Keynote. Chancen und Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen. Horst-Werner Maier-Hunke. Präsident
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1 Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e.v. Keynote Chancen und Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen Horst-Werner Maier-Hunke Präsident Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen Integrationspolitischer Kongress Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag NRW Wir alle sind NRW! Migration. Heimat. Vielfalt. 20. Februar 2016 Es gilt das gesprochene Wort.
2 Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben mich eingeladen, um aus Sicht der nordrhein-westfälischen Wirtschaft über die Chancen und Herausforderungen der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit zu sprechen. Zu Beginn aber einige grundsätzliche Bemerkungen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte in unserem Land: Mit der Bewältigung der Flüchtlingsströme stehen wir vor der größten gesamtgesellschaftlichen Herausforderung seit der Wiedervereinigung! Ich habe daher viel Verständnis für so manche Ängste und Sorgen in der Bevölkerung. Als Bürger dieses Landes, aber auch als Unternehmer sage ich ganz klar: Ich bin gegen starre Obergrenzen bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen! Wer vor Krieg, Vertreibung oder politischer Verfolgung aus seiner Heimat flieht, verdient unseren Schutz. Die Gewährung von Asyl ist und bleibt ein Grundrecht! Und daher ist es für mich auch selbstverständlich, jeder Form von Hass, Beleidigung oder Gewalt gegen Asylsuchende entschieden entgegen zu treten. Deutschland ist ein starkes und reiches Land. Ich stelle aber auch ganz deutlich fest: Unsere Möglichkeiten sind nicht unbegrenzt: Wer nicht als Asylbewerber anerkannt wird, der muss unser Land auch wieder verlassen. Das ist nötig, um Menschen, die wirklich vor Krieg und Terror flüchten, dauerhaften Schutz bieten können. Die vielen Menschen, die aber langfristig in Deutschland bleiben werden, müssen wir so schnell und so gut wie möglich in unsere Gesellschaft integrieren. Und natürlich ist hierbei der frühzeitige Sprung in Ausbildung und Beschäftigung ein ganz zentraler Baustein. 2
3 Chancen und Herausforderungen Grundsätzlich gilt: Flüchtlinge haben auf dem deutschen Arbeitsmarkt gute Chancen und Möglichkeiten. Als Unternehmer füge ich hinzu: Unsere Werkstore stehen offen - sei es für Einstiegsqualifizierungen, Praktika, Berufsausbildungen und reguläre Beschäftigungen. Und ich sage auch: Nicht unmittelbar, aber langfristig gesehen, werden Flüchtlinge auch dazu beitragen können, den Mangel an Fachkräften zu lindern. Die Integration von Flüchtlingen ist zwar kein Ersatz, kann aber sehr wohl eine Ergänzung zu einer gesteuerten und arbeitsmarktorientierten Zuwanderung von Fachkräften sein. Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe auch deshalb, weil deutlich mehr als 70 Prozent der Flüchtlinge einen niedrigen Bildungsstand auf weisen. Viele von ihnen verfügen weder über formale Qualifikationen noch verstehen sie unsere Sprache oder können unsere Schriftzeichen erkennen. Als erstes heißt das also: Sprache lernen! Sprache und Bildung Hier geschieht zwar schon einiges: In nahezu allen Städten und Gemeinden des Landes hören wir aber, dass das Angebot bei weitem nicht ausreicht. Bund und Land müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Angebote weiter massiv ausgebaut werden. Und ebenso gilt: Flüchtlinge müssen diese Angebote dann auch verbindlich annehmen. Außerdem müssen Flüchtlingskinder schnell in unsere Schulen. Das ist gelebte Integration. Auch hier müssen wir noch mehr tun: Etwa an den Berufskollegs mit zusätzlichen Internationalen Förderklassen. Noch mehr Flüchtlinge sind nicht mehr im schulpflichtigen Alter. Sie müssen jetzt gezielt auf Ausbildung und Beschäftigung vorbereitet werden - und gleichzeitig wie alle anderen unsere Sprache lernen. Das Förderzentrum für Flüchtlinge ist ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber 500 Plätze zum Schuljahresbeginn 2016 können dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, dafür sind es einfach zu viele! 3
4 das sind gewaltige Herausforderungen, für die das Land mehr Lehrer einstellen muss. Der angekündigte Stellenausbau ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wahrscheinlich wird das aber noch nicht reichen. In jedem Fall kosten mehr Lehrer auch mehr Geld. Angesichts begrenzter finanzieller Mittel wird es daher zunehmend erforderlich sein, noch stärker Prioritäten zu setzen. Berufsorientierung und duale Berufsausbildung Ganz wichtig ist für viele Flüchtlinge die Berufsorientierung: Viele junge Menschen haben keine Vorstellungen von unseren Berufsbildern, von Ausbildungswegen und von den damit verbundenen Perspektiven. Das müssen wir ihnen erklären. Geeignete Instrumente haben wir bereits sie müssen jetzt auch auf die Flüchtlinge angewandt werden. So etwa die Standard-Elemente von Kein Abschluss ohne Anschluss in den allgemeinbildenden Schulen, die auch geflüchteten Menschen offen stehen müssen. In den Internationalen Förderklassen der Berufsschulen könnten ähnliche Elemente eingeführt werden. Ein richtiges Pfund ist die duale Berufsausbildung das deutsche Erfolgsmodell schlechthin. Warum also machen wir die duale Ausbildung bei jungen Flüchtlingen nicht bekannter und nehmen sie machen in die Curricula der Integrationskurse auf? Wir müssen auch damit beginnen, Einstiegsbarrieren abzubauen. Bisher darf ein Bewerber, der das 21. Lebensjahr überschritten hat, keine qualifizierte Berufsausbildung mehr beginnen. Bei der Integration von Flüchtlingen hilft uns das nicht weiter, denn jeder zweite ist älter. Deshalb sollten wir dringend über die Abschaffung dieser Altersgrenze nachdenken. 4
5 Ein weiteres Beispiel: Warum öffnen wir nicht das gesamte Förderinstrumentarium der Berufsausbildung frühzeitig für Flüchtlinge und nicht erst ab 15 Monaten? Engagement der Wirtschaft zur Arbeitsmarktintegration wir Unternehmer haben früh unsere Bereitschaft signalisiert, einen wichtigen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen zu leisten. Und es passiert etwas: In der letzten Woche ist beispielsweise die Integrations-Initiative der deutschen Wirtschaft Wir zusammen vorgestellt worden mit einer Vielzahl von Projekten. Das ist vorbildlich! Aber wir müssen jetzt alles dafür tun, dass unternehmerische Initiativen wie diese nicht durch mangelnde Organisation und Kooperation von Behörden gehemmt werden. Von Unternehmer-Kollegen höre ich zum Beispiel, dass sie ihre angebotenen Arbeitsplätze nicht besetzen können, weil ihnen die entsprechenden Kandidaten fehlen. Dass muss sich ändern. Mit den Integration Points hat die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in kurzer Zeit eine flächendeckende Vernetzungs- und Kooperationsstruktur in Nordrhein-Westfalen aufgebaut. Diese Struktur müssen wir jetzt effizient nutzen. Kooperationsprojekte unterstützen Was ist jetzt zu tun? Wenn ein junger Flüchtling zu uns kommt, müssen wir als erstes feststellen was er kann. Dann müssen wir ihm helfen unsere Sprache zu erlernen und danach so qualifiezieren, dass er auch einen Beruf erlernen kann. Und genau so gehen wir bei einem Projekt in meiner Heimat vor. Hier hat der Märkische Arbeitgeberverband in Kooperation mit der Agentur für Arbeit, der Ausbildungsgesellschaft Mitte Lenne, den Euro-Schulen in Iserlohn und vielen Praktikumsbetrieben ein mehrmonatiges Programm zur be- 5
6 ruflichen Qualifizierung von Flüchtlingen mit ergänzender Sprachförderung auf die Beine gestellt. Ich wünsche mir mehr dieser Kooperationen in NRW. Eigentlich ist es ganz einfach. Setzen wir doch alle regionalen Akteure an einen Tisch und lassen wir sie Projekte wie diese entwickeln. Je mehr Politik hier unterstützt, desto besser gelingt Integration. ebenso klar sage ich aber auch: In das Thema Praktika muss endlich mehr Bewegung kommen. Hier geht es mir weder um Lohndumping noch um Lohndrückerei. Unbestritten ist doch, dass Flüchtlinge, die als Praktikanten in unsere Betriebe kommen, nicht binnen drei Monaten unsere Sprache, unsere Werte und unsere betrieblichen Abläufe verstanden haben können. Deshalb bin ich dafür, diese Frist mindestens zu verdoppeln. Wenn sie danach ebenso Produktiv arbeiten wie ihre deutschen Kollegen, ist eine gleiche Entlohnung selbstverständlich. Dazu stehe ich! Beschäftigung in der Zeitarbeit Hemmnisse erleben wir auch in der Zeitarbeit. Dabei ist es längst bewiesen, dass Zeitarbeit ein guter Weg ist, um erste Erfahrungen mit betrieblichen Strukturen zu machen und praktische Fertigkeiten zu erlernen. Dieser Weg ist Asylbewerbern jedoch verschlossen, die erst nach 15 Monaten beschäftigt werden dürfen. Wenn die Politik es wirklich ernst meint mit einer schnellen Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, dann muss sie dieses Beschäftigungsverbot abschaffen. Ländlicher Raum biete Chancen nach oft tausenden Kilometern Flucht, müssen Menschen auch erst lernen, wieder sesshaft zu werden. Dabei müssen wir ihnen helfen. Und darauf achten, Flüchtlinge fair innerhalb Deutschlands zu verteilen. Wir brauchen keine Gettos in den Großstädten, sondern wir müssen sicherstellen, dass 6
7 Asylsuchende und Geduldete gerade in ländlichen Regionen bleiben. Denn vor allem hier sind Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu finden. Schlußbemerkung mir ist wichtig, dass Sie wissen, dass die Unternehmen in NRW an der Seite der Politik stehen, wenn es darum geht, Flüchtlinge in unser Land zu integrieren. Wir wissen um unsere Verantwortung und nhemen sie auch wahr. Dies gelingt umso besser, wenn wir merken, dass die Politik uns dabei unterstützt durch den Abbau von Bürokratie, durch effizientes Handeln in den Behörden. Vor allem aber brauchen wir das Signal, dass sich die Landespolitik jetzt auf das Wesentliche konzentriert. Denn eines ist klar: Wir werden die Integration hunderttausender Flüchtlinge in NRW nur mit einer starken Wirtschaft bewältigen. Deshalb appelliere ich an Sie, alles zu unterlassen, was Investitionen in Arbeitsplätze am Standort NRW hemmt. Denn diese Investitionen brauchen wir in Nordrhein-Westfalen, wenn wir die Herausforderung gemeinsam erfolgreich meistern wollen. Vielen Dank! 7
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