Vertiefung im Internationalen Privatrecht. Internationales Familienrecht 5 Ehescheidung
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- Edith Gärtner
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1 Vertiefung im Internationalen Privatrecht Internationales Familienrecht 5 Ehescheidung
2 Vorbemerkungen : Vortrag zur Praxis der internationalen Kinderrückführung Bundesamt für Justiz Probeklausur: wird am Wochenende auf ecampus online gestellt 2
3 Vorlesungsüberblick 1. Wiederholung Grundlagen des IPR 2. Eheschließung 3. Allgemeine Ehewirkung 4. Namensrecht 5. Ehescheidung 6. Eingetragene Lebenspartnerschaft 7. Faktische Lebensgemeinschaft 8. Intersexualität 9. Kindschaft 3
4 Wiederholung 4
5 Fall 1: Die Österreicherin F und der Österreicher M sind verheiratet und leben auf Malta. Sie trennen sich. M zieht ein halbes Jahre später nach Österreich zurück, und beginnt dort ein Scheidungsverfahren. Kann die Ehe von dem zuständigen österreichischen Gericht geschieden werden? 5
6 Anmerkung: Nach maltesischem Recht setzt die Scheidung voraus, dass die Ehegatten fünf Jahre getrennt oder vier Jahre in gerichtlich ausgesprochener Trennung gelebt haben. Nach österreichischem Recht setzt die Scheidung voraus, dass die Ehegatten ein halbes Jahr getrennt gelebt haben und die Zerrüttung der Ehe gestehen. 6
7 Anmerkung: 55a EheG (Österreich) (1) Ist die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten seit mindestens einem halben Jahr aufgehoben, gestehen beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zu und besteht zwischen ihnen Einvernehmen über die Scheidung, so können sie die Scheidung gemeinsam begehren. (2) Die Ehe darf nur geschieden werden, wenn die Ehegatten eine schriftliche Vereinbarung über [... Kinder] sowie ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander für den Fall der Scheidung vor Gericht schließen. (3) [...] 7
8 Vorüberlegungen 8
9 Art. 8 Rom III-VO Mangels einer Rechtswahl gemäß Artikel 5 unterliegen die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes: a) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder anderenfalls b) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder anderenfalls c) dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder anderenfalls d) dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts. 9
10 Art. 5 Rom III-VO (1) Die Ehegatten können das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht durch Vereinbarung bestimmen, sofern es sich dabei um das Recht eines der folgenden Staaten handelt: a) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder b) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder c) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt, oder d) das Recht des Staates des angerufenen Gerichts. 10
11 Pasquale Stanislao Mancini 11
12 Zusammenfassung I. (Zuständigkeit des österreichischen Gerichts: Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO) II. Anwendbares Recht: Rom III-VO 1. Rechtswahl Art. 5 Abs. 1 (-) 2. objektive Anknüpfung, Art. 8 a) beidseitiger gemeinsamer Aufenthalt, lit. a (-) b) letzter beidseitiger gemeinsamer Aufenthalt, lit. b (+) Malta c) Art der Verweisung: Art. 11 (kein renvoi) Scheidbarkeit (-), da keine gerichtliche Trennung erfolgte oder die beiden seit fünf Jahren getrennt leben 12
13 In der mündlichen Verhandlung erklärt F, sie gestünde gerne ein, dass die Ehe unheilbar zerrüttet sei. M erwidert, dass er dies ebenso sieht und auch eine Vereinbarung im Sinne des 55a Abs. 2 EheG vorformuliert hätte. F liest diese mit ihrem Anwalt durch und ist einverstanden. Sie unterzeichnen die Vereinbarung. Das Gespräch wird gerichtlich protokolliert, wie dies in der österreichischen Verfahrensordnung vorgesehen ist. Ändert dies die Rechtslage? 13
14 Vorüberlegungen 14
15 Art. 5 Rom III (1) Die Ehegatten können das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht durch Vereinbarung bestimmen, sofern es sich dabei um das Recht eines der folgenden Staaten handelt: [ s.o.] (2) Unbeschadet des Absatzes 3 kann eine Rechtswahlvereinbarung jederzeit, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, geschlossen oder geändert werden. (3) 1 Sieht das Recht des Staates des angerufenen Gerichts dies vor, so können die Ehegatten die Rechtswahl vor Gericht auch im Laufe des Verfahrens vornehmen. 2 In diesem Fall nimmt das Gericht die Rechtswahl im Einklang mit dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts zu Protokoll. 15
16 Informationen gem. Art. 17 Abs. 2 Rom III (Wissen nicht klausurrelevant) Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen _separation-356-at-de.do?member=1 Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen mmunicationshtml_de.htm (wird aber eingestellt) 16
17 17
18 18
19 Vertiefung IPR - 5 Ehescheidung 9. Mai 2016 Dr. Susanne L. Gössl, LL.M. (Tulane) 19
20 Problem: Ausdrückliche Erklärung 11 (österreichisches) IPRG (1) Eine Rechtswahl der Parteien ( 19, 35 Abs. 1) bezieht sich im Zweifel nicht auf die Verweisungsnormen der gewählten Rechtsordnung. (2) Eine in einem anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl ist unbeachtlich. (3) [...] 20
21 Artikel 6 Rom III-VO Einigung und materielle Wirksamkeit (1) Das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung oder einer ihrer Bestimmungen bestimmen sich nach dem Recht, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn die Vereinbarung oder die Bestimmung wirksam wäre. [ ] 21
22 Art. 6 (1) Rom III-VO 22
23 Abwandlung I. Möglichkeit der Rechtswahl gem. Art. 5 Abs. 1 Rom III 1. Zeitpunkt der Rechtswahl Art. 5 Abs. 2 Rom III (-) 2. Ausnahme: nationale Bestimmung Art. 5 Abs Rechtswahl i.s.d. Art. 5 Abs. 1 lit. c) oder d) konludent (+) II. Formvorgaben 1. Art. 5 Abs. 3 S. 2 (+) 2. Art. 7 Abs. 2 [ Problem ausdrückliche Rechtswahl als besondere Formvorschrift eher Frage der Einigung Art. 6] Wahl österreichischen Rechts formwirksam III. Rechtswahl: ausdrücklich oder konkludent? Art. 6 Abs. 1 österreichisches Recht (-) (str., ob der Richter Hinweis bzgl. Rechtswahl erteilen darf) 23
24 Fall 2: M und F stammen aus Afghanistan und sind nach dortigem Recht wirksam verheiratet. Sie ziehen nach Saudi-Arabien. Dort erkennen sie, dass sie besser zukünftig getrennter Wege gehen. Mit Einverständnis der F spricht daher M gegenüber der F dreimal das Wort talaq aus und sie trennen sich auch faktisch. Kurze Zeit später läuft bei beiden das Visum aus. Sie gelangen schließlich nach Deutschland. Sind M und F in Deutschland noch verheiratet? Anmerkung: Nach islamischem Recht, welches sowohl in Afghanistan als auch Saudi-Arabien gilt, wird mit dem dreimaligen talaq -Ausspruch eine Ehe wirksam mit ex nunc-wirkung beendet. 24
25 Vorüberlegungen 25
26 1564 BGB Scheidung durch richterliche Entscheidung Eine Ehe kann nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe ist mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Die Voraussetzungen, unter denen die Scheidung begehrt werden kann, ergeben sich aus den folgenden Vorschriften. 26
27 Artikel 10 Rom III Sieht das nach Artikel 5 oder Artikel 8 anzuwendende Recht eine Ehescheidung nicht vor oder gewährt es einem der Ehegatten aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, so ist das Recht des Staates des angerufenen Gerichts anzuwenden. 27
28 Lösungshinweise I. Anwendbarkeit der Rom III-VO - Scheidung (=Eheauflösung mit ex nunc-wirkung) - (P): Privatscheidung erfasst? (str., h.m. (+)) II. Rechtswahl, Art. 5 (-) III. Art. 8 Rom III-VO gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt: Saudi- Arabien IV. Art. 10 Rom III-VO: gleichberechtigter Zugang zur Scheidung - (P) gleichberechtiger Zugang str., ob abstrakte oder konkrete Kontrolle - e.a.: Spezialanordnung des ordre public konkrete Ergebniskontrolle - a.a.: Sondervorschrift, abstrakt auf Regelungen abzustellen V. Folge (a.a. vertretbar): Anwendung deutschen Rechts (Sachnormverweisung) 1564 BGB: Scheidungsmonopol der Gerichte (vgl. auch Art. 17 II EGBGB) keine wirksame Scheidung 28
29 Literatur Stürner, Die Rom III-VO ein neues Scheidungskollisionsrecht, JURA 2012, 708 OLG München, Wx 146/14, IPRax 2016, 158 (m. Anm. Weller/Hauber/Schulz, 123 ff.) Gössl, BeckOGK, 1. Ed. 2016, Rom III-VO Art. 1: Rn ( Scheidung ) Art. 10: Rn ( ungleicher Zugang zur Scheidung ) Art. 5: Rn. 2 ff. 29
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