeitszeitaufzeichnungen unzulässig. 25 ) In diesem Zusammenhang ist auch auf das Überwachungs- bzw Auskunftsrecht des BR gem 89, 91 ArbVG hinzuweisen. Der völlige Verzicht des AG auf Arbeitszeitaufzeichnungen würde dieses hinfällig machen, der BR könnte so nicht mehr die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften überwachen. Nach einer, in ihren Grundsätzen auch auf Österreich übertragbaren, Entscheidung des deutschen BAG 26 ) kann der AG dem BR Auskünfte über die von den einzelnen AN geleistete Arbeitszeit gerade nicht mit der Begründung verweigern, er wolle diese wegen einer im Betrieb eingeführte Vertrauensarbeitszeit bewusst nicht erfassen. Hinsichtlich der Ruhepausen kann eine diesbezügliche Aufzeichnung unterbleiben, wenn eine BV festlegt, dass es dem AN überlassen wird, innerhalb eines festgelegten Zeitraumes 27 ) die Ruhepausen zu nehmen und diese Ruhepausen das Mindestausmaß von 30 Minuten nicht überschreiten. So könnte zumindest in dieser Hinsicht auf Aufzeichnungen verzichtet werden. 28 ) Eine weitere Erleichterung könnte sich aus 26 Abs 3 AZG ergeben, wonach ausschließlich Aufzeichnungen über die Dauer der Tagesarbeitszeit zu führen 16) Denkbar ist dies lediglich bei Teilzeitbeschäftigten und bei einer Sechs-Tage-Woche. 17) OGH Arb ua. 18) Dies ist unabhängig davon, ob diese vom AG angeordnet oder vom AN im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts geleistet wurden. Die bei der Gleitzeit geführte Diskussion (siehe Risak, Überstunden bei Gleitzeit, ASoK 2004, 307 mwn) betrifft nur die sich bei der Vertrauensarbeitszeit sich ohnehin nicht stellende Frage, ob eine über acht Stunden hinaus gearbeitete Stunde unter bestimmten Voraussetzungen zuschlagsfrei ist. 19) Siehe dazu zb Wolf, Überstundenpauschale und All-In-Klausel, ZAS 2003, ) Siehe zb Brodil/Risak/Wolf, Arbeitsrecht in Grundzügen 3 Rz 513 mwn. 21) Siehe auch Rotter, Arbeitszeitaufzeichnungen in der Praxis, ASoK 2002, 249 (Pkt 12). 22) Sollte eine BV Grundlage der Vertrauensarbeitszeit sein, ist eine vertragliche Regelung dennoch unentbehrlich, da eine BV keine derartigen Entgeltregelungen treffen darf. 23) Vgl Schwarz in Cerny ua, AZG 26 Erl Abs 2 deutsches ArbZG, der dort die Aufzeichnungspflichten regelt, ist diesbezüglich viel großzügiger, indem der AG nur zur Aufzeichnung der über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehenden Arbeitszeit verpflichtet ist. Die dazu entwickelten Ansätze für die Aufzeichnungspflichten bei Vertrauensarbeitszeit (insb Schloffeldt/Hoff, NZA 2001, 530; aa Hamm, Anm zu BAG AP 80 BetrVG Nr 16) können daher nicht auf Österreich übertragen werden. 24) Dieser kann wiederum verantwortlich Beauftragte bestellen, dazu eingehend Stärker in Mazal/Risak, Das Arbeitsrecht Kap IX Rz 91 ff. 25) Zur Sanktionierung siehe Stärker, Übertretung der Arbeitszeitgesetze, Keine Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen, ist für den Dienstgeber oftmals billiger, ecolex 2002, ) BAG AP 80 BetrVG Nr 61 (Hamm). 27) Dieser ist bei der Vertrauensarbeitszeit um deren intendierte Flexibilität nicht zu gefährden sinnvoller Weise großzügig zu bemessen (zb zwischen und Uhr). 28) Siehe dazu Schwarz in Cerny ua, AZG 26 Erl 4.
5 sind und nicht über deren Beginn und Ende. Das AZG sieht hier jedoch kumulativ vor, dass die Arbeitszeit überwiegend außerhalb der Arbeitsstätte erbracht wird und dass die AN ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort weitgehend selbst bestimmen können. Grund für diese Ausnahme dürfte die faktisch bestehende mangelnde Kontrollmöglichkeit des AG hinsichtlich dieser AN, idr Außendienstmitarbeiter oder Telearbeiter sein. 29 ) Sind die AN jedoch im Wesentlichen im Betrieb tätig, sind weiter detailliertere Aufzeichnungen zu führen. Da somit grundsätzlich Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen sind, ist es me im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit folgende Lösung sinnvoll: Dem AN wird die Aufzeichnung der Arbeitszeit gem 26 Abs 2 AZG vertraglich übertragen und dieser zur ordnungsgemäßen Führung derselben angeleitet. Die Einhaltung der maximalen Arbeitszeitgrenzen sowie der Ruhezeiten wird vom AG nun ua auch auf Basis dieser Aufzeichnungen kontrolliert. 30 ) Bei Verstößen hat der AG einzuschreiten und alles ihm Zumutbare zu unternehmen, damit in Zukunft die Höchstgrenzen der Arbeitszeit und die Ruhepausen eingehalten werden. 31 ) Ansonsten erfolgt keine Kontrolle, insb nicht dahingehend, ob die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit tatsächlich erbracht wird. Damit erfüllt der AG die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten und räumt dem AN die größtmögliche Selbstbestimmung über die Arbeitszeit ein. 29) Schwarz in Cerny ua, AZG 26 Erl 3. 30) Eine gänzlicher Verzicht auf die Kontrolle genügt einerseits nicht den Aufzeichnungspflichten (Schwarz in Cerny ua, AZG 26 Erl 4) und birgt andererseits das Risiko für den AG, dass zwar Aufzeichnungen vorliegen, allfällige, dem AG nicht bekannte, aber vorgefallene Arbeitszeitverstöße für das Arbeitsinspektorat lückenlos dokumentiert sind. 31) VwGH ZAS 1984, 145 (G. Klein/Tomandl). SCHLUSSSTRICH Die Vertrauensarbeitszeit stellt ein gesetzlich nicht geregeltes Modell der Arbeitszeitflexibilisierung dar, was zu Umsetzungsproblemen in der Praxis für die dem AZG unterliegenden AN führt. Auf Arbeitszeitaufzeichnungen und eine gewisse Kontrolle derselben kann auch bei der Vertrauensarbeitszeit nicht verzichtet werden. Die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten und die Überstundenproblematik kann zumindest bei überkollektivvertraglich entlohnten AN durch eine durchdachte Vertragsgestaltung in den Griff bekommen werden. ARBEITSZEIT- ecolex
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