Peter Jaklin B. EMPIRISCHER TEIL: VERGLEICH DER WERTEDARSTELLUNG IM BILDUNGSPLAN MIT DER WERTEVERMITTLUNG IN GRAPHISCH ANIMIERTEN FERNSEHSERIEN...

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Peter Jaklin B. EMPIRISCHER TEIL: VERGLEICH DER WERTEDARSTELLUNG IM BILDUNGSPLAN MIT DER WERTEVERMITTLUNG IN GRAPHISCH ANIMIERTEN FERNSEHSERIEN..."

Transkript

1 Autor: Jaklin, Peter. Titel: Wertewandel und Medien. Eine vergleichende Untersuchung über die Bedeutung graphisch animierter Fernsehsendungen im Prozeß der Wertevermittlung bei Grundschulkindern. Zweiter Teil. Quelle: Wertewandel und Medien. Eine vergleichende Untersuchung über die Bedeutung graphisch animierter Fernsehsendungen im Prozeß der Wertevermittlung bei Grundschulkindern. Baden-Baden S Verlag: Battert Verlag. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors. Peter Jaklin Wertewandel und Medien Eine vergleichende Untersuchung über die Bedeutung graphisch animierter Fernsehsendungen im Prozeß der Wertevermittlung bei Grundschulkindern Inhaltsverzeichnis B. EMPIRISCHER TEIL: VERGLEICH DER WERTEDARSTELLUNG IM BILDUNGSPLAN MIT DER WERTEVERMITTLUNG IN GRAPHISCH ANIMIERTEN FERNSEHSERIEN Vorbemerkungen zur Untersuchung Bedeutung von Bildungs plan und graphisch animierten Fernsehserien für das Werterepertoire der Grundsch ulkinder Hypothesen Matrix der Studie - operationalisiertes Kategoriensche m a der Analyse Begründu ng der Untersuchu ngs a no r d n u ng

2 2. Analyse des Erziehungs - und Bildungsauftrages des Bildungsplanes für die Grundschule des Landes Baden - Württemberg in bezug auf die Wertevermittlung und medienrele vante Inhalte Untersuchu ngs gegens t a n d Wertevorgaben für das formale Bildungswesen Der Erziehungs - und Bildungsauft rag der Schule und der Megatrend des Wertewandels Medienpädagogisch relevante Inhalte des Erziehungs - und Bildungsauf trages des Bildungs planes Bewertung der Befunde Analyse von graphisch animierten Fernsehs end u ng e n der Serie Prinzes sin Erdbeer Untersuchu ngs m a t e rial - Beschreibung des Datensat ze s Analyse der ausgewählten Einzelsend u nge n Das Ei der Riesensch m u s e schwalbe Technische Angaben: Zusam m e nfa s s e n d e Bewertung der analysierten Folgen der Serie Überprüfu ng der Hypothesen Pädagogisch e Schlußfolgerungen Medienpädagogik als umfassende s Aufgabenfeld Konsequen ze n für die Medienerziehung in der Schule Medienkom pe te n z als Schlüsselqualifikation Medienpädagogische Konsequen ze n für die Lehreraus u n d - fortbildung Ausblick - Digitales Fernsehen der Zukunft als Herausfor deru ng für die Gesellschaft und ihr Subsyste m Schule B. Empirischer Teil: Vergleich der Wertedarstellung im Bildungsplan mit der Wertevermittlung in graphisch animierten Fernsehserien 1. Vorbemerkungen zur Untersuchung Im ersten Teil der Arbeit stand der soziale Wandel in der modernen Gesellschaft der Bundesrepublik und bei der Analyse zeitdynamischer sozialer Prozesse die Veränderungen der Wertestrukturen im Mittelpunkt. Wie dort dargelegt wurde, stellen Schule und Fernsehen für Kinder, neben der primären Sozialisationsinstanz Familie, bezüglich der Wertevermittlung bedeutende, richtungsweisende Institutionen dar. 2

3 Jede Gesellschaft schafft und steuert Institutionen, die für eine weitgehend objektive Fixierung kultureller Aussagen verantwortlich sind, so beispielsweise Einrichtungen des Bildungswesens, der Familie und der Freizeit. Diese Institutionen repräsentieren somit gesellschaftlich anerkannte Werte. Dadurch, daß die für das Werterepertoire, vor allem für das des sich entwickelnden Kindes, bedeutsamen Vermittler ihrer Aufgabe, nämlich der Eingliederung junger Menschen in eben diese Gesellschaft, mit unterschiedlichen Akzentuierungen nachkommen, liegen im Spannungsfeld Schule - Familie - Freizeit vor dem Hintergrund pluralisierter und individualisierter Werteorientierungen (Werte-) Konflikte nahe, vor allem, wenn die jungen Menschen nicht in der Lage sind, die differierenden Werterichtungen zu verorten. Für Kinder ist neben der Schule die Freizeit eine ebenso wichtige Komponente ihres Lebens, beide Betätigungsfelder stehen nicht selten konkurrierend nebeneinander, was im übrigen der Modernisierung der Gesellschaft entspricht, bei der im Zuge des gesellschaftlichen Wertewandels Freizeit und Arbeit zunehmend in Konkurrenz treten. Ein bedeutsames Bindeglied beider kindlicher Lebensbereiche, Schule und Freizeit, besteht im Wertetransport, den sie allerdings zumindest teilweise in unterschiedlicher Art vollziehen. Die Schule hat hierzu den gesetzlichen Auftrag, nämlich die Kinder im Sinne der Wert- und Ordnungsvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen und diese, die sich sowohl an Pflichterfüllung und an Selbstentfaltung orientieren, ihnen nahezubringen. Für die Gestaltung der Freizeit gewannen das Fernsehen im allgemeinen und die graphisch animierten Trickfilmserien im speziellen zunehmend an Bedeutung. Sie dienen von ihrer Anlage her primär der Unterhaltung. Unabhängig von ihrer eigentlichen Zielsetzung kommen die Zeichentrickfilme nicht nur solcherart hedonistischen Bedürfnissen der Kinder nach Unterhaltung entgegen, sondern sie vermitteln eben auch Werte. Aus diesem unterschiedlichen Wertetransfers beider gesellschaftlichen Institutionen wächst dann für das einzelne Kind mithin die Wahrscheinlichkeit konflikthafter Konfrontationen mit beiden Sektoren, weil Werte als individuell psychologische Größe in der Psyche des Kindes in dieser Entwicklungsstufe ganzheitlich und nicht getrennt gesehen werden. 3

4 1.1 Bedeutung von Bildungsplan und graphisch animierten Fernsehserien für das Werterepertoire der Grundschulkinder In Familie und Schule wird, auf der Basis des im Grundgesetz vorgegebenen freiheitlichdemokratischen Wertekonsenses, erzogen. Die Hauptaufgabe der privaten Sphäre liegt in der Erziehung und Sozialisation, die des öffentlichen Bildungswesens war zunächst stärker auf die Wissensvermittlung ausgerichtet. Mit der fortschreitenden Modernisierung und der Veränderung pädagogischer Grundgedanken in den 80er Jahren wurden aber auf das Schulwesen zunehmend Aufgaben der Erziehung und Sozialisation übertragen (vgl. Abschnitt A 2.2.3). Dabei muß die Schule als gesellschaftlich institutionalisierter Wertevermittler einen umfassenden Rahmen finden, um der soziokulturellen und weltanschaulichen Vielfalt der modernen Gesellschaft Rechnung zu tragen. Das bedeutet auch, daß sie den Kindern Unterstützung und Hilfe anbieten muß, um die jungen Menschen zu befähigen, mit ihrem bedeutendsten Freizeitmedium souverän handelnd umzugehen. Diesen gewandelten Anforderungen kam der Staat, hier das Land BadenWürttemberg, in den Bildungsplänen mit der expliziten Ausführung eines Erziehungs- und Bildungsauftrages nach. Da im schulischen Bereich Bildungspläne und im Mediensektor Fernsehsendungen maßgebliche Grundlage einer Wertevermittlung insbesondere für Kinder sind, werden in der vorliegenden Arbeit die dort vorgegebenen Wertestrukturen analysiert und miteinander verglichen. Als Basis der Untersuchung wurde der Bildungsplan für die Grundschule des Landes Baden-Württemberg, insbesondere der dort verankerte Erziehungs- und Bildungsauftrag, zugrundegelegt. Gegenstand der Analyse des Medienangebots waren graphisch animierte Filme im Morgenprogramm Hits für Kids des privaten Fernsehsenders Super RTL; ganz konkret sind sechs Sendungen der Serie Prinzessin Erdbeer, die in der Zeit zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr liefen, ausgewählt worden, also eine Sendezeit, die unmittelbar vor dem täglichen Unterrichtsbeginn liegt und von den 6- bis 10jährigen zunehmend frequentiert wird (vgl. Abschnitt A 3.2.2). Als Untersuchungszeitraum wurde die 23. Kalenderwoche 1997 ( bis , Montag - Freitag) ausgesucht. Zur inhaltsanalytischen Erhebung aktueller Wertepräferenzen eignen sich graphisch animierte Fernsehserien deshalb besonders gut, weil sie sich großer Beliebtheit beim 4

5 Kind erfreuen, zu seinem Leben werden und darüber hinaus einen immer breiteren Programmplatz besetzen (vgl. Abschnitte A 3.2 und A 4.2). Der junge Rezipient findet in der von ihm bevorzugten Zeichentrickfilmserie Bedürfnisse, Hoffnungen, Wünsche und Probleme, die ihn berühren. Das Fernsehen wird so zur Folie seiner Selbstbeobachtung, zur Experimentalbühne ohne soziale Folgen (Bruns 1996, S. 205). Den Zusammenhang bedürfnisorientierter Zuwendung des Zuschauers zu Angeboten des Fernsehens und gegebenenfalls einer Identifikation mit den Darstellern/Figuren umschreibt die Wahrnehmungspsychologie mit den Begriffen Projektion, Introjektion und Identifikation. Der Rezipient projiziert seelische Zustände und Vorgänge (Wünsche, Ängste o.ä.) nach außen auf die angebotenen Filmbilder, die sich in Form von Bedürfnissen artikulieren. Umgekehrt introjiziert er Außenreize des Fernsehens in sein Inneres. Befriedigt nun das Medium seine Bedürfnisse, so orientiert und identifiziert er sich mit den medial offerierten Inhalten und Wertekonstellationen (vgl. Abschnitt A 3.3.2). Offensichtlich befriedigen die Zeichentrickfilmserien mehr oder weniger, wie die Einschaltquoten beweisen, Ansprüche, welche die Kinder an sie herantragen. Die Filme stellen ihnen durch die Handlungsweisen der Protagonisten entsprechende Identifikationsofferten zur Verfügung, insbesondere dann, wenn aufgrund der seriellen Produktion deren Verhalten und damit letztlich deren Wertepotential sich fortlaufend wiederholt. Auf Probleme bei der Operationalisierung von Wertorientierungen in Fernsehserien weist Bruns hin, indem er feststellt, daß Werte hochabstrakte Konstrukte sind, die weder in der Realität noch in Serien direkt meßbar sind. Natürlich können nur diejenigen Wertorientierungen erfaßt werden, die das Medium symbolisch codiert bereithält, d.h. es kommt nicht jede Werteaktualisierung in jeder Serie vor. Weiterhin kovariieren die dargestellten Werte mit dramaturgischen Komponenten der fiktiven Handlung, da es sich in den Handlungsplots fast immer um die Verletzung bestimmter gesellschaftlicher Wertvorstellungen handelt, die dann wiederhergestellt werden. Diese dramaturgische Stellung gilt es bei der Erhebung zu berücksichtigen (Bruns 1996, S. 211). Dieses Zusammenspiel von Werten und dramaturgischen Komponenten muß noch um eine weitere Perspektive ergänzt werden. Die Globalisierung der Märkte macht es erforderlich, daß die in verschiedenen Ländern produzierten Serien eine Grundmenge 5

6 verallgemeinerbarer Wertemuster der unterschiedlichen Wertekulturen repräsentieren. Dies geschieht meist durch die Synchronisation. Über die Dialoge werden länderspezifische Wertemuster transportiert. Die in Zeichentrickserien angebotenen Identifikationsofferten in Form der dort inszenierten Inhalte und Werteaktualisierungen müssen dem kindlichen Rezipienten zumindest vertraut sein, sonst würde die aufmerksame Zuwendung zur Serie nicht erfolgen. Meßinstrument für die in den beiden Analysegrundlagen präsentierten Wertevorstellungen bilden die von der Speyerer Werteforschungsgruppe um Klages (vgl. Abschnitt A 2.3.5) erhobenen Forschungsergebnisse, besonders die Darstellung der Gewichtung der Werte im Pflicht- und Akzeptanz- bzw. im Selbstentfaltungsbereich und damit letztendlich die Überprüfung, inwieweit der Megatrend des Wertewandels von Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu idealistischen bzw. hedonistischen Selbstentfaltungswerten dort realisiert wurde sowie deren Kategorisierung der verschiedenen Werteträger. Für die systematische inhaltliche Dokumentenanalyse entscheidender wertedeterminierender Vorgaben, eben des Bildungsplanes und der Teilinhalte des populären Massenmediums Fernsehen für aktuelle Wertestrukturen, werden Primärdaten einer nicht-teilnehmenden beobachtenden Querschnittuntersuchung generiert. Bezogen auf die Wertevermittlung kann davon ausgegangen werden, daß Bildungsplan und Zeichentrickfilmserie gemein ist, daß sie Träger gesellschaftlich repräsentativer, anerkannter Wertekonstellationen sind. Im Bildungsplan sind die bei Kindern im Erziehungs- und Bildungsprozeß in der Schule anzustrebenden Wertevorstellungen ausgewiesen. In den Zeichentrickfilmen werden die unterschiedlichen aktuellen Werterepertoires nicht nur präsentiert, sondern darüber hinaus noch medienspezifisch inszeniert. Deshalb liegt es auf der Hand, daß die Untersuchung des in den Zeichentrickfilmserien enthaltenen Wertepotentials eine größere Zahl von Beobachtungsmöglichkeiten bietet als das manifest vorliegende Wort des Bildungsplanes, da die von den Zeichentrickfiguren repräsentierten Werte sowohl an deren verbalem als auch an deren beobachtbarem und reproduzierbarem aktionalem Verhalten gemessen werden können. Dies bedeutet, daß für die graphisch animierten Serienfolgen die verbalen Aussagen der ausgewählten Figuren und deren Handlungen in den jeweiligen Filmsequenzen die wesentlichen analyserelevanten Bezugspunkte sind. 6

7 Um die Funktion der Werte für Kinder und Erwachsene an dieser Stelle zusammenfassend zu beschreiben, seien zwei Vertreter der Speyerer Werteforschungsgruppe, Herbert und Hippler, zitiert. Für sie sind Werte...bereichsübergreifende, objektunspezifische Orientierungsleitlinien zentralen Charakters, welche Realitätssicht, Einstellungen, Bedürfnisse und Handlungen einer Person steuern. Dies allerdings nicht in vollständig deterministischer, sondern in situativ partiell flexibler Art und Weise. Werte sind also individuelle Orientierungsleitlinien mit Spielräumen für situationsgerechtes Agieren und Reagieren (Herbert/Hippler 1991, S. XV). Als Fazit dieser Überlegungen liegt der Schluß nahe, daß sich gesellschaftlich relevante Wertestrukturen, wie sie im Bildungsplan fixiert sind, auch in Zeichentrickfilmserien, wenn auch in anderer Ausprägung, wiederlinden lassen. Inwieweit dies geschieht, wird anhand nachstehender Hypothesen überprüft. 1.2 Hypothesen Aus den eben angeführten Vorbemerkungen, daß Bildungsplan und Fernsehsendungen die Wertepotentiale der bundesrepublikanischen Gesellschaft abbilden und die Wertekonstellationen der Grundschulkinder maßgeblich beeinflussen, ergibt sich folgende Basishypothese: Der aktuelle Bildungsplan der Grundschule des Landes Baden-Württemberg gibt in seinem Erziehungs- und Bildungsauftrag gesellschaftlich anerkannte, im Unterricht zu erreichende Wertekonzeptionen vor, die sich von denen in ausgewählten graphisch animierten Filmen deutlich unterscheiden. Aus dieser Basishypothese lassen sich folgende Subhypothesen ableiten: 1. Die Zeichentrickfilmserie Prinzessin Erdbeer und der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Bildungsplans der Grundschule sind Indikatoren aktueller Wertemuster. Sie folgen dem Megatrend des Wertewandels, von Pflicht- und Akzeptanzwerten zu idealistischen bzw. hedonistischen Selbstentfaltungswerten auf höchst unterschiedliche Weise. 2. Der Bildungsplan verwirklicht in seinem Erziehungs- und Bildungsauftrag den Wertewandel in anderer Form als die Zeichentrickfilmserie. Während deren Wertepotential eine eher hedonistische Ausprägung aufweist, präsentiert der Bildungsplan stärker pflicht- und verantwortungsorientierte Werteinhalte, was eine unterschiedliche Darstellung der Akzentuierung der Wertetypen nach sich zieht. 7

8 3. Die Wertemuster in der Zeichentrickfilmserie sind vielfältiger als die im Erziehungsund Bildungsauftrag vorgegebenen. 4. Die in der graphisch animierten Serie dargestellten bzw. enthaltenen Werterepertoires werden durch fernsehspezifische Stilmittel betont und dadurch verstärkt. 1.3 Matrix der Studie - operationalisiertes Kategorienschema der Analyse Auf der Basis des doppelten Bezugsrahmens, des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplanes für die Grundschule des Landes Baden-Württemberg einerseits und der Zeichentrickfilmserie Prinzessin Erdbeer des Morgenprogrammes des privaten Fernsehsenders Super RTL, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede bezüglich der Gewichtung der Wertepole, der dort jeweils repräsentierten Wertetypen, basierend auf dem von Klages entwickelten Konzept, analysiert. Beide werden einer inhaltsanalytischen Prüfung unterzogen. Das angewandte empirische Verfahren wird, in Verbindung mit einem hermeneutischen, damit sowohl auf einen Printtext als auch auf audiovisuelle Produkte bezogen. Die von Klages idealtypisch beschriebenen fünf Träger unterschiedlicher Wertekonstellationen, wurden durch sie charakterisierende Merkmale vercodet. Die Zuordnung der Eigenschaften erfolgte aus der Überlegung heraus, jedem Wertetyp diejenigen Charakteristika zuzuweisen, die die anderen ursächlich nicht besitzen. Die hierbei unter Umständen auftretenden Schwierigkeiten der Beeinflussung der Operationalisierung des abstrakten Konstruktes Werte durch die Wertekonstellation des Codierers wird dadurch zu umgehen versucht, daß hierzu der zugrundeliegende Variablenkatalog so festgelegt wird, daß die Reliabilität der Daten einer intersubjektiven Analyse standhält (vgl. zur Problematik der Operationalisierung von Werten, Krüger 1988). Den jeweiligen Werteträgern wurden folgende Einzelitems zugeordnet: a) Dem auf passive Akzeptanz ausgerichteten, ordnungsliebenden Konventionalisten: unflexibel; bescheiden; autoritätsgläubig; traditionsbefangen. b) Dem perspektivlos Resignierten, dem passives Ausweichverhalten eigen ist: 8

9 schwankungsanfällig; unmotiviert; ohne Selbstvertrauen; verantwortungsabweisend: c) Dem rational planerischen und kalkulierenden aktiven Realisten: persönlichkeitsstark; angemessen handelnd; - frustrationstolerant; - verantwortungsorientiert. d) Dem eine oberflächliche Anpassungsstrategie verfolgende hedonistischen Materialisten: lustbetont; egoistisch; oberflächlich flexibel; materialistisch. e) Dem engagiert kämpferischen, nonkonformen Idealisten: spontan engagiert; sozial-humanistisch; radikal unabhängig; oppositionell tolerant. Im Bildungsplan sind es die für das Kind bedeutsamen explizit genannten und implizit im allgemeinen Erziehungs- und Bildungsauftrag für die Grundschule enthaltenen wertespezifischen Aussagen, die zur Einordnung in die Kategorien Pflicht und Akzeptanz und (idealistische bzw. hedonistische) Selbstentfaltung, damit zur Beschreibung der Richtung des Wertewandels und letztlich für die Zuweisung zum entsprechenden Wertetyp, bedeutsam waren. Bei der Untersuchung der Werthaltungen der Serienfiguren wurde von der Annahme ausgegangen, daß die Darstellung der Wertekonstellationen der graphisch animierten 9

10 Figuren denen der menschlichen ähnlich ist und somit eine adäquate Vergleichsbasis liefert. Bei der Analyse geht es nicht darum, mögliche Wirkungen der von den Zeichentrickfiguren demonstrierten Werthaltungen auf den Rezipienten zu erforschen, sondern um die Darstellung der vertretenen Träger unterschiedlicher Wertepotentiale in den Filmen. Um eventuelle Wirkungen abzufragen, müßten darüber hinausgehende sozialstrukturelle Daten erhoben werden (vgl. Abschnitt A 3.2), obwohl die Ergebnisse eine wichtige Basis für die Wirkungsforschung liefern können. Erst dann ließe sich ein Bogen spannen von in den Fernsehserien implizit enthaltenen bzw. explizit durch die fiktiven Akteure präsentierten Wertevorstellungen über eine zu vermutende Introjizerung derselben mit der daraus resultierenden Identifikation des Rezipienten und schließlich zur möglichen Einflußnahme auf den kindlichen Zuschauer (vgl. Abschnitt A 3.3.1). Da nur wenige empirische Arbeiten zur Untersuchung von fiktiven Fernsehprogrammen im allgemeinen und von graphisch animierten Serien im besonderen vorliegen, die sich mit einer Operationalisierung der dort aktualisierten Werteorientierungen auseinandersetzen bzw. standardisierte Meßinstrumente fehlen (vgl. Katzman 1985; Krüger 1988; Bruns 1996), mußte zunächst für die Überprüfung der Fragestellung ein geeignetes Analyseverfahren entwickelt werden. Hierzu wurden Ergebnisse verschiedener Wissenschaftsdisziplinen herangezogen. Von besonderer Bedeutung sind die Forschungen zur Filmsprache (vgl. Abschnitt A 4), die auf bewährte Ansätze der Literaturwissenschaft rekurrierten. Die Einbeziehung der Analyse der filmsprachlichen Umsetzung eines (Dreh-)Buches in eine fernsehspezifische Bildsprache, die eigenen syntaktischen, semantischen oder semiotischen Regeln folgt, gibt Aufschluß darüber, welche Position oder Funktion die agierende Figur im Gesamtgeschehen einnimmt. Um dies umfassend zu leisten, ist es erforderlich, neben den formalen Eigenheiten, dem Aufbau der einzelnen Sendung, des Inhalts, der Realdaten, z.b. Entstehungszeit und -ort und der Einbindung in die gesamte Sendestruktur, wichtige filmsprachliche Elemente explizit zu untersuchen (vgl. Variable 3). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß in einer Analyse eidetischer Produkte die zusammengefügte Gesamtaussage der Bilder, Tongebilde und Wörter berücksichtigt werden sollte, da zum einen eidetische Produkte in der Regel aus einer Vielzahl und Vielfalt von Bildern bestehen, aus einem Beziehungsnetz solcher Elemente, die in 10

11 unterschiedlichen Größenordnungen vorkommen und eine werk-immanente Hierarchie bilden. Und zum anderen kann man sehen, daß ihre Deutung auf den Zusammenhang achten muß, in dem sie entstanden sind und in dem sie genutzt werden. Das kann man Kontext-Abhängigkeit nennen (Priesemann 1988, S. 28). Bezieht man darüber hinaus noch die Definition Maletzkes über Aussagen als geistige Gegenstände in Form von symbolhaften Objektivationen mit ein, die ein Mensch (als Kommunikator) aus sich herausgestellt hat, so daß sie bei einem anderen Menschen (als Rezipient) psychische Prozesse, die in einem sinnvollen Zusammenhang mit der Bedeutung des Ausgesagten stehen (Maletzke 1963, S. 53; vgl. auch Abschnitt A 3.1.2), so wird deutlich, daß die strukturierte Gesamtheit eidetischer Produkte deren Aussagengehalt determiniert. Eine weitere bedeutende fachwissenschaftliche Grundlage der Untersuchung stellen die Ergebnisse der Werteforschung von Klages dar. Für die Zuordnung der Figuren der Zeichentrickfilmserien zu den fünf Wertetypen werden auch narrative und medienspezifische Kontrollvariablen abgefragt, da sich Wertehaltungen der Akteure auch aus deren Handlungen, d.h. aus dem beobachtbaren und nachvollziehbaren zielgerichteten Geschehen sowie aus deren verbalem und nonverbalem Verhalten ableiten lassen. Dies erfordert eine Differenzierung der diesbezüglichen Variablen. Die narrative Position gibt die Bedeutung der Handlungsträger im Filmgeschehen wieder (vgl. Variablen 1,2). Die von der Zeichentrickfigur verfolgte Problemlösungsstrategie bzw. deren zielgerichtete Handlung werden maßgeblich durch ihr Wertepotential bestimmt (Variable 4 und 5) und lassen so die Zuordnung zu einem Wertetyp zu (Variable 6). Aufgrund dieser Vorüberlegungen erfolgt eine entsprechende Operationalisierung des Variablenkatalogs, der zunächst die empirische Erhebung von Verhaltensweisen der Figuren und deren medienspezifische Verstärkung berücksichtigt. Im besonderen sind dies die Einstellungslänge der einzelnen Figur, Einstellungsgröße und -perspektive sowie deren Aussagen. Anschließend mündet er in die hermeneutische Erfassung der unterschiedlichen Wertemuster mit der entsprechenden Zuordnung zu den Wertetypen ein. Variable 1: Welche narrative Position nimmt die Figur ein? Hauptfigur; 11

12 Nebenfigur; Rahmen- oder Folgenfigur. Variable 2: Welchen Dominanz- oder Einflußwert besitzt die Figur? hoch; mittel; niedrig. Variable 3: Wie unterstreichen folgende medienspezifischen Präsentationsmerkmale die Position der Figur? Einstellungslänge; Einstellungsgröße; Perspektive; Schnittfolge; Montage; Sprache; Geräusche/Töne/Musik. Variable 4: Welche Anpassungsstrategie verfolgt der Akteur während der Handlung, d.h. wie löst er seine Probleme? durch passive Akzeptanz (Konventionalist); durch passives Ausweichverhalten (Resignierter); durch rational planerisch/abwägende Art (Realist); durch eine oberflächliche Anpassungsstrategie (hedonistischer Materialist); durch eine kämpferische Pro oder Contra Ausrichtung (Idealist). Variable 5: Wie versucht der Handelnde sein Ziel zu erreichen? mit physischen Mitteln; argumentativ (verbal); mit materiellen Mitteln, wie z.b. Geld; durch Einsatz einer moralischen Dimension, wie Alter, Beruf, Weisheit. 12

13 Variable 6: Zu welchem Wertetyp läßt sich die Serienfigur, aufgrund seiner Aussagen bzw. Handlungen, zuordnen1? Erläuterungen zu den Variablen Variablen 1 und 2 Die narrative Position der Figur gibt ihren Einfluß auf den Fortgang der Handlung an. Eine Hauptfigur nimmt konstitutiv, unabhängig von ihrer dramaturgischen Position in der Serie, am Ablauf des Geschehens teil, während die Nebenfigur diese Funktion nicht besitzt. Eine Rahmenfigur erscheint in jeder Folge einer Serie. Als Folgenfigur wird ein Akteur bezeichnet, der jeweils nur in einer Serienfolge agiert. Da in Zeichentrickfilmserien nicht selten zahlreiche Nebenfiguren auftauchen, werden nur solche für die Erhebung herangezogen, die zumindest mittelbar die auslösenden bzw. auflösenden Momente der Folge mitbestimmen. Auslösende Ereignisse sind diejenigen Ereignisse, die Folgeereignisse auslösen und den Konflikt innerhalb einer Folge heraufbeschwören. Auflösende Ereignisse sind diejenigen Ereignisse, welche den Konflikt bereinigen und den anfänglichen Status quo der Serienfolge wiederherstellen (Bruns 1996, S. 215). Der Dominanz- bzw. Einflußwert der Figur auf das Geschehen hängt nicht zuletzt von ihrer narrativen bzw. dramaturgischen Position ab. Ein Hauptakteur, der in Serien häufig auch eine Rahmenfigur ist, wird auf die aus- oder auflösenden Ereignisse eine größere Bedeutung besitzen als eine Nebenfigur. Variable 3 Die vom Regisseur verwendeten filmsprachlichen Gestaltungsmittel bestimmen implizit in wesentlichem Maße die Bedeutung der jeweiligen Figur und betonen damit deren Wertepotentiale, das bedeutet, daß die medienspezifische Präsentation auch mit über deren Stellung im Film entscheidet. Variablen 4 und 5 Die Werthaltungen der graphisch animierten Akteure lassen sich an den expliziten und impliziten Handlungsweisen, d.h. an deren zielgerichteten Handlungsabsichten und 1 Die Einordnung erfolgt nach der Wertetypenmatrix mit den entsprechenden Einzelitems in Abschnitt B

14 problemlösenden Anpassungsstrategien ablesen und erlauben schon eine erste Annäherung einer Zuordnung zu einem bestimmten Wertetyp. Da, wie in Abschnitt A 4.2 ausführlich dargelegt, der Zeichentrickfilmemacher ganz akribisch seine Filme vorplant und inszeniert, fließen seine Werthaltungen mit in die Gestaltung der Handlung ein. Da er sich aber, nicht zuletzt aus kommerziellen Gründen, am main-stream der Gesellschaft orientieren wird, finden sich die dargestellten Problemlösungsmuster bzw. Anpassungsstrategien zumindest in Teilen im Alltag der Rezipienten wieder. Variable 6 Mit dieser Wertkategorisierung wird zum einen die durch die fünf vorher erhobenen medienspezifischen Variablen angebahnte Zuordnung zu den unterschiedlichen Wertetypen explizit vollzogen, zum anderen soll überprüft werden, ob die in der Gesellschaft der Bundesrepublik vorzufindenden wesentlichen Wertekonstellationen, repräsentiert durch die Akteure, tatsächlich in graphisch animierten Filmen zu belegen sind. Für die Analyse der Sendungen wurden, um eine intersubjektiv nachvollziehbare Überprüfung zu gewährleisten, Videomitschnitte der Serienfolgen im erwähnten Zeitraum angefertigt und Wortprotokolle erstellt. Eine exakte Erhebung wurde durch die technischen Möglichkeiten des Schnittstudios der Landesbildstelle Baden wesentlich erleichtert. Da die Zitation mittels des bewegten Bildes unüblich ist, wurden Handlungs- und Wortprotokolle anhand der Videoaufzeichnungen angefertigt. Dies bedeutet für die Erörterung der Ergebnisse eine Einschränkung. Die Beweiskraft des Wortes allein genügt eigentlich nicht; man müßte die Bilder dazu haben oder, noch besser, Ton-BildSequenzen zitieren können (Priesemann, 1988, S. 130). Aus diesem Grunde wurde der Arbeit ein Zusammenschnitt der in den Serien präsentierten unterschiedlichen Wertetypen beigelegt, um die Analysekriterien zusätzlich intersubjektiv vermittelbar und nachprüfbar zu machen. Diese Vorgehensweise resultiert auch aus der Tatsache heraus, daß standardisierte und praktikable Verfahren zur Datenerhebung von audiovisuellen Medienprodukten nur unzureichend zur Verfügung stehen. 14

15 1.4 Begründung der Untersuchungsanordnung In der heutigen Informationsgesellschaft nimmt die mediale Dimension der Interaktionsund Kommunikationsprozesse rapide zu, was sich neben der quantitativen auch in einer qualitativen Veränderung widerspiegelt: an die Seite der vermittelnden Funktion der Medien tritt immer stärker deren gestaltende Funktion. Hieraus resultiert eine zunehmend subtilere Vermischung von medialer und realer Wirklichkeitserfahrung, ohne daß dies bisher ausreichend reflektiert wird. Seit der Einführung des Fernsehens vermuteten Pädagogen dessen schädliche Wirkung auf Psyche und Handeln der Kinder. Eine Einschätzung, die im Gefolge der Dualisierung des Fernsehprogramms neu auflebte. Die Diskussion wurde und wird häufig mit pauschalen und wenig differenzierten Vorwürfen gegen Programmanbieter und -inhalte geführt (vgl. Abschnitt 3.1.3). Zentrale Fragen, die sich in diesem Zusammenhang aber stellen, lauten: Wie reagiert das Meso-System Schule auf die medialen pädagogischen Herausforderungen, allen Kindern gleichermaßen zukunftsorientierte Chancen durch die Nutzung der Medien zu eröffnen bzw. mögliche Gefahren bewußt zu machen? Wie bestimmt und mit welchen tauglichen Mitteln antwortet das formale Bildungswesen in seinen für die Lehrkräfte verpflichtenden Ausführungen auf die ständig wachsenden Herausforderungen des Fernsehens? Wie gehen die Lehrer mit dieser Tatsache um? Reagieren sie lediglich mit Unverständnis und führen ihren Unterricht fort? Oder agieren sie unterstützend, indem sie die Fernsehinhalte aufgreifen und den kindlichen Interessen nachkommen? Im Sinne eines ganzheitlichen Unterrichts muß die Auseinandersetzung in der Schule mit neuen und superneuen Medien2, angesichts einer ständig intensiveren Nutzung des Fernsehens im besonderen oder der audiovisuellen Informations- und Kommunikationsmedien im allgemeinen durch die Kinder, intensiviert werden. Das ist vor allem deshalb erforderlich, da Fernsehsendungen menschliches Verhalten, Denkweisen und Gefühle darstellen und vermitteln, so zumindest implizit laufend Wertvorstellungen transportieren und damit den jungen Menschen ständig Orientierungshilfen bzw. Identifikationsofferten anbieten. Mit anderen Worten, Medienerziehung ist auch Werteerziehung. 2 Vgl. zur Definition alte, neue und superneue Medien, Haefner 1992 sowie Abschnitt A

16 Fernsehsendungen fungieren als heimliche Erziehungsinstanzen, da sie - im Gegensatz zu den intentional gesteuerten Sozialisationsprozessen des öffentlichen Bildungswesens zufällig beeinflussen und freiwillig rezipiert werden. Eine angemessene schulische Medienarbeit wird durch die Tatsache erschwert, daß die Medien individuell je nach sozial geprägtem (Werte-)Hintergrund unterschiedlich genutzt werden und damit differenzierte Angebote bedingen, denn - das fordert der Bildungsplan explizit - die Lebenswelt, d.h. auch die Familien- und Freizeitsituation der Kinder, darf nicht ausgegrenzt werden, sondern muß vielmehr intensiven Eingang in die Schule finden. Eine adäquate Medienpädagogik (vgl. Abschnitt A und B 4.1) stellt eine schulische Notwendigkeit dar, die sich aus den pädagogischen Forderungen nach Kontinuität, Kompensation und Kompetenz ableiten läßt. Bezogen auf die aktuelle Mediensituation bedeutet dies, daß die Kinder in ihrem Medienverhalten kontinuierlich dort abgeholt werden sollten, wo sie stehen, im kompensatorischen Sinne bestehende Chancenungleichheiten abgebaut werden und eine kompetente Medienerziehung durch Lehrkräfte erteilt wird, damit die Kinder die geforderte Autonomie erlangen. Sich umfassend mit einer Medienanalyse, die auch die dort enthaltene Wertevermittlung beinhaltet, im Unterricht zu beschäftigen, bedeutet, entscheidend zur Werteklärung und individuellen Wertefindung der jungen Menschen über die Schule hinaus beizutragen (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst 1996). Die folgende Untersuchung greift die Vermittlung von Werten in Fernsehsendungen des Kinderprogramms deshalb auf, weil die den Kindern dort angebotenen Werteofferten als ein Aspekt möglicher Wirkungen des Fernsehens auf die Zielgruppe angesehen werden. Diese Wertekonstellationen werden verglichen mit denen des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplanes der Grundschule, welche die Lehrkräfte den Grundschülern im Sinne einer fundierten, auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung basierenden Wertevermittlung näherzubringen haben. Die Analyse verfolgt das Ziel, die Diskussion in diesem Bereich zu versachlichen. Darüber hinaus sollen aus den Ergebnissen Überlegungen dahingehend angestellt werden, welche pädagogischen und administrativen Voraussetzungen notwendig sind, um die Möglichkeiten der verstärkten Einbeziehung medialer Inhalte neuer und superneuer Medien in die 16

17 unterrichtliche Tätigkeit, auf der Basis staatlicher Vorgaben, auszuschöpfen bzw. zu verbessern. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß aufgrund des länderhoheitlichen Rechtes auf Festlegung der allgemeinen Leitlinien für die schulische Erziehung und Bildung, die weltanschaulichen Überlegungen der Bundesländer bei der Formulierung dieser Vorgaben, gerade auch im medienpädagogischen Bereich, zum Tragen kommen. Der Kampf um die Lehrpläne ist nicht, wie es manchmal scheint, ein Streit um die besten Methoden des Unterrichts oder um die Auswahl und Verteilung eines gegebenen Stoffes, sondern Kampf geistiger Mächte (Weniger 1960, S. 22). Eine Serie des Frühstücksfernsehens zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr fand für die Untersuchung deshalb Berücksichtigung, weil die jungen Zuschauer diese Sendezeit zunehmend frequentieren und sich damit unmittelbar vor Unterrichtsbeginn mit den Sendungen und deren Inhalten auseinandersetzen (vgl. Abschnitt A 3.2.2; Feierabend/Windgasse 1997). Für diese Nutzung sind verschiedene Gründe verantwortlich, wie die durch den sozialen Wandel bedingte Pluralisierung der Familienstrukturen. Die Zahl der Alleinerziehenden ist, wie in Abschnitt A dargelegt, ebenso angewachsen, wie die der Familien, in denen beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nachgehen. In beiden Familienformen besteht für die Kinder, wenn die Eltern früh am Tag ihrer Berufstätigkeit nachgehen, eher die Gelegenheit, sich die Zeit bis zum Unterrichtsbeginn vor dem Bildschirm zu vertreiben. Aber auch die Medienausstattung in den Kinderzimmern, zu denen immer öfter ein Fernsehgerät gehört, erhöht die Chance, sich schon frühmorgens, ohne Wissen und Einflußnahme der Eltern, in die Fernsehprogramme einzuschalten. Am Wochenende vollzieht sich dieses Sehverhalten im übrigen nicht selten mit Wissen der Erwachsenen. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Grund für das kindliche Interesse an den frühmorgendlichen Fernsehsendungen liegt in deren Bedürfnisorientierung, die von den Programmgestaltern aufgegriffen wird. Einerseits wecken actionreiche, in Unterhaltungsmagazine eingebettete Zeichentrickfilme offensichtlich, wie Einschaltquoten belegen, das Interesse dieser Zielgruppe, andererseits bieten sie ihr auch eine Gesprächsbasis. Allerdings gilt es zu bedenken, daß die häufig altersunangemessene Schnittfolge, aufgrund der noch nicht adäquat ausgebildeten kognitiven und emotionalen 17

18 Entwicklung und Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder, ein unreflektiertes Sehen zur Folge hat (vgl. Abschnitt A 3.3). Dies steht im Widerspruch zu den schulisch zu verfolgenden Zielen. Der Unterricht mit seinem altersgerechten, wissenschaftlich fundierten und methodisch-didaktischen Aufbau, der u.a. den souveränen und kompetenten Umgang mit dem Fernsehen und damit seinen vermittelten Inhalten anzustreben hat, sieht sich hier mit der einflußreichen außerschulischen Medienrealität konfrontiert. Erschwert wird für die Kinder die Verarbeitung der Programmgestaltung noch durch die Umrahmung der graphisch animierten Filme durch Werbung. Wie in den Abschnitten A und A 3.3 dargelegt, fällt den Kindern bis zum Alter von 10 Jahren eine Identifizierung der Intention dieses Fernsehgenres nicht leicht bzw. wird nicht geleistet (vgl. Piaget 1972; Piaget/Inhelder 1973; Euler/Mandl 1983; Ellwanger 1979; Sturm 1995). Dies wird durch die häufig an der Gestaltung der Zeichentrickfilme orientierte Produktionstechnik der Werbespots zusätzlich erschwert. Die Wochentage vom bis , an denen die Ausstrahlung der sechs Sendungen erfolgte, wurden willkürlich ausgewählt, es war eine Schulwoche ohne Feiertags- oder Ferienunterbrechung. Der Sender Super RTL bot sich für die Analyse der Sendungen deshalb an, weil er für sich beansprucht, ein Kinder- und Jugendsender mit entsprechend sorgfältig ausgewähltem Programm zu sein und bei der Zielgruppe auch angenommen wird. Bewußt verzichtet wird auf die Untersuchung von Serien, die aufgrund einer offensiven und erfolgreichen Merchandisingstrategie besonders von der Zielgruppe angenommen werden. Die Wertevermittlung soll anhand alltäglicher Zeichentrickfilmserien dokumentiert werden; auch deshalb fiel die Entscheidung zugunsten dieser Serie aus. Die Validität der Untersuchung wird dadurch erhöht, daß die analysierten Sendungen wiederholt ausgestrahlt wurden, d.h., daß sich die Zuschauerzahl, die sich mit den in den Sendungen involvierten Werten bewußt oder unbewußt auseinandersetzte, erhöht und damit Rückschlüsse auf die fernsehbezogene, werteorientierte Freizeitgestaltung einer größeren Zielgruppe zuläßt. 18

19 2. Analyse des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplanes für die Grundschule des Landes Baden-Württemberg in bezug auf die Wertevermittlung und medienrelevante Inhalte Der Bildungsplan, der auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung mit den entsprechenden Wertevorstellungen basiert, legt als staatliche Vorgabe für die jeweiligen Schularten in den verschiedenen Bundesländern verbindlich fest, welche Aufgabe schulische Erziehung und Bildung zu leisten haben. Er ordnet das Lehrgefüge und greift mit unterschiedlicher Gewichtung die geistige Situation und Konstellation seiner Zeit auf (vgl. Weniger 1960). Die Jahrgangspläne für die jeweiligen Klassenstufen differenzieren die zu erarbeitenden Inhalte unter entwicklungs- und lernpsychologischen Aspekten in den einzelnen Unterrichtsfächern weiter. In ihrer 1989 veröffentlichten medienpädagogischen Lehrplananalyse beschreibt Eschenauer Wesen, Inhalt und Funktion von Lehrplänen: In Lehrplänen werden von kultusministerieller Seite auf Länderebene Lernziele für das öffentliche Schulwesen festgelegt, und zwar durch Auswahl, Umfang, Reihenfolge und Anordnung der Bildungsinhalte. Lehrpläne steuern im Prinzip neben Schulbüchern und individuellen Unterlagen der Lehrer und Lehrerinnen den Unterricht. Sie werden aber als konkrete Hilfe für den Unterricht oft nicht wahrgenommen: Um für die Praxis handhabbar zu sein, müssen Lehrpläne eindeutig sein, ohne die Pluralität fachwissenschaftlicher Ansätze aufzugeben; als öffentliche Dokumente müssen sie zudem allgemein verständlich sein, ohne an Prägnanz zu verlieren; von seiten der Lehrerschaft werden einerseits Verbindlichkeit, andererseits auch nur Anregungen erwartet; Lehrpläne müssen von unterschiedlichen schulischen Rahmenbedingungen abstrahieren, gleichzeitig aber konkrete Hilfen für den Unterricht bieten; und schließlich stellen sie ein System von Zielen, Inhalten und Methoden dar, das dann im Unterricht zum Prozeß werden soll (Eschenauer 1989, S. 17). 2.1 Untersuchungsgegenstand Als Grundlage für die Analyse der den Kindern in der Schule zu vermittelnden Werte und der im Unterricht zu bearbeitenden medienrelevanten Inhalte wird im folgenden der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Bildungsplanes für die Grundschule des Landes Baden-Württemberg vom 19. Januar 1994 IV/ /59 herangezogen, der am 1. 19

20 August 1994 in Kraft trat und damit den Bildungsplan vom 5. März 1984 (LPH 5 /1984 S. 7) außer Kraft setzte. Neben dem für diese Untersuchung relevanten Erziehungs- und Bildungsauftrag umfaßt der Bildungsplan für die Grundschule ein Vorwort, den Jahrgangsplan des Anfangsunterrichts für die Klassen 1 und 2, die Jahrgangspläne der Klassen 3 und 4 sowie einen Anhang und Benutzerhinweise. Die in dieser Quelle enthaltenen werte- und medienrelevanten Textstellen werden aus methodischen Gründen ausführlich zitiert und nicht zusammenfassend gebündelt oder exemplarisch dokumentiert, um darzustellen, auf welche Pflichten und Selbstentfaltungsmöglichkeiten die Schule die jungen Menschen vorzubereiten hat. Damit wird gleichzeitig die Vorgehensweise der Untersuchung und die daraus resultierenden Schlußfolgerungen transparent gemacht. In ihrem programmatisch ausgerichteten Vorwort zu diesem Bildungsplan weist die damalige Kultusministerin, Schultz-Hector, auf den tiefgreifenden Wandel in allen Lebensund Wissensbereichen, den Zuwachs an wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnissen und neue pädagogische Anforderungen hin (vgl. Ministerium für Kultus und Sport 1994). Dies erfordere eine inhaltlich und methodisch an die veränderten Gegebenheiten angepaßte Fortschreibung des bis dahin gültigen Bildungsplanes. Weiter führt sie einige wesentliche Neuerungen im aktuellen Bildungsplan aus: Die Umgestaltung der Fachlehrpläne in Jahrgangspläne und die Aufnahme von Pädagogischen Leitgedanken unterstreichen die stärkere Orientierung der Inhalte am Entwicklungsstand der Kinder. Stoffentlastung und inhaltliche Konzentration eröffnen zusätzliche pädagogische Freiräume und schaffen die Grundlage für teamorientierte Lehr- und Lernformen. Mit ihnen können zukunftsweisende Schlüsselqualifikationen wie Selbständigkeit, Verantwortungsbewußtsein, Teamfähigkeit und Methodenkompetenz vermittelt werden. Zu den wichtigen Neuerungen gehört schließlich die Ausweisung von fächerverbindenden Themen. Mit der damit verbundenen Stärkung ganzheitlicher und vernetzter Denk- und Sichtweisen tragen wir - mit dem Blick in die Zukunft - einem zentralen Erfordernis schulischer Bildung Rechnung (Ministerium für Kultus und Sport 1994, S. 5). Den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in der Landesverfassung BadenWürttemberg und im Schulgesetz für Baden-Württemberg verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag und damit die Verpflichtung zu einer gesellschaftlich adäquaten Wertevermittlung, setzt die Kultusbehörde im Bildungsplan sowohl im Erziehungs- und Bildungsauftrag der Grundschule als auch in den Jahrgangsplänen um. Der Bildungsplan ist die verbindliche Vorgabe für den Unterricht (S. 9). Im Erziehungs- und Bildungsauftrag gibt er dem Lehrpersonal Rahmenbedingungen für ihr pädagogisches Handeln vor und erörtert pädagogische Grundlagen, allgemeine Aufgaben und Ziele der 20

21 Grundschule, Grundsätze sowohl der Unterrichtsgestaltung als auch der Zusammenarbeit von Schule, Elternhaus und außerschulischen Einrichtungen. In einem letzten Abschnitt erläutert er die Schwerpunkte der Inhalte der Unterrichtsfächer der Jahrgangspläne. Der Erziehungs- und Bildungsauftrag bildet die Brücke zwischen den Festlegungen von Grundgesetz, Landesverfassung und Schulgesetz und dem pädagogischen Handeln an der Schule. Die darin formulierten Grundsätze sind Voraussetzung für das Verständnis jedes einzelnen Lehrplans; die Lehrerinnen und Lehrer sind an diese Grundsätze gebunden (Ministerium für Kultus und Sport 1994, S. 29). Beim Abstraktionsniveau der Zielangaben in diesem Teil des Bildungsplanes handelt es sich im allgemeinen um Richt- bzw. Grobziele, also um mehr oder weniger globale, umfassende und unspezifische Beschreibungen und Grundsätze auf hohem oder mittlerem Abstraktionsniveau, das der Lehrkraft bei der Konkretisierung Interpretationsund Handlungsfreiräume ermöglicht. Ziel der Analyse wichtiger, werterelevanter Inhalte der Gesetzestexte und des Erziehungs- und Bildungsauftrages der Grundschule für Baden-Württemberg sowie deren medienpädagogische Verortung in letzterem ist es, durch eine inhaltliche Beschreibung darzulegen, welche gesellschaftlich anerkannten Werte der entsprechenden Erziehung junger Menschen zugrundeliegen und wie bzw. ob diese mit den medienpädagogischen Vorgaben korrelieren. Da Grundgesetz, Landesverfassung und Schulgesetz die schulisch zu erzielenden Wertevorstellungen vorgeben, werden diese drei Gesetzestexte hinsichtlich der darin enthaltenen Werte auf der Basis der aufgestellten Wertematrix herangezogen, um darzustellen, welcher Wertetyp den staatlichen Zielvorgaben entspricht und damit von der staatlich institutionalisierten Einrichtung Schule anzustreben ist Wertevorgaben für das formale Bildungswesen Die in dieser Arbeit zugrunde gelegte Einordnung der Wertetypen und Definition des Begriffes Wert geht auf Klages zurück. Für ihn sind Werte lebensübergreifende objektunspezifische Orientierungsleitlinien zentralen Charakters, die den Systeminput einer Person (ihre Wahrnehmung) wie auch die in ihr ablaufende Inputverarbeitung 21

22 selektiv organisieren und akzentuieren und gleichzeitig auch ihren Output, d.h. ihr Reaktions- und Verhaltensschema regulieren (Klages 1977, S. 295). Damit determinieren Werte kognitive und emotionale Einstellungen und regulieren das Handeln, sie sind individuelle Zielgrößen menschlichen Verhaltens und Wahrnehmens. Die im Grundgesetz auf Grund der historischen Entwicklung implizierten Werte stellen die für die demokratische Gesellschaft grundlegenden Werte dar, die einer ständig wechselnden Konsensbindung und Tagesmeinung und somit dem Mitte der 60er Jahre einsetzenden Wertewandel (vgl. Abschnitt A 2.3.5) weitgehend entzogen sind. Aus diesen leiten sich dann Werte ab, die instrumentellen Charakter haben, z.b. Gerechtigkeit, Solidarität, Konfliktbewältigung oder Durchsetzung von Interessen. Auf diese beiden Werteebenen wiederum instrumentell ausgerichtet sind die Werte, welche die Verwirklichung der höheren Werte psychisch und sozial ermöglichen, z. B. Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl, Hilfsbereitschaft; sie werden oft auch Sekundärtugenden genannt (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst 1996, S. 17; vgl. die ausführliche Darstellung der Werteebenen in dieser Quelle S. 16f). Der Wertewandel betrifft danach vornehmlich die instrumentellen Werte. Analyse der im Grundgesetz verankerten Grundrechte Überträgt man die hier vorgeschlagene Hierarchie der Werteebenen auf die den Unterricht tragenden und den Kindern zu vermittelnden Werte, so bilden die als Grundrechte formulierten Artikel 1-19 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland die höchste Ebene. Folgende sind aufgeführt: die Achtung der Menschenwürde (Artikel 1), die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit (Artikel 2), die Gleichheit (Artikel 3), die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Artikel 4), die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit sowie die Freiheit der künstlerischen und wissenschaftlichen Betätigung (Artikel 5), der besondere Wert von Ehe und Familie (Artikel 6), das Schulwesen (Artikel 7), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), die Freizügigkeit (Artikel 11), die Berufsfreiheit und das Verbot der Zwangsarbeit (Artikel 12), die Wehr- und Dienstpflicht (Artikel 12a), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13), das Eigentum, 22

23 das Erbrecht und die Enteignung (Artikel 14), die Sozialisierung (Artikel 15), das Verbot der Ausbürgerung und die Auslieferung (Artikel 16), das Asylrecht (Artikel 16a), das Petitionsrecht (Artikel 17), die Grundrechtsbeschränkungen im Wehrbereich (Artikel 17a), die Verwirkung von Grundrechten (Artikel 18) und die Einschränkung von Grundrechten, die Wesensgehalts- und Rechtswegegarantie (Artikel 19) (vgl. Landtag von BadenWürttemberg u.a. 1996)3. Das Grundgesetz schützt in diesen Artikeln 1-19 die Grundrechte der Menschen. Sie basieren auf vorhandenen Wertevorstellungen. Gleichzeitig schaffen sie einen Rahmen, in dem sich einerseits eine Wertepluralität entwickeln kann, andererseits der uneingeschränkten Verfolgung beispielsweise egoistischer Ziele, Grenzen gesetzt werden. Mit anderen Worten, es gibt die Werte nicht vor, aber die Texte tendieren in die Richtung von Werthaltungen, indem sie Pflichten aber auch Selbstentfaltungsmöglichkeiten aufzeigen. Auf der Basis der Grundgesetzartikel 1-19, werden nun die beiden Bereiche differenziert. Folgende Passagen garantieren die Selbstentfaltung: Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Artikel 2 (1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (...). (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. (...) Artikel 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Artikel 4 (1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Artikel 5 (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der 3 Die im folgenden zitierten Artikel des Grundgesetzes und der Landesverfassung wurden alle nachstehender Quelle entnommen: Landtag von Baden-Württemberg, Landesregierung, Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Grundgesetz-Landesverfassung, o.o An den zitierten Textstellen wurden lediglich die entsprechenden Seitenzahlen dieser Literatur angegeben. 23

24 Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Artikel 5 (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. (...) Artikel 6 (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Artikel 7 (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) (...) Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen. Artikel 8 (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Artikel 9 (1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Artikel 10 (1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Artikel 11 (1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Artikel 12 (1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden(...). Artikel 13 (1) Die Wohnung ist unverletzlich. Artikel 14 (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Artikel 16 (1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. (...) 24

25 Artikel 16 a (1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Artikel 17 Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Artikel 19 (4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (S. 14ff). Daneben werden aber an verschiedenen Stellen persönliche Freiheiten von Pflichten begrenzt: Artikel 2 (1) schränkt das Recht des einzelnen auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit dadurch ein, daß es nur dann seine Berechtigung erfährt soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (S. 14). In diese Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf die Freiheit der Person darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden (S. 14). Die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit sowie die Freiheit der künstlerischen und wissenschaftlichen Bestätigung (Artikel 5) wird mit dem Zusatz verbunden: Artikel 5 (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3)(...)Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung (S. 15). Die besondere Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder hebt Artikel 6 (2) hervor: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht (S. 15). Die Versammlungsfreiheit (Artikel 8) wird beschränkt durch Absatz 2: Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden (S. 16). 25

26 Auch der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9) sind Grenzen durch Absatz 2 gesetzt: Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten (S. 16). Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10) und der Freizügigkeit (Artikel 11) dürfen nur durch ein Gesetz angeordnet werden. Dies trifft bezüglich Artikel 11 auf die Fälle zu, (...) in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist (S. 17). Die Berufsausübung kann durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden (Artikel 12 (1), S. 17); das Verbot der Zwangsarbeit wird im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstpflicht aufgehoben (Artikel 12 (2), S. 17). Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig (Artikel 11 (3), S. 17). Artikel 12 a regelt verpflichtend in Absatz 1 und 2 den Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband sowie dem Ersatzdienst und erweitert den Kreis derer in den Abschnitten 3 und 4, die im Verteidigungsfalle Aufgaben für die Allgemeinheit erfüllen müssen (vgl. S. 18f). Die Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13) wird durch Absatz 2 und 3 eingeschränkt: (2) Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden. (3) Eingriffe und Beschränkungen dürfen im übrigen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden (S. 19). 26

27 Die Schranken des Eigentums und des Erbrechts (Artikel 14) bestimmen Gesetze. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (S. 19f). Bei der in Artikel 15 geregelten Sozialisierung geht Allgemeinrecht auch über Persönlichkeitsrecht: Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden (S. 20). Die Absätze 2 und 3 des Artikels 16a grenzen das Asylrecht auf bestimmte Personengruppen ein. Die Grundrechtsbeschränkungen im Wehrbereich (Artikel 17a), die Verwirkung von Grundrechten (Artikel 18) sowie deren Einschränkungen (Artikel 19) beschneiden ebenfalls die individuelle Selbstentfaltung (vgl. S. 20ff). Ausführungen zu Erziehung und Unterricht in der Landesverfassung Aufgrund dessen, daß im föderativen Staatsverband der Bundesrepublik Deutschland die Länder die Kulturhoheit besitzen, bedarf es bei der Erörterung der Wertevorgaben auf der höchsten Werteebene auch der Berücksichtigung der in der Landesverfassung gesetzlich niedergelegten Ausführungen zu Erziehung und Unterricht. Dies trifft auf die Artikel der Verfassung des Landes Baden-Württemberg zu (vgl. Landtag von BadenWürttemberg, u.a. 1996, S ). Sie greift in ihnen, basierend auf dem Grundsatz der Entfaltung und des Schutzes junger Menschen aber auch der Übernahme von Pflichten für die Gemeinschaft, die Werte mit den Ausführungen über Erziehung und Unterricht, auf. Die Wahrnehmung der Selbstentfaltungsmöglichkeiten legen nachstehende Passagen fest: 27

28 Artikel 11 (1) Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft und wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung. (...) Artikel 13 Die Jugend ist gegen Ausbeutung und gegen sittliche, geistige und körperliche Gefährdung zu schützen. (...) Artikel 14 (2) Unterricht und Lehrmittel an den öffentlichen Schulen sind unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit wird stufenweise verwirklicht. (...) Artikel 21 (1) Die Jugend ist in den Schule zu freien und verantwortungsfreudigen Bürgern zu erziehen (...). Artikel 15 (3) Das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, muß bei der Gestaltung des Erziehungs- und Schulwesens berücksichtigt werden. (...) (S. 106 ff). Die Selbstentfaltung wird durch Pflichten ergänzt und begrenzt: Artikel 13 gibt vor wie die Jugend geschützt werden soll: Staat und Gemeinden schaffen die erforderlichen Einrichtungen. Ihre Aufgaben können auch durch die freie Wohlfahrtspflege wahrgenommen werden (...) (S. 106). Artikel 21 (1) fordert neben der Erziehung der Jugend in der Schule zu freien und verantwortungsfreudigen Bürgern, die jungen Menschen an der Gestaltung des Schullebens zu beteiligen (S. 108). Neben der Stärkung der Selbstentfaltung der jungen Menschen werden in diesen Artikeln auch traditionelle religiöse Wertevorstellungen betont: Ehrfurcht vor Gott im Geiste christlicher Nächstenliebe, Liebe zu Volk und Heimat (Art. 12), Erziehung auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte (Art. 16). In allen Schulen waltet der Geist der Duldsamkeit und der sozialen Ethik (Art. 17) (vgl. S. 106 f). Artikel 12 (1) Die Jugend ist in Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, 28

29 zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen. (2) Verantwortliche Träger der Erziehung sind in ihren Bereichen die Eltern, der Staat, die Religionsgemeinschaften, die Gemeinden und die in ihren Bünden gegliederte Jugend. (...) Artikel 14 (1) Es besteht allgemeine Schulpflicht. Artikel 16 (1) In christlichen Gemeinschaftsschulen werden die Kinder auf der Grundlage christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte erzogen. Der Unterricht wird mit Ausnahme des Religionsunterrichts gemeinsam erteilt. (...) Artikel 17 (1) In allen Schulen waltet der Geist der Duldsamkeit und der sozialen Ethik (S. 106ff). Der im Schulgesetz verankerte Erziehungs- und Bildungsauftrag Das Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg bestimmt in 1 den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule: (1) Der Auftrag der Schule bestimmt sich aus der durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Landes Baden-Württemberg gesetzten Ordnung, insbesondere daraus, daß jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung hat und daß er zur Wahrnehmung von Verantwortung, Rechten und Pflichten in Staat und Gesellschaft sowie in der ihn umgebenden Gemeinschaft vorbereitet werden muß. (2) Die Schule hat den in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen. Über die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten hinaus ist die Schule insbesondere gehalten, die Schüler in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Überzeugung anderer, zu Leistungswillen und Eigenverantwortung sowie zu 29

30 sozialer Bewährung zu erziehen und in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern, zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen, die im einzelnen eine Auseinandersetzung mit ihnen nicht ausschließt, wobei jedoch die freiheitlichdemokratische Grundordnung, wie in Grundgesetz und Landesverfassung verankert, nicht in Frage gestellt werden darf, auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten vorzubereiten und die dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu vermitteln, auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten. (3) Bei der Erfüllung ihres Auftrages hat die Schule das verfassungsmäßige Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder mitzubestimmen, zu achten und die Verantwortung der übrigen Träger der Erziehung und Bildung zu berücksichtigen. (4) Die zur Erfüllung der Aufgaben der Schule erforderlichen Vorschriften und Maßnahmen müssen diesen Grundsätzen entsprechen. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Bildungs- und Lehrpläne sowie für die Lehrerbildung (Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.) 1994, S. 9). In den Absätzen 1 und 2 fließen sowohl Ausführungen zu Pflicht- wie auch Selbstentfaltungsbereichen ein. Absatz 3 berührt die Rechte und Pflichten der Eltern, Absatz 4 ist eher funktional ausgerichtet. Der Selbstentfaltung können aus den beiden ersten Absätzen nachstehende Stellen zugewiesen werden: Absatz 1: (...) daß jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung hat. Absatz 2: (...)die Schüler in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Begabung zu fördern (...), sie von der Auseinandersetzung mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht auszuschließen, sie auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen staatsbürgerlichen Rechte(...) vorzubereiten und die dazu notwendige Urteils- und Entscheidungsfreiheit zu vermitteln. 30

31 Die Vorbereitung des jungen Menschen auf seine Pflichten greifen folgende Passagen auf: Absatz 1: Er muß zur Wahrnehmung von Verantwortung, Rechten und Pflichten in Staat und Gesellschaft sowie in der ihn umgebenden Gemeinschaft vorbereitet werden. Absatz 2 nennt elf Aspekte. Die Schüler sollen in Verantwortung vor Gott, im Geiste christlicher Nächstenliebe, zur Menschlichkeit und Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zur Achtung der Würde und der Überzeugung anderer zu Leistungswillen und Eigenverantwortung sowie zu sozialer Bewährung (...), zur Anerkennung der Wert- und Ordnungsvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erzogen werden, wobei diese nicht in Frage gestellt werden darf. Weiterhin ist die Schule gehalten, sie auf die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen (...) Pflichten (...), auf die Mannigfaltigkeit der Lebensaufgaben und auf die Anforderungen der Berufs- und Arbeitswelt mit ihren unterschiedlichen Aufgaben und Entwicklungen vorzubereiten. Die Selbstentfaltung ihrer Kinder können die Eltern in der Schule mit einer umfassenden Mitbestimmung realisieren. Die Schule wiederum hat die Pflicht, deren Interessen und die der Verantwortung der übrigen Träger der Erziehung und Bildung zu berücksichtigen (Absatz 3). Fazit Die analysierten Gesetzestexte, Grundgesetz, Landesverfassung und Schulgesetz, berücksichtigen auf breiter Basis somit sowohl den werterelevanten Pflicht- (51 Belegstellen) als auch den diesbezüglichen Selbstentfaltungspol (36 Belegstellen), die bei der Sozialisation und Erziehung der Kinder relevant sind. Dabei betonen die formalen Vorgaben für die Grundschule in Baden-Württemberg den Pflicht- und Akzeptanzbereich stärker als die Selbstentfaltung. Darüber hinaus unterstreicht die Landesverfassung explizit die für die schulische Arbeit relevante religiöse Bindung und Tradition (Artikel 12, 16, 17). 31

32 Anzahl der Belegstellen des Pflicht- und Akzeptanz- sowie des Selbstentfaltungsbereiches in den gesetzlichen Grundlagen des formalen Bildungswesens Beim Versuch einer Zuordnung der in den Gesetzestexten implizierten Werteträger zur idealtypischen Darstellung der fünf Wertetypen von Klages - perspektivlos Resignierter, ordnungsliebender Konventionalist, aktiver Realist, hedonistischer Materialist, nonkonformer Idealist - anhand der erstellten Matrix, entspricht der persönlichkeitsstarke aktive Realist deutlich den Wertvorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sein Werterepertoire ist von einer umfassenden Wertesynthese geprägt, die es ihm ermöglicht, Pflicht- und Akzeptanzwerte ebenso zu aktualisieren wie idealistische und hedonistische Selbstentfaltungswerte, ohne in einen grundlegenden Wertekonflikt zu geraten. Einerseits erfolgsorientiert, auf das Einbringen eigener Kreativität und Eigeninitiative bedacht, gleichzeitig andererseits sich dessen bewußt, daß ohne die Beachtung von Pflichten und ohne Selbstdisziplin Erfolg nicht möglich ist, integriert er sich auf aktive Weise in die Gesellschaft. Er verfolgt konsequent die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, handelt aber dennoch angemessen und pflichtbewußt, indem er z.b. Würde, Rechte, Freiheit und Glauben 32

33 anderer achtet, die Gleichheit aller Menschen anerkennt, die Meinungsfreiheit beansprucht und anderen zugesteht, Ehe und Familie als besonders schützenswertes Gut der Gesellschaft würdigt und verantwortungs- und pflichtbewußt die Pflege und Erziehung der Kinder verfolgt, sich für die Gemeinschaft engagiert sowie die Gesetze befolgt. Dadurch, daß er seine Selbstentfaltung unter Berücksichtigung der Selbstentfaltung anderer betreibt und gleichzeitig Verantwortung für Staat, Gesellschaft und sich selbst übernimmt und verantwortungsbewußt und angemessen handelt, entspricht er dem Geiste der als ideal anerkannten Werteebene. 2.3 Der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule und der Megatrend des Wertewandels Nach der Darstellung der für die Grundschule des Landes Baden-Württembergs verpflichtenden Wertevorgaben und der sich daraus ergebenden Zuordnung der Werterichtung zu einem Wertetyp, der diese nach der Typologie von Klages repräsentiert, gilt es zu überprüfen, ob der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Bildungsplanes für die Grundschule von den von Klages formulierten Megatrend des Wertewandels - von Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu Selbstentfaltungwerten - der bundesrepublikanischen Gesellschaft aufgreift und seinerseits so einen Beitrag zum Modernisierungsprozeß leistet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß zum einen der Bildungsplan in seinen werterelevanten Ausführungen kompatibel mit den vorher analysierten Gesetzesvorlagen sein muß, zum anderen er in etwa zehnjährigem Rhythmus fortgeschrieben wird, so daß in ihn gesellschaftliche und wertespezifische Veränderungen unmittelbarer Eingang finden können. Der Bildungsplan betont den erzieherischen Auftrag der Schule, eröffnet aber den Lehrkräften gleichzeitig den für die pädagogische Arbeit notwendigen Freiraum, um so den ganzheitlichen, auf die Persönlichkeit des Kindes ausgerichteten Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen (vgl. S. 10). Eine Schwierigkeit der Erfüllung dieser Aufgabe liegt darin begründet, daß die Kinder in die Grundschule mit unterschiedlichen 4 Alle in diesem Abschnitt aufgeführten Zitate entstammen, sofern nicht anders ausgewiesen, folgender Quelle: Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.): Bildungsplan für die Grundschule. Stuttgart

34 individuellen Lernvoraussetzungen und Lernerfahrungen (S. 10) eintreten und am Ende der Grundschule über vergleichbare Grundkenntnisse und Fertigkeiten verfügen sollen. Gleichzeitig soll eine Balance zwischen der notwendigen Pflichterfüllung und den individuellen Fähigkeiten des Kindes gefunden werden. Die Aufgaben und Ziele der Grundschule, die beide Pole berücksichtigen, sind im Bildungsplan explizit formuliert. Den Pflicht- und Akzeptanzbereich decken ab: Sie (die Grundschule - P. J.) weckt die sittliche, religiöse, soziale und freiheitlichdemokratische Gesinnung, auf der das Zusammenleben gründet. Sie übt Verhaltensweisen und Umgangsformen ein, die für das Miteinanderleben - auch in der Schule - wichtig sind. Sie befähigt die Kinder, aufeinander zu hören und voneinander zu lernen, und hält Jungen und Mädchen zu einem partnerschaftlichen Verhalten an. Sie erzieht zu sozialer Bewährung und zum selbstverständlichen Umgang mit Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft sowie zum Zusammenleben mit Menschen mit Behinderungen. Sie fördert das Bewußtsein für elementare, technische, wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge und erzieht zur Verantwortung gegenüber der Natur. Sie setzt die im vorschulischen Alter begonnenen vielfältigen Lernprozesse fort. (...) Sie führt die Kinder von den Formen spielerischen zu den systematisierten Formen schulischen Lernens und Arbeitens. (...) Sie strebt den Erwerb gesicherter Kenntnisse an und übt Fertigkeiten ein, die für die Lebensbewältigung wichtig und für die Schularbeit grundlegend sind (S. 10). Der kindlichen Selbstentfaltung tragen folgende Überlegungen Rechnung: Sie fördert die verschiedenen Begabungen der Kinder in einem gemeinsamen, vierjährigen Bildungsgang. (...) Sie entfaltet verborgene und noch nicht entwickelte Fähigkeiten oder Eigenschaften durch fördernde und ermutigende Hilfen. (...) Sie fördert die Kräfte des eigenen Gestaltens und des schöpferischen Ausdrucks (S. 10). Grundsätze der Unterrichtsgestaltung 34

35 An diesen Aufgaben und Zielen orientieren sich die Grundsätze der Unterrichtsgestaltung - Heimatverbundenheit und Weltoffenheit, Schule als Lebensraum, Lernen im Spiel, Fördern und Differenzieren, Freies Arbeiten, Lernen und Leisten, Üben und Hausaufgaben (vgl. S. 11ff) - die gleichfalls die Pflichten aber auch die individuellen Bedürfnisse der Kinder unterstreichen. Erziehung und Unterricht in der Grundschule orientieren sich am emotionalen, psychomotorischen, intellektuellen und sozialen Entwicklungsstand der Kinder. Alle Erziehungsund Bildungsprozesse knüpfen an den Erlebnis- und Erfahrungshorizont des Kindes an und erweitern ihn. Anschaulichkeit, Lebensnähe und Handlungsbezug sowie kindgemäße Aufgabenstellungen und vielfältige Formen des Lernens, Übens und Wiederholens sind unverzichtbare Grundelemente eines entwicklungsgemäßen Unterrichts (S. 10). Die Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizonts führt vom unmittelbaren Umfeld zu pluralen Lebensformen; Meinungen und Haltungen, Heimatverbundenheit und Weltoffenheit kennzeichnen den Unterricht. In Schule, Freizeit und Familie begegnen die Kinder unterschiedlichen Orientierungen und Lebensformen. Der respekt- und verständnisvolle Umgang mit sozialen, ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschieden, wie er von Erwachsenen erwartet wird, muß im Kindesalter grundgelegt werden. Die Kinder sollen lernen, sich für andere Orientierungen und Lebensformen zu öffnen und sie als Bereicherung anzunehmen. Der Schule kommt dabei die Aufgabe zu, Unterschiede verständlich zu machen und die Kinder zu einem partnerschaftlichen Umgang anzuleiten (S. 11). Die Schule als Lebensraum erfordert vom jungen Menschen einerseits, sich den Regeln des gestalteten Zusammenlebens anzupassen, andererseits sie auch als eigen gestaltbaren Raum und gestaltbare Zeit zu erfahren. Im Hinblick auf das Zusammenleben mit Gleichaltrigen und die Stellung des Kindes im Klassenverband sind von Anfang an Formen des Umgangs, der Hilfsbereitschaft, der Rücksichtnahme und der Höflichkeit zu pflegen. Dies gilt auch für die verschiedenen Sozialformen des Unterrichts. Die Kinder sollen die Schulordnung als sinnvolle Ordnung begreifen und mitgestalten lernen (S. 11). Die gleichen Prämissen, Selbstdarstellung und -disziplin erfährt das Kind beim Lernen im Spiel. Individuelle Gestaltungskraft, aber auch regelkonforme Kooperationsbereitschaft werden von ihm gefordert. Durch gezieltes Fördern und Differenzieren werden dem Kind individuelle Hilfen angeboten und seine besonderen Interessen und Fähigkeiten berücksichtigt. 35

36 In freiwilligen, auch klassenübergreifenden Angeboten wie Chor, Instrumentalgruppe, Darstellendes Spiel, Schuldrucken und Schulgarten eröffnen sich den Kindern individuelle Chancen (S. 12). Ergänzung findet diese Unterrichtsform durch Freies Arbeiten, bei dem die Schüler selbständig und verantwortlich mit Hilfe vorbereiteter oder von ihnen selbst eingebrachter Materialien (...) lernen und Aufgaben (...) erfüllen. Dabei können die Kinder auch Ziele selbst setzen. Sie lernen nach eigenem Arbeitsrhythmus und entscheiden über die jeweilige Sozialform. Dies geschieht in einer sorgfältig vorbereiteten Lernumgebung mit einem Angebot von geeigneten Spiel- und Lernsituationen, in verantwortetem Umgang mit der Zeit und im Rahmen gemeinsam vereinbarter Regeln. Freies Arbeiten regt die Kinder an, eigene Initiativen und Interessen zu entwickeln und einzubringen. Sie lernen, Verantwortung für ihre Arbeit zu übernehmen, erproben und üben verschiedene Formen des Miteinanderlernens und achten auf das Erreichen angestrebter Arbeitsergebnisse (S. 12). Auch hier kennzeichnen Pflichten und Selbstentfaltung den Unterricht. Behutsame Lernund Leistungskontrolle, die sowohl objektive Anerkennung der individuellen Arbeitsergebnisse durch Mitschüler und Lehrer ist, aber auch die Erhaltung und Förderung der Lernfreude stärken soll, erfolgt nach individuumsbezogenem Maßstab in Klasse 1, 2 und wird in Klasse 3, 4 von normbezogenen Bewertungsmaßstäben allmählich abgelöst. Die unterschiedlichen Leistungsvoraussetzungen der Kinder erfordern differenzierte Lernanforderungen, die dem leistungsschwächeren Kind erreichbare Ziele setzen und leistungsstärkere Kinder angemessen fordern. Leistungsüberprüfungen schriftlicher, mündlicher oder praktischer Art sollen der Breite der in der Grundschule entfalteten Fähigkeiten gerecht werden und sind in den Unterricht zu integrieren. Durchschaubare Bewertungsmaßstäbe fördern die Selbsteinschätzung. Individuelle Anregungen, wie am besten weitergelernt werden kann, entwickeln die Fähigkeiten der Kinder zum selbständigen Lernen. Leistungsfeststellungen dürfen nicht zur Disziplinierung mißbraucht werden (S. 13). Durch wiederholtes Üben, gezielte individuell ausgerichtete Fördermaßnahmen und Hausaufgaben erfährt die Entwicklung des Kindes eine entsprechende Unterstützung (vgl. S. 13). 36

37 Erziehungs- und Bildungsauftrag der Unterrichtsfächer Die Unterrichtsinhalte der einzelnen Fächergreifen die Vorgaben der grundlegenden pluralen Bildung der Kinder konsequent auf, indem sie deren individuelles Interesse berücksichtigen und sie unterstützen, neue Erfahrungs- und Wissensgebiete sowie übergreifende Zusammenhänge zu erschließen. Parallel dazu werden die Pflichten des Erlernens elementarer Kulturgüter ebenso eingefordert wie bewußte Sach- und Sozialbegegnungen. Diese umfassende Erziehungs- und Bildungsaufgabe vollziehen die jeweiligen Unterrichtsfächer in unterschiedlicher Akzentuierung, wobei für alle Fachdisziplinen die fächerverbindende Erarbeitung der Inhalte, auch in Projekten, von großer Bedeutung ist (vgl. S. 15). Einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag leistet hierbei der Evangelische Religionsunterricht. Er unterstreicht die persönliche Lebenssituation der jungen Menschen. Indem er die Bedeutung der tradierten Werteprinzipien Glaube, Hoffnung, Liebe betont, versuchter sie bei ihrer Suche nach Lebenssinn und Orientierung ohne einengendes Rollenverständnis zu begleiten. Er ermutigt Kinder und Jugendliche, sich mit eigenen und anderen Glaubenserfahrungen auseinanderzusetzen und auf dem Weg des eigenen Glaubens neue Schritte zu gehen. (...) Deshalb muß es auch möglich sein, daß ein Kind Distanz zu den Inhalten des Religionsunterrichts zeigt (S. 16). Er nimmt die Lebenssituation heutiger Kinder und Jugendlicher wahr und führt auf altersgemäße Weise in den Zusammenhang zwischen Glauben und Leben ein. Angesichts pluraler Lebensverhältnisse regt er dazu an, sich mit verschiedenen Sinn und Wertangeboten auseinanderzusetzen und im christlichen Glauben eine Hilfe zur Deutung und Gestaltung des Lebens zu finden. Der Evangelische Religionsunterricht ermutigt Mädchen und Jungen, sich als Geschöpfe Gottes mit ihren persönlichen Gaben und Grenzen anzunehmen (Wer bin ich?). Er öffnet den Blick für die christliche Prägung unserer Kultur und weckt das Bewußtsein für die geschichtliche Bedingtheit weltanschaulicher und religiöser Vorstellungen. Er fördert die Fähigkeit, eigene Positionen zu entwickeln und zu vertreten, andere Auffassungen zu tolerieren und von anderen Menschen zu lernen (Woher kommen wir? Was ist wahr?). 37

38 Er nimmt die Kinder und Jugendlichen mit ihren Erwartungen, Sorgen und Angsten ernst und stärkt sie in ihrer Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft (Was dürfen wir hoffen?). Er fordert dazu heraus, mit anderen zusammen die Frage nach Gut und Böse, Recht und Unrecht zu stellen, den Zusammenhang von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung wahrzunehmen und sich einzusetzen für ein Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung (Was sollen wir tun?) (S. 15). Darüber hinaus setzt sich dieses Fach im besonderen ein für eine Verständigung über Regeln guten Zusammenlebens, für ein faires Austragen von Meinungs- und Interessengegensätzen und für den Schutz der Schwächeren (S. 16). Auch die Katholische Religionslehre erbringt einen eigenständigen Beitrag im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrages. Da die christliche Botschaft den ganzen Menschen im Blick hat, muß ihre Vermittlung ganzheitlich sein (S. 18). Damit stehen die Inhalte des Katholischen Religionsunterrichts schon vom Grundsatz her zwischen tradierten Pflicht- und Akzeptanzwerten und Selbstentfaltungswerten. Den verkürzenden Deutungen von Welt und Mensch stellt er die christliche Vorstellung von Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gegenüber und vertieft die Aussagen über Würde und Freiheit eines jeden Menschen. Auf diese Weise trägt der Katholische Religionsunterricht zur Gestaltung des eigenen wie des gesellschaftlichen Lebens bei (S. 18). Der Katholische Religionsunterricht ist von ökumenischem Geist getragen und offen für den Dialog mit Andersdenkenden. Er sucht die Kooperation mit anderen Fächern. (...) Indem der Religionsunterricht die Erfahrungen biblischer Menschen mit Gott in lebendiger Erzählung den Kindern nahebringt, eröffnet er Möglichkeiten der Identifikation und läßt Glauben als einen das ganze Leben durchdringenden Prozeß erahnen. Zugleich ermuntert er die Kinder, eigenes Erleben und eigene Gefühle auszudrücken und mitzuteilen (S. 18). Vertrauen zu sich selbst finden und zu anderen Menschen anzubahnen letztendlich zu Gott als dem tragenden Grund (S. 19) sowie das Gefühl angenommen zu werden und wertvoll zu sein, sind einige wichtige Leitlinien des Planes dieses Faches. An diesem Ansatz orientieren sich die Ziele: 38

39 Er weckt und reflektiert die Frage nach Gott, nach der Deutung der Welt, nach dem Sinn und Wert des Lebens und nach den Normen für das Handeln des Menschen und ermöglicht eine Antwort aus der Offenbarung und aus dem Glauben der Kirche. Er macht vertraut mit der Wirklichkeit des Glaubens und der Botschaft, die ihm zugrunde liegt, und hilft, den Glauben denkend zu verantworten. Er befähigt zu persönlicher Entscheidung in Auseinandersetzung mit Konfessionen und Religionen, mit Weltanschauungen und Ideologien und fördert Verständnis und Toleranz gegenüber der Entscheidung anderer. Er motiviert zu religiösem Leben und zu verantwortlichem Handeln in Kirche und Gesellschaft (S. 18). Sprachliche Bildung als unerläßlicher Bestandteil der Entwicklung und Förderung der kindlichen Gesamtpersönlichkeit ist die herausragende Aufgabe des Deutschunterrichts. Dort gilt es, anknüpfend an die persönlichen Erfahrungen und Entwicklungsprozesse der jungen Menschen, durch vielfältige individuelle Angebote, Differenzierungen und Fördermaßnahmen das vorhandene Sprachvermögen weiterzuentwickeln, indem Situationen geschaffen werden, in denen sie ihre Sprachmöglichkeiten einbringen und durch gezielte, differenzierte Übungen ihr gesamtes Sprachverhalten erweitern können (S. 20). Um dies in kommunikativ ausgewogener Form zu betreiben, braucht es aber Regeln. Durch Erzählen in der Gruppe, Weitergeben von Informationen, Wiedergeben von Beobachtungen können Kinder erfahren und begreifen, daß Sprechen auf einen Hörer hin ausgerichtet ist. Sie erleben zugleich, daß es notwendig ist, auf die Gesprächspartner einzugehen, an Gesprächsbeiträge anzuknüpfen. Dadurch lernen sie auch, richtig miteinander umzugehen (S. 20). Aufgrund der vielfältigen Bereiche, die das bewußte Erfahren des Faches Deutsch umfassen, wurden verschiedene Arbeitsbereiche geschaffen, die gleichfalls ein ausgewogenes Verhältnis individueller Gestaltungsmöglichkeiten und gelenkter Arbeitsformen beinhalten (vgl. S. 20f). Die gleichfalls in mehrere Arbeitsbereiche strukturierten Inhalte des Heimat- und Sachunterrichts orientieren sich an der Lebenswirklichkeit der Kinder. Sein Ziel ist es, Kinder zunehmend zu befähigen, aktiv am Leben teilzunehmen und ihre Verhältnisse zu Mitmenschen und zur Welt ausgestalten zu können. Die Entwicklung und Förderung der 39

40 Persönlichkeit von Kindern findet ihren Ausdruck in der Stärkung des Willens und der Kraft zum verantwortungsbewußten Handeln. Indem ihre Fähigkeiten zur Orientierung und zum Handeln erweitert werden, eröffnen sich den Kindern neue Chancen für Erfahrungen und weiterführende Einsichten: Sie können die eigene Person mit den Gegebenheiten ihres Lebensraumes in Beziehung bringen, sich mit ihnen aktiv auseinandersetzen, sich mit ihnen identifizieren und sich beheimaten. Die Fähigkeit, sich an Vertrautes zu binden und sich für Neues zu öffnen, ist für die zukünftige Lebensgestaltung unserer Kinder in einer mobilen und sich immer mehr differenzierenden Gesellschaft gleichermaßen wichtig (S. 22). Zur Erreichung dieser Zielsetzung müssen entsprechende Arbeitsformen gewählt werden. Folgende werden hierzu explizit u.a. angeführt: Orientierung an der Lebenswirklichkeit der Kinder verlangt nach konkreten Bezügen. Der Heimat- und Sachunterricht kann deshalb nicht auf Medien und Klassenzimmer beschränkt bleiben. Lernen vor Ort ermöglicht unmittelbare Beziehungen. Entdeckendes Lernen betont die Bedeutung des Lernenden. Den individuellen Interessen, Sichtweisen und Verstehensformen wird Raum gegeben. Eine anregungsreiche Lernumgebung und Lernhilfen sind notwendig. (...) Viele Inhalte des Heimat- und Sachunterrichts sind in besonderem Maße geeignet, in projektorientierten Lernformen bearbeitet zu werden. Die Verknüpfung mit anderen Lernbereichen trägt dazu bei, daß die Lebenswirklichkeit in ihrer Vielfältigkeit sichtbar wird (S. 23). Seinen spezifischen Beitrag zur Förderung kognitiver und affektiver Fähigkeiten vermittelt der Mathematikunterricht. Die Kinder finden in allen Phasen des Lernens vielfältige Gelegenheiten zu selbsttätigem, individuell angemessenem Lernen. Sie werden angeleitet, Lösungsprozesse durch eigene Entscheidungsmöglichkeiten günstig zu gestalten. Dadurch gewinnen sie zunehmend die Fähigkeit, Probleme selbständig zu lösen. (...) Über die stetige Entwicklung kognitiver Fähigkeiten hinaus muß der Mathematikunterricht auch die emotionalen Bedürfnisse berücksichtigen und die Kinder in ihrem sozialen Verhalten fördern. So werden bei der gemeinsamen Lösung von Aufgaben vor allem kooperative Fähigkeiten entwickelt (S. 24). 40

41 Von besonderer Bedeutung für die Erziehung zur Entdeckung der eigenen Wahrnehmungs-, Ausdrucks- und Wirkungsmöglichkeiten, also zur Erziehung zum kreativen bildnerischen Denken sind die Arbeitsbereiche des Faches Bildende Kunst. Bildsprachlicher Unterricht erweitert den vorwiegend mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch um eine wichtige nonverbale Ausdrucksform. Ausgehend vom bildnerischen Gestalten des Kindes werden Grundfertigkeiten weiterentwickelt. Über die Sensibilisierung der Wahrnehmung, insbesondere in der Bildbetrachtung, und über Grunderfahrungen mit bildnerischen Techniken entwickeln die Kinder kreative Fähigkeiten, die von zunächst einfachen Ausformungen zu einer differenzierteren Bildsprache führen. In der Wechselwirkung von praktischem Handeln und reflektierender Auseinandersetzung mit bildnerischen Erscheinungsformen in Umwelt und Kunst erwerben sie erste fachliche Kenntnisse und Grundbegriffe (S. 25). Auch hier spielt die Individualität des Kindes eine herausragende Rolle: Im Vordergrund des Unterrichts stehen Formen des Lehrens und Lernens, die Gefühl, Verstand und Handeln des Kindes herausfordern. Gestaltungsmotive ergeben sich aus der kindlichen Erlebnis- und Erfahrungswelt, aus Geschichten, Bildern und dem Spiel. Sie können auch Inhalte aller anderen Fächer der Grundschule aufgreifen (S. 25). Die Lebenswirklichkeit des Kindes zwischen den Polen Pflicht und Selbstentfaltung greift ebenso das Fach Textiles Werken auf: Auswahl, Gebrauch und Verbrauch von Materialien eröffnen die Möglichkeit, mit den Kindern ökonomisch und ökologisch verantwortliches Handeln einzuüben und ein bewußtes Verbraucherverhalten anzuregen. Durch das Anfertigen verschiedener textiler Gegenstände haben die Kinder Erfolgserlebnisse. Beim Besprechen der Arbeiten anhand gemeinsam erstellter Kriterien lernen die Kinder ihre Arbeit schätzen; sie gewinnen Einsichten und wenden diese bei neuen Aufgabenstellungen an. (...) Die Kinder erfahren auch, wie sie ihre Schule und ihren persönlichen Bereich mitgestalten können. Anlässe dazu bieten der Fest- und Jahreskreis, Schulfeste, Schulspiele und Ausstellungen. Darüber hinaus regt das Textile Werken in besonderem Maße zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung an. Der Unterricht im Textilen Werken ermöglicht lehrgangsorientiertes und projektorientiertes Vorgehen sowie freies Arbeiten. Er bezieht Beiträge der Kinder sinnvoll in die Planung ein. Bei unterschiedlichen 41

42 Lernvoraussetzungen sind Formen differenzierenden und individualisierenden Unterrichtens erforderlich (S. 26). Die Erschließung vielfältiger Handlungsmöglichkeiten inmitten eines übergroßen akustisch-musikalischen Angebotes und des selbständigen Umgangs mit Musik, ausgehend von den eigenen Erfahrungen des Kindes, verfolgt der Musikunterricht. Liedgestaltung und Klangspiel regen Kinder an, sich auch durch Bewegung und im Darstellenden Spiel auszudrücken. Der Musikunterricht fördert und entwickelt diese Ausdrucksmöglichkeiten und bezieht sie, wie auch die sprachlichen und bildnerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder, in die fächerverbindende Unterrichtsplanung und -gestaltung mit ein. (...) Der Umgang mit Musik und das Singen ausgewählter Lieder aus den Herkunftsländern ausländischer Kinder bahnen das Verständnis von Kulturunterschieden an und fördern ein tolerantes Zusammenleben (S. 27). Abgerundet wird der Fächerkanon der Grundschule mit dem Fach Sport. Durch eine vielseitige und breitgefächerte Bewegungserziehung sollen folgende Ziele erreicht werden: Unmittelbare und kindgemäße körperliche, personale und materiale Erfahrungen machen Soziale und integrative Verhaltensweisen und Regeln des fairen Miteinanders entwickeln Handlungsfähigkeit im und durch Sport erwerben Umwelt- und gesundheitsbewußte Einstellungen und Gewohnheiten entwickeln (S.28). In jedem der vier Erfahrungs- und Lernbereiche dieses Faches, machen die Kinder Individualerfahrungen und Erfahrungen mit Partner und Gruppe. Auswertung der Belegstellen bezüglich der eingeforderten Pflichten und eingeräumten Selbstentfaltungsmöglichkeiten 42

43 Der Erziehungs- und Bildungsauftrag des Bildungsplanes greift an insgesamt 43 Belegstellen die Pflichten der Kinder auf und stellt an 58 deren Selbstentfaltungsmöglichkeiten dar. Anzahl der Belegstellen des Pflicht- und Akzeptanz- sowie des Selbstentfaltungsbereiches des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplanes der Grundschule Die Rolle der Lehrer und Erziehungsberechtigten Der Erziehungs- und Bildungsauftrag des aktuellen Bildungsplanes fordert, wie dargestellt, die Lehrkräfte auf, unter Ausnutzung des pädagogischen Freiraumes durch Differenzierungs- und Fördermaßnahmen, fächerverbindende Unterrichtsplanung und Projektarbeit, die verpflichtenden Inhalte, abgestimmt auf die Persönlichkeit des Kindes, kooperativ im Sinne eines erziehenden Unterrichts aufzuarbeiten. Die Lehrerinnen und Lehrer sind nicht nur Belehrende und Wissensvermittler. Sie regen als Erzieher bei den Kindern das Wertvernehmen, das Verstehen und Deuten von Werten an. Sie sollen deshalb im Klassenzimmer eine Atmosphäre des Vertrauens, der Rücksichtnahme und Verstehensbereitschaft schaffen. Dazu sind Geduld, Güte, Erfolgszuversicht bei Rückschlägen, emotionale Stabilität und ein hohes Maß an Selbstvertrauen erforderlich. 43

44 Die Lehrerinnen und Lehrer investieren in ihren Unterricht und bei der Erziehungstätigkeit täglich ein hohes Maß an sozialem Engagement. Um die vielfältigen Anforderungen im fachlichen und persönlichen Bereich bewältigen zu können, sollten sie Verfahren kennenlernen, die sie bei ihrer Arbeit unterstützen. Persönliche Fortbildung und regelmäßige pädagogische Gespräche im Kollegium und mit Eltern sind notwendig, so daß die Erziehungsaufgabe bewältigt werden kann (S. 14). Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den für die Erziehung der Kinder ursächlich verantwortlichen Eltern wird an mehreren Stellen betont. Die Kooperation ergibt sich schon allein aus der Tatsache heraus, daß sich Unterrichtsinhalte und familiäre private Bereiche in vielfältiger Form tangieren. Dabei werden insbesondere der Umgang mit Medien und die Gestaltung der Freizeit zu besprechen sein (S. 14). Die Grundschule arbeitet mit den verschiedenen Trägern der Bildung und Erziehung in ihrem Einzugsbereich zusammen. Dadurch kann sie die Eltern informieren, welche weiteren Möglichkeiten der Förderung, Betreuung und Beratung für die Kinder im Umkreis zu finden sind. Bei gravierenden, andauernden Lern- oder Verhaltensschwierigkeiten sind Bildungsberatung, Beratungslehrerinnen und -lehrer und die entsprechenden Einrichtungen einzubeziehen. Die rechtzeitige Kooperation mit Sonderschulen ermöglicht zusätzliche Beratung und Lernhilfen. Bei Kindern mit Behinderungen ist gegebenenfalls die Hilfe der zuständigen sonderpädagogischen Beratungsstelle sowie die des Gesundheitsamtes in Anspruch zu nehmen (S. 14). Die Einbindung in das Gemeindeleben, die Erfahrung von Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch die Übernahme von Aufgaben und Pflichten in Schule und Gemeinde in verschiedenen Formen erfahren die Kinder in vielfältiger Weise in den einzelnen Fächern. 2.4 Medienpädagogisch relevante Inhalte des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplanes In diesem letzten Schritt der Analyse des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplanes für die Grundschule wird untersucht, welche medienpädagogisch relevanten Inhalte die wachsenden Herausforderungen des zunehmenden Medienangebotes aufgreifen und medienerzieherische Unterstützung der Kinder auf dem Weg zum souveränen und kompetenten Umgang mit den verschiedenen Medienarten thematisieren. Gerade die Aussagen des Bildungsplanes zu medienpädagogischen Arbeitsfeldern im Unterricht sehen sich einem ambivalenten Anspruchsgefüge ausgesetzt, 44

45 das Offenheit und Verbindlichkeit ebenso einfordert wie Konkretion und Abstraktion. Somit vermittelt eine Bildungsplananalyse, insbesondere in einem spezifischen Bereich, keine Einsichten in Ergebnisse der realen Unterrichtsabläufe, da die praktische Umsetzung immer von der Interpretation der Lehrkraft abhängt. Die Analyse gibt aber einen Überblick darüber, was von staatlicher Seite aus Schülern und Schülerinnen in einzelnen Unterrichtsfächern gelehrt werden soll (Eschenauer 1989, S. 17). Gleichwohl offenbart der Plan mit den verbindlichen curricularen Vorgaben eine konstituierende Komponente von Schule und dient mit diesen Vorgaben als Analysebasis zur Bestimmung der aktuellen medienpädagogischen Ziele der Grundschule in BadenWürttemberg. Diese Ergebnisse der Beschreibung formaler und informaler Strukturen medienpädagogischer Aussagen werden in Abschnitt B 4 in Überlegungen zu einer Fundierung schulischer Medienpädagogik einfließen. Im folgenden werden nun die Textstellen des Erziehungs- und Bildungsauftrages für die Grundschule in BadenWürttemberg erfaßt und zitiert, die sich explizit mit der Art und Weise des Umgangs mit Massenmedien im allgemeinen und dem Fernsehen im besonderen beschäftigen; das bedeutet, daß solche Textstellen analyserelevant waren, in denen ein eindeutiger Bezug zu individuellen bzw. gesellschaftlichen Bedingungen der Massenkommunikation bzw. zum Umgang der Menschen mit den Medien gegeben ist. Da die nachstehende medienpädagogische Aussage im Fach Evangelische Religionslehre eine nicht auf Massenmedien beschränkte Feststellung ist, findet sie keine Aufnahme in der Analyse. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Stillwerden- und Staunenkönnen sowie dem schöpferischen Gestalten in unterschiedlichen Sozialformen und Medien zu (mit dem eigenen Körper und mit Spielfiguren, mit Liedern und Klängen, mit bildnerischen Mitteln, mit Sprache) (S. 16). Neben der Identifizierung der Textstellen gilt es, diese näher zu bestimmen, indem ihre Zuordnung zum jeweiligen Teilgebiet des medienpädagogischen Gesamtfeldes, also zur Mediendidaktik, -erziehung und -kunde (vgl. Tulodziecki 1992) vollzogen wird. Die Zuordnung zur entsprechenden Medienart, ihr Verhältnis zueinander und ihr thematischer Schwerpunkt ergänzen diesen Teil der Untersuchung (vgl. Eschenauer 1989, S. 24ff). Eine erste medienrelevante Textstelle findet sich im Abschnitt Grundsätze der Unterrichtsgestaltung - Heimatverbundenheit und Weltoffenheit : Der heimatliche Raum 45

46 ist Teil der Lebenswelt der Kinder. In der unmittelbaren Umgebung spiegeln sich lokale, aber auch übergreifende Bedingungen und Beziehungen, denen die Kinder durch die Vermittlung der Medien oder in eigenen unmittelbaren Erfahrungen begegnen (S. 11). Im Zentrum der Aussage steht der medienerzieherische Aspekt, der alle Medienarten berücksichtigen soll, indem er den Einfluß der Medien auf Heimat und Weltoffenheit der Kinder und ihre Lebenssituation thematisiert. Die gemeinsame Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Kinder erfordert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule. Die Eltern wirken an der Gestaltung des Lebens und Arbeitens in der Schule mit. Im Interesse der Kinder versucht die Grundschule, den Erziehungsstil von Familie und Schule in ein förderliches Verhältnis zu bringen und die Zusammenarbeit lebendig auszugestalten. Besondere Bedeutung kommt dem Gespräch zwischen Eltern und Lehrerinnen und Lehrern zu. Dabei werden, insbesondere in Klassenpflegschaftssitzungen, Fragen der Geschlechtserziehung, der Umgang mit Medien und die Gestaltung der Freizeit zu besprechen sein (S. 14). Auch hier steht die Medienerziehung, ohne Spezifizierung einzelner Medienbereiche, orientiert an der Lebenswelt der Kinder, im Mittelpunkt und fordert die Einbindung der wesentlich am Erziehungs- und Bildungsprozeß beteiligten Eltern und Lehrer ein. Weitere Textstellen finden sich in den Ausführungen über Inhalte und Fächer. Im Fach Deutsch werden medienpädagogische Aussagen insbesondere im Arbeitsbereich Lesen und Verstehen ausgeführt. Ziel des Arbeitsbereiches Lesen und Verstehen ist es, Kinder zum selbständigen und gezielten Umgang mit den Bild- und Druckmedien zu befähigen. Erstlesen: Manche Kinder kommen schon mit ersten Leseerfahrungen zur Schule und haben den Wunsch, möglichst schnell lesen zu lernen. Bei anderen muß dieser Wunsch erst geweckt werden. Damit Kinder zu Lesern werden, sind von Beginn an freie Lesezeiten und eine anregende Leseumgebung mit einem vielfältigen, frei zugänglichen Leseangebot (Klassen-, Schulbücherei) erforderlich. (...) Eine weitere wichtige Aufgabe dieses Arbeitsbereiches ist es, Kinder zu befähigen, akustische und audiovisuelle Medien als Texte aufzunehmen, zu erarbeiten und angemessen zu nutzen (S. 20). Die Betonung des medienerzieherischen Aspektes kommt hier deutlich zum Ausdruck. Sowohl den Printmedien als auch den audiovisuellen Medien ist im Deutschunterricht Platz einzuräumen. Darüber hinaus kommt an dieser Stelle die Mediendidaktik zum Tragen, versehen mit der Betonung nach dem Einsatz altersgerechter Printmedien: 46

47 Lesen bedeutet nicht nur, aus Geschriebenem Informationen zu entnehmen. Die Kinder werden ebenso zur Teilnahme an der literarischen Kultur angeregt, d.h. sie nutzen Texte auch zur Unterhaltung, zur Information, zur Lebenshilfe und zur persönlichen Bereicherung. Da Kinder heute Zugriff auf eine große Auswahl akustischer, audiovisueller und elektronischer Medien haben, müssen viele für das Lesen von Büchern als Freizeitbeschäftigung erst motiviert werden. Um die Motivation der einen zu erhalten und die der anderen aufzubauen, sollte Literatur in Bilderbüchern, Kinderbüchern und Kinderzeitschriften von Anfang an in den Unterricht einbezogen werden (S. 20). Gleichwohl wird die vor- bzw. außerschulische Erfahrung der Kinder im Umgang mit diesen Medienarten betont und eine ausgeglichene Kompetenzvermittlung hervorgehoben. Medienrelevante Ausführungen im Heimat- und Sachunterricht werden im Arbeitsbereich Medien und Konsum getroffen. Heute haben Kinder vielfältige Möglichkeiten, sich Kultur anzueignen und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Lebenswirklichkeit der Kinder ist durchsetzt mit einem Überangebot in vielen Bereichen, das die Bewertung zwischen dem Notwendigen und Wünschbaren sehr erschwert oder beeinträchtigt. Der Unterricht muß deshalb Hilfen für selbständige Entscheidungen anbieten (S. 22). In einigen Arbeitsbereichen werden Inhalte aufgegriffen, die auch bedeutsam für die Erziehung in der Familie sind: (...) der Umgang mit den Medien und ein kritisches Konsumverhalten berühren die Gepflogenheiten des Familienlebens (S. 23). Wiederum wird die Medienerziehung als zentrale Aufgabe des Unterrichts gesehen, bei der die Kinder auch zu einem kritischen Konsumverhalten angeleitet und auf die mannigfaltigen Möglichkeiten der Mediennutzung im gesellschaftlichen Kontext hingewiesen werden sollen, die auch in den außerschulischen Bereich, in die Gepflogenheiten des Familienlebens übergreifen soll. Der Musikunterricht hat die Aufgabe, Freude an der Musik, am Singen, Musizieren und Hören zu fördern und Kindern vielfältige Handlungsmöglichkeiten in diesen Bereichen zu erschließen. Er trägt dazu bei, die kindliche Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit zu entwickeln und den Kindern Anreize zu geben, ihr Denken auch auf ästhetische Sachverhalte zu richten. Ziel des Musikunterrichts ist es, das Kind musikalisch zu fördern und zu einem selbständigen Umgang mit Musik inmitten des übergroßen akustisch-musikalischen Angebotes zu befähigen (S. 26). 47

48 Indem das Fach Musik das übergroße akustisch-musikalische Angebot betont, dem die jungen Menschen ausgesetzt sind, wird der medienerzieherische Ansatz hervorgehoben. Bei der Beschreibung der Inhalte der anderen Unterrichtsfächer der Grundschule kommen weitere medienspezifische für die Analyse maßgebliche Textstellen nicht explizit vor. 2.5 Bewertung der Befunde Die Verfassung in Form des Grundgesetzes impliziert die Grundwerte einer gesellschaftlichen Ordnung und ist somit ein Grundpfeiler jeder Gesellschaft. Sie muß offen sein für eine moderne Gesellschaft charakterisierende Veränderungen. Popper beschreibt eine solche Gesellschaft als offene Gesellschaft, die immer provisorisch und revisionsbedürftig ist und daher keine absoluten Normen kennt. Es gibt keine Rückkehr in einen harmonischen Naturzustand (der geschlossenen Gesellschaft - P.J.). Wenn wir uns zurückwenden, dann müssen wir den ganzen Weg gehen - wir müssen zu Bestien werden. (...) Aber wenn wir Menschen bleiben wollen, dann gibt es nur einen Weg in die offene Gesellschaft. Wir müssen ins Unbekannte, ins Ungewisse, ins Unsichere weiterschreiten und die Vernunft, die uns gegeben ist, verwenden, um, so gut wir es eben können, für beides zu planen: nicht nur für Sicherheit, sondern zugleich auch für Freiheit (Popper 1975, S. 268). Diese Gesellschaftsform benötigt Offenheit, Pluralität und Spontaneität. Gleichzeitig darf sie aber nicht in augenblickverhaftete Kosmetiken oder unerfüllbare Utopien (...) verfallen, will sie ihre eigentlich wert-bestimmende und wertprägende Normativität nicht einbüßen (Scholz 1995, S. 40). Die Gesetzestexte und der Wertewandel Das Grundgesetz, als maßgebliche Quelle für die in der Schule geltenden Werte, legt mit seinen Aussagen über die Grundrechte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Menschenwürde, Freiheit der Person und Gleichheit werden besonders betont, eine starke Gewichtung auf die einer modernen Gesellschaft angemessenen Selbstverwirklichung, indem es z.b. den Anspruch auf Individualität und Selbstentfaltung herausstreicht. Da diese aber dort an Grenzen stößt, wo Rechte anderer oder bestehende 48

49 Gesetze tangiert werden, müssen auch Pflichten erfüllt und Rechte anderer akzeptiert werden. Hieraus geht hervor, daß für die verfassungsrechtliche Werteordnung die Freiheit von zentraler Bedeutung ist. Freiheit unter dem Grundgesetz bedeutet Liberalität im Sinne personaler Selbstverwirklichung, freiheitlicher Wahrung der Menschenwürde und freiheitlicher Verwirklichung wie Entfaltung individualer Identität und Personalität. Freiheit bedeutet damit nicht Bindungslosigkeit oder gar Verantwortungslosigkeit (Scholz 1995, S. 41). Freiheit beinhaltet somit, Scholz folgend, zwei Aspekte. Einerseits die Selbstentfaltung, aber nicht verstanden als individuelle Willkür oder permissiven Hedonismus, andererseits die Übernahme von Verantwortung für sich selbst und andere. Freiheit ohne Verantwortung ist schlechterdings undenkbar, Freiheit ohne rechts- und sozialstaatlich gebundene Staatlichkeit ist ebenso wenig vorstellbar (Scholz 1995, S. 41). Freiheit setzt Gleichheit voraus, erfordert das tolerante Akzeptieren anderer und soziale Gerechtigkeit. Landesverfassung und Schulgesetz von Baden-Württemberg greifen diesen Grundsatz auf, führen aber gleichzeitig wertkonservative Elemente, z.b. in Form von Aussagen zur Bedeutung von Religion und Familie, explizit als für die Schule bedeutsam aus bzw. gewichten diesen Schwerpunkt auch durch das Nichtgesagte. Obgleich es sich bei den Zielvorgaben im Erziehungs- und Bildungsauftrag um Richt- oder Grobziele handelt, die in den Jahrgangsplänen eine mehr oder weniger differenzierte Feingliederung erfahren, sind doch wesentliche Tendenzen bezüglich der Wertevorstellungen und der Bedeutung medienpädagogischer Überlegungen des formalen Bildungswesens aus diesem Teil des Bildungsplanes abzulesen, da der Erziehungs- und Bildungsauftrag die Grundsätze pädagogischen Handelns, an die der Lehrer gebunden ist, festlegt. Eine Bestätigung des Megatrends des Wertewandels ergab die Überprüfung des Erziehungs- und Bildungsauftrages des Bildungsplans der Grundschule. Schon im Vorwort wird die durch den gesellschaftlichen Modernisierungsprozeß notwendig gewordene Angleichung der Ziele an eine die zunehmende Selbstentfaltung der Kinder berücksichtigende angemessene Erziehung und Bildung aufgegriffen und im Erziehungs49

50 und Bildungsauftrag an zahlreichen Stellen aufgeführt. Daß dabei eine starke Betonung der Pflichten erfolgt, kann im Sinne des erziehenden Unterrichts den Befund der Stärkung der Selbstentfaltung nicht entscheidend einschränken. Im Wertebereich wird die Schule ihrer von Gesellschaft und Staat übertragenen Aufgabe, das Fortbestehen der freiheitlichdemokratischen Grundordnung durch eine entsprechende Werteerziehung zu gewährleisten, somit formal gerecht. Damit entspricht, der Terminologie von Klages folgend, der rational planerische, persönlichkeitsstarke, angemessen und verantwortungsorientiert handelnde aktive Realist, der fest in Traditionen eingebunden ist, dem in den Gesetzestexten beschriebenen Wertetyp. Die den aktiven Realisten kennzeichnende Wertesynthese wird in diesen Grundlagen des Unterrichts in deutlich wertekonservativer Ausprägung eingefordert. Medienrelevante Bezüge im Erziehungs- und Bildungsauftrag Die enge Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus auch im Freizeit- und Medienbereich fordert der Bildungsplan. Davon ist auch eine Abstimmung im Wertebereich betroffen. Dies gestaltet sich aber aus verschiedenen Gründen nicht selten schwierig, zum einen durch die für eine moderne Gesellschaft charakteristische Wertepluralität, zum anderen durch die sehr unspezifischen und globalen Beschreibungen der Vorgehensweise im Bildungsplan. Bemerkenswert dabei ist, daß das Medienangebot in den staatlichen Richtlinien als fest vorgegeben angenommen wird, dem die Kinder mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert sind, Schule und Elternhaus ihrerseits darauf nur reaktiv zu antworten haben, ohne die Verantwortung der Programmmacher zu hinterfragen. An keiner Stelle werden Möglichkeiten der Beeinflußbarkeit des Angebotes durch die beiden institutionalisierten Erziehungsinstanzen, die sich der Macht der Anbieter entgegensetzen, artikuliert. Es wird nicht problematisiert woher Medien kommen. Dadurch könnte der Vorwurf mangelnder vernetzter Denkweise an die Vorgaben erhoben werden. Da die Schule, auf der Basis des dargestellten Wertekonsenses, eine Fülle verschiedener Erziehungs- und Bildungsfelder abzudecken hat, um den Kindern eine chancengleiche Ausbildung zu ermöglichen, die von anderen Lebensbereichen nicht ausreichend 50

51 wahrgenommen werden, stellte sich im Zusammenhang dieser Untersuchung die Frage nach der medienpädagogischen Verankerung im Erziehungs- und Bildungsauftrag für die Grundschule. Wird also eine zeitgemäße Ausbildung einer umfassenden Medienkompetenz, die im informationstechnologischen Zeitalter zum Ausgang des 20. Jahrhunderts eine Schlüsselqualifikation darstellt und die Kinder zum souveränen Medienumgang führen soll, mit einer geeigneten medienpädagogischen Bildungsplanvorgabe im Grundschulbereich strukturell eingefordert? Mit anderen Worten, diente die Beantwortung dieser und ähnlich ausgerichteter Fragen dazu, festzustellen, ob die kontinuierliche Entwicklung der Kinder berücksichtigt wird, die kompensatorische Arbeit die Forderung nach Chancengleichheit einlöst und die jungen Menschen eine kompetente Unterstützung erfahren. Die kommunikative Funktion der alten Medien, d.h. der Printmassenmedien wie Buch oder Zeitung, Information personenungebunden weiterzugeben, erfordert den lesefähigen Menschen. Die zu erwerbende Lesekompetenz wird in der Schule grundgelegt und durch einen systematischen curricularen Leselernprozeß in Gang gesetzt. Die Kinder sollen für das Lesen von Büchern auch in der Freizeit motiviert werden und für ihre von einem (print-)medialen Überangebot durchsetzten Lebenswirklichkeit Hilfen bei der Bewertung von Notwendigem und Wünschbarem erhalten. Sie sollen zum selbständigen und gezielten Umgang mit Bild- und Druckmedien befähigt werden (S. 20). Damit verfolgt der Erziehungs- und Bildungsauftrag eine aufklärerische und individualistische Position, wobei der Schwerpunkt auf letzterer liegt, da im Interesse des Individuums der Umgang mit diesen Medien gelehrt werden muß. Die kritische analytische Grundorientierung kommt mit dem Ziel der Förderung der Orientierungs- und Handlungsfähigkeit zum Tragen. Zusammenfassend lassen sich die Inhalte des Erziehungs- und Bildungsplanes für die Grundschule, bezogen auf die Printmedien, als angemessen, umfassend und systematisch, auf den unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder aufbauend, beschreiben. Ob der selbständige und gezielte Umgang mit Bild- und Druckmedien über die literarischen Texte hinaus auch auf audiovisuelle, z.b. die des Fernsehens, übertragen 51

52 und damit entsprechende kindliche Erfahrungen konstruktiv in das Unterrichtsgeschehen einbezogen werden sollen, bleibt - aufgrund des undefinierten Textbegriffs - unklar. Mit der Aussage: Da Kinder heute Zugriff auf eine große Auswahl akustischer, audiovisueller und elektronischer Medien haben, müssen viele für das Lesen von Büchern als Freizeitbeschäftigung erst motiviert werden (S. 20), wird zudem ein Bild zweier konkurrierender Medienbereiche gezeichnet. Obgleich die kommunikativen Möglichkeiten der neuen Medien wie Rundfunk, Fernsehen und Video, verglichen mit den alten, höher sind, Kinder diese schon in frühesten Entwicklungsprozessen zur Auseinandersetzung mit der Welt nutzen, fehlt ein den alten Medien entsprechender systematischer Aufbau in den Bildungsplanvorgaben des formalen Bildungswesens. Ein dem Leselernprozeß vergleichbares Leselernen von Bildtexten ist nicht vorgesehen. Das medienspezifische Defizit des Erziehungs- und Bildungsauftrages Zwar werden neue Medien im Erziehungs- und Bildungsauftrag genannt, jedoch in bedeutend geringerem Umfang als die Printmedien. Für einen wesentlichen Teilbereich der medialen Lebenswelt der Kinder besteht also in dieser Vorgabe eine große Lücke, in der die Kinder sich selbst überlassen bleiben und notwendige Fähigkeiten zufällig oder überhaupt nicht ausbilden, obgleich der Bildungsplan die Bedeutung der Medien für Individuum und Gesellschaft hervorhebt. Die pädagogische Aufarbeitung der Inhalte der informations- und kommunikationstechnologischen interaktiven, also superneuen Medien, findet im Bildungsplan für die Grundschule keine Berücksichtigung5. Aber die Teilhabe am Wissenserwerb in der Informationsgesellschaft erfordert grundsätzlich die Beherrschung aller Kulturtechniken, denn sie erst ermöglicht den Zugang zu kommunikativen Prozessen. Die Beherrschung der nach Lesen, Rechnen und Schreiben vierten Kulturtechnik, nämlich das Entschlüsseln und Schaffen von Bildern und 5 Die Einbindung der superneuen Medien im Grundschulbereich befindet sich in Baden-Württemberg in einer Versuchsphase. An zwölf ausgesuchten Schulen des Landes wird im Rahmen des Projekts Multimediales Lernen in der Grundschule (MUMELIGS) mit der CD-ROM Winnie im grünen Klassenzimmer erprobt, inwieweit computerunterstütztes Lernen den Unterricht in bestimmten Themengebieten bereichert (vgl. Dovifat 1997). Das bedeutet, daß in bescheidenem Umfang mit geschlossenen Angeboten, also einer CD-Rom, experimentiert wird, offene Angebote, z.b. das Internet, noch keine Berücksichtigung für eine Testphase fanden. 52

53 Tönen, die Informationsfindung, -bewertung und -bearbeitung in und von neuen und superneuen Medien, ist eine bedeutsame Aufgabe schulischer Bildung und damit auch der Grundschule. Ausgehend von der Tatsache, daß schon im Vorschulalter Kinder mit superneuen Informations- und Kommunikationsmedien zunehmend in Kontakt kommen, aber weder Elternhaus noch Schule ausreichende Lernunterstützung anbieten, vielleicht nur in begrenztem Umfange dazu fähig sind, birgt der Umgang mit diesen Medien nicht zu vernachlässigende Gefahren in sich. Darüber hinaus bleiben für viele Kinder Nutzungschancen, aufgrund fehlender Zugangsmöglichkeiten, verschlossen, woraus der von einigen Wissenschaftlern befürchtete tiefgreifende knowledge gap resultieren könnte (vgl. Abschnitt A 2.2.6). Die im Erziehungs- und Bildungsauftrag als die für die Medienpädagogik ausdrücklich genannten und damit maßgeblichen Unterrichtsfächer sind Deutsch, Heimat- und Sachunterricht und Musik. Dort werden mediale Inhalte als fachspezifische Konkretisierung vorgesehen. Während die Zielformulierungen in Deutsch und Musik ihren Schwerpunkt auf die Fachdidaktik legen, tritt bei der Auseinandersetzung mit Medien im Heimat- und Sachunterricht der medienerzieherische Aspekt in den Vordergrund. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß im Fächerkanon der Grundschule weitere Textstellen mit massenmedialen Bezügen in anderen Fächern nicht vorkommen. So werden im Fach Bildende Kunst neue Medien nicht explizit erwähnt, womit ihr unterrichtlicher Einsatz weitgehend der pädagogischen Freiheit des Lehrers unterliegt, obwohl dieses Unterrichtsfach eine Vielzahl von Inhalten bietet, bildsprachliche Aspekte, beispielsweise des Fernsehens, intensiv zu erfahren: Finden von Formen, Artikulieren und Differenzieren von Zeichen. Dies bedeutet, aus der Fülle der gegenständlich-sichtbaren Welt Formen, Farben, Figuren wahrzunehmen, auszugrenzen, sie als Bildzeichen herzustellen und zu verstehen. Beziehungsgefüge von Formen / Zeichen. Dies bedeutet, Formen, Farben, Körper und Raum aufeinander zu beziehen, Bildzeichen zu einer bildsprachlichen Aussage zusammenzufügen, zu verstehen und anzuwenden. Experimentieren und Verändern. Dies bedeutet, Materialien und Gegenstände auf ihre Eigenschaften und gestalterischen Möglichkeiten zu untersuchen sowie 53

54 Gegenstände, Bildzeichen, Figuren in einer bestimmten Wirkungsabsicht umzudeuten. Form-Grund-Beziehung. Dies bedeutet, eine Form in ihrer Umgebung wahrzunehmen und die wechselseitige Beeinflussung von Form und Grund zu erkennen. Wahrnehmen und Darstellen von Bewegung. Dies bedeutet, wirkliche und gedachte Bewegung, Bewegung als Veränderung von Formen, Gegenständen und Figuren in Fläche, Raum und Zeit darzustellen (von einem Hier zu einem Dort, von einem Anfang zu einem Ende). Ordnen und Gruppieren. Dies bedeutet, Formen, Farbflecke, Gegenstände und Figuren als elementare Bausteine zu erkennen und sie zu größeren Zusammenhängen zu ordnen und zu gruppieren (S. 25). Die kultusministeriellen Bildungsplanvorgaben für die Fächer Evangelische und Katholische Religionslehre, die einen Schwerpunkt im werteerzieherischen Unterricht einnehmen, verzichten erstaunlicherweise auf eine angemessene Nennung neuer Medien, obwohl der Wertetransport in diesen, insbesondere im von den Kindern bevorzugten Medium Fernsehen, sehr intensiv betrieben wird (vgl. hierzu die Analyse von graphisch-animierten Serien im folgenden Kapitel). Die Gründe für dieses Defizit können in verschiedenen Aspekten gesehen werden. Zu diskutieren wären z.b. die medienpädagogischen Kenntnisse oder die Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen und Beurteilungen derselben durch die Bildungsplangestalter. Eine gewiß grundlegende Diskussion, die aber über den Rahmen dieser Arbeit hinausgeht, an anderer Stelle jedoch sehr intensiv geführt werden müßte. Der fortgeschriebene Bildungsplan weist medienpädagogischen Inhalten keinen fachspezifischen Platz zu, sondern integriert sie in die unterschiedlichen Fachdisziplinen. Damit fordert er zumindest indirekt zu fächerübergreifenden Unterrichtsformen auf. Trotz der hervorgehobenen pädagogischen Freiheit der Lehrer stößt die Aufbereitung und Koordination medialer Inhalte, vor allem im audiovisuellen Bereich, in den Schulen offensichtlich schnell an Grenzen, was nicht zuletzt am eigenen medienspezifischen Hintergrund der Lehrkräfte liegt. Um den Kindern umfangreiche Orientierungshilfen für den (Medien-)Alltag zu geben und die medienpädagogische Reflexion nicht an der Schultüre enden zu lassen, betont der Bildungsplan die Notwendigkeit der kontinuierlichen Zusammenarbeit mit den Eltern in 54

55 diesem sensiblen Bereich. Neben den oben dargelegten Problemen verschließen sich viele Eltern diesem Thema aufgrund der eigenen Befangenheit und nehmen die Kooperationsangebote oft nicht wahr (vgl. Schnoor/Zimmermann 1987). Hier besteht zweifellos ein großer Aufklärungs- und Informationsbedarf, denn die Kinder benötigen für die Ausbildung einer umfassenden Medienkompetenz, die in einer Informationsgesellschaft Voraussetzung für eine aktive Teilhabe an sozialen Prozessen ist, die Unterstützung aller am Erziehungsprozeß Beteiligten6. 3. Analyse von graphisch animierten Fernsehsendungen der Serie Prinzessin Erdbeer Die Serie Prinzessin Erdbeer aus dem Morgenprogramm des Senders Super RTL fand deshalb Berücksichtigung, weil diese graphisch animierte Tricksendung aus verschiedenen Gründen als sogenannte Main-Stream-Serie angesehen werden kann sowohl von ihrer Einbettung in das gesamte Rahmenprogramm, die morgendliche Trickfilmshow Hits für Kids, ihrer Produktionsweise als auch von ihrer Gestaltung her. Die filmischen Präsentationsmerkmale entsprechen den Wahrnehmungserfahrungen der heutigen Grundschulkinder, z.b. schnelle Schnittfolgen oder umfassende akustische Untermalung. Auch kommt die Länge einer Folge von 21 Minuten 04 Sekunden der Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit der Zielgruppe entgegen. Mit anderen Worten: Action bei Bild, Handlung und Ton sind ihnen geläufig. Ein wesentlicher Aspekt für die Auswahl der Serie stellte die Tatsache dar, daß ein Mädchen die Hauptrolle spielt und diese Zielgruppe mit Serienhelden eher spärlich bedacht wird (vgl. Abschnitt A 3.2.2). Prinzessin Erdbeer, eine amerikanische Produktion, wurde für den internationalen Markt hergestellt7. Die teilweise einfach animierten Aktionen der Figuren können mittels der Synchronisation den jeweiligen unterschiedlichen kulturellen Erfordernissen der Länder, in denen die Serie ausgestrahlt wird, angepaßt und somit auf die thematischen Bedürfnisse und Wünsche der entsprechenden Zielgruppe abgestimmt werden. 6 Vgl. zur aktuellen Diskussion der Bedeutung der Medienkompetenz Abschnitt B 4, Bund-LänderKommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung 1995, Hüther u.a Executive Producer Eric S. Rolluran, Producer Robert V. Barron, produced by Saban Entertainment, Inc. and Saban International N.V. underlying Property Fuji Eight Company Ltd.. 55

56 3.1 Untersuchungsmaterial - Beschreibung des Datensatzes Für die inhaltsanalytische Untersuchung der Wertevermittlung in graphisch animierten Fernsehsendungen wurden sechs Folgen der Serie Prinzessin Erdbeer aus dem Morgenprogramm Hits für Kids zwischen 6.00 Uhr und 8.00 Uhr von Montag bis Freitag des privaten Programmanbieters Super RTL in der Woche vom bis ausgewählt. Die Auswahl von Sender bzw. Serie liegt in nachstehenden Fakten begründet. Der Sender Super RTL spricht mit seiner Programmphilosophie, ein Programm für die ganze Familie und Unterhaltung ohne Sex und rohe Gewalt zu bieten, als Zielgruppen insbesondere Familien mit Kindern und Kinder von 3 bis 13 Jahren an. Obgleich der Sendestart dieses Programmanbieters erst am erfolgte, entwickelte er sich bei der Altersgruppe der 3- bis 13jährigen rasch zu einem der beliebtesten Sender c und lag im Juli 1997 mit einem Marktanteil in dieser Zielgruppe von 14,1 % hinter Pro7 (15,9 %) bereits auf Platz 2 aller TV-Anbieter, bei einer Reichweite von 62,4 % der Haushalte (vgl. Super RTL 1997). Als Teil der morgendlichen Trickfilmshow spricht die Serie Prinzessin Erdbeer Kinder bis etwa 10 Jahre an, d.h. Inhalte der Sendungen und die nach jedem Trickfilm eingespielte Werbung oder die Programmhinweise sind auf die Interessenlage dieser Altersgruppe zugeschnitten. Die tägliche Programmfolge des Morgenprogramms Hits für Kids in der untersuchten Woche war: Prinzessin Erdbeer (Folge 1) - Programmhinweis auf die folgende Tricksendung - Werbung mit Programmvorschau auf spätere Sendungen des Tages - Die kleinen Zwurze (Zeichentrickfilmserie) - Programmhinweis auf die folgende Tricksendung - Werbung mit Programmvorschau auf spätere Sendungen des Tages Was ist denn heut bei Wimzie los? (Puppentrickfilmserie) - Programmhinweis auf die folgende Tricksendung - Werbung mit Programmvorschau auf spätere Sendungen des Tages - Camp Candy (Zeichentrickfilmserie, zwei Folgen hintereinander) Programmhinweis auf die folgende Tricksendung - Werbung mit Programmvorschau auf spätere Sendungen des Tages - Prinzessin Erdbeer (Folge 2). Die Titel der im Untersuchungszeitraum ausgestrahlten Serienfolgen lauteten: 56

57 Die gläsernen Schuhe (Autor: Robert Axelrod) und Käpt n Flint kehrt zurück (Autor: Robert Axelrod); Käpt n Flint kehrt zurück (Autor: Robert Axelrod) und Der Grand Prix von Erdbeerland (Autor: Robert Benedict); Der Grand Prix von Erdbeerland (Autor: Robert Benedict) und Die Weltraumschule (Autor: Robert Benedict); Die Weltraumschule (Autor: Robert Benedict) und Das Ei der Riesenschmuseschwalbe (Autor: Robert Axelrod); Das Ei der Riesenschmuseschwalbe (Autor: Robert Axelrod) und Fauler Zauber (Autor: Robert Benedict). Äußere Kennzeichen und Figuren der analysierten Folgen Bei jeder Einzelfolge handelt es sich um eine inhaltlich abgeschlossene Sendung. Sie ist nicht Teil einer fortlaufenden Geschichte. Dadurch ist zum einen die Auswahl der Folgen beliebig und zum anderen rechtfertigt sich damit auch die zufällige Festlegung des Untersuchungszeitraums. Wie aus der Titelzusammenstellung hervorgeht, wurden im Erhebungszeitraum von Montag bis Freitag täglich jeweils zwei Folgen von jeweils 21 Minuten 04 Sekunden Lauflänge ausgestrahlt. Der zeitliche Abstand der beiden betrug jeweils 1 Stunde 39 Minuten. Der zweite Titel des Tages wurde als Wiederholung am nächsten Tag zuerst gesendet. Die einzelnen Folgen von Prinzessin Erdbeer werden eingeleitet durch einen mit actionreichen Bildern unterlegten eingängigen, exakt einminütigen Titelsong und abgeschlossen durch einen ebenso langen Abspann, der die Titelmelodie instrumental aufgreift und technische Angaben, z.b. zu Produzent, Komponist und Produktionsgesellschaft, beinhaltet. Aus dem Text der Titelmusik erfährt der Zuschauer, daß Rosalie, die Prinzessin Erdbeer, ein Mädchen von der Erde ist, das mit einem Raumschiff auf den Planeten Zuckerwelt fliegt. In Erdbeerland, in diesem Land voll süßer Sachen, die dort allen Freude machen, wird sie begeistert aufgenommen und wegen ihrer Beliebtheit zur Königin gekrönt. Sie herrscht nun in diesem süßen wunderbaren 57

58 Erdbeermärchenland und in ihren Abenteuern, die sie dort erlebt, werden alle ihre Träume wahr. Die Titelmusik erfüllt die Funktion der emotionalen Einstimmung des Sehers und hat damit Evokationscharakter. Die schon in diesem Erkennungslied explizit angesprochenen engen Bezüge zum Märchen lassen sich sowohl inhaltlich wie auch formal an verschiedenen Stellen der jeweiligen Folgen belegen. Das märchentypische Motiv des Auszugs von zuhause, das erfolgreiche Bestehen von Abenteuern trotz zwischenzeitlicher Schwierigkeiten oder die Suche und das Erreichen des Glücks seien hier beispielhaft als inhaltliche Belege angeführt. Die häufiger verwendeten formalen Elemente des Märchens, wie das eindimensionale Verhältnis zum Numimosen, hier den Robotern oder den Menschen des fernen Planeten oder der abstrakte Stil, beispielsweise in starren Formeln wie der Dreizahl (vgl. Lüthi 1974), werden aber immer wieder durchbrochen. Fragen, Handlungen, Werthaltungen und Verhalten der Filmhelden orientieren sich am Alltag und den Erfahrungen der Zielgruppe, wodurch die Inhalte der Abenteuer für den jungen Rezipienten nachvollziehbar sind. Die Präsentation der Einzelfolgen zur täglich annähernd gleichen Sendezeit, mittels des Titelsongs den Zuschauer mit der Welt Rosalies vertraut zu machen, erleichtert ihm die Identifikation mit der Serie im allgemeinen und mit der Hauptfigur Rosalie im besonderen. Neben dem äußeren Rahmen weist auch der Handlungsaufbau jeder Sendung eine ähnliche Gliederung auf. In den Rahmen der Handlung führt meist Rosalie, deren Stimme aus dem Off zu hören ist, in verschiedener Form ein, indem sie z. B. aus einem Brief an ihre Eltern vorliest oder mit einer Erzählung die Geschichte einleitet. Das Stilmittel der Zusammenfassung über den Off-Ton ein komplexes Geschehen zu raffen, längere Zeiträume oder Raumsprünge zu überbrücken, wird in jeder Folge mehrmals angewandt. Nachdem der Rezipient durch diese Erläuterung die Handlung einordnen kann, wird das handlungsauslösende Problem aufgeworfen. Dieser Sequenz schließen sich die mehr oder weniger erfolgreichen Lösungsversuche an, bis letztlich die Situation in Form eines Happy-Ends aufgelöst wird. Gleichfalls der Wiedererkennung bzw. Einordnung der Serie dient der Rückgriff auf eine eng begrenzte Figurenkonstellation in der Serie. In den Einzelfolgen wiederkehrend ist die Gruppe um die Heldin, die das Gute repräsentiert und dafür eintritt: 58

59 Rosalie, Prinzessin Erdbeer: Das von der Erde auf den Planeten Zuckerwelt gekommene Mädchen, die Hauptfigur der Serie. Percey: Der Sohn des Königs des Planeten. Malcolm: Der alte Hauslehrer im Königshaus, der sich immer wieder an zurückliegende Begebenheiten erinnert und so Zusammenhänge verständlich macht. Scooter: Ein älterer Junge aus der Stadt nahe dem Schloß, der Rosalie hilfreich zur Seite steht. Howie: Haustier und Freund Rosalies. Die Maus ist häufiger Begleiter der Prinzessin Erdbeer bei ihren Abenteuern. Dieser Figurenkreis wird je nach dramaturgischer Notwendigkeit von Folgenfiguren ergänzt. Polar entgegengesetzt stehen dieser Gruppe die intriganten Bösewichte. Auch bei diesen wird zum Teil auf Serienfiguren zurückgegriffen. So treten beispielsweise die Brüder Superschlau, zwei Ganoven, die sich von ihren Auftraggebern, die von Folge zu Folge wechseln, anheuern lassen und deren verbrecherische Absichten aktional umsetzen, in mehreren Sendungen auf. Bernie und Benny Superschlau sind sich zwar äußerlich sehr ähnlich, eine Unterscheidung ist nur durch ihr Hutband möglich, in ihren Eigenschaften unterscheiden sie sich jedoch. Bernie übernimmt immer die Führungsrolle, er plant klug den jeweiligen Coup und versucht mit seinen Aktionen Geld zu verdienen. Sein Bruder Benny dagegen wird als einfältig charakterisiert. Er denkt nur an die Befriedigung seiner primären Bedürfnisse. Da sie immer zusammen auftreten und sich in ihrem hedonistischen Wertepotential aber nicht unterscheiden, wurden sie zum Zwecke der Analyse zu einer Einheit zusammengefaßt. Bemerkenswert ist die graphische Darstellung der Figurengruppe um Rosalie, die alle deutliche Züge des Kindchenschemas aufweisen: runder Kopf, große Augen, dicke Wangen, kleine Nase. Die Körperproportionen aller Akteure, mit Ausnahme der von Rosalie und Percey, deren Köpfe im Verhältnis zu den anderen Körperteilen disproportional groß sind, wurden der Realität entsprechend gezeichnet. Durchgängige filmspezifische Stilelemente in den Einzelfolgen 59

60 Wie in Abschnitt A ausführlich erläutert, stehen dem Filmemacher verschiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung, die ihm helfen, Personen, deren Aussagen und Werthaltungen zu unterstreichen. Ausgewählte medienspezifische Präsentationsmerkmale, die Einstellungslänge der Figuren, deren bevorzugt gewählte Einstellungsgröße und -perspektive, fließen in die Analyse jeder Einzelfolge ein. Die Selektion wurde deshalb getroffen, weil diese Stilmittel unmittelbar darüber entscheiden, welche Distanz der Betrachter der agierenden Figur gegenüber einnimmt, und sie unmittelbar geeignet sind, die explizit bzw. implizit von den Handelnden repräsentierten Werthaltungen hervorzuheben und so zu transportieren. In einem ersten Analyseschritt werden zunächst die einzelnen Folgen empirisch dahingehend überprüft, welche strukturellen Invarianten durchgängig den Präsentationsstil der Serie charakterisieren. Die häufigste Einstellungskonjunktion, also jenes Filmelement, mit dem einzelne Einstellungen begonnen, verbunden oder beendet werden, ist in Prinzessin Erdbeer der harte Schnitt. Weiche Schnitte, in Form von Ab-, Auf-, Über- und Schiebeblenden, finden eine wesentlich sparsamere Anwendung. Der zunehmende Einfluß der Computertechnologie bei der Produktion von graphisch animierten Filmen, die nicht zuletzt zur Kostensenkung herangezogen wird, ist auch in der vorliegenden Serie offensichtlich: Dieselbe Einstellung wurde mehrmals im Verlauf einer Folge eingesetzt. Weiter reduzierten die Gestalter die Animation der Bilder an vielen Stellen auf wenige Körperteile. Schwenks und Zooms dienten dann dazu, die fehlende Bewegung und Dynamik scheinbar zu erzielen. Zeitraffung und Zeitlupe spielen in der Serie als visuelle Stilelemente eine eher untergeordnete Rolle. Die vom Regisseur zur Charakterisierung der Figuren benutzte Lichtführung und Farbgebung streichen die polaren Figurengruppen heraus und betonen somit sehr subtil die Dramaturgie. Bei Intriganten und Bösen verstärken Zwielicht oder die dunklen Räume, in denen sie leben, ebenso den negativen Eindruck wie die dunkle Kleidung, z.b. der Brüder Superschlau oder das angsteinflößende Make-Up, z.b. der Gräfin von Zickig. Im Gegensatz dazu steht die helle freundliche Lichtsetzung bei den Guten und die entsprechend frischen Farben bei ihren Kleidern. Pastellfarben und intensive Farben herrschen vor. 60

61 Im Zusammenhang mit Rosalie ist die Farbe rot, die sich bei Kindern großer Beliebtheit erfreut, in verschiedenen Nuancen von Bedeutung. Ihre Kleidung oder Accessoires tragen diese Grundfarbe, die auch eine Klammer zu ihrem Namen bildet: Rosalie, Prinzessin Erdbeer. An zahlreichen Stellen der Serie wird mit einem Stilmittel gearbeitet, das die Psychologie der kindlichen Wahrnehmung (vgl. Richter 1987) als exemplarisches Detail umschreibt. Damit wird ausgedrückt, daß bestimmte Gegenstände oder Personen Attribute tragen, die sie charakterisieren. Typisch für den Piratenkapitän sind z.b. Holzfuß, Dreispitz, Papagei oder für Gangster Sonnenbrille, Melone, schwarzer Anzug, Gamaschen. Requisiten, die der Rezipient aus vielen Filmen kennt und Kinder häufig in ihren Zeichnungen aufgreifen, um die jeweilige Person darzustellen. Durch diese Elemente werden die Figuren prägnant und leicht identifizierbar. Die verwendeten Requisiten - Häuser, Straßen, Fahrzeuge oder ganze Kulissen - stellen für den Betrachter eine vertraute Atmosphäre her. Lediglich das Schloß ist eigenwillig und pittoresk gezeichnet, was aber die Rezeption insofern nicht stört, als es das Schloß eines Märchenlandes ist. Im Tonbereich wurde in dieser Serie auf zahlreiche verschiedene Möglichkeiten wie Sprechsprache, Geräusche und Musik zurückgegriffen, die aus den beiden unterschiedlichen Orten der Quelle, nämlich On und Off kommen. Die Montage als wesentliches Element der Filmsprache findet in Prinzessin Erdbeer häufig Einsatz. Sie dient hauptsächlich dazu, die meist chronologisch linear ablaufende Geschichte zu raffen bzw. die Rückblenden oder parallelen Erzählstränge zu verbinden. Solche Filmpassagen werden durch aus dem Off eingespielte auktoriale Erzählungen von Rosalie zusätzlich verständlich gemacht. Der Verzicht auf allzu häufige Raum- und Zeitsprünge kommt der kindlichen Wahrnehmung ebenfalls entgegen. Andererseits wird die Wahrnehmungsfähigkeit gerade jüngerer Kinder durch die Vielzahl der Schnitte, insbesondere dann, wenn die Geschichte ihrem Höhepunkt zustrebt, in hohem Maße ge- oder überfordert8. 8 Vgl. zur Einstellungslänge und Schnittfolge die Einzelanalyse zu jeder Sendung. 61

62 3.2 Analyse der ausgewählten Einzelsendungen Die sechs ausgewählten Sendungen der Serie Prinzessin Erdbeer wurden anhand des Variablenkatalogs (vgl. Abschnitt B 1.3) untersucht. Die detaillierte tabellarische Auswertung der einzelnen Variablen zu jeder Folge in Form eines Analyseprotokolls befindet sich im Anhang der Arbeit9. Die Darstellung der Variable 6 erfolgte auf unterschiedliche Weise. Das jeweilige Analyseprotokoll enthält die differenzierte Aufschlüsselung der die Werteträger beschreibenden jeweils vier Eigenschaften, denen die entsprechenden werterelevanten Aussagen, Verhaltensweisen und Handlungen der Figuren zugeordnet wurden und so den repräsentierten Wertetyp beschreiben. Für die graphische Umsetzung im Text wurden die Eigenschaften der so vercodeten Handlungsträger zu einer Größe, nämlich der des Wertetyps, kumuliert. Um einen Eindruck der sprachlichen Gestaltung der Serie zu vermitteln, wurde exemplarisch das Wortprotokoll der Folge Die gläsernen Schuhe erstellt und dem Anhang beigefügt Die gläsernen Schuhe Technische Angaben: Ausstrahlungsdatum: Laufzeit: , 6.00 Uhr 21 Minuten 04 Sekunden Inhalt: Rosalie schreibt ihren Eltern einen Brief, in dem sie die von ihr vor kurzem erlebte Geschichte mit einem gläsernen Schuh erzählt. Eines Tages besucht sie mit Percey, dem Prinzen vom Erdbeerland, ihren gemeinsamen Freund Scooter. Als sie das Haus von Scooters Eltern betreten, putzt dessen Mutter gerade einen gläsernen Schuh. Die Frau bemerkt, daß die beiden Besucher vom Schuh fasziniert sind und erzählt ihnen die 9 Dazu wurden als medienspezifische Präsentationsmerkmale der Figuren die Einstellungslänge, -größe und -perspektive sowie deren werterelevanten Aussagen zu Anpassungsstrategie/Lösungsverhalten und deren angewandte Mittel zur Zielerreichung ausgezählt. Anschließend wurden die Figuren entsprechend der den Wertetypen zugeordneten Eigenschaften kategorisiert. 62

63 Geschichte der Herkunft des Schuhs. Vor 20 Jahren bekam sie ein Paar gläserne Schuhe vom König geschenkt, verlor aber einen nachts auf dem Nachhauseweg von einem großen Ball im Schloß. Rosalie verspricht ihr, den verschwundenen Schuh zu finden. Dieses Gespräch belauschen die Brüder Benny und Bernie Superschlau. Sofort vermuten sie, daß sich mit dem Schuh etwas verdienen ließe. Rosalie und Percey nehmen den Schuh mit ins Schloß, um ihn Malcolm, dem alten Diener und Hauslehrer zu zeigen. Der erkennt ihn wieder und erzählt nun seine Version des damaligen Geschehens. In der Nacht stehlen die Brüder Superschlau den Schuh aus dem Schloß. Entsetzt entdeckt Rosalie den Verlust und eilt zu Scooters Mutter, um ihr tief betrübt von dem Diebstahl zu berichten. Diese verzeiht ihr sofort und betont, daß der ideelle Wert der Schuhe und die Erinnerungen an jene Ballnacht ihr wesentlich mehr bedeuten als deren materieller Wert. Dennoch besteht das Mädchen darauf, sich auf die Suche nach den Schuhen zu machen. Zwischenzeitlich trachten die Diebe erfolglos danach, den gläsernen Schuh zu versetzen. In ihrer Enttäuschung werfen sie ihn weg. Howie, Rosalies Haustier und Freund, befindet sich auf dem Weg zu seiner Freundin, um auf Anraten von Rosalie einen Streit zu schlichten. Der Schuh fällt ihm genau vor die Füße. Als er ihn aufhebt, eilen die Superschlaus heran und verlangen von Howie eine Bezahlung für den Schuh. Howie gibt ihnen zwei Bonbons. Währenddessen recherchieren Rosalie und Percey im Ort, ob nicht jemand etwas über den Verbleib des Schuhs wisse. Schließlich erfahren sie vom Antiquitätenhändler, daß die zwielichtigen Brüder Superschlau ihm den Schuh angeboten hätten. Unverzüglich begeben sich Rosalie und Percey zum Haus der Ganoven und stellen sie zur Rede. Zunächst leugnen sie die Tat, geben sie dann aber zu. Da der eine, Bernie, doch noch eine Chance sieht, den Schuh gewinnbringend zu verkaufen, lenkt er die Kinder auf eine falsche Fährte und behauptet, sie hätten ihn in den Fluß geworfen. Rosalie und Percey machen sich dort sofort auf die Suche und werden dabei vom zufällig vorbeikommenden Scooter unterstüzt. Die am Flußufer entlang fahrende Gräfin von Zickig beobachtet das Geschehen und läßt durch ihren Fahrer in Erfahrung bringen, was die drei dort suchen. Nachdem sie den Grund vernommen hat, freut sie sich und beschließt, alles daran zu setzen, in den Besitz 63

64 des Schuhs zu gelangen. Aus diesem Grund wendet sie sich an die Brüder Superschlau und beauftragt sie, ihn zu beschaffen. Schnell bemerken die beiden, von welcher Bedeutung der Schuh für die Gräfin ist und verhandeln sogleich über das Honorar. Nachdem das Geschäft abgeschlossen ist, begeben sie sich unverzüglich auf die Suche. Währenddessen erzählt die Gräfin ihrer Tochter, warum sie den Schuh unbedingt haben will. Sie besitzt nämlich seit der Ballnacht den verlorengeglaubten zweiten. Wenn sie jetzt noch den anderen bekommt, dann ist sie am Ziel ihrer Wünsche. Die Suche der Ganoven nach dem Schuh verläuft erfolgreich: Sie entdecken Howie, als er seiner Freundin gerade den Schuh schenkt und nehmen ihn den beiden weg. Doch die finden sich damit nicht ab. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd, in die sich auch noch Rosalie, Percey und Scooter einschalten, da sie das Ganze beobachten, endet zunächst damit, daß Howie, der Bernie den Schuh wieder abnehmen konnte, von den Gangstern gefangen wird. Als sich seine Freunde nähern, entführen ihn die Brüder Superschlau. Howie gelingt es jedoch, den Kindern mit Blütenblättern eine Spur zu legen. Sie führt sie direkt zum Haus der Gräfin von Zickig, die den Schuh bereits ausgehändigt bekam. Stolz zwängt sie ihre Füße in die viel zu kleinen Schuhe. Inzwischen, am Haus der Gräfin angelangt, befreien Rosalie, Percey und Scooter zunächst Howie und fordern vehement von der Gräfin die Herausgabe der Schuhe. Doch die steckt in ihnen fest. Erst nach einer mühevollen Abmagerungskur kann sie sie schließlich herausgeben. Stolz überreichen die Freunde Scooters Mutter die Schuhe. Da sie ihr aber viel zu klein sind, schenkt sie diese Rosalie, weist aber nochmals darauf hin, daß Erinnerungen das wichtigste sind und diese ihr erhalten bleiben. Überprüfung der Variablen Die Sendung weist insgesamt 304 Einzelschnitte auf. Bei einer Laufzeit von 19 Minuten und 04 Sekunden (ohne Vor- und Abspann) bedeutet dies eine durchschnittliche Schnittfrequenz von vier Sekunden. Immer dann, wenn Rosalie die Geschichte in einer Off-Erzählung zusammenfaßt, werden langsame Schnittfolgen mit totalen oder halbtotalen Einstellungsgrößen gewählt und lediglich mit Schwenks oder Zooms Bewegung erzeugt. 64

65 Dagegen werden bei den diversen Spannungshöhepunkten, z.b. bei der Verfolgungsjagd der Brüder Superschlau, rasante Schnitte von maximal einer Sekunde Länge verwendet. Für die Analyse der narrativen Position der medienspezifischen Präsentationsmerkmale der verschiedenen Handlungsträger wurden, aufgrund der im Abschnitt B 1.3 getroffenen Einschränkung für die Variablen, nur die handlungsauflösenden bzw. -auslösenden Figuren der Sendung berücksichtigt. Dabei handelt es sich um Rosalie als die entscheidende handlungsauflösende Figur, die Mutter von Scooter als diejenige, die die Handlung auslöst, die Brüder Superschlau und die Gräfin von Zickig als die, welche die Geschichte vorantreiben und immer wieder neue Konflikte auslösen. Die übrigen Figuren tragen nicht aktiv zum Fortgang der Handlung bei. Variable 1 und 2 Rosalie, die Hauptfigur der Gesamtserie, besitzt auf den Handlungsverlauf und alle anderen Figuren einen extrem hohen Einflußwert. Sie dominiert mit ihren Aktionen die gesamte Handlung, wird von ihren Freunden widerspruchslos respektiert und von ihren Gegnern gefürchtet - nicht wegen ihrer Rolle als Königin, sondern aufgrund ihrer Persönlichkeit. Ihr Handeln steht außerhalb jeder Diskussion: Die Kleine weiß, was sie will, so eine Aussage von Scooter. Scooters Mutter ist eine Folgenfigur, sie nimmt nur in dieser Folge am Handlungsablauf teil. Sie hat in ihrer Funktion als Nebenfigur eine eher passive Rolle inne. Sie bremst sogar Rosalie in ihrem Bemühen, die gläsernen Schuhe zu suchen. Daraus, daß die agierenden Figuren, allen voran Rosalie, ihre Ratschläge nicht befolgen, kann geschlossen werden, daß ihr Dominanz- bzw. Einflußwert niedrig ist. Die narrative Position der Gräfin von Zickig, Auftraggeberin der Brüder Superschlau, ist die einer Nebenfigur. Da sie aber als eigentliche Gegenspielerin von Rosalie den Diebstahl gezielt forciert, hat sie auf das Gesamtgeschehen einen hohen Einflußwert bzw. auf ihre Gehilfen einen beachtlichen Dominanzwert. 65

66 Die Gebrüder Superschlau, ebenfalls Nebenfiguren der Sendung, verfügen durch ihre Aktivitäten über einen hohen Einflußwert auf den Fortgang der Geschichte. Dagegen können sie nur einen mittleren Dominanzwert bezüglich der anderen Figuren verzeichnen. Variable 3 Entsprechend ihrer hervorgehobenen Position ist Rosalie die Figur, die in der Sendung den größten zeitlichen Raum einnimmt. 6 Minuten 04 Sekunden ist sie zu sehen, je nach Einstellungsgröße allein oder mit anderen. Darüber hinaus nimmt der Zuschauer Rosalie noch 2 Minuten 50 Sekunden akustisch an den Stellen wahr, an denen sie den Fortgang der Geschichte mit einer aus dem Off eingespielten Erzählung zusammenfaßt. Die Bilder stehen dabei immer im engen Zusammenhang mit dem Text, d.h. die Bild-Ton-Schere ist geschlossen. Scooters Mutter löst die Handlung aus, beeinflußt aber das weitere Geschehen nur am Rande. Sie tritt demzufolge auch weniger häufig auf als die anderen. In drei längeren Sequenzen beschränkt sich ihr Agieren auf 2 Minuten 06 Sekunden. Hinzu kommen noch die Bilder, die sie vor 20 Jahren auf dem Ball zeigen und welche die Funktion haben, die Rückblende visuell zu untermalen. Im ersten Teil der Geschichte taucht die Gräfin von Zickig nur in der Erzählung von Malcolm über die Ballnacht auf. Sie wird von ihm in der Rückblende als intrigante Person eingeführt, die schon damals unbedingt in den Besitz der gläsernen Schuhe gelangen wollte. Erst im zweiten Teil greift sie in das aktuelle Handlungsgeschehen ein und ist insgesamt 2 Minuten 49 Sekunden auf dem Bildschirm zu sehen. Bedingt durch ihre fortlaufenden diebischen Aktivitäten, die das Geschehen maßgeblich vorantreiben, beanspruchen die Brüder Superschlau mit 3 Minuten 34 Sekunden nach Rosalie die meiste Zeit der Sendung. 66

67 Einstellungslänge der Figuren Neben der Einstellungslänge lassen die Anzahl der Einstellungen, die Einstellungsgröße und die gewählten Einstellungsperspektiven wichtige Rückschlüsse auf Bedeutung und Funktion der jeweiligen Figur für die Handlung in einer Folge zu. Der Funktion von Rosalie als Hauptakteurin wird mit 107 wechselnden Einstellungsgrößen und -perspektiven Rechnung getragen. Aus den möglichen Einstellungsgrößen wird bei ihrer Darstellung häufig auf die Halbtotale und die Naheinstellung zurückgegriffen. Besonders die Einstellungsgrößen, die auf die Darstellung der Umgebung verzichten, also die halbnahe, amerikanische, nahe und detaillierte Einstellung, lenken den Blick des Betrachters direkt auf das Wesentliche und ermöglichen ihm beispielsweise auch, Reaktionen des Ärgers oder der Freude unmittelbar am Mienenspiel abzulesen. Aus den gleichen Gründen wurde das Stilmittel der nahen Einstellungsgrößen auch bei den anderen Figuren am häufigsten verwendet. Bei der Präsentation der Brüder Superschlau ergibt sich, bedingt durch deren handlungsorientiertes und spannungserzeugendes Vorgehen, darüber hinaus die filmtechnische Notwendigkeit, dies mit dramatisierenden kurzen Schnittfrequenzen zu begleiten. Dazu sind nahe Einstellungsgrößen unumgänglich, weil der Rezipient bei diesen nur eine relativ kurze 67

68 Orientierungszeit auf dem Bild benötigt, um es zu decodieren. Die eine große Ruhe und Gemächlichkeit ausstrahlende Mutter Scooters, dies unterstreichen relativ langsame Schnitte, wird in zahlreichen halbtotalen Einstellungsgrößen in Szene gesetzt, während diese Einstellungsgröße bei Gräfin von Zickig deren längeren verständnisfördernden Erläuterungen, z.b. bei ihrer Version der Ereignisse in der Ballnacht, als visuelle Grundlage dienen. Einstellungsgröße der Figuren Ihre Rolle als Kind greifen die 26 Einstellungen Rosalies aus der Aufsicht bzw. Vogelperspektive auf, sie lassen sie klein und unterlegen erscheinen. Da sie aber durch ihre Handlungen den Erwachsenen ebenbürtig bzw. meist überlegen ist, dominieren die Perspektiven aus der Augenhöhe. Scooters Mutter, ausschließlich im Gespräch mit Rosalie ins Bild gesetzt und damit von der kindlichen Augenhöhe gefilmt, wird durch Froschperspektive, Untersicht und die Perspektive aus Augenhöhe präsentiert. Das Bedrohliche, Verschlagene, Zwielichtige der Rolle der Antagonisten, der Brüder Superschlau und der Gräfin von Zickig, verstärkt die bei ihnen häufig gewählte Untersicht. 68

69 Daneben greift der Regisseur bei deren Darstellung, bis auf wenige Ausnahmen, in denen er die Froschperspektive wählt, auf die Normalsicht aus Augenhöhe zurück. Einstellungsperspektiven der Figuren10 Variable 4 Die Anpassungsstrategien der Akteure an die gegebene Situation bzw. ihr Problemlösungsverhalten lassen sich, unter anderem, an ihren verbalen Äußerungen festmachen. Rosalie geht das Problem aktiv und rational abwägend an und kämpft engagiert für die Gerechtigkeit. Zu Scooters Mutter äußert sie: Wissen Sie was? Ich geb Ihnen ein Versprechen. Ich finde den Schuh für Sie! Als sie Malcolm den gläsernen Schuh gezeigt hat, will sie ihn möglichst schnell zurückbringen: Du weißt ja, wie kostbar er ist. Auch nachdem der Schuh gestohlen war, verliert sie nicht den Mut. Es tut uns alles so leid, aber ich erwische den gemeinen Dieb, der uns Ihren Schuh gestohlen hat. Ich gebe Ihnen 10 Die Bezeichnungen für die Einstellungsperspektiven wurden aus technischen Gründen abgekürzt. Sie stehen für Froschperspektive, Untersicht, Augensicht, Aufsicht und Vogelperspektive. 69

70 mein Ehrenwort, sagt sie zu Scooters Mutter. Als diese sie von ihrem Vorhaben abbringen will, bekräftigt sie: Nein, ich habe versprochen, den Schuh zu finden! Dies verstärkt sie in der folgenden Off Erzählung: Ich war nicht zu bremsen, ich wollte unbedingt den Dieb erwischen. Percey und ich liefen durch die ganze Stadt und fragten überall, ob irgendwer irgendwas, den gestohlenen Glasschuh betreffend, gesehen oder gehört hatte. Als sie erfahren hatten, daß die Brüder Superschlau in die Angelegenheit verstrickt waren, liefen sie sofort zu deren Haus und stellten sie zur Rede. Scooter, der die Suchaktion im Fluß beobachtete, wollte sie mit dem Hinweis: Sie (die Mutter - P.J.) hat doch gesagt, ihr sollt euch deswegen kein Bein ausreißen, zum Aufgeben bewegen. Rosalie wies ihn aber zurecht: Scooter, der Schuh ist ein wertvolles Erinnerungsstück deiner Mama, und wir müssen ihn unbedingt finden. Also komm lieber runter und hilf uns! Nachdem sie die Schuhe bei der Gräfin von Zickig entdeckte, forderte Rosalie diese auf: Entweder Sie ziehen die Schuhe jetzt freiwillig aus, oder wir helfen Ihnen nach! Wie dies gelang, nämlich durch eine Abmagerungskur in einem Fitneßstudio, erfährt der Zuschauer durch Rosalies Zusammenfassung: Ein paar Tage später waren ihre Füße dünner, und wir konnten ihr nicht nur die Schuhe von den Füßen ziehen, sondern auch ein volles Geständnis aus der Nase. Ihren an einer Stelle mit oberflächlicher Anpassungsstrategie vorgebrachten Rat an Howie, als der Streit mit seiner Freundin hatte, relativiert sie später: Willst du einen guten Rat? (...) Deine Psychologin Dr. Rosalie Erdbeer empfiehlt dir, dich bei Cindy zu entschuldigen und ihr ein Versöhnungsgeschenk zu machen. Wenn du ihr diese Bonbons schenkst, kann sie gar nicht anders, als dir aus der Hand zu fressen, Howie. Wir hätten ihnen erklären können, daß der Schuh Scooters Mama gehört und daß in der Liebe echte Gefühle wichtiger sind als Geschenke. Scooters Mutter fügt sich passiv in ihr Schicksal: Ich hoffte immer, daß der Schuh wie durch ein Wunder wieder auftaucht. Aber jetzt ist mir das nicht mehr wichtig. Die Erinnerungen an jene schöne Zeiten sind viel wichtiger. Nachdem sie vom Diebstahl des verbliebenen Schuhs durch Rosalie erfährt, beruhigt sie das Mädchen: Also, das ist alles gar kein Grund zur Aufregung. Und vor allem möchte ich nicht, daß ihr deshalb unnötig ein Risiko eingeht (...) Auch wenn jetzt beide Glasschuhe weg sind, habe ich sie noch in allerschönster Erinnerung. Besitz kann dir verloren gehen oder gestohlen werden, aber die Erinnerungen bleiben ewig. 70

71 Dagegen versuchen die Brüder Superschlau, mit einer oberflächlichen Anpassungsstrategie an die jeweilige Situation zu Geld zu kommen und verfolgen ihr Ziel immer kalkulierend. Tja, und was meinst du, Benny? Ich meine, der Treter ist sehr wertvoll und infolgedessen sollte er schleunigst in unseren Besitz übergehen. Mucksmäuschenstill (...) haben sich die fiesen Fieslinge in den Palast reingeschlichen und den gläsernen Schuh geklaut erfährt der Rezipient der Sendung aus Rosalies Erzählung vom Diebstahl des gläsernen Schuhs. Nachdem die beiden vergeblich den Schuh veräußern wollten, waren sie maßlos enttäuscht: Dämlicher Treter, der gehört in den Altglascontainer. Wert ist der überhaupt nichts! Als sie dann Howie beobachten, daß der den Schuh mitnehmen will, eilen sie sofort zu ihm. Das hast du dir wohl gedacht. Nur weil wir ihn mal kurz weggeschmissen haben, bildet er sich jetzt ein, er gehört ihm. (...) Der Schuh gehört uns, du kleine rosarote Ratte, aber du darfst ihn uns abkaufen! Durch Rosalies Besuch in ihrer Wohnung ahnen die beiden, daß der Schuh doch wertvoll ist und lenken sie auf eine falsche Spur. Ein Schuh ist wertlos, wir haben ihn in den Fluß geworfen. Beim Gespräch mit Gräfin von Zickig bestätigt sich ihre Vermutung, da diese sie für die Beschaffung des Schuhes gegen eine Bezahlung anwerben will. Jede Wette, daß wir den Schuh finden, bevor die ihn haben. Sie fangen Howie und nehmen ihm den Schuh ab. Jetzt beginnt endlich der Spaß! Los rück mal hübsch raus, was du da in den Pfoten hast. Mit dem Hinweis: Vergessen Sie unsere Belohnung nicht, Gräfin, übergeben sie den Schuh an von Zickig. Ihren innigen, von materiellem egoistischem Denken geprägten Wunsch, auch den zweiten gläsernen Schuh zu besitzen, treibt Gräfin von Zickig kühl kalkulierend voran. Durch ihren Fahrer erhält sie die Information, daß Rosalie und ihre Freunde einen gläsernen Schuh suchen. Erfreut stellt sie fest: Bald sind sie endgültig mein! Bei ihrer Beschreibung der Ereignisse in der Ballnacht erfährt der Zuschauer Näheres über den Verbleib des in dieser Nacht verlorengegangenen Schuhes. Nur durch meine Hartnäckigkeit ist er in meinen Besitz gelangt. (...) Und wenn diese beiden Gauner (die Brüder Superschlau - P.J.) halten, was sie mir versprochen haben, dann bin ich endlich am Ziel meiner Wünsche! 71

72 Nachdem sie in den Besitz des zweiten gelangt ist, freut sie sich: Endlich hab ich das Paar beisammen. Beide gläsernen Schuhe sind mein(...) Die geb ich nie wieder her. Ich kann es kaum erwarten, sie endlich anzuziehen. Als dann Roslie und ihre Verbündeten auftauchen, unternimmt sie einen letzten Versuch, die Schuhe zu behalten. Wenn es mir doch gelänge, die Schuhe wieder auszuziehen und schnell zu verstecken. Dies gelingt ihr jedoch nicht. Sie gibt die Schuhe zurück und gesteht die Tat. Anpassungsstrategie/Lösungsverhalten der Figuren Variable 5 Auch wenn Rosalie an einigen wenigen Stellen verbale Drohungen gegen ihre Widersacher ausspricht ( Entweder Sie ziehen die Schuhe freiwillig aus, oder wir helfen nach! ), versucht sie ihre Ziele meist argumentativ zu erreichen ( Scooter, der Schuh ist ein wertvolles Erinnerungsstück deiner Mama, und wir müssen ihn unbedingt finden. Also komm runter und hilf uns! ). 72

73 Scooters Mutter dagegen beruft sich auf die lange Zeit, die seit dem Verlust des Schuhes vergangen ist und zieht sich auf eine moralisierende Weise auf ideelle Werte zurück. Auch wenn jetzt beide Glasschuhe weg sind, habe ich sie doch in allerschönster Erinnerung. Besitz kann dir verloren gehen oder gestohlen werden, aber die Erinnerungen bleiben ewig. Um ans Ziel zu gelangen, das bedeutet für sie, Geld zu verdienen, benutzen die Brüder Superschlau sowohl verbale Mittel, z.b. beim Versuch, den gestohlenen Schuh zu verkaufen, als auch physische. Neben der verbalen Gewalt in Form von Drohungen, wenden sie mit der Entführung von Howie auch physische Gewalt an. Vor allem mit Hilfe ihrer materiellen Mittel versucht die Gräfin vor Zickig ihrem sehnlichsten Ziel nahezukommen und in den Besitz des zweiten Schuhes zu gelangen. Sie bietet den Brüdern Superschlau eine Belohnung für die Beschaffung an. Angewandte Mittel zur Zielerreichung der Figuren Variable 6 73

74 Bereits bei der Überprüfung der Variablen 4 und 5 werden erste Hinweise zur Zuordnung der einzelnen handlungstragenden Figuren zum jeweiligen Wertetyp deutlich. Das Verhalten bzw. die angewandten Mittel zur Zielerreichung beschreiben nicht unwesentlich das gesamte Wertepotential der Akteure. Rosalie ist eine starke, von den anderen stets anerkannte Persönlichkeit, was in deren Aussagen und Verhalten häufig zum Ausdruck kommt. Niemandem leihe ich die Schuhe lieber als dir. Wir folgen dir! Für die Gerechtigkeit kämpft sie engagiert und läßt sich von der Verfolgung ihrer Ziele nicht abbringen. Sie handelt in jeder Situation auf angemessene Weise. So bietet sie der Mutter Scooters Hilfe an, unterstützt ihren Freund Howie bei dessen Beziehungsproblemen ( Percey und ich merkten nichts, weil wir völlig damit beschäftigt waren, den liebeskranken Howie zu trösten. ) und holt sich hilfreiche Ratschläge ein. Malcolm wußte die Antwort. Percey und ich liefen durch die ganze Stadt und fragten überall, ob irgendwer irgendwas, den gestohlenen Schuh betreffend, gesehen oder gehört hat. Auch bei der Auflösung des Falles verhält sie sich korrekt. Sie befragt beispielsweise die Brüder Superschlau, ohne sie vorzuverurteilen, über den Verbleib des Glasschuhs. Obwohl sie Rückschläge erleidet, z.b. durch den Diebstahl des Schuhs oder durch Falschaussagen ihrer Gegenspieler, ist sie äußerst frustrationstolerant und kämpft konsequent um die Lösung. Aber ich war nicht zu bremsen, ich wollte unbedingt den Dieb erwischen! Die ganze Angelegenheit wurde immer verfahrener. Mit großem Verantwortungsbewußtsein begegnet Rosalie Personen und Sachen. Freundlich, hilfsbereit und bestimmt ( Ich finde den Schuh für Sie! ) und auch besorgt ( Wie kann man dir nur so etwas antun? ) verhält sie sich ihren Freunden gegenüber. Darüber hinaus versucht sie, ihnen Werte zu vermitteln: Dann hätten wir ihnen auch erklären können, daß der Schuh Scooters Mama gehört und daß in der Liebe echte Gefühle wichtiger sind als Geschenke. (...) Gleichzeitig würdigt sie den Wert materieller Dinge, z.b. der Schuhe. Ich werd auch drauf aufpassen, wie auf meinen Augapfel. Und jetzt bringen wir schleunigst den gläsernen Schuh wieder dahin zurück, wo er hingehört. Du weißt doch, wie kostbar er ist, darum möchte ich ihn so schnell wie möglich zurückgeben. Dieses Verhalten Rosalies wird hin und wieder von lustbetonten, oberflächlich flexiblen und materialistischen Zügen begleitet. Wenn du ihr diese Bonbons schenkst, kann sie 74

75 gar nicht anders, als dir aus der Hand zu fressen, Howie! Alles klar? Na ja, auf jeden Fall konnte ich die ganze Nacht meine Augen nicht mehr von meinen kostbaren Schuhen lassen. Und ich kann es kaum erwarten, bis sie mir passen. Somit entspricht Rosalie dem Wertetyp des aktiven Realisten mit hedonistischen und vor allem idealistischen Ausprägungen. Sie greift traditionelle Werte auf, agiert aber flexibel und anpassungsbereit im Sinne einer hedonistisch-materialistischen und idealistischen Selbstentfaltung. Die Mutter Scooters hat sich damit abgefunden, den zweiten gläsernen Schuh nicht mehr zu finden. Bescheiden in Erinnerungen und Traditionen verhaftet, erzählt sie vom königlichen Hofball, bei dem die Tochter des Königspaares in die Gesellschaft eingeführt werden sollte: Auch wenn jetzt beide Glasschuhe weg sind, habe ich sie noch in allerschönster Erinnerung. Besitz kann dir verlorengehen, aber Erinnerungen bleiben ewig. Rosalie, ich habe meine vielen schönen Erinnerungen, und nur die sind mir wichtig. Also, nimm ruhig die Schuhe, ich schenk sie dir. Aus ihrem Verhalten und ihrem Handeln spricht auch ein unflexibles Akzeptieren des Verlustes. Ich hoffte immer wieder, daß der Schuh wie durch ein Wunder wieder auftaucht, aber jetzt ist mir das nicht mehr so wichtig. Diese konventionelle und zugleich gereifte Grundhaltung verläßt sie in keiner Phase des Filmes. Die Antagonisten dieser beiden Figuren, die Brüder Superschlau und die Gräfin von Zickig, weisen eindeutig lustbetonte, egoistische und oberflächlich flexible, also hedonistisch-materialistische Züge auf. Lediglich in ihren Zielen unterscheiden sie ; sich. Die Brüder wollen Geld. Ich meine, der Treter ist wertvoll und infolgedessen sollte er schleunigst in unseren Besitz gelangen. Der Schuh gehört uns, aber du kannst ihn uns abkaufen. Vergessen Sie unsere Belohnung nicht, Gräfin. Erfüllung ihres Besitzstrebens ist das Ziel der Gräfin von Zickig. Nur durch meine Hartnäckigkeit ist er (der Schuh - P.J.) in meinen Besitz geraten (...) Und wenn diese beiden Gauner halten, was sie mir versprochen haben, dann bin ich endlich am Ziel l meiner Wünsche! Endlich hab ich das Paar beisammen. Beide gläsernen Schuhe sind mein (...)! Die geb ich nie wieder her. Ich kann es kaum erwarten, sie endlich anzuziehen. Das Auftreten der Gräfin von Zickig dokumentiert aber gleichzeitig deren Persönlichkeitsstärke und ein für die Durchsetzung ihrer kriminellen Aktivitäten planvolles, kalkulierendes Handeln. 75

76 Kumulierte Darstellung des Wertetyps der Figuren11 Bewertung der Befunde Bei der Bewertung der Befunde der medienspezifischen Präsentationsmerkmale muß an erster Stelle die sehr dichte Handlungsfolge, nicht zuletzt untermalt durch eine variantenreiche Musik, die komplexe Sprache, die vor allem bei den Erzählungen von Rosalie zur Einführung, zum Abschluß, zur Überbrückung von Zeit- und Raumsprüngen oder bei der Verknüpfung paralleler Handlungsstränge Einsatz findet und die schnelle Schnittfolge in mehreren Filmpassagen genannt werden. Diese Art der Gesamtkomposition der Folge fordert die kindliche Wahrnehmung in hohem Maße zu einer konzentrierten Aufmerksamkeit während der gesamten Sendung heraus. Der auditive Bereich verdichtet die Dramaturgie des Films erheblich, akzentuiert und interpunktiert das visuelle Geschehen. Um einer Überforderung entgegenzuwirken, versuchen die Gestalter durch zahlreiche exemplarische Details bei der Darstellung der Spielfiguren, die Wahrnehmung des Rezipienten zu entlasten. Die Ganoven Superschlau 11 Den Begriff Hedomat verwenden die Speyerer Werteforscher als Abkürzung für den hedonistisch-materialistischen Wertetyp 76

77 werden durch ihre Kleidung, dunkle Anzüge, Melone, Sonnenbrille, aber auch durch die Wahl der Perspektiven, häufig Untersicht, schon vom ersten Auftreten an, bei dem sie im übrigen schräg ins Bild gesetzt sind, prägnant als zwielichtige schräge Typen charakterisiert. Ähnliches gilt für die Gräfin von Zickig. Auch sie ist ausgestattet mit deutlichen Hinweisen auf ihren Stand: Kleidung, Haus, Chauffeur, Auto entsprechen ihrer Stellung. In enger Verbindung mit der inhaltlichen Gestaltung und der prägnanten Darstellungsweise stehen Einstellungsgröße und -perspektive. Annähernd die Hälfte der gesamten Sendezeit der Einzelfolge - nimmt man Vor- und Abspann hinzu, sind es mehr als 60 % - beherrscht visuell oder/und auditiv Rosalie das Geschehen. Bei Aktionen erfolgt ihre Präsentation meist als Fokussierung auf ihre Person mit den entsprechenden Einstellungsgrößen und -perspektiven. Nachdem der Zuschauer einen Überblick über die Situation erhalten hat, wird schnell auf Rosalie geschnitten. Hierzu dienen die emotionstransportierenden Einstellungsgrößen Halbnah, Amerikanisch, Nah und Detail. Die hervorgehobene Stellung Rosalies wird visuell dadurch herausgestrichen, daß die Perspektiven, die sie in der auf das Kind herabblickenden Aufsicht darstellen, vermehrt in die Perspektive in Augenhöhe übergehen und so deren Stellung als gleichwertiger Interaktionspartner der Erwachsenen verstärken. Die relativ hohe Zahl der halbtotalen Einstellungen erklärt sich dadurch, daß diese meist Träger der zusammenfassenden bzw. verknüpfenden Erzählungen sind und dem Rezipienten einen ersten Eindruck bei den häufigen Szenenwechseln geben sollen. In adäquater Weise erfolgt die graphische Umsetzung der anderen Figuren. Ihre Aktivitäten sind auf einen wesentlich engeren Zeitrahmen beschränkt. Die traditionsbefangene, bescheidene Mutter wird durch eine behäbige, langsame Schnittfolge charakterisiert, aus diesem Grunde auch die hohe Zahl der halbtotalen Einstellungen. Die Perspektiven aus der Untersicht erhöhen den Eindruck der Autorität und des Respekts, den Rosalie der Frau entgegenbringt. Da das Erscheinen der Gebrüder Superschlau und der Gräfin von Zickig meist Action nach sich zieht, können für ihre Darstellung in der Mehrzahl nur auf sie beschränkte Einstellungsgrößen benutzt werden. Action bedeutet kurze, schnelle Schnittfolgen. Damit der Zuschauer damit nicht überfordert wird, bedarf es Einstellungsgrößen, die ihm ein 77

78 schnelles Lesen des Bildes ermöglichen, also halbnahe, amerikanische, nahe und detaillierte Einstellungen. Die werterelevante Umsetzung in dieser Folge erfolgt in trick- und filmtechnisch sehr subtiler Art. Dabei steht der engagierte Einsatz von Rosalie gegen hedonistisches Besitzstreben und für die Wahrung von (Besitz-)Recht im Mittelpunkt. Rosalies Einsatz für den abstrakten Wert Gerechtigkeit, dargestellt an materiellem Besitz, wird von ihr aktional umgesetzt und kommt damit den entwicklungspsychologischen Voraussetzungen der Adressatengruppe im Grundschulalter nahe, was eine Identifikation mit der etwa gleichaltrigen Hauptdarstellerin ebenso erleichtert wie das Verständnis dieses Wertetransfers. Bei der verbalen Bekräftigung dieses Wertes ist sie meist in nahen Einstellungsgrößen zu sehen, was dessen Bedeutung erhöht und verstärkt. Dem zweiten wichtigen von Rosalie hervorgehobenen Wert, der Liebe, wird produktionstechnisch in differenter Weise begegnet. Beim ersten handlungsbezogenen Aufgreifen dieses Wertes, in der Nebenhandlung der Beziehung von Howie und seiner Freundin, streicht Rosalie sehr hedonistische Grundelemente heraus und wird dabei in nahen Einstellungen präsentiert. Die ideelle Relativierung dieses Wertes erfolgt jedoch in einer Off-Erzählung, die unter halbtotale Einstellungen gelegt wird. Ob Inhalt, Wortwahl und die Bilder geeignet sind, der Zielgruppe diesen ideellen Aspekt nahezubringen, ist zumindest fraglich. Der durch das durchgängig verwendete Kindchenschema immanent transportierte Wert des Kindlichen dient auch einer gewissen Mythologisierung des Kindes. Das Kind, hier Rosalie, handelt meist rationaler, zielgerichteter und erfolgreicher als die Erwachsenen und wird dadurch in seiner Position aufgewertet. Eine eher langsame Schnittfolge begleitet die wertebezogenen Äußerungen der Mutter Scooters, die die ideelle Bedeutung von Erinnerungen gegenüber dem materiellen Besitz herausstreichen. Die drei entsprechenden Sequenzen umfassen mit 7-12 Sekunden Länge einen, verglichen mit den anderen Sequenzlängen werterelevanter Äußerungen, langen Zeitrahmen. Bei diesen Aussagen werden häufig halbtotale Einstellungen verwendet, so daß die Betrachtung der komplexen Bildinhalte von der verbalen Präsentation des Wertes ablenken könnte. Diese Einschätzung trifft insbesondere auf die Stelle zu, bei der die Mutter die zentrale Aussage zu diesem Wert macht, die in einem Off78

79 Ton eingelagert ist: Besitz kann dir verlorengehen oder gestohlen werden, aber die Erinnerungen bleiben ewig. Durch die mehrmalige Wiederholung der verbalen Herausstellung des traditionsgebundenen Wertes der Erinnerung relativiert die Mutter den materiellen Verlust. Mit ihrer gleichfalls traditionsverbundenen Übergabe der Schuhe an Rosalie gibt sie gleichzeitig auch einen Ausblick in die Zukunft. Die Brüder Superschlau und die Gräfin von Zickig setzen ihre hedonistischen Wertevorstellungen in Action um, die mit den gängigen Stilmitteln - kurze Schnitte, nahe Einstellungsgrößen und den charakterkennzeichnenden Perspektiven - inszeniert wird. Die Wertehaltung der Brüder Superschlau ist für Kinder durchaus nachvollziehbar. Sie wollen materielle Dinge besitzen, bescheiden sich aber, wenn sich ihre großen Wünsche nicht erfüllen lassen, durchaus mit weniger. Die Gräfin von Zickig dagegen, die alles besitzen und kaufen will, dann aber leer ausgeht, letztlich zur eigentlichen Verliererin wird, verstärkt implizit den Wert der Ehrlichkeit, Bescheidenheit, den die Mutter Scooters transportiert. Denn sie gelangt wieder in den Besitz der Schuhe und hat alles gewonnen. Werterelevante Aussagen werden über den Ton und eher untergeordnet durch Mimik und Gestik der Figuren unterstrichen. Das bedeutet, daß für deren bewußte Wahrnehmung vor allem der auditive Wahrnehmungskanal der Rezipienten angesprochen wird Käpt n Flint kehrt zurück Technische Angaben: Ausstrahlungsdaten: Laufzeit: , 7.39 Uhr , 6.00 Uhr 21 Minuten 04 Sekunden Inhalt: Rosalie wird von einem lauten Krachen und heftigen Erschütterungen geweckt. Die Kanonen eines geheimnisvollen Schiffes, das vor dem Hafen vor Anker liegt, bedecken die Erdbeeriumfabrik von Erdbeerland mit Kanonenfeuer. Ein mysteriöser Kapitän namens Majall schaut von einem Felsen aus auf das Geschehen zu seinen Füßen. Durch einen Brief erfahren Rosalie und ihre Freunde Malcolm, Percey, Scooter und Howie, die das Schiff durch ein Fernrohr vom Balkon des Schlosses aus beobachten, daß es sich bei 79

80 den Angreifern um Piraten unter Führung des legendären Käpt n Flint handle, die ein Ultimatum zur Übergabe der Erdbeeriumfabrik stellen. Doch bei Malcolm kommen Zweifel auf, denn aus lange zurückliegenden Erfahrungen mit Käpt n Flint weiß er, daß der ein guter Pirat ist, der die Schwachen und Wehrlosen vor jenen beschützt hat, die sie ausbeuten wollten: Dieser Käpt n war der edelste Seefahrer, der die sieben Weltmeere durchkreuzt hat. Am nächsten Morgen besprechen sich die vier, um das weitere Vorgehen festzulegen. Nach anfänglicher Ratlosigkeit schlägt Rosalie vor, ein altes, im Hafen vor Anker liegendes, ehemaliges Piratenschiff flott zu machen und einen Gegenangriff zu starten. Scooter hat die Idee, Käpt n Majall, mit dem er sich angefreundet hatte, um Hilfe zu bitten. Sie finden den alten Seefahrer in seinem Stammlokal. Als Rosalie ihm ihr Anliegen vorträgt, ihn zu beauftragen, das alte Schiff wieder seetauglich zu machen und gegen die Feinde zu kämpfen, lehnt er mit dem Hinweis auf seinen Ruhestand ab. Rosalie läßt sich jedoch nicht entmutigen und beschließt, es selbst wieder instand zu setzen. Beim Verlassen der Kneipe beschimpft Scooter den Kapitän als Feigling, man werde Käpt n Flint auch ohne seine Hilfe besiegen. Bei der Namensnennung wird Majall hellhörig und schickt seinen Papagei zum Piratenschiff, um Näheres in Erfahrung zu bringen. Die Reparaturarbeiten, mit denen die Freunde inzwischen begonnen hatten, gestalten sich angesichts des maroden Zustandes des Schiffes als äußerst schwierig, aber Rosalie gibt trotz zahlreicher Rückschläge nicht auf. Die Brüder Superschlau beobachten wohlgefällig die schleppend vorangehenden Arbeiten und hoffen nun auf die ungestörte Abwicklung eines Geschäftes mit dem Aggressor. Die heraufziehende Nacht und die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens veranlassen Percey und Scooter dazu, Rosalie zu überreden, die Arbeit einzustellen. Aber die hat eine Idee. Währenddessen wartet Majall auf seinen Vogel. Der bestätigt bei seiner Rückkehr, daß sich der Piratenkapitän tatsächlich als Käpt n Flint ausgibt und beschreibt ihn als gefährlichen Hochstapler und Schwindler. Majall sinniert zunächst noch darüber, warum der Pirat den guten Namen von Käpt n Flint mißbraucht und schickt angesichts der drohenden Gefahr den Papagei los, um seine Mannschaft zusammenzurufen. Die drei Freunde realisieren Rosalies Idee, die darin bestand, die Dunkelheit zu nutzen und zum Schiff der Angreifer zu rudern. Dort entdecken sie ein zweites Ruderboot. Dieses 80

81 gehört den Brüdern Superschlau, die gerade dem Piratenkapitän, der in Wirklichkeit Big Ed heißt, die genauen Lagepläne der Fabrik erläutern und ihm so, gegen eine hohe Belohnung, helfen, den entscheidenden Angriff vorzubereiten. Mittlerweile haben Rosalie, Scooter, Percey und Howie das menschenleere Deck des Schiffes erreicht und beginnen damit, die dort stehenden Pulverfässer über Bord zuwerfen. Dabei werden sie von dem wachhabenden Piraten überrascht. Nach einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd, bei der sie der Schiffsbesatzung immer wieder entwischen, verstecken sie sich in einem großen Faß, werden aber aufgespürt und gefangengenommen. Damit besitzt Big Ed wertvolle Geiseln. Plötzlich taucht aus der Dunkelheit ein Schiff auf, befehligt von Käpt n Majall. Nach einem kurzen Disput mit Big Ed rammt sein Schiff das des falschen Käpt n Flint, und seine Mannschaft entert das Schiff von Big Ed. Durch den Aufprall platzt das Faß, in dem die Geiseln gefangen waren. Dem heftigen Kampfgeschehen an Deck, in dem allmählich die Matrosen von Majall die Oberhand gewinnen, entzieht sich Big Ed durch die Flucht ins Unterdeck. Dort stellen ihn Rosalie, Percey, Howie und Malcolm, der sich mit an Bord von Majalls Schiff befand und überwältigen ihn. Majall, der ebenfalls auf der Suche nach dem Hochstapler ist, stößt zu der Gruppe und gibt sich als der echte Käpt n Flint zu erkennen. Plötzlich zerbirst eine Petroleumlampe, und das Schiff fängt Feuer. Alle können sich retten, auch die Brüder Superschlau und Big Ed, die auf einem Ruderboot fliehen. Die Brüder Superschlau haben in ihrer Raffgier noch ein Pulverfaß mitgenommen, das aber, da es glimmt, explodiert. Rosalie schenkt dem echten Käpt n Flint, in ihrer Funktion als Königin, zur Belohnung das Schiff, mit dem dieser doch noch einmal in See sticht und noch viele Jahre der Gerechtigkeit dient. Überprüfen der Variablen Mit 333 Einzelschnitten, 18 Schwenks und 13 Zooms bei einer Laufzeit von 19 Minuten und 04 Sekunden weist die Sendung eine hohe Schnittfolge und große Dynamik auf. Dies liegt in der von Beginn an mit umfangreichem Kampfgeschehen angereicherten Handlung, die beim Bombardement der Erdbeeriumfabrik zu Beginn und beim Entern des Piratenbootes durch Käpt n Majall, dem eigentlichen Käpt n Flint, ihre Höhepunkte 81

82 aufweist. Kurz geschnitten, mit vielen Naheinstellungen versehen und mit der entsprechenden akustischen Untermalung unterlegt, wird die Handlung an diesen Stellen auch audiovisuell dramatisch inszeniert. In dieser Analyse werden aufgrund ihrer narrativen Position in der Folge Rosalie, Käpt n Majall/Flint, Big Ed und die Brüder Superschlau einer näheren Betrachtung unterzogen. Malcolm, Scooter und Percey unterstützen zwar tatkräftig Rosalie, aber deren Aktivitäten reichen insgesamt jedoch nicht aus, um der Kategorie handlungsauf- bzw. -auslösend zu genügen. Variable 1 und 2 Als Hauptfigur nimmt Rosalie in dieser Folge eine dominante Stellung ein und besitzt auf ihre Freunde, die ihr ohne Widerspruch vertrauen, einen hohen Einflußwert. Sie gerät jedoch im Laufe des Kampfgeschehens in eine schwierige Situation, die sie durch eigenes unvorsichtiges Verhalten heraufbeschwört, aus der sie ohne Hilfe ihres neuen Freundes Käpt n Majall/Flint nicht herauskommen könnte. Der alte Seefahrer Käpt n Majall/Flint, eine Folgenfigur, ist der dominante Akteur der Sendung. Durch seine auf Erfahrung begründete und sehr umsichtige Handlungsweise wird er von allen respektiert, um Rat gefragt und um Hilfe gebeten. Selbst seine Gegner erstarren vor Ehrfurcht, als er ihnen entgegentritt. Der Aggressor und Hochstapler Big Ed, ebenfalls eine Folgenfigur, besitzt durch seine handlungsauslösende Aktion, den Kanonenangriff auf die Erdbeeriumfabrik, hohen Einflußwert auf die Handlungsfolge und einen großen Dominanzwert auf seine Mannschaft und Gehilfen. Letztere, in Person der Gebrüder Superschlau, Nebenfiguren der Sendung, verfügen über einen unwesentlichen Einfluß- und Dominanzwert, da ihr Verrat der Details der Erdbeeriumfabrik für Big Ed ohne Wert ist, weil er ihre Informationen nicht mehr zur Erlangung seiner Ziele nutzen kann, zumal er in ihnen nur Handlanger sieht: Könnt ihr zwei Melonenheinis mir sagen, wohin wir mit unseren Kanonen zielen sollen? Variable 3 82

83 Rosalie bestimmt mit ihrer Präsenz auf dem Bildschirm das Gesamtgeschehen. 7 Minuten und 01 Sekunde wird sie dem Zuschauer visuell dargeboten, führt zusätzlich erzählend in die Geschichte ein und faßt Raum- und Zeitsprünge für den Zuschauer verständlich mit aus dem Off eingespielten Sequenzen zusammen, wobei sich Bild- und Textinformation entsprechen, der Ton damit die Bildaussage zusätzlich vertieft. Der schon früh durch die einleitende Erzählung von Rosalie vorgestellte Käpt n Majall/Flint tritt zwar lediglich nur 3 Minuten 21 Sekunden in Aktion, dafür bestimmt er in dieser Zeit das Geschehen und die anderen Figuren in hohem Maße. Spät, erst nach 9 Minuten 49 Sekunden, wird der eigentliche Gegenspieler von Rosalie und Majall/Flint, Big Ed, in das Geschehen eingeführt. Vorher war nur das Ergebnis seiner Aggression, der Beschuß der Erdbeeriumfabrik und sein Ultimatum, Gegenstand der Handlung. Danach ist er 2 Minuten 19 Sekunden am Geschehen beteiligt. Die Brüder Superschlau, etwas früher in Aktion tretend, spielen nur anfangs eine bedeutsame Rolle. Durch den weiteren Handlungsablauf, den sie nicht mehr beeinflussen - sie nehmen beispielsweise am gesamten Kampfgeschehen auf dem Schiff nicht teil - bleibt ihr Auftritt auf 1 Minute 56 Sekunden beschränkt. Einstellungslänge der Figuren 83

84 Die funktionale Bedeutung der Akteure heben die Einstellungsgrößen und -perspektiven hervor. Rosalie beansprucht als Hauptfigur und Erzählerin 134 Einstellungen. Lediglich an den Stellen, an denen sie längere Erzählpassagen übernimmt, wird vorwiegend mit Totalen und Halbtotalen gearbeitet, während vor allem beim Kampfgeschehen in der Mehrzahl die Einstellungsgrößen vorherrschen, die sie ins Zentrum des Bildes rücken halbnahe, amerikanische, nahe und detaillierte Einstellungen. Ihre kämpferische Grundhaltung unterstreichen die Einstellungen aus der Froschperspektive und der Untersicht, welche ihre Entschlossenheit dokumentieren. Die ihre kindliche Rolle unterstreichende Aufsicht (43) und Vogelperspektive (24), die sie klein erscheinen lassen, wird durch die große Zahl der Einstellungen in Augenhöhe (49), die sie als den Erwachsenen ebenbürtig darstellen, relativiert. Mit zahlreichen Stilelementen wird die geheimnisvolle, autoritätsverheißende Rolle Käpt n Majalls/Flints hervorgehoben. Neben der Lichtsetzung und Farbgebung erreicht die Filmsprache dies vor allem durch die hohe Zahl der nahen Einstellungsgrößen und vornehmlich durch die Detailaufnahmen seines Gesichts, die seine Willensstärke und Entschlossenheit widerspiegeln. Konsequenterweise zählen bei seinen Auftritten die ehrfurchteinflößende und seine Macht unterstreichende Froschperspektive bzw. die Untersicht zu den meist verwendeten. Trotz der massiven Gewalt, die Big Ed zu Beginn des Geschehens einsetzt, wird seine Gefährlichkeit durch die bei ihm gewählten Einstellungsgrößen und -perspektiven nicht sonderlich unterstützt. Mehr als die Hälfte der 38 Einstellungen, die ihn zeigen, nämlich 22, sind halbtotale oder halbnahe. Die Perspektive aus der Untersicht wird häufig dann eingesetzt, wenn er mit Rosalie spricht und zu ihr herunterblickt. In den verbalen Auseinandersetzungen mit dem überlegenen Käpt n Majall/Flint dagegen wird er aus der Aufsicht oder Vogelperspektive gezeigt. Eine ähnliche Verteilung der Einstellungsgröße bzw. -perspektive ist bei den Brüdern Superschlau festzustellen. Bei ihnen wird die Bedrohung durch die nahen Einstellungen aus der Untersicht, aber auch ihre devote, unterwürfige Haltung gegenüber Big Ed mittels der Perspektiven Aufsicht und Vogelperspektive hervorgehoben. 84

85 Einstellungsgröße der Figuren Variable 4 Rosalies verbales und nonverbales Problemlösungsverhalten bzw. die von ihr gewählten Anpassungsstrategien sind, wenn es um den Schutz von Erdbeerland und seine Bewohner geht, kämpferisch ausgerichtet und von großer Rationalität geprägt. Von Beginn an geht ihre kämpferische Grundhaltung an einigen Stellen unmittelbar in aggressive Aussagen oder aggressives Verhalten über. Ihre in die Handlung einführende Off-Erzählung schließt mit den Worten: Aber egal, was Malcolm sagte, dieser Käpt n Flint hatte eindeutig gedroht, und jetzt mußten wir etwas dagegen unternehmen. Als Percey ihr dann einen Vorschlag unterbreitet, stößt sie ihn mit dem Hinweis: Das wollte ich gerade sagen! weg, schlägt bekräftigend mit der Faust auf den Tisch und ruft mit entschlossener Miene: Jawohl, wir wehren uns! 85

86 Nach diesem Gefühlsausbruch versucht sie schnell, ihre weitere Vorgehensweise zu strukturieren. Als erstes besorgen wir uns ein Schiff. Kennt ihr das alte Geisterschiff, das im Hafen vor Anker liegt? Sie sucht noch im Verlauf der Diskussion mit ihren Freunden über den Zustand des Schiffes nach möglicher hilfreicher Unterstützung und wendet sich auf Anraten von Scooter schließlich an Käpt n Majall/Flint. Ich brauche Ihre Hilfe, wir sind alle in Gefahr! Obwohl der zunächst ablehnt, findet Rosalie sofort einen Ausweg. Na ja, nichts für ungut, dann werden wir das Schiff selbst flott machen müssen. Auch nachdem dieses Unterfangen trotz intensiver Bemühungen fehlschlägt, legt sie ihren Mitstreitern einen neuen Plan vor. Na schön ihr beiden. Hört mal! Ich habe eine gute Idee. Die besteht darin, zum Piratenschiff zu rudern und es zunächst auszukundschaften. Die aus dem Off zugespielte Erläuterung Rosalies endet mit einer kampfbetonten Aussage: Jetzt hatte unsere Mission begonnen! Beim Anblick der Pulverfässer an Bord tritt Rosalie sofort in Aktion: Kippen wir die Fässer doch einfach über Bord, dann können sie nicht mehr auf uns schießen! Schnell! Auch die anschließende Verfolgungsjagd geht sie kühl planend an: Es wäre besser, wenn wir vier uns jetzt trennen, damit sie uns nicht alle gleichzeitig erwischen. An der Kampfhandlung im Anschluß an den Angriff Majalls/Flints auf das Piratenschiff nimmt Rosalie tatkräftig und listig teil. Nach dem glücklichen Ende der Kampfhandlungen übergibt Rosalie dem alten Seefahrer das Schiff, denn sie wußte, daß er noch viele Jahre der Gerechtigkeit dienen würde. Die undurchsichtige Rolle des bereits in der Einleitung vorgestellten Käpt n Majall/Flint wird bei seinem ersten Treffen mit Rosalie noch verstärkt, als er die Bitte Rosalies um Hilfe ablehnt. Ich mache alles für euch, aber das ganz bestimmt nicht. Tut mir leid Kinder, ich bin ein Seefahrer im Ruhestand. Daß ich nochmal ein Segel hisse oder einen Anker lichte, das ist einfach nicht drin. Doch als er den Namen des Angreifers hört, wird er nachdenklich und beginnt Recherchen über den Gegenspieler einzuholen. Sein Verdacht, daß sein Gegenspieler ein Schwindler sei, bestätigt sich schnell. Wer so etwas tut, kann gefährlich sein. Wir müssen uns in acht nehmen(...) Der führt doch etwas im Schilde, das ist doch klar. Versammle die Mannschaft, wir werden diesen falschen Fiesling in seine Schranken verweisen, ruft er seinem Papagei zu. Im folgenden Selbstgespräch wird erstmals die kämpferische Haltung Majalls/Flints offensichtlich. Er nennt sich also Flint. Interessant. Der Lump wird den Tag noch verfluchen, an dem er selbigem über den Weg gelaufen ist! stößt er mit blitzenden Augen hervor. Ihm und seiner Mannschaft gelingt es, 86

87 das alte Schiff flott zu machen. Vor dem Angriff auf das Schiff von Big Ed gibt Majall/Flint dem noch eine letzte Chance, den Kampf zu vermeiden, indem er ihn auffordert, die Geiseln freizulassen. Die aggressive Haltung von Big Ed wird von Anfang an deutlich. Er greift Erdbeerland an und übermittelt seine kompromißlose Forderung. Und ich verlange die Übergabe Eures gesamten Erdbeeriumvorrates bis spätestens morgen um Mitternacht! Den entscheidenden Angriff auf Erdbeerland plant er rational, indem er sich die Lagepläne der Lagerhalle der Fabrik erklären läßt und dabei Menschenopfer vermeiden will. Und wo lagert das kostbare Zeug? Darauf kommt es nämlich an! Es soll möglichst keiner verletzt werden, also verschonen wir die Fabrik. Die Gefangennahme der Kinder eröffnet ihm neue strategische Möglichkeiten: Na, was wollen wir mehr! Jetzt können wir uns im Erdbeerland nach Herzenslust bedienen. Da wir die Kinder als Geiseln genommen haben, können wir von denen verlangen, was wir wollen. Mit einer oberflächlichen Anpassungsstrategie versucht er der direkten Auseinandersetzung mit Käpt n Majall/Flint zu begegnen und sich vielleicht doch noch aus der Affäre zu ziehen. Du bist ein alter Bluffer. Hau ab, sonst rammen wir euch! Na schön. Ich geb ja gerne zu, daß ich in Wirklichkeit nicht der tapfere und edle Käpt n Flint bin. Also Alterchen, wie gedenkst du die Situation nun zu klären? Die Brüder Superschlau gehen planend ihr Vorhaben an, Geld mit allen Mitteln zu verdienen. Sie beobachten die erfolglosen Reparaturarbeiten von Rosalie und ihren Freunden am Schiff und stellen freudig fest: Die sind am Ende! Und sind die am Ende, ist der Anfang für uns gemacht. Und unser Anfang heißt am Ende ein super Geschäft mit Flint. Dieses besteht in einem Verrat an den Bewohnern von Erdbeerland. Sie erläutern Big Ed die Pläne der Erdbeeriumfabrik. Ja, zielt genau hierhin, Big Ed. Auf das Hauptgebäude in der Mitte, da wird der Saft hergestellt. Mit einem einschmeichelnden, oberflächlichen Anpassungsverhalten versorgen, umgarnen und bestärken sie Big Ed und kommen dann schnell zum Geschäft. Und jetzt reden wir doch mal darüber, wie hoch die Belohnung ist, die du uns hinblätterst für diese kleine krumme Sache. Mir schwebt dabei was bestimmtes vor, Ed. So etwa in der Größenordnung von einem riesen Haufen Knete. 87

88 Anpassungsstrategie/Lösungsverhalten der Figuren Variable 5 Nachdem Rosalie die Forderungen der Aggressoren vernommen hat, setzt sie von Anfang an auf die physische Lösung des Problems. Sie vertraut nicht auf Verhandlungen, sondern rüstet sofort zum Gegenangriff, indem sie das alte Piratenschiff flott machen will. Bei diesen Vorbereitungen setzt sie sich argumentativ mit ihren Freunden und Käpt n Majall/Flint auseinander. Über die Art und Weise des Vorgehens nach den fehlgeschlagenen Reparaturarbeiten diskutiert sie nicht, sondern rudert zum Boot der Angreifer, geht an Bord und beginnt mit der Vernichtung der Pulverfässer. Damit begibt sie sich und ihre Gefährten in höchste Gefahr. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd und dem Angriff Majalls auf das Piratenschiff hilft sie tatkräftig bei der Vernichtung der Bösen mit. Am Ende belohnt sie, ihrer Rolle als Königin gerecht werdend, Käpt n Majall/Flint: Als Belohnung für Ihre Tapferkeit übergibt Ihnen die Königin von Erdbeerland hiermit dieses Schiff. Moralisierend fügt sie aus dem Off, an die Zuschauer gewandt, hinzu: Übrigens wißt ihr, wie wir das Schiff getauft haben? Wir haben es Der gute Geist 88

89 von Erdbeerland getauft, zu Ehren des Käpt ns, von dem wir wußten, daß er noch viele Jahre der Gerechtigkeit dienen würde. Gleichfalls argumentativ vorgehend und physische Mittel einsetzend, nachdem er sich einen Überblick der Lage geschaffen hat, bringt Käpt n Majall/Flint stark moralisierende Aspekte in sein Vorgehen ein. Es muß doch einen Grund geben, warum dieser Mann den guten Namen von Käpt n Flint benützt. Der Lump wird den Tag noch verfluchen, an dem er selbigem (dem echten Flint- P.J.) über den Weg gelaufen ist. An Big Ed gewandt ruft er: Du bist ein Feigling! Du hast den guten Ruf eines anderen Mannes in den Schmutz gezogen. Seine Ziele versucht Big Ed mit materiellen Mitteln unter dem Einsatz von physischer Gewaltanwendung durchzusetzen. Er braucht sich aufgrund seiner Stellung mit seinesgleichen nicht argumentativ auseinanderzusetzen - er befiehlt. Seine Gewaltbereitschaft hat jedoch auch moralische Grenzen. Er überlegt, seinen Angriff auf die Fabrik gezielt zu steuern. Es soll möglichst keiner verletzt werden, also verschonen wir die Fabrik. Die Brüder Superschlau kennen für ihre Zielerreichung nur materielle und physische Mittel, sie verraten sogar ihre Landsleute. Diese Raffgier wird ihnen jedoch letztlich zum Verhängnis, als sie vom sinkenden Schiff noch ein Pulverfaß mitnehmen, dessen Lunte schon glimmt. Die Erkenntnis des einen: Warum kannst du nicht das kleinste Bißchen stehen lassen? kommt zu spät, die Explosion zerfetzt das Ruderboot. Damit wird gleichzeitig ihr grenzenloses Besitzstreben abgewertet. 89

90 Angewandte Mittel zur Zielerreichung Variable 6 Ihre teilweise von einem hohen kämpferischen Potential getragenen Aktionen setzt Rosalie spontan sozial engagiert für die Rettung ihres Volkes ein. (...)Käpt n Flint hatte eindeutig gedroht, und jetzt mußten wir etwas dagegen unternehmen! Daraus resultiert ihr meist verantwortungsorientiertes und angemessenes Handeln im ersten Teil des Geschehens, in dem sie sehr persönlichkeitsstark den Fortgang der Geschichte bestimmt und sich auch von Rückschlägen nicht von ihrem Kurs abbringen läßt. Naja, nichts für ungut, dann werden wir das Schiff selbstflott machen müssen. Ihr umsichtiges Verhalten, das sich z.b. in der Sorge um die Gesundheit ihrer Freunde hier noch äußert, schlägt im weiteren Handlungsablauf hin und wieder in lustbetonte, egoistische Aktionen um, durch die sie sich und ihre Freunde unüberlegt in Gefahr bringt, so als sie z.b. zum Piratenschiff rudern oder auch während des Kampfgeschehens. Jetzt hatte unsere Mission begonnen! Wir schnappen uns jetzt diesen Käpt n und zwingen ihn jetzt, sich zu ergeben. 90

91 Rosalie ist zusammenfassend als ein aktiver Realist, mit gleichermaßen starken hedonistischen wie idealistischen Zügen zu charakterisieren. Käpt n Majalls/Flints Wertegrundhaltung zeigt einerseits konventionalistische, andererseits vor allem aber realistische Züge. Unflexibel zeigt er sich zunächst, als die Kinder ihn um Hilfe bitten: Ich bin ein Seefahrer im Ruhestand, daß ich nochmal ein Segel hisse oder einen Anker lichte, das ist einfach nicht drin. Seine Traditionsgebundenheit offenbart er im Umgang mit Rosalie. Soll das heißen, daß mir die Königin von Erdbeerland höchstpersönlich einen Besuch abstattet? Sehr hohe Bedeutung haben für ihn traditionelle Werte wie Ehre und Achtung vor anderen. Es muß doch einen Grund dafür geben, warum dieser Mann den guten Namen von Käpt n Flint benutzt. Du bist ein Feigling! Du hast den guten Ruf eines anderen Mannes in den Schmutz gezogen. Ich bin der ehrenwerte Käpt n Flint! Seine Handlungen jedoch drücken Persönlichkeitsstärke, Verantwortungsbewußtsein und auf Umsicht basierendes Handeln aus. Er überprüft die Aussage von Scooter, daß es sich beim Angreifer um Käpt n Flint handelt, indem er seinen Vogel zum Piratenschiff schickt und Big Ed noch eine letzte Chance gibt, den Kampf zu vermeiden. Eine Antwort auf diese Frage gibt es nur, wenn ihr die Geiseln freilaßt. Von allen fast ehrfürchtig behandelt, genießt er uneingeschränkte Autorität. Wir haben es 'Der gute Geist von Erdbeerland' getauft, zu Ehren des Käpt ns, von dem wir wußten, daß er noch viele Jahre der Gerechtigkeit dienen würde. Ein deutlich hedonistisch-materialistisch ausgerichtetes Wertepotential weist Big Ed auf. Egoistisch und lustbetont, aber auch rational planend, setzt er schwere Waffen ein, um seine Ziele zu erreichen. Könnt ihr zwei Melonenheinis mir sagen, wohin wir mit unseren Kanonen zielen sollen? Und wo lagert das kostbare Zeug? Darauf kommt es mir nämlich an! Also denkt daran, ein paar gute Jahrgänge für meinen persönlichen Gebrauch zu lagern. Seine darüber hinaus materialistische Werthaltung drückt er durch seine Aggression bzw. sein Ultimatum aus. Nach der Geiselnahme stellt er zufrieden fest: Na, was wollen wir mehr! Jetzt können wir uns im Erdbeerland nach Herzenslust bedienen. Da wir die Kinder als Geiseln genommen haben, können wir von denen verlangen, was wir wollen. Daß er aber keine unnötigen Opfer unter den Zivilisten will, belegt seine Feststellung: Es soll möglichst keiner verletzt werden, also verschonen wir die Fabrik. 91

92 Während des Disputs mit Käpt n Majall/Flint verhält er sich mehrfach oberflächlich flexibel. Na ja schön, ich geb ja gerne zu, daß ich in Wirklichkeit nicht der tapfere und edle Käpt n Flint bin. Also Alterchen, wie gedenkst du die Situation nun zu klären? Eh, was juckt mich ein Kerl, der schon acht oder neun Jahre verschwunden ist? Ausschließlich hedonistische Materialisten sind die Brüder Superschlau. Sie setzen ihre lustbetonten, egoistischen und materialistischen Wertevorstellungen ohne Selbstzweifel über alle anderen Werte. Mit ihrer einschmeichelnden Behandlung von Big Ed wollen sie nur an die hohe Belohnung herankommen. Ihre Haltung wird ihnen am Ende selbst zum Verhängnis. Kumulierte Darstellung des Wertetyps der Figuren Bewertung der Befunde Ohne langsame Hinführung an das Geschehen beginnt diese Sendung sofort mit einer schnell geschnittenen und mit allen Varianten unterschiedlicher Einstellungsgrößen und 92

93 -perspektiven optisch wie akustisch dynamisch inszenierten Kampfszene, deren Dramatik noch durch den, die Gefährlichkeit der Situation verstärkenden, Tonfall in Rosalies OffErzählung unterstrichen wird. Die hier bei der Synchronisation eingesetzten Stilmittel des parallelen Synchronismus und parallelen Asynchronismus (vgl. Abschnitt A 4.1.2) lenken die Wahrnehmung der Zuschauer in so hohem Maße, daß sie nur noch das sehen, wozu sie sprachlich motiviert werden; des weiteren wird die Polarität der Figurenkonstellation dadurch schnell offensichtlich. Die beiden Gegenspieler, Käpt n Majall/Flint und Big Ed werden schon in dieser informationsdichten 2 Minuten 31 Sekunden dauernden Einleitungssequenz auf verschiedene Art eingeführt. Der alte, erfahrene Seefahrer Majall/Flint, der geheimnisumwittert das Geschehen am Hafen beobachtet, ist mit zahlreichen exemplarischen Details ausgestattet. Er trägt typische Attribute eines Piratenkapitäns und ist deshalb für die Zielgruppe sofort einzuordnen: Dreispitz, Mantel, Holzbein und einen Papagei. Sein Gegenspieler wird durch seine Aktionen, den völlig unvorbereiteten Angriff auf die Erdbeeriumfabrik und sein kompromißloses Ultimatum, sofort als gewalttätiger und brutaler Bandit charakterisiert, erscheint zunächst jedoch nicht im Bild, sondern bleibt anonym im Hintergrund. Sein Verhalten wird später durch seine optische Erscheinung verstärkt. Durch Haarschnitt, Kleidung und Figur entspricht er dem Bild, mit dem in Filmen der 30er Jahre Gangsterbosse dargestellt wurden, die sich mit unterwürfigen Gehilfen, die nur Mittel zum Zweck für deren skrupellose Machenschaften waren, umgeben. Dieses Bild umrahmen zusätzlich seine Informanten, die Brüder Superschlau, mit ihrer Bekleidung bzw. ihren Verhaltensweisen. Die Informationsfülle wird zusätzlich durch die an mehreren Stellen eingesetzte Parallelmontage gesteigert, indem parallel ablaufende Vorgänge dargestellt werden und damit der chronologische Verlauf eines Handlungsstrangs unterbrochen wird. Hervorgehoben werden die Eigenschaften der Figuren durch die medienspezifischen Präsentationsmerkmale. Die große Zahl der Einstellungsgrößen, die die einzelne Figur ins Zentrum der Filmaussage rücken, also halbnahe, amerikanische, nahe sowie detaillierte Einstellungen, aber auch die überlegenheits- bzw. gefahrvermittelnden Perspektiven der Froschperspektive und der Untersicht dominieren bei diesen Figuren. Die Überlegenheit Majalls/Flints gegenüber seinem Widersacher kommt dadurch zum Ausdruck, daß diese Perspektive bei ihm im direkten Aufeinandertreffen der beiden konsequent beibehalten 93

94 wird, während bei Big Ed dort auf die Perspektiven zurückgegriffen wird, die auf Schwäche und Unterlegenheit hinweisen, nämlich Aufsicht bzw. Vogelperspektive. Die Hauptdarstellerin, Rosalie, als die die Geschichte dominierende Figur, wird gleichfalls durch häufige nahe Einstellungsgrößen ins Bild gesetzt. Die große Zahl der Halbtotalen, in denen Rosalie zu sehen ist, fast 30 % der Gesamtzahl, vermittelt dem Zuschauer in gewissem Rahmen einen Überblick über das Geschehen. Die Identifikation der Adressatengruppe mit Rosalie fällt sowohl auf der inhaltlichen Ebene und der visuellen Ebene leicht. Inhaltlich verkörpert sie durch ihre Aktionen die Wünsche der Kinder nach Geborgenheit im Freundeskreis, der einem hilfreich zur Seite steht, nach klugen Gefährten, die Rat wissen sowie nach einem lustbetonten und spannungsgeladenen Abenteuer, das ein glückliches Ende findet. Die visuellen Präsentationsmerkmale Rosalies im Bereich der Einstellungsperspektiven geben in der Mehrzahl die einer realen kindlichen Perspektive wieder - die Aufsicht bzw. Vogelperspektive auf das kleine und eher unterlegene Kind. Daß Rosalie aber eine für die Erwachsenen im Film durchaus gleichwertige Partnerin ist, drücken die Einstellungen in Augenhöhe aus. Im Umgang mit ihren engen Freunden wird ihre Überlegenheit durch Froschperspektive bzw. Untersicht hervorgehoben. Ihrer in dieser Folge eng begrenzten dramaturgischen Rolle entsprechend, nämlich der intriganten Informanten, beschränkt sich der Auftritt der Brüder Superschlau. Durch ihre Kleidung, Melone, schwarze Brille, schwarzer Anzug, aber auch durch die Darstellung ihres ersten Auftrittes - sie werden schräg ins Bild gerückt - werden sie vom Rezipienten schnell als Bösewichte eingeordnet. Einstellungsgrößen und -perspektiven verstärken diese Einschätzung. Nahe Einstellungen bzw. gefahrverheißende Perspektiven sind dominant. Die Unterlegenheit gegenüber ihrem Auftraggeber kommt in dessen Verhalten und Aussagen immer wieder zum Ausdruck ( Melonenheinis ) und wird in diesen Szenen optisch mit Aufnahmen aus der Aufsicht und Vogelperspektive ergänzt. Die werterelevanten Aspekte, also Handlungen, Aussagen oder Verhaltensweisen, die letztlich zur idealtypischen Einordnung der Wertetypen führen, werden an vielen Stellen dieser Sendung deutlich. Rosalie verfügt dabei über das breiteste Wertespektrum. Sie beschützt idealistisch ihr Volk und kämpft engagiert gegen den Feind, sie geht rational, unter Beachtung verschiedener Ratschläge, bei den Vorbereitungen zum Gegenschlag 94

95 vor und greift dann, immer vor dem Hintergrund der Befolgung ihrer Werte, z.b. der Gerechtigkeit, auf zunehmend hedonistische Aktionen zurück. Mit dieser aus ihrer Rolle als Kind entspringenden Vorgehensweise, der Suche nach Action und Abenteuer, bringt sie aber sich und andere in erhebliche Gefahr. Die Bekräftigung der jeweiligen Werteausrichtung erfolgt verbal sowohl als Off-Erzählung ( Dieser Käpt n Flint hatte eindeutig gedroht, und jetzt mußten wir etwas dagegen unternehmen ) als auch in OnAussagen ( Jawohl, wir wehren uns! ). Visuell dominieren bei der Off-Erzählung halbtotale, bei den On-Aussagen nahe Einstellungen. Der Hervorhebung im zitierten Beispiel, aber auch an anderen Stellen, dienen die dort oft gewählten Perspektiven der Untersicht. Insgesamt setzt Rosalie ihre Wertevorstellungen, z.b. die Wahrung des Rechtes oder den Schutz der Bewohner des Landes, handelnd um, was dem Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen der Adressatengruppe der Sendung entspricht. Dagegen trägt Käpt n Majall/Flint seine hohen traditionellen Werte, der Bedeutung des Rufes und der Ehre eines Menschen, verbal vor und wird dabei in längeren nahen Einstellungen, verschiedentlich in Detaileinstellungen aus der Untersicht bzw. Froschperspektive präsentiert. Seinen Kampf für die Gerechtigkeit setzt er planvoll und umsichtig um und wird auch in diesen Szenen als der Überlegene dargestellt. Zur Visualisierung hedonistischer Werteaussagen von Big Ed und der Brüder Superschlau werden nahe Einstellungen verwendet. Aber schon die Darstellung der Figur des Big Ed als feister und rücksichtsloser Befehlsgeber, der seine Gefolgsleute abwertend behandelt, läßt ihn sehr unsympathisch erscheinen und gibt den Zuschauern somit keine relevante Identifikationsofferte. In ähnlicher Weise erfolgt die Inszenierung der Brüder Superschlau, die mit ihrem einfältigen und plumpen Agieren bei der Umsetzung ihrer hedonistischen Werte scheitern. Auch sie werden negativ gezeichnet. Ein wesentliches Element dieser Folge ist die Gewalt, die von den Figuren in verschiedenen Formen in die Handlung eingebracht wird. Rosalies Anteil ist dabei sowohl in verbaler wie aktionaler Form nicht unerheblich. Berücksichtigt man ihre Rolle als die entscheidende Identifikationsfigur für die kindlichen Zuschauer, so muß man das Verhalten von Rosalie im zweiten Teil der Geschichte ( Jetzt hatte unsere Mission begonnen! ) als bedenklich einstufen. Sie setzt Gewalt ein, ohne vorher mit ihren 95

96 Gegnern verhandelt zu haben. Das lediglich als Entsprechung mit dem kompromißlosen Vorgehen von Big Ed zu sehen, entspräche der reduzierten Denkweise des Auge um Auge, Zahn um Zahn. Auch die Tatsache, daß der Kampf für Rosalie eher ein Spiel ist: Ätsch, fang mich doch, du kriegst mich nicht! läßt es fragwürdig erscheinen, ob die Rezipienten diese Aktion adäquat einordnen und Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung kritisch hinterfragen. Die Gewaltdarstellung erfolgt in dieser Sendung genretypisch. Das heißt, Folgen der Gewalt werden weder bei den Requisiten noch bei den Figuren gezeigt und sind damit für den Zuschauer nicht existent bzw. erschweren eine folgerichtige Zuordnung (vgl. Abschnitt A 3.2.2) Der Grand Prix von Erdbeerland Technische Angaben: Ausstrahlungsdatum: Laufzeit: , 7.38 Uhr , 6.00 Uhr 21 Minuten 04 Sekunden Inhalt: Rosalie und Howie sind damit beschäftigt, den alten Rennwagen von König Kuchenkrümel für den am nächsten Tag stattfindenden Grand Prix von Erdbeerland zu präparieren. Rosalie startet an Stelle des alten Königs, der seit 29 Jahren das Rennen gewonnen hat. Diese Tradition will Rosalie unbedingt fortsetzen. Dasselbe möchte auch Prinz Percey, der ebenfalls sein Fahrzeug für das Rennen vorbereitet, auch er will in die Fußstapfen seines Vaters treten. Sofort nach Beendigung ihrer Arbeit startet Rosalie ihr Gefährt zu einer ersten Probefahrt. Aufgrund mangelnder Fahrpraxis, fällt ihr dessen Beherrschung schwer - kreuz und quer rast sie durch das Schloß. Erst ein Unfall bringt den Wagen zum Stehen. Für ihr Verhalten wird die Prinzessin von Malcolm gerügt. Im nachfolgenden Gespräch, an dem auch Percey teilnimmt, bekunden alle drei ihre Siegesabsichten für den Grand Prix. Dabei weist Malcolm darauf hin, daß sie allerdings eine große Zahl von Konkurrenten besiegen müssen, allen voran Gräfin von Zickig, die mit ihrem Sieg zeigen will, daß Rosalie keine würdige Königin ist. 96

97 In der Nacht vor dem Rennen schleichen sich die Gehilfen der Gräfin, die Brüder Superschlau, ins Schloß, um die Fahrzeuge der drei zu manipulieren. Vor dem Start herrscht im Stadion große Spannung. Rosalie, Malcolm, Percey und Scooter, der auch teilnimmt, unterhalten sich noch kurz über das bevorstehende Ereignis, als die Gräfin von Zickig und ihre Tochter Alicia erscheinen. Die Gräfin stößt Howie mit dem Fuß beiseite und geht hochnäsig an der Gruppe vorbei. Rosalie, wütend über das rücksichtslose Verhalten der Gräfin, wünscht ihren Freunden Glück für den Wettkampf und nimmt mit Howie, der sie begleitet, neben ihrer Hauptrivalin Startaufstellung. Die Rennstrecke führt zum Gipfel des Vulkanberges und zurück ins Stadion. Als Beweis dafür, daß die Fahrer auch an der Wendemarke waren, müssen sie einen für jeden dort hinterlegten Schlüssel mitbringen. Mit aufheulenden Motoren rasen die Teilnehmer nach dem Start los. Schnell übernimmt die Gräfin, gefolgt von Rosalie, die Führung. Doch Rosalie kämpft sich heran und geht ihrerseits in Front. Kurz danach löst sich ihr Vorderrad, und sie stürzt einen Abhang hinunter. Höhnisch lächelnd betrachten zuerst die Gräfin und ihre Tochter, dann die Brüder Superschlau das Werk ihrer Sabotage und nehmen, ohne zu helfen, das Rennen wieder auf. Kurz danach erreicht Scooter die Unfallstelle, lehnt aber, unter Hinweis auf die Rennvorschrift, auch jede Unterstützung ebenso ab wie anschließend Malcolm und Percey. Plötzlich verlieren auch deren Gefährte die Räder. Mittlerweile planen die Brüder Superschlau einen weiteren Sabotageakt. An zweiter Stelle liegend versuchen sie, mit einer Sprengung einen Steinschlag auszulösen, der die Fahrbahn für die Nachfolgenden blockieren soll. Doch das Vorhaben schlägt fehl, das Dynamit zündet nicht, die anderen Fahrer passieren die Stelle. Sie laufen zu ihrem Sprengsatz hin, um ihn zu untersuchen. Da explodiert er in ihren Händen und eine Geröllawine, aus der sie sich später befreien, begräbt sie. Zwischenzeitlich haben die drei Freunde ihre Fahrzeuge wieder in Gang gesetzt und nehmen das Rennen erneut auf. Währenddessen erreichen von Zickig und ihre Tochter den Gipfel des Vulkanberges und nehmen ihren Schlüssel weg. In Anbetracht dessen, daß die Verfolger schon nahe sind, weiß die Gräfin um den Fehlschlag der Brüder Superschlau. Schnell heckt sie einen anderen Plan aus. Alicia soll einen großen Felsblock auf die Straße rollen. Dabei rutscht sie jedoch in den Vulkankrater und hält sich im letzten 97

98 Moment an einem Felsvorsprung fest. In diesem Augenblick rasen einige Rennfahrer zum Bedauern der Mutter vorbei und nehmen sich einen Schlüssel. Die Hilferufe ihrer Tochter reißen sie aus ihrer Enttäuschung heraus und lenken ihre Aufmerksamkeit auf deren Notlage zurück. Sie kann Alicia nicht helfen, da sie selbst nicht schwindelfrei ist. Die herannahende Rosalie überblickt sofort die Situation und eilt Alicia umgehend zu Hilfe. Die will sich aber von ihrer Rivalin zunächst nicht hochziehen lassen. Erst nach einigem Zureden gibt sie nach. Nachdem die beiden wieder in Sicherheit sind, bedankt sich Alicia nicht bei Rosalie, vielmehr wirft sie die verbliebenen Schlüssel in den Krater. Mit einer schadenfrohen Bemerkung fahren Mutter und Tochter weg. Rosalie entdeckt aber einen Schlüssel, der auf einem Stein unterhalb des Vulkanrandes liegengeblieben ist. Malcolm und Percey, endlich auch am Zwischenziel angekommen, helfen Rosalie und Howie den Schlüssel zu bergen. Aber jetzt kann nur noch einer der drei am Rennen teilnehmen, da die übrigen Schlüssel verloren sind. Die Wahl fällt auf Rosalie. Zügig verkürzt sie den Rückstand zur Gräfin von Zickig. Als sie zum Überholmanöver ansetzen will, versperrt ihr die Gräfin, angefeuert von Alicia, den Weg, rammt sie und versucht sie von der Straße zu drücken. Dies gelingt ihr. Rosalie rast durch eine Absperrung in eine stillgelegte Mine. Sie landet direkt auf einer Lore, die sich in Bewegung setzt. Sie glaubt sich gerettet, als sie Licht am Ende des Schachtes wahrnimmt. Die Gleise führen zwar ins Freie, doch sie enden hoch über einer Schlucht. Den Absturz verhindert Rosalie, indem sie die Flügel ihres Gefährtes aktiviert und sanft direkt auf der Rennstrecke landet. Sofort nimmt sie wieder die Verfolgung der Spitzenreiterin von Zickig auf und holt sie ein. Aber auch dieses Mal läßt sie Rosalie nicht vorbei. Im anschließenden Gerangel rammt Rosalie das Fahrzeug der Gräfin jedoch so stark, daß diese die Herrschaft darüber verliert und von der Fahrbahn abkommt. Kurze Zeit später explodiert das Auto. Damit ist der Weg für die Königin frei, sie gewinnt das Rennen. Die Gräfin und ihre Gehilfen sind mittlerweile auch im Stadion. Die Brüder Superschlau betteln um ihr Honorar, gehen jedoch leer aus. Die Gräfin ist zwar noch immer enttäuscht, plant aber schon die nächste Attacke auf Rosalie. Überprüfung der Variablen 98

99 Die filmische Umsetzung des Inhalts der Sendung Der Grand Prix von Erdbeerland wird dem Titel, der Action verspricht, vollauf gerecht. Die sehr hohe Zahl von 358 Einzelschnitten und die die permanente Bewegung im Film aufnehmenden zusätzlichen 15 Schwenks und 11 Zooms greifen das Tempo der Geschichte auf. Schon in der einführenden Sequenz sind bei Rosalies erster Testfahrt, als sie die Handhabung des Fahrzeugs noch nicht beherrscht, Schnitte von weniger als einer Sekunde Länge keine Seltenheit. Dies beschränkt sich nicht nur auf Naheinstellungen oder Detailaufnahmen, sondern auch auf halbnahe und amerikanische Einstellungsgrößen. Gesteigert wird diese rasante Schnittfolge noch bei den Sequenzen während des Rennverlaufs; dort unterstreicht parallel zur Schnittfrequenz auch zusätzlich ständiger Perspektivenwechsel die Dynamik des Geschehens. Rosalie bestimmt in dieser Serienfolge mit ihren Aktivitäten die Handlung der guten Seite fast vollständig allein. Ihre Freunde stehen ihr mehr oder weniger hilfsbereit zur Seite, besitzen aber keine die Handlung unmittelbar forcierende Funktion. Auf der Gegenseite determinieren aber Aktion oder Verhalten von vier Figuren den Handlungsverlauf: Gräfin von Zickig, die Hauptwidersacherin, Alicia, ihre intrigante Tochter sowie die Brüder Superschlau, die kriminelle Handlangerdienste leisten. Diese Figurenkonstellation, Rosalie auf der einen, die Gräfin von Zickig, Alicia und die Brüder Superschlau auf der anderen Seite, bildet im folgenden die Grundlage der Analyse der aufgestellten Variablen. Variable 1 und 2 Rosalie bestimmt als Hauptfigur zentral das Geschehen der Handlung. Da es sich aber um einen sportlichen Wettkampf handelt, sieht sie sich auch großer Konkurrenz im eigenen Lager gegenüber - jeder fährt zunächst für sich. Erst als sich herausstellt, daß nur ein Vertreter des Königshauses die Chance besitzt, das Rennen regelgerecht zu beenden, wird Rosalie ausgewählt. Sie verfügt auf den Handlungsverlauf insgesamt über einen hohen, auf ihre Freunde, zumindest anfangs, lediglich einen mittleren Einflußwert; sie verfolgen ihre eigenen Ziele. Erst durch immer neue Attacken der Gräfin folgen Malcolm und Percey Rosalies Vorschlägen. Im Gegensatz zu dem fairen Wettstreit mit ihren Freunden, der stets von Respekt, aber auch von fairer Regelbeachtung geprägt ist, verläuft der Wettstreit mit ihrer Widersacherin äußerst unfair. 99

100 Die Gräfin von Zickig beeinflußt mit ihren Attacken die Handlung entscheidend und dominiert mit ihren Anweisungen ihre Tochter und die Brüder Superschlau. Sie ist die wesentliche Nebenfigur der Geschichte. Ihre Rivalin dagegen wird durch ihre massiven Störversuche zwar behindert, läßt sich aber bei der Verfolgung ihrer Ziele nicht aufhalten. Gräfin von Zickigs Tochter Alicia, ebenfalls eine Nebenfigur, verfügt über einen mittleren Einflußwert auf ihre Mutter, sie gibt ihr Ratschläge und bestärkt sie in deren aggressiven Taten. In die Handlung selbst greift sie nur zweimal massiv ein. Als sie versucht, den Felsblock auf die Straße zu rollen und nachdem sie, von Rosalie gerettet, ihre Undankbarkeit aktional umsetzt und die Schlüssel in den Krater wirft. Einen niedrigen Einflußwert auf die anderen Figuren üben die als Nebenfiguren eingebauten Brüder Superschlau aus, was sich in deren Verhalten immer wieder äußert. Sich ihrer Auftraggeberin gegenüber sehr devot verhaltend, werden sie ständig links liegen gelassen. Sie beschwören mit ihren kriminellen Aktionen gefährliche Situationen herauf, versagen letztlich jedoch bei ihrer Auftragserfüllung, bringen aber die vorher separierten Teilnehmer des Königshauses im Rennen ungewollt zusammen. Ihre Aktionen haben auf den Verlauf der Geschichte einen mittleren Einflußwert, sie behindern zwar die Fahrt Rosalies, können aber letztlich deren Erfolg nicht verhindern. Variable 3 Durch ihre Doppelfunktion Hauptfigur und Erzählerin der Folge zu sein, verfügt Rosalie auch über die umfangreichste Zahl von Einstellungen, die sich zeitlich auf 6 Minuten 41 Sekunden summieren. Sie faßt 1 Minute 25 Sekunden wichtige Teile der Geschichte zusammen und trägt so zum inhaltlichen Verständnis beim Rezipienten bei. Die Dauer der Auftritte der Gräfin von Zickig und ihrer Tochter Alicia ist nahezu gleich, nämlich 3 Minuten 42 Sekunden bzw. 3 Minuten 32 Sekunden. Das liegt darin begründet, daß beide ständig zusammen auftreten, Alicia weicht nicht von der Seite ihrer Mutter. Den wohl geplanten, im Endeffekt aber glück- und erfolglosen Intrigen der Brüder Superschlau sowie ihrer unterwürfigen Entschuldigung und dem Betteln um Honorar wird 2 Minuten und 11 Sekunden in dieser Folge Platz eingeräumt. 100

101 Einstellungslänge der Figuren Trotz der zahlreichen Einzelschnitte der Sendung wird Rosalie lediglich in 112 verschiedenen Einstellungen bzw. Perspektiven präsentiert. Das liegt nicht zuletzt darin begründet, daß in der Folge viele Akteure am Handlungsverlauf beteiligt sind und zahlreiche Neben- bzw. Folgenfiguren das Geschehen mitgestalten. Der überwiegende Teil der Einstellungsgrößen von Rosalie sind nahe Einstellungen, also solche, bei denen sie ganz (halbnah) oder Teile von ihr den Bildschirm beherrschen. Die große Zahl der Halbtotalen (44) resultiert aus der Vielzahl der Aufnahmen aus dem Renngeschehen bzw. aus der Funktion dieser Bilder als Träger für Off-Erzählungen Rosalies. Auffallend ist weiterhin die sehr gleichmäßige Verteilung der Perspektiven Unter- (34), Augen- (34) und Aufsicht (31) sowie der Frosch- (6) und der Vogelperspektive (7) bei der Hauptdarstellerin. Die geringere Zahl von Einstellungen bei längerer Präsentationszeit der Gräfin von Zickig (62) gegenüber Alicia (67) erklärt sich daraus, daß sie längere Statements abgibt und ihre Tochter in eine gefährliche Situation auf dem Gipfel des Vulkans verstrickt ist, die mit 101

102 einer schnellen, die Dramatik hervorhebenden Schnittfolge versehen ist. Bei beiden variieren die Einstellungsgrößen im direkten Vergleich nicht erheblich. Die relativ häufige Verwendung der Vogelperspektive bei Rosalie, der Gräfin und ihrer Tochter erfolgt meist als Mittel zur Spannungssteigerung bei den Überholmanövern während des Rennens, um die heftigen Gefechte aus möglichst vielen Blickwinkeln zu skizzieren. Ihrer zwielichtigen, intriganten Rolle Rechnung tragend, werden die Brüder Superschlau in der Hauptsache in nahen Einstellungsgrößen bzw. in Untersicht in Szene gesetzt. Ihre unterwürfige Haltung gegenüber ihrer Auftraggeberin verdeutlicht die Schlußsequenz - auf den Knien liegend in Aufsicht und Vogelperspektive gefilmt, betteln sie um die Bezahlung ihrer Arbeit. Einstellungsgröße der Figuren 102

103 Einstellungsperspektive der Figuren Variable 4 In ihrem Problemlösungsverhalten verhält sich Rosalie von Beginn der Geschichte an ambivalent. Rational abwägend, sich oberflächlich verhaltend, aber auch kämpferisch agierend, paßt sie sich den jeweiligen Situationen an. Akribisch ihr Fahrzeug auf das Rennen vorbereitend, sieht sie sich als Nachfolgerin des Königs an. Der König hat seit 29 Jahren das Rennen gewonnen, und ich möchte unbedingt diese Tradition fortsetzen. Daß sie dazu mit ihrem eingeschränkten Fahrvermögen nur begrenzt in der Lage ist, tut ihrem Vorhaben keinen Abbruch. Im Gegenteil, den Rat Malcolms einige Fahrstunden zu nehmen, entkräftet sie oberflächlich mit dem Hinweis: Dazu habe ich keine Zeit mehr, ich muß die Rallye morgen gewinnen! Der Herausforderung aus dem eigenen Königshaus durch Malcolm und Percey stellt sie sich energisch: Das werden wir ja sehen! Trotz der Rückschläge kämpft sie zunächst mit allen erlaubten Mitteln gegen ihre Hauptgegnerin, die Gräfin von Zickig. 103

104 Nach der ersten Panne setzen Zweifel am Sieg ein, als sie merkt, daß sie nicht unbedingt auf die Hilfe ihrer Freunde zählen kann, die zum einen selbst gewinnen wollen und zum anderen vom Reglement gehindert werden, ihr zu helfen. He, warte doch mal! Na vielen Dank! Das merk ich mir für das nächste Mal, wenn du Hilfe brauchst ruft sie Scooter zu, als er trotz ihrer Panne, ohne ihr Unterstützung zu leisten, weiterfährt. Ob wir es schaffen, im Rennen zu bleiben? Aber je schwieriger die Situation wird, desto mehr kommt Rosalies Kampfgeist zur Geltung. Dies hindert sie jedoch nicht daran, das Rennen zu unterbrechen, um Alicia zu retten. Sachlich argumentierend und klare Anweisungen gebend, nähert sie sich der in den Krater abgerutschten Alicia. Halt dich gut fest! Schnell, greif nach meiner Hand! Als diese ablehnt, ruft sie sie zur Vernunft: Was soll das? Wir können uns später darüber streiten! Mach endlich! Nachdem Rosalie begriffen hat, mit welchen unfairen Mitteln von Zickig das Rennen unbedingt gewinnen will, verstärkt sich ihre kämpferische Grundhaltung. Du hast recht! Und ich verspreche euch, ich hänge mich rein wie noch nie! Sie paßt sich den Methoden und Mitteln der Gräfin an. Ihr könnt was erleben - ihr mit euren gemeinen Tricks! Mit dem Ausruf Ich geb niemals auf! drängt sie das Fahrzeug ihrer Rivalin am Ende von der Piste. Selbstlobend korrigiert sie bei der Siegerehrung Scooter, der sie darauf hinweist, daß ihr tolles Auto maßgeblich für den Erfolg verantwortlich war, mit den Worten: Ich weiß nicht Scooter, aber nur ein bißchen. Die Gräfin von Zickig plant ihre Strategie von Anfang an sehr egoistisch und auch rational. Sie beauftragt die Brüder Superschlau, die Fahrzeuge der Rennteilnehmer des Königshauses, die für sie die gefährlichsten Gegner darstellen, zu manipulieren: Nur keine Angst! Die (Rosalie - P.J.) kommt nicht mehr weit. Ich habe ein paar Fachleute gebeten, einige kleinere Änderungen an ihren Rädern vorzunehmen. Mehrmals versucht sie, im Rennverlauf mit gezielten Aktionen die Fahrt ihrer Gegner empfindlich zu stören. Ja, das könnte ein Ausweg sein! Schieb den Felsbrocken auf die Straße, dann kommen sie nicht mehr durch! (...) Alicia, für Diskussionen haben wir jetzt keine Zeit! Beweg dich! Selbst die Notlage ihrer Tochter bringt sie nicht davon ab, den Rennverlauf zu beobachten. Mein schöner Plan! Alles ist schief gelaufen! Niemand sollte uns überholen und jetzt das! Mit einer oberflächlichen Anpassungsstrategie, ohne eigentliche Hilfeleistung einzuleiten, wendet sie sich dann ihrer Tochter zu. Lieber Himmel, was soll ich nur machen? Ich bin doch nicht schwindelfrei, mein Schätzchen! Nachdem Rosalie 104

105 die Situation gelöst hat und durch das Verhalten der von ihr Geretteten in erheblichen Nachteil geraten ist, handelt die Gräfin wieder egoistisch und ruft ironisch: Alicia, steig schnell wieder ein, mein Goldkind. Wir haben nicht eine Sekunde Zeit zu vergeuden! Unwirsch reagiert sie darauf, daß Rosalie trotz des Handicaps sie wieder einholt. Jetzt reicht es mir! Ich habe die Nase gestrichen voll von dieser Nervensäge. Laß uns endlich Nägel mit Köpfen machen. Ein letztes Mal offenbart die Gräfin ihre zynischen Züge, die sie mit hämischen Äußerungen verschiedentlich dokumentiert: Freust du dich schon, diesen Amateuren in Sachen Autorennen eine Lektion zu verpassen? Rosalie, du könntest ja wenigstens versuchen, auf der Straße zu bleiben, das ist doch keine Fahrt ins Grüne! belehrt sie Rosalie höhnisch, als diese aufgrund der Manipulation an ihren Reifen von der Fahrbahn schleuderte. Verzeihung! Hab ich etwa vergessen zu blinken? fragt sie Rosalie, nachdem sie diese gerammt hat. Kurz vor Ende des Rennens resigniert von Zickig scheinbar: Bei der helfen auch die miesesten Tricks nicht! Enttäuscht über den Ausgang ( Ich hatte das Rennen praktisch in der Tasche, aber ihr zwei (die Brüder Superschlau - P.J.) habt mir alles verdorben! ) kommt jedoch schnell eine weitere Kampfansage an ihre Gegnerin ( Nur, so leicht geb ich mich nicht geschlagen. Mir wird schon was einfallen, um es dieser Rosalie heimzuzahlen. ). Alicias Anpassungsstrategie ist mit einer Ausnahme überwiegend oberflächlich. Sie dient ihrer Mutter häufig nur für die Bestätigung ihrer Handlungen. Das freut mich tierisch. Dann gewinnen wir ja locker und machen sie vor allen Leuten lächerlich. Sehr gut, darauf haben wir lange genug gewartet. Gib Gas, Mama! Achtung macht Platz! Alle aus dem Weg, wir kommen. Lediglich bei der direkten Begegnung mit Rosalie greift sie kämpferisch, aktiv und rational die Situation abwägend, in die Handlung ein. Im Anschluß an ihre Rettung sagt sie zu Rosalie: Ja! Das war nett von dir, dafür werde ich mich revanchieren. Sie läuft zu den verbliebenen Schlüsseln und ruft: Rosalie, da ist ein kleines Geschenk für dich! und wirft die Schlüssel in den Abgrund. Mit der hämischen Bemerkung: Ja, das ist Pech! Sie sind mir einfach aus der Hand gerutscht, steigt sie zu ihrer Mutter ins Fahrzeug und fährt davon. Ihr Ziel, Geld durch die Sabotage zu verdienen, gehen die Brüder Superschlau, unter Verfolgung ihrer materialistischen Züge, egoistisch und rational abwägend an, indem sie zweimal versuchen, das Rennen im Sinne ihrer Auftraggeberin zu beeinflussen. Zunächst 105

106 lösen sie die Radmuttern der Fahrzeuge der Rennteilnehmer des Königshauses: Aber jetzt sei still, es muß ein bißchen manipuliert werden. Später versuchen sie, die Straße zu blockieren: Halt mal da vorne an der Kurve. Höchste Zeit für eine kleine Kurskorrektur. (...) Paß auf! Wenn dieses kleine Schnuckelding (die Dynamitstange - P.J.) explodiert, dann gibt es hier einen hübschen kleinen Erdrutsch! (...) Und keiner kommt mehr durch! Ein genialer Plan! Mit oberflächlichem Einschmeicheln wollen sie am Schluß, am Rande der Siegerehrung, die Situation noch in ihrem materiellen Sinn lösen und betteln unterwürfig um Verzeihung und Bezahlung. Wir sind untröstlich! Was ist mit Kohle, Knete, Pinke? Anpassungsstrategie/Lösungsverhalten der Figuren Variable 5 Die von Rosalie angewandten physischen Mittel zur Zielerreichung haben verschiedene Ausprägungen. Die erste bildet gewissermaßen die Wartung ihres Fahrzeuges zu Beginn und die Reparatur ihres Gefährtes nach dem Unfall. Mit der Aussage: Fertig, die sitzen bombenfest und jetzt nichts wie weiter! beendet sie diese Arbeiten. Die zweite Form ist 106

107 die Rettung von Alicia mit ihrer Kraft und Geschicklichkeit sowie die Bergung des Schlüssels, zu der sie allerdings auf die Mithilfe ihrer Freunde angewiesen ist. Das Erkennen der niederen Beweggründe der Gräfin von Zickig und ihrer Tochter veranlassen Rosalie schließlich, physische Gewalt, als dritte Form, einzusetzen und letztlich den Wagen der Gräfin von der Straße zu drängen. Der Herausforderung ihrer Freunde, in Form der sportlichen Rivalität sowie deren Auftrag, als Besitzerin des letzten Schlüssels die Verfolgung der Spitzenreiterin aufzunehmen, erfolgt in argumentativ geführten Auseinandersetzungen. Ihre Teilnahme am Rennen begründet sie mit einem moralischen Aspekt: Der König hat seit 29 Jahren das Rennen gewonnen, und ich möchte unbedingt diese Tradition fortsetzen. Selbst als ihre Freunde ihr nicht helfen ( Könnte man mir vielleicht ein bißchen Respekt entgegenbringen? ) bleibt sie ihrer Linie treu, anderen, die sich in einer Notlage befinden, Hilfe zu gewähren. Sie rettet ihre Gegnerin: Kann ich euch helfen? (...) Ich rette sie! Völlig enttäuscht ist sie dann über den Undank von Alicia: Nein! Warum tust du sowas? Ebenfalls eine breite Palette von Mitteln zur Zielerreichung setzt die Gräfin von Zickig ein. Zunächst läßt sie sich mit großem finanziellen Aufwand einen Überschallturbolader bauen, um das Rennen zu gewinnen. Ich hab doch nicht umsonst ein kleines Vermögen ausgegeben, um den schnellsten Wagen in der Geschichte von Erdbeerland bauen zu lassen. Weitere materielle Mittel setzt sie für die Unterstützung ihres Planes durch die Verpflichtung der Brüder Superschlau ein. Ihre Vorstellung der Verwirklichung ihrer Ziele treibt sie mehrmals befehlend voran: Schieb den Felsbrocken auf die Straße, dann kommen sie nicht mehr durch! Alicia, für Diskussionen haben wir keine Zeit! Alicia, steig schnell wieder ein, mein Goldkind. Wir haben nicht eine Sekunde Zeit zu vergeuden. In der Mehrzahl gebraucht sie jedoch physische Mittel, so z.b. bei den Karambolagen mit Rosalie, als sie versucht, sie von der Fahrbahn zu drängen. Alicia unterstützt ihre Mutter zweimal tatkräftig und setzt dabei vornehmlich physische Mittel ein, als sie versucht, den Felsblock auf die Straße zu rollen bzw. die Schlüssel in den Krater wirft. Lediglich kurz vor Rennbeginn kommt es zu einer Argumentationsfolge im Gespräch von Alicia und ihrer Mutter über die Ziele des Rennens, die in der hedonistischen Aussage des Mädchens gipfelt: Das freut mich tierisch. Dann gewinnen wir locker und machen sie vor allen Leuten lächerlich. 107

108 Ganz auf die Realisierung ihrer materiellen Ziele mit physischen Mitteln konzentrieren sich die Brüder Superschlau. Sie manipulieren die Fahrzeuge ( Na, wer sagt s denn! Die hat es erwischt, jetzt sind es nur noch zwei! ) und legen Sprengsätze ( (...) dann gibt es einen kleinen Erdrutsch! (...) und keiner kommt mehr durch. ). Lediglich in ihrem Bemühen, doch noch an Geld heranzukommen, versuchen sie gegenüber der Gräfin im Ansatz zu argumentieren. Angewandte Mittel zur Zielerreichung Variable 6 Rosalie wünscht sich, das traditionsreiche Rennen zu gewinnen. Dabei kann sie auf das Fahrzeug des 29mal siegreichen Königs zurückgreifen. Nach Beendigung der Vorbereitungen hat sie sofort den Wunsch, ihre Rennmaschine zu testen, obgleich sie keinerlei Fahrpraxis besitzt. Entsprechend verläuft ihre Probefahrt, bei der sie sich und andere in Gefahr bringt. Sie zeigt, als Malcolm sie zur Rede stellt, keinerlei Reue für ihr egoistisches und lustbetontes Verhalten, im Gegenteil, oberflächlich weist sie seine Bedenken zurück. Dazu habe ich keine Zeit mehr, ich muß die Rallye morgen gewinnen! 108

109 Selbstbewußt und persönlichkeitsstark tritt sie zum Rennen an und startet sehr umsichtig und verantwortungsorientiert. In Unkenntnis des Reglements fordert sie Scooter und Malcolm egoistisch auf, ihr zu helfen und ist betroffen, als diese, eben unter Berufung auf das Regelwerk, ablehnen. Das merk ich mir für das nächste Mal, wenn du Hilfe brauchst! Als Malcolm dann auch von seinem Fahrzeug stürzt, ist ihre einzige Sorge: Ob wir es schaffen, im Rennen zu bleiben? Frustrationstolerant beginnt Rosalie mit den Reparaturarbeiten und nimmt das Rennen wieder auf. Bei ihrer selbstlosen Rettungsaktion von Alicia zeigt sich ihre Persönlichkeitsstärke, aber auch ihr Verantwortungsbewußtsein. Ihr Handeln allerdings ist nicht angemessen, da sie ohne Sicherung in den Krater hinabklettert. Nachdem Alicia sie nach der Rettung enttäuscht, verliert sie nicht die Übersicht, sondern versucht, mit Hilfe ihrer Freunde, die Situation angemessen zu lösen. Von diesem Augenblick an ziehen die Gefährten an einem Strang. Rosalie wird die Verantwortung für den Sieg übertragen. Diese erfüllt sie im weiteren Verlauf persönlichkeitsstark und zielgerichtet, handelt aber sehr oberflächlich, als sie im Zweikampf mit der Gräfin Gleiches mit Gleichem vergilt, mit allen Mitteln siegen will und dadurch sich und andere in Gefahr bringt. In dieser Folge verkörpert Rosalie meist den Wertetyp des aktiven Realisten. Sie lebt allerdings auch hedonistische Tendenzen aus. Das Wertepotential der Gräfin von Zickig beschränkt sich weitgehend auf den hedonistisch-materialistischen Bereich. Mit großem materiellem Einsatz versucht sie, ihre egoistischen Ziele zu verfolgen und genießt lustbetont Schwierigkeiten ihrer Gegner. Zwei Ziele sind es, die sie zu ihrem Handeln veranlassen. Vordergründig der Wunsch, das Rennen zu gewinnen. Freust du dich schon, diesen Amateuren in Sachen Autorennen eine Lektion zu verpassen? Hintergründig will sie Rosalie lächerlich machen. Daß sie nur ihre Ziele erreichen will, zeigt die Situation, als ihre Tochter in den Abgrund rutscht sehr deutlich. Trotz der Notlage ihres Kindes äußert sie ihr Mißbehagen über den Rennverlauf. Auch ihre brutale Aggression gegenüber Rosalie belegt die Rücksichtslosigkeit bei der Verfolgung ihrer Ziele. Sie trägt zwar viele persönlichkeitsstarke Züge, geht verschiedentlich überlegt vor und läßt sich auch nicht von Rückschlägen von ihrem Weg abbringen ( Mir wird schon was einfallen, um es dieser Rosalie heimzuzahlen! ), handelt aber weder angemessen noch verantwortungsorientiert gegenüber anderen. 109

110 Von Antipathien gegenüber Rosalie ist das ebenfalls deutlich ausgeprägte hedonistischmaterialistische Wertepotential von Alicia gekennzeichnet. Selbst in größter Not will sie sich von ihrer Rivalin nicht helfen lassen. Sofort nach ihrer Rettung spielt sie ihre egoistisch-materialistische Rolle konsequent weiter und wirft lustbetont und schadenfroh die Schlüssel in den Vulkan: Rosalie, da ist ein kleines Geschenk für dich. Als sie Rosalies Entsetzen wahrnimmt, fügt sie heuchelnd hinzu: Ja, das ist Pech! Sie sind mir einfach aus der Hand gerutscht. In den anderen Sequenzen, in denen sie auftritt, ist sie lediglich Komparsin ihrer Mutter, was durch ihre Funktion als Beifahrerin im Rennen noch unterstrichen wird, läßt aber an ihrer hedonistischen Werthaltung in der eben beschriebenen Ausprägung keinen Zweifel. Beim Betreten des Rennplatzes gibt sie ihrer Freude, Rosalie einen Denkzettel zu verpassen, deutlich Ausdruck. Und wenn das Rennen vorbei ist, geht unser Namen in die Geschichte von Erdbeerland ein. Dann gewinnen wir ja locker und machen sie vor allen Leuten lächerlich. Ihre materiellen Ziele verfolgen die Brüder Superschlau rational planend. Egoistisch nehmen sie dabei keinerlei Rücksicht auf die Gesundheit der anderen, im Gegenteil, sie kalkulieren Verletzungen ihrer Gegner ein. Es muß ein bißchen manipuliert werden. (...) Der Kleinen wird eine hübsche Überraschung blühen. Lustbetont registrieren sie das geglückte Attentat auf Rosalie: Na, wer sagt s denn! Spitze! Die hat s erwischt, jetzt sind es nur noch zwei. Auch ihren zweiten Schlag gehen sie zielgerichtet an: Paß auf! Wenn dieses kleine Schnuckelding explodiert, dann gibt es hier einen hübschen kleinen Erdrutsch! (...) und keiner kommt mehr durch. Ein genialer Plan! Nachdem beide Anschläge nicht zum erhofften Ergebnis führen, versuchen sie, mit einer unterwürfigen und oberflächlich flexiblen Strategie doch noch Geld für ihre Aktionen von der Gräfin zu erhalten. Aus dem Gesagten wird deutlich, daß die Brüder Superschlau den hedonistischmaterialistischen Wertetyp repräsentieren. 110

111 Kumulierte Darstellung des Wertetyps der Figuren Bewertung der Befunde Diese Sendung wurde von Anfang an sehr schnell geschnitten. Nicht nur die hohe Zahl der Einzelschnitte (358) sondern auch die Tatsache, daß selbst bei halbtotalen Einstellungen, bei denen der Rezipient ein großes Maß an Informationen verarbeiten muß, nur wenig Zeit für das Lesen der Bilder bleibt, belegen diese Aussage. Aber auch bei den Nah- bzw. Detaileinstellungen wird die Informationsentnahme durch die unverhältnismäßig kurzen Einstellungslängen von zum Teil unter einer Sekunde Länge erheblich erschwert. Die rasante Bildfolge, verbunden mit einem entsprechend gesetzten Ton unterstreichen zwar die Dynamik des Geschehens, überfordern aber die Wahrnehmungs- und damit die Verarbeitungsfähigkeit nicht weniger Zuschauer; eine Einschätzung, die durch die zahlreichen Raum- und Zeitsprünge noch verstärkt wird. Dazu kommt noch der häufige Perspektivenwechsel, der die Wahrnehmungsfähigkeit zusätzlich herausfordert. Die Rezipienten können sich, aufgrund der schnellen, unvorhersehbaren Schnittfolge kaum auf wesentliche Aspekte konzentrieren oder nicht 111

112 aufgeführte Handlungsteile rekonstruieren, ihnen bleibt für die Herstellung einer Sinnkontinuität oft nicht genug Zeit - mit allen emotionalen und kognitiven Folgen, die diese fehlenden Halbsekunden in sich bergen (vgl. Abschnitt A 3.3.1). Entlastend für die kindliche Wahrnehmung wirkt sich die Beschränkung auf die in der Serie immer wiederkehrenden Figuren aus, deren Charakterzüge von den Kindern leicht eingeordnet werden können sowie die eindeutigen exemplarischen Details der Figuren und der Requisiten, z.b. das Stadion oder der Vulkan. Zusätzlich erleichtert die meist verwendete, nur an wenigen Stellen durch die Parallelmontage unterbrochene, erzählend-berichtende Montage das Verständnis. Das Verhältnis Einstellungsgröße und -perspektive entspricht der narrativen Position der Figuren bzw. der dargestellten Situation. So erhöht z.b. die große Zahl der amerikanischen Einstellungen bzw. der Nah- und Detaileinstellungen der Gräfin von Zickig, verbunden mit der dann fast ausschließlich verwendeten Froschperspektive oder Untersicht, die Gefahr verheißen, zumindest aber bedrohlich wirken, die Bedeutung ihrer Aussagen oder die Gefährlichkeit ihrer Taten. Rosalies Rolle im Film wird durch die gleichmäßige Verteilung der Einstellungsperspektiven unterstrichen. Sie ist den Erwachsenen völlig ebenbürtig, pariert die Angriffe und setzt sich am Ende mit denselben Mitteln, die diese einsetzen, zur Wehr. Die im Film enthaltenen Wertevorstellungen Tradition, Gleichberechtigung der Wettkampfteilnehmer, Respekt vor dem anderen, die sich in Fairneß ausdrückt, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt oder Freundschaft, Werte, die auch im alltäglichen Leben der Zielgruppe handlungsleitend sind, werden von Rosalie und ihren Freunden in Taten umgesetzt und tragen so zum Verständnis der abstrakten Werte beim kindlichen Rezipienten bei. Der Hinweis Rosalies auf die Tradition des Rennens wird in der Halbtotalen mit inhaltsreichen Bildern gezeigt und mit einer umfangreichen Off-Erzählung begleitet. Da Rosalie im übrigen diesen Wert nur einmal aufgreift, wird diesem offensichtlich nur eine untergeordnete Bedeutung zugemessen. Der kameradschaftliche Umgang mit ihren Freunden wird durch zahlreiche Nahaufnahmen meist in Augenhöhe oder Untersicht von ihr verstärkt, deren scheinbare Undankbarkeit ihr gegenüber durch die Halbtotale entkräftet. Dann, wenn Rosalies Situation scheinbar aussichtslos ist, verbreitet sie 112

113 Entschlossenheit und Optimismus, was durch nahe Einstellungen aus der Untersicht hervorgehoben wird: Los, laßt uns keine Zeit verschwenden! Schnell, ich brauche Hilfe! Ich muß in den Vulkan runterklettern! Los, versuch es ein letztes Mal! Ihre menschliche Größe bei der Rettung Alicias wird ebenfalls mit nahen Einstellungen aus der Untersicht dargestellt. Ihre Überlegenheit bringen auch ihre klaren Anweisungen zum Ausdruck: Schnell, greif nach meiner Hand! Was soll das? Wir können uns später darüber streiten! Mach endlich! Die Entschlossenheit Rosalies im Kampf mit von Zickig belegen ihre Aussagen. ( Ich geb niemals auf! ) - sie werden mit Nahaufnahmen und Perspektiven aus der Augenhöhe bzw. Untersicht versehen. Rosalie verläßt hier deutlich ihre Werteplattform der Achtung der anderen und setzt ihr Leben und das anderer aufs Spiel. Sie greift zu den gleichen unfairen Mitteln wie die Gegenseite. Die werterelevanten Aussagen ihrer Hauptrivalin werden, da sie von großer Bedeutung für das Handlungsgeschehen sind, in ebensolchen Einstellungsgrößen und -perspektiven betont. Halbnah- bzw. Detaileinstellungen, die Untersicht und in wenigen Fällen auch die Froschperspektive unterstreichen ihre Aussagen und Handlungen bezüglich ihrer Ziele und Widersacher. Ich habe ein paar Fachleute gebeten, einige kleinere Änderungen an ihren Rädern vorzunehmen. Schieb den Felsbrocken auf die Straße, dann kommen sie nicht durch! Alicia, für Diskussionen haben wir jetzt keine Zeit! Sehr eindrucksvoll wird ihre Oberflächlichkeit gegenüber ihrer Tochter dargestellt, als sie trotz deren Notlage das Rennen weiter verfolgt. Auch hier unterstreichen die Bilder aus der Naheinstellung und Untersicht die Verbissenheit, mit der sie ihren egoistischen Zielen nachgeht und die Vernachlässigung der Bedeutung anderer Menschen, die sie an der Erreichung ihrer Vorstellungen hindern. Mein schöner Plan, alles ist schiefgelaufen! Niemand sollte uns überholen und jetzt das! Ihre Hilflosigkeit im menschlichen Bereich wird zudem noch dadurch verdeutlicht, daß sie nicht in der Lage ist, ihre Tochter zu befreien: Lieber Himmel, was soll ich nur machen? Ich bin doch nicht schwindelfrei, mein Schätzchen! Die Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit der Gräfin gegenüber ihren Mitmenschen kommt dann in ihrer rücksichtslosen Fahrweise vollends zum Ausdruck. Auch hierzu werden die eben dargestellten Stilmittel zur Hervorhebung herangezogen. Jetzt reicht es mir! Ich 113

114 habe die Nase gestrichen voll von dieser Nervensäge! Laß uns endlich Nägel mit Köpfen machen! Die Niedertracht und Rücksichtslosigkeit Alicias und damit ihre Wertekonstellation werden durch entsprechende Mittel der Filmsprache präsentiert - nahe Einstellungen und Aufnahmen aus Untersicht bzw. Augenhöhe dominieren immer dann, wenn ihre Werte zum Ausdruck gebracht werden. Putz sie weg, Mama. Auch ihre Handlung nach der Rettung durch Rosalie werden mit diesen Stilelementen inszeniert. Die Brüder Superschlau, die ihre erste Missetat im Dunkel der Nacht begehen, erscheinen bei ihren beiden Eingriffen in den Handlungsablauf, bei denen ihre werterelevante Zielrichtung deutlich wird, meist in nahen Einstellungsgrößen aus der Untersicht, womit die von ihnen ausgehende Gefahr unterstrichen wird. Ihre Niederlage wird am Ende, als sie sich der Gräfin zu Füßen legen und um Abbitte flehen, deutlich durch die dort eingesetzte Vogelperspektive unterstrichen. Zusammenfassend gilt festzuhalten, daß Werte von Antagonisten und Protagonisten aktional inszeniert und durch sie verstärkende medienspezifische Präsentationsmerkmale hervorgehoben wurden. Das in dieser Folge von Rosalie dargelegte Verhalten, das einen hohen Anteil hedonistischer Wertorientierungen als Grundhaltung beinhaltet, führt letztlich zu einem nicht unbedenklichen Fazit: Für die Durchsetzung der Ziele sind alle Mittel, die zum Erfolg führen, gerechtfertigt, auch wenn sie eine Gefahrfür andere darstellen Die Weltraumschule Technische Angaben: Ausstrahlungsdatum: Laufzeit: , 7.38 Uhr , 6.00 Uhr 21 Minuten 04 Sekunden Inhalt: Malcolm, der alte Hausdiener im Königshaus von Erdbeerland, erteilt Rosalie und Percey Privatunterricht im Schloß. Während Percey dem Unterricht aufmerksam folgt, langweilt 114

115 sich Rosalie und schläft schließlich ein. Unsanft wird sie von Malcolm geweckt. In der darauffolgenden Auseinandersetzung gibt sie zu verstehen, daß sie die Schulstunden uninteressant findet und beschließt, auf eine richtige Schule zu gehen. Einen Vorsatz, den sie gegen die Einwände Malcolms durchsetzt. Als Rosalie sich am ersten Schultag auf den Weg macht, wird sie jäh gestoppt. Ein schwarzes Etwas fliegt direkt auf sie zu und landet unmittelbar vor ihr. Eine starke Druckwelle reißt sie zu Boden. Nachdem sie sich erholt hat, erkennt sie neben sich ein fremdes mausähnliches Wesen. Von ihm erfährt Rosalie, daß sein Name Malvin sei, daß es von einem fremden Planeten namens Gummitron stamme, als Transportmittel für den Weg durchs Weltall ein Schwarzes Loch gewählt habe und durch einen Schaden in der Elektronik auf die Zuckerwelt abgedriftet sei. Im Verlauf des Gesprächs entpuppt sich Malvin einerseits als sehr klug, er klärt Rosalie über die Bedeutung des Schwarzen Loches auf, andererseits geht er mit seinem endlosen Selbstlob der Prinzessin zunehmend auf die Nerven. Sie verabschiedet sich zornig von ihm und setzt ihren Schulweg fort. Aber der Weltraumbewohner läßt sich nicht abschütteln und will unbedingt mit ihr in die Schule gehen. Schließlich setzt er sich, alle Drohungen und Beschimpfungen Rosalies verwerfend, durch und begleitet sie in den Unterricht, muß sich aber, so Rosalies Forderung, verstecken. Die Lösung der Mathematikaufgaben ist für Malvin eine völlige Unterforderung. Schnell löst er die Aufgaben und sagt Rosalie leise die Lösungen. Alle sind erstaunt ob der scheinbaren Rechenfähigkeiten Rosalies, da sie mit Hilfe Malvins die Aufgaben immer als erste löst. Die folgende Unterrichtsstunde führt die Klasse in die Bibliothek. Dort macht sich Malvin selbständig. Rosalie begibt sich auf die Suche zwischen den Regalen und entdeckt ihn, als er gerade dabei ist, Bücher aufzuessen. Sofort versucht sie ihn zu fangen, was ihr aber erst nach einigen Fehlschlägen gelingt. Sie findet ihn schlafend in einem Blumenbeet und sperrt ihn in eine Kiste. Die Befreiung aus seinem Gefängnis stellt Malvin vor keine allzugroßen Probleme. Überraschend erklärt er Rosalie, daß er doch lieber wieder auf seinen Planeten zurückkehren wolle. Für seine Reise muß er allerdings ein Schwarzes Loch herstellen, was ihm nach anfänglichen Problemen mit den Utensilien aus dem Chemielabor der Schule gelingt. Das Schwarze Loch zieht aber nicht nur Gegenstände aus dem Klassenzimmer und Malvin an, sondern auch Rosalie; zurück bleibt das verwüstete Labor. 115

116 Die Reise durch das Weltall führt die beiden direkt nach Gummitron, wo Malvin sogleich mit Schlägen bestraft wird, weil er die Schule geschwänzt hat. Rosalie wird von einem Roboter aufgefordert, unverzüglich in die Weltraumschule zu gehen. Den Weg dorthin legt sie auf einem Fließband zurück und kommt an verschiedenen Klassenzimmern vorbei, in denen die Kinder stur auswendig lernen und die Lösungen von Aufgaben ständig im Chor aufsagen. Neben dem Fließband entdeckt sie Malvin, der als weitere Strafe für sein Vergehen auf einem Sockel stehen muß. Als sie ihn anspricht, eilt sofort ein weiterer Roboter - der Schulhofaufseher - hinzu und versucht, mit dem Hinweis, daß Spielen Zeitverschwendung sei, Rosalie mit Gewalt in die Schule zu befördern. Malvin befreit sie aus der Zwangslage und lenkt den Roboter ab. Aber Rosalie wird gestellt. Im letzten Moment gelingt es Malvin, der inzwischen die Schaltzentrale von Gummitron erreicht hat, Rosalie wieder mit Hilfe eines Schwarzen Loches ins Erdbeerland zurückzukatapultieren. Für seine Tat wird er hart bestraft. Rosalie landet genau dort, wo sie gestartet war, nämlich im Chemielabor, das inzwischen von den Lehrkräften aufgeräumt wurde. Doch die Arbeit war umsonst, die Druckwelle des Schwarzen Loches verwüstet das Zimmer erneut. Die Lehrerin stellt Rosalie zur Rede. Doch ihren Erklärungen schenkt sie keinen Glauben und verweist Rosalie von der Schule. Nachdem sie gesehen hat, wie der Unterricht in der Schule und auf Gummitron ablief, ist sie letztlich froh, wieder Malcolm als Lehrer zu haben. Überprüfung der Variablen In dieser Folge, in der der Besuch der Prinzessin von Erdbeerland in drei Schulen, der Privatschule, der öffentlichen Schule und der Weltraumschule, im Mittelpunkt steht, ist eine sehr große visuelle und akustische Dynamik zu konstatieren. Die 19 Minuten und 4 Sekunden (ohne Vor- und Abspann) dauernde Sendung weist 345 zum Teil sehr kurze Schnittfolgen, 20 Schwenks und 16 Zooms auf. Auch ruhigere Bildsequenzen wie halbtotale oder halbnahe Einstellungen erhalten dadurch sehr viel Tempo, weil der Besucher aus dem Weltraum, Malvin, immer wieder durch das Bild flitzt und teilweise weniger als eine Sekunde zu sehen ist. Zudem verleihen die entsprechend häufigen Perspektivenwechsel dem Handlungsablauf viel Bewegung. 116

117 Dieser wird vor allem durch Rosalie und Malvin geprägt. Die Auseinandersetzung der sich auf die richtige Schule freuenden Rosalie, die dort eine Menge lernen will und dem naturwissenschaftlich gebildeten, fast altklugen Malvin - er erklärt Rosalie problemlos den Begriff Schwarzes Loch - der mit seinen fremden Sitten, z.b. Bücher aufzuessen, für ständig neue Verwirrung sorgt, tragen das Geschehen. Dabei gilt festzuhalten, daß es sich bei den beiden, im Gegensatz zu den anderen analysierten Folgen der Serie, nicht um den polaren Gegensatz von Gut und Böse handelt, sondern daß die Kinder auf der Suche nach neuen Erfahrungen sind und Malvin, da er von einem fremden Planet kommt, für die Bewohner von Erdbeerland mit seinem ungewöhnlichen Verhalten immer wieder für Aufregung sorgt. Seine Aktionen sind aber keinesfalls böswillig. Malcolm löst mit seinem für die Prinzessin langweiligen Unterricht deren Wunsch aus, die öffentliche Schule zu besuchen. Diese drei bilden, den analyserelevanten Kriterien folgend, die Figurenkonstellation dieser Sendung, die näher untersucht wird. Variable 1 und 2 Rosalie spielt in dieser Folge als Hauptfigur durchgängig die kindliche Rolle der Lernenden, d.h. sie muß kein Land regieren oder sich um gefährliche Feinde sorgen, also Erwachsenenrollen übernehmen. Ihr Wunsch, mit anderen Kindern die Schule zu besuchen, setzt die Geschichte in Gang, und bei ihrem Aufeinandertreffen mit Malvin prallen buchstäblich zwei Welten zusammen. Ihr Besuch in der Weltraumschule ist nicht geplant, sie wird unfreiwillig in das Schwarze Loch gezogen. Sie begegnet Malvin auf sehr unterschiedliche Art und versucht ihn zu beeinflussen, indem sie ihre kulturellen Voraussetzungen zur Grundlage macht, beispielsweise beim Besuch des Unterrichts. Sie besitzt auf die anderen Figuren, meist handelt es sich um Malvin, einen mittleren Einflußwert, da er sich teilweise erfolgreich gegen Rosalie durchsetzt. Malvin, eine Folgenfigur, von seinem Wissen her Rosalie weit überlegen, wird von ihr zwar ständig gemaßregelt, vor allem wegen seiner selbstgefälligen Art, setzt aber seine Wünsche vehement durch. Seinen Überredungskünsten verdankt er den Besuch der Schule, seiner Tatkraft die Rückkehr nach Gummitron. Letztlich ist er es auch, der Rosalie 117

118 vor der Strafe rettet und sie nach Erdbeerland zurückbringt. Somit besitzt er auf Rosalie und ihre Handlungen einen hohen Einflußwert. In seiner Rolle als Nebenfigur verfügt Malcolm über einen mittleren Einflußwert auf die anderen Figuren, in dieser Sendung auf Rosalie. Einerseits tritt er sehr autoritär auf, öffnet sich aber Rosalies Wunsch, einmal eine andere Schule auszuprobieren und wird andererseits von ihr ob seiner Klugheit und Weisheit geschätzt. Variable 3 Rosalie ist auch wegen ihrer zeitlichen Bildschirmpräsenz die dominierende Figur dieser Sendung. Mit insgesamt 10 Minuten 28 Sekunden nimmt sie mehr als die Hälfte der Dauer der Sendung in Anspruch. Je nach dramaturgischer Notwendigkeit wird sie nur kurz eingeblendet, zum Teil weniger als eine Sekunde oder trägt die Handlung in längeren Sequenzen. Die Notwendigkeit, sie als Erzählerin zur Einführung, zur Zusammenfassung oder zur Überleitung einzusetzen, ergibt sich nur an wenigen, kurzen Passagen. Ihre Aussagen aus dem Off umfassen insgesamt 36 Sekunden. Während Rosalie als Hauptfigur der Serie auch gleichzeitig den Rahmen des Geschehens bildet und Malvin als Folgenfigur in diesen erst später eingefügt bzw. früher herausgelöst wird, ist sein Auftreten zeitlich zwar kürzer als derjenige der Hauptdarstellerin, beträgt aber doch 6 Minuten 03 Sekunden. Lediglich 1 Minute 18 Sekunden währt der Auftritt Malcolms, der sich zudem auf Einleitungs- und Schlußsequenz beschränkt. 118

119 Einstellungslänge der Figuren Dem zeitlichen Umfang, der den einzelnen eingeräumt wird, entspricht auch die Verteilung der Anzahl der Einstellungsgrößen und -perspektiven: 167 bei Rosalie, 107 bei Malvin und 21 bei Malcolm. Die sehr dynamische Schnittfolge erfordert, will man die Wahrnehmungsfähigkeit der Adressatengruppe nicht gänzlich überstrapazieren, eine angemessene Auswahl von Einstellungsgrößen und -perspektiven. Dies erfolgt in der Sendung mittels des recht sparsamen Einsatzes von inhaltsreichen Einstellungsgrößen wie Totale oder Halbtotale, in denen die Akteure agieren. Gefordert ist die schnelle Orientierung des Zuschauers auf die wesentlichen Bildinhalte; nähere Einstellungsgrößen, die das ermöglichen, dominieren. Die bei Rosalie verwendeten zahlreichen halbnahen, amerikanischen, nahen und detaillierten Größen transportieren zudem noch visuell deutlich deren emotionale Befindlichkeiten und unterstreichen die verbale Aussage. Zusätzliche intensive akustische Stimmungszusätze durch Geräusche und Musik verstärken zudem das emotionale Engagement der Zuschauer. 119

120 Malvins Äußerungen werden oft von Aktionen begleitet, die er immer sehr schnell ausführt, sei es, sich in der Bibliothek durch die Bücherberge zu essen oder die Apparatur für die Herstellung eines Schwarzen Loches im Chemielabor zusammenzubauen. Um seine flinken Handlungen dem Zuschauer nahezubringen, werden unterstützend visuelle Informationen eingesetzt, die sich zwar auf die Figur konzentrieren, aber dennoch einen überschaubaren Handlungsraum darstellen, also halbnahe Einstellungsgrößen. Diese Einstellungsgrößen sind für die Darstellung Malcolms nicht von großer Bedeutung. Lediglich zu Beginn benötigt der Rezipient eine Orientierungshilfe, wo sich das Geschehen zuträgt - die halbtotale Einstellungsgröße zeigt ihn im Klassenraum. Auch bei ihm kommt durch die überwiegende Verwendung von Nah- bzw. Detaileinstellungen das Bedürfnis des Regisseurs zum Ausdruck, Malcolms Befindlichkeiten unmittelbar ins Bild zu setzen. Sehr eng an den linearen Handlungsstrang, die chronologische narrative Montage wird nur einmal durch eine Rückblende unterbrochen, angepaßt ist die Auswahl der Perspektiven. Meist dann, wenn Rosalie auf Malvin einwirkt, wird sie in der Überlegenheit aussstrahlenden Untersicht gefilmt, bei massiver Einflußnahme aus der Froschperspektive. Malvin wird folgerichtig dann aus der Aufsicht bzw. Vogelperspektive gezeigt, er ist ja der scheinbar Unterlegene. Spricht Rosalie dagegen mit Erwachsenen, hier den Lehrern, ist sie die Kleine auf (Lern-)Hilfe Angewiesene; entsprechend also die Perspektive aus der Aufsicht. Bei ihrem Besuch auf dem Planeten, auf dem sie sich nicht auskennt und hilfsbedürftig agiert, dominieren die Vogelperspektive und die Aufsicht. Da aber Malvin offensichtliche Stärken hat, muß dies auch visuell demonstriert werden. Dem wird mit Aufnahmen aus der Untersicht bzw. Augenhöhe dann Rechnung getragen, wenn er sein Wissen anwendet. Malcolm, der ehrwürdige Hauslehrer im Königsschloß, geachtet und respektiert, wird in Untersicht in Szene gesetzt, wodurch gleichzeitig seine autoritätsbesetzte Rolle filmsprachlich unterstrichen wird. 120

121 Einstellungsgröße der Figuren Einstellungsperspektive der Figuren 121

122 Variable 4 Rosalies Problemlösungsverhalten ist sehr differenziert. Situativ angemessen fügt sie sich in passiver Akzeptanz in die Vorkommnisse, wägt ihre Schritte rational ab, paßt sich oberflächlich an oder greift kämpferisch in das Geschehen ein. Passiv reagiert sie immer dann, wenn Malvin seine überragenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse einbringt, ob das in der Schule beim Lösen schwieriger mathematischer Aufgaben oder beim Aufbauen eines Schwarzen Loches im Chemielabor ist. Ich hatte ja keine Ahnung, was Malvin da zusammenbasteln wollte. Ich stand nur daneben und irgendwie kam mir alles immer verwirrender vor. Aber dann habe ich mir gedacht, daß ich ihn am besten einfach in Ruhe lasse, egal wie konfus es wirkte. Hauptsache, er wurde fertig! Aber ich hatte nach wie vor ziemliche Zweifel, ob das jemals was werden würde! Rational abwägend geht Rosalie die erste Begegnung mit Malvin an. Ebenso versucht sie ihm, die Gepflogenheiten der Schule im Erdbeerland zu erläutern: Davon abgesehen, daß man so nicht liest, zerstörst du wertvolle Bücher! Ohne die Erlaubnis eines Lehrers darf da (ins Chemielabor - P.J.) niemand rein - und die hast du nicht! Nach ihren Erlebnissen in der richtigen Schule und der Weltraumschule zieht sie das nüchterne Fazit: Nachdem ich gesehen hatte, wie der Unterricht auf Gummitron abläuft, wurde mir klar, daß es wahrscheinlich gar nicht so schlecht war, Malcolm als Lehrer zu haben. Schon die Kontaktaufnahme mit Malvin offenbart ein konfliktträchtiges und spannungsgeladenes Verhältnis, dem Rosalie neben rationalem Verhalten sowohl mit einer oberflächlichen Anpassungsstrategie als auch mit einer kämpferischen Haltung begegnet. Du tust mir richtig leid! Da bist du armes Kerlchen durch das Weltall gezappt und landest Millionen Kilometer von zuhause. Nachdem Malvin sie allzu sehr ärgert, erklärt sie ihm: Weißt du, wir Menschen haben manchmal so merkwürdigen Heißhunger, und wenn uns danach ist, sind wir imstande, alles mögliche zu verschlingen. Vielleicht schmeckst du ja? Auf seine Ankündigung hin, wieder nach Hause zu wollen, fragt er sie: Tut s dir nicht leid, daß ich gehe? Darauf antwortet Rosalie mit einer wegschiebenden Geste: Doch, doch, aber ich komm schon darüber hinweg! Ihre kämpferischen Lösungsstrategien setzt sie dann ein, wenn ihr etwas auf die Nerven geht, so der langweilige Unterricht Malcolms oder die ihrer Ansicht nach überhebliche und 122

123 selbstgefällige Art Malvins. Ich geb s auf! Das ist so langweilig! Ich geh ab sofort auf eine richtige Schule mit anderen Kindern. Das haben wir doch schon mal durchgekaut, wenn du noch länger so furchtbar angeben willst, dann such dir jemand anderen zum Quatschen. Als sich Malvin auf dem Weg zur Schule nicht abschütteln läßt, schreit sie ihn an: Lauf mir nicht ständig hinterher! Sie beschützt mit allen Möglichkeiten das Schuleigentum: Abgesehen davon, daß man so nicht liest, zerstörst du wertvolle Bücher! Die sind Schuleigentum! Jetzt reicht s wirklich! Diesmal hab ich die Schnauze voll! Jetzt kannst du was erleben! Malvin tritt äußerst selbstbewußt im Erdbeerland auf. Ich bin nämlich nicht nur spitze, ich bin auch auf zack! Das liegt daran, daß ich ein sehr hoch entwickeltes Lebewesen bin. Er versucht, sich in seinem Lösungsverhalten meist rational anzupassen. Er erklärt Rosalie das Wesen eines Schwarzen Loches und stellt offen fest: Ich habe die ganze Sache ausgeheckt. Und um ehrlich zu sein, hab ich das Schwarze Loch auch selber geschaffen. In der Schule steht er Rosalie im Mathematikunterricht tatkräftig zur Seite: Das ist Teamwork! Na, wie gefällt dir das? Auch seine Reise bereitet er, als er dafür ein Schwarzes Loch erstellt, akribisch vor. Dennoch schlägt sein erster Versuch fehl. Hab ich vielleicht irgendwo was falsch gemacht? (...) Rein statistisch gesehen ist es so gut wie unmöglich. Völlig anders dann sein Verhalten auf seinem Heimatplaneten. Zunächst wehrt er sich gegen seine Strafe: Zwing mich nicht, wieder dahin zurückzugehen. Schließlich fügt er sich doch passiv in sein Schicksal: Heute haben wir wohl beide eine Lektion gelernt. Für die Durchsetzung seines Willens greift er darüber hinaus, wenn rationale Argumente nicht mehr helfen, auch auf eine oberflächliche Anpassungsstrategie zurück. Unter Verweis auf die Schulordnung verwehrt ihm Rosalie zunächst den Zutritt zum Chemielabor. Darauf erwidert Malvin augenzwinkernd: Na, wenn ich nicht nach Hause kann, gibt s nur eines: Ich muß hier bei dir bleiben. Er scheut aber auch nicht davor zurück, sich kämpferisch für seine Ziele zu engagieren, so als Rosalie ihn nicht mit in die Schule nehmen will, ihn durch die Bibliothek jagt oder er seine Freundin vor den Verfolgern auf Gummitron rettet. Malcolm verfolgt sein Bemühen, Percey und Rosalie zu lehren, zu Beginn mit einer oberflächlichen Anpassung an Rosalies Unaufmerksamkeit: Verzeihung, Rosalie. Dann brüllt er sie an: Paß gefälligst auf! Dem Entschluß Rosalies, eine richtige Schule zu 123

124 besuchen, begegnet er rational abwägend mit dem Hinweis: Das ist höchst ungewöhnlich. Du bist Königin, und da hast du eben einen Privatlehrer. Und außerdem sind die anderen Kinder viel älter und im Lernstoff auch wesentlich weiter. Er fügt sich schließlich passiv dem Entschluß Rosalies, die Schule zu besuchen: Vielleicht ist es ja doch keine so schlechte Idee. Variable 5 In der Mehrzahl der Situationen versucht Rosalie, ihre Ziele argumentativ zu erreichen. Diese Vorgehensweise wählt sie z.b. dann, wenn sie Malvin auf die Gepflogenheiten im Erdbeerland hinweist. Davon abgesehen, daß man so nicht liest, zerstörst du wertvolle Bücher! Die sind Schuleigentum! (...) Von mir aus, aber hier läßt du das schön bleiben! Wir brauchen diese Bücher noch! Wenn aber alle Argumente nicht mehr helfen, greift sie zu unterschiedlichen Mitteln. Brüllend versucht sie Malvin davon abzuhalten, in die Schule mitzukommen. Nein, ich schlepp dich nicht überall mit hin. Hast du verstanden? Lauf mir nicht ständig hinterher! Massive körperliche Gewalt wendet sie an, als sie Malvin verfolgt 124

125 und schließlich in eine Kiste sperrt. Du hast mir für heute wirklich genug eingebrockt. Hast du gehört Malvin! Und jetzt ist Schluß damit! Auch Malvin setzt Argumentation als häufigstes Element zur Erlangung seiner Ziele ein: Ich muß mal schnell ins Chemielabor. (...) Ich muß doch ein schwarzes Loch schaffen, um nach Hause zu kommen. Seine von ihm eingesetzten physischen Mittel sind in der ersten Hälfte der Sendung Reaktionen auf Rosalies Handeln. Ihr Brüllen beantwortet er gleichermaßen, seine Gefangennahme damit, daß er die Kiste zur Explosion bringt. Auf seinem Heimatplaneten setzt er sie ein, um Rosalie zu beschützen. Er schüttet dem Schulhofaufseher Wasser auf das Visier, als der Rosalie schlägt, um ihn von Rosalie abzulenken und ihr die Flucht zu ermöglichen. Malcolm geht argumentativ vor. Als er jedoch bemerkt, daß Rosalie während seines Unterrichts fast einschläft, greift er auf physische Mittel zurück und schreit sie mit aller Kraft an: Paß gefälligst auf! Angewandte Mittel zur Zielerreichung 125

126 Variable 6 Das von Rosalie repräsentierte Wertespektrum trägt konventionelle, realistische und hedonistische Ausprägungen, wobei die realistischen dominieren. Bescheiden und sich unterordnend verhält sich Rosalie in der richtigen Schule in Erdbeerland. Den Anweisungen der Lehrerin und Lehrer folgt sie widerspruchslos, fast unterwürfig, deren Autorität wird in keiner Phase angezweifelt. Ohne die Erlaubnis eines Lehrers darf da niemand rein - und die hast du nicht! Nein, nein. Warte mal! Hör zu! Da darf wirklich keiner allein rein! Du mußt dir ganz was anderes überlegen. Während sie sich dort unterordnet, paßt sie sich dem Privatunterricht von Malcolm nur oberflächlich an, bis sie dann in einem Zornesausbruch ihren Entschluß, in die Schule mit anderen Kindern zu gehen, vorbringt. Nachdem sie Malvin auf das Verbot des Betretens des Chemielabors eindringlich hingewiesen hat, setzt sie sich, als Malvin ihr eröffnet, dann bei ihr zu bleiben, über die Regel hinweg. Freudig sieht Rosalie, daß sich niemand im Labor befindet und ruft gespannt und lustbetont aus: Glück gehabt! Und jetzt schnell an die Arbeit. Wir haben nicht viel Zeit. Angemessen handelnd paßt sich Rosalie an die meisten Situationen an, die durch das fremde ungewohnte Verhalten Malvins immer wieder einen ungewöhnlichen, überraschenden Fortgang nehmen, der sie doch das eine oder andere mal auch sehr verwundert und auch frustriert. Glaubt sie sich Malvin freundschaftlich verständnisvoll genähert zu haben, geht er in Selbstlob auf, was Rosalie deutlich erkennbar aufregt: Das haben wir doch schon mal durchgekaut, wenn du noch länger so furchtbar angeben willst, dann such dir jemand anderen zum Quatschen. In der Schule gelingt es ihr nicht, Malvin zum regelkonformen Verhalten zu bewegen. Er ißt die Bücher auf oder zerstört das Chemielabor. Ach du heiliger Strohsack, sieh mal, wie s hier aussieht! Oh nein! Die anderen werden bestimmt gleich da sein! Dennoch erweist sich Rosalie als äußerst frustrationstolerant und setzt sich persönlichkeitsstark mit Malvin und Malcolm auseinander. An Malvin gewandt beendet sie dessen Aktionen in der Bibliothek: Du hast mir für heute wirklich genug eingebrockt! Hast du gehört, Malvin? Und jetzt ist Schluß damit. Malcolms Versuch, ihr den Besuch der öffentlichen Schule auszureden, kontert sie: Also, wo ist das Problem? Ich hab schließlich Köpfchen, das weißt du am besten! 126

127 Seinem rational planenden Verhalten entsprechend, ist das Wertepotential von Malvin angelegt. Persönlichkeitsstark in den überwiegenden Situationen angemessen handelnd und Verantwortung für sich und Rosalie übernehmend, läßt er sich auch von Rückschlägen nicht von seinen Aktionen abhalten. Seine Persönlichkeitsstärke bringt er in einer fast schon übertrieben selbstgefälligen Weise vor: Ich bin nämlich nicht nur spitze, ich bin auch auf zack! Das liegt daran, daß ich ein sehr hochentwickeltes Lebewesen bin. Die Art und Weise seines umsichtigen und zielstrebigen Handelns beim Aufbau eines Schwarzen Loches ringt sogar Rosalie, die vorher noch mit ihm gestritten hatte, Respekt ab. Er gibt in keiner Situation auf, weder als ihn Rosalie nicht in die Schule mitnehmen will, noch als sein erster Versuch fehlschlägt, ein Schwarzes Loch aufzubauen. In hohem Maße verantwortungsvoll verhält er sich gegenüber Rosalie in der Weltraumschule. Obwohl er schon bestraft wurde, ergreift er für sie Partei und befreit sie aus ihrer mißlichen Lage in der Gewißheit, eine noch höhere Strafe zu erhalten. Seine hedonistischen Wertestrukturen werden in seinen lustbetonten und egoistischen Auseinandersetzungen mit Rosalie deutlich. Er reizt sie ständig, setzt alle Mittel ein, um seine Wünsche zu befriedigen, selbst auf die Gefahr hin, ihr Schwierigkeiten zu bereiten. Zwar kommt er von einem Planeten, auf dem andere Sitten herrschen, aber er setzt sich in keiner Phase mit den für ihn anderen Gegebenheiten auseinander, obwohl Rosalie sie ihm nahebringen will. Malvins hedonistischer Werteanteil, dem seine Phantasie, Geschicklichkeit und sein Wissen scheinbar keine Grenzen setzen, wird am Ende eingeschränkt, da er sich in seiner Welt an Pflichten zu orientieren hat. Malcolm vertritt zum einen unflexibel, traditionsgebundene und konventionalistische Werte. Rosalies Versuch, die öffentliche Schule zu besuchen, begegnet er mit dem Hinweis: Das ist höchst ungewöhnlich. Du bist Königin, und da hast du eben einen Privatlehrer. Zum anderen versucht er persönlichkeitsstark und verantwortungsorientiert mit mehr oder weniger angemessenem Vorgehen, Rosalie und Percey zu unterrichten. 127

128 Kumulierte Darstellung des Wertetyps der Figuren Bewertung der Befunde Der sehr komplexe Inhalt der Geschichte, der actionreich umgesetzt wird, erfährt eine adäquate gestalterische Umsetzung. Hohe Schnittfrequenz und ständig wechselnde Einstellungsgrößen und -perspektiven geben dem Zuschauer kaum Möglichkeit, sich zu entspannen. Durch häufige Zwischenschnitte, bei denen beispielsweise ein verblüffter oder überraschter Gesichtsausdruck als kurze Einblendung die Bedeutung des Geschehens unterstreicht, aber auch durch sehr schnelle Bewegung in einer Bildsequenz, z.b. einer halbtotalen Einstellung, vor allem bei zahlreichen Aktionen Malvins, wird die Aufmerksamkeit der Rezipienten permanent gefordert. Darüber hinaus erfolgt über die teilweise sehr dichten akustischen Informationen eine intensive Aufmerksamkeitslenkung des Zuschauers. Inwieweit er dieser Reizfülle folgen kann, wenn auch noch umfangreiche Phänomene wie das Schwarze Loch so nebenbei erläutert werden, bleibt zu hinterfragen. Es ist eher zu vermuten, daß es wegen der schnellen, oft unvorhersehbaren Raum- und Zeitsprünge nicht zu bedeutsamen und entlastenden personalen inneren 128

129 Verarbeitungsaktivitäten bei der Zielgruppe kommt, denn der auditive und visuelle Sinneskanal wird häufig überstimuliert. Die auftretenden Konflikte, die sich dann zeigen, wenn die Wertevorstellungen Rosalies und die Malvins aufeinanderprallen, werden meist mit physischen Mitteln gelöst, seltener argumentativ, was einem angemessenen Problemlösungsverhalten, das auf verbale Interaktion setzt, nicht entspricht. Wenn Rosalie sich für ihre Werte tatkräftig einsetzt, wird häufig die halbtotale oder die halbnahe Einstellungsgröße meist aus Untersicht gewählt, dies aber bei sehr hoher Schnittfrequenz. Verbalisiert sie ihre Werte, so wird dies mit zahlreichen Naheinstellungen aus Untersicht umgesetzt. So, als sie Malvin über ihre Schulpflichten informiert: Ich muß mich jetzt auf den Weg machen, sonst komme ich zu spät zur Schule! Hör gefälligst auf, die Bücher zu fressen! Abgesehen, daß man so nicht liest, zerstörst du wertvolle Bücher! Die sind Schuleigentum! Ohne die Erlaubnis eines Lehrers darf da niemand rein! Und die hast du nicht! Mit anderen Worten, das pflichtbewußte (sach-) wertbezogene Verhalten Rosalies wird durch die Darstellungsform zentral ins Bild gerückt und durch die Perspektive eindringlich betont. Malvins für Rosalie zunächst fremde und andersartige Wertvorstellungen werden in vielen halbnahen Einstellungen in der Aufsicht inszeniert. Er gewinnt für Rosalie an Größe durch seine Hilfsbereitschaft, z.b. während der Mathematikstunde, in der Weltraumschule oder bei seinen umsichtigen Vorbereitungen für seine Rückreise - die vorherrschenden Einstellungsgrößen sind amerikanische, nahe oder detaillierte Aufnahmen aus der Augenhöhe oder Untersicht. Sie unterstreichen die Bedeutung dieser werterelevanten Aussagen und Aktionen. Die Adressatengruppe dieser Sendung kann sich sehr wohl mit den Wertepotentialen und mit den Handlungen der beiden Hauptfiguren identifizieren, da die Szenerie Schule ihren Erfahrungen entspricht. Einerseits die täglichen (Schul-)Pflichten, aber auch die Freude an der Schule, andererseits der Wunsch, aus diesem Rahmen auszubrechen, Neues zu erleben und dabei dennoch auf die Hilfe von Freunden zu setzen - beide Pole repräsentieren Rosalie und Malvin. Die Gleichwertigkeit des Akzeptierens von Pflichten und der Suche nach Selbständigkeit und der Durchsetzung des freien Willens, kommen in 129

130 den letzten Worten Malvins zum Ausdruck: Wiedersehen Puddingbacke! Heute haben wir wohl beide eine Lektion gelernt. Was? Noch unter einem anderen Aspekt ist den Rezipienten der Sendung der Inhalt aufgrund eigener alltäglicher Erfahrungen vertraut. Auch sie, ähnlich wie die beiden Hauptfiguren, setzen sich immer wieder aufs neue mit Gepflogenheiten und Werten fremder Kulturen, die ihre Klassenkameraden aus anderen Ländern repräsentieren, auseinander und müssen ihre eigenen so auch hinterfragen. Die Schlußaussage Rosalies klingt beinahe wie eine Moral, sich mit bestehenden Gegebenheiten, auch wenn sie nicht immer die Erfüllung eigener Wünsche darstellen, abzufinden. Nachdem ich gesehen hatte, wie der Unterricht auf Gummitron abläuft wurde mir klar, daß es wahrscheinlich gar nicht so schlecht war, Malcolm als Lehrer zu haben. Damit werden Malcolms tradierte Wertvorstellungen, die zu Anfang von ihr beiseite geschoben wurden, am Ende doch aufgewertet Das Ei der Riesenschmuseschwalbe Technische Angaben: Ausstrahlungsdatum: Laufzeit: , 7.39 Uhr , 6.00 Uhr 21 Minuten 04 Sekunden Inhalt: Rosalie liest einen Brief ihrer Eltern, als Percey aufgeregt in ihr Zimmer kommt. Er will ihr und Malcolm das Nest eines riesigen Vogels auf einem der Türme des Schlosses zeigen. Malcolm erklärt den Kindern, daß es sich um eine vom Aussterben bedrohte Vogelart handelt, die vor vielen Jahren noch sehr zahlreich im Gruselsumpf den Sommer verbracht hatte. Er erklärt weiter, daß das gelbe Ei des Vogels ständig warm gehalten werden muß, sonst verfärbt es sich weiß, ein Zeichen dafür, daß das Junge tot ist. Die Neuigkeit vom Brüten einer Riesenschmuseschwalbe verbreitet sich schnell im Erdbeerland. Viele Menschen bestaunen am nächsten Tag dieses Ereignis - auch die Brüder Superschlau. Sie unterhalten sich sofort über Möglichkeiten, wie sie mit der Riesenschmuseschwalbe am besten Geld verdienen könnten. Eine mysteriöse Frau 130

131 belauscht das Gespräch der beiden und lädt sie zu einem opulenten Essen ein. Sie schlägt ihnen im Anschluß daran ein Geschäft vor, nämlich das Ei der Riesenschmuseschwalbe für sie zu stehlen. In der folgenden Nacht steigen die beiden über die Schloßmauer und klettern auf den Turm. Einer der beiden lenkt die Schwalbenmutter ab, der andere nimmt das Ei aus dem Nest. Von den Schreien der Schwalbe aufgeweckt, rennen Rosalie und Percey zum Nest und entdecken die Missetat. Sie haben keinen Hinweis darauf, wer die Täter waren und beratschlagen am nächsten Morgen mit Scooter in der Stadt das weitere Vorgehen. Da kommen die Brüder Superschlau des Weges. Scooter verwickelt sie in ein Gespräch, in dessen Verlauf einer von ihnen, Benny, fast den Diebstahl gesteht, im letzten Augenblick jedoch von seinem Bruder zurückgehalten wird. Dennoch werden die drei hellhörig und glauben, einen Anhaltspunkt für ihre Nachforschungen zu haben. Ihr Verdacht erhärtet sich noch, als plötzlich die Riesenschmuseschwalbe vom Himmel herabstößt und die Brüder Superschlau attackiert. Die beiden flüchten in ihr Haus, bemerken aber nicht, daß die drei Kinder ihnen folgen. Drinnen beratschlagen Bernie und Benny, wie sie das Ei möglichst umgehend bei ihrer Auftraggeberin, Madame Grusel, abliefern können, ohne nochmals vom Vogel angegriffen zu werden. Sie verkleiden sich, verlassen mit dem Ei das Haus und fahren mit ihrem Motorrad los. Sofort nehmen Rosalie, Percey und Scooter mit dessen Motorrad die Verfolgung auf. Kurze Zeit später werden die Brüder Superschlau auf ihre Verfolger aufmerksam und versuchen, sie abzuschütteln. Dabei verliert Bernie die Gewalt über das Gefährt und rast in einen Abgrund. Es gelingt ihnen, das Ei vor dem Zerbrechen zu schützen. Von diesem Vorfall bemerken die drei nichts, fahren an der Unfallstelle vorbei und dringen immer tiefer in den Gruselsumpf ein. Rosalie hat die Idee, Nessie, das Seeungeheuer, um Hilfe bei der Suche zu bitten. Sie läuft zum Ufer, aber Nessie hört ihr Rufen nicht. Vielmehr sieht Rosalie auf der anderen Seite des Sees Rauch aufsteigen. Schnell fahren die drei Freunde dorthin. Sie entdecken im Wald eine geheimnisvolle Hütte und schleichen sich vorsichtig an. In diesem Augenblick fahren die Brüder Superschlau, die zwischenzeitlich ihr Motorrad repariert hatten, vor, gehen hinein und wollen Madame Grusel, die dort wohnt, das Ei übergeben. Im Gespräch mit ihr erfahren sie, daß die Frau 150 Jahre alt ist. Um ihre alterslose Schönheit zu bewahren, muß sie Eier der Riesenschmuseschwalben 131

132 trinken. Deshalb hat sie die Brüder mit dem Diebstahl beauftragt. Scooter, der mit Rosalie und Percey die Unterhaltung belauscht hat, weiß nun, daß Madame Grusel Schuld am fast völligen Aussterben der Riesenschmuseschwalbe ist. In der Hütte entspinnt sich mittlerweile ein heftiger Streit zwischen Madame Grusel und den Brüdern Superschlau, die erst das Geld wollen, bevor sie das Ei herausgeben. Bei der Auseinandersetzung verlieren sie das Ei, das auf die Tür zurollt. Scooter erfaßt die Situation am schnellsten, öffnet die Tür und nimmt das Ei auf. Die anschließende Verfolgungsjagd endet kurze Zeit später am Seeufer. Dort werden die Freunde von Madame Grusel und den Brüdern Superschlau gestellt und zur Herausgabe des Eies aufgefordert. In diesem Moment verfärbt sich das Ei, das Zeichen, daß die Brut stirbt. Da fliegt die Riesenschmuseschwalbe heran und greift die Diebe an. Madame Grusel wehrt sich. Sie wirft einen Stock nach ihr und verletzt sie am Flügel. Nun scheint es für die drei Freunde kein Entrinnen mehr zu geben. Plötzlich taucht aus einem Wasserstrudel Nessie auf, erkennt Rosalie und hilft ihr. Sie nimmt sie, ihre Gefährten und die Vogelmutter in ihr Maul und schwimmt zu ihrer Höhle. Inzwischen setzt der Alterungsprozeß bei Madame Grusel ein - in wenigen Sekunden wird sie zur Greisin. In der Höhle bangen alle um das Ei, das von Nessie gewärmt wird. Es ist inzwischen fast weiß. Doch schließlich verfärbt es sich wieder goldgelb. Zurück im Schloß schreibt Rosalie ihren Eltern in einem Brief von ihrem Abenteuer und legt eine Reihe Fotos bei. Da stürzt Percey ins Zimmer und berichtet ihr, daß das Junge geschlüpft sei. Überprüfung der Variablen Bedingt durch den dramaturgischen Aufbau, der durch die diversen Verfolgungsjagden ständig neue Spannungshöhepunkte bietet, verfügt der Film über eine hohe Schnittfrequenz. 336 Einzelschnitte, 15 Zooms und 35 Schwenks greifen die Dynamik der Handlung ebenso auf, wie die schnellen Perspektivenwechsel. Durch die zum Teil sehr dichte audiovisuelle Informationsfülle bei den zahlreichen totalen Einstellungsgrößen mit den Erzählungen Rosalies bzw. den Erläuterungen Malcolms aus dem Off, wird die 132

133 Aufmerksamkeit des Zuschauers zusätzlich gefordert und damit eine notwendige innere Verbalisierung erheblich erschwert. Handlungsauslöser sind einerseits Rosalie, die sofort den Wunsch äußert, den seltenen Vogel und sein Ei zu beschützen, andererseits Madame Grusel, die das Ei will, um ihre Schönheit zu bewahren. Beide Antagonisten verfügen über Gehilfen. Rosalie kann auf die Unterstützung von Scooter, Percey und Malcolm zählen, Madame Grusel auf die der Brüder Superschlau. Da Scooter maßgeblich handlungsauflösend agiert, wurde er für die Analyse, neben Rosalie, als Vertreter des Guten herangezogen. Auf der Gegenseite spielen die Brüder Superschlau eine wichtige Rolle, ihre Aktivitäten bestimmen weite Teile der Handlung. Sie und Madame Grusel repräsentieren in der Auswertung die Gegenpole. Variable 1 und 2 Rosalie ist auch in dieser Sendung die tragende Figur. Neben ihren Aktionen, die in weiten Teilen die Handlung entscheidend bestimmen bzw. auslösen, verdeutlicht diese Funktion auch ihre Rolle als Erzählerin, die in die Geschichte einführt und abrundet sowie Handlungsstränge verbindet. Zwar geht sie sehr entschlossen vor, hört aber, wenn die Situation verfahren ist, auf den Ratschlag anderer, z.b. auf den ihres älteren Freundes Scooter, oder sie bittet sie um Hilfe. Als Handlungsträgerin besitzt sie auf die anderen Figuren einen hohen Einflußwert, da sie die durchgängig treibende Kraft darstellt. Der sie tatkräftig unterstützende Scooter besitzt die Funktion einer Rahmenfigur. In dieser Folge greift er sehr aktiv in das Geschehen ein, sei es als entscheidender Hinweisgeber oder entschlossen Handelnder, der sofort die Verfolgung aufnimmt und reaktionsschnell die Situation in der Hütte von Madame Grusel erkennt. Scooter übt auf die Handlung einen hohen Einflußwert aus, auf die Figuren eher einen mittleren, weil er nur an einzelnen Stellen deren Handeln leitet. Die geheimnisvolle Madame Grusel, eine Folgenfigur, beherrscht bis zu einem gewissen Grad das Handeln der Brüder Superschlau mit ihrer materiellen Macht. Als die Auftraggeberin des Diebstahls beeinflußt sie die Handlung zwar indirekt, die Tat wird von den Brüder Superschlau ausgeführt, aber doch entscheidend mit. 133

134 Die Wünsche ihrer Auftraggeberin setzen die Brüder Superschlau, Rahmenfiguren der Serie, um. Damit verfügen sie von Anfang an über einen hohen Einflußwert auf die Handlung. Ihr zunächst niedriger Einfluß auf andere Figuren, steigert sich jedoch mit fortlaufender Handlung. Nachdem Madame Grusel den Hintergrund ihres Wunsches, das Ei zu besitzen, erläutert hat, sehen sie sich plötzlich in einer stärkeren Position und stellen klare Bedingungen. Variable 3 Die dominierende Rolle Rosalies drückt sich sowohl in ihrer visuellen (5 Minuten 50 Sekunden) wie akustischen Bildschirmpräsenz in den Off-Erzählungen aus. Scooter, erst spät, nachdem der Diebstahl vollzogen war, in die Geschichte eingeführt, weist eine Bildschirmpräsenz von insgesamt 3 Minuten 35 Sekunden auf. Die Brüder Superschlau bestimmen von Anfang an im wesentlichen das Geschehen. Ihrer Bedeutung entsprechend, treten sie mit 5 Minuten 29 Sekunden nicht viel kürzer auf als Rosalie. Drahtzieherin im Hintergrund ist Madame Grusel. Sie gibt den Auftrag, empfängt die Erfolgsmeldung und kämpft vehement um das Ei. Ihre Präsentation beschränkt sich auf zwei Auftritte und umfaßt 1 Minute 59 Sekunden. 134

135 Einstellungslänge der Figuren Die in diesem Film relativ oft verwendeten totalen Einstellungsgrößen dienen meist als Träger der Off-Erzählungen Rosalies. Da diese Sequenzen reich an visueller und akustischer Information sind, sind sie langsam geschnitten. Alle anderen mit den zugehörigen Einstellungsgrößen und mit den entsprechenden -perspektiven weisen eine relativ kurze Schnittfrequenz auf, die sehr hohe Anforderungen an eine aufmerksame Rezeption stellt. Die Hauptdarstellerin wird häufig in nahen Einstellungsgrößen gezeigt, d.h. sie erscheint allein auf dem Bildschirm, was ihre Bedeutung zusätzlich hervorhebt. Die Perspektiven variieren je nach der entsprechenden Rolle, die Rosalie einnimmt. Wendet sie sich hilfesuchend an ihre Freunde, so dominiert ebenso die Aufsicht wie bei den Sequenzen, in denen ihre Gegenspieler ihr bedrohlich nahekommen. Ergreift sie dagegen die Initiative, so herrschen Aufnahmen aus der Untersicht oder aus der, der Erwachsenensicht entsprechenden, Augenhöhe vor. Der dynamische und entschlossene Einsatz Rosalies und Scooters bei der Verfolgungsjagd auf dem Motorrad unterstreicht die dort verwendete Froschperspektive. 135

136 Scooter agiert umsichtig, die Situation überblickend. Der häufige Gebrauch der halbtotalen, der halbnahen, der amerikanischen und der nahen Einstellungsgrößen verstärken diesen Eindruck in Verbindung mit den in der Mehrzahl vorherrschenden Perspektiven, die ihn von unten oder in der Augenhöhe zeigen. Die zwielichtige und gefahrverheißende Erscheinung der Brüder Superschlau verdeutlichen die zahlreichen nahen Einstellungsgrößen aus der Froschperspektive oder Untersicht, die mehr als 50 % der gesamten für sie benutzten Einstellungsperspektiven umfassen. Madame Grusels mysteriöse Erscheinung wird von ihrem ersten Auftreten an durch die Bildsprache unterstrichen. Meist aus Untersicht und in Nahaufnahmen oder Detaileinstellungen ins Bild gerückt, mit einer tiefen Stimme versehen, tritt sie sehr gepflegt auf. Erst in ihrer Niederlage wechselt die Perspektive in die Aufsicht. Im Zeitraffer wird der Zuschauer, geführt durch eine Reihe von Detailaufnahmen, unmittelbarer Augenzeuge ihres schnell voranschreitenden Alterungsprozesses. 136

137 Einstellungsgröße der Figuren Einstellungsperspektive der Figuren Variable 4 Rosalies situative Anpassungsstrategie und ihr Problemlösungsverhalten ist in der überwiegenden Zahl der Fälle rational abwägend, sie sucht selbst nach Auswegen oder baut auf die Hilfe ihrer Freunde. Als sich das Ei weiß verfärbt, ruft sie ihnen zu: Oh nein! Was machen wir denn nur! Es wird schon weiß. Wir müssen es unbedingt zurück ins Nest schaffen. Hilfreich steht ihr hierbei Nessie zur Seite: Hallo Nessie! Du mußt uns unbedingt helfen! Damit das Junge ausschlüpfen kann, muß das Ei immer warm gehalten werden. Aber wie du siehst, ist die Riesenschmuseschwalbenmama zu schwach dazu. Kannst du es warm halten? Dieses umsichtige Verhalten wird durch ihre OffErgänzungen zusätzlich unterstrichen. Die Tatsache, daß die Riesenschmuseschwalbe beim Anblick der Brüder Superschlau total durchdrehte, war uns Beweis genug. Sie hatten das kostbare Ei gestohlen. Die Brüder Superschlau haben zwar vielleicht die 137

138 Riesenschmuseschwalbe mit ihrer Verkleidung getäuscht, aber uns konnten sie nicht reinlegen. (...) Die Frage war, wo wollten sie so schnell mit dem Riesenschmuseschwalbenei hin? Schnell sind wir auf Scooters Motorrad gehüpft, um es rauszufinden. Der Gruselsumpf war für mich eigentlich überhaupt nicht besonders gruselig. Ich beschloß, Nessie um Hilfe zu bitten! Am Ende, als sich das Ei in Nessies Höhle weiß verfärbt, fügt sich Rosalie in das Schicksal. Enttäuscht stellt sie fest: Oh, ich glaube, es war alles vergebens! Traurig übergibt sie der Riesenschmuseschwalbe das Ei mit den Worten: Tut mir leid Schmusi, aber wir haben getan, was wir konnten. Kämpferisch zeigt sie sich schon zu Beginn, als die den Diebstahl entdeckt ( Wir müssen den Dieb ausfindig machen! ), insbesondere aber in den Sequenzen, in denen sie erkennt, wer das Ei gestohlen hat und damit das Unrecht beging. Scooter versucht, das Problem in jeder Phase rational zu lösen. Nachdem Rosalie und Percey ihm von dem Vorfall berichten, fragt er sie sofort nach Anhaltspunkten. Zwar rügt er sie zunächst oberflächlich, als sie ihm gestehen, keine zu haben ( Ach so, ihr versucht hier Sherlock Holmes zu spielen und habt nicht mal einen einzigen popligen Hinweis! ), entlockt dann aber Benny Superschlau durch geschickte Fragen einen Hinweis. Hey, hör mal zu, du Großmaul. Wir arbeiten momentan zufällig an einem extrem ehrlichen Job. Also spar dir deine Bemerkung. In unserem Besitz befindet sich nämlich ein wertvolles (...). Trotzdem er von seinem Bruder jäh unterbrochen wird, ist für Scooter klar: Jetzt haben wir einen Anhaltspunkt! Ebenso umsichtig geht er bei der weiteren Lösung des Falles vor und begibt weder sich noch andere in unnötige Gefahr. Nein, wir bleiben lieber hier und beobachten alles aus sicherer Entfernung. Er handelt bei Bedarf aber sehr entschlossen. Na, dann mal los, Leute! ruft er seinen Freunden zu und nimmt den Dieben couragiert das Ei weg. Die Brüder Superschlau nehmen, wie oben dargestellt, neben Rosalie, den breitesten Raum in der Folge ein. Deshalb war es für die Gestalter auch möglich, deren unterschiedliche Charaktere in dieser Folge explizit auszubreiten. Bernie Superschlau, der Wortführer der beiden, verfolgt seine Ziele sowohl kämpferisch als auch rational abwägend. Sein Bruder Benny dagegen ist ein Mitläufer, der das macht, was Bernie verlangt, dabei weit weniger planerisch vorgeht, sich von Rückschlägen leichter entmutigen läßt und dann eher ein passives Ausweichverhalten oder eine oberflächliche 138

139 Anpassungsstrategie offenbart. Beide verfolgen im übrigen diese Strategie gegen Ende der Geschichte. Als Nessie Rosalie zur Seite steht, flüchten sie unverzüglich in den Wald. Bernie erkennt sofort, daß mit der Riesenschmuseschwalbe Geld zu verdienen ist: Ich hab mir eher was in die Richtung vorgestellt, wie z.b. einfangen, ausstopfen und dann möglichst teuer ans Museum zu verkaufen. Seinem Vorsatz, das Ei an Madame Grusel zu verkaufen, bleibt er treu, auch als sie als Diebe entlarvt sind. Wir halten uns an die Abmachung! Wir liefern das Ei bei Madame Grusel ab und kassieren. Sein Bruder dagegen zeigt sich wesentlich weniger streßresistent: Aber wie sollen wir das Ei hier rausschmuggeln, solange diese wildgewordene Geiermama über unseren Köpfen kreist? An der kommen wir doch nie vorbei! Vergessen wir das Ganze und werfen das Ei aus dem Fenster. Auch bei Madame Grusel ist Bernie derjenige der beiden, der die Übergabemodalitäten bestimmt: Hallo, hallo, hallo! Wir haben das Ei! Also beeilen Sie sich und lassen die Kohle rüberwachsen! Er besteht darauf, zuerst das Geld zu bekommen: Tut mir leid! Erst wollen wir Knete sehen! Im ersten Teil der Geschichte geht Madame Grusel äußerst kalkulierend vor. Sie lädt zunächst die Brüder Superschlau zum Essen ein, um sie dann für ihr Vorhaben zu gewinnen: Verzeihung die Herren. Darf ich sie um eine kurze Unterredung bitten? Bei einem kleinen Imbiß läßt es sich besser plaudern! Sie überzeugt dabei die beiden so sehr, daß sie ausrufen: Egal was sie erledigt haben wollen, meine Liebe, betrachten sie es als erledigt. Bei der Übergabe des Eies wird ihre rational abwägende Lösungsstrategie nochmals deutlich, als sie in einem Monolog begründet, warum sie das Ei haben will. Jawohl, ich bin 150 Jahre alt. Es ist nicht unmöglich, wenn man das geheimnisvolle Jugendelexier trinkt, das ein Riesenschmuseschwalbenei enthält. Diesen Zaubertrank nehme ich seit nunmehr eineinviertel Jahrhunderten mindestens einmal im Jahr zu mir. Und auch in den letzten Jahren als die Riesenschmuseschwalbe seltener geworden ist, habe ich es immer geschafft, wenigstens an ein Ei ranzukommen, um meine alterslose Schönheit zu bewahren. Nach dieser Aussage fordert sie kämpferisch die Herausgabe des Eies: Jetzt gebt mir das Ei, solange es noch frisch ist! Nachdem im darauffolgenden Gerangel mit den Brüdern Superschlau Scooter in seinen Besitz gelangt, verfolgt sie die Kinder und stellt, nachdem sie diese eingeholt hat, unmißverständlich fest: Keine Diskussion es (das Ei - P.J.) gehört allein mir! Erst als sie feststellen muß, daß sie 139

140 keine Chance mehr hat, das Ei zu bekommen, fügt sie sich passiv in ihr Schicksal der Alterung. Ihr wißt ja gar nicht, was das bedeutet. Oh nein, ich spüre schon, wie die Jugend aus mir schwindet! Nur noch wenige Sekunden und ich sehe aus wie 150! Nachdem ich ein Leben lang alle Welt getäuscht habe, lasse ich mich jetzt von drei Kindern austricksen. Bevor sie jedoch in einem hohlen Baumstamm verschwindet, sagt sie nochmals kämpferisch: Aber vielleicht fliegt mir eine andere Riesenschmuseschwalbe über den Weg! Anpassungsstrategie/Lösungsverhalten der Figuren Variable 5 Um ihre Ziele zu realisieren, setzt Rosalie in der Hauptsache auf argumentative Mittel. Darüber hinaus greift sie insbesondere bei den Verfolgungen in der Stadt oder im Gruselsumpf auf physische Mittel zurück. In ähnlicher Weise geht Scooter vor. Er tauscht sowohl mit seinen Freunden wie mit seinen Gegnern Argumente aus, so als z.b. Percey und Rosalie ihm vom Raub des 140

141 Vogeleies berichten und er kurz danach mit den Brüdern Superschlau redet. Physische Mittel benutzt er ebenfalls nur bei der Verfolgung der Diebe. Anders die Auswahl der Mittel bei den Brüdern Superschlau. Zwar setzen sie sich häufig argumentativ untereinander oder mit den anderen auseinander, aber physische Gewalt auf verschiedenen Ebenen stellt für sie ein durchaus adäquates Mittel zur Zielerreichung dar: Sie stehlen das Ei, versuchen ihre Gegner abzuschütteln, kämpfen mit Madame Grusel und bedrohen massiv Rosalie, Scooter und Percey. Rasch erkennen sie nach dem Monolog von Madame Grusel über ihr Alter den hohen materiellen Wert des Eies für ihre Auftraggeberin und spielen dieses Wissen bei den Übergabeverhandlungen aus. Madame Grusel überzeugt die Brüder Superschlau zunächst mit dem Einsatz materieller Mittel, der Einladung zum opulenten Mahl, dann argumentativ. Bei der Übergabe begegnet sie den Brüdern, zu deren Überraschung, mit dem moralischen Hinweis auf ihr Alter: Eine 150jährige Frau darf man nicht hetzen! Nachdem sie vergeblich versucht, Argumente für ihr Verhalten vorzubringen, greift sie schnell zu physischen Mitteln. Sie will mit Gewalt das Ei in ihren Besitz bekommen: Das Ei, ich will das Ei sofort haben! Den Angriff der Riesenschmuseschwalbenmutter kontert sie mit einem gezielten Wurf mit einem Stock, wodurch sie das Tier verletzt. Sie bedroht verbal die Kinder: Keine Diskussion, es gehört mir. Bevor sie körperliche Gewalt anwenden kann, taucht Nessie auf. Im Bewusstsein der Niederlage ruft sie moralisierend aus: Ihr wisst ja nicht, was das bedeutet Das ist mein Untergang! 141

142 Angewandte Mittel zur Zielerreichung Variable 6 Rosalies Aussagen und ihr Verhalten läßt auf ein Wertespektrum schließen, das dem eines Realisten entspricht, der sich idealistisch engagiert. Sie setzt sich sofort spontan für den Schutz der seltenen Riesenschmuseschwalbe ein. Helfen wir der Vogelmama, ihr Ei zu beschützen? Sie handelt angemessen, tritt persönlichkeitsstark auf, überwindet Rückschläge frustrationstolerant und agiert verantwortungsorientiert. Ihr angemessenes Handeln zeigt sich u.a. bei der Verfolgung der Diebe, die sie sehr umsichtig gestaltet. Aber auch die Art und Weise, wie sie ihre Recherchen durchführt, unterstreicht dieses Verhalten. Kommt sie nicht weiter, wendet sie sich an ihre Freunde. So zerstreut sie die Furcht von Percey bezüglich Nessie: Nein, das Ungeheuer ist doch unser Freund, Angsthase. Ihre Stimme aus dem Off fügt an dieser Stelle hinzu: Der Gruselsumpf war für mich überhaupt nicht besonders gruselig. Ich beschloß, Nessie um Hilfe zu bitten. Mit zunehmendem Handlungsverlauf drückt sich Rosalies Persönlichkeitsstärke aus. Sie übernimmt vollständig die Verantwortung für das Ei, die sie anfangs noch mit anderen teilte. Selbst in der größten Bedrohung, als Madame Grusel und die Brüder Superschlau 142

143 ihr bedrohlich nahekommen, verliert sie es nicht aus dem Auge: Oh nein! Was machen wir denn nur! Es wird schon weiß! Wir müssen es unbedingt zurück ins Nest schaffen! Die einmal übernommene Verantwortung wird auch durch Rückschläge nicht berührt. Frustrationstolerant kämpft sie um die Rettung des Eies. Wir müssen den Dieb ausfindig machen! Unbedingt! Scooter, der wichtigste Helfer Rosalies, unterstützt seine Freundin durch sein übersichtbewahrendes und angemessenes Handeln wirkungsvoll in ihrem Einsatz für den Schutz der seltenen Tierart. Sein persönlichkeitsstarkes Auftreten bringt die beiden bei der Aufklärung des Falles entscheidend weiter. Von ihrem hedonistisch-materialistischen Wertehintergrund geleitet verhalten sich die Brüder Superschlau. Egoistisch und lustbetont in ihren körperlichen und materiellen Wünschen verhaftet, oberflächlich nur darauf bedacht diese zu realisieren und gleichzeitig Werte wie Schutz des Lebens mißachtend, gehen sie meist kalkulierend und für ihre kriminellen Absichten angemessen handelnd vor. Hey, aus dem Vogel könnten wir was `rausholen. Ja, das kannst du laut sagen, Bernie. Wir könnten daraus einen köstlichen Gänsebraten für zwei Personen zaubern. Benny, denkst du zur Abwechslung mal mit deinem Hirn und nicht mit deinem Magen? Ich hab mir eher was in die Richtung vorgestellt wie z.b. einfangen, ausstopfen und dann möglichst teuer ans Museum zu verkaufen! Geschickt lenken sie die Riesenschmuseschwalbenmutter ab, um sie vom Nest zu locken und das Ei zu stehlen oder sich verkleidet ihren Angriffen zu entziehen. Ihre verantwortungsabweisende, oberflächliche Haltung demonstrieren sie, als die Vogelmutter angreift und Nessie auftaucht; in beiden Fällen flüchten sie in den Wald, um der Bestrafung zu entgehen. Das Wertepotential Madame Grusels umfaßt einen realistischen Schwerpunkt, der sich in ihrem persönlichkeitsstarken und für ihre Zwecke angemessenen Handeln, auch durch den Einsatz materieller Mittel, in der Verpflichtung der Brüder Superschlau ausdrückt sowie einem hedonistisch-materialistischen, der sich bei ihrem zweiten Auftritt in einer egoistischen und oberflächlichen Haltung darstellt. Hier wird ihr egoistischer Wunsch deutlich, ihre Schönheit zu bewahren und sich dabei bedenkenlos über den Wert der Erhaltung von Tierarten hinwegzusetzen. Jawohl, ich bin 150 Jahre alt. Es ist nicht unmöglich, wenn man das geheimnisvolle Jugendelexier trinkt, das ein 143

144 Riesenschmuseschwalbenei enthält. Diesen Zaubertrank nehme ich seit nunmehr eineinviertel Jahrhunderten mindestens einmal im Jahr zu mir. Und auch in den letzten Jahren, als die Riesenschmuseschwalbe selten geworden ist, habe ich es immer geschafft, wenigstens an ein Ei ranzukommen, um meine alterslose Schönheit zu bewahren. Aber, das ist ein Aspekt ihres realistischen Wertepols, sie gibt, auch als sie gealtert ist, nicht frustriert auf, sondern zieht sich hoffnungsvoll zurück mit den Worten: Aber vielleicht fliegt mir eine andere Riesenschmuseschwalbe über den Weg. Kumulierte Darstellung des Wertetyps der Figuren Bewertung der Befunde Die in dieser Folge eingesetzten medienspezifischen Präsentationsmittel sind sehr umfangreich. Eine hohe Schnittfolge, häufige Schwenks und Zooms verbunden mit ständig wechselnden Einstellungsperspektiven, lassen dem Zuschauer keine langen Zeitspannen der Erholung. Selbst an den Stellen, an denen die relativ häufig verwendeten Totalen und Halbtotalen eine längere Einstellungszeit erfordern, wird durch die dort unterlegten Off-Ergänzungen Rosalies die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf zwei 144

145 Kanälen gefordert. Er muß das komplexe Bild lesen und gleichzeitig der kompakten Aussage folgen, um die komplexe audiovisuelle Gesamtaussage der Sendung verstehend nachzuvollziehen. Weder für die Herstellung von Sinnkontinuität noch für die Antizipation des Kommenden bleibt für die kindlichen Rezipienten genügend Zeit. Dies wird zusätzlich dadurch erschwert, daß die Bild-Ton-Schere an diesen Stellen meist geöffnet ist, d.h. Bild und Ton sich nicht auf dieselben Inhalte beziehen. So wird der erste Angriff der Riesenschmuseschwalbe nach dem Diebstahl des Eies auf die Brüder Superschlau als rasante Verfolgungsjagd durch die Stadt mit einem sehr schnellen Wechsel der Einstellungsgrößen und -perspektiven, mit einer die Dramatik unterstützenden Geräuschkulisse und der folgenden Off-Erläuterung Rosalies inszeniert: Die Tatsache, daß die Riesenschmuseschwalbe beim Anblick der Brüder Superschlau total durchdrehte, war uns Beweis genug. Sie hatten ihr das kostbare Ei gestohlen. Da hier bei der Synchronisierung das Stilmittel des kontrapunktischen Asynchronismus (vgl. Abschnitt A 4.1.2) verwendet wurde, besteht die Gefahr, daß die Zuschauer wesentliche Informationen, die auditiv übertragen werden, nur unvollständig wahrnehmen, weil sie sich meist stärker den visuellen Aussagen zuwenden und so zusätzliche inhaltliche Verständnisschwierigkeiten provoziert werden können. Das Verhalten Rosalies und deren Motivation ist für die Adressatengruppe der Sendung verständlich und nachvollziehbar. Sie will ein kleines Lebewesen, ein Tier, beschützen, kommt, da sie keine Hinweise auf die Täter hat, in eine hilflose Lage, aus der ihr ihre guten Freunde, Scooter und Percey, helfen und so alle, trotz widriger Umstände, zum glücklichen Ausgang beitragen, den aber letztlich erst eine märchenhafte Phantasiefigur ermöglicht. Auch für die übergeordnete Botschaft des Artenschutzes, d.h. den verantwortungsvollen Umgang des Menschen mit der Natur, könnte der Zielgruppe Grundschulkinder noch zugänglich sein, da sie vor allem von Rosalie handelnd umgesetzt wird. Vertieft wird die Bedeutung dieses Wertes in den betreffenden Sequenzen durch nahe Einstellungen aus der Untersicht oder der Augenhöhe. Rosalies dort entschlossener Gesichtsausdruck verleiht diesem Wert noch zusätzlichen Nachdruck. Ob Kinder allerdings die im Film aufgegriffenen und für die Gegenwartsgesellschaft bedeutsamen Werte der Jugend und der Schönheit adäquat decodieren, bleibt fraglich. Diese Kernaussage der Sendung wird in Nah- oder Detaileinstellungen des Gesichtes von 145

146 Madame Grusel in Untersicht ebenso verbal transportiert wie der anschließende rapide Alterungsprozeß der Frau. Im Zeitraffer wird dieser Vorgang schauerlich und gleichzeitig eindrucksvoll visuell umgesetzt. Die Wertevorstellungen der Brüder Superschlau, die aus rein materieller Gewinnsucht rücksichtslos Unrecht begehen, werden häufig in Naheinstellungen aus der Untersicht dargestellt und die kurzen und klaren Aussagen mit Worten der Umgangssprache getroffen. Beim ersten Anblick der Riesenschmuseschwalbe geben sie deutlich die Zielrichtung ihres Denkens vor: Ich hab mir eher was in die Richtung vorgestellt - wie z.b. einfangen, ausstopfen und dann möglichst teuer ans Museum verkaufen. Wir halten uns an die Abmachung. Wir liefern das Ei bei Madame Grusel ab und kassieren. Dort angekommen treten sie in die Hütte ein und rufen: Hey, Madame Grusel, wir sind da! Wo ist die Tussi? (...) Hallo, hallo, hallo! Wir haben das Ei, also beeilen Sie sich und lassen die Kohle rüberwachsen. Die Verbindung der nahen Einstellung mit wenig Bildinhalt und die einfache Verbalisierung des hedonistischen Werterepertoires erleichtern deren Verstehen für die Rezipienten. Darüber hinaus ist fraglich, ob die Kinder die Anspielungen auf Nessie (das Ungeheuer von Loch Ness) oder Sherlock Holmes nachvollziehen können Fauler Zauber Technische Angaben: Ausstrahlungsdatum: Laufzeit: , 7.39 Uhr 21 Minuten 04 Sekunden Inhalt: Scooter liefert für seine Mutter, die eine Wäscherei betreibt, Wäsche in einen Nachbarort. Er befährt eine kurvenreiche Strecke über die Berge. Plötzlich taucht hinter einer Biegung ein mitten auf der Straße stehender geheimnisvoller Wagen vor ihm auf. Scooter kann nicht mehr bremsen und prallt gegen ihn. Das Fahrzeug gehört der Zauberin Prinzessin Simsalabim, die es für die Fahrt in die Stadt noch streichen will. Sie entschuldigt sich bei Scooter für ihre Unvorsichtigkeit, den Wagen hinter einer Kurve abgestellt zu haben, stellt 146

147 sich ihm vor, zeigt ihm ein paar Zaubertricks und lädt ihn zu ihrer Show ein. Irgendwie ist sie aber Scooter nicht geheuer. Beide setzen ihre Fahrt fort. Im Dorf angekommen, trifft Scooter die Bewohner in heller Aufregung an und erfährt von ihnen, daß ein geheimnisvoller Juwelendieb viele von ihnen bestohlen hat. Die Zauberin erreicht mittlerweile die Stadt, wirbt für ihre Show und führt Zaubertricks vor. Rosalie und Percey beobachten begeistert das Geschehen. Rosalie bittet Prinzessin Simsalabim, ihr bei der abendlichen Show assistieren zu dürfen. Am Abend versammeln sich viele Bewohner auf dem Marktplatz, um sich die Show anzusehen. Alle sind in freudiger Erwartung, außer Scooter, der der Vorführung mißtrauisch entgegensieht. Den Höhepunkt der Veranstaltung stellt eine Hypnose von vier Personen dar. Die Zauberin holt sich reiche Stadtbewohner auf die Bühne. Es gelingt ihr, vor den Augen des Publikums alle zu hypnotisieren. Sie stellt ihnen verschiedene Aufgaben, die sie in Hypnose ausführen. Bei einem Kunststück zaubert sie den Schmuck ihrer Kandidaten zunächst weg, dann wieder zurück. Da fällt Scooter die Geschichte aus dem Nachbarort mit dem Juwelendieb ein, und er schöpft Verdacht. Direkt nach der Veranstaltung packt die Zauberin ihre Utensilien zusammen und zieht weiter. Scooter beobachtet das Ganze und teilt Rosalie, welche die Prinzessin Simsalabim zum Bleiben bewegen wollte, mit, daß er ihr folgen wolle, da mit ihr etwas nicht stimme. Rosalie schließt sich ihrem Freund an, obwohl sie dessen Verhalten nicht verstehen kann. Mit Scooters Motorrad nehmen sie die Verfolgung auf. Währenddessen steht die Zauberin auf einem Fels hoch über der Stadt und bereitet ihren letzten Auftritt vor. Mit ihrer telepathischen Kraft ruft sie die noch unter Hypnose stehenden vier Teilnehmer ihrer Show und fordert sie auf, alle ihre Juwelen und Kostbarkeiten zusammenzutragen und sie ihr zu bringen. Die beiden Verfolger erreichen endlich den Wagen der Zauberin und nähern sich ihm vorsichtig; nichts Verdächtiges ist zu sehen. Rosalie findet Scooters Unterstellungen allmählich lächerlich und will zu Prinzessin Simsalabim gehen. Doch in diesem Moment erscheinen die Hypnotisierten und bringen der Zauberin ihre gefüllten Schmuckschatullen. Jetzt erkennt auch Rosalie, daß Scooters Verdacht gerechtfertigt ist und Simsalabim ihre Fähigkeiten für Verbrechen nutzt. Sie treten aus dem Schatten der Bäume und fordern sie auf, den faulen Zauber zu beenden und den Schmuck den rechtmäßigen Besitzern 147

148 zurückzugeben. Das Wortgefecht eskaliert und beide Seiten setzen physische Mittel ein. Der Zauberin gelingt es, Scooter zu hypnotisieren. Willenlos gehorcht er ihren Befehlen. Rosalie interveniert heftig gegen die Absicht der Missetäterin, Scooter als Diener mitzunehmen - ohne Erfolg. Die Zauberin besteigt ihren Wagen und fährt weg. Nach einiger Zeit gelingt es Rosalie, das Motorrad ihres Freundes in Gang zu setzen und sich auf die Suche nach den beiden zu machen. Zwar ist sie eine sehr ungeübte Fahrerin, doch sie holt sie auf einer Brücke, die über einen Fluß führt, ein. Sie kann aber nicht mehr rechtzeitig bremsen und fährt auf den Wagen auf. Durch den Aufprall wird die Zauberin heruntergeschleudert. Im letzten Augenblick kann sie sich an der Brücke festhalten. Rosalie versucht sie hochzuziehen, ihre Kraft reicht allerdings nicht aus. Sie reißt nach einigen Fehlversuchen Scooter aus der Hypnose. Gemeinsam retten sie Prinzessin Simsalabim unmittelbar vor dem Absturz. Geläutert gibt die Zauberin den beiden den Schmuck zurück, verspricht nicht mehr zu zaubern und schenkt Rosalie ihre Zauberkugeln, damit sie Gutes tun kann. Überprüfung der Variablen Diese Folge verfügt mit 334 Schnitten, 15 Zooms und 24 Schwenks visuell über eine hohe Dynamik, die inhaltlich durch die Aktivitäten der Zauberin Prinzessin Simsalabim getragen werden. Deren Zauberkünste werden häufig in nahen und schnell wechselnden Einstellungen präsentiert. Rosalie führt in die Geschichte mit einer Off-Erzählung ein und fügt an sechs Stellen mit erläuternden Ergänzungen größere Raum- und Zeitsprünge zu einer verständlichen Sinneinheit zusammen. Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Zauberkünste von Prinzessin Simsalabim. Ihre faszinierenden Tricks fesseln das Publikum. Ihr erster Widersacher ist Scooter, der, mißtrauisch geworden durch die Zauberei, aber auch durch sein Erlebnis im Nachbardorf, schnell versucht, das Geheimnis der Zauberin zu lüften. Rosalie greift als zweite handlungsauflösende Figur erst spät aktiv in das Geschehen ein. 148

149 Alle anderen Figuren dienen lediglich als Statisten oder folgen als Hypnotisierte willenlos den Anweisungen der Zauberin. Weil sie keine eigentlich aus- bzw. auflösende Funktion besitzen, werden sie für die Detailanalyse nicht berücksichtigt. Variable 1 und 2 Die Einführungssequenz bestimmt die Begegnung der Zauberin mit Scooter. Rosalie tritt erstmals nach 4 Minuten 02 Sekunden auf und fügt sich im ersten Teil in ihre passive Rolle ein, die sie selbst gewählt hat. Erst als sie sich überzeugt hat, für welche Zwecke die Zauberin ihre Künste einsetzt, Scooter darüber hinaus hypnotisiert bei der Lösung des Falles nicht mehr mithelfen kann, setzt sie sich engagiert und tatkräftig dafür ein, Prinzessin Simsalabim zu überführen. Obgleich sie spät aktiv wird, erfüllt sie die Funktion der Hauptfigur, zumal der Zuschauer ihre Bedeutung schon sehr früh dadurch erfährt, daß Rosalie über den Off-Ton in die Geschichte in einer längeren Sequenz einführt. Aus dem eben Gesagten geht hervor, daß Rosalies Einflußwert auf Handlung und Figuren erst im zweiten Teil der Geschichte hoch ist, dort dominiert sie dann die Aktivitäten der anderen. Im Gegensatz dazu steht Prinzessin Simsalabim, eine Folgenfigur, von Anfang an im Mittelpunkt. Durch ihr Erscheinen und ihre Tricks zieht sie ihr Publikum in ihren Bann, so daß ihr fast alle widerspruchslos folgen. Sie beeinflußt aktiv und in hohem Maße über weite Teile der Geschichte die Handlungen aller Figuren. Ihre Statisten bei der Show sind ihr nach der Hypnose willenlos verfallen; Rosalie und der größte Teil des Publikums sind anfangs fasziniert. Scooter versucht, mißtrauisch hinter ihr Geheimnis zu kommen und sie zu überführen, wird aber auch letztlich von ihr besiegt und hypnotisiert. Erst nachdem Rosalie die Zauberin auf der Brücke gestellt hat, wird diese in eine passive Rolle gedrängt. Der einzige, der sich nicht von der Zauberin blenden läßt, ist Scooter, eine Rahmenfigur der Serie. In dieser Geschichte steht er seiner Freundin Rosalie nicht nur hilfreich zur Seite, sondern handelt rational in einer Phase des Handlungsablaufes, in der Rosalie in ihren Phantasien schwelgt. Auf seine warnende Stimme hört jedoch zunächst niemand, zu sehr sind die anderen von Prinzessin Simsalabim verzaubert. Erst als es ihm gelingt, Rosalie von den kriminellen Taten der Zauberin zu überzeugen, übernimmt sie den 149

150 planenden aktiven Part, zumal er durch die Hypnose zur Passivität gezwungen wird. Als die Hypnose ihre Wirkung verliert, greift er wieder aktiv ins Geschehen ein und rettet letztlich die Zauberin vor dem Absturz. Somit besitzt Scooter auf die übrigen Figuren einen mittleren Einflußwert, für den Fortlauf der Geschichte aber einen hohen. Zusätzlich können die zahlreichen und mißtrauischen Äußerungen Scooters auch beim Rezipienten eine, bezogen auf die Zauberin, rational distanzierte Haltung hervorrufen. Variable 3 Die Bedeutung der Darsteller drückt sich auch aus in der gesamten Einstellungslänge, in der die jeweiligen Filmfigur auf dem Bildschirm zu sehen ist. Mit deutlichem Abstand beherrscht in der Addition der einzelnen Einstellungslängen Prinzessin Simsalabim mit insgesamt 7 Minuten 14 Sekunden das Geschehen. Ihr folgt Rosalie mit 5 Minuten 33 Sekunden, wobei Rosalies Bedeutung zusätzlich durch deren Erzählungen aus dem Off unterstrichen wird. Scooters Auftreten beschränkt sich auf 3 Minuten und 32 Sekunden. Einstellungslänge der Figuren 150

151 Die totalen Einstellungen in dieser Sendung haben die Funktion, die jeweilige Figur nach einem Ortswechsel in die neue Umgebung einzuführen und gleichzeitig den Zuschauer auf die veränderte räumliche Situation explizit hinzuweisen. Darüber hinaus dienen sie als Träger der Ausführungen Rosalies aus dem Off. Diese Einstellungen wurden konsequenterweise, da viel Bildinhalt wahrzunehmen ist, langsam geschnitten. Die den Bildern beigefügten Aussagen Rosalies befrachten sie allerdings zusätzlich mit Information. Die erwähnten unterschiedlichen Verhaltensweisen Rosalies, im ersten Teil passiv, im zweiten aktiv, betonen sehr stark die jeweils für Rosalie benutzten Einstellungsgrößen und -perspektiven. Zu Beginn herrschen halbtotale und halbnahe Größen vor, begleitet von zahlreichen Perspektiven aus der Aufsicht. Nachdem sie sich von den wahren Absichten der Zauberin überzeugt hat, dominieren amerikanische, nahe und detaillierte Einstellungsgrößen sowie Perspektiven aus der Untersicht und Augenhöhe, die Rosalies hohen Einflußwert visuell dokumentieren. Eine Tatsache, welche die in dieser Phase häufigen Froschperspektiven von Rosalie, z.b. bei den Verfolgungsjagden, noch zusätzlich unterstreichen. Reziprok verhält sich dagegen die Inszenierung von Prinzessin Simsalabim. Ihrer anfangs beherrschenden Rolle werden die zahlreichen nahen Einstellungen und die vielen Perspektiven aus der Untersicht gerecht. Die Naheinstellungen aus Untersicht werden bei ihren Zaubereien noch zusätzlich durch visuelle Zeichen, nämlich Kreise, die aus ihren Augen entspringen oder ihre Zauberkugeln umrahmen, ergänzt, um so das Geheimnisvoll-Mystische hervorzuheben. Erst als sie in die hilflose Situation auf der Brücke gerät, verändern sich die Perspektiven. In diesen Sequenzen wird sie in Aufsicht und Vogelperspektive gezeigt. Scooters Argwohn gegen die Zauberin und seine aktive Rolle verdeutlichen die bei ihm gewählten halbnahen, amerikanischen, nahen und detaillierten Einstellungsgrößen aus der Froschperspektive oder der Untersicht. Nach seiner Ausschaltung durch die Hypnose der Zauberin, die ihn vorübergehend in eine passive Rolle zwängt, überwiegt die Halbtotale und die Perspektive aus Augensicht. Von Rosalie wieder aus der Hypnose in die Realität zurückgeholt, ist er bei der Rettung der Zauberin maßgeblich beteiligt, 151

152 Einstellungsgröße und -perspektive wechseln wieder in nahe Aufnahmen aus der Untersicht. Einstellungsgröße der Figuren 152

153 Einstellungsperspektive der Figuren Variable 4 Rosalie paßt sich im ersten Teil der Folge der Situation meist rational abwägend an, sie will die tollen Zauberkünste der Prinzessin Simsalabim lernen. Schon beim ersten Zusammentreffen ist sie von der Zauberin begeistert. Wow Prinzessin, deine Zauberkünste sind wirklich stark! Kannst du mir das auch beibringen? Ich möchte so gerne zaubern können. Selbst nachdem Scooter ihr gegenüber den Verdacht gegen Prinzessin Simsalabim geäußert hatte, nimmt sie diese in Schutz. Urteilst du da nicht ein bißchen voreilig über die Prinzessin? Also Scooter, ich weiß nicht. Ich finde die Prinzessin benimmt sich total unauffällig. Da auch rationale Argumente nichts nützen, greift sie zur oberflächlichen Ironie: Oh, Freund Besserwisser ist mal wieder unterwegs! Als sie aber die eigentlichen Absichten der Zauberin realisiert, verändert sich ihr Verhalten völlig. Sie nimmt eine kämpferische Haltung ein, insbesondere von dem Moment an, an dem Simsalabim Scooter hypnotisiert und als Diener mitnimmt: Jetzt mach aber mal nen Punkt! Es reicht! Du kannst doch meinen Freund nicht einfach so 153

154 entführen! In ihrer Not versucht sie, zur Verfolgung Scooters Motorrad zu nutzen: Ich war wirklich nicht sonderlich begabt, dieses Motorrad zu fahren, aber auf keinen Fall wollte ich mir Scooter so ohne weiteres von Prinzessin Simsalabim wegschnappen lassen. Sie erreicht die beiden auf einer Brücke über den Fluß und fährt auf den Wagen der Zauberin auf. Benommen steht Rosalie wieder auf und hört die Hilferufe von Prinzessin Simsalabim, die durch den Aufprall vom Wagen gestoßen wurde und sich mit letzter Kraft am Brückengeländer festhalten kann. Ohne zu zögern eilt ihr Rosalie zu Hilfe, sie kämpft um das Leben der Gegnerin. Halt durch! Ich helfe dir! Ihr gelingt es, Scooter aus der Hypnose zu wecken und ihn zu überzeugen, die Zauberin zu retten: Sie braucht uns! Jetzt pack sie schon am Arm! Was ist, worauf wartest du noch? Beeil dich! Rosalies kämpferisches Lösungsverhalten wird dann ausgelöst, wenn es um das Wohlbefinden ihrer Mitmenschen, egal ob Freund oder Feind, geht. Materielle Dinge, wie z. B. die Rückgabe des Schmuckes, interessieren sie in keiner Weise. Ähnlich wie Rosalies Anpassungsstrategie und Lösungsverhalten haben auch die von Prinzessin Simsalabim zwei völlig verschiedene Seiten. Lange Zeit bestimmt ihre rational abwägende Haltung ihre Vorgehensweise. Nach und nach offenbart sich ihr krimineller Vorsatz. Hm, es hätte wirklich nicht besser laufen können. So wie es aussieht, fressen sie mir mittlerweile alle aus der Hand! Jetzt muß ich mir nur noch die Reichen aus der Stadt vorknöpfen! Ein genialer Plan! Diesen führt sie konsequent durch und ruft von einem Fels hoch über der Stadt die von ihr Hypnotisierten an: Hört mich alle, die ihr unter meinem Bann steht. Meine Stimme erfüllt eure Gedanken. Ihr seid immer noch meinem Willen unterworfen. Erhebt euch, erhebt euch! Tut, was ich euch befehle! Euch bleibt nichts anderes übrig, als mir zu gehorchen. Geht und tragt eure Juwelen und alle eure Kostbarkeiten zusammen und bringt sie zu mir her! Die Stimme der Prinzessin wird an dieser Stelle noch mit einem Halleffekt mysteriös verfremdet. Ihre oberflächliche Anpassungsstrategie kommt z. B. an der Stelle zum Ausdruck, als sie zu ihrem Entsetzen feststellt, daß sie von Scooter und Rosalie beobachtet wurde. Ich bin es eben nicht gewohnt, daß zwei Wichtigtuer wie ihr mir hinterherspioniert, spielt sie auf Zeit, um ihre Fassung wieder zu gewinnen. Nachdem sie sich von der Entschlossenheit der beiden Freunde überzeugt hat, ändert sie ihre Strategie und kämpft. Sie hypnotisiert Scooter und nimmt ihn mit. In ihrer Notlage ändert sich ihr vorher berechnend aggressives Verhalten, 154

155 da sie erkennt, daß Rosalie ihr, trotz der vorherigen Vorfälle, das Leben zu retten versucht. Nein sowas! Nach allem, was ich ihr angetan habe, hilft sie mir trotzdem. Im Anschluß an ihre Rettung wägt sie rational ab, wie sie die Situation lösen kann. Ich weiß, daß ihr beide dafür sorgt, daß die gestohlenen Sachen ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgebracht werden. Ich habe heute meine Lektion gelernt! Ich danke euch sehr. Scooters Verhalten zur Auflösung der Missetaten der Prinzessin Simsalabim ist durchgängig rational abwägend und kämpferisch orientiert, mit Ausnahme der Phase, in der er durch die Hypnose zeitweise seine Willenskraft verliert. Schon beim ersten Treffen mit der Zauberin wird er mißtrauisch, als ihr Juwelen aus der Tasche fallen und sie diese mit den Worten: (...) laß dich nicht von deinen Augen täuschen oder siehst du noch irgendwelche Juwelen? wieder verschwinden läßt, ist ihm klar: Mit der ist irgendwas faul! Auch die Euphorie aller Stadtbewohner, insbesondere Rosalies, kann er nicht nachvollziehen. Ich begreif nicht, daß man so ein Geschrei macht wegen dieser albernen Zaubermaus. Seinen Verdacht sieht er während der Show endgültig erhärtet, nachdem die Zauberin den Schmuck der vier Hypnotisierten weg- und wieder zurückzaubert. Augenblick mal, da war doch erst irgendwas mit irgendwelchen Klunkern. Von da an verstärkt er seine Nachforschungen. Kämpferisch ruft er Rosalie zu, als die Zauberin unmittelbar nach der Veranstaltung aufbricht: Ich muß schnell handeln. Ich bin überzeugt, daß mit der Prinzessin irgendwas nicht stimmt. (...) Ich will s herausfinden. Nachdem sie Prinzessin Simsalabim aufgespürt haben, wägt Scooter mit einer kämpferischen Grundhaltung die Lage ab. Ganz gleich, was sie vorhat, ich will sie auf frischer Tat ertappen. (...) Gib mir noch ein bißchen Zeit, dann beweise ich dir schon, daß ich recht habe. Kurz danach bestätigt sich sein Verdacht. Ich hab doch gewußt, daß sie irgendwas vorhat, aber daß sie ihre Zauberkunst nutzt, um so eine miese Nummer abzuziehen, hätt ich nicht gedacht! Die Fähigkeiten der Zauberin unterschätzend, stellt er sich ihr drohend in den Weg: Hör zu! Alles was du geklaut hast, geht an die rechtmäßigen Besitzer zurück. Ist das klar? Ich hab nämlich keine Angst vor deiner geheimnisvollen Macht! Obgleich sie ihn dann durch die Hypnose zu ihrem willenlosen Diener macht, rettet er, nachdem ihn Rosalie wieder in die Realität zurückgeholt hat, das Leben der Zauberin, vergibt ihr und ist von ihrem Sinneswandel letztlich überzeugt: Ich glaub nicht, daß die im Leben noch mal klaut, Rosalie. 155

156 Anpassungsstrategie/Lösungsverhalten der Figuren Variable 5 Die drei Hauptpersonen versuchen mit differenzierten Mitteln, ihre unterschiedlichen Ziele zu erreichen. Rosalie setzt zunächst, um der Zauberin nahe zu sein, auf die argumentative Ebene. Auch als sich der Konflikt mit ihr steigert, verfolgt sie diese Strategie und nimmt sie noch in Schutz: Also Scooter, ich weiß nicht. Ich finde, die Prinzessin benimmt sich total unauffällig. Doch dann, da sich Scooters Verdacht als richtig erweist, wählt sie physische Mittel. Sie versucht mit Schreien die Hypnotisierten zu wecken und in gleicher Form die Arroganz ihrer Rivalin zu unterbinden. Sie verfolgt sie mit Scooters Motorrad und rettet ihr schließlich mit großer Kraftanstrengung das Leben. Neben den argumentativen Mitteln setzt Prinzessin Simsalabim auch materielle ein. Um Scooters Argwohn über das Verschwinden des Schmuckes bei der ersten Begegnung zu besänftigen, schenkt sie ihm ebenso Freikarten wie anderen, die sie zu ihrer Show holen will. Physisch greift sie mehrmals insofern ein, als sie die Hypnotisierten ihrem Willen unterwirft. Am Ende, als sie hilflos an der Brücke hängt, verbalisiert sie moralisierend 156

157 ihren Gesinnungswandel, nachdem Rosalie sie aus der Notlage rettet. Ich hoffe, ihr werdet mir irgendwann verzeihen können. (...) Nein sowas! Nach allem, was ich ihr angetan habe, hilft sie mir trotzdem. Ich weiß, daß ihr beide dafür sorgt, daß die gestohlenen Sachen ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgebracht werden. Ich habe heute meine Lektion gelernt! Ich danke euch sehr. An Rosalie gewandt sagt sie: Ich will keine Menschen mehr hypnotisieren. Aber vielleicht kannst du ja lernen, damit (mit den Zauberkugeln - P.J.) umzugehen und Gutes damit tun. Scooters Vorgehen ist rational abwägend, meist argumentativ ausgerichtet. Seine Physis setzt er bei der Verfolgung der Zauberin ein. Beim direkten Aufeinandertreffen wirft er ihren mit Schmuck beladenen Anhänger um und sagt drohend: Hör zu! Alles was du geklaut hast, geht an die rechtmäßigen Besitzer zurück. Ist das klar? Auch er setzt letztlich seine Muskelkraft ein, um die Gegnerin zu retten. Er zeigt sich vom moralischen Wandel von Prinzessin Simsalabim überzeugt und beendet die Begegnung der drei mit den Worten: Ich glaub nicht, daß die im Leben noch mal klaut, Rosalie. Angewandte Mittel zur Zielereichung 157

158 Variable 6 Entsprechend ihres Rollenwechsels innerhalb der Folge offenbart Rosalie zwei grundlegend unterschiedliche Wertepotentiale. Im ersten Teil dominiert das lustbetonte, egoistische und oberflächliche, also hedonistisch-materialistische Wertespektrum. Sie findet die Kunststücke der Zauberin toll und möchte sie auch beherrschen. Kannst du mir das auch beibringen? Ich möchte so gerne zaubern können. Oh bitte, bitte, bleib noch und zeig mir mehr von deinen Zaubertricks. Ich möchte das so gerne lernen. Fahr nicht weg! Kannst du mir wenigstens beibringen, wie man Leute hypnotisiert? Grundlegend verändert sie ihre Werteorientierung im zweiten Teil, als sie bemerkt hat, was sich wirklich hinter den Zauberkünsten verbirgt. Persönlichkeitsstark und angemessen handelnd seht sie sich in hohem Maße verantwortungsorientiert für die anderen ein. Die müssen sofort enthypnotisiert werden, fordert sie von Prinzessin Simsalabim. Jetzt mach aber mal nen Punkt! Es reicht! Du kannst doch meinen Freund nicht einfach so entführen! (...) aber auf keinen Fall wollte ich mir Scooter von Prinzessin Simsalabim so ohne weiteres wegschnappen lassen! Für ihre Gegnerin, nachdem sie sich vom Aufprall auf deren Wagen erholt hat, engagiert sie sich spontan und versucht, sie ohne Zögern zu retten. Halt durch! Ich helfe dir! Scooter, wach endlich auf und komm her! Wir brauchen dringend deine Hilfe! Prinzessin Simsalabims Werterepertoire umfaßt sowohl realistische Elemente, die sie zu persönlichkeitsstarkem Auftreten, angemessenem Handeln und einer einsichtigen Bewußtseinsänderung führen als auch hedonistische, die sich in lustbetonten, egozentrischen, oberflächlichen oder materialistischen Handlungen und Aussagen widerspiegeln. Ihre Persönlichkeitsstärke dokumentiert sie dadurch, daß sie die Menschen von Erdbeerland in ihren Bann zieht ( Hm, es hätte wirklich nicht besser laufen können. So wie es aussieht, fressen sie mir mittlerweile alle aus der Hand! ) und durch die Hypnose, zuerst der vier Reichen, dann noch von Scooter, mit der sie sie zu ihren willenlosen Dienern macht, aber auch nachdem sie das hilfsbereite Verhalten Rosalies in ihrer Notlage anerkennt und respektiert: Ich hoffe, ihr werdet mir irgendwann verzeihen können. Nein sowas! Nach allem, was ich ihr angetan habe, hilft sie mir trotzdem. Diese Einsicht in ihr zuvor von falschen Wertevorstellungen geprägtes Tun verbalisiert sie beim Abschied: Ich weiß, daß ihr beide dafür sorgt, daß die gestohlenen Sachen ihren 158

159 rechtmäßigen Besitzern zurückgebracht werden. Ich habe heute meine Lektion gelernt! Ich danke euch sehr. Sie übergibt Rosalie ihre Zauberkugeln mit den Worten: Ich will keine Menschen mehr hypnotisieren. Aber vielleicht kannst du ja lernen, damit umzugehen und Gutes damit zu tun. Ihre hedonistisch-materialistischen Werte kommen ausschließlich im ersten Teil zur Geltung, z.b. als sie bei ihrem allerbesten Kunststück vier Bewohner Erdbeerlands hypnotisiert und deren Situation dann für ihre Zwecke mißbraucht: Jetzt muß ich mir nur noch die Reichen der Stadt vorknöpfen! Meine Zauberkunst wird mir großen Reichtum bringen. Hört mich alle, die ihr unter meinem Banne steht. Meine Stimme erfüllt eure Gedanken. Ihr seid immer noch meinem Willen unterworfen. Erhebt euch, erhebt euch! Tut was ich euch befehle! Euch bleibt nichts anderes übrig, als mir zu gehorchen. Geht und tragt eure Juwelen und alle eure Kostbarkeiten zusammen und bringt sie mir her! Was für herrliche Geschenke ihr eurer Herrin bringt! Und jetzt legt ihr die Kostbarkeiten in diese Truhe hier! Einen realistischen Wertetypus vertritt Scooter und zeichnet sich mit einer Ausnahme, als er die Kräfte der Zauberin unterschätzt, als persönlichkeitsstarke, frustrationstolerante, angemessen handelnde und verantwortungsorientierte Figur aus. Er läßt sich nicht von seinem Weg abbringen, Licht hinter die wahren Absichten der Zauberin zu bringen. Seine Hilfe, die er ihr in ihrer Notlage zukommen läßt und sein Vertrauen in ihre Beteuerung, in Zukunft kein Unwesen mehr zu treiben, zeichnen ihn als ebenfalls persönlichkeitsstarken und realistischen Wertetyp aus. 159

160 Kumulierte Darstellung des Wertetyps der Figuren Bewertung der Befunde Die Wahrnehmungsfähigkeit der Rezipienten wird in dieser Folge umfassend gefordert. Nicht nur die kurze Schnittfolge, der häufige Perspektivenwechsel, insbesondere auch die optische bzw. akustische Verstärkung der Aussagen, stellen diesbezüglich hohe Anforderungen gerade an jüngere Kinder. So beinhalten beispielsweise die OffErzählungen Rosalies, die unter totale Einstellungsgrößen oder Schwenks und Zooms gelegt werden, nicht leicht zu entziffernde Wortspielereien, zumal der kontrapunktische Asynchronismus Bild- und Textinformation auseinanderklaffen läßt. Die Einleitung Rosalies in die Geschichte endet mit einer Anspielung auf die Zauberin: Er wußte es zwar noch nicht, aber ihm sollte das zauberhafteste Abenteuer seines Lebens bevorstehen. Nach Scooters erster Begegnung mit Prinzessin Simsalabim überbrückt Rosalie den Ortswechsel mit den Worten: Meine Güte, dem armen Scooter blühte vielleicht eine 160

161 Riesenüberraschung. Wie heißt es so schön: Wer glaubt wird selig. Aber er hat feststellen müssen, daß seine Gutgläubigkeit ziemlich unselig war. Eine visuelle Anreicherung der Bilder durch Effekte, die die Decodierungsfähigkeit zusätzlich fordert, erfolgt beispielsweise durch die Kreise, die den Augen der Zauberin bei der Hypnotisierung entspringen und auch über weite Distanzen wirken oder eine Denkblase, als Scooter sich an die Aussagen über Juwelen und Diamanten erinnert. Durch die, vor allem bei der Hypnotisierung der Figuren durch die Zauberin, eingesetzte technische Verfremdung ihrer Stimme und die die Atmosphäre anreichernden Geräusche wird die Aufmerksamkeit und die Stituationsempfindung beim Rezipienten gesteuert und erhöht die Authentizität dieser mysteriösen Handlungen. Sehr lange und ausführlich kann sich der Zuschauer mit dem überlegenen Wirken der Zauberin auseinandersetzen. Erst nach 10 Minuten 35 Sekunden setzt Scooter seine Verdachtsmomente aktional um, indem er Prinzessin Simsalabim zusammen mit Rosalie folgt. Rosalie selbst greift aktiv nach 13 Minuten 23 Sekunden in das Geschehen ein, nachdem die Beweise Scooters Mißtrauen erhärtet haben. Das ist im übrigen auch der Zeitpunkt in der Sendung, in dem der, bei der Überprüfung der Variablen 3 angesprochene, grundlegende Wechsel der Perspektive bei Rosalie und der Prinzessin eintritt. Rosalies hedonistische Wertehaltung kommt meist bei halbtotalen oder halbnahen Einstellungsgrößen aus der Aufsicht zum Ausdruck, z.b. an der Stelle, an der sie die Zauberin zum Bleiben bewegen will Oh bitte, bitte bleib noch und zeig mir mehr von deinen Zaubertricks. Ich möchte das so gerne lernen. (...) Kannst du mir wenigstens beibringen, wie man Leute hypnotisiert? Ab dem Wendepunkt in Rosalies Erkenntnis ändert sich auch die Perspektive in der Darstellung bei der expliziten Präsentation der Werte von Rosalie, in denen sie Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewußtsein oder allgemein ihre Menschlichkeit für andere dokumentiert, so bei der Hypnotisierung Scooters oder bei der Rettung der Zauberin. In der ihre Dominanz unterstreichenden Froschperspektive bzw. Untersicht, die ihrem hedonistischen Wertespektrum darüber hinaus noch Nachdruck verleiht, wird Prinzessin Simsalabim bei ihren Auftritten anfangs in Szene gesetzt. Erst spät erkennt sie doch die von Rosalie repräsentierten Werte der Menschlichkeit als überlegen an. Ihr kleinlautes Eingestehen des Wertepols von Rosalie unterstreichen die dort eingesetzte 161

162 Vogelperspektive bzw. die Aufsicht zusätzlich. Als Rosalie Scooter zu Hilfe holen will, ruft sie mit niedergeschlagenen Augen: Umsonst Rosalie! Ich fürchte, ich habe Scooter zu stark hypnotisiert, es wird nicht leicht sein, ihn wieder aufzuwecken. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen. In gleicher Weise optisch dargestellt, gesteht sie sich selbst ein: Nein sowas! Nach allem, was ich ihr angetan habe, hilft sie mir trotzdem. Ihre späte Reue verbalisiert sie in einer totalen, dann in einer halbtotalen Einstellung, was vor dem Hintergrund der oben getroffenen Feststellung - komplexer Bildaufbau, komplexer Textinhalt und Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder - die Frage nach der adäquaten Aufnahme dieser Aussage bei den Rezipienten offen läßt. Scooter durchschaut von Anfang an die Oberflächlichkeit der Zauberin und setzt sich durchgehend engagiert für die Gerechtigkeit ein. Dies heben die an den betreffenden Stellen vom Regisseur eingesetzten nahen oder detaillierten Einstellungen aus der Untersicht bzw. Froschperspektive hervor. Beispielsweise in der Sequenz, in der er massiv gegen Prinzessin Simsalabim vorgeht und ihre schmuckgefüllte Truhe umstößt. Hör zu, alles was du geklaut hast, geht an die rechtmäßigen Besitzer zurück. Ist das klar? Ich hab nämlich keine Angst vor deiner geheimnisvollen Macht. Die Wertepotentiale der drei analysierten Figuren dieser Sendung lassen sich zusammenfassend so skizzieren: Ihren hedonistischen Wertepol verläßt Rosalie und setzt sich für menschliche Werte ein. Die materielle Gerechtigkeit verkörpert dagegen stärker Scooter. In ihrem Streben, Macht über die Menschen zu erlangen und Reichtum anzuhäufen, verliert Prinzessin Simsalabim den Überblick über diese bedeutsamen und von den beiden anderen repräsentierten Werte, schließt sich ihnen aber am Ende der Geschichte an. Rosalie verkörpert über lange Zeit eine für die Kinder im Grundschulalter durchaus nachvollziehbare Rolle. Sie läßt sich in ihrer kindlichen Neugier von den Aktivitäten der Zauberin blenden, will ebenfalls an der Zauberwelt teilhaben, hinterfragt die Aussagen und Handlungen von Prinzessin Simsalabim nicht und begibt sich leichtsinnig in große Gefahr, als sie die Fähigkeiten und Absichten ihrer Gegnerin falsch einschätzt. Nachdem ihr diese jedoch bewußt wurden, bricht für sie die Phantasiewelt zusammen, und sie handelt rational. Hierin könnte die Intention impliziert sein, die Kinder zu kritischem Hinterfragen aufzufordern und nicht leichtgläubig Versprechungen anderer zu unterliegen. Eine zweite Botschaft an die Zielgruppe ist aus dieser Folge zu 162

163 interpretieren. Selbst wenn jemand der Gemeinschaft durch Fehlverhalten Schaden zugefügt hat, sollte er bei Einsicht dessen vorbehaltlos wieder in sie aufgenommen werden. 3.3 Zusammenfassende Bewertung der analysierten Folgen der Serie Faßt man die Befunde der analysierten Sendungen der Serie Prinzessin Erdbeer zusammen, so ergibt sich bezüglich ihrer Eignung für Grundschulkinder eine differente Einschätzung. Die Gesamtgestaltung der graphisch animierten Sendung mit dem eingängigen Titelsong, Action, Spannung, dem Sieg des Guten über das Böse oder der Einbau märchenhafter Elemente kommt den Erwartungen und Bedürfnissen der Zielgruppe entgegen. Die Hauptfigur Rosalie bietet den Kindern reichlich Identifikationsofferten. Sie erzählt eine außergewöhnliche Geschichte. Sie verläßt ihr offensichtlich bürgerliches Elternhaus auf der Erde und fliegt neugierig auf der Suche nach Abenteuern zur Zuckerwelt, berichtet von Erlebnissen, die sie und ihre Freunde mit Bravour bestehen, begeht aber auch Fehler, die Kinder in diesem Alter machen. Engagiert setzt sie sich für Recht und Ordnung oder Schwache ein. Die Abenteuer, die sie erlebt, greifen alltägliche handlungsleitende Themen der Rezipienten auf, sie thematisieren Alltagsleben und demonstrieren Alltagswelten der Zuschauer: Besitzstreben ( Die gläsernen Schuhe, Käpt n Flint kehrt zurück ), Fairneß, Wettbewerb ( Der Grand Prix von Erdbeerland ), Schule ( Die Weltraumschule ), Schutz von Tieren ( Das Ei der Riesenschmuseschwalbe ), Vertrauen, Verzeihen ( Fauler Zauber ) - Themen, die auch die unterrichtliche Tätigkeit immer wieder tangieren. Sie löst die Probleme meist in vorbildlicher Weise, enthält sich entsprechender Vorurteile und recherchiert bevor sie handelt. Sie verzichtet weitgehend auf körperliche Gewalt, mit Ausnahme in den Sendungen Käpt n Flint kehrt zurück und der Schlußphase des Rennens in Der Grand Prix von Erdbeerland und wenigen anderen Stellen, die im übrigen Reaktion auf aggressives Verhalten ihrer Gegner ist. Dies soll aber keineswegs die Wahl der Mittel Rosalies an diesen Stellen rechtfertigen. Ein herausragender Wesenszug von Rosalie ist ihre große Hilfsbereitschaft, die sie Mensch und Tier, Freunden, aber auch in Not geratenen Rivalen zukommen läßt. Freunde bedeuten ihr sehr viel; mit ihnen gemeinsam erlebt sie die Abenteuer, sie geben ihr Hilfe 163

164 und Stütze, ihnen ist sie eine verläßliche Partnerin. Ihre Führungsrolle übt sie meist umsichtig und persönlichkeitsstark aus, kann aber auch Schwäche zeigen und die Hilfe anderer ohne Prestigeverlust annehmen. Aufgrund ihrer Charaktereigenschaften wird sie von allen geachtet und auch von Erwachsenen ebenbürtig behandelt, wobei ihre Funktion als Königin eine untergeordnete Rolle spielt. Implizit wird damit dem häufig auftretenden Wunsch der 6-10jährigen Zielgruppe, den Großen gegenüber gleichberechtigt zu sein, Rechnung getragen. Neben Identifikationsangeboten bietet Rosalie dem jungen Zuschauer für die Verarbeitung alltäglicher Rollen- und Kommunikationsprobleme mit Erwachsenen und Gleichaltrigen durch ihr hilfsbereites, freundliches, selbstbewußtes und zielgerichtetes Auftreten angemessene Verhaltenshilfen an. Ihr differenziertes Wertepotential zwischen den Polen Pflicht und Akzeptanz und Selbstentfaltung dokumentiert auch ihr Verhältnis zu ihren leiblichen Eltern. Wie aus Briefen an ihre Eltern hervorgeht, hat sie einerseits zu ihnen offensichtlich einen engen Bezug, andererseits ist sie aber bei ihrer Selbstentfaltung, also beim Erleben von Abenteuern, auf sich gestellt und findet sich ohne sie in der Zuckerwelt zurecht. Rosalie repräsentiert in allen sechs Folgen durchgängig den Wertetyp des in hohem Maße von einer Wertesynthese geprägten aktiven Realisten (75% der vercodeten Belegstellen). An verschiedenen Stellen in den sechs analysierten Sendungen der Serie trägt sie charakteristische Merkmale des Konventionalisten (3%), des Idealisten (7%) und des Hedonisten (15%). Mit anderen Worten, ihr Wertepotential, ihre individuellen Orientierungsleitlinien mit entsprechenden Spielräumen, ermöglicht ihr ein situationsgerechtes Agieren und Reagieren und erlaubt ihr funktional sowohl eine sozialintegrative als auch eine individuelle Orientierung. 164

165 Werterepertoire Rosalies in allen 6 Folgen (Angaben in %)12 Für eine para-soziale Interaktion der Rezipienten mit Rosalie bieten sich sowohl für Mädchen als auch für Jungen Möglichkeiten an. Für die Mädchen, weil sie den witzigen, mutigen und hilfsbereiten Freund in Fernsehsendungen bevorzugen, für die Jungen, weil Rosalie couragiert und persönlichkeitsstark ihre Abenteuer besteht (vgl. Abschnitt A 3.2.2). Die Freunde Rosalies, alle männlichen Geschlechts, haben als Nebenfiguren in der Regel lediglich die Aufgabe, Rosalies Aktionen zu begleiten oder ihr an einigen Stellen durch entscheidende Hinweise weiterzuhelfen. Percey, der Sohn der Königs, tritt selten in Aktion. Dagegen beeinflußt der ältere Gefährte Rosalies, Scooter, des öfteren deren Vorgehensweise, was auch in seiner größeren Erfahrung begründet liegt. Malcolms wesentlichste Aufgabe in der Serie ist, Rosalie Zusammenhänge aufzuzeigen und das inhaltliche Verständnis beim Rezipienten herzustellen, indem er, z.b. mit Erinnerungen an längst vergangene Ereignisse, Hintergründe darlegt. Die Folgenfiguren, die Rosalie 12 Die Prozentzahlen der vier Tabellen, die die Werterepertoires der Figuren in allen sechs analysierten Folgen betreffen, sind gerundet. 165

166 freundschaftlich gesonnen sind, verfügen über einen großen konventionalistischen Werteanteil, was bei der Mutter Scooters oder Käpt n Majall auch auf deren Alter zurückzuführen ist. Folgerichtig ist deren hedonistische bzw. idealistische Werteausprägung gering. Die Rosalie unterstützenden Figuren, die als handlungsauslösende oder -auflösende Figuren bei den Analysen der Folgen Berücksichtigung fanden, repräsentieren in 25% des codierten Werterepertoires den konventionalistischen, in 69% den realistischen und in 6% den hedonistischen Wertetyp. Sind bei Rosalie dagegen noch der idealistische und der hedonistische Bereich, mit stärkerer Betonung des letzteren, aktualisiert, so präferieren ihre Antagonisten signifikant hedonistische Zielvorstellungen, (84%), die sie mit einem realistischen Wertepotential (16%) umsetzen, was Rückschlüsse auf die höhere Wichtigkeit der Hedonismuswerte bei ihnen zuläßt. 166

167 Werterepertoire der Gegner Rosalies (Angaben in %) Die wechselnden Gegner Rosalies werden meist aufgrund ihrer hedonistischen Vorstellungen aktiv und agieren entweder unmittelbar, beispielsweise die Brüder Superschlau, oder sie geben zunächst nur den Anstoß zum Handeln, um dann später, wie Gräfin von Zickig oder Madame Grusel, selbst ins Geschehen einzugreifen. Die Folge der Reduzierung dieser Figurenkonstellation auf meist hedonistische Wertepotentiale ist, daß auch deren Problemlösungsstrategien eingeschränkter sind. Diese Gruppe ist wesentlich aggressiver und gewaltbereiter als die um Rosalie; dennoch wird die Darstellung körperlicher Gewalt und deren Folgen sparsam verwendet. Die verbale Gewalt dagegen wird von beiden Seiten, von den Guten und den Bösen angewandt, wobei auch hier deutliche graduelle Unterschiede herrschen. Auf die Verfolgung von Straftaten wird interessanterweise verzichtet, die Niederlage der Bösen ist für diese offensichtlich Strafe genug. Die aus der Erfahrungswelt der Kinder stammenden Inhalte der Sendungen und die aktionale Umsetzung durch die graphisch animierten Figuren dienen der Komplexitätsreduzierung und sind damit für die Zielgruppe nachvollziehbar. 167

168 Abschließend sei noch auf altersspezifische Auffälligkeiten bezüglich des Werterepertoires der Figuren der analysierten Sendungen verwiesen. Pflicht- und Akzeptanzwerte werden von der Hauptfigur Rosalie erheblich affirmativer besetzt als von den Neben- oder Folgenfiguren. Durch ihre Rolle als zentrale Figur erfährt dieser Wertepol somit eine Verstärkung. Das hohe Maß der hedonistischen Selbstentfaltung wird auch durch die Altersstruktur der Akteure geprägt. Bei den Kindern, Rosalie, Percey, Malvin, Alicia sowie bei Erwachsenen mittleren Alters, z.b. Gräfin von Zickig, Prinzessin Simsalabim oder den Brüdern Superschlau, haben diese einen beträchtlichen Umfang. Zwischen den unterschiedlichen Rollenträgern der Helfer und Freunde Rosalies bzw. der Täter und Komplizen gibt es jedoch in ihren hedonistischen Absichten erhebliche Unterschiede. Die ersten wollen Spaß und Abenteuer erleben, wodurch ihre Selbstentfaltungswerte für die Zielgruppe der Sendung wesentlich positiver aktualisiert wird, die zweiten streben materiellen Besitz an. Die älteren, die Mutter Scooters, Malcolm, Käpt n Majall/Flint, repräsentieren dagegen eher ideelle Werte und verfügen über ein großes tradiertes Wertepotential, das dem Wertetyp des Konventionalisten entspricht (6%). Durch den wesentlich höheren Anteil der jüngeren Handlungsträger am gesamten Handlungsgeschehen stehen deren Werterepertoires im Mittelpunkt und erfahren so eine stärkere Gewichtung. Betrachtet man das insgesamt in der Sendung exemplifizierte werterelevante Verhalten, die Handlungen und die entsprechenden Aussagen aller analysierten Figuren, so zeigt sich ein nahezu paritätisches Verhältnis zwischen den Wertetypen, die sowohl Pflicht- und Akzeptanz- als auch Selbstentfaltungswerte repräsentieren, also die Realisten (48%) und denen, die eine eher genußspezifische Wertevorstellung (43%) offenbaren, also hedonistische Materialisten. Lediglich 3% der codierten Einheiten lassen sich dem idealistischen Wertetyp zuordnen. 168

169 Wissensrepertoire aller analysierter Figuren (Angaben in %) Die positive Einschätzung der handlungsleitenden Themen und mit Einschränkungen der Personen und deren Wertetransfers erfährt allerdings durch die an heutige (erwachsenen) Sehgewohnheiten angelehnte medienspezifische Präsentation eine erhebliche Einschränkung. Die vielfältigen optischen und akustischen Effekte der Sendungen, die schnellen Schnitte und die durch standardisierte musikalische Einheiten vertiefte Atmosphäre und Stimmung, die die Sinnaussagen ergänzen, suggerieren Action und Dynamik. Die Motive und Hintergründe der komplexen Handlungen werden immer erst nach und nach durch Kommentare und Handlungen erhellt. Das bedeutet, daß der Komplexitätsreduzierung durch handlungsleitende Themen und die Darstellung der Figuren eine umfassende Komplexitätssteigerung durch den Einsatz einer Vielzahl struktureller Invarianten gegenübersteht. Zwar wird durch den Einsatz von zahlreichen exemplarischen Details bei den Figuren versucht, die Wahrnehmungsreize zu reduzieren, doch die sehr hohe Schnittfrequenz, die häufig variierten Einstellungsgrößen und Perspektivenwechsel sowie die umfangreichen Dialoge bzw. Einschübe aus dem Off, vornehmlich von Rosalie, fordern die Wahrnehmung der 6- bis 10jährigen in 169

Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie Baustelle Demokratie Ein Poster-Set zu Politik und Zusammenleben Grundgesetzartikel für den Grundgesetz-Sprint Artikel 1 [Menschenwürde, Menschenrechte, Rechtsverbindlichkeit] (1) Die Würde des Menschen

Mehr

GG 19. Der Film. Die Ausstellung

GG 19. Der Film. Die Ausstellung GG 19 Der Film Die Ausstellung Grundgesetz der BRD Die Grundrechte 1 Die Würde des Menschen ist unantastbar 2 Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit 3 Alle Menschen sind vor

Mehr

Religionsunterricht wozu?

Religionsunterricht wozu? Religionsunterricht wozu? Mensch Fragen Leben Gott Beziehungen Gestalten Arbeit Glaube Zukunft Moral Werte Sinn Kirche Ziele Dialog Erfolg Geld Wissen Hoffnung Kritik??? Kompetenz Liebe Verantwortung Wirtschaft

Mehr

Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der Schule

Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der Schule Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland xms325sw-00.doc Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der

Mehr

Grundrechte. Rechte gegen, durch, im und mit dem Staat Hartmut Vöhringer

Grundrechte. Rechte gegen, durch, im und mit dem Staat Hartmut Vöhringer Grundrechte Rechte gegen, durch, im und mit dem Staat Hartmut Vöhringer Moderne Verfassung Legt rechtliche Grundlagen des Staates fest Enthält Grundwerte und Grundrechte Enthält Leitprinzipien Regelt Staatsorganisation

Mehr

Staatliche Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) Dokumentation einer Unterrichtseinheit (Stand )

Staatliche Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) Dokumentation einer Unterrichtseinheit (Stand ) Staatliche Seminare für Didaktik und Lehrerbildung (Berufliche Schulen) Dokumentation einer Unterrichtseinheit (Stand 01.08.2012) Erläuterung Die folgenden Hinweise beziehen sich auf die Dokumentation

Mehr

Die Verfassungsbeschwerde

Die Verfassungsbeschwerde Die Verfassungsbeschwerde Workshop Demokratische Beteiligung Moritz Klammler (Junge Liberale) moritzklammler@julisde 2732 DA32 C8D0 EEEC A081 BE9D CF6C 5166 F393 A9C0 Karlsruher Schülertage 2017 Das Grundgesetz

Mehr

WS 2008/09 GLIEDERUNG

WS 2008/09 GLIEDERUNG Prof. Dr. S. Muckel STAATSRECHT II. GRUNDRECHTE WS 2008/09 GLIEDERUNG Vorbemerkungen A) Bedeutung der Grundrechte für Studium und Examen B) Gang der Vorlesung C) Literaturhinweise 1 Grundbegriffe zu Grundrechten

Mehr

Leitbild der OS Plaffeien

Leitbild der OS Plaffeien Leitbild der OS Plaffeien Schritte ins neue Jahrtausend Unsere Schule ist Bestandteil einer sich rasch entwickelnden Gesellschaft. Dadurch ist sie laufenden Veränderungs- und Entwicklungsprozessen unterworfen.

Mehr

Gesetzestext (Vorschlag für die Verankerung eines Artikels in der Bundesverfassung)

Gesetzestext (Vorschlag für die Verankerung eines Artikels in der Bundesverfassung) Gesetzestext (Vorschlag für die Verankerung eines Artikels in der Bundesverfassung) Recht auf Bildung Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Bildung soll auf die volle Entfaltung der Persönlichkeit, der

Mehr

Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene

Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene Prof. Dr. Gerd Seidel Handbuch der Grund- und Menschenrechte auf staatlicher, europäischer und universeller Ebene Eine vergleichende Darstellung der Grund- und Menschenrechte des deutschen Grundgesetzes,

Mehr

GRUNDRECHTE. Allgemeine Grundrechtslehre Prüfung der Freiheitsgrundrechte Prüfung der Gleichheitsgrundrechte Verfassungsbeschwerde

GRUNDRECHTE. Allgemeine Grundrechtslehre Prüfung der Freiheitsgrundrechte Prüfung der Gleichheitsgrundrechte Verfassungsbeschwerde Skript Grundfall Klausurfall GRUNDRECHTE Allgemeine Grundrechtslehre Prüfung der Freiheitsgrundrechte Prüfung der Gleichheitsgrundrechte Verfassungsbeschwerde RA Frank Schildheuer 4. Auflage, September

Mehr

Wiesbadener Erklärung

Wiesbadener Erklärung Wiesbadener Erklärung 18. Dezember 2001 Gemeinsame Erziehungsverantwortung in Schule und Elternhaus stärken - 2 - I. Das Hessische Kultusministerium und der Landeselternbeirat von Hessen sehen in der Erziehungsverantwortung

Mehr

LehrplanPLUS Gymnasium Geschichte Klasse 6. Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick. 1. Kompetenzorientierung

LehrplanPLUS Gymnasium Geschichte Klasse 6. Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick. 1. Kompetenzorientierung Gymnasium Geschichte Klasse 6 Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick Der neue Lehrplan für das Fach Geschichte ist kompetenzorientiert ausgerichtet. Damit ist die Zielsetzung verbunden, die Lernenden

Mehr

Kirchliche Kooperationspartner

Kirchliche Kooperationspartner Rahmenvereinbarung zur schulisch-kirchlichen Kooperation zwischen dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs,

Mehr

Gängige Definition des Gegenstandes der Psychologie: Menschliches Erleben und Verhalten (Handeln)

Gängige Definition des Gegenstandes der Psychologie: Menschliches Erleben und Verhalten (Handeln) Zum Gegenstand der Psychologie Psychologie ist die Wissenschaft von den Inhalten und den Vorgängen des geistigen Lebens, oder, wie man auch sagt, die Wissenschaft von den Bewußtseinszuständen und Bewußtheitsvorgängen.

Mehr

Einheit in der Vielfalt

Einheit in der Vielfalt Einheit in der Vielfalt Leitbild des deutschen Sports Stolz auf das Erreichte Unter dem Dach des Deutschen Sportbundes haben Vereine und Verbände in der Bundesrepublik Deutschland eine beispielhafte Sportlandschaft

Mehr

Schulinterner Lehrplan zum Kernlehrplan für die Sek. I des Helmholtz-Gymnasiums Bonn Praktische Philosophie

Schulinterner Lehrplan zum Kernlehrplan für die Sek. I des Helmholtz-Gymnasiums Bonn Praktische Philosophie Schulinterner Lehrplan zum Kernlehrplan für die Sek. I des Helmholtz-Gymnasiums Bonn Praktische Philosophie Oktober 2014 Inhaltsverzeichnis 1 Rahmenbedingungen der fachlichen Arbeit...3 2 Entscheidungen

Mehr

Schulinterner LEHRPLAN PÄDAGOGIK für die Jahrgangsstufe Q2

Schulinterner LEHRPLAN PÄDAGOGIK für die Jahrgangsstufe Q2 UNTERRICHTSVORHABEN THEMENÜBERBLICK JGST. Q2.1 Umfang GK / LK (Wochenstunden) 1. Normen und Werte in der Erziehung 4 / 4 2. Nur LK: Entwicklung von der Ausländerpädagogik zur interkulturellen Pädagogik

Mehr

STAATLICHES SEMINAR FÜR DIDAKTIK UND LEHRERBILDUNG (BERUFLICHE SCHULEN) KARLSRUHE

STAATLICHES SEMINAR FÜR DIDAKTIK UND LEHRERBILDUNG (BERUFLICHE SCHULEN) KARLSRUHE STAATLICHES SEMINAR FÜR DIDAKTIK UND LEHRERBILDUNG (BERUFLICHE SCHULEN) KARLSRUHE Qualitätsstandards für die Beurteilung des fachdidaktischen Kolloquiums und der mündlichen Prüfung in Pädagogik und Pädagogischer

Mehr

Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Katholische Religion Gymnasium August-Dicke-Schule

Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Katholische Religion Gymnasium August-Dicke-Schule Kernlehrplan für die Sekundarstufe II Katholische Religion Gymnasium August-Dicke-Schule Kompetenzbereiche: Sach-, Methoden-, Urteils-, Handlungskompetenz Synopse aller Kompetenzerwartungen Sachkompetenz

Mehr

Selbstverteidigung Digitaler Grundrechte. Schweriner Wissenschaftswoche Workshop und Agata Królikowski akroli.

Selbstverteidigung Digitaler Grundrechte. Schweriner Wissenschaftswoche Workshop und Agata Królikowski akroli. Selbstverteidigung Digitaler Grundrechte Schweriner Wissenschaftswoche Workshop 2014-10-07 und 2014-10-08 Agata Królikowski akroli.de Was Sie heute erwartet Begrüßung (Digitale) Grundrechte Gruppenarbeit:

Mehr

Methoden quantitativer Sozialforschung I - Datenerhebungsmethoden

Methoden quantitativer Sozialforschung I - Datenerhebungsmethoden Methoden quantitativer Sozialforschung I - Datenerhebungsmethoden Einführung in die Thematik Ziele von empirischer Sozialforschung Empirische Sozialforschung bemüht sich darum, soziale Phänomene zu entdecken,

Mehr

Grundrechte (ausgewählte Artikel)

Grundrechte (ausgewählte Artikel) Grundrechte (ausgewählte Artikel) Art 1 Schutz der Menschenwürde (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk

Mehr

Leitbild Bildung des Landkreises Elbe-Elster

Leitbild Bildung des Landkreises Elbe-Elster Leitbild Bildung des Landkreises Elbe-Elster Bildungsleitbild für den Landkreis Elbe-Elster Mit unserem Bildungsleitbild definieren wir die Ziele und setzen den Rahmen für die Gestaltung der Bildungslandschaft

Mehr

Standardisierte Vorgehensweisen und Regeln zur Gewährleistung von: Eindeutigkeit Schlussfolgerungen aus empirischen Befunden sind nur dann zwingend

Standardisierte Vorgehensweisen und Regeln zur Gewährleistung von: Eindeutigkeit Schlussfolgerungen aus empirischen Befunden sind nur dann zwingend Standardisierte Vorgehensweisen und Regeln zur Gewährleistung von: Eindeutigkeit Schlussfolgerungen aus empirischen Befunden sind nur dann zwingend oder eindeutig, wenn keine alternativen Interpretationsmöglichkeiten

Mehr

Kapitel 2, Führungskräftetraining, Kompetenzentwicklung und Coaching:

Kapitel 2, Führungskräftetraining, Kompetenzentwicklung und Coaching: Führungskräftetraining mit Pferden. Können Menschen von Tieren lernen? von Tanja Hollinger 1. Auflage Führungskräftetraining mit Pferden. Können Menschen von Tieren lernen? Hollinger schnell und portofrei

Mehr

Kooperationsvereinbarung

Kooperationsvereinbarung Kooperationsvereinbarung zwischen dem Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs e.v. und dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport über die Bildungsarbeit der öffentlichen Musikschulen an Ganztagsschulen

Mehr

Am Anfang war das Bild. Medienerziehung im Kindergarten am Beispiel der Aktiven Fotoarbeit Molnár

Am Anfang war das Bild. Medienerziehung im Kindergarten am Beispiel der Aktiven Fotoarbeit Molnár Am Anfang war das Bild. Medienerziehung im Kindergarten am Beispiel der Aktiven Fotoarbeit Medienerziehung im Kindergarten am Beispiel der Aktiven Fotoarbeit von Kaj M Molnár 1. Auflage Am Anfang war das

Mehr

Qualifikationsphase (Q1/I) Grundkurs

Qualifikationsphase (Q1/I) Grundkurs Qualifikationsphase (Q1/I) Grundkurs Unterrichtsvorhaben I: Thema: Bin ich oder werde ich gemacht? Eine pädagogische Sicht auf Entwicklung, Sozialisation und Erziehung beschreiben Situationen aus pädagogischer

Mehr

Soziale Kompetenzen als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte

Soziale Kompetenzen als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte Europäische Hochschulschriften 3132 Soziale Kompetenzen als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte von Christine Scheitler 1. Auflage Soziale Kompetenzen als strategischer Erfolgsfaktor für Führungskräfte

Mehr

Erläuterung Mission-Statement: Unser Auftrag Die Mission

Erläuterung Mission-Statement: Unser Auftrag Die Mission Unser Auftrag Wir fördern die ganzheitliche Entwicklung von jungen Menschen zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten durch ein Wertesystem, das auf Gesetz und Versprechen der Pfadfinder und Pfadfinderinnen

Mehr

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kinderrechte: Entstehung, Inhalt, Notwendigkeit und Durchsetzung

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kinderrechte: Entstehung, Inhalt, Notwendigkeit und Durchsetzung Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form Auszug aus: Kinderrechte: Entstehung, Inhalt, Notwendigkeit und Durchsetzung Das komplette Material finden Sie hier: School-Scout.de SCHOOL-SCOUT

Mehr

Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität Konzept-, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität PD Dr. Rainer Strobl Universität Hildesheim Institut für Sozialwissenschaften & proval Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Analyse, Beratung und

Mehr

Städtisches Gymnasium Borghorst Qualifikationsphase (Q1) Grundkurs Inhaltsfelder:

Städtisches Gymnasium Borghorst Qualifikationsphase (Q1) Grundkurs Inhaltsfelder: Qualifikationsphase (Q1) Grundkurs Inhaltsfelder: - Entwicklung, Sozialisation und Erziehung - Identität - Werte, Normen und Ziele in Erziehung und Bildung - Pädagogische Professionalisierung in verschiedenen

Mehr

Bernd Schorb, Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft eine notwendige und problematische Verbindung.

Bernd Schorb, Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft eine notwendige und problematische Verbindung. Bernd Schorb, Medienpädagogik und Kommunikationswissenschaft eine notwendige und problematische Verbindung. Exposé aus Medienpädagogik Themenfeld Wechselverhältnis Medientheorie Medienpädagogik Artikel

Mehr

Der Bezug zur Trägerschaft Der eigene Glauben Die Gestaltung religiöser Bildung und Erziehung

Der Bezug zur Trägerschaft Der eigene Glauben Die Gestaltung religiöser Bildung und Erziehung Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 15 1.1 Forschungsanliegen und Verortung der Thematik.... 15 1.2 Religion in der Elementarpädagogik - Stand der Forschung und Theoriebildung... 18 1.3 Aufbau und Gliederung....28

Mehr

Rekonstruktionen interkultureller Kompetenz

Rekonstruktionen interkultureller Kompetenz Kolloquium Fremdsprachenunterricht 56 Rekonstruktionen interkultureller Kompetenz Ein Beitrag zur Theoriebildung Bearbeitet von Nadine Stahlberg 1. Auflage 2016. Buch. 434 S. Hardcover ISBN 978 3 631 67479

Mehr

BILDUNGSPLAN 2015 AUS RECHTLICHER PERSPEKTIVE P R O F E S S O R D R. U L R I C H P AL M

BILDUNGSPLAN 2015 AUS RECHTLICHER PERSPEKTIVE P R O F E S S O R D R. U L R I C H P AL M BILDUNGSPLAN 2015 AUS RECHTLICHER PERSPEKTIVE P R O F E S S O R D R. U L R I C H P AL M GLIEDERUNG DES VORTRAGS 1. Akzeptanz sexueller Vielfalt in der Bildungsplanreform 2. Prüfungsmaßstab des Bildungsplans

Mehr

Berufsethik als normative Theorie für die Praxis

Berufsethik als normative Theorie für die Praxis Berufsethik als normative Theorie für die Praxis Berufskongress 2016 Berlin Dr. Winfried Leisgang, Landesvorsitzender Bayern Prof. Dr. Verena Begemann, HS Hannover Übersicht 1. Berufsethische Prinzipien

Mehr

Fragen und Antworten zur Thüringer Gemeinschaftsschule

Fragen und Antworten zur Thüringer Gemeinschaftsschule www.tmbjs.de Fragen und Antworten zur Thüringer Gemeinschaftsschule Stand: Januar 2015 1. Wie muss an der Gemeinschaftsschule ab der Klassenstufe 5 bezüglich der Lehrpläne und Anspruchsebenen unterrichtet

Mehr

Evangelische Religionspädagogik, Religion

Evangelische Religionspädagogik, Religion Lehrplaninhalt Vorbemerkung Die religionspädagogische Ausbildung in der FS Sozialpädagogik ermöglicht es den Studierenden, ihren Glauben zu reflektieren. Sie werden befähigt, an der religiösen Erziehung

Mehr

Begriffsdefinitionen

Begriffsdefinitionen Begriffsdefinitionen Sozialisation: Unter Sozialisation versteht man die Entstehung und Bildung der Persönlichkeit aufgrund ihrer Interaktion mit einer spezifischen materiellen, kulturellen und sozialen

Mehr

Rezension zum Aufsatz von Wolfgang Klafki: "Studien zur Bildungstheorie und Didaktik"

Rezension zum Aufsatz von Wolfgang Klafki: Studien zur Bildungstheorie und Didaktik Pädagogik Simone Strasser Rezension zum Aufsatz von Wolfgang Klafki: "Studien zur Bildungstheorie und Didaktik" Rezension / Literaturbericht Rezension zum Aufsatz von Wolfang Klafki: Studien zur Bildungstheorie

Mehr

Bildungsplan 2016: Die Leitperspektive BTV. Bildungsplan Die Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)

Bildungsplan 2016: Die Leitperspektive BTV. Bildungsplan Die Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) Bildungsplan 2016 Die Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV) Gliederung Vorbemerkung: Die doppelte Funktion eines Bildungsplans 1. Wofür eigentlich Leitperspektiven? 2. Die

Mehr

Städtisches Gymnasium Borghorst Qualifikationsphase (Q1) Leistungskurs Inhaltsfelder:

Städtisches Gymnasium Borghorst Qualifikationsphase (Q1) Leistungskurs Inhaltsfelder: Qualifikationsphase (Q1) Leistungskurs Inhaltsfelder: - Entwicklung, Sozialisation und Erziehung - Identität - Werte, Normen und Ziele in Erziehung und Bildung - Pädagogische Professionalisierung in verschiedenen

Mehr

Implementationsmaterialien zum Lehrplan Mathematik Grundschule

Implementationsmaterialien zum Lehrplan Mathematik Grundschule Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein - Westfalen Implementationsmaterialien zum Lehrplan Mathematik Grundschule 2008 Vergleich Lehrplan Mathematik 2003 Lehrplan Mathematik 2008

Mehr

Unser Leitbild. Caritasverband Rhein-Wied-Sieg e.v. Geschäftsstelle Neuwied

Unser Leitbild. Caritasverband Rhein-Wied-Sieg e.v. Geschäftsstelle Neuwied Geschäftsstelle Neuwied Vorwort ist in einem intensiven Prozess erarbeitet worden, an dem alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitwirken konnten. bestimmt unser Handeln im Heute und im Morgen. Es will

Mehr

Lebenswerte Gesellschaft

Lebenswerte Gesellschaft Thomas Bulmahn Lebenswerte Gesellschaft Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit im Urteil der Bürger Westdeutscher Verlag Inhalt 1 Einleitung....... 13 1.1 Hintergrund: Die lebenswerte Gesellschaft 13 1.2

Mehr

Grundlagen der Unterrichtsgestaltung

Grundlagen der Unterrichtsgestaltung 5 Inhalt Einführung...11 Grundlagen der Unterrichtsgestaltung 1 Komponenten von Unterricht...17 1.1 Einleitende Hinweise und Fragestellungen... 17 1.2 Grundlegende Informationen... 19 1.2.1 Eine traditionsreiche

Mehr

Qualifikationsphase (Q1) - GRUNDKURS. Unterrichtsvorhaben II:

Qualifikationsphase (Q1) - GRUNDKURS. Unterrichtsvorhaben II: Schulinterner Lehrplan für das Fach Pädagogik Leibniz-Gymnasium Dortmund Qualifikationsphase (Q1) - GRUNDKURS Unterrichtsvorhaben I: Thema: Wer ist Papis Frau? Pädagogisches Handeln auf der Grundlage des

Mehr

Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Wissenschaftstheoretische Grundlagen Wissenschaftstheoretische Grundlagen Wissenschaftstheorie: Lehre von der Vorgehensweise bei der wissenschaftlichen Tätigkeit (Methodologie) Wissenschaftstheorie ist der Sammelbegriff für alle metawissenschaftlichen

Mehr

5. Grundlegende Arbeitsprinzipien

5. Grundlegende Arbeitsprinzipien Inhalt 1. Leitbild und Zielrichtungen 1.1. Leitbild 1.2. Allgemeine Zielrichtungen 2. Rahmenbedingungen 2.1. Orte 2.2. Zeiten 2.3. Personelle Strukturen 3. Zielgruppen 4. Zielsetzungen 5. Grundlegende

Mehr

Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung

Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung Hans-Joachim Hausten Allgemeinbildung und Persönlichkeitsentwicklung Ein Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Pädagogik PETER LANG Frankfurt am Main Berlin Bern Bruxelles New York Oxford Wien Inhaltsverzeichnis

Mehr

Reale Gewalt - Mediale Gewalt

Reale Gewalt - Mediale Gewalt Reale Gewalt - Mediale Gewalt Förderung der Konfliktlösungsfahigkeit von Schülern im Rahmen der moralischen Erziehung Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines Interventionsprogramms zur gewaltfreien

Mehr

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, meine sehr verehrten Damen und Herrn, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, meine sehr verehrten Damen und Herrn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Entscheiden, was richtig ist Menschen brauchen Werte Grußwort Michael Löher, Vorstand, Deutscher Verein Sehr geehrter Herr Staatssekretär, meine sehr verehrten Damen und Herrn, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Mehr

Inhalte des Vortrags:

Inhalte des Vortrags: Inhalte des Vortrags: - Aufzeigen der potentiellen Möglichkeiten der Wirkungen des Fernsehens auf Prozesse der Integration - Relevante Forschungsergebnisse/ Theorien der Medienwirkungsforschung - Ausblick/Perspektiven/Potenziale

Mehr

Grundlagen für den Religionsunterricht und den Ethikunterricht im Land Sachsen- Anhalt

Grundlagen für den Religionsunterricht und den Ethikunterricht im Land Sachsen- Anhalt Grundlagen für den Religionsunterricht und den Ethikunterricht im Land Sachsen- Anhalt 1. Gemäß Artikel 7 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland und Artikel 27 Abs. 3 Satz 1

Mehr

Inhaltsverzeichnis. Seite

Inhaltsverzeichnis. Seite Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort zur 3. Auflage... V Vorwort zur 1. Auflage...VII Inhaltsverzeichnis... IX Verzeichnis der allgemeinen Grundrechtslehren... XIII Bibliografie und Recherche... XV Kapitel

Mehr

Bilderbuchlesarten von Kindern

Bilderbuchlesarten von Kindern Bilderbuchlesarten von Kindern Neue Erzählformen im Spannungsfeld von kindlicher Rezeption und Produktion Bearbeitet von Alexandra Ritter 1. Auflage 2017. Taschenbuch. 304 S. Paperback ISBN 978 3 8340

Mehr

Kunst- und Kulturgeschichte

Kunst- und Kulturgeschichte Leistungs- und Lernziele im Fach Kunst- und Kulturgeschichte (Wahlpflichtfach) 01.08.2008 1. Allgemeine Bildungsziele Zentral im Fach Kunst- und Kulturgeschichte ist einerseits die Auseinandersetzung mit

Mehr

Qualitäts-Leitbild der Kreisschule Lotten (eingesetzt am 13. Februar 2006; überarbeitet Februar 2015)

Qualitäts-Leitbild der Kreisschule Lotten (eingesetzt am 13. Februar 2006; überarbeitet Februar 2015) SCHULLEITUNG Qualitäts-Leitbild der Kreisschule Lotten (eingesetzt am 13. Februar 2006; überarbeitet Februar 2015) Inhaltsverzeichnis 1. Gemeinsame pädagogische Haltung 2. Identifikation mit der Schule

Mehr

Q 1 1. Eine pädagogische Sicht auf Modelle psychosexueller und psychosozialer Entwicklung: Freud und Erikson

Q 1 1. Eine pädagogische Sicht auf Modelle psychosexueller und psychosozialer Entwicklung: Freud und Erikson Q 1 1 Thema Eine pädagogische Sicht auf Modelle psychosexueller und psychosozialer Entwicklung: Freud und Erikson Inhaltliche Schwerpunkt Sozialisation und in der Familie Unterschiedliche Verläufe von

Mehr

zu überprüfen und zu präzisieren. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund:

zu überprüfen und zu präzisieren. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund: 1. Einleitung Die Beschreibung und kritische Beurteilung von Alltagsargumentation wird durch das Wissen um häufig gebrauchte Denk- und Schlussmuster in einer Gesellschaft erleichtert. Abseits formal gültiger

Mehr

Die Textilbranche als Teil der Konsumgesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung: Eine Analyse. Bachelorarbeit

Die Textilbranche als Teil der Konsumgesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung: Eine Analyse. Bachelorarbeit Die Textilbranche als Teil der Konsumgesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung: Eine Analyse Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Science (B. Sc.) im Studiengang Wirtschaftswissenschaft

Mehr

Informationen zum Unterrichtsfach Pädagogik / Erziehungswissenschaften

Informationen zum Unterrichtsfach Pädagogik / Erziehungswissenschaften Pädagogik Informationen zum Unterrichtsfach Pädagogik / Erziehungswissenschaften 1. Allgemeines zum Fach 2. Gegenstand des erziehungswissenschaftlichen Unterrichts 3. Ziele des Unterrichtsfaches 4. Inhaltliche

Mehr

Volker Epping. Grundrechte. In Zusammenarbeit mit Sebastian Lenz und Philipp Leydecker. Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage.

Volker Epping. Grundrechte. In Zusammenarbeit mit Sebastian Lenz und Philipp Leydecker. Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage. Volker Epping Grundrechte In Zusammenarbeit mit Sebastian Lenz und Philipp Leydecker Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage 4Q Springer Seite Vorwort zur 2. Auflage V Vorwort zur 1. Auflage ; VII

Mehr

Sicherheitswahrnehmungen im 21. Jahrhundert. Eine Einführung. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jörg Albrecht

Sicherheitswahrnehmungen im 21. Jahrhundert. Eine Einführung. Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jörg Albrecht Sicherheitswahrnehmungen im 21. Jahrhundert Eine Einführung Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Jörg Albrecht 1 Sicherheit 2009 Einleitung Ausgangspunkt Stellung der Sicherheit in modernen Gesellschaften Risiko, Gefahr

Mehr

Schulinternes Curriculum Katholische Religionslehre Jahrgangsstufe EF

Schulinternes Curriculum Katholische Religionslehre Jahrgangsstufe EF Unterrichtsvorhaben A: Woran glaubst du? religiöse Orientierung in unserer pluralen Gesellschaft Inhaltsfeld 1: Der Mensch in christlicher Perspektive Inhaltliche Schwerpunkte: Religiosität in der pluralen

Mehr

16. Wahlperiode Drucksache 16/

16. Wahlperiode Drucksache 16/ Bayerischer Landtag 16. Wahlperiode Drucksache 16/11629 27.03.2012 Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Inge Aures SPD vom 16.01.2012 Pädagogische Betreuung für Schüler aus Familien mit Migrationshintergrund

Mehr

Die Menschenrechte eine bildliche Umsetzung (9.3)

Die Menschenrechte eine bildliche Umsetzung (9.3) Die Menschenrechte eine bildliche Umsetzung (9.3) Jahrgangsstufe 9 Fach/Fächer Übergreifende Bildungsund Erziehungsziele Zeitrahmen Benötigtes Material Ethik Werteerziehung, Soziales Lernen, Politische

Mehr

AM ANFANG WAR DAS BILD

AM ANFANG WAR DAS BILD Kaj-Magdalena Molnar AM ANFANG WAR DAS BILD Medienerziehung im Kindergarten am Beispiel der Aktiven Fotoarbeit ibidem-ver\ag Stuttgart Inhaltsverzeichnis Vorwort 11 I. Einfiihrung 14 II. Erkenntnisse der

Mehr

Methoden der Psychologie Dr. Z. Shi Wiss. Arbeiten

Methoden der Psychologie Dr. Z. Shi Wiss. Arbeiten Methoden der Psychologie 14.12.2016 Dr. Z. Shi Wiss. Arbeiten Tree of Knowledge 1. Quantitative vs. Qualitative Forschung 2. Subjektive vs. Objektive Messverfahren 3. Gütekriterien 1. Objektivität 2. Validität

Mehr

Gemeinschaftsschule Zukunft gestalten. Norbert Zeller Leiter der Stabsstelle Gemeinschaftsschulen, Schulmodelle, Inklusion

Gemeinschaftsschule Zukunft gestalten. Norbert Zeller Leiter der Stabsstelle Gemeinschaftsschulen, Schulmodelle, Inklusion Gemeinschaftsschule Zukunft gestalten Leiter der Stabsstelle Gemeinschaftsschulen, Schulmodelle, Inklusion Gemeinschaftsschule für alle Kinder sind unterschiedlich länger gemeinsam lernen voneinander und

Mehr

Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe Politik und Wirtschaft. Analysekompetenz (A)

Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe Politik und Wirtschaft. Analysekompetenz (A) Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe Politik und Wirtschaft Matrix Kompetenzanbahnung Kompetenzbereiche, Bildungsstandards und Themenfelder Durch die Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Aspekten der

Mehr

Übergang Kindergarten- Grundschule. Eva Hammes-Di Bernardo Saarbrücken

Übergang Kindergarten- Grundschule. Eva Hammes-Di Bernardo Saarbrücken Übergang Kindergarten- Grundschule Eva Hammes-Di Bernardo Saarbrücken Kindertageseinrichtungen sind laut Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG des 8. Sozialgesetzbuches Einrichtungen zur Erziehung, Bildung

Mehr

Interkulturelle Kompetenz

Interkulturelle Kompetenz Seminar: Interkulturelle Kompetenz P. Buchwald WS 08 09 Seminar Interkulturelle Kompetenz WS 0809 Folie 1 Buchwald Ziel des Seminars Ihre interkulturelle Kompetenz im Umgang mit Schülern und Kollegen aus

Mehr

Rezension zu Helsper/Krüger: Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft

Rezension zu Helsper/Krüger: Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft Pädagogik Christian Hochmuth Rezension zu Helsper/Krüger: Einführung in Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft Rezension / Literaturbericht Technische Universität Dresden Fakultät Erziehungswissenschaften

Mehr

Erziehungswissenschaft

Erziehungswissenschaft Schulinterner Lehrplan des Gymnasium Leopoldinum zum Kernlehrplan für die gymnasiale Oberstufe Erziehungswissenschaft Qualifikationsphase (Q1) GRUNDKURS Unterrichtsvorhaben I: Thema: Jedes Kind ein Einstein?

Mehr

Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife. Einführung, Überblick und Ausblick

Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife. Einführung, Überblick und Ausblick Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife Einführung, Überblick und Ausblick 1 Gliederung Verwandtschaft! Standortbestimmung: Diskursfähigkeit!

Mehr

Fragestellung Fragestellungen

Fragestellung Fragestellungen Fragestellung 107 7 Fragestellungen Im Fokus dieser Studie steht die Frage, welche Auswirkungen individualisierte Rückmeldungen über den aktuellen Cholesterin- und Blutdruckwert auf die Bewertung der eigenen

Mehr

Pflegeheim Am Nollen Gengenbach

Pflegeheim Am Nollen Gengenbach Pflegeheim Am Nollen Gengenbach Geplante Revision: 01.06.2018 beachten!!! Seite 1 von 7 Unsere Gedanken zur Pflege sind... Jeder Mensch ist einzigartig und individuell. In seiner Ganzheit strebt er nach

Mehr

Stadtkinder und Naturerleben

Stadtkinder und Naturerleben Tabea Schwegler Stadtkinder und Naturerleben Waldpädagogik als Chance Tectum Verlag Tabea Schwegler Stadtkinder und Naturerleben. Waldpädagogik als Chance 2., leicht veränderte Auflage ISBN: 978-3-8288-9720-5

Mehr

Deutsches Staatsrecht

Deutsches Staatsrecht Ausgabe 2008-07 Deutsches Staatsrecht Grundrechte Grundrechte, Grundpflichten, Menschenrechte Als Grundrechte bezeichnet man ein System von Rechten, die der Einzelne kraft seiner Natur als freigeborener

Mehr

Beobachtung und fachliche Reflexion von Kindverhalten

Beobachtung und fachliche Reflexion von Kindverhalten Beobachtung und fachliche Reflexion von Kindverhalten In der öffentlichen Diskussion über Notwendigkeit und Richtung einer Reform der frühpädagogischen Praxis in Kindertageseinrichtungen stehen zurzeit

Mehr

Die Beziehung zwischen werbungtreibendem Unternehmen und Werbeagentur

Die Beziehung zwischen werbungtreibendem Unternehmen und Werbeagentur Dirk Schachtner Die Beziehung zwischen werbungtreibendem Unternehmen und Werbeagentur Theoretische Systematisierung und empirische Überprüfung eines Prinzipal-Agenten-Modells Mit einem Geleitwort von Prof.

Mehr

Begabungsförderung und Bildung in einer Schule für Alle

Begabungsförderung und Bildung in einer Schule für Alle Begabungsförderung und Bildung in einer Schule für Alle Eine Studie zur schulischen Inklusion autistischer Kinder Bearbeitet von Christina Schenz, Axel Schenz, Karin Weber, Albert Berger 1. Auflage 2012.

Mehr

Pädagogik/Psychologie Lehrplan für das Ergänzungsfach

Pädagogik/Psychologie Lehrplan für das Ergänzungsfach Kantonsschule Zug l Gymnasium Pädagogik/Psychologie Ergänzungsfach Pädagogik/Psychologie Lehrplan für das Ergänzungsfach A. Stundendotation Klasse 1. 2. 3. 4. 5. 6. Wochenstunden 0 0 0 0 0 5 B. Didaktische

Mehr

DaF-Lehrwerke aus Sicht algerischer Germanistikstudenten

DaF-Lehrwerke aus Sicht algerischer Germanistikstudenten Germanistik Mohamed Chaabani DaF-Lehrwerke aus Sicht algerischer Germanistikstudenten Wissenschaftlicher Aufsatz 1 DaF-Lehrwerke aus Sicht algerischer Germanistikstudenten Chaabani Mohamed Abstract Die

Mehr

Kapitel 25 Checklisten für die Beurteilung psychologischer Gutachten durch Fachfremde

Kapitel 25 Checklisten für die Beurteilung psychologischer Gutachten durch Fachfremde Kapitel 25 Checklisten für die Beurteilung psychologischer Gutachten durch Fachfremde Westhoff, K. & Kluck, M.-L. (2008 5 ). Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen. Heidelberg: Springer. GH

Mehr

Personalmanagement und Kreativität von Unternehmen

Personalmanagement und Kreativität von Unternehmen Georg Bonn Personalmanagement und Kreativität von Unternehmen Der Einfluss von personalpolitischen Maßnahmen auf die Innovationsfähigkeit Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Rüdiger G. Klimecki A 234729

Mehr

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form Auszug aus: Bildungsstandards Deutsch / Mathematik - 7. - 10. Klasse - Jahrgangsstufentests Das komplette Material finden Sie hier: School-Scout.de

Mehr

Green Line Band 3 (G9) Synopse mit dem neuen Kerncurriculum am Gymnasium des Landes Hessen 2011 für die Klasse 7

Green Line Band 3 (G9) Synopse mit dem neuen Kerncurriculum am Gymnasium des Landes Hessen 2011 für die Klasse 7 Green Line Band 3 (G9) Synopse mit dem neuen Kerncurriculum am Gymnasium des Landes Hessen 2011 für die Klasse 7 Vorbemerkung Green Line 3 (G9) der 3. Band einer neu konzipierten Lehrwerksgeneration für

Mehr

Entstehung und Verlauf des Forschungsprojekts...7

Entstehung und Verlauf des Forschungsprojekts...7 Inhaltsverzeichnis 1. Entstehung und Verlauf des Forschungsprojekts...7 2. Der Elternfragebogen... 10 2.1 Das methodische Vorgehen... 10 2.2 Die Ergebnisse des Elternfragebogens... 12 2.2.1 Trägerschaft

Mehr

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form Auszug aus: Ich muss wissen, was ich machen will... - Ethik lernen und lehren in der Schule Das komplette Material finden Sie hier: School-Scout.de

Mehr

Menschenrechtsbildung mit Jugendlichen Karteikarten für den Workshopeinsatz

Menschenrechtsbildung mit Jugendlichen Karteikarten für den Workshopeinsatz Menschen? Rechte? Unverzichtbar. Menschenrechtsbildung mit Jugendlichen Karteikarten für den Workshopeinsatz www.hausderdemokratie.de/unverzichtbar KR 1 Jeder junge Mensch hat das Recht nicht in Armut

Mehr

Annekathrin Richter. Erfolgsfaktoren für die. interkulturelle Zusammenarbeit. in Deutschland, Singapur. und den USA

Annekathrin Richter. Erfolgsfaktoren für die. interkulturelle Zusammenarbeit. in Deutschland, Singapur. und den USA Annekathrin Richter Erfolgsfaktoren für die interkulturelle Zusammenarbeit in Deutschland, Singapur und den USA Eine empirische Analyse am Beispiel eines internationalen Unternehmens mit Hauptsitz in Deutschland

Mehr

AWO pro:mensch. Kinder betreuen. Familien beraten.

AWO pro:mensch. Kinder betreuen. Familien beraten. AWO pro:mensch. Kinder betreuen. Familien beraten. Unsere Kindertagesstätten. Profil l Konzept l Leitbild Spielen. Lernen. Leben. Was ein Kind in seinen ersten Lebensjahren lernt, ist von großer Bedeutung

Mehr

Arbeitshilfe zur Erstellung einer pädagogischen Konzeption

Arbeitshilfe zur Erstellung einer pädagogischen Konzeption LWL-Landesjugendamt Westfalen LVR-Landesjugendamt Rheinland Arbeitshilfe zur Erstellung einer pädagogischen Konzeption für Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen Orientierungshilfe zur Umsetzung

Mehr