Strassenverkehrsrechts- Tagung 2016: Die Benutzung automatisierter Motorfahrzeuge aus strafrechtlicher Sicht. Christof Riedo Stefan Maeder
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- Horst Weber
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1 Strassenverkehrsrechts- Tagung 2016: Christof Riedo Stefan Maeder Universität Freiburg i.ue. Die Benutzung automatisierter Motorfahrzeuge aus strafrechtlicher Sicht UNIVERSITÄT FREIBURG
2 Vorbemerkung: Zurechnungsbedürfnis Menschlicher Drang nach Erklärung von Ereignissen Kausalattribution: Zuschreibung bestimmter Wirkung zu bestimmter Ursache Bedürfnis nach Erklärung führt zu Attributionsfehlern Im Strafrecht: Tragödie verlangt Schuldigen UNIVERSITÄT FREIBURG 2
3 Automatisierungsgrade von Fahrzeugen (1) Kat. 1 Driver only Kat. 2 Assistiert Kat. 3 Teilautomatisiert (Bsp. «Autopilot» auf Autobahn) Kat. 4 Hochautomatisiert (keine dauerhafte Überwachung, bei Vorwarnung Übernahme) Kat. 5 Vollautomatisiert UNIVERSITÄT FREIBURG 3
4 Automatisierungsgrade von Fahrzeugen (2) Geschilderte Anforderungen sind technischer Natur Frage nach Überwachungspflichten etc. sind rechtlicher Natur UNIVERSITÄT FREIBURG 4
5 Die Rolle des Fahrzeugnutzers Drei Kategorien: Führer im heute gängigen Sinn mit entsprechenden Pflichten (insb. Art. 31 Abs. 1 SVG) Kat. 1, 2 und 3 Bereitschaftspassagier: Passagier, der nach Aufforderung durch das System die Führerrolle übernehmen muss (Kat. 4) Passagier (Kat. 5) UNIVERSITÄT FREIBURG 5
6 Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrzeugnutzers (1) Führer: Strafbarkeit nach dem heute Bekannten. Insbesondere: Art. 31 Abs. 1 SVG «Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachkommen kann.» Auch bei heute zugelassenen Fahrzeugen der Kat. 3! UNIVERSITÄT FREIBURG 6
7 Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrzeugnutzers (2) Quelle: (abgerufen ) UNIVERSITÄT FREIBURG 7
8 Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrzeugnutzers (3) Bereitschaftspassagier: Adressat der Verkehrsregeln? Wenn nicht Führer, dann nicht Täter nach Art. 90 SVG oder Verletzungsdelikten Wenn doch Führer, dann Kat. 4 ausgeschlossen Keine Rechtspflicht zur Bereitschaft de lege lata UNIVERSITÄT FREIBURG 8
9 Strafrechtliche Verantwortlichkeit des Fahrzeugnutzers (4) Passagier: Wenn Konzept von Kat. 5 ernst genommen wird: Keine Verantwortlichkeit für Verkehrsregelverletzungen oder Verletzungsdelikte Keine Fahrfähigkeit vorausgesetzt UNIVERSITÄT FREIBURG 9
10 Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Fahrzeughersteller (1) Hersteller von Fahrzeugen der Kat. 4 und 5: Schwierigkeiten bei der Zurechnung an natürliche Personen in komplexen Verhältnissen Strafbarkeit nach Art. 102 StGB? Adressat der Verkehrsregeln und damit möglicher Täter nach Art. 90 SVG? Täter von Verletzungsdelikten (Art. 117 & 125 StGB)? UNIVERSITÄT FREIBURG 10
11 Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Fahrzeughersteller (2) Zwei Grundkonstellationen Fehlreaktionen des Fahrzeuges Fehlerfreie Reaktionen des Fahrzeugs mit fatalen Folgen und ein Sonderproblem: Unfallverhinderung auf Kosten eines Unfalls (Moralische Dilemmata) UNIVERSITÄT FREIBURG 11
12 Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Fahrzeughersteller (3) UNIVERSITÄT FREIBURG 12 Quelle: (abgerufen )
13 Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Fahrzeughersteller (4) Dazu der Nutzer des Fahrzeugs Kat. 3: «Natürlich liegt die Verantwortung bei mir. Ich hätte früher reagieren können, doch wenn das Auto 1000-mal korrekt funktioniert hat, vertraut man auch beim nächsten Mal darauf.» Den Vorfall hat er Tesla gemeldet. Dort sieht man offenbar kein Problem: Gemäss seinen eigenen Angaben beschied man dem Lenker, alle Systeme hätten «wie erwartet funktioniert». «Nicht so, wie ich es erwartet hatte», kommentiert er diese Antwort. Quelle: UNIVERSITÄT FREIBURG 13
14 Strafrechtliche Verantwortlichkeit beim Fahrzeughersteller (5) Fehlerfreie Reaktion des Fahrzeugs mit fatalen Folgen: Ein Fahrzeugführer erleidet an einem Ortseingang einen Schlaganfall. Schwer beeinträchtigt kann er sich am Lenkrad festklammern. Der Wagen der Kat. 3 (Teilautomatisiert) zieht nach rechts und käme dort normalerweise auf einer Wiese zum Stehen, aber der Spurhalteassistent greift ein, führt das Fahrzeug zurück auf die Strasse, und nach wenigen hundert Metern kollidiert das Fahrzeug mit einer Familie. (nach HILGENDORF) UNIVERSITÄT FREIBURG 14
15 Moralische Dilemmata (1): Zur Einführung Quelle: (abgerufen ) UNIVERSITÄT FREIBURG 15
16 Moralische Dilemmata (2): Grundproblem Ein selbstfahrendes Auto fährt mit angemessener Geschwindigkeit. Ein Kind rennt von rechts auf die Strasse. Das Fahrzeug könnte nach links ausweichen, aber dort befindet sich ein steiler Abhang. nähert sich ein anderes Fahrzeug. befindet sich ein anderes Kind. warten vier ältere Damen an einer Bushaltestelle. UNIVERSITÄT FREIBURG 16
17 Moralische Dilemmata (3): Weichenstellerproblem (ROPEIK, frei nach WELZEL) UNIVERSITÄT FREIBURG 17
18 Moralische Dilemmata (4): «Lösung» und Relevanz des Weichenstellerproblems Beim Weichenstellerproblem rechtfertigender Notstand von h.l. abgelehnt Allenfalls entschuldigender Notstand Situation bei automatisierten Fahrzeugen eine andere, da in abstracto (so oder eben anders) programmiert werden muss entsprechend: keine Unterlassung! UNIVERSITÄT FREIBURG 18
19 Moralische Dilemmata (5): Und nun? Anwendung der klassischen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe äusserst ungewiss: Notstandshilfe Rechtfertigende Pflichtenkollision Eingreifen des Gesetzgebers / der Praxis, aber wie? Ethische Frage UNIVERSITÄT FREIBURG 19
20 Moralische Dilemmata (6): Grundregeln ISAAC ASIMOV: Robotergesetze 1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. 2. Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren. 3. Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert. UNIVERSITÄT FREIBURG 20
21 Moralische Dilemmata (7): Ethische Grundpositionen Konsequentialistische Positionen: Ethische Beurteilung aufgrund der Folgen, allerdings verschiedene Formen der Beurteilung. Klassisch utilitaristisch: jene Handlungsalternative, deren Folgen für alle Beteiligten am meisten Nutzen bringt bzw. am wenigsten schadet. BENTHAM, MILL... UNIVERSITÄT FREIBURG 21
22 Moralische Dilemmata (8): Ethische Grundpositionen Deontologische Positionen: Ethische Beurteilung aufgrund bestimmter Verpflichtungen. Folgen unerheblich. Tötungsverbot gilt. Abwägen von Leben gegen Leben grundsätzlich unzulässig. KANT, HEGEL... UNIVERSITÄT FREIBURG 22
23 Moralische Dilemmata (9): Marktwirtschaftliche Einflüsse Der Käufer entscheidet: Aber wer will denn schon ein Auto, das einen zwecks Rettung fremder Rechtsgüter einen Berghang hinunterstürzt? UNIVERSITÄT FREIBURG 23
24 Moralische Dilemmata (10): «Ergebnis» Tatsächlich ein Dilemma Entscheidung des Gesetzgebers an sich erforderlich aber auch unwahrscheinlich Bleibt gesetzliche Regelung aus: Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Zulassungsbehörden? UNIVERSITÄT FREIBURG 24
25 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! UNIVERSITÄT FREIBURG 25 25
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