Linguistik für Kognitionswissenschaften
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- Ralf Hofmann
- vor 6 Jahren
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1 Linguistik für Kognitionswissenschaften Spracherwerb (Lehrmaterial von Miriam Butt)
2 Spracherwerb: Wie funktioniert das?
3 Spracherwerb: Wie funktioniert das? Dutzidutzikirrikirriawoistdenndaskleineengelchenhaitaitai Imitation? Das Kind macht einfach alles nach. Universal Grammatik (UG)? Das Kind ist von Anfang an darauf gepolt, Sprache zu lernen. Was kommt zuerst? Phonetik? Phonologie? Morphologie? Syntax (Satzstruktur)? Semantik (Wort und Satzverstehen)?
4 Spracherwerb: Wie funktioniert das? Haben Tiere ein Sprachvermögen wie wir? Wenn nicht, warum nicht? Berühmtes Beispiel: Zeichensprache und Chimpansen. Was passiert mit mehrsprachigen Kindern? Was passiert mit Kindern, die taub sind? Was passiert mit Kindern, die keinen Sprachinput haben?
5 Frühe Isolationsexperimente Psammetich I., ägyptischer Pharao ( v.chr.), Suche nach dem Urvolk Phryger vs. Ägypter Friedrich II. von Hohenstaufen, deutsch-römischer Kaiser ( ) Jakob IV., König von Schottland ( ) Psammetich I Friedrich II Jakob IV
6 Frühe Isolationsexperimente Resultate: Kinder haben nicht gesprochen Kinder sind zum Teil einfach gestorben Was immer auch sie gelallt haben wurde als der Beweis für die Ursprache ausgelegt (Phrygier, Hebräisch)
7 Berühmte Tragische Fälle Kaspar Hauser (Deutschland, 1812) Genie (USA, 1970)
8 Sprachinput Kinder brauchen also sprachlichen Input Critical Period Hypothesis (Lenneberg): Es gibt einen Zeitpunkt (Alter zwischen 5 und 6) nach dem es sehr viel schwieriger (wenn nicht gar unmöglich) wird, Sprache auf dem Niveau eines Muttersprachlers zu erlernen. Ist die Art des Inputs egal? Die Meinungen gehen auseinander: - Egal, denn sie kriegen sowieso nicht genug richtige Information. - Sogenanntes Motherese spielt eine wichtige Rolle.
9 Child Directed Speech (Motherese) Aussprache langsamer, längere Pausen zwischen Äußerungen und nach Inhaltswörtern weniger Wörter pro Minute höhere Tonlage und größerer Tonumfang übertriebene Intonation und Betonung
10 Child Directed Speech (Motherese) Vokabular & Bedeutung eingeschränktes Vokabular Bezugnahme auf das Hier & Jetzt Sätze wohlgeformte und verständliche Sätze kürzere und weniger komplexe Äußerungen mehr Anweisungen und Fragen als in Erwachsenensprache mehr Wiederholungen
11 Korrekturen Aber Ohne Effekt Kind: Nobody don t like me Mutter: No, say Nobody likes me Kind: Nobody don t like me Mutter: No, say Nobody likes me (insgesamt 8mal wiederholt) Mutter: Now, listen carefully, say Nobody likes me Kind: Oh, nobody don t likes me
12 Korrekturen Aber Ohne Effekt Kind: Want other one spoon, Daddy. Vater: You mean, you want the other spoon Kind: Yes, I want other one spoon, please, Daddy. Vater: Can you say the other spoon? Kind: Other... one... spoon. Vater: Say... other Kind: Other Vater: Spoon Kind: Spoon Father: Other... spoon Kind: Other... spoon. Now give me other one spoon?
13 Sprachinput Es ist also noch nicht klar, wieviel und was genau Kinder aus dem sprachlichen Input ziehen. Es gibt aber schon jede Menge Studien und Erkenntnisgewinne. Klar ist, dass Kinder nicht imitieren, sondern selber ein Regelwerk aufbauen, so dass sie nach und nach die Sprache der Erwachsenen um sich herum erwerben. Das Kind als kleiner Sprachwissenschaftler: Hypothesenaufbau und Testen
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15 Phonetik/Phonologie/Prosodie Neugeborene erkennen ihre Muttersprache Präferenz für muttersprachliche Prosodie auf lexikalischer Ebene mit 6 Monaten 7.5 Monate: Wortsegmentierung über trochäisches Betonungsmuster 10 Monate: auch Jamben werden im Sprachfluss erkannt
16 Studien: Prosodie (Iambus/Trochäus) Amerikanische Babys im Alter von 6 Monaten zeigen keine Präferenz für Wörter, die nach dem für ihre Sprache typischsten Muster betont werden. Amerikanische Babys im Alter von 9 Monaten zeigen eine Präferenz für Wörter, die nach dem für ihre Sprache typischsten Muster betont werden.
17 Studien: Lautsequenzen 6 Monate: keine Präferenz für phonotaktisch wahrscheinlichere Lautsequenzen Beispiele: [sp] vs. [ps], [spr] vs. [srp] 9 Monate: Präferenz für phonotaktisch wahrscheinlichere Lautsequenzen
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19 Nuckelexperimente High Amplitude Sucking (HAS): Messung der Nuckelamplitude Schnelligkeit und Stärke des Saugens Zunahme bei Interesse/Aufmerksamkeit
20 Erkennung von Phonemen Babys müssen lernen, phonetische Signale in ein Phoneminventar umzusetzen. Welche Laute sind Teil der Sprache (z.b. Clicklaute?) Welche Laute sind in freier Variation (z.b. deutsches /r/) Welche Laute sind durch Regeln konditionierte Allophone (z.b. englisches [s], [z]) Um das hinzukriegen muss man den phonetischen Input in harte Kategorien einteilen.
21 Kontinuum vs. Kategorie Die Phonetik von [p] und [b] ist so, dass es eigentlich keinen kategorischen Unterschied gibt: es gibt ein Kontinuum in der Wahrnehmung. p... p1...p2...p3...b1...b2...b3...b4...b
22 Kontinuum vs. Kategorie p... p1...p2...p3...b1...b2...b3...b4...b Genau wie bei den Farben machen wir an einer Stelle einen Schnitt: links ist p/gelb, rechts ist b/rot.
23 Kontinuum vs. Kategorie p... p1...p2...p3...b1...b2...b3...b4...b animate this more Interessanterweise machen Kinder einen anderen Schnitt als Erwachsene. 1. Stadium: viele unterschiedliche Laute erkannt (vermehrt heftiges Nuckeln) 2. Stadium: bis zu 3 unterschiedliche Laute erkannt (nur noch 3mal heftiges Nuckeln) 3. Stadium: in 2 Phoneme unterteilt: /p/ vs. /b/ (nur noch 2mal heftiges Nuckeln)
24 Hypothese Wenn Babys auf die Welt kommen, nehmen sie (fast) alle Lautkontraste wahr (sie müssen ja auch darauf gefasst sein, dass sie z.b. Deutsch (/pf/) oder Xhosa (Clicklaute) lernen müssen). Ab ca. 10 Monaten werden nur noch die Lautkontraste unterschieden, die für die Muttersprache relevant sind. Andere, muttersprachlich irrelevante Kontraste und Laute, werden nicht mehr unterschieden. Die Wahrnehmung passt sich ans Phoneminventar der Muttersprache an.
25 Hypothese Kinder lassen statistische Auswertungen über das Gehörte laufen und bekommen so heraus, welches das wichtigste Betonungsmuster für Wörter ihrer Muttersprache ist und welche Lautkombinationen eher innerhalb von Wörtern auftauchen und welche eher über Wortgrenzen hinweg. Diese Informationen werden genutzt, um den kontinuierlichen Sprachfluss in erste Einheiten zu zerlegen.
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27 Einstieg in Spracherwerb Einstieg in den Aufbau eines mentalen Lexikons (Erwerb von Wörtern) Sprache fast Wörter Pause Welche Worte kommen zuerst? Hauptsächlich Nomen und Verben.
28 Perzeption vs. Artikulation Aber kann ein Kind auch alles aussprechen, was es versteht? Nein, denn der Artikulationsapparat ist noch nicht erwachsen. Besonderheiten des Vokaltrakts beim Säugling Kehlkopf höher, Epiglottis und Velum berühren sich fast sehr kurzer Rachenraum Mundhöhle flacher und relativ breiter Zunge füllt fast die gesamte Mundhöhle aus Es ist also schwierig wie ein Erwachsener zu artikulieren.
29 Perzeption vs. Artikulation Aber auch wenn sie den Unterschied nicht artikulieren können, so können sie ihn wohl hören! Das Fis-Phänomen Beispiel: [s] vs. [S] Erwachsener: Ist das dein Fis? Kind (verbessernd): Nein, das ist mein Fis! Erwachsener: Ja, dein Fis. Kind: Nein, mein Fis. Erwachsener: Das ist also dein Fisch? Kind: Ja, mein Fis.
30 Artikulationsstrategien
31 Artikulationsstrategien
32 Artikulationsstrategien
33 Morphologie Wenn man sich ansieht, wie Kinder Morphologie erwerben, dann ist auch klar, dass sie nicht nur imitieren, sondern eigene Hypothesen und Regelwerke aufstellen. 1) Wug-Test: Wie bilden Kinder den Plural von erfundenen Wörtern? 2) Derivation: Wo tun Kinder das Derivationsmorphem in Komposita hin? 3) Falsche Formen
34 Wug Test This is a Wug/Nick. Now there are two of them. There are two Wug[z] Nick[s]
35 Wug Test Resultat: Kinder konnten den einfachen Plural sehr gut bilden (umso älter umso besser). Der Plural von Worten wie glass war sehr viel schwieriger und konnte nur von älteren Kindern gut gebildet werden. Fazit: Kinder lernen die Pluralbildung als Regel (erst eine einfache Variante, dann komplexer) und können diese auf unbekannte Worte anwenden.
36 Derivation bei Komposita Kinder sagen eher so Sachen wie throw-er ball, cutt-er grass, pull-er wagon Statt ball thrower, grass cutter, wagon puller Fazit: Kinder legen sich ein Regelwerk zurecht, dass sie so nicht in der Erwachsenensprache gehört haben. Erst nach und nach kommen sie auf die richtige Regel.
37 Falsche Formen Bei irregulären Verben/Formen durchlaufen Kinder folgende Stadien: 1) richtige Form (imitation): ich ging/habe gegessen 2) falsche aber regelmäßige Form: ich gehte/habe gegesst 3) richtige Form als Ausnahme gelernt: ich ging/habe gegessen Fazit: Kinder legen sich ein Regelwerk zurecht, dass sie so nicht in der Erwachsenensprache gehört haben. Erst nach und nach lernen sie die Ausnahmen.
38 Zeichensprache Lernen Kinder, die taub sind, sprechen? Ja: sie können Zeichensprache lernen, brauchen aber dazu den nötigen Input (Eltern, die Zeichensprache können, z.b.) Die Stadien des Spracherwerbs bei Zeichensprache sind fast eins-zu-eins auf die Stadien der Lautsprache abbildbar. Kinder sind also darauf gepolt, eine menschliche Sprache zu lernen, egal wie sie ausgesprochen wird.
39 Spracherwerbsstadien 0-2 Monate Schreien & reflexartige Laute, kaum sprachähnliche Laute 2-4 Monate Gurren & Lachen comfort sounds meist als Reaktion auf Zuwendung größere Vielfalt an vokal-ähnlichen Lauten 2-7 Monate Ausprobieren der Sprechwerkzeuge 6-12 Monate Lallphase [bababa] [mama] [dudu] (reduplizierendes Lallen) [bada] [dadudu] [dabadi] (buntes Lallen)
40 Spracherwerbsstadien ca. 1 Jahr Einwortäußerungen (Holophrase) Inhaltswörter (Nomen, Verben, Partikel/Präpositionen): Hund, essen, auf ca. 2 Jahre Zwei Wort Stadium, Wortschatzexplosion ca. 3 Jahre Erste Sätze, Morphologie kommt nach und nach ca. 6 Jahre komplexe Satzstrukturen, Phonologie und Morphologie korrekt, großer Wortschatz
41 Mehrsprachigkeit? Kommen Kinder, die mehr als eine Sprache lernen durcheinander? Nein: sie zeigen sogar ein ausgeprägteres Sprachbewusstsein.
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