Jugendlicher Konsum. zwischen Lebenshunger, Selbstmedikation und Familientradition
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- Ina Wilhelmine Bayer
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1 Jugendlicher Konsum zwischen Lebenshunger, Selbstmedikation und Familientradition KONSTANTIN FRITSCH
2 Differenzierung von Begrifflichkeiten I Gesundheitsgefährdender Konsum: Konsummenge/ -häufigkeit mit gesundheitsgefährdendem Potenzial. Bei Alkohol: Tägliche Dosis übersteigt 12 g bei Frauen 24 g bei Männern
3 Differenzierung von Begrifflichkeiten II Missbräuchlicher Konsum: Konsummenge/ -häufigkeit hatte bereits gesundheitliche Folgen und/oder negative soziale Konsequenzen für das Leben. Bei Alkohol: Eingetretene körperliche und psychische Folgeschäden ohne, dass eine Abhängigkeit nach ICD 10 diagnostiziert ist: Alkoholdemenz, Wernicke-Korsakow-Syndrom, Polyneuropathie, Leberverfettung, Hepatitis, Leberfibrose, Leberzirrhose, Entzündung der Bauspeicheldrüse, des Magens oder des Darms, Mund-, Rachen, Kehlkopf- oder Speiseröhrenkrebs, Persönlichkeitsveränderungen, Depressionen.
4 Differenzierung von Begrifflichkeiten III Missbräuchlicher Konsum: Konsummenge/ -häufigkeit hatte bereits gesundheitliche Folgen und/oder negative soziale Konsequenzen für das Leben. Bei Cannabis: Folgen von starkem Cannabiskonsum ohne, dass eine Abhängigkeit nach ICD 10 diagnostiziert ist: Amotivales Syndrom, vermindertes Konzentrations- und Reaktionsvermögen, verminderte Fähigkeit zur schnellen Informationsverarbeitung und zum abstrakten Denken, beeinträchtigte körperliche und psychische Leistungsfähigkeit.
5 Das Abhängigkeitssyndrom ist eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln. (ICD 10)
6 Diagnostische Kriterien für eine Abhängigkeit nach ICD 10 F1X.2 In den letzten 12 Monaten müssen drei der folgenden Kriterien beobachtet worden sein: 1. Starkes Verlangen oder Zwang zu konsumieren 2. Deutliche Einschränkung oder Verlust der Kontrolle über den Substanzkonsum in Bezug auf Beginn, Dauer und Menge des Konsums 3. Körperliches Entzugssyndrom 4. Toleranzentwicklung und Dosissteigerung 5. Einengung auf den Substanzgebrauch, mit Vernachlässigung anderer Lebensbereiche 6. Anhaltender Konsum trotz körperlicher Schädigung durch den Konsum
7 Konsummotivatoren von Jugendlichen Familientradition Lebenshunger Selbstmedikation
8 Familientradition Im Rahmen des Modellernens erwerben Kinder die meisten ihrer Fertigkeiten und Ansichten durch das Kopieren des Verhaltens von erwachsenen Bezugspersonen. Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts. (wahrscheinlich) Johann Heinrich Pestalozzi
9 Gesellschaftlich anerkannte Konsummuster -Sekt zu Sylvester -Zigarette nach dem Sex -Bier zum Fußball gucken -Prosecco zum Frauenabend -Konsum zur Stressbewältigung (nach einem harten Arbeitstag, Katastrophen) -Herrentag -Oktoberfest -Initiationsriten: Konfirmation, Kommunion, Jugendweihe
10 Kinder leben in Deutschland in einem Haushalt mit mindestens einem abhängigen Elternteil, davon mit mindestens einem abhängigen Elternteil, das illegale Rauschmittel konsumiert. Drogen- und Suchtbericht 2013
11 Das bedeutet, das jedes 5. bis 6. Kind mindestens ein abhängigen Elternteil hat. In einer normalen Schulklasse mit 30 Kindern wären demnach 4-5 Kinder betroffen. Drogen- und Suchtbericht 2013
12 Für ein Kind aus einer suchtbelasteten Familie ist es unter Umständen normal, für das Überleben der Familie verantwortlich zu sein seine wahren Gefühle niemals benennen zu dürfen wenn Dealer und Abhängige zuhause ein- und ausgehen ihre Eltern und andere Erwachsene unter Alkohol-/ Drogeneinfluss und beim Konsum zu erleben teil von Beschaffungskriminalität zu werden von ihren Eltern prostituiert zu werden an Allem schuld zu sein und über all das mit niemandem sprechen zu dürfen. Möglicherweise auch viele Jahre nach den Erlebnissen. Oder nie.
13 Transmission von Abhängigkeit Das Risiko, selber abhängig zu werden, ist für Kinder abhängiger Eltern 2-3-mal höher, als für Kindern nicht Abhängiger. Die Wahrscheinlichkeit, sich eine/n abhängige/n PartnerIn zu suchen, ist für Kinder abhängiger Eltern 3-mal höher als für Kinder Nichtabhängiger. (Zobel 2006)
14 Lebenshunger In Lebenswelt vieler Jugendlicher gibt es einen anderen Wertemaßstab, als in der Kinder- und der Erwachsenenwelt. Das Wissen und die Wünsche fokussieren meistens auf die Gegenwart und das (Über-) Leben ihm Hier und Jetzt. Ich heb' mein Glas und schrei: Bye! Ich fühl mich so frei Ich will nicht mehr heim Und mir ist scheißegal was morgen kommt! CRO, Whatever
15 Lebenshunger
16 Selbstmedikation Der Einsatz psychotroper Substanzen oder gesundheitsschädigender Verhaltensweisen zur Modulation behandlungsbedürftiger Stimmungen, zur Befriedigung altersentsprechender Bedürfnisse und/oder zur Kompensation realer oder antizipierter eigener Defizite. The man said: Why do you think you here? I said: I got no idea. I'm gonna, I'm gonna lose my baby So I always keep a bottle near. He said: I just think you're depressed. This, me, yeah, baby, and the rest Amy Whinehouse, Rehab
17 Psychische Störungen, die ein Hintergrund für einen Substanzmissbrauch sein können ICD 10 F30 F39 Affektive Störungen z.b. Depressionen ->Reduktion von Grübelzwang, Selbstinsuffiziensgefühlen, Schlaflosigkeit ICD 10 F40 F48 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen z.b. Postraumatische Belastungsstörung ->Reduktion von Alpträumen, Intrusionen, Flashbacks ICD 1 F90 - F98 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend z.b. Hyperkinetische Störungen ->Sedierung, Senkung der allgemeinen Vigilanz
18 Dysfunktionaler Verstärkerkreislauf Sorgen Konsum Verschlechterung der Lebenssituation Entlastung von unangenehmen Gefühlen Probleme werden nicht gelöst und die Fähigkeit, Probleme zu lösen verringert sich.
19 Wirksame Einflussfaktoren PatienInnen entscheiden sich für oder gegen den Konsum von Tabak, Alkohol und Cannabis aufgrund: des Konsumverhaltens erwachsener Bezugspersonen in der Kindheit; des Konsumverhaltens der/des PartnerIn und anderer Peers (wobei die Auswahl der PartnerIn und Peers von deren Konsum mitbestimmt wird); des Konsumverhaltens älterer Geschwister und ähnlicher Bezugspersonen; des eigenen kulturellen Hintergrundes; der medialen Bewertung (youtube); der kurzfristigen Wirkung.
20 Weniger wirksame Einflussfaktoren PatientInnen entscheiden sich eher selten für oder gegen den Konsum von Tabak, Alkohol und Cannabis aufgrund: der Ratschläge und Verbote erwachsener Bezugspersonen; Angst vor Strafe; unspezifischer Präventionsmaßnahmen; dramatischer Biographien Dritter.
21 Jugendlicher Konsum Das Konsumverhalten von Jugendlichen ist so vielschichtig und heterogen, wie es die Jugendlichen selbst sind. Er muss individuell betrachtet und bewertet werden. Jugendliche haben verschieden stark ausgeprägte Fähigkeiten, mit verschiedenen Belastungen umzugehen, dysfunktionale Verhaltensweisen zu überwinden.
22 Vielen Dank!
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