Workshop Schweizer Krebskongress. Bessere Patientensicherheit dank konkreter Massnahmen im Alltag
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- Peter Schuler
- vor 7 Jahren
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1 Schweizer Krebskongress Fribourg Workshop 9 Bessere Patientensicherheit dank konkreter Massnahmen im Alltag Prof. Dr. David Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter, Stiftung für Patientensicherheit 1
2 Der Todesfall Wayne Jowett, 18 Jahre Ein tödliches Zusammentreffen von technischen Lücken, unsicheren Prozessen und kulturellem Versagen 2
3 Beispiel: Intrathekale Applikation von Vincristine Der Todesfall Wayne Jowett, 18 Jahre Erkrankt an akuter lymphatischer Leukämie Behandelt am Queen's Medical Centre (QMC) in Nottingham (UK) Leitender Arzt neu auf der Abteilung, war andere (bessere) Standards gewohnt, die die gleichzeitige Verfügbarkeit von intrathekalen und iv-medikamenten ausschliessen Grosses Prozess-"Durcheinander" (Feiertage, verschobene Termine, unklare Zuständigkeit etc.) Apotheke liefert Medikamente im gleichen Beutel LA geht davon aus, dass es Methotrexat ist Zunächst Cytosine, dann Vincristine intrathekal appliziert Anwesender Assistenzarzt, neu auf der Abteilung, wunderte sich und fragte 2x vorsichtig nach, nahm aber an, dass der LA mehr Erfahrung hat und "weiss, was er tut" und er dies nicht in Frage stellen sollte Trotz umfassender intensivmedizinischer Behandlung verstarb Wayne Jowett 4 Wochen später 3
4 Mehr Patientensicherheit in der Onkologie durch Technische und technologische Lösungen (Beispiele: Vincristine nur in Mini-Bags; Gefahren durch Luer Lock) Standardisierung von Abläufen, Prozessen, Informationen (Beispiele: Übergaben; Doppelkontrollen; klinische Regeln) Kulturwandel (Beispiele: Speaking up von Fachpersonen, Einbezug von Patienten) 4
5 Technische und technologische Lösungen Situation: Die Arbeitsumgebung, -materialien und -prozesse von Gesundheitsfachleuten sind nicht entsprechend des medizinischen Fortschritts und der steigenden Komplexität mitgewachsen Dies fordert Fehler oder gefährliche Workarounds oft geradezu heraus Am Ende der Kette steht oft menschliches (Fehl)-Verhalten Reaktion: Etablierung von Massnahmen zur Verhaltensprävention 5
6 Beispiel: Intrathekale Applikation von Vincristine 6
7 Beispiel: Intrathekale Applikation von Vincristine Vincristine zb bei akuter lymphatischer Leukämie (ALL) Patienten mit intrathekalem Zugang gefährdet, zb bei zeitnaher intrathekaler Methotrexat-Gabe Intrathekale Applikation von Vincristrine verläuft fast immer tödlich Seit 1968 mind. 120 Fälle weltweit dokumentiert (letzter 2013, AT) Immer war das Medikament als Spritze vorbereitet, die mit dem intrathekalen Zugang kompatibel war Praktizierte Sicherheitsmassnahmen oft schwache Barrieren Beschriftungen und Warnungen Zeitliches Auseinanderziehen von ik und iv Applikation Trennung von Räumen, Material, Personal Doppelkontrollen 7
8 Beispiel: Intrathekale Applikation von Vincristine WHO fordert Vollständigen Verzicht auf Vincristine in Spritzen Applikation nur als Kurzinfusion (minibag) Entwicklung eines lock-andkey Designs (vollständige Inkompatibilität ik und iv) Empfehlungen nur an wenigen Orten umgesetzt "es passiert doch extrem selten" "da kann doch nichts schief gehen" 8
9 Sicherheitsfeindliche Arbeitsumgebung Spital
10 Sicherheitsfeindliche Arbeitsumgebung Spital
11 Wie kommt es zu Fehlern? Ziele: Möglichst wenig Verhaltensprävention, mehr Verhältnisprävention Materialen, Umgebungen und Prozesse so neu gestalten, dass Fehler möglichst unwahrscheinlich werden Es muss leichter sein, sich richtig zu verhalten! 11
12 Risikoreiche Prozesse Ständige Unterbrechungen in risikoreichen Arbeitsabläufen Bei 50% aller Medikamenten-Abgaben gibt es mindestens 1 Unterbrechung Mit jeder Unterbrechung steigt das Risiko für einen klinisch-relevanten Fehler um 13% Hoch-Risiko-Medikamente (Chemotherapien): 57% der Medikamenten-Verifikationen werden unterbrochen Intravenöse Medikamenten-Gaben werden > 100% unterbrochen Unterbrechungen durch Kollegen Patienten und Angehörige Geräte (z.b. akustische Alarme) Selbst-Unterbrechungen Westbrook at al. Arch Intern Med. 2010;170(8): Trbovich P et al. J Nurs Adm 2010;40(5) 12
13 Technische und technologische Lösungen Lösungen durch die "sterile cockpit" Regel Trbovich P et al. J Nurs Adm 2010;40(5) Healthcare human factors 13
14 Standardisierung von Prozessen und Informationen Spezifische Interventionen: Beispiel Übergaben ("hand-offs") Starmer et al. N Engl J Med 2014;371:
15 Standardisierung von Prozessen und Informationen Spezifische Interventionen: Beispiel Übergaben ("hand-offs") Keine Unterschiede in benötigter Zeit für Übergaben und Workflow Starmer et al. N Engl J Med 2014;371:
16 Kulturwandel: Speak up - Häufigkeit Schweigen trotz Bedenken Ärzte und Pflegefachpersonen von 9 onkologischen Abteilungen (CH 2013) 74% haben Gedanken oder Ideen zur Verbesserung der Patientensicherheit in ihrer Abteilung für sich behalten 72% haben entschieden, ihre Bedenken zur Patientensicherheit nicht zu äussern 54% haben Fragen zur Patientensicherheit in ihrer Abteilung lieber nicht gestellt 49% haben mögliche Sicherheitsprobleme in ihrer Abteilung festgestellt und anderen Personen nichts darüber gesagt 38% haben geschwiegen, obwohl ihre Hinweise möglicherweise eine Gefahr für Patienten reduziert hätten Schwappach. European Journal of Cancer Care 2014; doi: /ecc
17 Wir haben einen Oberarzt, der macht Lumbalpunktionen irgendwie ohne Mundschutz oder ohne sterile Handschuhe. Er macht es so und da stehen jenste Leute rundherum und Pflegende und da sagt niemand etwas. Ich glaube, er macht das schon seit Jahren so. Man bot es ihm ja auch schon an [Maske, Handschuhe]. Er findet, das braucht es nicht. Es passierte noch nie etwas. Wenn einmal wirklich ein Kind danach einen Infekt hätte, dann müsste man es sicher einmal zum Thema machen. Pflegefachfrau, pädiatrische Onkologie, CH 2013 Schwappach. BMJ Open 2014; doi: /bmjopen
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