Verbesserung der Prognose von Zahlungsplänen durch Multimodell-Filterung und 4-Stufen-Risikosimulation
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- Günther Fuchs
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1 Verbesserung der Prognose von Zahlungsplänen durch Multimodell-Filterung und 4-Stufen-Risikosimulation Christian Flemming 1 & Sebastian Fuchs 2 1 Institut für Baubetriebswesen, Technische Universität Dresden 2 Institut für Bauinformatik, Technische Universität Dresden Kurzfassung: Bauvorhaben stellen Investitionsprojekte dar, die durch einen hohen Umfang der eingesetzten finanziellen Mittel gekennzeichnet sind. Durch eine frühe Kenntnis der möglichen Zahlungsströme für die Phase der Bauausführung kann der Finanzierungsplan des Projektes optimiert und damit die Finanzierungskosten verringert werden. Dieser Beitrag zeigt, wie durch eine Verknüpfung des Bauablaufplans und des Leistungsverzeichnisses in einem Multimodell eine Prognose der Abschlagszahlungen für die zu erbringende Bauleistung ermöglicht wird. Diese Prognose wird durch eine Risikobetrachtung erweitert, um zusätzlich die Kosten für eingetretene Risiken berücksichtigen zu können. 1 Motivation Bauvorhaben sind in der Regel durch eine lange Projektlaufzeit und einen hohen Kapitaleinsatz charakterisiert. Diese beiden Faktoren bieten ein hohes Optimierungspotenzial zur Senkung der Finanzierungskosten des Projektes. Liegt ein Zahlungsplan vor, der zum Beispiel eine gute Prognose der monatlichen Abschlagszahlungen enthält, lässt sich der Finanzierungsplan des Projektes darauf ausrichten. Die Finanzierungsplanung soll zum einen die Liquidität während der Projektlaufzeit sicherstellen. Zum anderen sollen aber auch die Finanzierungskosten (auch: Kapitalkosten) des Projektes minimiert werden (Kalusche 2012, Möller 2007). Diese
2 beiden Aufgaben stehen sich in einem Zielkonflikt gegenüber. Eine Anhebung der Liquidität und somit des verfügbaren Projektbudgets führt zu einer Erhöhung der Finanzierungskosten. Eine Senkung der Finanzierungskosten ist mit einer Verringerung der Liquidität und des verfügbaren Projektbudgets verbunden. Eine geringere Liquidität erhöht die Gefahr von Budgetüberschreitungen, die wiederum zu einer Nachfinanzierung mit höheren Finanzierungskosten oder zur Zahlungsunfähigkeit führen. Eine Lösung für diesen Zielkonflikt lässt sich durch eine Verbesserung der Prognose für den Zahlungsplan erreichen, um ein Optimum zwischen notwendigem Projektbudget und Finanzierungskosten zu finden. Dieser Beitrag beschreibt eine Kombination von zwei Methoden, die zu einer verbesserten Prognose für die Ermittlung des Zahlungsplanes führen sollen. Die erste Methode stellt eine Filterung aus einem Multimodell dar. Ein Multimodell ist eine Verknüpfung verschiedener Einzelmodelle wie Bauwerksmodell, Bauablaufplan, Leistungsverzeichnis, Risikoliste etc. zu einer gemeinsamen Informationsressource (Schapke & Fuchs 2011). Durch die Entwicklung von Multimodell- Filterverfahren lassen sich Informationen gewinnen, die aus zwei oder mehreren Einzelmodellen stammen. In diesem Beitrag wird ein Filterverfahren entwickelt, mit dem für jeden Zeitraum (zum Beispiel Monate) angegeben werden kann, welche Bauleistungen entsprechend des Bauablaufplans hergestellt werden sollen und damit zu einer Auszahlung führen werden. Die zweite Methode erweitert die Ermittlung des Zahlungsplanes um eine Risikobetrachtung. Eingetretene Risiken können zu Mehrkosten und damit zu einer Überschreitung des Projektbudgets führen. Die verschiedenen Risiken können dabei zu unterschiedlichen Zeitpunkten eintreten und somit zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu Mehrkosten führen. Zum Beispiel können Erdbaurisiken wie Findlinge im Baugrund nur während der Herstellung der Baugrube, nicht jedoch in der Rohbauoder Ausbauphase eintreten. Mithilfe einer vierstufigen Risikosimulation zur Simulation des Eintritts, der Häufigkeit, des Zeitpunktes und der Kosten von Risiken kann die Berechnung der Risikokosten in die Ermittlung des Zahlungsplanes integriert werden (Flemming 2012a). Damit erfolgt ein weiterer Schritt zur Optimierung der Finanzierungskosten, da zum Beispiel im ersten Monat kein Risikobudget für Risiken vorgehalten werden muss, die erst im zehnten Monat eintreten können. Dieser Beitrag richtet sich an Auftraggeber, die bei einem Einheitspreisvertrag einen oder mehrere Auftragnehmer beauftragen, aber auch an Auftragnehmer, die zum Beispiel als Generalunternehmer eine schlüsselfertige Leistung anbieten und eine Liquiditäts- und Finanzierungsplanung mit den Einzahlungen vom Auftraggeber und den Auszahlungen an die Subunternehmer durchführen. 2 Anforderungen an die Prognose eines Zahlungsplanes Die Auszahlungen des Auftraggebers an die bauausführenden Unternehmen resultieren aus den Kosten für die abrechenbare Bauleistung und den zusätzlichen Kosten für eingetretene Risiken.
3 Die Vergütung der Bauleistung erfolgt in der Regel über Abschlagszahlungen. Abschlagszahlungen bilden einen Interessenausgleich zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber. Der Auftragnehmer möchte damit seine Liquidität sicherstellen und den Vorfinanzierungsaufwand verringern. Der Auftraggeber möchte dagegen nur eine erbrachte Leistung, die seinem Wertzuwachs entspricht, vergüten. Die Grundlage für die Berechnung der Abschlagszahlungen sollen objektiv messbare Größen darstellen (Güntzer & Hammacher 2007). Im Bauwesen werden hierfür die abrechenbaren Mengen der Teilleistungen gewählt. Es wird somit nach Baufortschritt vergütet. Die Kosten aufgrund von Risiken werden vergütet, wenn das Risiko eingetreten ist und dadurch ein Nachtrag mit einem vorhandenen Auftragnehmer oder ein neuer Auftrag mit einem weiteren Auftragnehmer notwendig wird. Für diesen Beitrag sollen monatliche Abschlagszahlungen angenommen werden. Weiterhin sollen mit der Auszahlung im aktuellen Monat die angefallenen Kosten des Vormonats vergütet werden. Es existiert somit ein zeitlicher Versatz von einem Monat. Für die individuelle Anwendung können natürlich ein anderer zeitlicher Versatz und eine andere Anzahl von Abschlagszahlungen definiert werden. Die Zahlung Z i im Monat i ergibt sich bei einem zeitlichen Versatz von einem Monat nach Formel 1 wie folgt: J Z i = (m j,i 1 p j ) + R i 1 j=1 für i ϵ [1, 2,, n+1] mit: m j,i.. Menge der Teilleistung j im Monat i p j R i n.. Preis der Teilleistung j.. Risikokosten im Monat i.. Bauzeit in Monaten Formel 1: Berechnung der Auszahlung Z i Der Parameter m j,i beschreibt die Menge oder Teilmenge einer Teilleistung, die im Monat i hergestellt werden soll. Zum Beispiel kann die Herstellung einer Schalung mit einer Fläche von 300 m² teilweise (z. B. 60 m²), vollständig (= 300 m²) oder gar nicht (= 0 m²) im Monat i erfolgen. Die Menge m j,i wird mit dem Einheitspreis der Teilleistung p j multipliziert, um die Vergütung für diese Teilleistung zu berechnen. Diese Rechnung wird für alle Teilleistungen 1 bis J des Leistungsverzeichnisses durchgeführt, um den Gesamtbetrag für die hergestellte Bauleistung zu erhalten. Zu diesem Betrag kommen die Kosten für eingetretene Risiken hinzu, wenn das Risiko im Monat i eingetreten ist. Diese Kosten werden dann im Folgemonat ausgezahlt. Zum Beispiel werden die Kosten, die in Monat 4 angefallen sind, in Monat 5 ausgezahlt. In der Formulierung der Formel 1 ausgedrückt, bedeutet das, dass im Monat 5 die Kosten ausgezahlt werden, die in Monat 5 1 = 4 angefallen sind.
4 Bei einer Bauzeit von n vielen Monaten (z. B. 14 Monaten) und einem zeitlichen Versatz von einem Monat müssen n + 1 viele Monate, also = 15 Monate, betrachtet werden, wobei der erste Monat keine Auszahlung aufweisen kann, da es keinen Vormonat gibt. Bei einem zeitlichen Versatz von 3 Monaten müssten entsprechend = 17 Monate betrachtet werden. Für die Prognose des Zahlungsplanes muss somit ermittelt werden, in welchem Monat welche Mengen oder Teilmengen der verschiedenen Teilleistungen hergestellt werden, um daraus die möglichen Auszahlungen des Auftraggebers zu einem bestimmten Zeitpunkt (zum Beispiel Monatsende des Folgemonat) an den Auftragnehmer ableiten zu können. Weiterhin muss bestimmt werden, in welchen Monaten (zum Beispiel Monat 7 bis Monat 10) die einzelnen Risiken eintreten können. Diese Informationen werden durch eine Multimodell-basierte Filterung aus der Verknüpfung des Bauablaufplans und des Leistungsverzeichnisses sowie aus einer Verknüpfung des Bauablaufplans und der Risikoliste gewonnen. 3 Filterung aus dem Multimodell Die Bereitstellung der Informationen zur Erstellung des Zahlungsplans erfolgt über ein Multimodell. Bauwerksmodell, Bauablaufplan, Leistungsverzeichnis und Risikoliste werden zu einer gemeinsamen Ressource gebündelt. Zusätzlich werden einzelne Elemente dieser Fachmodelle in externen Linkmodellen explizit verknüpft. Das Konzept der Multimodelle bietet Lösungsansätze für strukturelle Probleme der nd-modellierung in Bauinformationsprozessen. Da die Fachmodelle unberührt bleiben, wird eine lose und temporäre Kopplung ermöglicht. Durch den Verzicht auf ein führendes oder integrierendes Datenschema werden keine Transformationsprozesse benötigt, können etablierte und heute übliche Datenformate weitergenutzt und verlinkte Fachmodelle neutral ausgetauscht werden. Solche verknüpften Daten bieten einen informationellen Mehrwert gegenüber alleinstehenden Fachmodellen. Zusammengehörende Informationen können über die persistenten Links automatisch ausgewertet werden, anstelle manuell vom Menschen immer wieder flüchtig neu zugeordnet werden zu müssen. Somit erscheint das Multimodell gegenüber einem Benutzer wie ein einziger abgeschlossener Informationsraum. Dies ermöglicht neuartige Filtermethoden. Informationen eines Fachmodells können durch die Verlinkung mit weiteren Fachmodellen auch über die Kriterien dieser anderen Fachmodelle gefiltert werden. Katranuschkov et al. (2010) zeigen dies am Beispiel von Bauwerksmodellen. Zur Erstellung des Zahlungsplanes werden die verlinkten Informationen aus Bauablaufplan (BAP), Leistungsverzeichnis (LV) und Risikoliste (RL) benötigt. Ein Vorgang des Bauablaufplans enthält die Zeitinformation für seinen Beginn und sein Ende. Eine Position eines Leistungsverzeichnisses enthält den Einheitspreis und die Menge. Ein Risiko der Risikoliste enthält die Eintrittswahrscheinlichkeit. Linkmodelle ermöglichen die Verknüpfung von n Elementen aus m Fachmodellen in einem Link (Fuchs et al. 2011). Das Linkmodell für den Zahlungsplan enthält daher Links mit i BAP-Vorgängen, j LV-Positionen und k RL-Risiken.
5 Abbildung 1: Bildschirmaufnahme M2A2 mit Multimodell (1), LV (2), BAP (3), MMQL für Zahlungsplan (4) und ResultSet (5) Die Visualisierung der Fachmodelle und die Inspektion der Links erfolgt in einer Multimodell-Software. Am Institut für Bauinformatik der Technischen Universität Dresden wurde zu diesem Zweck die Multimodell Filter- und Analyse-Plattform M2A2 entwickelt (Fuchs et al. 2010). Dort ist auch die textuelle, deklarative Multimodell-Abfragesprache MMQL einschließlich des zugehörigen Interpreters implementiert. Mit ihrer Hilfe können domänenübergreifende Informationen aus verlinkten Fachmodellen gefiltert werden (Fuchs 2012). Für die Ermittlung des Zahlungsplans wird zunächst die Information benötigt, welche Mengen einer LV-Position in welchen Zeiträumen (BAP-Vorgänge) anfallen. Abbildung 1 zeigt die M2A2-Plattform mit dem zugehörigen Multimodell Angebot sowie der MMQL-Abfrage und das tabellarische Abfrageergebnis (ResultSet). Für den Zahlungsplan enthält das Abfrageergebnis in jeder Zeile eine Kombination einer Position mit einem verlinkten Vorgang. Zur Kontrolle werden beide Fachmodelle angezeigt und die im ResultSet vorhandenen, zugehörigen Positionen und Vorgänge automatisch markiert. MMQL ist keine universell einsetzbare Programmiersprache. Sie wurde zur Informationsgewinnung aus verlinkten Fachmodellen mit unterschiedlichen Datenformaten konzipiert. Zur Lösung fachspezifischer Problemstellungen können daher weitere Schritte in anderen Softwareanwendungen notwendig sein. Das ResultSet kann dafür analog zu einer relationalen Datenbank-Schnittstelle angesprochen oder im Format Kommaseparierte Werte (CSV) exportiert werden. Für den Zahlungsplan wurde das ResultSet per CSV in ein Tabellenkalkulationsprogramm importiert. Dort erfolgte die Diskretisierung der Vorgansdauern nach Kalendermonaten. Für jeden Monat wurde ermittelt, welcher Mengenanteil hergestellt werden soll. Abbildung 2 zeigt die dabei möglichen Lagebeziehungen von Vorgängen zum Betrachtungsmonat.
6 Abbildung 2: Mögliche Lagebeziehung von Vorgängen zum Betrachtungsmonat In Tabelle 1 werden diesen Lagebeziehung Vorschriften zur Mengenbestimmung zugeordnet. Durch Multiplikation mit dem korrespondierenden Einheitspreis der Teilleistung wurden die Gesamtkosten für jeden Monat bestimmt. Alle Berechnungen erfolgten unter Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischen Dauern und Mengen sowie zwischen Mengen und Kosten. Andere Beziehungen sind auch anwendbar, sofern sie bekannt sind. Vorgang Beginn Ende Mengenbestimmung Vorgang 1 vor Monat i vor Monat i Menge = null Vorgang 2 vor Monat i im Monat i Menge anteilig Vorgang 3 vor Monat i nach Monat i Menge anteilig Vorgang 4 im Monat i im Monat i Menge vollständig Vorgang 5 im Monat i nach Monat i Menge anteilig Vorgang 6 nach Monat i nach Monat i Menge = null Tabelle 1: Mengenbestimmung in Abhängigkeit der Lagebeziehung Die Detaillierung des Bauablaufplans entscheidet über die Genauigkeit der Mengenfilterung und damit über die Genauigkeit des Zahlungsplanes. Je feiner der Bauablaufplan gestaltet ist, desto genauer können die Mengen der Teilleistungen einem bestimmten Monat zugeordnet werden. Bei der Filterung der möglichen Eintrittszeiträume für die Risiken wird analog vorgegangen. Hierfür werden der Bauablaufplan und die Risikoliste verknüpft. Das Ergebnis der Filterung sind der frühestmögliche Monat (zum Beispiel Monat 3) und der letztmögliche Monat (zum Beispiel Monat 6) für den möglichen Eintritt eines Risikos. Für jedes Risiko wird ermittelt, von welchem bis zu welchem Monat es eintreten kann. Diese Information wird für die Simulation des Zeitpunktes des Risikoeintritts benötigt.
7 4 Risikoorientierte Prognose des Zahlungsplanes 4.1 Ausgangssituation Mithilfe der Filterung der auszuführenden Mengen nach Monaten kann für jeden Monat die geplante Bauleistung bestimmt werden. So lässt sich zum Beispiel prognostizieren, dass entsprechend des aktuellen Bauablaufplans im Monat 3 eine Bauleistung von oder im Monat 4 von hergestellt werden soll. Diese Prognose kann um eine Risikobetrachtung erweitert werden, um Mengenrisiken (Flemming 2011), Risiken aus den Kostenansätzen/Einheitspreisen (Flemming, Netzker & Schöttle 2011) oder Risiken als unsichere Ereignisse zu berücksichtigen. Auf die Berücksichtigung der Risiken als unsichere Ergebnisse soll nachfolgend näher eingegangen werden. 4.2 Konzept der 4-Stufen-Risikosimulation Ein Risiko ist [ ] ein noch nicht eingetretenes Ereignis, welches einen positiven oder negativen Einfluss auf das Erreichen der Projektziele hat. (Harrant & Hemmrich 2004). Für das Risikomanagement wird ein Regelkreis verwendet, der zum Beispiel aus den Schritten Risikoidentifikation, Risikoklassifizierung, Risikosteuerung und Ermittlung der Risikokosten bestehen kann (Flemming 2012b). Bei der Ermittlung der Risikokosten werden nur die Risiken berücksichtigt, die nicht vermieden oder nicht an Dritte übertragen werden konnten, sondern selbst zu tragen sind. Für die Berücksichtigung der Risikokosten in der Prognose des Zahlungsplanes wird eine vierstufige Risikosimulation zur Simulation des Eintritts, der Häufigkeit, des Zeitpunktes und der Tragweite (Kosten) der Risiken eingesetzt. Damit werden die Risiken realistisch abgebildet und eine Integration des unsicheren Wissens über die einzelnen Risiken wie Zeitpunkt und Kosten ermöglicht. Das Konzept der 4- Stufen-Risikosimulation ist in Abbildung 3 dargestellt. Die einzelnen Stufen werden in den Unterkapiteln bis näher beschrieben. Zur besseren Veranschaulichung erfolgt die Beschreibung anhand des Beispiels Findlinge im Baugrund des 2. Baufeldes. 1. Stufe Risikoeintrit ja 2. Stufe Häufigkeit Anzahl = 1 3. Stufe Zeitpunkt Monat i 4. Stufe Tragweite Kostenbetrag Kostenbetrag für Monat i nein Anzahl = 2 3. Stufe Zeitpunkt Monat i 4. Stufe Tragweite Kostenbetrag Kostenbetrag für Monat i Anzahl = 3 keine Kosten Abbildung 3: Konzept der 4-Stufen-Risikosimulation
8 4.2.1 Stufe 1 Simulation des Risikoeintritts Ein Risiko kann nur zwei mögliche Zustände annehmen: es tritt ein oder es tritt nicht ein. Für das Beispiel der Findlinge im Baugrund heißt das, dass entweder Findlinge gefunden werden oder keine Findlinge gefunden werden. Eine dritte Möglichkeit existiert nicht. Bei einer Berechnung der Risikokosten nach der Methode Eintrittswahrscheinlichkeit mal Tragweite können keine realen Zustände abgebildet werden. Das Beispiel in Abbildung 4 mit zwei Risiken soll diesen Sachverhalt veranschaulichen. R1 Risiko 1 Risiko 1 tritt ein tritt nicht ein Risiko 2 R2 Risiko 2 Risiko 2 R2 Risiko 2 tritt ein tritt nicht tritt ein tritt nicht ein ein Z1 Z2 Z3 Z4 Eintrittswahrscheinlichkeit Tragweite Risiko 1: 35 % = Risiko 2: 55 % = Summe = Zustand 1: Risiko 1 und 2 verursachen Kosten = Zustand 2: Risiko 1 verursacht Kosten = Zustand 3: Risiko 2 verursacht Kosten = Zustand 4: kein Risiko verursacht Kosten = Abbildung 4: Reale Szenarien bei zwei Risiken Bei zwei Risiken existieren vier mögliche Zustände mit jeweils unterschiedlichen Kosten: beide Risiken treten ein (= ), nur Risiko 1 tritt ein (= ), nur Risiko 2 tritt ein (= ) oder es treten beide Risiken nicht ein (= 0 ). Einer dieser vier Zustände muss eintreten und führt zu entsprechenden Kosten. Bei der Methode Eintrittswahrscheinlichkeit mal Tragweite ergibt sich wie in Abbildung 4 beispielhaft dargestellt ein Betrag von Dieser Betrag entspricht keinem der vier möglichen Zustände. Mit dieser Methode können die Risikokosten somit nicht korrekt ermitteln werden. Aus diesem Grund wird eine Simulation für den Risikoeintritt verwendet, um nur reale Zustände für den Risikoeintritt abzubilden und damit die Risikokosten korrekt berücksichtigen zu können. Für die Simulation des Risikoeintritts wird ein Normintervall von 0 bis 1 (bzw. 0 bis 100 Prozent) definiert (Abbildung 5). Die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos unterteilt das Normintervall in die Bereiche Risiko tritt ein und Risiko tritt nicht ein. Die Simulation wählt eine Zufallszahl aus. Fällt diese Zufallszahl in den Bereich Eintrittswahrscheinlichkeit als Grenze Risiko tritt ein Risiko tritt nicht ein 0 1 Abbildung 5: Normintervall zur Modellierung des Risikoeintritts
9 Risiko tritt ein, werden die nachfolgenden Simulationsstufen aktiviert und letztlich ein Risikobetrag für einen bestimmten Monat ermittelt. Fällt die Zufallszahl hingegen in den Bereich Risiko tritt nicht ein, werden die anderen Simulationsstufen übersprungen und ein Kostenbetrag von 0 für dieses Risiko erzeugt (vgl. Abbildung 3). Bei dem Bespiel der Findlinge werden nur dann zusätzliche Kosten verursacht, wenn tatsächlich ein Findling gefunden wird. Wenn kein Findling gefunden wird, entstehen auch keine zusätzlichen Kosten Stufe 2 Stimulation der Häufigkeit Die zweite Simulationsstufe berücksichtigt die Möglichkeit des mehrfachen Auftretens eines Risikos. Die meisten Risiken können zwar nur einmal auftreten oder es wird vermutet, dass diese nur einmal auftreten. Bei einigen Risiken wie dem Beispiel der Findlinge im Baugrund besteht jedoch die Möglichkeit oder die Vermutung, dass dieses Risiko mehr als einmal eintreten kann. Die zweite Simulationsstufe ermittelt die Häufigkeit des Eintretens eines Risikos. Zunächst muss die maximale Häufigkeit festgelegt werden. Für das Beispiel der Findlinge soll angenommen werden, dass bis zu drei Findlinge gefunden werden können. Die möglichen Anzahlen müssen dann mit Wahrscheinlichkeiten gewichtet werden. Für das Beispiel der Findlinge sollen die Annahmen in Tabelle 2 gelten. Die Möglichkeit, dass sich nur ein Findling im Boden befindet, wird mit 80 Prozent als sehr hoch eingeschätzt. Drei Findlinge werden zwar für möglich gehalten, aber mit 5 Prozent als eher unwahrscheinlich bewertet. Anzahl Wahrscheinlichkeit 1 80 Prozent 2 15 Prozent 3 5 Prozent Gesamt 100 Prozent Tabelle 2: Parameter für die Simulation der Häufigkeit eines Risikos Die Simulation wählt in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeiten eine Anzahl für das Risiko aus. Bei einer simulierten Anzahl von 2 wird ein identisches Risiko erzeugt, dass die Simulationsstufen 3 und 4 separat durchläuft. Bei einer Anzahl von 3 werden entsprechend zwei identische Risiken zusätzlich erzeugt, die jeweils die folgenden Stufen separat durchlaufen (vgl. Abbildung 3). Bei einer Anzahl von 1 werden keine zusätzlichen Risiken erzeugt. Wenn das Risiko Findlinge im Baugrund laut Simulationsstufe 1 eintritt, wird in Simulationsstufe 2 zum Beispiel eine Anzahl von 2 Findlingen simuliert. Damit entstehen zweimal die Kosten für den Risikoeintritt Findlinge im Baugrund.
10 4.2.3 Stufe 3 Simulation des Zeitpunktes Die dritte Simulationsstufe ermittelt den Zeitpunkt des Risikoeintritts. Durch die Zuordnung des Risikoeintritts zu einem bestimmten Monat wird festgelegt, in welchem Monat die Risikokosten realisiert werden. Daraus kann für den Zahlungsplan abgeleitet werden, wann die Risikokosten zu einer Auszahlung führen. Für die Simulation des Zeitpunktes muss festgelegt werden, in welchem Zeitraum der Risikoeintritt möglich ist. Bei dem Beispiel Findlinge im Baugrund des 2. Baufeldes soll angenommen werden, dass das Risiko frühestens im 3. Projektmonat und spätestens im 6. Projektmonat eintreten kann, da mit dem Aushub der Baugrube des 2. Baufeldes erst im Projektmonat 3 begonnen werden soll und dieser Aushub mit vier Monaten geplant ist. Die möglichen Projektmonate werden mit einer Wahrscheinlichkeit gewichtet, um das Auftreten des Risikos in diesem Monat zu beschreiben. Die Gewichtung für das Beispiel in Tabelle 3 besagt, dass ein Risikoeintritt in den ersten beiden Projektmonaten höher als in den letzten beiden Projektmonaten eingeschätzt wird. Projektmonat Wahrscheinlichkeit 3 30 Prozent 4 30 Prozent 5 20 Prozent 6 20 Prozent Gesamt 100 Prozent Tabelle 3: Parameter für die Simulation des Zeitpunktes eines Risikos Die Ermittlung der möglichen Projektmonate, in denen ein Risiko eintreten kann, ist auch über eine Multimodell-Filterung möglich (siehe Kapitel 3). Dazu wird ein Risiko mit einem bestimmten Vorgang verknüpft. Zum Beispiel wird das Risiko Findlinge im Baugrund des 2. Baufeldes mit dem Vorgang Aushub Baugrube 2. Baufeld verknüpft. Der Anfangs- und der Endtermin des Vorgangs bestimmen dann den möglichen Zeitraum, in dem das Risiko eintreten kann. Durch eine solche Verknüpfung können Veränderungen des Bauablaufplans schneller in die Prognose des Zahlungsplanes überführt werden, da lediglich die neuen Anfangs- und Endtermine für die Zeiträume des Risikoeintritts gefiltert werden müssen und die Simulation mit den neuen Parametern durchgeführt werden kann. In der dritten Simulationsstufe wird in Abhängigkeit der gewählten Wahrscheinlichkeiten ein Projektmonat ausgewählt, in dem das Risiko eintritt. Diese Simulation wird für jedes Risiko separat durchgeführt. Wenn in der zweiten Simulationsstufe zum Beispiel eine Anzahl von 3 ermittelt wurde, werden drei separate Zeitpunkte simuliert. Ein Simulationsergebnis könnte somit sein, dass im Projektmonat 4, 5 und 6 je ein Findling im Baugrund gefunden wird. Ein anderes Ergebnisse könnte auch sein, dass alle drei Findlinge in demselben Projektmonat gefunden werden.
11 4.2.4 Stufe 4 Simulation der Kosten In der vierten Simulationsstufe werden die Kosten für die eingetretenen Risiken simuliert. Diese Simulationsstufe ist notwendig, da häufig nur eine Kostenbandbreite statt eines exakten Kostenwertes für ein Risiko bestimmt werden kann. Die Unsicherheit über die möglichen Kosten entsteht vor allem aus dem geringen Informationsstand über die Zukunft. Zum Beispiel variieren die Kosten für die Beseitigung der Findlinge in Abhängigkeit der genauen Größe des Findlings, der Erschwernis der Beseitigung usw., so dass die Angabe nur eines einzigen Kostenwertes ungenau ist. Für die Modellierung der Kostenbandbreiten von Risiken werden Wahrscheinlichkeitsverteilungen gewählt (Abbildung 6). Zunächst muss das Intervall der möglichen Kosten festgelegt werden. Für das Beispiel der Findlinge kann eine Bandbreite von bis angenommen werden. Anschließend werden die Werte innerhalb des Intervalls mittels Wahrscheinlichkeiten gewichtet. Die Gewichtung erfolgt in Abhängigkeit der subjektiven Einschätzung. Bei der Dreieckverteilung wird ein Wert als höchstwahrscheinlich eingeschätzt, zum Beispiel Die Wahrscheinlichkeit der anderen Werte verringert sich in Richtung der Intervallgrenzen. Die Trapezverteilung wird verwendet, wenn kein bestimmter Wert, sondern nur ein Intervall als höchstwahrscheinlich eingeschätzt werden kann, zum Beispiel von bis Die Werte innerhalb des Teilintervalls bis besitzen die gleiche (hohe) Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit der anderen Werte nimmt wie bei der Dreieckverteilung in Richtung der Intervallgrenzen ab. Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit Dreieckverteilung Trapezverteilung Abbildung 6: Modellierung der Kosten eines Risikos mittels Wahrscheinlichkeiten Die Simulation wählt für jedes Risiko in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilungen einen Kostenbetrag aus den vorgegebenen Bandbreiten aus. So kann sich zum Beispiel im ersten Simulationslauf für die Beseitigung des Findlings ein Kostenbetrag von 1.402,85, im zweiten Simulationslauf von 1.308,84, im dritten Simulationslauf von 1.178, 93 usw. ergeben. Wird in der zweiten Simulationsstufe ermittelt, dass ein Risiko mehrfach auftritt, kann individuell festgelegt werden, ob zum Beispiel die drei Findlinge jeweils denselben Kostenbetrag verursachen oder ein unterschiedlicher Kostenbetrag für jeden Findling möglich ist. 4.3 Auswertung der Simulationsergebnisse Die Simulation wird mit (oder mehr) Simulationsdurchläufen durchgeführt. Es werden somit mögliche Szenarien erzeugt. Die Ergebnisse dieser Simulationsdurchläufe werden in Histogrammen verdichtet. Für jeden Projektmonat wird ein Histogramm ermittelt, das auf der Abszissenachse die möglichen Auszahlungen
12 des Monats und auf der Ordinatenachse die entsprechenden Häufigkeiten enthält. Damit lässt sich die jeweilige Risikosituation eines Monats ausgedrückt in den möglichen Auszahlungen darstellen. Abbildung 7 zeigt einen Auszug der Simulationsergebnisse. Für jeden Projektmonat wird ein solches Histogramm erzeugt. Hier werden die Projektmonate 1 bis 5 abgebildet. Der Projektmonat 1 enthält keine Auszahlungen, da die Auszahlung um einen Monat versetzt erfolgen soll und der Projektmonat 1 keinen Vormonat besitzt. Alle anderen Projektmonate weisen eine Spanne der möglichen Auszahlungen auf, zum Beispiel Projektmonat 2 von ca bis ca Projektmonat 1 Projektmonat 2 Projektmonat 3 Projektmonat 4 Projektmonat 5 Sicherheitsmaß 80 % 80 % 80 % 80 % Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit Häufigkeit T T T T Auszahlung Monat 2 Auszahlung Monat 3 Auszahlung Monat 4 Auszahlung Monat , , , ,85 Abbildung 7: Auswertung der Simulationsergebnisse (Auszug) Für die Übernahme der Ergebnisse der Risikosimulation in eine übergeordnete Berechnung wie die Finanzierungs- und Liquiditätsplanung ist es notwendig, aus den ermittelten Spannen für die monatlichen Auszahlungen einen Wert je Monat festzulegen. Die Festlegung des Wertes erfolgt in Abhängigkeit der individuellen Risikoeinstellung. Bei einer risikofreudigen Einstellung wird ein kleinerer Wert; bei einer risikoaversen Einstellung ein größerer Wert gewählt. Die Risikoeinstellung wird durch das gewählte Sicherheitsmaß beschrieben. In diesem Beispiel wird ein Sicherheitsmaß von 80 Prozent gewählt. Das bedeutet, dass der gewählte Wert nur in 20 Prozent der simulierten Fälle überschritten und in 80 Prozent der simulierten Fälle unterschritten wird. Auf diese Weise wird zum Beispiel eine Auszahlung für den Projektmonat 2, die sowohl die Kosten der Bauleistung als auch die Kosten der eingetretenen Risiken enthält, von ,22 ermittelt, für Projektmonat 3 von , 26, für Projektmonat 4 von ,10 und für Projektmonat 5 von ,85. Diese Werte stellen die Prognose für den Zahlungsplan dar.
13 Referenzen Flemming C. (2012a): 4-Stufen-Risikosimulation zur Ermittlung von Mittelabflüssen unter Berücksichtigung des geplanten Baufortschritts. In: Bautechnik, Vol. 89, Nr. 7, 2012, S ISSN: Flemming C. (2012b): Baubegleitendes Risikocontrolling von Bauprojekten unter Anwendung einer vierstufigen Risikosimulation. In: Brunk, Marten, F.; Osebold, Rainard (Hrsg.): 23. Assistententreffen der Bereiche Bauwirtschaft, Baubetrieb, Bauverfahrenstechnik, Tagung an der RWTH Aachen University, Juli 2012, Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 4, Nr. 218, VDI-Verlag, Düsseldorf, 2012, S ISBN: Flemming C. (2011): Probabilistische Ermittlung der Mengenrisiken von Bauleistungen Ein quantitatives Risikomodell aus Sicht des Auftragnehmers. In: Risk, Compliance & Audit, Heft 5/2011, S ISSN: Flemming C., Netzker M. & Schöttle A. (2011): Probabilistische Berücksichtigung von Kosten- und Mengenrisiken in der Angebotskalkulation. In: Bautechnik, Vol. 88, Nr. 2, 2011, S ISSN: Fuchs, S., Katranuschkov, P. & Scherer, R.J. (2010). A Framework for Multi-Model Collaboration and Visualization. In. Proc. ECPPM Taylor & Francis. S : Fuchs, S., Kadolsky, M. & Scherer, R. J. (2011). Formal Description of a Generic Multi-Model. In: Reddy, S. und Tata, S. (Hrsg.): Proceedings of the 2011 IEEE 20th International Workshops on Enabling Technologies: Infrastructure for Collaborative Enterprises, WETICE '11. Washington, DC, USA: IEEE Computer Society. S Fuchs, S. (2012). Eine Abfragesprache für Multimodelle. In: Proc. Forum Bauinformatik 2012: Güntzer K. H. & Hammacher P. (2007): Handbuch der Auftragsabwicklung: Ratgeber für die Vertrags-Praxis mit Mustertexten, 3. Auflage, GHC-Verlag, Heidelberg. ISBN: Harrant H. & Hemmrich A. (2004): Risikomanagement in Projekten, 1. Auflage, Hanser Verlag, München, Wien. ISBN: Kalusche W. (2012): Projektmanagement für Bauherren und Planer, 3. Auflage, Oldenbourg Verlag, München. ISBN: Katranuschkov, P., Weise, M., Windisch, R., Fuchs, S. & Scherer, R. J. (2010). BIM-based Generation of Multi-Model Views. In: Proc.CIB W Möller D.-A. (2007): Planungs- und Bauökonomie - Band 1: Grundlagen der wirtschaftlichen Bauplanung. 5. Auflage, Oldenbourg Verlag, München. ISBN: Schapke S.-E. & Fuchs S. (2011): Mefisto Eine multimodellbasierte Plattform für das Bauprojektmanagement. In: Scherer, Raimar J.; Tauscher, Helga; Schapke, Sven-Eric (Hrsg.): MEFISTO - Management - Führung - Information - Simulation im Bauwesen. Tagungsband zum 2. Mefisto Kongress am 13. Oktober 2011 in Dresden. Veranstaltungen des Instituts für Bauinformatik, Heft 4. Dresden, 2011, S ISBN:
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