Vitaminhaushalt und Dialysetherapie. H. Prophet, A Michelsen, D Hofmann, G Weber, JM Schneidewind, M Tiess, W Ramlow, RE Winkler

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1 Vitaminhaushalt und Dialysetherapie H. Prophet, A Michelsen, D Hofmann, G Weber, JM Schneidewind, M Tiess, W Ramlow, RE Winkler

2 Bedeutung der Vitamine * Vitamine als Kofaktoren für den Zwischenstoffwechsel aller Lebewesen * mangelnde menschliche Fähigkeit zur Vitaminsynthese * Vitamine agieren meist im Verbund * traditionelles Konzept: Vitaminmangel verursacht Störungen * aber auch Überangebot kann Krankheitssymptome auslösen

3 Vereinfachtes Schema der Vitaminwirkungen Thiamin (B1) Pyridoxin(B6) Panthotensäure Kohlenhydrate Aminosäuren Fett Niacin Riboflavin(B2) Protein Niacin Biotin Cobalmin(B12) Folsäure Pyridoxin Nukleinsäuren

4 Therapeutischer Vitaminbedarf *Gesunde Individuen mit ausgewogener Diät benötigen wahrscheinlich keine Vitamine * Bedarf besteht dagegen bei: - strengen Dietregimen - Alkoholismus - Malabsorptionssyndromen - chron. Krankheiten/schlechter Ernährung (Geriatrie) - Nierenkrankheiten/Dialysetherapie * Bsp.: in einem New Yorker Krankenhaus hatten bei Überprüfung 80% der Patienten ein Defizit bei B-Vitaminen und 47% bei Folsäure

5 Beeinflußung des Vitaminbedarfs bei Niereninsuffizienz 1) Diät: Dialysekost ist vitaminarm (besonders B-Vitamine, da deren Aufnahme zum Teil an die Kaliumaufnahme gebunden ist) 2) Krankheit: die Niereninsuffizienz selbst stört über Urämieprodukte die Vitaminaktivität und -absorption 3) Medikamente: eine Vielfalt der Mittel in der multimorbiden Patientengruppe der Dialysepatienten beeinflußen den Vitaminstoffwechsel (besonders B-Vitamine und Folsäure) 4) Dialyse: Vitaminverlust durch Dialyse selbst

6 Fettlösliche Vitamine: A Mangelerscheinungen an Vitamin A sind generell bei HD / PD eher selten. Besonders neigt Vitamin A erwiesenermaßen zu Akkumulation, wenn es zusätzlich zugeführt wird. CAVE: Vitamin A-Gabe ist bei Dialysepatienten kontraindiziert Symptome einer Hypervitaminose A: * Anorexie * trockene, juckende Haut * Haarverlust * Kopfschmerz * Hyperkalzämie * Hypertriglyzeridämie * Anämie Schwierigkeit, diese Symptome von allgemeinen Urämiesymptomen zu unterscheiden

7 Fettlösliche Vitamine: Beta-Carotinoide (Vitamin A-Vorstufen) * antioxidative Wirkung * wichtig für Haut, Schleimhäute, Augen * kaum Daten über Nierenpatienten * keine bekannte Toxizität, aber mögliches langfristiges CA-Risiko bei Überangebot * Tendenz zur Akkumulation * Nahrung sollte ausreichend Carotinoide enthalten CAVE: Substitution nicht empfehlenswert, bevor nicht neue Forschungsergebnisse vorliegen

8 Fettlösliche Vitamine: E * Akkumulationstendenz vorhanden * antioxidative und membranstabilisierende Wirkung * wichtig für Nerven und Muskulatur und normale Schwangerschaft * möglicherweise effektiv gegen Juckreiz und Muskelkrämpfe * Rolle in der Blutgerinnung * Vitamin E in der Nahrung höchstwahrscheinlich ausreichend, keine zusätzliche Gabe vonnöten

9 Fettlösliche Vitamine: D und K Vitamin D: - hat eigentlich Hormoncharakter - essentiell für Knochenstoffwechsel und Elektrolythaushalt - häufige Substitution bei renaler Osteoarthropathie aufgrund verminderter Bildung in der Niere Vitamin K: - auch antihämorrhagisches Vitamin - Koenzym bei der Bildung einiger gerinnungsaktiver Substanzen in der Leber (II, VII, IX, Protein C,S) - kein Verlust bei der Dialyse CAVE: Vit.K-Gabe kontraindiziert

10 Wasserlösliche Vitamine: C (Ascorbinsäure) * Vitamin C (wie alle wasserlöslichen Vitamine) wird bei der Dialyse entfernt - Verlust zwischen mg pro Behandlung Mehrheit der Patienten ist ohne Zugabe unterversorgt * Bedeutung bei der Kollagensynthese (z.b. Narbenbildung, Wundheilung), optimalen Eisenverwertung (Anämie!), für Gefäßschutz und als Antioxidanz * Zitrusfrüchte sind wegen des hohen Kaliumgehalts eingeschränkt * Vitamin C sollte substituiert werden

11 Wasserlösliche Vitamine: C Risiko der Überdosierung: 1) prooxidative Wirkung bei Eisenimbalance 2) Oxalose: * Großteil der Oxalsäure wird aus Vitamin C gebildet * außerdem allgemein erhöhte Plasmaspiegel bei Dialysepatienten Oxalatkristallablagerung in Geweben führt zu: * Shunt-Versagen * Muskelschwäche * peripheren Ulcera * ev. Erhöhung des Infarktrisikos * Ablagerung in Knochen Fazit: keine Überdosierung empfohlene Dosierung: 60 mg/d (USA)

12 Wasserlösliche Vitamine: Folsäure und B12 Wirkung: * Kofaktoren für Synthese von Nukleinsäuren * Beteiligung am Fett-und Kohlenhydratstoffwechsel * B12 wichtig für Funktion des Nervensystem * Bedeutung für Bildung von Erythrozyten ( Anämieschutz)

13 Wasserlösliche Vitamine: Folsäure und B12 bei Dialysepatienten: * hoher Folsäureverlust während der Dialyse * B12-Verlust über Dialysator eher gering * erhöhter Bedarf durch - Behinderung der Absorption (v.a. B12 bei erniedrigter HCL-Produktion des Magens) - Behinderung der Aktivität der Vitamine durch Urämieprodukte - Interaktionen mit Medikamenten Ziel: Folsäure: 0,8-1,0 mg/d B12: 6 ug/d

14 Wasserlösliche Vitamine: B6 (Pyridoxin) * Kofaktor in über 60 Transaminierungsreaktionen * aktiver Metabolit: Pyridoxalphosphat * essentiell im Lipid- und Proteinstoffwechsel * auch wichtig in Kooperation mit Folsäure und B12 bei der Erythrozytensynthese * B6 ist nur gering dialysabel, ist aber trotzdem zu niedrig bei Prädialyse- und Dialysepatienten Ziel: Substitution mit mind. 10 mg/d

15 Homocystein Mangel an Vit. B6, B12 und besonders Folsäure kann zum Anstieg von Homocystein im Plasma führen. (Nutzen als indirekter Marker fürvitaminmangel) Homocystein: * Zwischenprodukt des Aminosäurenstoffwechsels * unabhängiger Risikofaktor für Atherosklerose (nachgewiesen in ca. 20 Studien) * 12% aller Patienten mit KHK * 42% aller Patienten mit peripherer und zerebraler arterieller Verschlußkrankheit Folsäuregabe senkt nachweislich Homocysteinkonz.

16 Homocysteinmetabolismus Homocystein Cystathion Cystein B6 Methionin 5-Methyl-Tetrahydrofolsäure (Methyl-Gruppen-Donor B12 für Nukleinsäurenbildung) Tetrahydrofolsäure

17 Wasserlösliche Vitamine: B1 (Thiamin) und B2 (Riboflavin) Vit. B1: * Vorkommen: Getreide, Hülsenfrüchte, Leber * essentiell für Kohlenhydratstoffwechsel * bei Mangel: - Beri-Beri (große Schwäche) - neurolog. Symptome (Lähmungen, Konz.-schwäche) - bei Alkoholikern Wernicke-S., Korsakow * Substitution sollte erwogen werden, da Mangel häufig (ca.1,5 mg/d) Vit. B2 * Bedeutung für Elektronentransport in der Atmungskette * Mangel: - Keratitis, Linsentrübungen * Substitution empfohlen (1,7 mg/d)

18 Wasserlösliche Vitamine: H (Biotin), B3 (Pantothensäure), Nicotinsäure (Niacin) Biotin * CO2-Fixation, Fettsäurestoffwechsel, Wachstum * bei Mangel: Dermatitis, Schwäche * empfohlene Menge bei Substitutionsbedarf: 300 ug/d Pantothen-Säure * Vorkommen: Gemüse, Getreide, Innereien, Hefe * Acyl-Gruppen-Träger * bei Mangel: - Wachstumsbeeinträchtigung * empfohlene Substitutionsdosis: 10 mg/d Niacin * Mangel: - Pellagra (ZNS-Störungen, Encephalopathie, Dermatitis) * Elektronentransport * Dosisempfehlung: 20 mg/d

19 Allgemeine Überlegungen zur Vitamingabe bei Nieren- und Dialysepatienten Ist Vitamintherapie wirklich vonnöten? Welche Dosis ist für den angestrebten Effekt ausreichend? Ziele: 1) Vitaminhaushalt normalisieren 2) Unterversorgung vorbeugen 3) pathologische Zustände behandeln 4) keine pathologischen oder toxischen Zustände auslösen