Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität Bericht aus der Enquete-Kommission. Norbert Reuter
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1 Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität Bericht aus der Enquete-Kommission Norbert Reuter Brannenburger Forum für nachhaltige Entwicklung 2012
2 Gliederung 1. Das Bruttoinlandsprodukt Definition und Probleme 2. Dilemmas des Wachstums 3. Dimensionen des Wohlstands 4. Wohlstandsindikatoren 5. Vier grundlegende Wachstumspositionen 6. Die Enquete-Kommission 7. Fazit 2
3 Das Bruttoinlandsprodukt Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist Ø (1) der Wert (in Geldeinheiten) der Ø (2) im Inland Ø (3) in einem bestimmten Zeitraum Ø (4) über den Markt produzierten Waren und Dienstleistungen (abzüglich Vorleistungen). 3
4 Das Wachstum des BIP Um das Wachstum des BIP zu ermitteln, wird das BIP eines Jahres mit dem BIP des vorangegangenen Jahres verglichen ( nominal oder real ). Um reale Entwicklungen vergleichen zu können, werden Preisveränderungen heraus gerechnet, d.h. das BIP wird preisbereinigt bzw. deflationiert. Hierbei wird auch versucht, Qualitätsveränderungen zu berücksichtigen ( mehr vom Gleichen vs. verbesserte Produktqualität und zunehmende Produktvielfalt ). Die errechnete Veränderung wird als prozentualer Wert ausgewiesen (z.b. +3,5 %) (à Wachstum, Stagnation oder Schrumpfung). 4
5 Wachstumsraten in Deutschland Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik 12% 10% 8% 6% 4% 2012/13: Prognosen 2% 0% -2% -4% -6% Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Prognose 2012/13: IMK, Sommer
6 Wachstumsraten in Deutschland Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik 12% 10% 8% 6% 4% 2012/13: Prognosen 2% 0% -2% -4% -6% Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Prognose 2012/13: IMK, Sommer
7 Reales Bruttoinlandsprodukt Veränderungen gegenüber Vorjahren in v.h./10-jahres-durchschnitte 9% 8% 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% 0% *1960er-1980er: Westdeutschland Quelle für Grunddaten: Ameco-Datenbank; EU-15 bis 1980er Jahre: Sachverständigenrat (eigene Berechnungen) 7
8 12% Wachstumsraten in Deutschland Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts 10% 8% 6% 4% 2012/13: Prognosen 2% 0% -2% -4% -6% Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Prognise 2012/13: Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr
9 12% Wachstumsraten in Deutschland Reale Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts 10% 8% 6% 4% 2012/13: Prognosen 2% 0% -2% -4% -6% Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Prognise 2012/13: Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr
10 Defizite der BIP-Messung Nicht erfasst werden Arbeiten, die unentgeltlich insbes. in privaten Haushalten oder Organisationen ohne Erwerbszweck geleistet werden. Wohlstandsaspekte wie der Umfang von Arbeitsund Freizeit, die Verteilung der Einkommen und die Qualität der Lebensumstände finden keine Berücksichtigung. Es liefert keine Informationen über die Belastung und die Schädigung der Natur und der Menschen durch die Produktion. Berücksichtigt werden nur Bedürfnisse, die als zahlungsfähige Nachfrage geäußert werden (können). 10
11 Dilemmas des Wachstum 11
12 Dilemmas des Wachstum Einerseits ist Wachstum die Voraussetzung für höhere Einkommen; andererseits sind in den letzten Dekaden trotz Wachstums die Einkommen der Beschäftigten nicht mehr gestiegen; Einerseits ermöglicht Wachstum den Kauf vom mehr Waren und Dienstleistungen (mehr Wohlstand); andererseits hat Wachstum negative Folgen für Mensch und Umwelt (weniger Wohlstand); Einerseits wird Wachstum als notwendig zur Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen, andererseits ist konstantes (= exponentielles) Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich; 12
13 Verteilungsdilemma Wachstum Einerseits ist Wachstum die Voraussetzung für höhere Einkommen; andererseits sind in den letzten Dekaden trotz Wachstums die Einkommen der Beschäftigten nicht mehr gestiegen; Einerseits ermöglicht Wachstum den Kauf vom mehr Waren und Dienstleistungen (mehr Wohlstand); andererseits hat Wachstum negative Folgen für Mensch und Umwelt (weniger Wohlstand); Einerseits wird Wachstum als notwendig zur Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen, andererseits ist konstantes (= exponentielles) Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich; 13
14 Einkommensentwicklung in Deutschland preisbereinigte Entwicklung % 135% 130% Unternehmens- und Vermögenseinkommen 125% 120% 115% Prognose Gemeinschaftsdiagnose 110% 105% 100% Arbeitnehmerentgelte 95% Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Prognose: Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2012, eigene Preisbereinigung (Verbraucherpreise)
15 Wohlstandsdilemma Wachstum Einerseits ist Wachstum die Voraussetzung für höhere Einkommen; andererseits sind in den letzten Dekaden trotz Wachstums die Einkommen der Beschäftigten nicht mehr gestiegen; Einerseits ermöglicht Wachstum den Kauf vom mehr Waren und Dienstleistungen (mehr Wohlstand); andererseits hat Wachstum negative Folgen für Mensch und Umwelt (weniger Wohlstand); Einerseits wird Wachstum als notwendig zur Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen, andererseits ist konstantes (= exponentielles) Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich; 15
16 Umweltdilemma Wachstum Einerseits ist Wachstum die Voraussetzung für höhere Einkommen; andererseits sind in den letzten Dekaden trotz Wachstums die Einkommen der Beschäftigten nicht mehr gestiegen. Einerseits ermöglicht Wachstum den Kauf vom mehr Waren und Dienstleistungen (mehr Wohlstand); andererseits hat Wachstum negative Folgen für Mensch und Umwelt (weniger Wohlstand). Einerseits wird Wachstum als notwendig zur Stabilität der wirtschaftlichen Entwicklung gesehen, andererseits ist konstantes (= exponentielles) Wachstum auf einem begrenzten Planeten nicht möglich. 16
17 Wenn alle Menschen so leben würden wie die Menschen in den OECD- Staaten, bräuchten wir vier Erden.
18 Wer glaubt, in einem physikalisch begrenzten System für immer wachsen zu können, ist entweder ein Idiot, oder. Kenneth Boulding (1966), einer der Gründerväter der ökologischen Ökonomik ver.di/bereich Wirtschaftspolitik
19 Wer glaubt, in einem physikalisch begrenzten System für immer wachsen zu können, ist entweder ein Idiot, oder ein Ökonom. Kenneth Boulding (1966), einer der Gründerväter der ökologischen Ökonomik ver.di/bereich Wirtschaftspolitik
20 Potentielle Exponentielles und reale Entwicklung Wachstumdes BIP potentielles Bruttoinlandsprodukt bei einem jährlichen Wachstum von 4% Mrd. Euro Jahre 20
21 Potentielle Exponentielles und reale Entwicklung Wachstumdes BIP potentielles Bruttoinlandsprodukt bei einem jährlichen Wachstum von 4% Mrd. Euro Versiebenfachung in nur 50 Jahren! Jahre 21
22 Potentielle Exponentielles und reale Entwicklung Wachstumdes BIP potentielles Bruttoinlandsprodukt bei einem jährlichen Wachstum von 4% Mrd. Euro Versiebenfachung in nur 50 Jahren! Verfünfzigfachung in 100 Jahren!! Jahre 22
23 3000 Bruttoinlandsprodukt Deutschland (real, saison und kalenderbereinigt, in Preisen von 1970) 2500 in Milliarden Euro nominal 500 real, in Preisen von Quelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und eigene Berechnungen 23
24 3000 Bruttoinlandsprodukt Deutschland (real, saison und kalenderbereinigt, in Preisen von 1970) 2500 in Milliarden Euro Exponentielles Wachstum von 4 Prozent jährlich nominal 500 real, in Preisen von Quelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und eigene Berechnungen 24
25 3000 Bruttoinlandsprodukt Deutschland (real, saison und kalenderbereinigt, in Preisen von 1970) 2500 in Milliarden Euro Exponentielles Wachstum von 4 Prozent jährlich nominal 500 real, in Preisen von Quelle: Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und eigene Berechnungen 25
26 Wie weiter mit dem Wachstum? 26
27 27
28 Produktivität und demografischer Wandel* Deutsches Bruttoinlandsprodukt insgesamt und pro Kopf Mrd Mrd Mrd Mrd Mrd Mrd Bruttoinlandsprodukt in Euro Mrd. Euro *Annahmen: Variante 1 - W1 der 12. koord. Bev.v.berechnung Erwerbstätigkeit: 75% der 15-65jährigen Erwerbstätigenproduktivität: 1,0% / Jahr Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Datengrundlage: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden
29 Produktivität und demografischer Wandel* Deutsches Bruttoinlandsprodukt insgesamt und pro Kopf Mrd Mrd Mrd Mrd Mrd Mrd. Bruttoinlandsprodukt in Euro Mrd. Euro *Annahmen: Variante 1 - W1 der 12. koord. Bev.v.berechnung Erwerbstätigkeit: 80% der 15-65jährigen ab 2020 Erwerbstätigenproduktivität: 1,0% / Jahr Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Datengrundlage: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden
30 in Euro Mrd Produktivität und demografischer Wandel* Deutsches Bruttoinlandsprodukt insgesamt und pro Kopf Mrd Bruttoinlandsprodukt Mrd Mrd Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Mrd Mrd Annahmen: Variante 1 - W1 der 12. koord. Bev.v.berechnung - Geburtenhäufigkeit: 1,4 Kinder je Frau - Lebenserwartung: Basisannahme - Wanderungssaldo: ab 2014 Erwerbstätigkeit: 80% der 15-65jährigen ab 2020 Erwerbstätigenproduktivität: 1,8% / Jahr Mrd. Euro *Grundlage der Berechnungen ist die Variante 1- W- 1 der 12. amtlichen Bevölkerungsprognose; unterstellt ist, dass im Prognosezeitraum statt 75% der 15-65jährigen wie 2010 ab % arbeiten, und die Produktivität je Erwerbstätigem um 1,8 Prozent pro Jahr steigt. Datengrundlage: Statistisches Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden
31 Sinndilemma Wachstum Ab einem bestimmten Versorgungsniveau mit Waren und Dienstleistungen lässt sich zudem kein Steigen des Wohlbefinden der Menschen mehr nachweisen; 31
32 190 Lebenszufriedenheit und Wachstum in Deutschland = Bruttoinlandsprodukt*/Kopf Lebenszufriedenheit** *Bruttoinlandsprodukt in Kaufkrafteinheiten (Eurostat); **Lebenszufriedenheit: Prozentangaben "sehr zufrieden" und "ziemlich zufrieden" Quelle: GESIS - Zentrum für Sozialindikatorenforschung 32
33 Dimensionen des Wohlstands 33
34 Dimensionen des Wohlstands Wirtschaftliche Situation Ø BIP und BIP/Kopf Ø Einkommensverteilung Ø Vermögensverteilung Ø Höhe der Arbeitslosigkeit Ø Länge der Arbeitszeit/Freizeit 34
35 Dimensionen des Wohlstands Wirtschaftliche Situation Ø BIP und BIP/Kopf Ø Einkommensverteilung Ø Vermögensverteilung Ø Höhe der Arbeitslosigkeit Ø Länge der Arbeitszeit/Freizeit Soziale Situation Ø Soziale Sicherung im Falle von Arbeitslosigkeit oder Krankheit Ø Qualität des Gesundheitssystems Ø Ausmaß der Armut Ø Teilhabemöglichkeiten 35
36 Dimensionen des Wohlstands Politische Situation Ø Meinungsfreiheit, Pressefreiheit Ø Frieden, Sicherheit Ø Rechtsstaatlichkeit Ø demokratische Einflussmöglichkeiten 36
37 Dimensionen des Wohlstands Politische Situation Ø Meinungsfreiheit, Pressefreiheit Ø Frieden, Sicherheit Ø Rechtsstaatlichkeit Ø demokratische Einflussmöglichkeiten Gesellschaftliche Situation Ø Gleichberechtigte Teilhabe (u.a. Kinderbetreuung) Ø Bildungsmöglichkeiten Ø Gesellschaftliche Mobilität Ø Situation der Nichterwerbstätigen Ø kulturelle Vielfalt 37
38 Dimensionen des Wohlstands Ökologische Situation Ø Zustand der Umwelt (Ressourcenverbrauch, Senkenproblematik, Artenvielfalt) Ø Nachhaltigkeit der Wirtschafts- und Lebensweise 38
39 Wohlstandsindikatoren 39
40 Wohlstandsindikatoren Human Development Index (HDI) (UNDP) Ø Lebenserwartung bei Geburt Ø Alphabetisierungs- und Einschulungsquote Ø Lebensstandard gemessen am BIP/Kopf Der Gender-Related Development Index (GDI) Ø Entspricht HDI, bereinigt die Ergebnisse jedoch von geschlechtsbedingten Ungleichheiten. Ø bei Gleichheit der Geschlechter hinsichtlich der menschlichen Entwicklung wären HDI- und GDI-Wert identisch. 40
41 Wohlstandsindikatoren Ökologischer Fußabdruck Ø er misst die Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen (unter Fortführung heutiger Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen; Ø bei gegenwärtigem Verbrauch werden pro Person 2,2 ha (Hektar) beansprucht, es stehen allerdings lediglich 1,8 ha zur Verfügung; Ø dabei verteilt sich die Inanspruchnahme der Fläche sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Regionen: Ø Europa (EU-25 und Schweiz) benötigt 4,7 ha pro Person, kann aber nur 2,3 ha selber zur Verfügung stellen; Ø dieser Indikator wird hauptsächlich von grünen NGOs genutzt. 41
42 Wohlstandsindikatoren Happy Planet Index (HPI) Ø Index, der ein Maß für die ökologische Effizienz der Erzeugung von Zufriedenheit zu bilden versucht; Ø er beruht auf drei Messgrößen: Ø Lebenszufriedenheit Ø Ø Lebenserwartung ökologischer Fußabdruck Ø während die beiden ersten Indikatoren den Wohlstand anzeigen sollen, gibt der ökologische Fußabdruck Aufschluss darüber, welcher ökologische Preis hierfür zu zahlen ist; Ø dazu wird die Anzahl der erwarteten Lebensjahre mit der Lebenszufriedenheit multipliziert und durch den ökologischen Fußabdruck dividiert. 42
43 Wohlstandsindikatoren Canadian Index of Wellbeing (CIW) Kombination von subjektiven Fragen und empirische Daten Ø Lebensstandard Ø Gesundheit Ø Qualität der Umwelt Ø Bildungs- und Qualifikationsniveau Ø Zeitnutzung Ø Gemeindeleben Ø Partizipation an demokratischen Prozessen Ø Zustand von Kunst, Kultur, Erholung 43
44
45 Wohlstandsindikatoren Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission (2010) Ø Vom BIP werden soziale, menschliche und ökologische Verluste abgezogen, gleichzeitig die kostenlos angebotenen öffentlichen Dienstleistungen im Bereich von Bildung und Gesundheit hinzugezählt (jeweils bewertet in Geldeinheiten); Ø die Verteilung von Vermögen und Einkommen und damit die unterschiedlichen Chancenverteilung zwischen den sozialökonomischen Gruppen wird berücksichtigt; Ø unentgeltliche, nicht über Märkte angebotene Tätigkeiten und Ehrenarbeit werden bewertet und erfasst; Ø Gesundheit, Lebenserwartung, Bildung, persönliche Verfügbarkeit und Nutzung von Zeit sowie Umweltbedingungen und existenziellen Unsicherheiten werden erfasst; Ø ebenso das Wohlfahrtsniveaus heute und das der künftigen Generationen. 45
46 Wohlstandsindikatoren Wohlstandsquartett (M. Miegel) Ø Pro-Kopf-BIP (ökonomische Dimension) Ø Wert der pro Jahr über den Markt produzierten Güter Ø 80/20 Relation (sozio-ökonomische D.) Ø Oberen 20% der Einkommensbezieher zu den untern 20% Ø Gesellschaftl. Ausgrenzungsquote (gesellschaftl. D.) Ø Anteil der über 15-Jährigen, die sich ausgeschlossen fühlen Ø Ökologischer Fußabdruck in Relation zur Biokapazität (ökolog. D.) Ø Maß für ökologische Nachhaltigkeit der Lebensweise 46
47 Vier grundlegende Wachstumspositionen
48 Vier grundlegende Wachstumspositionen 1. Die wachstumsoptimistische Position 2. Die wachstumsrealistische Position 3. Die wachstumspessimistische Position 4. Die wachstumsablehnende Position
49 1. Die wachstumsoptimistische Position Entwicklung und Fortschritt = Wachstum Wachstum = v.a. Steigerung der Qualität Technischer Fortschritt als universeller Wachstumstreiber und Problemlöser Wachstum als Grundkonstante moderner Gesellschaften à Politik muss Wachstumspolitik sein, die die marktwirtschaftliche Dynamik fördert und nicht bremst
50 2. Die wachstumsrealistische Position Wachstumsraten gehen langfristig unumkehrbar zurück Resultat einer vorangegangenen Expansion und ökologischer Grenzen abnehmende Bedeutung materieller Güter/Wertewandel à Politik muss zunehmend Verteilungspolitik sein und andere Dimensionen des Wohlstands ermöglichen (etwa Arbeitszeitverkürzung)
51 3. Die wachstumspessimistische Position Wachstum ist zukünftig nicht mehr möglich Resultat ökologischer Grenzen wir haben über die Verhältnisse gelebt soziale Standards nicht haltbar à Politik muss zukünftig v.a. Kürzungspolitik sein
52 4. Die wachstumsablehnende Position Postwachstumsökonomie/Degrowth/ Décroissance (Wachstumsrücknahme) Wachstum ist zukünftig weder möglich noch nötig mehr Subsistenz und Eigenarbeit/weniger Erwerbsarbeit Abhängigkeit von Geld- und Fremdversorgung beseitigen mehr Suffizienz ( Frage nach dem Genug ) à Politik muss für einen Rückbau industriellarbeitsteiliger Versorgungssysteme sorgen; Boden-, Geld- und Finanzmarktreform
53 Die Enquete-Kommission
54 Die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft (seit Januar 2011)
55 Was ist eine Enquete-Kommission? eine Art demokratische Denkwerkstatt ; ein Beratungsgremium für den Bundestag; setzt sich aus Abgeordnete und Expertinnen/ Experten aus Wissenschaft und Praxis zusammen; arbeitet jenseits des politischen Tagesgeschäfts; sucht Lösungen für komplexe Probleme mit großer gesellschaftlicher Relevanz weitgehend im Konsens zu erreichen; will Diskussion in Politik und Öffentlichkeit anregen.
56 Zitate aus 1. Einsetzungsantrag SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom (zurückgezogen ) Zu Unrecht gelten daher das BIP und sein Wachstum als wichtigster Indikator einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik. Weder die sich verschärfende Klimakrise noch die Ursachen der Wirtschafts- und Finanzkrise werden vom BIP erfasst, genauso wenig wie die wachsende soziale Spaltung in unserem Land oder der Hunger in der Welt. Auftrag zu ermitteln, wie unsere europäischen Sozialstaatsmodelle auch ohne eine klassisch wachstumsorientierte Wirtschaft gestärkt werden können. Begriff der Krise kommt zehnmal vor!
57 Zitate aus Einsetzungsbeschluss CDU/ CSU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Unstreitig ist, dass das BIP soziale und ökologische Aspekte nicht hinreichend abbildet. Daraus ergeben sich Fragen, ob das Wachstum des BIP als wichtigster Indikator einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik gelten kann, und welche Möglichkeiten es gibt, einen umfassenderen ergänzenden Wohlstandsindikator zu entwickeln. Die Kommission soll prüfen, wie die Einflussfaktoren von Lebensqualität und gesellschaftlichem Fortschritt angemessen berücksichtigt werden können. Begriff der Krise kommt keinmal vor!
58 Die Enquete-Kommission WWL Am 1. Dezember 2010 vom Deutschen Bundestag beschlossen am 17. Januar 2011 konstituiert (c) DBT/Katrin Neuhauser
59 Die Enquete-Kommission Vorsitzende: Daniela Kolbe (SPD), Stellvertreter: Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Gemeinsamer Einsetzungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen 34 Mitglieder, davon 17 Mitglieder des Bundestages, die von den Fraktionen entsandt wurden, und 17 Sachverständige, die von den Fraktionen benannt wurden (jeweils entsprechend dem Stärkeverhältnis der Parteien im Bundestag) à Ziel: Schlussbericht mit Empfehlungen vor Ende der Wahlperiode (Frühjahr 2013)
60 Fünf Themenfelder der Enquete 1. Stellenwert von Wachstum in Wirtschaft und Entwicklung 2. Entwicklung eines ganzheitlichen Wohlstandsbzw. Fortschrittsindikators 3. Wachstum, Ressourcenverbrauch und technischer Fortschritt Möglichkeiten und Grenzen der Entkopplung 4. Nachhaltig gestaltende Ordnungspolitik 5. Einfluss von Arbeitswelt, Konsumverhalten und Lebensstil auf das nachhaltige Wirtschaften
61 Hauptkontroversen der Enquete Zusammenhang von BIP, Fortschritt und Wohlstand; Möglichkeiten der Entkopplung von BIP-Wachstum und Umweltproblemen; Frage der Alternativen zum/ergänzungen des BIP als Indikatoren einer guten Entwicklung; Marktwirtschaftliche Selbststeuerung versus gelenkte Entwicklung à Systemfrage à Bislang kein Konsens in Sicht, eher Zunahme von Konflikten 61
62 Fazit: Entwicklung statt Wachstum 62
63 Entwicklung statt Wachstum BIP darf keine Zielgröße (mehr) sein; Bedingungen einer nachhaltigen und sozialen Entwicklung müssen definiert werden (soziale, gesellschaftliche und ökologische Leitplanken ) z.b. max. Ungleichverteilung bei Einkommen und Vermögen Vollbeschäftigung max. Ressourcenverbrauch/CO 2 -Ausstoß staatliche Regulierung notwendig (der Finanzmärkte, des Arbeitsmarktes, der Verteilung ) v.a. Ge- und Verbote Steuer- und Abgabenpolitik öffentliche Ausgaben (Bildung, Umwelt, Infrastruktur ) Eigentumspolitik (Vergesellschaftung, öffentliche Güter) 63
64 Entwicklung statt Wachstum! Ø Ø Ø Ø Ø Ø Wachsende Bedeutung von Verteilungspolitik; Stärkung des Sozialstaats und der öffentlichen Daseinsvorsorge und Beschäftigung; Zukunftsinvestitionen in Bildung, Gesundheit und ökologischen Umbau; Stärkung von Effizienz, Konsistenz und Suffizienz; Abkehr von der Exportideologie (statt Kampf der Nationen ); demokratische Gestaltung und Regulierung statt Vorherrschaft des Kapitals ( Wirtschaftsdemokratie à Systemfrage).
65 Vielen Dank!
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