Es gilt das gesprochene Wort.
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- Kevin Straub
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1 Grußwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann Grußwort zum Symposium Bildungssituation und gesellschaftliche Bedingungen türkeistämmiger Migranten in den Einwanderungsländern 25. Oktober 2014 Es gilt das gesprochene Wort. Ministerin Löhrmann: Mehrsprachigkeit als Potenzial nutzen!
2 2 Anrede, Anlässlich des Symposiums der neuen türkischsprachigen Zeitschrift Politeknik begrüße ich Sie alle ganz herzlich. Sehr gerne habe ich Ihre Einladung für den heutigen Tag angenommen. Es ist ein großes Verdienst der Zeitschrift Politeknik und des Vereins für Allseitige Bildung, ein solch hochkarätig besetztes Symposium zu veranstalten. Ich freue mich über die vielen internationalen Gäste hier in unserer besonderen Region. Anrede, 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler gehen in unserem Land zur Schule. 30 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund. An manchen Schulen beträgt die Zahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund weit über 50 Prozent.
3 3 Dieses Mehrsprachigkeitspotenzial müssen wir nutzen und fördern. Denn im Zuge von Globalisierung und internationaler Märkte ist Mehrsprachigkeit eine wichtige Grundlage für das Verständnis vieler gesellschaftlicher Veränderungen geworden. Hier findet ein Paradigmenwechsel statt, das Potential von Mehrsprachigkeit wird mehr und mehr erkannt. Multilingualität beinhaltet auch interkulturelle Kompetenz, die für viele Arbeitsplätze zunehmend Voraussetzung ist. Private und berufliche Mobilität hat dazu einen besonderen Stellenwert. Trotz der internationalen Bedeutung der Verkehrssprache Englisch ist dabei die Kenntnis mehrerer Sprachen unerlässlich. Diese Sprachenvielfalt bereichert unsere Schulen und unsere Gesellschaft. Sie alle hier haben unabhängig von Ihrer Herkunft eine erfolgreiche Schullaufbahn und Ausbildung absolviert und gehören zu den Leistungsträgerinnen und -trägern unserer Gesellschaft. Und Sie zeigen: Gelungene Integration ist eine Bereicherung! Für Sie, für unser Land und für uns alle. Wir alle profitieren von der Zuwanderung.
4 4 Migration müssen wir als Chance begreifen. Dazu müssen wir Potenziale der Menschen mit Migrationshintergrund nutzen und fördern! Dazu gehören insbesondere die Förderung der Sprache und Bildung. Ich bin auch deshalb sehr gerne zu Ihnen gekommen, weil Sie mit Ihrem Symposium wichtige bildungspolitische Themen aufgreifen, die uns insbesondere in unseren Schulen betreffen. Und es ist erfreulich, dass die Universität Duisburg- Essen dafür einen Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt hat. Am Institut der Turkistik der Universität Duisburg-Essen ist es möglich, Türkisch als Fremdsprache für das Lehramt zu studieren. Der Reichtum der türkischen Sprache und ihre Komplexität, die für mich nur Theorie sind, verlangen geradezu nach einem guten Fremdsprachenunterricht. Ich wünsche Ihnen und uns deshalb, dass sich mehr Studierende für dieses Studienfach an der Universität Duisburg-Essen interessieren und in der Folge mehr Schulen Türkisch als Fremdsprache einrichten können.
5 5 Meine Damen und Herren, Ich möchte Ihnen exemplarisch drei Maßnahmen nennen, die wir über unsere Schulen in Nordrhein- Westfalen fördern: Erstens unser herkunftssprachlicher Unterricht: Wir wissen, dass die parallele Förderung der Herkunftssprache und der deutschen Sprache im Sinne einer durchgängigen Sprachbildung besonders erfolgreich ist. Daher haben wir im Schulministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit der qualitativen Weiterentwicklung des Herkunftssprachenunterrichts befasst. In NRW nehmen allein an dem herkunftssprachlichen Unterricht Türkisch Schülerinnen und Schüler teil. In keinem anderen Bundesland werden laut einer KMK-Abfrage von 2011 so viele Ressourcen für den Herkunftssprachenunterricht bereitgestellt wie in Nordrhein-Westfalen: Es gibt 886 Stellen für 16 Sprachen. Das ist eine Menge.
6 6 Das Fach Türkisch wird aber auch zum Fremdsprachenunterricht ausgebaut, von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II. Zwölf Gymnasien in NRW bieten mittlerweile durch unsere Unterstützung Türkisch als Fremdsprache an. Das Fremdsprachenfach Türkisch ist für türkischsprachige Schülerinnen und Schüler eine große Chance. Dieses Fach kann bis zum Abitur belegt werden und wird als zweite Fremdsprache bewertet. Anrede, Nordrhein-Westfalen ist ein Land der Mehrsprachigkeit. Unsere einmalige Sprachenvielfalt ist ein besonderer Wert und zugleich ein Potenzial, das wir aktiv in unserem Bildungssystem aufgreifen, fördern und dokumentieren. Dies gilt für die Sprachkenntnisse, die unsere Schülerinnen und Schüler systematisch in der Schule erlernen.
7 Dies gilt aber selbstverständlich auch für die natürliche Mehrsprachigkeit, die unsere Bürgerinnen und Bürger durch ihren familiären und kulturellen Hintergrund mitbringen. 7 Die Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit ist ein zentrales Ziel der Landesregierung. Ein großes Sprachenangebot sowie intensives und anwendungsbezogenes Sprachenlernen sind aus unserer Sicht dabei besonders wichtig. Uns geht es aber auch um die Förderung der sogenannten Bildungssprache bei Kindern mit Migrationshintergrund und die Förderung derselben als durchgängige Sprachbildung in allen Fächern. Die Bildungssprache ist demnach das, womit man sich in der Schule Wissen aneignen kann. Das Erlernen der Bildungssprache ist damit die Grundlage und der Schlüssel für den schulischen und beruflichen Erfolg.
8 8 Das MSW arbeitet zur Förderung der durchgängigen Sprachbildung an dem Aufbau eines flächendeckenden Beratungs-und Fortbildungsangebots für Schulen. Die Landesweite Koordinierungsstelle, die sich aus der ehemaligen Hauptstelle der Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien NRW und Teilen des Kompetenzzentrums für Integration bei der Bezirksregierung Arnsberg zusammensetzt, ist zuständig für die Qualifizierung und Begleitung der als Beraterinnen und Berater tätig werdenden bzw. tätigen Lehrkräfte. Die Zusammenarbeit der Integrationsstellen, Schulleitungen und Kommunen wird begleitet durch die Arbeit von QUA-LiS. Zweitens die Integrationsstellen: Derzeit stehen (!) Lehrerstellen für Integration landesweit zur Verfügung. Die Integrationsstellen gehen projektbezogen für zwei Jahre an Schulen mit hohem Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungsgeschichte.
9 9 Ziel der Förderung ist eine interkulturelle Schul- und Unterrichtsentwicklung, einschließlich der Förderung einer durchgängigen Sprachbildung. Anrede, Drittens unser START-Stipendienprogramm für engagierte Jugendliche mit Migrationshintergrund: In diesem Programm werden in Kooperation mit der Hertie-Stiftung Stipendien an Jugendliche mit Migrationshintergrund vergeben, um sie auf ihrem Weg zu einem höheren Schulabschluss zu unterstützen. Damit erhöhen wir ihre Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe. START leistet einen wichtigen Beitrag zu mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit in Deutschland. Dieses Projekt dient dem Aufbau und der Förderung besonders leistungsstarker Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen diese Erfolgsgeschichten und wir wollen diese Erfolge auch sichtbar machen!
10 10 Ich möchte Sie deshalb ausdrücklich dazu ermutigen, sich über die Bedingungen dieses Stipendiums zu informieren und gegebenenfalls auch Kinder und Jugendliche, mit denen Sie arbeiten, für eine Bewerbung zu motivieren. Eine lohnenswerte Investition in die Zukunft!
11 11 Anrede, leider ist die Gerechtigkeitslücke zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund noch nicht geschlossen. Auch wenn die jüngeren PISA-Ergebnisse zeigen, dass wir auch auf diesem Weg vorangekommen sind. Wir dürfen aber jetzt nicht nachlassen, sondern müssen diesen Weg systematisch weitergehen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich daher an dieser Stelle noch etwas ergänzend sagen: Wir wollen und brauchen mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund an unseren Schulen. Der Vielfalt im Klassenzimmer muss die Vielfalt im Lehrerzimmer folgen. Unser Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte hat über 600 Mitglieder. Ich kann die Lehrerinnen und Lehrer in diesem Raum nur ermutigen, sich in diesem Netzwerk zu engagieren.
12 12 Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Willkommenskultur auch als solche gelebt und erlebt wird. Wie unsere Willkommenskultur funktionieren soll, wissen wir in der Theorie, aber wir müssen dafür sorgen, dass sie im Alltag auch insbesondere von den Einwanderinnen und Einwandern gespürt und erfahren wird. In der Migrationsforschung wird die deutsche Willkommenskultur teilweise als technisch und eher zweckrational kritisiert, da sie größtenteils ökonomischen Interessen zugutekommt. Wir müssen also weg von dieser Willkommenstechnik und hin zu einer wirklich gelebten Willkommenskultur. So könnten wir auch der wie eine Studie des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) von 2014 zeigt vermehrten Abwanderung von hier ausgebildeten zum Teil hochqualifizierten Menschen mit türkischem Migrationshintergrund entgegenwirken. Helfen dabei würde zum Beispiel die Einführung des anonymisierten Bewerbungsverfahrens im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft.
13 13 Das hat etwa die diesjährige Studie zur Diskriminierung am Ausbildungsmarkt des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration gezeigt. NRW beteiligte sich von 2011 bis 2012 an einem Pilotprojekt zu anonymisierten Bewerbungsverfahren dies zeigte, dass ca. 20% der Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund eingestellt wurden, was ungefähr dem Anteil in unserer Gesellschaft entspricht. Doch generell hat Ahmet hat immer noch weniger Chancen im Bewerbungsverfahren als Wolfgang, nur aufgrund des Namens! Übersetzt auf das Empfinden der Menschen heißt das: Selbst bestintegrierte und gebildete Menschen erleben, dass sie nicht willkommen sind. Dabei sind die meisten in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund hier geboren und aufgewachsen. Sie sind deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger.
14 14 Mit denselben Rechten und Pflichten wie Deutsche ohne Migrationshintergrund. Ungleichbehandlungen und Ausgrenzung von Migrantinnen und Migranten müssen deshalb aufhören und zu einem gleichberechtigten Miteinander führen. Nur so kommen wir weg von einem gegensätzlichen IHR und WIR hin zu einem gemeinsamen WIR. Bundespräsident Gauck sagte im Mai 2014 bei der Einbürgerungsfeier anlässlich der 65 Jahre Grundgesetz: "Wir "verlieren uns nicht, wenn wir Vielfalt akzeptieren." Wir "wollen dieses vielfältige "Wir". Meine Damen und Herren, Integration ist keine Einbahnstraße und keine einseitige Bewegung, die nur von Bürgerinnen und Bürgern mit Zuwanderungsgeschichte ausgeht. So wie wir hier miteinander reden, müssen sich Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte aufeinander zu bewegen.
15 Über Integration reden ist der erste Schritt. So bringen wir das Thema in die Köpfe unserer Gesellschaft. Im zweiten Schritt müssen wir sie aber auch praktisch gestalten und leben. 15 Dafür brauchen wir eine Verantwortungsgemeinschaft von Staat und Zivilgesellschaft: Wir brauchen einen Staat, der das Klima des vielfältigen Miteinanders selbstverständlich macht und in dem menschenverachtendes und rassistisches Gedankengut keinen Ort hat. Wir brauchen gleichzeitig aber auch eine starke und verantwortungsbewusste Zivilgesellschaft so wie Sie heute hier, die vor Ort in konkreten Beziehungen und im täglichen persönlichen Umgang das Miteinander lebt. Wir müssen uns kennen lernen. Wir müssen aufeinander zugehen. Denn die Brücken, die wir heute bauen, wirken morgen weiter. Wenn es uns so gelingt, Räume und Häuser der Begegnung zu schaffen, dann sind wir ein Stückchen näher an unserem Ziel einer Gesellschaft ohne Diskriminierung, ohne Ausgrenzung, sondern mit gleichen Chancen von Migrantinnen und Migranten.
16 16 Dazu möchte ich Sie und uns alle ermutigen! Ich wünsche Ihrer Tagung weiter einen guten Verlauf.
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