Passung in Graubünden

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2 Passung in Graubünden

3 Silvia Conzett /Oscar Eckhardt Co-Autor für den empirischen Teil Marcus Cathomen Passung in Graubünden Von der Schule in die Berufsausbildung: Wie gut passen die beiden Bildungssysteme zusammen? Schriftenreihe Collana PHGR 3 /2014 Herausgegeben von der Pädagogischen Hochschule Graubünden

4 5 Zur Bezeichnung der Personen und Berufe im folgenden Text Wir haben versucht, dort, wo sich in der Zwischenzeit sinnvolle, geschlechtsneutrale Formen etabliert haben, diese bei der Personenbezeichnung auch einzusetzen. Wo es sich um generalisierende Aussagen handelt, haben wir konsequent Formen wie Lernende, Lehrpersonen oder auch Schülerinnen und Schüler etc. eingesetzt. Wo von der Bedeutung her klar männliche oder weibliche Menschen gemeint sind, haben wir auch die entsprechenden geschlechtsspezifizierenden Formen eingesetzt. In den Aussagen unserer Informantinnen und Informanten haben wir meist die von diesen verwendete Originalbezeichnung belassen Für allfällige Unterlassungen bitten wir um Nachsicht, es war nicht unsere Absicht, diskriminierend zu wirken. Inhalt Inhalt 5 Vorwort 12 Einleitung 14 A Allgemeiner Teil Ziel der Publikation Sekundarstufe II in Graubünden Berufsschulen und duale Ausbildung Übersicht Berufsschulen in Graubünden Berufe an der Gewerblichen Berufsschule Chur Beispiele für Berufe ohne Berufsschule in Graubünden Mittelschulen, Handelsmittelschulen und Fachmittel schulen Berufsberatung, Coaching und Unterstützungs - angebote für Jugendliche Vorbemerkungen Berufsberatung Coaching und Case-Management Case Management Weitere Unterstützungsangebote Sprachen in den Bündner Berufsschulen Tendenzen in der Forschung 43 Gestaltung und Druck: communicaziun.ch, Ilanz Foto auf dem Buchumschlag: Adrian Baer, NZZ Copyright 2015 by Pädagogische Hochschule Graubünden ISBN B Qualitativer Teil mit Interviews Methodisches Erhebung der Interviews Bedeutung der Personensiglen Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen 57 Demografische Entwicklung 57

5 6 7 Berufswahl 57 Einflüsse auf die Berufswahl 60 Schnupperlehre 62 Berufsberatung 63 Beliebte und weniger beliebte Berufe 65 Letztes Schuljahr der Oberstufe 66 Kompetenz der Lernenden Schuljahr 68 Betriebe/Berufsbildende 69 Zeugnisse 70 Tests (Multi-Check, Basis-Check etc.) 71 Lehrvertrag 71 Berufsschule 72 Berufsmaturität 72 Duales Bildungssystem 73 Heutige Jugendliche 73 Jugendliche mit Migrationshintergrund 74 Situation in Graubünden Zusammenfassung Interviews Lehrpersonen Sekundarstufe I 76 Demografische Entwicklung 76 Berufswahl 76 Schnupperlehre 77 Beliebte und weniger beliebte Berufe 78 Letztes Schuljahr der Oberstufe 78 Kompetenzen der Lernenden Schuljahr 79 Betriebe/Berufsbildende 79 Zeugnisse/letztes Zeugnis 79 Tests 80 Lehrvertrag 80 Berufsschule 80 Berufsmaturität 80 Duales Bildungssystem 81 Heutige Jugendliche 81 Situation in Graubünden Interviews mit Berufsbildenden Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen 83 Demografische Entwicklung 83 Berufswahl 83 Lehrstellenmarkt/Werbung 85 Beliebte und weniger beliebte Berufe 87 Letztes Schuljahr der Oberstufe 89 Aufgaben/Motivation der Berufsbildenden 90 Lehre im Grossbetrieb/Kleinbetrieb 92 Schnupperlehre 93 Bewerbung 94 Zeugnisse/letztes Zeugnis 95 Tests (Multi-Check, Basis-Check, etc.) 97 Lehrvertrag 98 Lernende als Arbeitskräfte/Rendite 98 Mobile Lernende 99 Kontakt mit den Eltern 99 Berufsschule 100 Niveau bei Antritt der Lehre 100 Berufsmaturität 102 Weiterbildung 102 Duales Bildungssystem 103 Heutige Jugendliche 104 Jugendliche mit Migrationshintergrund 106 Situation in Graubünden Zusammenfassung Interviews Berufsbildende 109 Demografische Entwicklung 109 Berufswahl 109 Werbung 109 Beliebte und weniger beliebte Berufe 110 Letztes Schuljahr 110 Aufgaben/Motivation der Berufsbildenden 110 Lehre im Grossbetrieb/Kleinbetrieb 111 Schnupperlehre/Bewerbung 111 Zeugnisse/letztes Zeugnis 111 Tests 112 Lehrvertrag 112 Lernende als Arbeitskraft 112 Kontakt mit den Eltern 113 Berufsschule 113 Niveau bei Antritt der Lehre 113 Berufsmaturität 113 Weiterbildung 114 Duales Bildungssystem 114 Heutige Jugendliche 114 Situation in Graubünden 115

6 Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen 117 Demografische Entwicklung 117 Berufswahl 118 Einflüsse auf die Berufswahl 119 Bedeutung der Zeugnisse 123 Tests (Multi-Check, Basis-Check) 123 Lehrbetriebe und Berufsbildende 124 Berufsschule 125 Lehrperson an der Berufsschule 128 Niveau/Anforderungen der Berufsschule 130 Berufsmaturität 133 Weiterbildung 134 Duales Bildungssystem 134 Image der Berufslehre 135 Heutige Jugendliche 136 Jugendliche mit Migrationshintergrund 137 Situation in Graubünden Zusammenfassung Interviews Lehrpersonen Berufsschulen 140 Demografische Entwicklung 140 Berufswahl 140 Betriebe/Berufsbildende 141 Berufsschule 141 Niveau/Anforderungen der Berufsschule 141 Berufsmaturität und Weiterbildung 142 Duales Bildungssystem/Image der Berufslehre 143 Heutige Jugendliche 143 Situation in Graubünden Interviews mit Lernenden Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen 145 Berufswahlkunde auf der Oberstufe 145 Berufswahl 147 Letztes Schuljahr 149 Bewerbung 149 Zeugnis 150 Termin der Lehrstellenzusage 151 Erfahrungen im Betrieb 151 Berufsschule 152 Berufschancen Zusammenfassung Interviews Lernende 155 Berufswahlkunde auf der Sekundarstufe I 155 Berufswahl 155 Schnupperlehre 155 Termin der Lehrstellenzusage 155 Letztes Schuljahr 156 Erfahrungen im Betriebe 156 Berufsschule Interviews mit Expertinnen und Experten Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen 157 Demografische Entwicklung 157 Berufslehre oder Gymnasium 157 Berufswahlkunde auf der Oberstufe 158 Beliebte und weniger beliebte Berufe 160 Technische Berufe 161 Frauen- und Männerberufe 162 Berufsattest 162 Berufsberatung 162 Letztes Schuljahr Schuljahr 163 Betriebe/Berufsbildende 164 Zeugnis 164 Tests 164 Lehrvertrag 165 Berufsschule 165 Fachhochschulen 167 Duales Bildungssystem 167 Heutige Jugendliche 168 Situation in Graubünden Zusammenfassung Interviews Experten 171 Berufslehre oder Gymnasium 171 Berufswahlkunde auf der Oberstufe 171 Werbung 171 Einflüsse auf die Berufswahl 171 Schnupperlehre 172 Beliebte und weniger beliebte Berufe 172 Letztes Schuljahr Schuljahr 173 Betriebe/Berufsbildende 173

7 10 11 Zeugnis 173 Tests 173 Berufsschule 174 Berufsmaturität/Fachhochschulen 174 Heutige Jugendliche 174 Situation in Graubünden 175 Eignungstests und Schwierigkeiten in der Berufsfachschule 215 Dreisprachigkeit 216 Langer Schulweg 216 Lernstrategien 216 Berufslehre und Zukunft 217 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung Allgemeine Fragestellung und Ziel der Erhebung Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Allgemeines Berufswahl und Zuversicht Hilfe bei der Berufswahl Berufsausstellung Fiutscher Eignungstests Schulische Vorbereitung auf die Berufslehre Ergebnisse Lernende GBC Vorbildung Benachteiligung von romanisch- oder italienischsprechenden Lernenden Berufswahl und Berufswahlvorbereitung Motivation und Zufriedenheit Schwierigkeiten in der Berufsschule Schulweg in die Berufsfachschule Lernstrategien Zusammenfassung und Kommentar für den empirischen Teil 213 Zufriedenheit 213 Unterstützung bei der Berufswahl 213 Interesse an der Technik wecken 215 D Zusammenfassung und Auswertung Einbettung der Resultate in die schweizerische Situation Lehrstellenmarkt und demografische Entwicklung Berufswahl Anforderungen der Betriebe Anforderungen der Berufsschulen Erfahrungen mit heutigen Jugendlichen Fazit Stellungnahme LEGR Stellungnahme Sek Stellungnahme Bündner Gewerbeverbande (BGV) Stellungnahme Berufsberatung Graubünden 273 E Bibliographie, Verzeichnisse und Materialien Bibliographie Abkürzungen Verzeichnis der Abbildungen Materialien 283

8 12 13 Vorwort Vor einiger Zeit hat der nun emeritierte Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden (PHGR), Johannes Flury, dem Verein Lehrpersonen Graubünden (LEGR) ein Angebot unterbreitet. Mit diesem wurde der LEGR angehalten, eine für ihn bildungspolitisch relevante und interessante Frage zu formulieren, welche als Ausgangspunkt für ein wissenschaftliches Forschungsprojekt dienen sollte. Dieses Geschenk hat der LEGR selbstverständlich angenommen. Er hat sich für das Thema «Passung» entschieden. Dabei geht es um die Frage, wie gut die Schülerinnen und Schüler von der Volksschule her auf die spätere Berufsbildung in der Sekundarstufe II vorbereitet werden. Das Geschenk liegt nun in gedruckter Form vor. Der Übergang von der Sekundarstufe I in die weiterführenden Ausbildungen stellt für alle Jugendlichen einen grossen Schritt dar, der zumeist für den Rest des Lebens prägend ist und weiterführende Konsequenzen haben kann. Der Übergang von der obligatorischen Schule in die Berufswelt bzw. in weiterführende Schulen verläuft zuweilen parallel mit dem Übergang vom Kindes- ins Jugendalter. Die sogenannte Übergangsforschung beschäftigt sich mit jenen Phasen im Lebenslauf, welche durch gesellschaftliche Ordnungen, wie beispielsweise die Altersgruppe (Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter) oder Tätigkeiten (Ausbildung, Beruf, Rente) gekennzeichnet sind. Aufgrund der gewichtigen Konsequenzen, welche die im Vorfeld getroffenen Entscheidungen nach sich ziehen, stellt die Erforschung dieser Übergänge für die Gesellschaft im Allgemeinen als auch für die Bildungsforschung im Speziellen eine wichtige Aufgabe dar. Das Ziel der Übergangsforschung ist nicht nur, die Prozesse und Verläufe nachzuzeichnen, sondern auch allfällige Schwachstellen zu eruieren und Verbesserungen zu entwickeln. Allen Jugendlichen soll es schliesslich ermöglicht werden, eine Ausbildung zu absolvieren, die zu einem Beruf führt. Es ist bekannt, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, damit ein Mensch zu einem selbständigen und verantwortungsbewussten Mitglied unserer Gesellschaft wird. Die vorliegende Studie wollte Impulse vermitteln, sie hat auch bereits einiges ausgelöst. Die Fraktion Sek 1 der Bündner Lehrpersonen hat das Thema aufgenommen und zum Jahresthema 2014 gemacht. Die Resultate der Studie wurden genau analysiert und es wurden Kontakte aufgenommen mit Lehrbetrieben und politischen Behörden. Vertreter der Wirtschaft und Behörden haben an der Tagung des Lehrervereins LEGR im September 2014 teilgenommen und zeigten sich damit bereit, von ihrer Seite aus die aufgeworfenen Fragen anzugehen. Das Geschenk ist angekommen. Wir publizieren die Studie als dritten Band unserer Reihe «Collana PHGR» in der Hoffnung, dass das darin enthaltene reiche und differenzierte Material aus erster Hand dazu beitrage, die eigenen Positionen zu überdenken und kritisch zu hinterfragen. Wir danken den Vertretern von Behörden, Schulen, Gewerbe und den Lernenden für ihre freundliche Teilnahme und ihre Offenheit. Gian-Paolo Curcio Rektor der Pädagogischen Hochschule Graubünden Die vorliegende Studie zur Transition und zur Passung von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II deckt für Graubünden keine grösseren Mängel auf, aber die Interviews mit Lernenden, Lehrpersonen, Berufsschullehrpersonen, Ausbildenden und Experten zeigen unverkennbar, dass es ein paar Schwachstellen gibt, die durchaus optimiert werden sollten. Gewisse Probleme können stufenintern gelöst werden, andere rufen nach einer stufenübergreifenden oder gar politischen Lösung.

9 14 15 Einleitung Nach neun Jahren Volksschule müssen sich die Jugendlichen entscheiden, wie ihr Weg weitergehen soll. Eignen sie sich für eine schulisch/akademische Laufbahn oder sollen sie eher eine praktische Ausbildung in Angriff nehmen? Mit dem Entscheid zur praktischen Ausbildung verlassen die Jugendlichen das «einfache» System der Volksschule mit nur wenigen Bezugspersonen. Und für den Übertritt in eine Berufslehre braucht es mehr als «nur» eine Aufnahmeprüfung, wie sie die Mittelschulen verlangen. Die Aufnahme in einen Lehrbetrieb erfordert Schnupperlehren, Bewerbungsschreiben, Bewerbungsgespräche, diverse Tests, charakterliche Eignungsprüfungen usw. Für die Auswahl der Lernenden und die berufspraktisch Ausbildung sind in den Betrieben die Ausbildner zuständig. Der berufskundliche Fachunterricht wird in den Berufsschulen durch mehrere Lehrpersonen vermittelt. Der Stoff wird zum Teil durch die Berufsschullehrer vorgegeben, zum Teil aber sind es die Berufsverbände, welche im Hintergrund die Inhalte des Fachunterrichts bestimmen. Das Ganze ist relativ komplex. Wir gehen in dieser Publikation der Frage nach, wie Volksschule, Lehrbetrieb und Berufsschule als Institutionen im Übergang von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II zusammenspielen. Ausserdem haben wir uns bei Betroffenen erkundigt, wie sie als Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen, Berufsbildende und Menschen mit den hohen Herausforderungen umgehen, welche eine Berufswahl mit sich bringt. Wir haben gefragt, welche Besonderheiten ihrer Meinung nach der Übergang von der Sekundarstufe I in die Berufsausbildung in Graubünden aufweist und welche Unterstützung die Jugendlichen während der manchmal schwierigen, jedenfalls immer prägenden Berufswahlentscheidung geniessen. Mit der vorliegenden Arbeit versuchen wir, einen Überblick über diese und viele andere Fragen zu geben. Wie es der Zufall so will, hat Marcus Cathomen im Rahmen seiner Ausbildung zum Berufsschullehrer seine Masterarbeit demselben Thema gewidmet. Sein Ansatz ist quantitativer Art. Die Daten aus der Masterarbeit greifen teilweise neue Aspekte auf, teilweise entsprechen sie unseren Fragestellungen jedenfalls ergänzen sich die beiden Erhebungen wunderbar. Es freut und deshalb, dass wir für die vorliegende Publikation beide Studien zusammenführen durften. Die Arbeitsteilung für die Publikation erfolgte folgendermassen. Oscar Eckhardt fungierte für das ganze Projekt als Leiter. Er hat zusammen mit Silvia Conzett das Konzept für den qualitativen Teil erarbeitet und in der Pilotphase einige Interviews durchgeführt, transkribiert und ausgewertet. Silvia Conzett hat in der Folge die weiteren Interviews geführt, transkribiert ausgewertet und in einen schweizerischen Zusammenhang gebracht, während Eckhardt die theoretischen Fragestellungen bearbeitet, ein Fazit verfasst, die Schlussredaktion und die Druckvorbereitung ausgeführt hat. Marcus Cathomen hat zunächst seine Masterarbeit selbständig konzipiert und erarbeitet. Für die vorliegende Publikation hat Oscar Eckhardt die beiden Arbeiten zusammengeführt und überarbeitet. In den Teilen A und D sind die Erkenntnisse Cathomens eingeflossen. Teil C stellt im Wesentlichen einen Auszug aus der Arbeit von Marcus Cathomen dar. Die drei Autoren danken allen, die sich für die Interviews oder als Informantinnen und Informanten zur Verfügung gestellt haben. Ein besonderer Dank geht an die Kollegin und die Kollegen der Pädagogischen Hochschule Graubünden, insbesondere an Dr. Leci Flepp und Dr. Manfred Gross als Herausgeber der Collana-Reihe und an lic. phil. Esther Krättli, die den Text kritisch durchgesehen und mitkorrigiert hat. Chur, Juli 2014 Oscar Eckhardt Um das Material für die Studie zu gewinnen, haben wir uns entschieden, verschiedene Interviews mit Betroffenen zu führen. Mit diesem qualitativen Verfahren wollten wir herausfinden, was sich bewährt hat und wo ein Optimierungsbedarf besteht. Aus ökonomischen Gründen mussten wir auf eine zusätzliche Validierung der Resultate durch eine quantitative Studie verzichten.

10 17 A ALLGEMEINER TEIL

11 1. Ziel der Publikation Ziel der Publikation In dieser Publikation stellen wir einerseits die Resultate unserer Interviews mit Lernenden, Lehrpersonen, Ausbildenden und Experten vor. Andrerseits können wir im quantitativen Teil die Resultate einer Online-Befragung mit Lernenden präsentieren. Die Fragestellungen waren für die beiden Untersuchungen nicht genau dieselben, deshalb müssen wir sie getrennt darstellen. Mit Hilfe der Interviews wollten wir unter anderem die folgenden Fragen stellen und versuchen, sie zu beantworten: Passt das in der Oberstufe I Gelernte mit den Anforderungen überein, die die Berufsbildenden an die künftigen Lernenden stellen? Fliessen die Bedürfnisse der Wirtschaft in den Unterricht und in den Lehrplan, in den Schulalltag ein? Wie werden allfällige Forderungen der Wirtschaft von den Lehrpersonen beurteilt? Nach welchen Kriterien wählen Berufsbildende ihre künftigen Lernenden aus? Welche Rolle spielen dabei Schulzeugnisse und ausserschulische Tests wie beispielsweise der Basis-Check? Wirken sich bei den Lehrstellen Angebot und Nachfrage auf die geforderten Qualifikationen aus? Besteht ein Zusammenhang zwischen schulischer Leistung und den effektiven Anforderungen an der Berufsschule und im Berufsalltag der Lernenden? Wir wollten insbesondere in Erfahrung bringen, ob es sowohl von Seite der «abgebenden» Lehrpersonen als auch von Seite der «empfangenden» Berufsbildenden innere Bilder und Erwartungen gibt, was ein künftiger Lehrling bzw. eine künftige Lehrtochter können muss, um die Ausbildung erfolgreich abschliessen zu können. Konkret fragten wir zum Beispiel: Was für einen Wert messen die Lehrpersonen und Berufsbildenden der Mathematik-Note zu und welche Fähigkeiten werden im Hinblick auf technische Berufe mit der Mathematik-Note bewusst oder unbewusst assoziiert? Ist es wirklich so, dass eine gute Mathematik-Note für technisch-handwerkliche Berufe unabdingbar ist? Welchen Stellenwert haben kommunikative Kompetenzen in der Beurteilung, ob einem Lernenden zu einem Beruf geraten wird oder nicht?

12 20 A Allgemeiner Teil 2. Sekundarstufe II in Graubünden 21 Welches waren am Schluss des Auswahlverfahrens die Kriterien, die für die Auswahl von Lernenden entscheidend waren? Wir wollten also neben den «objektiven» Kriterien auch «innere Bilder und Erwartungen» erfassen, die vielleicht die Priorisierung von Lehrstoffen in der Schule, die Empfehlungen an die Jugendlichen und schliesslich die Auswahl der Lernenden mitbeeinflussen. Im empirischen Teil der Studie stehen die Lernenden im Mittelpunkt. Mit einer online-befragung wurden sie eingeladen, zu den folgenden Fragenkomplexen Stellung zu nehmen. Wie werden in Graubünden Jugendliche auf das Berufsleben vorbereitet? Wie informieren sie sich über die vielfältigen Möglichkeiten der Berufsbildung? Wie vollziehen Jugendliche den Übergang von der Schule in die Berufsbildung, welche Probleme können auftauchen? Welche Hilfen nehmen sie in Anspruch (Eltern, Freunde, Berufsberatung usw.)? Werden Schulabgänger genügend auf das Arbeitsleben der technischen Berufe vorbereitet? Verfügen Schulabgänger (Sek l) über genügend Lernstrategien, damit sie die Berufslehre ohne grössere Problem bestehen können? 2. Sekundarstufe II in Graubünden 2.1 Berufsschulen und duale Ausbildung Wir verzichten hier darauf, das duale System der Berufsbildung in der Schweiz darzustellen, da es dazu vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI eine sehr gute Zusammenstellung gibt, auf die wir gerne verweisen. (Vgl. Bibliographie) Im Kanton Graubünden bildeten in den vergangenen Schuljahren rund 3000 Lehrbetriebe rund 6000 Lernende auf der Sekundarstufe II aus. Die Berufsfachschule besuchen die Lernenden in Graubünden in Chur, Davos, Ilanz, Poschiavo, Samedan, Sta. Maria oder an einer ausserkantonalen Berufsfachschule. Nach wie vor ist eine kaufmännische Ausbildung die am häufigsten gewählte Lehre. 1 Der Begriff «duale Ausbildung» meint, dass die berufliche Ausbildung der Sekundarstufe II parallel in Betrieb und Berufsschule stattfindet. Eigentlich müsste man genauer von einer «trialen Ausbildung» sprechen, denn die Ausbildung findet meistens an drei Lernorten statt: Lehrbetrieb Berufsfachschule überbetriebliche Kurse Die praktische Ausbildung im Lehrbetrieb dauert in der Regel drei bis vier Tage pro Woche. Da werden den Lernenden die berufspraktischen Fähigkeiten vermittelt. Die theoretische Ausbildung in der Berufsfachschule dauert ein bis zwei Tage pro Woche während des Schuljahres. Diese Ausbildung besteht aus der beruflichen und der allgemeinen schulischen Bildung. Für verschiedene Berufe wird die Ausbildung durch überbetriebliche Kurse (ÜK) ergänzt (dritter Lernort). In diesen ÜK werden die Grundfertigkeiten des jeweiligen Berufes vermittelt (Moser, 2004, S.16 f). In vielen Berufen umfasst die Ausbildung am dritten Lernort nur wenige Wochen, verteilt auf die ganze Lehrzeit. In anderen Fällen dauert sie aber bis zu einem Jahr (Wettstein & Gonon, 2009, S. 111). Überbetriebliche Kurse finden häufig in brancheneigenen Lernzentren statt. Die berufliche Grundbildung gliedert sich in die drei- und vierjährigen beruflichen Grundbildungen mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) und die zweijährigen beruflichen Grundbildungen mit eidgenössischem 1 Zitiert nach und ergänzt.

13 22 A Allgemeiner Teil 2. Sekundarstufe II in Graubünden 23 Berufsattest (EBA). Weiter kann während oder nach der beruflichen Grundbildung die Berufsmaturität (BM) erworben werden (Wettstein & Gonon, 2009, S. 110). Wer eine zweijährige Attestlehre absolviert hat, kann in einem zweiten Schritt doch noch das EFZ erreichen. Dabei wird der zweijährige Abschluss als 1. Lehrjahr angerechnet. Der Kanton (Amt für Berufsbildung) überwacht die Einhaltung der Lehrverträge und leistet den Berufsschulen finanzielle Beiträge in Form von Defizitbeiträgen. Die Berufsschulen selber weisen völlig unterschiedliche Trägerschaften auf. Der Kanton kann selber als Träger auftreten, aber auch eine Gemeinde kann Trägerin sein, oder eine Gemeindekooperation, eine Region oder auch ein Verein. Damit die Träger in den Genuss von Geldern des Kantons kommen, müssen sie einen Jahreskontrakt abschliessen, der einen Leistungsauftrag umfasst und eine grosse Kontrolle durch den Kanton gewährleistet. an die folgende Tabelle sind ein paar solcher Berufe aufgelistet. Gerade für Berufe des Gastgewerbes besteht die Möglichkeit, während der Saison in den Betrieben zu arbeiten und ausserhalb der Saison überbetriebliche Kurse zu absolvieren. Und um noch ein weiteres Beispiel anzufügen: Die praktische Ausbildung zum Seilbahn-Mechatroniker EFZ erfolgt in einem Unternehmen der Seilbahnbranche. Die schulische Ausbildung hingegen findet im Ausbildungszentrum von Seilbahnen Schweiz (AZ SBS) in Meiringen in Form von Blockkursen statt. Ausserdem gibt es verschiedene überbetriebliche Kurse. Abbildung 1: Standorte Berufsfachschulen in Graubünden (z. V. g. AfB GR) Die Gewerbliche Berufsschule Chur GBC bietet mit 57 möglichen Berufen das breiteste Spektrum an und bietet rund 3000 Lernenden aus dem ganzen Kanton und zum Teil auch aus anderen Kantonen allgemeinbildenden Unterricht und Fachunterricht. Während die Hauptstadt Chur mit der GBC, der Kaufmännischen Berufsschule und dem Bildungszentrum für Gesundheit und Soziales gleich drei wichtige Berufsschulen aufweist, sieht es in der Peripherie recht mager aus. Die kleinen Berufsschulen kämpfen mit den sinkenden Geburtenraten und den daraus resultierenden kleinen Klassengrössen. Es ist nicht gewährleistet, dass das bisherige Angebot angesichts der demografischen Entwicklung auch weiterhin aufrecht erhalten werden kann. Die ohnehin schon schwierige Situation betreffend Berufsschulen und Dreisprachigkeit im Kanton Graubünden spitzt sich damit noch zu. Zwar wird in den entsprechenden Lehrbetrieben in den Regionen auch Romanisch bzw. Italienisch gesprochen, es ist aber nicht sichergestellt, dass auch der berufskundliche Unterricht in diesen Sprachen stattfinden kann. Immerhin sind Lösungen entwickelt worden, die der Mehrsprachigkeit des Kantons teilweise Rechnung tragen. So ist es möglich, dass Lernende aus der Surselva den Fachunterricht in Chur auf Deutsch besuchen, den allgemeinbildenden Unterricht hingegen in Ilanz in Romanisch. Wer sich als Rätoromane für eine kaufmännische Ausbildung interessiert, kann in Samedan und Ilanz Teile des Unterrichts in Romanisch besuchen. Wer sich für einen weniger verbreiteten Beruf entscheidet, muss die Berufsschulen in Chur oder allenfalls gar ausserhalb des Kantons besuchen. Zur Zeit (2014) sind es rund 800 Lernende mit einem Lehrvertrag im Kanton Graubünden, die die Berufsschule ausserhalb des Kantons besuchen. Im Anschluss Abbildung 1: Standorte Berufsfachschulen in Graubünden (z. V. g. AfB GR) Die Karte zu den Standorten der Berufsfachschulen in Graubünden zeigt, dass Lernende unter Umständen grössere Distanzen auf sich nehmen müssen, wenn sie einen Beruf ergreifen möchten, für den es zwar in ihrer engeren Umgebung einen Lehrbetrieb aber keine Berufsfachschule gibt. Gerade für die Lernenden aus Italienisch- und Romanischbünden ist der Besuch der Berufsfachschule meist auch mit einem Sprachwechsel verbunden. Die folgende Zusammenstellung listet auf, welche Berufsschulen welche Ausbildungen in welcher Sprache anbieten.

14 24 A Allgemeiner Teil 2. Sekundarstufe II in Graubünden Übersicht Berufsschulen in Graubünden Name URL Kontakt Sprache Berufsfachschule Davos Info@berufsschuledavos.ch deutsch Bildungszentrum Gesundheit und Soziales Chur Info@bgs.chur.ch deutsch Gastgewerbliche Fachschule Graubünden Handels und Touristikschule c/o Swiss School of Tourism and Hospitality info@ssth.ch deutsch Name URL Kontakt Sprache Gewerbeschule Samedan /Scuola industriela Samedan gewerbeschule@berufsschule-samedan.ch deutsch; KV-AbsolventInnen mit rom. Grundschule müssen auch im KV rom. besuchen; für Ital.-Sprachige wird Ital. als Muttersprache eingetragen Gewerbschule/Scola professiunala industriala, Ilanz admin@bzs-surselva.ch romanisch und deutsch als Muttersprache Fachunterricht deutsch Ausbildungen Kaufleute E-Profil Schreiner EFZ Detailhandel EFZ AssistentIn Gesundheit und Soziales EFZ Fachperson Gesundheit EFZ Fachperson Betreuung EFZ Hotel- und Gastrofachfrau-/ fachmann (kant. approb) Touristikkauffrau/-kaufmann Profil E EFZ Kauffrau/Kaufmann EFZ Ausbildungen Automobil-Fachmann/frau EFZ Automobil-Mechatroniker/in EFZ Bäcker/in-Konditor-Confiseur/in EFZ Coiffeur/Coiffeuse EFZ Elektroinstallateur/in EFZ Forstwart /in EFZ Hotelfachmann/frau EFZ Heizungsinstallateur/in EFZ Maurer/in EFZ Koch/Köchin EFZ Metallbauer/in EFZ Montage-Elektriker/in EFZ Sanitärinstallateur/in EFZ Schreiner/in EFZ Zeichner/in EFZ Erweiterte kaufmännische Grundausbildung (E-Profil) EFZ Detailhandelsfachfrau/-fachmann (DHF) EFZ Maurer und Schreiner (Fachund allg.-bildenden Unterricht) Allg.-bildender Unterricht aller übrigen gewerblichen Berufe (Splitting) Lernende 2014 ohne BM 2 BM 1 = lehrbegleitend BM 2 b = nach EFZ, berufsbegleitend BM 2 v = vollzeit Besonderes ca.125 BM 1 M-Profil* BM 2 M-Profil b* BM 2 M-Profil v* * bei genügender Nachfrage Unterkunft bei Bedarf bei den Mittelschulen Div. Weiterbildungsangebote ca. 365 BM 1 G+S BM 2 G+S v BM 2 G+S b Wohnbetrieb Salufer Div. Angebote für Weiterbildung und Nachqualifikation max. 150 nein Kauffrau/Kaufmann Profil E für Sportler EFZ; 4 Jahre Weiterführende Ausbildung als Hotelfachschule Lernende 2014 ohne BM 2 BM 1 = lehrbegleitend BM 2 b = nach EFZ, berufsbegleitend BM 2 v = vollzeit Besonderes 400 BM 2 M-Profil b ca. 200 inkl. Splitting BM 1 M-Profil Div. Brückenangebote

15 26 A Allgemeiner Teil 2. Sekundarstufe II in Graubünden 27 Name URL Kontakt Sprache Gewerbliche Berufsschule Chur info@gbchur.ch deutsch Landwirtschaftliches Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof, Landquart info@plantahof.ch deutsch Kaufmännische Berufsschule Oberengadin kv.samedan@berufsschule-samedan.ch Deutsch, romanisch, Italienisch Name URL Kontakt Sprache Scuola professionale Poschiavo info@scuolaprofessionale.ch Italienisch Scuola industriala Val Müstair not.manatschal@cdvm.ch Wirtschaftsschule KV Chur info@wskvchur.ch Deutsch Ausbildungen 57 Berufe, vgl. separate Darstellung unten Landwirt/in EFZ Agrarpraktiker/in EBA Erweiterte kaufmännische Grundausbildung (E-Profil) EFZ Detailhandelsfachfrau/-fachmann (DHF) EFZ Ausbildungen Polymechaniker/in EFZ Automatiker/in EFZ Elektroinstallateur/in EFZ Schreiner/in EFZ Sanitärinstallateur/in EFZ Maurer/in EFZ Spengler/in EFZ Detailhandelsfachfrau/mann EFZ Gewebegestalter/in EFZ, Handweber/ in Maurer/in EFZ Schreiner/in EFZ Plattenleger/in EFZ Kauffrau/Kaufmann E-Profil EFZ B-Profil EFZ Büroassistent/in EBA Detailhandel Detailhandelsfachfrau/mann EFZ Detailhandelsassistent/in EBA Medizinische Assistenzberufe Pharma-Assistent/in EFZ Med. Praxisassistent/in EFZ Dental-Assistent/in EFZ Lernende 2014 ohne BM 2 BM 1 = lehrbegleitend BM 2 b = nach EFZ, berufsbegleitend BM 2 v = vollzeit 3000 Technische BM 1 (TMB 1) Gestalterische BM 1 (GBM 1) TBM 2 v GBM 2 v Naturwissenschaftliche BM 2 (NBM 2) v 168 nein 200 BM 2 Lernende 2014 ohne BM 2 BM 1 = lehrbegleitend BM 2 b = nach EFZ, berufsbegleitend BM 2 v = vollzeit 79 nein nein 1200 BM 1 M-Profil BM 2 v BM 2 b Besonderes swiss olympic Partner Scool Ausbildung als Erstausbildung, Zweitausbildung und Nachholbildung Unterkunft möglich im Lehrlingshaus Besonderes

16 28 A Allgemeiner Teil 2. Sekundarstufe II in Graubünden Berufe an der Gewerblichen Berufsschule Chur Anlageführer/in EFZ Anlagen- und Apparatebauer/in EFZ Automatiker/in EFZ Automobil-Assistent/in EBA Automobil-Fachmann/frau EFZ Automobil-Mechatroniker/in EFZ Bäcker-Konditor-Confiseur/Bäckerin-Konditorin-Confiseurin EFZ Bäcker-Konditor-Confiseur EBA/Bäckerin-Konditorin-Confiseurin EBA Baumaschinenmechaniker/in EFZ Baupraktiker/in EBA Betriebsunterhalt Fachmann/frau EFZ Carrossier/in Lackiererei EFZ Carrossier/in Spenglerei EFZ Coiffeur/Coiffeuse EFZ Drogist/in EFZ Drucktechnologin/Drucktechnologe EFZ Elektroinstallateur/in EFZ Elektroniker/in EFZ Elektroplaner/in EFZ Fleischfachmann/frau EFZ Formenbauer/in EFZ Forstwart /in EFZ Haustechnikpraktiker/in EBA Hauswirtschaft-Fachmann/-Fachfrau EFZ Hauswirtschaftspraktiker/in EBA Heizungsinstallateur/in EFZ Holzbearbeiter/in EBA Informatiker/in EFZ Innendekorateur/in Koch/Köchin EFZ Konstrukteur/in EFZ Küchenangestellte/r EBA Laborant/in EFZ Landmaschinenmechaniker/in EFZ Logistiker/in EFZ Maler/in Maurer/in EFZ Mediamatiker/in EFZ Metallbauer/in EFZ Montage-Elektriker/in EFZ Motorgerätemechaniker/in EFZ Multimediaelektroniker/in Netzelektriker/in Plattenlegerpraktiker/in EBA Plattenleger/in EFZ Polygraf/in EFZ Polymechaniker/in EFZ Restaurationsangestellte/-r EBA Sanitärinstallateur/in EFZ Schreiner/in EFZ Schreinerpraktiker/in EBA Spengler/in EFZ Strassentransportfachmann/-frau EFZ Wohntextilgestalter/in EFZ Zeichner/in EFZ (Architektur) Zeichner/in EFZ (Ingenieurbau) Zimmermann/Zimmerin EFZ Beispiele für Berufe ohne Berufsschule in Graubünden Hier noch ein paar Beispiele für Berufe von Lernenden mit Lehrvertrag in Graubünden, welche ausserhalb des Kantons die Berufsfachschule besuchen. Architekturmodellbauer/in Bekleidungsgestalter/in Buchhändler/in Boden-Parkettleger/in Diätkoch/köchin Fachmann/frau Information und Dokumentation Florist/in Gebäudetechnikplaner/in Geomatiker/in Goldschmied/in Kaminfeger/in Kosmetiker/in Milchtechnologe/in Musikinstrumentenbauer/in Orthopädist/in

17 30 A Allgemeiner Teil 2. Sekundarstufe II in Graubünden 31 Podologe/Podologin Polydesigner/in Reifenpraktiker/in Strassenbauer/in Textilpfleger/in 2.3 Mittelschulen, Handelsmittelschulen und Fachmittelschulen Der Vollständigkeit halber stellen wir hier noch kurz die anderen schu lischen Ausbildungen der Sekundarstufe II dar. Der Kanton Graubünden verfügt mit der Bündner Kantonsschule über eine grosse eigene Mittelschule in Chur, die alle Ausbildungsgänge anbietet (Langzeitgymnasium, Kurzzeitgymnasium, Handelsmittelschule, Fachmittelschule). Daneben bieten acht weitere Mittelschulen mit Teilangeboten und zum Teil Spezialangeboten Lehrgänge in der Sekundartufe II an. Namentlich sind dies die Academia Engiadina Samedan, das Bildungszentrum Surselva, die Evangelische Mittelschule Schiers, das Gymnasium Kloster Disentis, das Hochalpine Institut Ftan, das Lyceum Alpinum Zuoz, die Schweizerische Alpine Mittelschule Davos und die Stiftung Sport-Gymnasium Davos. Schülerinnen und Schüler aus Graubünden bezahlen beim Besuch der privaten Mittelschulen ein Schulgeld, das im Rahmen des Schulgeldes der Bündner Kantonsschule liegt. Die folgende Zusammenstellung 2 zeigt auf, welche Schule welche Ausbildungsgänge anbietet. Die einzelnen Schulen unterscheiden sich in ihren verschiedenen Ausbildungsgängen ausserdem durch die verschiedene Zusammensetzung der Schwerpunkt-, Ergänzungs- und Wahlfächer. Zudem weisen die Schulen verschiedene Maturaabschlüsse (einsprachig, bilingue) und Immersionsfächer auf. Abbildung 2: Zusammenstellung über die Angebote der Bündner Mittelschulen Schule Academia Engiadina Samedan Bündner Kantonsschule Chur Evang. Mittelschule Schiers Gymnasium Kloster Disentis Hochalpines Institut Ftan Center da formaziun Surselva / Bildungszentrum Surselva Lyceum Alpinum Zuoz Schweiz. Alpine Mittelschule Davos Stiftung Sport-Gymnasium Davos AES BKS EMS GKD HIF CFS/BZS LAZ SAMD SSGD Schulprofile Untergymnasium X X X X X X X Gymnasium X X X X X X X X Handelsmittelschule X X X X X X Fachmittelschule BF Pädagogik X X X X BF Gesundheit X X X X X BF Soziale Arbeit X X Angaben zur Maturität Deutsch X X X X X X X X rumantsch - tudestg X X X italiano - tedesco X Deutsch - Romanisch X X Deutsch - Italienisch X 2 Die Daten stammen von folgender URL: mittelschulen/dokumentation/angebote/seiten/default.aspx, , 16 h

18 3. Berufsberatung, Coaching und Unterstützungsangebote für Jugendliche 33 Gegenüber den Mittelschulen wird immer wieder der Vorwurf erhoben, sie würden aus finanziellen Gründen die Schüler- und Klassenbestände unabhängig der demographischen Entwicklung beibehalten oder gar ausbauen. Die Regierung hält dazu in ihrer Botschaft an den Grossen Rat fest: Neben dem bereits bestehenden Mangel an Fachkräften, insbesondere im Bereich der technischen Berufe, beginnt sich der Geburtenrückgang auf der Sekundarstufe II auszuwirken. Direkt davon betroffen sind die duale Berufsbildung und die Mittelschulen, was zu einem verschärften Wettbewerb um ausbildungswillige und lernfähige Jugendliche führt. Einzelne Ausbildungsstandorte sind durch den Rückgang der Anzahl Jugendlichen existentiell gefährdet. Weiterhin wird es auch Jugendliche geben, welche infolge individueller Ausbildungsdefizite (noch) keine berufliche Grundbildung absolvieren können. Im Bereich der Hochschulen und Forschung wird sich durch neue Gesetze (Bundesgesetz über die Förderung der Hochschulen und die Koordination im schweizerischen Hochschulbereich, Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz) der Wettbewerb unter den betroffenen Institutionen (Universitäten, ETHs, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen) gesamtschweizerisch verstärken. Strategische Absicht Jugendliche der Sekundarstufe II im Rahmen der bisherigen Anteile auf die duale Bildung und die Mittelschulen verteilen; Fachkräftebedarf der Unternehmungen mit gut ausgebildeten Berufsleuten decken und die Weiterbildung sicher stellen; Höhere Berufsbildung, Hochschulen und Forschungseinrichtungen für ausserkantonale Interessentinnen und Interessenten attraktiv, Wissen durch Technologie- und Wissenstransfer nutzbar machen. (Botschaft, S. 1296; Hervorhebung durch O. E.) Und in den Entwicklungsschwerpunkten heisst es dann klar: Übertrittsquote an Mittelschulen stabilisieren. Bekanntheit der Berufsmatura erhöhen. (Botschaft, S. 1305) Von Seite der Regierung ist also klar definiert, dass die Maturaquote nicht erhöht werden soll. 3. Berufsberatung, Coaching und Unterstützungsangebote für Jugendliche 3.1 Vorbemerkungen Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren hat im Jahre 2006 Folgendes festgehalten: Ziel ist es, bis ins Jahr 2015 unter den 25-jährigen Personen den Anteil der Absolventinnen und Absolventen mit einem Abschluss auf der Sekundarstufe II auf 95 Prozent zu steigern. Zurzeit verfügen rund 89 Prozent der jungen Erwachsenen über einen Abschluss auf Sekundarstufe II. Erwachsene ohne Abschluss werden auf dem Arbeitsmarkt vermehrt zu einer Risikogruppe. Die Steigerung der Abschlussquote liegt deshalb im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft. f. Ergänzende Angebote und Massnahmen zur Verfügung stellen Eine Minderheit von Jugendlichen (schätzungsweise 20 Prozent) benötigt ergänzende Massnahmen, damit sie eine ihren Möglichkeiten entsprechende Ausbildung aufnehmen können. Zu den ergänzenden Massnahmen im Sinne dieser Leitlinien zählen insbesondere Brückenangebote, schulische Angebote sowie Angebote der Arbeitslosenversicherung und in individuelle Begleitungen. Die individuellen Begleitungen sollen nach den Prinzipien des Case Management konzipiert, koordiniert und vernetzt werden und, soweit notwendig, auch in der Sekundarstufe II weitergeführt werden. Die Oberstufe der Volksschule hat frühzeitig mit dem Berufswahlunterricht und der Vorbereitung auf die Anforderungen der Sekundarstufe II zu beginnen. Nicht alle Jugendlichen entwickeln sich aber gleich schnell. Dabei spielen Aspekte wie Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, das sozia le und kulturelle Umfeld, die Berufswahlreife oder die persönliche Motivationslage etc. eine Rolle. (EDK 2006) Um dieses Ziel zu erreichen, wurden bestehende Instrumente ausgebaut und neue eingerichtet. Im Kanton Graubünden stehen den Jugendlichen neben dem obligatorischen Unterricht in Berufswahlkunde in der Sekundarstufe I und der Berufsberatung auch ein Coaching und Unterstützungsangebote zur Verfügung. Im Normalfall reicht das Engagement der Jugendlichen, der Lehrpersonen und der Erziehungsberechtigten aus, damit die Jugendlichen eine Lehrstelle finden oder eine andere Ausbildung in Angriff nehmen können.

19 34 A Allgemeiner Teil 3. Berufsberatung, Coaching und Unterstützungsangebote für Jugendliche Berufsberatung Im Kanton Graubünden arbeiten ca. 20 Personen als Angestellte des Kantons in der Funktion als Berufsberaterinnen und Berufsberater in Voll- oder Teilzeitpensen. Daneben gibt es noch ein paar private Berufs- und Laufbahnberaterinnen und -berater. Das Amt für Berufsbildung Graubünden beschreibt die Dienstleistungen der Berufsberatung selber folgendermassen: «Die Dienstleistungen der Berufsberatung des Kantons Graubünden werden flächendeckend im ganzen Kanton in allen drei Sprachregionen angeboten. Die insgesamt acht kantonalen Beratungsstandorte befinden sich in Chur, Ilanz, Thusis, Davos, Samedan, Scuol, Poschiavo und Roveredo. An diesen Standorten sind auch Berufsinformationszentren (BIZ) eingerichtet, welche der Öffentlichkeit zur Benutzung offen stehen. Zu vielen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten ist umfassendes Informations- und Dokumentationsmaterial vor Ort verfügbar und kann kostenlos ausgeliehen werden. Dabei ist auch immer eine Fachperson für kurze Beratungsgespräche im Einsatz. Die Berufsberaterinnen und Berufsberater führen im Rahmen von persönlichen Einzelberatungen individuelle Standortbestimmungen durch und beziehen dabei sowohl Interessen, Fähigkeiten wie auch Werthaltungen der Jugendlichen mit ein. Dabei wird im Sinne einer interinstitutionellen Zusammenarbeit auch der Austausch mit Eltern, Ausbildungsverantwortlichen, Lehrpersonen, Schulsozialarbeit oder anderen Institutionen und Fachstellen gepflegt. Berufsorientierungen und Klassenbesprechungen im BIZ gehören ebenso zu den Dienstleistungen der Berufsberatung Graubünden wie die Informationsabende für Eltern in den Schulhäusern der Oberstufen. Dies erfolgt mit dem gemeinsamen Ziel, die ratsuchenden Jugendlichen beim Berufswahlprozess zu unterstützen. Damit leistet die Berufsberatung einen wichtigen Beitrag beim Finden einer optimalen Passung für den Übertritt an der Schnittstelle von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II.» (Amt für Berufsbildung 2014) 3.3 Coaching Auch im Kanton Graubünden verlaufen nicht alle Berufswahlprozesse reibungslos. Wenn die Schülerinnen und Schüler von zu Hause aus auf zu wenig Unterstützung rechnen können, steht ihnen allenfalls das Coaching Berufsbildung Graubünden als Unterstützung bei. (Abb. 5). Insgesamt stehen drei Coaches mit 130 Stellenprozenten zur Verfügung. «Coaching Berufsbildung richtet sich an Jugendliche ab der 2. Oberstufe, also achtes Schuljahr, bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit nach neun Schuljahren. Im Coaching werden Jugendliche begleitet, welche aufgrund mehrerer Faktoren Gefahr laufen, nach Abschluss der Volksschule keine Anschlusslösung wie eine Lehrstelle oder ein Brückenangebot zu finden. Solche Faktoren können z. B. schwache Schulleistungen, wenig oder keine Unterstützung durch die Erziehungsberechtigten, auffälliges Sozialverhalten und mangelnde Sprachkenntnisse sein. Liegen mehrere dieser Faktoren vor, werden Jugendliche durch Lehrpersonen oder Eltern bei der Berufsberatung angemeldet und über diese dem Coaching zugewiesen. Eine Teilnahme am Coaching Berufsbildung ist freiwillig und kostenlos. Das Coaching dauert bis zum Finden einer Anschlusslösung wie Lehrstelle, Brückenangebot, Praktikum usw. Ist die Anschlusslösung gefunden, wird das Coaching abgeschlossen, spätestens dann, wenn die Jugendlichen die obligatorische Schulzeit beenden.» (Amt für Berufsbildung 2014) 3.4 Case Management Zielgruppe des Case Managements Berufsbildung sind Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren, bei denen die Gefährdung besteht, dass sie das Ziel eines Berufsabschlusses auf Sekundarstufe II nicht erreichen. Die betroffene Zielgruppe wird über drei Hauptzugangskanäle (Volksschule, Brückenangebote, Jugendprogramm Funtauna und Berufsinspektorat) dem Case Mana gement gemeldet. Die Erfassung der Risikogruppe aus der Volksschule und der Brückenangebote erfolgt im Rahmen einer Online-Befragung zum Schulschluss. Jugendliche, die während dem laufenden Ausbildungsjahr die verschiedenen Angebote verlassen, werden dem Case Management Berufsbildung individuell gemeldet. Wenn Jugendliche drei Monate nach Lehrabbruch noch keine Anschlusslösung gefunden haben, meldet das Berufsinspektorat die gefährdeten Jugendlichen dem Case Management. Die Jugendlichen können bis zum Abschluss der Ausbildung durch CMBB begleitet werden. (Amt für Berufsbildung 2014)

20 36 A Allgemeiner Teil 3. Berufsberatung, Coaching und Unterstützungsangebote für Jugendliche 37 Abbildung 3: Coaching Berufsbildung im Kanton Graubünden ( Nein Berufswahlprozess während der Volksschule Unterstützung benötigt? Ja 3.5 Weitere Unterstützungsangebote Weitere öffentliche und private Unterstützungsangebote stehen Hilfesuchenden im Kanton Graubünden zur Verfügung. Das Amt für Berufsbildung erteilt den verschiedenen Anbietern einen Leistungsauftrag und leistet selber einen Beitrag an die Betriebsdefizite. Es gibt aber auch Anbieter, die finanziell unabhängig sind. Kontaktaufnahme durch Lehrperson mit Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung Folgende Programme kommen dabei zum Einsatz: 1. Jugendprogramm Funtauna/Motivationssemester Nein Abklärung durch Berufsberatung Coaching nötig? Ja 2. «Die Chance» Selbstständige Suche nach Anschlusslösung Anmeldeformular 3. Job Coach/Profil Arbeit und Handicap, Büro Chur 4. Diverse Brückenangebote (10. Schuljahr) an verschiedenen Schulen Arbeitsmarkt Coaching Berufsbildung 5. Fachstelle Integration Graubünden 6. Regio 18:24 Ein Coach unterstützt die jugendliche Person mit individuellen Massnahmen, die zu einem Abschluss eines Lehrvertrages oder zur Vermittlung einer anderen Anschlusslösung führen sollen. Insbesondere bei der Schnupperlehr- und Lehrstellensuche sind die Coaches behilflich. Die Jugendlichen sollen möglichst rasch in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu handeln. Eine intensive und motivierte Mitarbeit der Jugendlichen ist Voraussetzung. Die spezifischen Angebote können unter der folgenden URL nachgeschlagen werden:

21 4. Sprachen in den Bündner Berufsschulen Sprachen in den Bündner Berufsschulen 3 In den [...] Berufsschulen und weiteren Schulen des Tertiärbereiches, haben die Minderheitensprachen grösstenteils einen marginalen Stellenwert. [...] An der Scuola professionale di Poschiavo werden zehn Ausbildungen vollständig in Italienisch durchlaufen. Für mehrere Berufe besteht ausserdem die Möglichkeit, den ABU in Italienisch zu besuchen. An der Handelsschule Surselva/Scola mercantila Surselva in Ilanz und an der Kaufmännischen Berufsschule Oberengadin in Samedan wird Rätoromanisch für Abgänger der rätoromanischen Volksschule als Fach unterrichtet. In Samedan wird auch Italienisch als Erstsprache für Lehrtöchter und Lehrlinge aus den angrenzenden Südbündner Tälern, dem Puschlav und dem Bergell, angeboten. Die Gewerbeschulen in den rätoromanischen Regionen die Gewerbeschule Surselva/Scola professiunala Surselva in Ilanz, die Gewerbeschule Samedan/Scoula industriela Samedan und die Scoula industriala Val Müstair in Sta. Maria führen einen Teil des allgemein bildenden Unterrichts (Fächerblock «Gesellschaft, Sprache und Kommunikation») in Rätoromanisch, die Gewerbeschule Samedan auch in Italienisch. Den allgemein bildenden Unterricht an der Gewerbeschule Surselva in Ilanz besuchen seit 2000 auch die aus der Surselva stammenden rätoromanischsprachigen Schüler der Gewerblichen Berufsschule Chur. Als der allgemein bildende Unterricht an den Gewerbeschulen noch nicht als Fächerblock geführt wurde, bot die Gewerbliche Berufsschule Chur wie auch die Gewerbeschulen in den rätoromanischen Regionen eine Wochenlektion Rätoromanisch an. Seit der Einführung eines neuen Rahmenlehrplans im Jahre 1996 wird der Erstspracheunterricht nicht mehr gesondert geführt, sondern ist Teil des Fächerblockes «Gesellschaft, Sprache und Kommunikation». An der Gewerblichen Berufsschule Chur musste daher eine neue Lösung für das Rätoromanische gefunden werden. Diese besteht nun darin, dass Rätoromanischsprachige an der Partnerschule in Ilanz im Rahmen des allgemein bildenden Fächerblockes in Rätoromanisch unterrichtet werden. Eine weitere Zusammenarbeit besteht zwischen der Gewerblichen Berufsschule Chur und der Gewerbeschule Samedan. Italienischsprachige Lehrlinge und Lehrtöchter, die erstere besuchen, können ihre Vertiefungsarbeit auf 3 Aus Grünert (2007), Wir danken dem Autor für die Veröffentlichungsrechte. Die Daten für Poschiavo wurden dem neuesten Stand angepasst.

22 40 A Allgemeiner Teil 4. Sprachen in den Bündner Berufsschulen 41 Italienisch verfassen. Dabei drängt sich für die Schule in Chur die Zusammenarbeit mit der Schule in Samedan auf, wo bessere Italienischkompetenzen vorhanden sind. Die Wirtschaftsschule KV Chur hat weitgehend Schüler aus Deutschbünden. Nur für die medizinischen Assistenzberufe (Pharma-Assistent/in, Dentalassistent/in, medizinische/r Praxisassistent/in) ist das Einzugsgebiet der ganze Kanton. Die Schüler aus Italienisch- und Romanischbünden, die diese Ausbildungen absolvieren, haben keinen speziellen Mutterspracheunterricht und besuchen den Deutschunterricht zusammen mit den Deutschbündnern. Die Schüler aus Italienischbünden besuchen auch zusammen mit den anderen den Zweitsprachenunterricht in Italienisch. Wenn Italienischbündner allerdings eine Lehrstelle im Raum Südbünden haben, können sie an der Kaufmännischen Berufsschule Oberengadin in Samedan Italienisch als Erstsprache und Deutsch als Zweitsprache belegen. Keine Berücksichtigung finden die Minderheitensprachen als Erstsprachen am Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof (LBBZ) und an der Gastgewerblichen Fachschule Graubünden (GFG). Am Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof wurde während einiger Jahre (bis 1999) das Fach Geschäftskunde auf Rätoromanisch angeboten, zur Durchführung kam es jedoch wegen mangelnden Interesses nie. Im Falle der Gastgewerblichen Fachschule Graubünden ist zu vermerken, dass nur rund ein Drittel der Absolventen aus Graubünden stammt (wovon die Mehrheit deutschsprachig ist), während die übrigen aus anderen Kantonen der Deutschschweiz kommen. [...] Gesondert soll nun auf das Italienische als Zweitsprache im weiteren Rahmen des Fremdsprachenunterrichts eingegangen werden. Zu Beginn des Schuljahres 2005/2006 haben erstmals Volksschulabgänger mit Italienisch als obligatorischer Zweitsprache ihre Berufsausbildung angetreten. Im Fremdsprachenunterricht hat dies vor allem dort Veränderungen bewirkt, wo bisher (auch) Französisch unterrichtet wurde. An der Wirtschaftsschule KV Chur besuchten im Rahmen der kaufmännischen Ausbildung bisher rund 4 /5 als zweite Landessprache Französisch und rund 1 /5 Italienisch (neben Englisch, das obligatorische dritte Sprache ist). Nun ist das Verhältnis (im E-Profil) gerade umgekehrt: 4 /5 lernen Italienisch und 1 /5 Französisch. Lehrtöchter und Lehrlinge aus Deutschbünden fahren im Anschluss an ihren Zweitsprachenunterricht an der Volksschule mit Italienisch weiter, den Französischunterricht besuchen nur ausserkantonale Lehrtöchter und Lehrlinge, die Französischkenntnisse aus der Volksschule mitbringen. An der Handelsschule Surselva/Scola mercantila Surselva in Ilanz, wo im Rahmen der kaufmännischen Ausbildung bisher nur Französisch als zweite Landessprache unterrichtet wurde, wird neu (im E-Profil) nur noch Italienisch unterrichtet. Anders als in Chur, wo die in der Volksschule erworbenen Italienischkenntnisse vorausgesetzt werden, beginnt man hier bei Null, da 80 Prozent der Schüler die rätoromanische Volksschule absolviert haben, wo Italienisch nicht eine obligatorische Fremdsprache ist. An der Handelsmittelschul-Abteilung, wo bisher als zweite Landessprache Französisch neben der «dritten Sprache» Englisch und dem «weiteren Fach» Italienisch unterrichtet wurde, sind nun die Rollen vertauscht: zweite Landessprache ist Italienisch, als «weiteres Fach» gilt Französisch. In der kaufmännischen Ausbildung an der Kaufmännischen Berufsschule Oberengadin haben sich keine Änderungen ergeben, da hier auch bisher als zweite Landessprache nur Italienisch unterrichtet wurde. Auch hier beginnt man im Italienischen bei Null, weil die Abgänger der rätoromanischen Volksschule keine Italienischkenntnisse mitbringen. Für das B-Profil der kaufmännischen Ausbildung, das nur eine Fremdsprache umfasst, wird in Samedan nur Italienisch angeboten, in Chur dagegen Englisch und Italienisch, wobei allerdings je nach Anmeldungen nur Englisch durchgeführt wird. Im Bereich Verkauf/Detailhandel stellt man an der Wirtschaftsschule KV Chur und an der Handelsschule Surselva/Scola mercantila Surselva eine Verschiebung von den Landessprachen zum Englischen fest: Während in Chur bisher 2 /3 bis 4 /5 der Verkäufer und Detailhandelsangestellten Italienisch lernten und 1 /3 bis 1 /5 Französisch, besuchen nun 3 /4 bis alle den Englisch unterricht und höchstens 1 /4 den Italienischunterricht. An der kleineren Schule in Ilanz, wo keine parallelen Kurse geführt werden, wurde früher nur Italienisch unterrichtet, jetzt dagegen nur Englisch. Keine Veränderungen ergeben sich an der Wirtschaftsschule KV Chur bei den medizinischen Assistenzberufen (Pharma-Assistent/in, Dentalassistent/in, medizinische/r Praxisassistent/in), für die bereits bisher nur Italienisch unterrichtet wurde, und in der Ausbildung der Bahnbetriebsdisponenten, die wie bisher Italienisch- und Englischunterricht haben. Keine Veränderungen stellt man auch an der Gewerblichen Berufsschule Chur fest. Die relativ wenigen Berufe, für die hier Fremdsprachen vorgeschrie-

23 42 A Allgemeiner Teil 5. Tendenzen in der Forschung 43 ben sind, haben die bisherigen Fremdsprachen behalten. Chemie laboranten, Elektroniker, Informatiker, Polymechaniker und Automatiker lernen weiterhin nur Englisch, Drogisten weiterhin nur Französisch und Polygrafen weiterhin Französisch und Englisch. Italienisch- und Englischunterricht erhalten wie bisher die Zugbegleiter. Bei den Drogisten drängt sich das Französische besonders auf, da den Absolventen dieser Ausbildung der Besuch der Höheren Fachschule für Drogisten und Drogistinnen (Ecole supérieure de droguerie) in Neuenburg ermöglicht werden soll. Bündner Lehrlinge und Lehrtöchter, die die Ausbildung für Drogisten und Polygrafen absolvieren, erhalten nun mehr Französischlektionen, damit die auf der Volksschuloberstufe nicht mehr vermittelten Kenntnisse ein Stück weit nachgeholt werden können. [...] Was das Sprachenangebot in der Berufsbildung anbelangt, hat das Sprachenkonzept der Volksschule nur teilweise Veränderungen bewirkt. In einigen Bereichen des kundenorientierten Sektors in den medizinischen Assistenzberufen, bei den Zugbegleitern und bei den Bahnbetriebsdisponenten sowie im kaufmännischen Bereich in Südbünden (Kaufmännische Berufsschule Oberengadin) wurde bereits früher als weitere Landessprache nur Italienisch unterrichtet. In der kaufmännischen Ausbildung der Wirtschaftsschule KV Chur hat sich das Angebot nicht verändert: Französisch und Italienisch standen hier bisher zur Auswahl und werden auch weiterhin angeboten, da die Schule neben den Abgängern der Deutschbündner Volksschule, die Italienischkenntnisse mitbringen, auch Volksschulabgänger anderer Kantone aufnimmt, die über Französischkenntnisse verfügen. Unterschiedlich ist allerdings das Verhältnis der Lerngruppen: Während früher die überwiegende Mehrheit den Französischunterricht besuchte, folgt nun der grösste Teil der Lehrtöchter und Lehrlinge dem Italienischunterricht. Stärker sind die Veränderungen im Bereich Verkauf/Detailhandel (in Chur und Ilanz), wo das bisher vorherrschende Italienische durch das Englische verdrängt wird, und allgemein an der kleineren Handelsschule Surselva in Ilanz, wo nicht zwei Sprachen parallel unterrichtet werden und nun in der kaufmännischen Ausbildung (E-Profil) Französisch durch Italienisch ersetzt wurde und in der Handelsmittelschule die Prioritäten zwischen Französisch und Italienisch getauscht wurden. 5. Tendenzen in der Forschung In der Forschung spricht man von Transition, wenn allgemein der Übergang von einer Situation in eine andere untersucht wird. Unsere Publikation trägt den Titel «Passung», damit ist insbesondere der Abgleich zwischen den verschiedenen Anforderungen einer Situation zur anderen gemeint. Allgemein hat sich parallel dazu auch der Begriff «Matching» etabliert. Es ist nicht das Ziel unserer Publikation, die bereits vorhandene, umfangreiche Forschung zum Thema Transition, Passung bzw. Matching aufzuarbeiten. Wir wollen in diesem Kapitel nur kurz eine Übersicht über die bisherigen Forschungsschwerpunkte der jüngeren Vergangenheit vermitteln. Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogrammes 51 (NFP 51 Integration und Ausschluss, ) zur Frage der Lehrlingsauswahl wurde ein grösserer Bericht erstellt. 4 Ausserdem zeigt ein Blick ins Internet, dass sich auch viele Arbeitgeberorganisationen mit der Frage der Selektion der Lernenden befassen. Ein grosser Bericht wurde im Auftrag der EDK erarbeitet, der sich mit den Erfolgsfaktoren in der Berufsbildung bei gefährdeten Jugendlichen befasst. 5 Seit dem Jahr 2000 begleitet das Project TREE rund 6000 Jugendliche in der Transitionsphase von der Volksschule zum Berufsleben. Im Rahmen dieses Projects TREE sind zahlreiche Publikationen erschienen. 6 Insbesondere die Publikation von Bergmann et al. (Hg.) (2012) ist im Bezug auf unsere Fragestellung hilfreich, da sie die ganze Thematik der Passung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Ein Überblick über die bisherige Forschung lässt folgende Interessensrichtungen festlegen: Sonderpädagogisches Interesse und die Frage nach der Chancengleichheit Ein Grossteil der Studien befasst sich mit der Frage, wie Lernschwache und Behinderte in die Arbeitswelt integriert werden können. Eine spezielle Problematik ergibt sich aus der Frage, wie die Beeinträchtigungen überhaupt diagnostiziert werden können. 4 Hans-Ulrich Grunder/Laura von Mandach (Hrsg.) (2007): Auswählen und ausgewählt werden. Integration und Ausschluss von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Schule und Beruf/Choisir et être choisi. Intégration et exclusion des jeunes et jeunes adultes dans la scolarité et l emploi, Seismo, Zürich. 5 Kurt Häfeli; Claudia Schellenberg: Studien + Berichte 29A: Erfolgsfaktoren in der Berufsbildung bei gefährdeten Jugendlichen. EDK. Bern

24 44 A Allgemeiner Teil 5. Tendenzen in der Forschung 45 Ein zweiter grosser Forschungszweig befasst sich mit den Problemen, inwiefern die Lehrstellenwahl und Chance, eine Lehrstelle zu bekommen, durch die Genderfrage beeinflusst wird. Diese ersten zwei Interessensschwerpunkte zielen darauf ab, Probleme zu erkennen und zu prüfen, welche (sonder-)pädagogischen Massnahmen notwendig sind, um eine ausgeglichene Chancennutzung zu ermöglichen. Der zweite Punkt weicht von der Fragestellung her natürlich vom ersten Punkt ab, aber durch die Tatsache, dass oft gerade Kinder und insbesondere Mädchen mit Migrationshintergrund schulische Probleme aufweisen und Mühe haben, eine Lehrstelle zu finden, ergeben sich grössere Überschneidungen in der Thematik. Standards und Kompetenzen Immer wieder taucht in der Forschung die Frage auf, welche Anforderungs- und Kompetenzprofile mit einer Ausbildung auf der Sekundarstufe II verbunden sind. Diese Frage kann theoretisch angegangen werden, indem komplexe Profile erarbeitet werden. Es gibt aber auch einige Darstellungen, wo mit einfachen Beschreibungen den Schülerinnen und Schülern dargestellt wird, was von ihnen in einer bestimmten Lehre erwartet wird. Sowohl die Wirtschaft als auch die Wissenschaft bemühen sich darum festzustellen, welche Anforderungen bei einem Übertritt von der Schul- in die Arbeitswelt überhaupt gestellt werden (sollen). Die Profile umfassen dabei sowohl schulische als auch individualpsychologische und soziale Kompetenzen. In der Forschung kaum Beachtung gefunden hat hingegen die Nutzung der verschiedenen Tests (Basis-Check, Multi-Check etc.), die heute von vielen Betrieben auch schon für Schnupperkurse verlangt werden. Wirtschaftliche Aspekte Während es für die Politik klar ist, dass 95 Prozent der Bevölkerung einen Abschluss auf Sekundarstufe II haben sollte, wird dieser Aspekt in der Forschung nur am Rande behandelt. Am ehesten noch gehen die Studien der Frage nach, ob es sich für einen Lehrbetrieb überhaupt lohnt, Lernende aufzunehmen. Gelingen/Misslingen von Transitionen Welches sind die Erfolgsfaktoren für das Gelingen von Transitionen? Gibt es auch Faktoren, die für ein Misslingen verantwortlich sind und lässt sich das Misslingen allenfalls voraussagen? Ein Serie von Studien sucht nach Parametern, die über den Erfolg/Misserfolg von Transitionen entscheiden. Das fängt an bei den schulischen Leistungsausweisen, die je nachdem über die Aufnahme eines Lernenden in einen Betrieb entscheiden, geht über soziale Kompetenzen bis hin zu demographischen Entwicklungen. Die uns bekannten Studien über die Voraussagbarkeit von erfolgreichen Schulabschlüssen sind eher auf das Gymnasium und Hochschulabschlüsse fokussiert. Lehrstellenangebot und Nachfrage Noch kaum erforscht ist der Zusammenhang von Lehrstellenangebot und Nachfrage. Führt ein Überangebot an Lehrstellensuchenden zu einer rigoroseren Auswahl und viceversa? Entspricht das Angebot an Lehrstellen den Bedürfnissen der Wirtschaft, oder werden in gewissen Bereichen zu viele Lernende ausgebildet, während in anderen Bereichen zu wenige Lehrstellen angeboten werden? Indirekter Nutzen für den Betrieb/Qualität der Ausbildung im Betrieb Lernende bringen dem Betrieb neue Ideen und tragen dazu bei, die neuesten Erkenntnisse aus der Schule im Betrieb zu installieren. Die Lernenden tragen damit auch zu einer Aktualisierung der Arbeitsmethoden und -techniken bei. Dieser Know-how-Transfer ist bisher unseres Wissens noch nicht untersucht worden. Ebenfalls kaum Beachtung gefunden hat die Qualität der Ausbildung im Lehrbetrieb. Sollte ein Betrieb eine gewisse Grösse haben, damit die Qualität der Ausbildung gewährleistet ist? Kann ein Kleinbetrieb überhaupt noch Lernende ausbilden, was für Lösungen gibt es allenfalls? Was bedeuten die gerade die letzten Fragestellungen für die Randregionen? Berufskundeunterricht Die Inhalte des Berufskundeunterrichts werden vorwiegend durch die Berufsverbände vorgegeben. Entsprechen diese Vorgaben noch den Anforderungen der Praxis, oder hat auch im Berufskundeunterricht eine Akademisierung Einzug gehalten? Diese Frage ist noch nicht untersucht worden. Brückenangebote Es fehlt eine Studie zur Frage, welche Hilfeleistungen bei den Brückenangeboten wirklich effizient sind. Schule als System Grundsätzlich tut sich die Wissenschaft mit der Untersuchung von komplexen Systemen schwer. Inwieweit determiniert beispielsweise die Primarschule bereits die folgenden Ausbildungen, sei dies durch eine frühe Zutei-

25 46 A Allgemeiner Teil 5. Tendenzen in der Forschung 47 lung in ein bestimmtes Niveau der Sekundarstufe I, sei es durch die Tatsache, dass in der Primarschule heute hauptsächlich durch Frauen unterrichtet wird oder sei es, dass aufgrund der Klassenkonfigurationen Peer-Groups entstehen, die letztlich mehr Einfluss auf die Jugendlichen ausüben als jede noch so gut gemeinte professionelle Beratung. Die Übersicht zeigt, dass insbesondere die Studien, welche Defizite aufdecken und ausgleichen wollen, relativ gut vertreten sind. Studien zum Normalfall hingegen sind im Vergleich dazu selten. Interessant wäre es aus unserer Sicht, wenn die folgenden Lücken geschlossen würden: Übereinstimmung von schulischen Kompetenzen/Anforderungen und beruflichen Kompetenzen/Anforderungen während der Lehre Die Karriere eines normalen Schülers/einer normalen Schülerin vom der Sekundarstufe I zum Beruf im dualen System Der Umgang mit der «neuen» Situation im Lehrstellenmarkt: Für gewisse Berufe werden heute mehr Lehrstellen angeboten, als überhaupt besetzt werden können, was zur Folge hat, dass sich die Lehrbetriebe neu um Lernende bemühen müssen. Image- und Prestigeforschung bei Berufslehren Jean-Marc Falter hält in seiner Bestandsaufnahme zum Thema fest: Soll man zum Beispiel weiterstudieren, wenn Wirtschaftskrise herrscht? Oder: Stimmt die erworbene Ausbildung mit der Qualifikationsnachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften überein? Das Schicksal der jungen Menschen auf dem Arbeitsmarkt hängt jedoch nicht nur von der Effizienz des Bildungssystems oder von den mehr oder weniger vernünftigen Ausbildungsentscheiden der Individuen ab. Der berufliche Einstieg ist auch stark abhängig von den (Un-)Gleichgewichten des Arbeitsmarktes, welche sich oft auf Grund institutioneller Mechanismen ergeben. (Falter 2012, S. 113) Neben den eigentlichen Forschungsarbeiten haben sich auch einige eigentliche Ratgeber vor allem für die Arbeitgeber entwickelt, die dabei helfen sollen, geeignete Lernende zu finden. Insbesondere hervorzuheben ist das Dossier «Lehrlingsmangel. Strategien für die Rekrutierung des Nachwuchses» von Margrit Stamm (2013), das auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungsarbeit praktische Ratschläge erteilen kann. 7 Unsere Studie ist gewissermassen eine Dokumentation, die die common practice und die best practice festhält, darüber hinaus aber auch Handlungsbedarf aufzeigt. Sie steht damit zwischen Dokumentation und Empfehlung, erhebt aber sicher keinen besonderen Anspruch, zur Theoriebildung beizutragen. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es überraschenderweise keine spezifische Forschung zum Thema der Übergänge von der Schule ins Erwerbsleben. Wohl findet man zahlreiche Artikel zum beruflichen Einstieg junger Menschen, aber diese Phase ist nicht Gegenstand einer spezifischen Theorie. Tatsächlich betrifft die Transition von der Schule ins Erwerbsleben mehrere zentrale Konzepte der Arbeitsmarkt- und Bildungsökonomie. Zu denken ist insbesondere ans Humankapitalmodell, welches Bildungsentscheidungen aufgreift. Aber auch theoretische Überlegungen zu Arbeitslosigkeit und Einkommensdeterminanten sind von Nutzen, um die Situation der jungen Menschen in dieser Phase zu verstehen. So findet der Übergang von der Schule ins Erwerbsleben als Forschungsgegenstand seinen Platz in einer grossen Zahl theoretischer und empirischer Literatur, die allerdings nicht spezifisch auf diese besondere Lebensphase bezogen ist. Die Analyse der Transition von der Schule ins Erwerbsleben deckt ausserordentlich vielfältige Bereiche ab. Zu diesen Bereichen gehört die Ausbildungswahl und ihre Relevanz in Funktion des wirtschaftlichen Umfelds. 7 Weitere interessante Publikationen zu pädagogischen Themata finden sich online auf der Homepage der Autorin: Daselbst sind auch umfassende Bibliographien zu ausgewählten Themen zu finden.

26 49 B QUALITATIVER TEIL MIT INTERVIEWS

27 1. Methodisches Methodisches 1.1 Erhebung der Interviews Wir haben mit den an der Ausbildung von Lernenden beteiligten Personen qualitative Interviews geführt. Ausgegangen sind wir von einem Themenkatalog, in welchem wir unsere Fragen festgehalten haben. Um die Informanten und Informantinnen inhaltlich nicht zu stark zu beeinflussen, haben wir sie möglichst frei erzählen lassen. Diese Interviews wurden digital aufgenommen und die Aussagen der Interview-Partner sinngemäss schriftlich festgehalten. In erster Linie haben wir die Berufsbildenden danach befragt, nach welchen Kriterien sie ihre Lernenden auswählen und welche Rolle dabei die schulische Vorbildung spielt. Wir haben zwischen Berufen unterschieden, die bei den Lernenden wenig, normal und stark begehrt sind. Ausserdem haben wir die Lehrpersonen der Oberstufe danach befragt, wie sie die Ausbildung gemäss Lehrplan im Hinblick auf die Berufsfindung ihrer Schülerinnen und Schüler einschätzen und den Lehrplan allenfalls ergänzen würden. Wir haben zwischen Lehrpersonen, die hauptsächlich auf der Realstufe und solchen, die hauptsächlich auf der Sekundarstufe unterrichten, unterschieden. Diese Angaben kontrastieren wir mit Interviews mit Lernenden, die in ihrer Berufslehre schon weit fortgeschritten sind bzw. diese abgeschlossen haben. Und schliesslich erkundigten wir uns noch bei Lehrpersonen der Berufsbildung, wie weit sie mit der Vorbildung der Lernenden zufrieden sind und wo sie Defizite orten. Als Ergänzung zu den Interviews mit den direkt Betroffenen haben wir auch einige Experteninterviews durchgeführt. Schematisch lässt sich das Ganze so darstellen: Interviews mit Berufsbildenden von Berufen mit wenig Nachfrage von Seite der Lernenden 4 Interviews Interviews mit Lernenden 4 Interviews Interviews mit Lehrpersonen von Realschulen 4 Interviews Interviews mit Berufsbildenden von Berufen mit mittlerer Nachfrage von Seite der Lernenden 3 Interviews Interviews mit Expertinnen und Experten 4 Interviews Interviews mit Berufsbildenden von Berufen mit hoher Nachfrage von Seite der Lernenden 3 Interviews Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 6 Interviews Interviews mit Lehrpersonen von Sekundarschulen 2 Interviews

28 52 B Qualitativer Teil mit Interviews 1. Methodisches 53 Für die Auswertung der Interviews sind wir folgendermassen vorgegangen. Zunächst haben wir für jede Gruppe (Experten, Lehrpersonen, Lehrlinge etc.) einige Protokolle auf Gemeinsamkeiten hin durchgesehen und anschliessend ein Raster angefertigt, das erlaubte, die einzelnen Aussagen zu kategorisieren. In einem zweiten Schritt haben wir dann aus sämtlichen Transkriptionen die Aussagen extrahiert und, wo nötig, den Raster erweitert. Damit erstellten wir quasi eine Maximalvariante der Interviews, d. h. alle Aussagen einer Gruppen zu einem Thema sind unter demselben Titel oder Untertitel zusammengefasst. Wie bereits dargestellt, gingen wir bei der Auswertung der Interviews qualitativ und nicht quantitativ vor. Wir kennzeichneten aber jede Aussage mit einer Sigel, die den Urheber definiert. Faktisch heisst das, dass damit in einem gewissen Sinn dennoch ein quantitativer Faktor einfliesst. Wenn eine Aussage sinngemäss von mehreren Informanten geäussert wurde, liegt der Schluss nahe, dass sie von den Informantinnen und Informanten als bedeutsamer eingestuft wird als andere Aussagen. Die Maximalvarianten haben wir am Schluss mit einer abstrahierenden Zusammenfassung und Wünschen der befragten Personen versehen. In einem dritten Schritt (Teil D) schliesslich haben wir die Aussagen unter Beizug von verschiedenen Texten aus der Sekundärliteratur analysiert und in einen grös seren Zusammenhang gebracht. Wir betonen an dieser Stelle, dass in den Schritten 1 und 2 von unserer Seite keine Wertung der Aussagen unserer Informantinnen und Informanten erfolgt. Gerade weil wir erst im Fazit werten wollten, haben wir uns dazu entschieden, die Aussagen unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner vollumfänglich zu veröffentlichen und allen Interessierten zugänglich zu machen. Die Interviews haben nämlich gezeigt, dass zu umstrittenen Themen auch die Fachleute verschiedene Meinungen haben und die Situation aufgrund ihrer Erfahrung verschieden einschätzen und werten. 1.2 Bedeutung der Personensiglen Wir haben unseren Interviewpartnern Siglen zugeteilt. In erster Linie haben wir unsere Informanten nach bestimmten Funktionen ausgewählt, also z. B. als Verantwortlicher für die Lehrlinge. Im Gespräch stellte sich dann heraus, dass die angefragten Personen auch noch andere Funktionen innehaben. So kann z. B. gerade eine für die Lehrlinge verantwortliche Person zugleich noch Fachlehrperson an der Berufsschule sein. Diese Doppelfunktionen haben wir nicht speziell in die Sigle einfliessen lassen. Unsere Siglen setzen sich aus drei Elementen zusammen. Das erste Zeichen hält fest, in welcher Funktion wir die Person angefragt haben. B = Berufsbildnerin/Berufsbildner (Lehrmeisterin/Lehrmeister) G = Gewerbeschul- bzw. Berufsschullehrer/Berufsschullehrerin E = Expertin/Experte L = LernendeR O = Lehrerin/Lehrer Oberstufe I Die zweite Zeichengruppe aus drei bis vier Zeichen spezifiziert die Aussage des ersten Zeichens, indem sie bei den Lehrpersonen der Oberstufe angibt, auf welchem Niveau sie hauptsächlich unterrichten. Bei den anderen Auskunftspersonen gibt das Zeichen Auskunft über die Branche. Abu = Allgemeinbildender Unterricht Agr = Agronomie BauG = Gipsen und Stuckaturen BauH = Holzbau Ber = Berufsberatung BMS = BerufsMittelSchule Chef = Verantwortlicher für die gesamte Berufsbildung in einem Betrieb Chem = Chemie Dru = Druck/Papier/Grafik Ele = Elektronik Flei = Fleischverarbeitung Ges = Gesundheit Gast = Gastronomie/Hotellerie KV = Kaufmännische Berufe Inf = Informatik Real = Realstufe Sek = Sekundarstufe

29 54 B Qualitativer Teil mit Interviews 1. Methodisches 55 Die letzten zwei Ziffern schliesslich nummerieren die Personen fortlaufend. Die Sigle OReal01 bedeutet also: Oberstufen-Lehrperson auf Realniveau, Nummer 01. Die Gliederung der Informantinnen und Informanten in die verschiedenen Bereiche sieht folgendermassen aus: B = Berufsbildnerin/Berufsbildner (Lehrmeisterin/Lehrmeister) BAgr01 BBauG13 BBauH06 BChef19 BChem05 BDru09 BFlei22 BGast07 BGes24 BKV27 O = Oberstufen-Lehrpersonen OReal02 OReal08 OReal10 OReal18 OSek03 OSek17 E = Expertin/Experte EBer20 EBMS21 EBWS30 EChef12 G = Gewerbeschulschullehrerin/Gewerbeschullehrer, Berufsschullehrer/Berufsschullehrerin GAbu04 GAbu11 GChem14 GEle16 GGes29 GKV28 L = LernendeR LChem23 LDru15 LInf25 LKV26

30 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 2.1 Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen Befragt wurden vier Reallehrer und zwei Sekundarlehrer aus Bonaduz, Cazis, Domat/Ems, Paspels, Thusis und Vals. Demografische Entwicklung Die meisten Schülerinnen und Schüler finden heute ohne Mühe eine Lehrstelle. Manchmal staune ich, sie müssen sich nicht besonders anstrengen. (OReal02) Als es mehr Konkurrenz gab, mussten sie sich mehr Mühe geben. Die Firmen gehen heute eher ein Risiko ein und müssen in Kauf nehmen, dass der Lehrling an der Schule schwache Leistungen bringt und am Schluss vielleicht knapp mit dem Minimum durchkommt. (OReal08) Die wirtschaftliche Situation hilft den Jugendlichen. (OReal18) Zur Zeit bekommen auch leistungsunwillige Schülerinnen und Schüler mit schlechten Noten problemlos eine Lehrstelle, gerade in handwerklichen Berufen. (OReal02, OReal08) Wenn ungeeignete Lernende genommen werden, können Frustration und Missstimmungen auf beiden Seiten entstehen. (OReal02) Berufswahl Berufslehre oder Gymnasium Heute gehen immer mehr gute Sek-Schülerinnen und -schüler ins Gymnasium, es ist ein Run. Trotz abnehmender Schülerzahlen werden Kanti-Klassen aufgefüllt. Es ist eine politische Frage, wie viel Maturanden wir haben wollen. Der Anteil der Mädchen im Gymnasium hat ständig zugenommen. (OSek17) Es ist klar, dass die künftigen GymnasiastInnen in den gewerblichen Berufen fehlen. Es ist aber nicht sicher, dass die Kanti-Schülerinnen und -Schüler gute Handwerker wären. (OReal10) Es gehen heute zu viele fleissige Schülerinnen und Schüler ins Gymnasium. Ich frage mich, warum man nicht eher den Intellekt statt den Fleiss testet. (OReal10) Der Schwerpunkt wird in der Sekundarschule auf weiterführende Schulen gelegt. Die Sek-Lehrpersonen kennen selber auch nur diese. (OReal10) Viele Schülerinnen und Schüler wollen mit einem Eintritt ins Gymnasium die Berufswahl hinauszögern. (OReal18)

31 58 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 59 Viele vergessen, dass die Matura keine Berufsausbildung ist und viele üben nachher einen Beruf aus, für den sie keine Matura gebraucht hätten. (OSek17) Berufswahlkunde Der Unterricht in Berufswahlkunde ist in den letzten Jahren stark intensiviert und ausgebaut worden. Es gibt massenhaft Materialien und Dokumentationen. (OSek17) In der ersten Oberstufe versuchen die Lehrpersonen vor allem im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler zu arbeiten. Wer bin ich, was kann ich? Es werden Ansätze zur Selbstreflexion vermittelt. (OReal02, OReal08, OSek17, OReal18) Am Ende des Schuljahres bekommen die Schülerinnen und Schüler Material und Links zu Seiten mit Berufswahlinformationen. (OReal10) Bei uns gibt es in der Oberstufe eine Zusatzlektion «Arbeitstechnik», die wir für die Berufswahl einsetzen. Diese Lektion ist eigentlich nur für die Sekundarstufe vorgesehen. (OReal10) Berufswahlkunde ist Teil des Deutschunterrichts. (OSek17, OReal02, OReal10) Im Fach Informatik üben die Schülerinnen und Schüler auch das Verfassen von Lebensläufen und Bewerbungen. (OReal02, OReal08, OReal10) Viel Material können wir heute nach Bedarf selber vom Internet herunterladen und ausdrucken. (OReal10) Es gibt gute Lehrmittel mit Berufswahltagebuch etc. (OReal18) Einzelne Lehrpersonen haben sich «spezialisiert» im Hinblick auf den berufskundlichen Unterricht und erbringen damit eine Dienstleistung für die ganze Schule. Die Klassenlehrpersonen motivieren die Schülerinnen und Schüler und kontrollieren auch, ob alle Aufgaben erfüllt werden. (OReal08) SchülerInnen können Bewerbungen durch uns korrigieren lassen. (OReal10) Es finden Rollenspiele zu Bewerbungsgesprächen statt. (OReal02, OReal10) Auch Kleidung und Erscheinung werden dabei besprochen. (OReal10) Externe «Lehrmeister» schaffen bei Rollenspielen mehr Authentizität. (OReal02). Wir besprechen, dass die Berufswahl etwas Wichtiges ist für die nächsten 3 4 Jahre und nicht mehr. Nachher kann man weiter schauen, es ist nicht mehr wie früher, als man für den Rest des Lebens wählte. (OReal10) Das Verteilen von Material und Informationen genügt nicht. Damit die Schülerinnen und Schüler etwas wirklich erledigen im Hinblick auf die Lehrstellensuche, muss ich Berufswahlkunde im Unterricht machen. Das Wichtigste dabei ist, dass man die Lehrstelle nicht schenkt, man soll etwas dafür tun, sich bemühen, sich bewegen. (OReal10) Ich suche mit den Schülerinnen und Schülern keine Lehrstelle, ausser wenn ich sehe, dass von zu Hause aus gar keine Unterstützung vorhanden ist. Lehrstellensuche ist Sache der SchülerInnen und der Eltern. Wir unterstützen nur. (OReal08, OReal18) Ich kontrolliere mit den Eltern, dass die Bewerbungen wirklich rausgehen. Oft werfe ich die Couverts persönlich ein. (OReal18) Für die Eltern der Realschülerinnen und Realschüler führe ich neben dem Gesamtelternabend für die Oberstufe noch einen besonderen Elternabend durch, wo wir auf die spezifischen Probleme eingehen können. (OReal10) Betriebsbesichtigungen Das Gastgewerbe macht recht Anstrengungen, um Leute zu bekommen. Die Klasse wurde von Hotellerie Suisse als Bildungsanlass auch schon ins Hotel eingeladen. Das machen sie jedes Jahr. Es ist nicht so einfach, einen Betrieb zu finden, der eine ganze Klasse einlädt und bei den Schülerinnen und Schülern finde ich es komisch, dass nicht mehr von ihnen ins Gastgewerbe gehen. (OReal02) Gastro Graubünden lud uns in ein Hotel ein. Die Werbekampagne hatte in unserem nicht touristischen Ort wenig Wirkung. (OSek17) Firmenbesuche hängen vom Engagement der Lehrpersonen ab. Grossbetriebe empfangen die Klassen gerne. (OSek17) Coop hat Lehrpersonen zu einem Infotag eingeladen. (OReal02) Hamilton und Ems-Chemie haben schon zusammen mit dem Lehrlingschef orientiert. (OReal02) Berufsmessen/Werbung In der Ausstellung «Fiutscher» werden die Berufe sehr gut und stufengerecht dargestellt. (OReal02) «Fiutscher» ist aber eigentlich eine Werbemesse, in der Schule müssen wir dann wieder relativieren. (OReal10) «Fiutscher» richtet sich hauptsächlich an InteressentInnen für handwerkliche Berufe, Dienstleistungsberufe kann man weniger gut darstellen. (OSek17) Banken ködern die guten Schülerinnen und Schüler früh mit guten Konditionen, attraktiven Löhnen und Fremdsprachaufenthalten. Das setzt andere Berufsgattungen unter Druck, schon im Sommer anzufangen, Lehrlinge einzustellen. (OSek17) Viele Betriebe organisieren für den nationalen Zukunftstag eine Show, die wenig mit dem Berufsalltag zu tun hat. Es überschwemmt die Betriebe. (OReal10)

32 60 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 61 Einflüsse auf die Berufswahl Eltern Die Eltern haben den grössten Einfluss. Die Vorstellungen werden vor allem vom Elternhaus vermittelt. (OSek17) Das familiäre Umfeld spielt eine grosse Rolle. Bei einem grossen Teil der Schülerinnen und Schüler schaut das Elternhaus, was es so gibt. Bei den oberen Niveaus ist der Druck der Eltern auf die Mittelschule gewaltig. Auch bei solchen, die am Übergang zur Real sind, gibt es Fantasievorstellungen. (OReal10) Jugendliche sind gefordert, wenn nicht überfordert und oft mit sich selber beschäftigt. Eltern können auf die Realität hinweisen. (OSek03) Es gibt Eltern, die nicht wissen, wie man eine Bewerbung anpackt. Am Elternabend zur Berufswahl in der 2. Klasse wird das besprochen. Wenn die Eltern nicht unterstützen können, bedaure ich die Schülerinnen und Schüler. (OReal10) Lehrpersonen Lehrpersonen haben eher geringen Einfluss auf die Lehrstellenwahl. Die Jugendlichen sind aber froh um Unterstützung bei den Bewerbungen. (OReal08, OSek17) Gerade in der Realstufe muss ich bisweilen die Schülerinnen und Schüler vor zu anspruchsvollen Ausbildungen warnen und ihnen ein tieferes Niveau empfehlen. Als Lehrperson suche ich mit den Schülerinnen und Schüler keine Lehrstelle (Ausnahmen!). Das ist Sache der Schülerinnen und Schüler und der Eltern. (OReal18) Interessanterweise sind die Schülerinnen und Schüler eher zurückhaltend, sie machen ein bisschen ein Geheimnis daraus, obwohl ich immer sage, sie sollen mich informieren. Es ist auch eine Frage des Vertrauens. Ich versuche, wo immer möglich, ihnen Selbstvertrauen zu geben und sage, toll, mach das, probiere es. (OReal08) Image der Berufslehre Unsere Welt ist extrem auf Wissen und Lernen aufgebaut. Vielleicht gibt es einmal eine Wende. Das Handwerk hat heute fast keinen beruflichen Stellenwert. (OReal10) Viele wollen sich die Hände nicht mehr schmutzig machen. (OReal18) Büroberufe haben ein höheres Prestige als das Handwerk. Innerhalb der Büroberufe waren eine Zeit lang Banken sehr gefragt. Man hat einen guten Lohn, regelmässige Arbeitszeit und wird nicht dreckig. (OSek17) Das Image eines Berufs spielt eine Rolle. Bei den Knaben sind es technische Berufe und bei den Mädchen staune ich, wer sich für Fachfrau Gesundheit bewirbt. Die grössten Tussis gehen begeistert im Altersheim arbeiten. Dort werden sie gebraucht und gefordert. (OReal02) Die Lehrstellenwahl ist auch durch Modeströmungen geprägt. (OReal10) Bei einer Informatiklehre glauben viele, eine guter Umgang mit Computerspielen und Facebook reiche als Voraussetzung. (OReal02) Die Kinder vom Berg, meist Bauernkinder, haben sicher einen grösseren Bezug zu handwerklichen Arbeiten. Bei den anderen gibt es von zu Hause aus kein Zupacken. (OSek03) An einige Jugendliche kommt man fast nicht heran. Früher war die Einstellung, dass man nach der Schule eine Berufsausbildung machen will, klar vorhanden. Heute ist diese Haltung verschwunden. Manche haben kein Interesse etwas zu lernen und denken: Warum soll ich überhaupt zu arbeiten beginnen, die Gesellschaft sorgt schon für mich. (OReal18) Es gibt schwache Schülerinnen und Schüler, die falsche Vorstellungen haben und sich überschätzen. (OReal02) Kollegen und Kolleginnen können ebenfalls grossen Einfluss auf die Berufswahl ausüben. (OSek17, OReal08) Eigentlich kann man nicht sagen, wer oder was die Lehrstellenwahl letztendlich beeinflusst. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selber entscheiden. (OReal02) Sehr vielseitig begabte und extrem einseitig begabte Schülerinnen und Schüler haben fast am meisten Mühe, eine Lehrstelle zu finden. (OSek17) Die Schülerinnen und Schüler denken noch nicht über einen beruflichen Aufstieg nach. (OReal08, OReal10, OSek17) Standort Die meisten Schülerinnen und Schüler möchten möglichst nahe von zu Hause eine Lehrstelle antreten. (OReal02,OReal08, OReal10, OSek17) Für die Thusner liegt Chur durchaus noch im Einzugsgebiet. (OReal02) Ein wichtiges Kriterium ist der Standort, und ob man nach der Lehre im Dorf arbeiten kann. In der Freizeit möchte man im vertrauten Umfeld mit den Freunden zusammen sein. Der Ort ist wichtiger als der Beruf. (OReal08) Nach der Lehre wollen viele zurückkommen. Manche arbeiten nicht im Beruf, sondern wählen vielleicht einen Zweitberuf. Es geht um Freizeit und Kollegen, Jagd usw. Viele sind stark verbunden mit dem Dorf. (OReal08) Es soll in der Nähe sein. Die armen Kinder müssen aufstehen, heute ist da diese softe Art. In der Umgebung ist die Palette eingeschränkt. Manchmal nehmen sie etwas, was doch nicht ganz das ist, was sie sich vorgestellt haben. (OReal10)

33 62 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 63 Die einen gehen problemlos nach Zürich, andere wollen nicht weg. Gewisse Familien lassen die Kinder auch nicht gehen. Man muss dorthin gehen, wo die Lehre angeboten wird. Oder man macht eine Ausbildung, die ähnlich ist und steigt dann später um. (OReal18) Eine auswärtige Lehrstelle ist auch eine Kostenfrage. Mit Subventionen ist aber auch das machbar. (OReal08) Schülerinnen und Schüler aus abgelegenen Ortschaften stellen sich schon früh darauf ein, dass sie auswärts in die Lehre gehen müssen. (OSek17) Lohn Die Frage, wie viel man künftig verdienen wird, beschäftigt die Jugendlichen schon. (OReal02) KV-Absolventen verdienen nach Lehre mehr als Handwerker, die Baubranche zahlt etwas mehr. (OSek17) Schnupperlehre Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selber um Schnupperstellen bemühen. (OReal02, OSek03, OReal10) Probleme gibt es dabei, wenn sich Schülerinnen und Schüler z. B. zu enge geographische Grenzen setzen. (OSek03) Die meisten Betriebe verlangen seit 2 3 Jahren schon für eine Schnupperlehre eine schriftliche Bewerbung mit Lebenslauf. Das gab es früher nicht. (OReal02, OSek03) In der 2. Oberstufe findet im Herbst eine Schnupperwoche für Real- und Sek-Schülerinnen und -schüler statt. (OReal02, OSek03, OReal10, OSek17) Unsere Sek macht bei der Schnupperwoche nicht mit. Ein Schüler mit guten Noten, der sowieso an die Kanti will, belastet einen Betrieb nur. Den Schülerinnen und Schülern würde es aber gut tun, die Arbeitswelt zu sehen und was es heisst, 9 Std. stehen und arbeiten. Ich schlage vor, es als Projektwoche zu deklarieren, bei der alle, die wollen, eine Schnupperlehre machen, und die anderen sich auf die Prüfungen vorbereiten. (OReal10) Während der Schnupperwoche besuchen die Lehrpersonen die Schülerinnen und Schüler und knüpfen so auch Kontakt mit den Berufsbildenden. (OReal02, OReal10) Während der Schnupperwoche besuchen wir alle Schülerinnen und Schüler in den Betrieben. (OReal02, OSek03, OReal10, OSek17, OReal18). Gewisse Lehrmeister sagen, dass wir die einzigen seien, die sie besuchen, was ich aber nicht glaube. Hier herrscht offenbar eine falsche Wahrnehmung. (OReal18) Nach der Schnupperwoche halten die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen fest, arbeiten ihre Erlebnisse auf, und anschliessend wird das Ganze den Eltern präsentiert. (OReal10) Die Berufsbildenden geben den Jugendlichen nach dem Schnuppern ein Feedback, was für viele sehr heilsam ist. (OSek03) Die Schülerinnen und Schüler müssen nach dem Schnuppern eigentlich spüren, was die Berufsbildenden von ihnen in der Bewerbung erwarten, das können wir den Schülerinnen und Schüler nicht abnehmen. (OSek03) Schnupperlehren von einem halben Tag sind zu kurz, um einen richtigen Eindruck zu gewinnen. Es ist gut, wenn sie mehrere Tage schnuppern, da immer noch andere Sachen zum Vorschein treten. Auch Sommerjobs könnten erste Kontakte mit dem Handwerk vermitteln. (OReal18) Auf der 2. Oberstufe sollten die Schülerinnen und Schüler nach Reglement während der Ferien schnuppern gehen. (OReal02, OReal08, OSek17) Auf der 3. Oberstufe dürfen sie dann auch während der Schulzeit fehlen. (OReal02, OSek17) In anderen Schulen wird das Schnuppern jederzeit auch während der Schulzeit zugelassen. (OReal08) Es darf nicht sein, dass unsere Schülerinnen und Schüler gegenüber anderen benachteiligt werden, nur weil sie nicht während der Schulzeit schnuppern dürfen. (OReal10) Die Schulleitung muss dann diese Absenzen bewilligen. (OSek17) Berufsberatung Die Schülerinnen und Schüler holen sich die Informationen zu den Berufen meist vom Internet. (OReal02) Die Klasse besucht entweder das lokale Berufsinformationszentrum oder der Berufsberater besucht die Schule. (OReal02, Osek03, OReal08, OReal10) Zu den Informationen des Berufsberaters sind auch die Eltern eingeladen. (OReal08, OSek17) Wenn die Schülerinnen und Schüler das BIZ einmal mit der Schule besucht haben, sinkt die Schwellenangst, wieder dorthin zu gehen. (OReal02) Die Verbindung zur Berufsberatung ist relativ eng. (OSek17) Wegen Sparmassnahmen kann der Berufsberater/die Berufsberaterin nicht mehr so häufig kommen wie früher, er/sie ist heute eher Anlaufstelle in Krisensituation. (OSek03) Coaching Insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund gibt es Coaches, die ihnen bei den Bewerbungen helfen. (OReal02, OReal10) Der Coach begleitet die Schülerinnen und Schüler bis ins 1. Lehrjahr hinein. Es ist eine Entlastung für Eltern, die nicht so recht wissen, wie es geht. Es braucht

34 64 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 65 eine engmaschige Kontrolle. die Lehrpersonen können gelegentlich nachfragen. (OReal10) Beliebte und weniger beliebte Berufe Sekundarschülerinnen und Sekundarschüler lernen meist eher anspruchsvolle Berufe. (OReal08) Beliebt sind Zeichner und Informatiker. Auch Automechatroniker oder Polymechaniker sind anspruchsvoll geworden. Analytische Fähigkeiten sind wichtig. (OSek17) (OReal08) KV und Jobs, wo man sich nicht die Hände schmutzig macht, sind beliebt. Lehrstellen bei Banken haben etwas an Prestige verloren. (OSek17) Mädchen sind oft weiter in der Entwicklung, deshalb nehmen sie immer mehr auch anspruchsvolle Lehren in Angriff. (OSek03) Viele Frauen gehen in den Lehrerberuf, sie wollen nicht unbedingt handwerklich anpacken. (OReal18) Schülerinnen und Schüler der Realschule bekommen kaum technische Berufe, sie lernen handwerkliche Berufe. (OReal02, OSek17) Das manuell-handwerkliche ist noch beliebt, eher als das Technische. (OReal10) Bei den Knaben sind Automobilberufe Mode, besonders bei Ausländern. (OReal10, OReal02) Schreiner oder Zimmermann und Landmaschinenmechaniker sind etablierte Berufe. Mädchen der Realschule haben keine grosse Auswahl im Lehrstellenmarkt. (OReal02) Am häufigsten landen sie im Detailhandel und in Pflegeberufen oder wirken als Coiffeuse. (OReal02, OReal08, OReal10, OReal18). In der Realstufe wählt man eher traditionell, das, was man halt macht. (OReal08, OReal10) Es wird in einer sehr kleinen Palette gesucht, Berufe, die sie nicht kennen, lassen sie beiseite. (OReal10) Männer- und Frauenberufe Mädchen wählen kaum technische Berufe. Es hängt mit den Realschülern zusammen. Die intellektuellen Powerfrauen sind eher in der Sek. Jenen in der Real muss man helfen, sich zu emanzipieren. Sie denken, als Frau muss man einfach schön sein und betreut später die Kinder. Die Frauenrolle ist so bei Ausländerinnen und bei solchen aus einfachen Verhältnissen. (OReal02) Mädchen wählen relativ traditionell, nur wenige gehen in Männerberufe. (OSek17, OReal02, OSek17) Es war früher auch nicht anders. Es ist in den Leuten stark verwurzelt. Auch vom Körperlichen her ist es gegeben. (OReal10) Mädchen haben fast mehr Fähigkeiten für Mathematik. Sie wählen aber trotzdem nicht technische Berufe. Meist werden traditionelle Berufe gewählt. Im Malergeschäft gibt es auch Mädchen, nachdem eine anfing, ist es mit der Zeit normal geworden. (OReal08) Letztes Schuljahr der Oberstufe Viele Schülerinnen und Schüler engagieren sich nicht mehr, wenn sie einen Lehrvertrag oder eine Zusicherung für eine Lehrstelle haben (OReal02, OSek03, OReal08, OSek17, OReal18) Anderen gibt ein Lehrvertrag eher einen Motivationsschub. (OReal02) In der 3. Sek ist Berufswahl nicht mehr aktuell, es ist keine gute Entwicklung. Sie haben die Lehrstelle früh und lassen dann in der Schule etwas nach. Man unterstützt dann noch Aufnahmeprüfungen und berät Schülerinnen und Schüler, die noch nicht wissen, was sie machen werden. Man könnte Schülerinnen und Schüler mehr auf den Berufseinstieg vorbereiten mit Wahlfächern, die Richtung Beruf gehen. In Allgemeinbildung wie Geschichte und Deutsch läuft auch noch viel, das ich wichtig finde. (OSek17) Mathe muss man durchziehen, da gibt es Tests. Sonst nehme ich mir die Freiheit, auch ganz andere Sachen im lebenskundlichen Bereich zu machen. In der Sek muss man die Lernziele erreichen für weiterführende Schulen. In der Realschule hat man etwas mehr Möglichkeiten in der Gestaltung. (OReal08) Ich machte nie eine negative Erfahrung, dass einer nichts mehr machte. Sie wissen, dass es nicht gemütlich weiter geht. (OReal10) In der 3. Klasse wird es teilweise höchste Zeit, dass sie gehen können. Die einen haben die Reife, wollen arbeiten, sind vielleicht nicht so gut in der Schule. Anderen täte es gut, noch ein Jahr länger zu machen. (OReal02) Es ist nicht so einfach, weil die Jugendlichen verschieden reif sind. Die Spätpubertierenden haben da fast am meisten Probleme. (OSek03) Eine Vorverschiebung der Lehre steht nicht zur Diskussion. Die Reife ist sehr individuell. Schlecht finde ich die Idee, die Schülerinnen und Schüler noch früher einzuschulen. Dann kommen sie noch jünger aus der Schule. (OReal10) Viele machen in der Freizeit nichts, was von Vorteil wäre. (OReal10) Ich habe viele Schülerinnen und Schüler, die sehr viel Freizeit haben und einfach herum hängen. Von mir aus dürften sie auf der 3. Oberstufe mehr Lektionen haben, aber das kostet. (OReal02) Man könnte die 1. und 2. Oberstufe etwas entlasten und die 3. mit mehr Lektionen belegen. Das letzte Jahr,

35 66 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 67 in dem sie leistungsmässig und körperlich am weitesten sind, ist das bequemste Jahr. (OSek17) Eventuell wäre eine Abschlussprüfung nötig, damit man einige Schülerinnen und Schüler noch motivieren kann. (OReal02, OSek03, OReal10) Vielleicht könnte man hier schon mit den Berufsbildenden und Berufsschulen etwas arrangieren. Dass ich den Schülerinnen und Schülern sagen kann, was sie dort verlangen. (OReal02) Die Berufsschulen könnten Schülerinnen und Schüler mit ungenügenden Noten zum Nacharbeiten verpflichten. (OSek03) Der Erfolg und Misserfolg der Schule hat weder mit einem Niveaumodell noch mit einem anderen Modell zu tun, sondern damit, wie es im Schulzimmer zwischen den Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern funktioniert. (OReal10) Kompetenzen der Lernenden Mathematik Ich habe im 10. Schuljahr schon erlebt, dass Schülerinnen und Schüler mit einer sehr guten Mathenote kaum addieren konnten. Da müsste klar mehr standardisiert werden. (OReal18) Kopfrechnen wird weniger gemacht, man nimmt das Handy hervor. In der Oberstufe haben wir Taschenrechner. (OReal02) Wenn es Schwierigkeiten bei einer Matheaufgabe gibt, macht man es einfach nicht. Ich gebe auch dem Mathe-Lehrmittel der Realstufe etwas die Schuld. Wir hatten 15 Jahre lang das gleiche Lehrmittel, mit dem die Schülerinnen und Schüler überfordert waren. Es war so aufgebaut, dass man jede Aufgabe vorbesprechen musste. Von vier Hausaufgaben wussten sie schon bei der zweiten nicht, wie sie lösen. (OReal02) Ich sage auch als Mathelehrer, die Sprache sei mit Abstand das Wichtigste. (OReal10) Im neuen Mathe-Lehrmittel wurden die Anliegen der Berufsverbände aufgenommen. Neu spielt das Bruchrechnen eine untergeordnete Rolle. Dafür sind Messen, Abwägen, Vergleichen, Einschätzen auf werktätiger Grundlage wichtig. (OReal08) Die Mathematik-Note sagt schon etwas voraus, ob jemand später in der Schule Probleme haben wird. Es kommen dann ja noch andere Fächer dazu, wo man Mathe braucht (Physik, Elektrotechnik, Chemie etc.) (OSek03) Mädchen sind eher besser in Mathe, sie wählen aber trotzdem seltener technische Berufe. (OReal08) Von Seite der Schülerinnen und Schüler her heisst es im Feedback, dass der Lehrplan genug Mathe vorsieht. Sie hätten sich nur zu wenig engagiert. (OReal02) Viele ehemalige Schülerinnen und Schüler bestätigen, dass Mathe in der Ausbildung sehr wichtig sei. (OReal08) Sprachkompetenz Man schreibt heute weniger zusammenhängende Texte. Im Deutschbuch ist vieles vorgedruckt. Vielleicht wird auch weniger gelesen. Im Facebook und in SMS spielt Rechtschreibung keine Rolle. Vielen Schülerinnen und Schüler ist die Orthographie egal. (OReal02) Es wird behauptet, Grammatikkompetenz und Ausdruck im Deutsch hätten nachgelassen. Der Grund ist, dass viele Schülerinnen und Schüler eine andere Muttersprache haben. Aber es gibt auch Fremdsprachige, die gut in Deutsch sind. Sprachbegabung spielt eine Rolle. In der Sek haben wir keine massiven Schwierigkeiten. (OSek17) Lesen ist für die Schülerinnen und Schüler oft ein rotes Tuch. Ein Text, der länger als eine halbe A4-Seite ist, ist schon zu viel, auf allen Stufen. Insbesondere Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund meinen manchmal, sie könnten gut Deutsch, dabei verstehen sie banale Texte nicht und lesen auch nicht. (OReal10, OReal02) Bei einem Anteil von mehr als 40 Prozent ausländischen Kindern in einer Schule sprechen sie in der Freizeit nicht mehr Deutsch und die Integration wird schwierig. (OReal02) 10. Schuljahr Eine Zeit lang war Cazis populär für das 10. Schuljahr, es gab Wartelisten. Heute sind sie froh, wenn sie die Klassen füllen können. Auch Fremdsprachenaufenthalte werden selten gemacht. Die meisten möchten direkt arbeiten gehen. (OReal02) Das 10. Schuljahr sollte nicht der Weg des geringsten Widerstands sein. Für mich sind das Notlösungen für solche, die zu wenig reif sind, nicht wissen, was sie wollen oder wirklich nichts finden. (OReal10) Es sind Schülerinnen und Schüler, die eine Schwäche haben oder nirgends etwas gefunden haben. So werden sie reifer, es kann ein Vorteil sein. (OReal08) Einige Mädchen machen ein Praktikum in einem Spital und erhöhen so die Chance auf eine Lehrstelle in einem Spital. (OReal02)

36 68 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 69 Betriebe/Berufsbildende Es gibt diffuse Erwartungen an die Schule. Die Arbeitgeber wissen oft nicht genau, was wir in der Schule wirklich machen. Wir bilden keine Berufsleute aus, wir bilden breit aus. Sie können nicht verlangen, dass wir Schülerinnen und Schüler haben, die fixfertig und sicher in allen Kompetenzen sind. (OSek17) Die Betriebe haben sehr individuelle Erwartungen und Wünsche, auf die wir nicht einzeln eingehen können. Wir machen Allgemeinbildung. Die Berufsbildenden wissen vielleicht zu wenig, was wir machen und was heute verlangt wird. Den Bezug zur Berufswelt muss man sich selber schaffen. Es braucht eine Vertrauensbasis von der Lehrperson zum Berufsbildenden. (OReal10) Bei den Schreinern habe ich festgestellt, dass sie Leute suchen, die anpacken können. Sie wollen vor allem Arbeitskräfte. Die Berufsschule muss dort nebenbei funktionieren. (OSek03) Früher nahmen die grossen Betriebe wie z. B. die Post noch eine soziale Verantwortung wahr, indem sie auch weniger leistungsfähigen Menschen eine Arbeit anboten. Heute wird rationalisiert. (OReal18) Der Aufwand der Lehrlingsbetreuung hat enorm zugenommen. Wenn der Einsatz vom Arbeitgeber hoch ist und wenig Echo vom Lehrling zurück kommt, stimmen Aufwand und Ertrag nicht. (OSek17) Wenn ein Betrieb nicht mehr ausbildet, weil sich keiner meldet oder nicht jene, die sie gern hätten, und sie resigniert aufgeben, ist es ein grosser Schaden für alle Beteiligten. Wenn sie über längere Zeit negative Erfahrungen mit den Lernenden machen, geben sie auf. Dann muss der Staat mit Lenkungsmassnahmen dahinter, z. B. Betriebe, die Lehrstellen anbieten, als Anreiz steuerlich entlasten. (OSek17) Es gibt nur wenige Kontakte mit den Berufsbildenden. (OSek17, OReal18) Der Kontakt mit den Berufsbildenden müsste intensiviert werden. (OReal02, OSek03, OReal08, OReal10) Die Oberstufenlehrpersonen sind in der Regel sehr schulorientiert, sie kennen die anderen Berufe nur bedingt. Das wäre z. B. etwas für die Lehrerweiterbildung, dass man unbürokratisch mit Berufsbildenden zusammenarbeiten könnte oder die Betriebe besuchen könnte. (OSek03) Es wäre sinnvoll, wenn im Lehrvertrag festgehalten würde, dass der Kontakt Schule-Berufsbildende stattgefunden hat. (OSek03) Berufsbildende geben kein direktes Feedback. Vielleicht wollen sie auch Distanz, aber eigentlich finde ich das schade. (OSek03) Zeugnisse Die Bewerbungen erfolgen in der Regel mit dem Zeugnis der 2. Oberstufe. (OSek17) Es fehlen Standardisierungen der Noten innerhalb der Lehrerschaft. (OReal18) Das Zeugnis spielt für die Lehre immer weniger eine Rolle. Die meisten schauen eher darauf, ob der Lehrling ein «gäbiger» Typ ist. (OReal08) Berufsbildende haben keine Angst, dass die Noten nicht für die Berufsschule ausreichen, sie wollen einen «flotten» Menschen. (OReal18) Man darf das Zeugnis nicht überbewerten. (OReal10) Viele Berufsbildende haben oft Mühe mit der Lesbarkeit der Zeugnisse. Sie setzen sich nicht mehr richtig mit den Zeugnissen auseinander. Das führte dazu, dass sie einen Basis-Check oder Ähnliches verlangen. (OSek03, OReal18) Es wäre gut, wenn die Berufsbildenden mehr mit den Lehrpersonen Kontakt aufnehmen würden. Sie holen zu wenig Referenzen ein über Schülerinnen und Schüler. (OReal02, OReal08, OReal10, OReal18) Eine Note 5 kann locker hingelegt oder mit viel Mühe erarbeitet sein. (OReal10) Ich bin zwar froh, wenn einer unter Dach ist, aber unsicher, ob es klappt und ob sie zufrieden sind. Ich hätte erwartet, dass der Berufsbildende anruft. (OReal08) Ich bin manchmal überrascht, dass gute Schülerinnen und Schüler, die sich gut verhalten, Mühe haben, eine Lehrstelle zu kriegen, und andere erhalten sie, ohne etwas zu tun. Man könnte einiges an Missstimmung verhindern, wenn Berufsbildende und Lehrpersonen mehr miteinander reden würden. Es meldet sich selten einer. (OReal02) In 20 Jahren als Oberstufenlehrer bin ich höchstens 30-mal für eine Referenz angefragt worden. Zum Teil haben SchülerInnen, die ich nie angestellt hätte, eine Lehrstelle gefunden. (OReal18) Wenn Berufsbildende von uns Referenzen über Schülerinnen und Schüler wollen, dann gehen wir immer persönlich bei ihnen vorbei und erledigen das nicht einfach am Telefon. (OSek03) Sozialkompetenz Wir versuchen, im Schulhaus die Beurteilung der Sozialkompetenz zu vereinheitlichen. (OSek17)

37 70 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 71 Mit «ungenügend» taxierte Verhaltensweisen müssen in einem Elterngespräch begründet werden. (OReal10) Wenn die Vorentscheidungen (aufgrund von Zeugnissen und Multi-Check) gefallen sind, sind für die Berufsbildenden in der Regel Sozialkompetenzen wichtiger als schulische Kompetenzen. (OSek03) Die Bedeutung der Sozialkompetenz hat tendenziell eher zugenommen. (OReal08) Vor allem die Aspekte «Zuverlässigkeit» und «Verhalten im Team» finden bei den Berufsbildenden grosse Beachtung. (OSek17) Arbeitgeber wollen Lehrlinge mit Arbeitswillen, Einsatz, Ehrlichkeit und Anstand. (OReal18) Eine positive Ausstrahlung und ein positives Auftreten sind wichtig. Schülerinnen und Schüler mit diesen Qualitäten finden eine Lehrstelle. Zum Glück gibt es Betriebe, die nicht nur auf Noten schauen, sondern auf die Persönlichkeit. (OReal10) Einer entschied sich gegen einen Lehrling, weil er während einer Autofahrt kaum ein Wort sprach. (OReal08) Letztes Zeugnis Es wäre sehr gut, wenn die Berufsbildenden das Abgangszeugnis mehr berücksichtigen würden. (OReal02, OSek03, OReal08) Es ist eine Ausnahme, dass der Betrieb das letzte Zeugnis sehen will. Es hätte Vorteile, wenn die Schülerinnen und Schüler sich etwas zusammenreissen müssen. (OReal08) Man könnte die Noten des letzten Zeugnisses für das 1. Lehrjahr als lohnwirksam erklären. (OSek03) Tests (Multi-Check, Basis-Check etc.) Die Wirtschaft fordert die Tests. Wenn unsere Zeugnisbeurteilung sehr positiv ist und es nicht mit dem Bild übereinstimmt, das die Abnehmer von unseren Schülerinnen und Schülern haben, glauben sie unseren Zeugnissen nicht und wollen etwas Zusätzliches haben. (OSek17) Inzwischen verlangen viele Firmen schon fürs Schnuppern einen Multi- Check. Die Berufsbildenden haben gerne Daten, die unabhängig von Schule und Lehrperson vergleichbar sind, das ist verständlich. (OReal08) Viele Lehrbetriebe setzen die Checks voraus. Viele Schülerinnen und Schüler sind allerdings vom Stoff her noch nicht so weit und schneiden deshalb zu schlecht ab. (OSek03, OSek02, OReal10, OSek17) Wer ohne Vorbereitung an die Tests herangeht, schneidet relativ schlecht ab. Man braucht eine gewisse Taktik. (OReal18) Multi-Checks sind gut. Sie tragen dazu bei, dass sich die Schülerinnen und Schüler selber besser einschätzen können. In der 2. Oberstufe werden sie auf die diversen Tests vorbereitet, vielleicht auch zu wenig. (OReal02) Die Checks helfen den Berufsbildenden bei der Auswahl, da sie die Zeugnisnoten nur bedingt interpretieren können. Auch für die Schülerinnen und Schüler ist der durch die Tests entstehende Druck nicht schlecht. (OReal02) Es ist eine Ergänzung zum Zeugnis. Ich verstehe, wenn die Berufsbildenden etwas Allgemeingültiges sehen wollen. Es ist schwierig mit den Noten, die vielleicht zu gut sind. (OReal08, OSek17) Der Niveau-Unterricht ist einigen Berufsbildenden zu wenig durchsichtig, deshalb wollen sie die Checks, was wirklich schlecht ist für die Schule. (OReal18) Ich finde die Checks gut, aber es steht ein Geschäft dahinter. Früher haben kleinere Betriebe selber Tests zusammengestellt, die oft weit entfernt waren vom Schulstoff. Das ist zum Glück stark zurückgegangen. (OReal10) Mit diesen Checks wird ein Geschäft gemacht. (OSek03) Eigentlich könnten die Berufsbildenden sich auch mit den Zeugnissen der Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen und allenfalls bei den Lehrpersonen nachfragen, statt diese Tests zu verlangen. (OSek03) Lehrvertrag Für die meisten Schülerinnen und Schüler ist der Zeitpunkt für die Lehrstellenwahl richtig. (OReal02, OReal10, OReal18). Es gibt zwar einen offiziellen Termin für die früheste Unterzeichnung des Lehrvertrags (1. November), den meisten Schülerinnen und Schülern wird aber schon vorher eine Lehrstelle zugesichert. Viele Firmen, insbesondere Banken, werben oft die besten Schülerinnen und Schüler frühzeitig an. (OReal02, OReal08) Die Vereinbarung für einen künftigen Lehrvertrag hat sich vom Herbst auf den Sommer verschoben. (OSek17) In kleineren Betrieben läuft die Auswahl der Lehrlinge so nebenbei. Da müssen die Lehrlinge oft sogar nachfragen, wie es um ihre Bewerbung steht. (OReal10)

38 72 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 73 Berufsschule Wir wissen nicht genau, wie es in der Berufsschule weitergeht. (OReal02, OReal10, OSek17) Wir machen einfach das, was vom Lehrplan vorgesehen ist, und nehmen an, dass das so richtig ist. (OReal02, OSek03, OReal10) Es gibt leider keine institutionalisierten Kontakte. (OSek03, OReal10) Die Kontakte müssten verbessert werden. (OReal10, OSek17, OSek03, OReal10) Ich fände das Gespräch mit Berufsbildenden und Berufsschulen sehr wichtig, damit ich den Schülerinnen und Schülern sagen kann, was es dort heisst, wenn einer nicht Mathe kann. So vermitteln wir, dass wir wissen, wovon wir reden. (OReal02) Wir hatten mit dem früheren Reallehrerverein regelmässige Treffen mit der Berufsschule. Jetzt gibt es nur noch den Verein der Oberstufenlehrpersonen. Darin haben wir weniger Gewicht. (OReal10) Ich habe Lehrmittel der Berufsschule und kann den Schülerinnen und Schülern zeigen, was nachher kommt, als Motivation. Das könnte man verbessern. Wir geben unseren Schülerinnen und Schülern einfach die Grundlagen mit. Wir wissen über die Berufsschule wenig. In den ersten Wochen und Monaten wird der Stoff repetiert. Ich weiss nicht, ob die Berufsschule unsere Lehrpläne hat und wie stark sie darauf aufbauen. (OReal10) Das Niveau der Berufsschule sinkt, ich habe gehört, dass die Leistungen eher schwach sind. Die Schulen kämpfen um Schülerinnen und Schüler, es werden alle genommen. (OReal08) Bei einigen Lehren sind die schulischen Ansprüche weit weg vom Berufsalltag. Ein Teil des Schulstoffes ist im Beruf nicht relevant. (OReal18) Die Anforderungen wurden in den letzten Jahren heraufgeschraubt, bei den Lernenden und bei den Berufsbildenden. (OSek17) Berufsmaturität Eine Lehre kombiniert mit der BMS ist eher anspruchsvoller als das Gymnasium. Die BM ist eine Aufwertung der Berufe und der Schlüssel zur Weiterbildung. Wir animieren die Schülerinnen und Schüler dazu. Wenn aber alle aufsteigen und ausscheiden, ist niemand mehr an der Front. (OSek17) Die BMS ist eine super Sache, da hat man die Leute, die wirklich wollen. (OReal18) Die BMS dürfte für viele schwerer werden mit Noten unter 5. Gerade die technische Berufsmatura ist recht anspruchsvoll. Es ist ja nicht nur Mathe, es kommen noch Chemie und Physik dazu. (OSek03) Die BMS wird nicht in allen Betrieben gern gesehen. Ich kenne Betriebe, die bewusst eine Hälfte Sek-Schülerinnen und -Schüler und die andere aus der Real nehmen, da sie auch Leute wollen, die nachher im Beruf bleiben, schweissen, fräsen und bohren und sich nicht zum Ingenieur weiterbilden. (OReal02) Duales Bildungssystem Das duale Bildungssystem sollte man auf der ganzen Welt einführen, ich finde es super. Auch, weil ich viel praxisbezogene Schülerinnen und Schüler habe. Ich sehe viele, die zuerst ein Handwerk lernen und dann erst den Knopf öffnen und die Chance haben, sich weiterzubilden. (OReal02) Die Jugendarbeitslosigkeit ist in der Schweiz tief, 2 /3 sind früh im Arbeitsprozess. Wenn aber viele studieren, landen viele in einem Beruf, der ihnen gar nicht entspricht. (OSek17) Die Tendenz geht in Richtung Verschulung der Lehren. Bei einigen Lehren sind die Ansprüche weit weg vom Berufsalltag. Z. B. Krankenpfleger und die Kindergärtnerinnen können ohne Fachmittelschule diese Berufe nicht mehr erlernen. (OReal18) Heutige Jugendliche Neue Medien, Bequemlichkeit Die Schülerinnen und Schüler haben sich etwas verändert, auch durch das Internet. Es muss alles sofort da sein, und es gibt Zerstreuung und Ablenkung. (OReal02) Ihre Zimmer sehen in der Stadt und hier gleich aus mit Computer, Natel und Satellitenschüssel. Elektronische Medien prägen die Jugend. (OReal08) In der Mathe heisst es: «Ich habe nichts gecheckt!», und damit ist die Sache für viele erledigt. Sie sind weniger beharrlich als früher. Wenn es Zugpferde in der Klasse hat, die es interessiert, spornt es an. (OReal02) Wir haben Schülerinnen und Schüler, die lauter schlechte Noten machen und denen es egal ist. Oft bekommen auch sie eine Lehrstelle ohne Problem, gerade in handwerklichen Berufen, wo sie froh sind, wenn sie jemanden finden. (OReal02)

39 74 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 75 Die Gesellschaft sollte von den Jugendlichen wieder mehr fordern und ihnen nicht alle Hindernisse aus dem Weg räumen. (OReal18) Ich habe im 10. Schuljahr gesehen, dass es Jugendliche gibt, die null Interesse haben, wirklich zu arbeiten. Sie haben von zu Hause aus alles, müssen nie Verantwortung übernehmen. Sie erkennen, dass sie mit ihrer Arbeit den von zu Hause aus vorgegeben Standard nie halten können mit einem normalen Beruf. (OReal18) Es ist bedeutsam, dass man den Schülerinnen und Schüler die Lehrstelle nicht schenkt. Sie müssen sich darum bemühen und sich selber bewegen. (OReal10, OReal18) Die Jugendlichen mit Migrationshintergrund erhalten mit guten Leistungen genauso gut eine Lehrstelle wie die Schweizer. (OReal08) Situation in Graubünden In den Tälern stellt man sich darauf ein, für die Lehre weggehen zu müssen. (OSek17) Wer auswärts eine Lehre macht, findet bei uns im Tal nicht unbedingt eine Arbeitsstelle und muss dann einer anderen Arbeit nachgehen, wenn er zurückkehren will. (OReal08) Die Schülerinnen und Schüler sind den körperlichen Einsatz nicht mehr gewohnt. Das kann ein Grund sein, dass sie weniger handwerkliche Berufe ansteuern. Damit spiegelt sich aber die gesamte gesellschaftliche Struktur, die heute stark auf Dienstleistung ausgerichtet ist. (OSek03) Es haben eigentlich immer alle Schülerinnen und Schüler, die wollten und sich bemühten, eine Lehrstelle gefunden, auch in den härteren Jahren. (OReal10) Anstand und Respekt Viele Schülerinnen und Schüler sind heute respektloser und direkter. Was sie auf ihre Hefte zeichnen ist oft «grusig». Anderen Lehrpersonen ist es egal. Theoretisch wissen sie zwar, wie man sich benimmt, praktisch aber setzen sie es nicht immer um. (OReal08) Wir stellen einen Abwärtstrend fest in Sachen Anstand und Respekt. Die Achtsamkeit fehlt. (OReal08) Jugendliche mit Migrationshintergrund Die Eltern können oft nicht gut helfen. Sie haben vielleicht kein Buch im Haus und zu viele Computer. Wir haben in der Schule fast ein Drittel portugiesische Kinder. Die Buben sind eher faul, die Mädchen fleissig. Wenn der Anteil Ausländer 40 Prozent übersteigt, wird es kritisch, dann sprechen sie in ihrer Sprache miteinander und die Integration wird schwierig. (OReal02) Manche ausländische Eltern möchten, dass ihre Kinder etwas Besseres lernen. (OSek17) Bei Ausländern spielt bei der Bewerbung in kleineren Handwerksbetrieben der Name eine grosse Rolle. Es sind Vorurteile vorhanden. (OReal10)

40 76 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I Zusammenfassung Interviews Lehrpersonen Sekundarstufe I Demografische Entwicklung Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge finden auch Schulabgänger mit schwachen Leistungen heute ohne grosse Anstrengung eine Lehrstelle. Das Risiko besteht, dass das Niveau der Berufslehren sinkt und auf beiden Seiten Frust entsteht. Berufswahl Berufslehre oder Gymnasium Immer mehr gute Schülerinnen und Schüler besuchen das Gymnasium. Dort werden die Klassen aufgefüllt. Dementsprechend fehlen gute Lernende in den Betrieben. Durch den Eintritt ins Gymnasium kann die Berufswahl hinausgezögert werden. Die Matura ist noch kein Beruf. Die Sekundarlehrpersonen haben selber weiterführende Schulen besucht und legen im Unterricht mehr Gewicht auf diesen Weg. Das Handwerk hat heute einen geringen Stellenwert. Das Prestige von Büroberufen ist höher. Es gibt auch Jugendliche, die gar keine Lehre machen wollen. Berufswahlkunde Die Berufswahlkunde wird durch die Lehrpersonen im Austausch untereinander selber organisiert und meist in die Deutsch- und Informatiklektionen eingebaut. Der Unterricht umfasst Selbsteinschätzung, das Verfassen von Bewerbungen, Rollenspiele für Vorstellungsgespräche, Firmenbesuche usw. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selber um die Lehrstelle bemühen, sie werden wenn nötig von den Lehrpersonen unterstützt. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Das Verteilen von Informationen genügt nicht, die Schülerinnen und Schüler brauchen Begleitung und Kontrolle. Berufsmessen/Werbung Grossbetriebe veranstalten Betriebsbesichtigungen für Schulklassen und Infotage. Die Wirkung ist unterschiedlich. Banken werben schon früh mit guten Konditionen um gute Schülerinnen und Schüler, was andere Berufsgattungen unter Druck setzt. Die Messe Fiutscher ist vor allem für das Handwerk und nicht für den Dienstleistungssektor geeignet. Einflüsse auf die Berufswahl Den grössten Einfluss haben die Eltern und ihre Vorstellungen. Manche setzen die Jugendlichen unter Druck, eine Mittelschule zu besuchen, andere sind nicht in der Lage, sie bei der Berufswahl zu unterstützen. Lehrpersonen stellen Informationen zur Verfügung und geben Empfehlungen. Modeströmungen und das Image der Berufe spielen auch eine Rolle. Ein möglichst naher Standort der Lehrstelle ist wichtig, um die Freizeit in der vertrauten Umgebung verbringen zu können. Dafür werden teilweise auch Berufe gewählt, die nicht ganz ideal sind. Ein weiteres Kriterium ist der Lohn. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Eltern und Lehrpersonen können bei der Berufswahl auf realistische Ziele hinweisen. Für eine passende Lehrstelle sollte auch eine grössere Distanz in Kauf genommen werden. Schnupperlehre Die Schülerinnen und Schüler müssen sich selber um eine Schnupperlehre bemühen. Die meisten Betriebe verlangen eine schriftliche Bewerbung. Auf der 2. Oberstufe sollten die Schülerinnen und Schüler nach Reglement nur während der Ferien schnuppern. Auf der 3. Oberstufe dürfen sie auch während der Schulzeit fehlen. In einigen Schulen wird das Schnuppern jederzeit zugelassen. In manchen Schulen findet auf der 2. Oberstufe eine Schnupperwoche statt, in der die Lehrpersonen die Betriebe besuchen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Die Schülerinnen und Schüler sollen sich räumlich nicht zu enge Grenzen setzen und sich damit Möglichkeiten versperren. Auch Sek-Schülerinnen und -Schüler sollten schnuppern können oder sich als Alternative auf die Aufnahmeprüfung für eine weiterführende Schule vorbereiten. Ein Besuch der Lehrperson im Betrieb fördert den Kontakt zu Berufsbildenden. Ein Feedback des Betriebs ist für die Schülerinnen und Schüler hilfreich. Auch Ferienjobs können Kontakte zur Arbeitswelt schaffen. Berufsberatung/Coaching Die Klassen der Oberstufe besuchen das Berufsinformationszentrum oder der Berufsberater/die Berufsberaterin kommt in die Schule. Zu den Informationsveranstaltungen werden auch die Eltern eingeladen. Jugendlichen, die spezielle Unterstützung brauchen, kann über die Berufsberatung ein Coach vermittelt werden, der sie bei der Lehrstellensuche begleitet.

41 78 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 79 Beliebte und weniger beliebte Berufe Sekundarschülerinnen und -schüler lernen meist anspruchsvolle Berufe wie KV, Informatiker, Zeichner oder Polymechaniker. Realschüler haben geringe Chancen auf technische Berufe, sie wählen eher ein Handwerk. Beliebt sind bei den Knaben Schreiner und Zimmermann und Automobilberufe, bei den Mädchen Detailhandel, Pflege oder Coiffeuse. Meist werden traditionelle, bekannte Berufe gewählt. Obwohl Frauen die gleichen Fähigkeiten haben, lernen sie selten einen «Männerberuf» und umgekehrt. Das alte Rollenbild ist stark verankert. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Es wird in einer zu kleinen Palette gesucht, auch weniger bekannte Berufe sollten beachtet werden. Bei Berufen, die nicht den traditionellen Rollen entsprechen, sind Vorbilder gefragt. Letztes Schuljahr der Oberstufe Nach Abschluss des Lehrvertrags lässt die Motivation der Schülerinnen und Schüler oft nach. Die Reife der Jugendlichen ist sehr unterschiedlich. In der Freizeit verhalten sie sich oft passiv. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Die Zahl der Lektionen sollte auf der 3. Oberstufe nicht reduziert, sondern erhöht werden. Eine Abschlussprüfung könnte die Leistung steigern. Es könnten mehr berufskundliche und lebenskundliche Wahlfächer angeboten werden. Das letzte Zeugnis der 3. Oberstufe sollte vom Betrieb verlangt werden, um die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Kompetenzen der Lernenden In Mathe wird Kopfrechnen und Bruchrechnen weniger geübt als früher. Teilweise sind die Lehrmittel ungeeignet. Probleme in Mathematik hängen oft mit mangelndem Textverständnis zusammen. Auch Lesen, Schreiben, Grammatik und Orthographie bereiten Mühe, besonders fremdsprachigen Jugendlichen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Sprachkompetenz ist eine wichtige Voraussetzung für Mathematik und für alle Fächer. 10. Schuljahr Das 10. Schuljahr ist nicht mehr so gefragt wie früher. Es kann eine Lösung sein für Schülerinnen und Schüler ohne Lehrstelle und solche mit Defiziten, um zu reifen. Alternativen sind praktische Arbeit oder ein Sprachaufenthalt. Betriebe/ Berufsbildende Die Betriebe haben zum Teil falsche Erwartungen an die Oberstufe. Dort wird Allgemeinbildung, nicht Fachwissen vermittelt. Manche Firmen suchen vor allem eine Arbeitskraft. Der Aufwand der Lehrlingsbetreuung hat zugenommen. Es ist ein Schaden, wenn Betriebe aufgrund negativer Erfahrungen keine Lehrstellen mehr anbieten. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Die Betriebe sind zu wenig über den Schulstoff der Oberstufe informiert. Mit Lenkungsmassnahmen könnte Anreiz für Betriebe geschaffen werden, Lehrstellen anzubieten, z. B. mit einer Steuerentlastung. Der Kontakt zwischen Oberstufe und Betrieben sollte intensiviert werden z. B. durch Betriebsbesichtigungen. Berufsbildende könnten den Oberstufenlehrpersonen mehr Feedback geben. Zeugnisse/letztes Zeugnis Die Bewerbungen erfolgen in der Regel mit dem Zeugnis der 2. Oberstufe. Viele Berufsbildende haben Mühe, die Noten zu interpretieren. Sie stellen selten Rückfragen. Die Noten werden vor allem für die Vorselektion berücksichtigt. Danach sind Sozialkompetenzen bedeutender. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Es fehlt eine Standardisierung der Noten innerhalb der Lehrerschaft. Berufsbildende sollten mehr Kontakt mit den Oberstufenlehrpersonen aufnehmen. Es werden zu wenig Referenzen eingeholt. Das letzte Zeugnis der 3. Oberstufe sollte vom Betrieb verlangt werden, um die Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Der Lehrlingslohn könnte z. B. vom letzten Zeugnis abhängig gemacht werden.

42 80 B Qualitativer Teil mit Interviews 2. Interviews mit Lehrpersonen der Sekundarstufe I 81 Tests Viele Firmen verlangen einen standardisierten Check als Ergänzung zum Zeugnis, das sie nur bedingt interpretieren können. Dadurch wird das Zeugnis abgewertet. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Die Tests sollten wegen des verlangten Stoffs nicht zu früh gemacht werden. Die Tests sind zu teuer, es wird ein Geschäft gemacht. Die Berufsbildenden sollten sich mehr mit dem Zeugnis befassen und mehr nachfragen. Lehrvertrag Der offizielle Termin für die früheste Unterzeichnung der Lehrverträge wird oft durch Vorverträge oder mündliche Zusicherung der Lehrstelle umgangen. Viele Firmen ködern die besten Schulabgänger schon sehr früh. In kleinen Betrieben läuft die Bewerbung weniger professionell. Berufsschule Die Oberstufenlehrpersonen kennen die Lehrpläne der Berufsschule nur teilweise. Institutionalisierte Kontakte fehlen. Das Niveau der Anforderungen wird unterschiedlich beurteilt. Der Schulstoff ist nicht immer relevant für den Berufsalltag. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Der Kontakt zur Berufsschule sollte verbessert werden. Die Berufsschulen sollten die Lehrpläne der Oberstufe berücksichtigen und darauf aufbauen. Duales Bildungssystem Das duale System mit seiner Durchlässigkeit und Aufstiegsmöglichkeiten ist vorbildlich. Durch die frühe Einbindung in die Arbeitswelt ist die Jugendarbeitslosigkeit tief. Die Tendenz geht Richtung Verschulung, die Ansprüche sind bei einigen Berufen zu hoch. Heutige Jugendliche Der Alltag der Schülerinnen und Schüler ist heute geprägt von elektronischen Medien. Diese lenken ab und führen zu Zerstreuung. Beim Lösen von Aufgaben fehlt oft die Ausdauer. Viele Jugendliche sind nicht motiviert zu arbeiten. Sie sind körperlichen Einsatz nicht gewohnt. Im Umgang fehlt es teilweise an Anstand und Respekt. Jene, die sich bemühen, finden auch eine Lehrstelle. Ein hoher Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in der Schule kann ihren Spracherwerb und die Integration erschweren. Jugendliche mit fremdländisch klingenden Namen werden bei der Lehrstellensuche benachteiligt. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Man darf den Jugendlichen nicht zu viel abnehmen, sie sollen sich selber bemühen. Die Gesellschaft ist zu stark auf Dienstleistungen ausgerichtet. Jugendliche mit Migrationshintergrund mit guten Leistungen sollten die gleichen Chancen erhalten. Situation in Graubünden In den Tälern sind wenig Arbeitsplätze und Lehrstellen vorhanden. Um dort zu leben, muss man unter Umständen einen anderen Beruf als den gelernten ausüben. Berufsmaturität Eine Lehre mit BM ist anspruchsvoll. Sie wertet die Berufe auf und ermöglicht einen Aufstieg. Manche Betriebe schätzen die BM nicht und bevorzugen Lernende, die an der Front arbeiten und sich nicht weiterbilden. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lehrpersonen Sek I: Die Berufsmaturität sollte von den Betrieben mehr unterstützt werden.

43 3. Interviews mit Berufsbildenden Interviews mit Berufsbildenden 3.1 Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen Es wurden 10 Berufsbildnerinnen und Berufsbildner bzw. Personalchefs für folgende Berufe befragt: Chemielaborant/in, Detailhandel, Fachperson Gesundheit, Fleischfachmann/frau, Gipser/in, Hotelfach, KV, Landwirt, Polygraf/in, Schreiner/in, Zimmermann. Demografische Entwicklung Bei weniger Schülerinnen und Schülern gehen trotzdem immer praktisch gleichviel an die Kanti. Wenn überall weniger Lehrlinge sind, müsste es proportional auch weniger Leute an der Kanti haben. (BChem95) Wir merken die geburtenschwachen Jahrgänge nicht speziell. Die guten Schulabgänger sehen wir eh nie. (BFlei22) Die Demografie trägt dazu bei, dass die Qualität schlechter wird. Früher rekrutierten wir aus dem unteren Drittel des Sekundarniveaus und heute rutscht alles weiter hinunter, weil wir die Leute nicht haben. Das KV rekrutiert oben weg, auch Mediamatiker und Informatiker, die fallen alle weg. (BChem05) Früher gab es auch eine Klasse im Engadin, doch die Anzahl Schülerinnen und Schüler wurde zu klein. (BChef19) Berufswahl Kriterien, Einfluss Die Eltern haben sicher einen Einfluss bei der Berufswahl, aber wir hatten immer Leute, die selber ohne Druck wählten. (BAgr01) Bei der Berufswahl haben die Eltern einen grossen Einfluss. (BBauH06) Viele Eltern haben das Gefühl, ihre Kinder müssten studieren. (BDru09) Man merkt es, wenn die Eltern sie zu uns schicken, ohne dass es sie wirklich interessiert. (BGes24) Die Berufswahl ist sicher stark beeinflusst durch die Eltern und deren Werdegang und wie sie die Zukunftschancen ihrer Kinder beurteilen. Eine Lehrperson kann auch motivieren. In Ilanz gab es Lehrer, die viel Chemie machten und es empfahlen, das hat einen grossen Einfluss. (BChem05) Der Einfluss der Eltern und Lehrpersonen ist gross. Mit sind die Schülerinnen und Schüler noch jung. Heute gehen viele zum/zur Berufsberater/in,

44 84 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 85 absolvieren Tests und schnuppern. Die Eltern sind wichtig, dann Lehrpersonen, Berufsberater/in und Kollegen. (BKV27) Vorstellungen von Berufsbildern Ein Problem ist, dass man die Fleischverarbeitung nie sieht. Viele kennen das Berufsbild nicht. Viele Jugendliche können sich nichts vorstellen, vor allem in grösseren Gemeinden. Auf dem Land sieht man die Berufsbilder noch eher. Man kann Betriebe öffnen, doch gezielte Nachwuchsförderung ist schwierig. (BFlei22) Physisch ist das Schlachten nicht mehr so streng wie früher. Man hat Aufzüge, Hilfsmechanismen, man arbeitet im Team. (BFlei22) Der Beruf (FaBe/FaGe) ist physisch und psychisch streng und anspruchsvoll. Ein Teil kommt zu uns, weil sie nichts anderes gefunden haben, das merkt man. Dann hören sie wieder auf. (BGes24) Unsere Lernenden wollen das KV machen, doch manche merken zum Teil während der Lehre, dass sie noch andere Interessen haben. (BKV27) Früher war ein Lehrabbruch fast eine Todsünde, eine Kapitulation. Heute ist es kein Problem mehr. Heute muss niemand im Beruf bleiben. (BFlei22) Lehrabbrüche kommen jedes Jahr vor, vor allem in der Probezeit in den ersten drei Monaten, wenn sie merken, dass ihnen der Job nicht gefällt, wenn sie z. B. falsche Vorstellungen hatten, oder wenn wir nicht zufrieden sind, weil sie zu viel krank sind oder schwänzen. Wir geben ihnen aber relativ lang eine Chance und ziehen auch die Eltern bei. (BChef19) Standort Ein wichtiges Kriterien ist der Standort des Lehrbetriebes und wie schnell sie am Freitag Abend zu Hause sind. Die Einheimischen bringt man kaum aus dem Tal hinaus. Viele Junge überlegen schon bei der Berufswahl, ob sie zu Hause wohnen können. Wer heimatverbunden ist, überlegt mit 15, was er lernen könnte, um hier bleiben zu können: Forstwart, Gemeindearbeiter, Gastgewerbe. Zuerst werden die zentral liegenden Stellen besetzt. (BFlei22) Standort und Landschaft spielen sicher eine Rolle bei der Wahl der Lehrstelle. (BAgr01) Der Standort spielt eine Rolle bei der Wahl. Manchmal scheitert es am Weg. Ich nehme am liebsten Lehrlinge aus der Region. (BBauH06) Meine Leute kommen aus der Nähe. (BBauG13) Bei mehreren Kandidaten berücksichtigen wir eher jene aus der Nähe. (BGes24) Wir schauen, ob der Wohnort in der Region ist, denn wir haben Erfahrungen gemacht, dass es nicht gut ging wegen Heimweh oder wegen des langen Arbeitsweges. (BChef19) Es hat in den letzten 10 Jahren Verschiebungen gegeben. Früher kamen mehr aus Chur, Prättigau, Surselva (Ilanz), Domleschg, Lenzerheide. Heute auch von St. Gallen, Glarus, FL, weniger aus dem Prättigau und der Surselva. Laboranten haben wir praktisch keine aus dem Engadin. Der Standort, der weite Weg spielt sicher eine Rolle. Es werden möglichst Berufe in der Region gewählt. (BChem05) Wir haben mehrere Standorte, das wird geschätzt. Man muss aber in jeder Region etwas tun, präsent sein vor Ort. (BKV27) Arbeitszeiten Wir haben relativ lange Öffnungszeiten und das ertragen nicht alle. Die Arbeitszeit auch am Samstag ist für viele abschreckend. Wir halten aber die vorgeschriebenen Ruhezeiten ein. Wir wechseln auch ab, damit nicht immer die gleichen am Samstag arbeiten. (BCHef19) Lohn Eine Weile gab es einen Boom für Forstwart. Vor 20 Jahren war es die Post, wegen dem Lohn. Der Lohn ist sicher ein Kriterium. (BFlei22) Einige der Jungen wollen weiter zur Schule gehen, andere wollen verdienen. Der Lohn ist ein wichtiger Aspekt, es bedeutet für sie Selbständigkeit und Unabhängigkeit. (BChem05) Bei uns verdienen alle Lernenden pro Lehrjahr gleich viel, technisch wie kaufmännisch. Andere Firmen unterscheiden pro Beruf. Ich glaube aber nicht, dass der Lohn bei der ersten Lehre so entscheidend ist. Das Team und die Arbeit sind wichtiger als der Lohn. (BKV27) FaGe ist zu schlecht bezahlt für die Fähigkeiten, die es braucht. Das müsste man attraktiver machen. Dieser Beruf braucht auch mehr Ferien. Graubünden ist zehn Jahre hinten nach, es gibt immer zu wenig Pflegepersonal. Es sollte schweizerische Richtlinien und gleiche Arbeitsbedingungen geben. (BGes24) Lehrstellenmarkt / Werbung Die Lehrstellen sind im Internet im Lena (Lehrstellennachweis) und auf eigenen Webseiten zu finden (BFlei22, BBauG13, BAgr01, BBauH06) sowie in regionalen Zeitungen und Zeitschriften. (BDru09, BGes24, BKV27) Selber mache ich keine Werbung. Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste. Es spricht sich herum im Tal. (BBauH06) Man kennt sich, es spricht sich herum, wir kommen gut an die Lernenden heran. (BKV27)

45 86 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 87 Viele Leute kennen den Elektromonteur, aber nicht den Netzelektriker. Es gibt eine Reform vom Verband, die nächstes Jahr umgesetzt wird, um das Berufsbild bekannter zu machen und aufzuwerten. (BKV27) Die Wirtschaft braucht bei uns (Metzger) relativ viele Assistenten, solche die im System funktionieren, am Fliessband. Das ist schade. Dieses minime Wissen kann man sich schnell aneignen, aber man ist abhängig vom Markt. (BFlei22) Ich bin gegen eine Förderung, ich denke, dass dies die Wirtschaft steuert. Dieses Jahr hatten wir eine schwache Lehrabschlussklasse, diese schwachen Leute werden aber auf dem Markt überbewertet, weil es keine anderen gibt. Sobald es zu wenig Leute hat, steigen die Löhne rasant. (BFlei22) Weil wir wenig eigenen Nachwuchs haben, profitieren wir viel von Köchen. Vor allem im Unterland und in den Städten werden in den Metzgereien viele Fertiggerichte angeboten. Take-away-Betriebe finden ohne weiteres Personal, weil die Köche regelmässige Arbeitszeiten ohne Abend und Wochenende haben. Davon profitiert unsere Branche. (BFlei22) Betriebsbesichtigungen Wir machten im Haus eine Berufsschau, um den Beruf vorzustellen. Wir inserierten, schrieben die Schulen an und organisierten den Freitag-Nachmittag nur für sie. Es war nicht so toll. Es interessierte die Lehrpersonen nicht so. Jetzt machen wir es nur noch am Samstag für alle. Dann kommen auch nur jene, die es interessiert. (BChef19) Wir bieten Betriebsbesichtigungen an für die Oberstufe. Man könnte auch noch mehr machen, es ist eine gute Möglichkeit, Einblick zu bieten. Im Kanton gibt es nicht viele Industriebetriebe. Ich ermuntere die Lehrpersonen zu Betriebsbesichtigungen, es lohnt sich. Die Fachhochschule Rapperswil bietet für Interessierte an Kunststofftechnologie einen Labortag an. (EChef12) Schulbesuche Was man verstärken könnte, sind Besuche in der Schule von Branchen, die sich direkt vorstellen. Wir machen da viel. Die Schülerinnen und Schüler sollen aber selber suchen und sich informieren. (BGast07) In Ilanz machen wir an einer Podiumsdiskussion mit und stellen zwei Oberstufe-Klassen technische Berufe vor. (BKV27) Berufsmessen Wir waren bei Fiutscher dabei, zuerst an einem guten Platz. Die meisten gingen zu den technischen Berufen, nicht zu uns. Letztmals machten wir aktiv etwas, aber es ist schwierig wegen der Kühlkette. Dann wird es theoretisch, doch unser Beruf ist nicht theoretisch. (BFlei22) Bei Fiutscher unterstützt uns der Verband. Grundsätzlich ist es eine gute Sache zur Information für die Jugendlichen, ob es mir etwas bringt, kann ich nicht sagen. (BBauG13) Berufsmessen sind gut, bedeuten aber einen grossen Aufwand. Jemand muss die ganze Woche dort stehen. Wenn wir zu wenig Anfragen hätten, würden wir es machen. (BDru09) Bei Fiutscher sind wir als Sponsor dabei und stellen alle Berufe vor. Beim Netzelektriker spielt es eine Rolle, dass der Beruf zu wenig bekannt ist. Wir schauen, dass wir auch in den Regionen präsent sind. Beim nächsten Fiutscher wollen wir nur noch auf den Netzelektriker setzen, da wir sonst überschwemmt werden mit Anfragen fürs KV. (BKV27) Ems Chemie macht nicht nur Inserate, sondern jedes Jahr auch eine Berufsschau. Man kann sich anmelden und 13 verschiedene Berufe anschauen. (BChem05) Wir machen auch eine Berufsschau, haben zur emax beigetragen (Ems und Axpo). Jeder kann kommen, es gibt Rundgänge. Es ist etwa wie Fiutscher, aber kleiner und übersichtlicher. Bei Fiutscher machen wir auch mit, man soll die Chancen wahrnehmen. (EChef12) Beliebte und weniger beliebte Berufe Das KV ist am begehrtesten, da haben wir sehr viele Bewerbungen, wir werden überhäuft. Für technische Berufe gibt es tendenziell eher weniger Bewerbungen. Mühe haben wir, die Lehrstellen der Netzelektriker zu besetzen, Elektroplaner ist auch etwas schwierig. Viele sehen das KV als gute Grundausbildung, bei der alle Türen offen stehen. Es gibt auch die Tendenz, dass sich niemand die Finger dreckig machen möchte. Es ist auch das Bild in der Gesellschaft, dass einer im Büro etwas Besseres ist als einer, der draussen in Wind und Wetter gräbt. (BKV27) Polygraf ist sehr beliebt, wir haben jede Woche zwei Anfragen. Drucktechnologe ist nicht sehr gefragt und Printmedienverarbeiter (Fachrichtung Druckausrüstung) noch weniger. Er macht die ganze Weiterverarbeitung nach dem Druck. Wir bilden in diesem Bereich seit vier Jahren Lehrlinge aus und es ist sehr schwierig, Lehrlinge zu finden. (BDru09) Angebot und Nachfrage stehen in keinem Verhältnis. Wir haben jährlich nur zwischen 4 7 Interessenten im ganzen Kanton (von Lehrbetrieben). Es ist aber nicht schlecht, wenn nur wenige besetzt sind, dann kommen jene zum Zug, die das wirklich wollen. (BFlei22)

46 88 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 89 Seit einiger Zeit ist der Beruf (Detailhandel) nicht so begehrt. Wir haben das Gefühl, dass manche zu uns kommen, wenn sie sonst nichts gefunden haben. Wir merken die geburtenschwachen Jahrgänge, so ist es noch schwieriger, Leute zu finden. (BChef19) Es ist nicht so einfach, in der Hotellerie Leute zu finden. Es wird Flexibilität verlangt bei der Arbeitszeit, was für manche ein Nachteil ist, dafür kann man in der Hotellerie sehr rasch aufsteigen und Geld verdienen. Das Schönste in unserem Beruf ist, dass man andere Kulturen sehen und reisen kann. (BGast07) Das Berufsbild der Pflege hat sich geändert. Es gibt viel zu wenig Schweizer und vor allem zu wenig diplomierte Fachpersonen. Eine FaGe Fachperson aus einem Pflegeheim findet im Spital Chur kaum eine Stelle, nur jene, die dort ausgebildet wurden. So sind sie nicht sehr motiviert, wenn sie wissen, dass sie ewig in einem Alters- und Pflegeheim bleiben. (BGes24) Das Interesse an Chemie ist abhängig davon, wie die Chemie allgemein dasteht. Man merkte nach den grossen Unfällen, dass das Interesse nachliess. Anlage- und Apparatebauer und Polymechaniker suchen wir noch. Es ist anspruchsvoll, aber es gibt verschiedene Niveaus, G und E. Es sollte also kein Hindernis sein. Warum die technischen Berufe an Image verlieren, weiss ich nicht. (BChem05) Der Beruf Anlageführer ist noch zu wenig bekannt und nicht so gefragt, er muss sich zuerst im Markt etablieren, man muss ihn kennen lernen. Wir machten im Mai dafür versuchsweise eine Werbekampagne. Es braucht Werbung. Wir können diese Stellen immer erst am Schluss besetzen. (EChef12) Berufsattest Ich finde, dass gerade der, der die geringste Chance hat, eine Chance erhalten sollte. Wir können durch die Ausbildung zum Assistenten entgegen kommen. (BFlei22) Ein Attest wäre auch eine Möglichkeit, doch das wollen sie aus Prinzip nicht, lieber nichts. Sie könnten, wenn sie den Knopf auftun, nachher wechseln und eine 4-jährige Lehre machen. Sie überschätzen sich teilweise. (BBauG13) Neu ist neben der 4-jährigen Lehre Schreiner/Zimmermann das Berufs attest (2 Jahre). Schulisch ist es weniger anspruchsvoll. In kleinen Klassen werden sie individuell gefördert. Ich bin positiv überrascht und die Zusammenarbeit mit den Lehrpersonen ist ganz anders, man ist eine Person, nicht eine Nummer, das ist etwas Gutes. Anschliessend kann einer weitermachen. (BBauH06) Wir haben relativ viele, die Assistent machen (Detailhandel), das ist gut für die schulisch Schwächeren, die aber im Laden gut sein können, so haben sie eine Chance. (BChef19) Assistent ist eine gute Sache, aber dort wird das Potenzial zu wenig gefördert. Viele Jugendliche werden aber unter ihrem Wert geschlagen. Sie schätzen sich zu tief ein, denken, sie seien schulisch zu schwach und machen den Assistenten. Sie trauen sich den Fachmann nicht zu. Man muss aber wollen. Da wird viel Potenzial verschwendet. (BFlei22) Wir bieten nur EFZ Lehren an. Es würde sonst zu komplex mit so vielen Lernenden. Das machen wir, solange wir gute Leute finden. (EChef12) Frauen- und Männerberufe Der Anteil der Frauen in der Landwirtschaft nimmt zu. (BAgr01) Wir haben vor allem Frauen im Detailhandel (Volg), es liegt an der Lebensmittelbranche. Männer gehen eher Richtung do-it und Sportartikel. (BChef19) Grundsätzlich ist die Gastronomie beliebt bei Frauen. Wir haben in der Hotellerie eine Vorreiterrolle, indem viele Kaderstellen mit Frauen besetzt sind. Darin sind wir Vorbilder für andere Sparten. Man kann gut aufsteigen und die Männer sind nicht so dominant wie in anderen Bereichen. (BGast07) Letztes Schuljahr der Oberstufe Die Lehrlinge sagen manchmal, sie hätten in der 3. Sek praktisch nichts mehr gemacht. Die Lehrpersonen sollen sich nach dem Lehrplan richten, was nicht immer der Fall ist. Wenn man die Schülerinnen und Schüler auf die Lehre vorbereiten will, müssen die Lehrpersonen auch Aufgaben geben und sie überprüfen. Der Übergang sollte besser aufgebaut werden, nicht abgebaut wie jetzt. Sonst ist es in der Lehre happig. (BChem05) Es ist wichtig, dass der Lehrbetrieb sagt, man habe die Lehrstelle nicht auf fix, es brauche in gewissen Fächern noch eine 5. Der Ansporn muss bleiben, sie sollen Leistung bringen. Wer sich hängen lässt, muss nachher wieder aufholen. Eltern und Berufsbildende sollten den Jungen vermitteln, dass sie nichts geschenkt kriegen. (BFlei22) Es ist eher Aufgabe der Lehrpersonen, die Schülerinnen und Schüler bis zum Schluss zu motivieren. Sie könnten ja sagen, der Lehrmeister wolle das Zeugnis noch sehen. (BDru09) In der Schule machen sie wenig Chemie. Nicht jede Schule kann sich die Ausrüstung leisten, und einige Lehrpersonen haben wenig Interesse. Jene Lehrpersonen, die an die Weiterbildung kamen, waren sehr interessiert, sie suchten die Hilfestellung. Wir schauten, dass wir im Kurs die Versuche mit Produkten aus dem Alltag machen konnten, ohne teure Chemikalien kaufen zu müssen. Das fand hohen Anklang. (BChem05)

47 90 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 91 Aufgaben/Motivation der Berufsbildenden Wir haben Berufsbildungsverantwortliche, die über die Bewerbungen entscheiden und die Verantwortung für die Qualität der Ausbildung übernehmen. (EChef12) Es ist wichtig, dass man als Berufsbildende dieselbe Arbeit macht wie die Lernenden. Es ist auch nicht so, dass ich als Chef immer mit den Maschinen fahre und sie nicht. Sie müssen es lernen. (BAgr01) Wir möchten die Jugendlichen nicht beeinflussen, aber den Beruf ihnen schmackhaft machen. Wir möchten Leute ausbilden, die stolz auf ihren Beruf sind. (BBauH06) Für die Motivation ist der Lehrbetrieb verantwortlich. Wir haben es in der Hand, ob es einem verleidet oder ob er den Knopf auftut. (BFlei22) Ich nehme eher Lehrlinge aus sozial schwachen Verhältnissen als einen Supergescheiten. Manche tun den Knopf noch auf. Ein Schnupperlehrling hatte einmal schulische und psychische Probleme und ADHS. Ich schickte ihn zur Abklärung. Sie sagten, keine Chance. Ich dachte, da steckt etwas dahinter und nahm ihn, er machte einen der besten Lehrabschlüsse. (BBauH06) Es ist schön, mit Lernenden zu arbeiten und ihnen den Beruf näher zu bringen. (BChef19) Ich schätze junge Menschen und habe sie gern. Wir haben auch schon Lernende genommen, mit denen es an anderen Orten nicht ging und sie schafften es hier. Man muss sich mit ihnen beschäftigen, herausfinden, was los ist, sie motivieren. Lernende sind unser Produkt. Wer will sein Produkt verlieren? (BGes24) Die meisten Berufsbildenden sagen genau, wie sie es haben möchten. Bei mir dürfen sie ihren eigenen Stil haben, wenn es recht gemacht wird. (BAgr01) Das Arbeitsklima ist sehr wichtig. Wir achten auf ein Freizeitangebot für die Angestellten. Wir machen 3 4x jährlich Anlässe für die Mitarbeitenden wie Skitag, Grillieren, Ausflüge. So lernt man sich kennen mit den Stärken und Schwächen. (BGes24) Schulen/Kurse Früher musste man Meister sein, heute kann jeder ausbilden, eine Berufsprüfung reicht. (BAgr01) Der Lehrmeisterkurs ist vom Kanton ausgeschrieben, dauert zwei Tage. (BDru09) Ich musste eine Ausbildung, einen einwöchigen Abendkurs absolvieren. Ein Thema war z. B. auch der Umgang mit Jugendlichen, Drogenprobleme, Psychologie usw. Es ging nicht um das Fachliche. (BBauH06) Unsere Berufsbildnerinnen machen den Lehrmeisterkurs eine Woche am Stück oder jeden Abend. Sie besuchen jedes Jahr intern einen Kurs zur Weiterbildung. (BChef19) Die Berufsbildenden haben den pädagogischen Hintergrund, der beim Führen verlangt wird. Die Lernenden erhalten einen Ordner mit dem Anforderungsprofil, den sie mit dem Berufsbildenden durchgehen. (BGast07) Der Beruf entwickelt sich gab es ein neues angepasstes Reglement. Der Bund passte Ablauf und Form aller Lehren an. (BChem05) Lernen durch Lernende Unsere Lehrtochter erzählt hier alles, was die Lehrpersonen sagten und fragt, wieso wir es so und nicht so machen. Mit der neuen Hygienepraxis und neuen Gesetzgebungen haben wir im Betrieb Defizite. Man merkt auch den Unterschied der Generationen, wenn ein 16-Jähriger dem 60-jährigen Lehrmeister sagt, er sollte ein Häubchen tragen und der sagt: «Ach was, es ging 40 Jahre ohne, du brauchst keines.» Da können uns die Jungen viel bringen. (BFlei22) Ich lerne immer von den Lehrlingen, auch nach 30 Jahren Berufserfahrung. (BAgr01) Zusammenkünfte/Austausch Innerhalb des Verbandes haben wir uns viele Gedanken gemacht, wie wir Nachwuchs fördern wollen. Ich bin gegen eine Förderung, ich denke, dass dies die Wirtschaft steuert. Ich will niemanden überreden, Fleischfachmann zu werden, ich helfe ihm nicht, wenn er mit Mitte 20 merkt, dass es ihn nicht befriedigt. (BFlei22) Unser Experte ist in der interkantonalen Kommission, doch da gibt es viele Interessenskonflikte, z. B. vom Sortiment her. Fachfragen für die Prüfung stellen wir zum Teil selber zusammen, wir haben im Kanton einen gewissen Spielraum. (BFlei22) Der Lehrplan muss immer wieder angepasst werden. Es kommt immer wieder Neues dazu. Es gibt jedes Jahr einen Bildungskongress, an den die Berufsbildenden eingeladen sind, wo es Austausch gibt. Da fliegen manchmal die Fetzen, weil die Lehrpläne und Abschlussprüfungen nicht immer praxisbezogen sind. (BDru09) Im Kanton gibt es ein paar Lehrstellen verstreut (Engadin, Thusis). Man kennt sich, aber wir haben keinen Austausch. (BBauG13)

48 92 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 93 Man sieht sich an Lehrmeistertagungen zur Weiterbildung und Erfahrungsaustausch, z. B. wenn das Lehrlingswesen über den Haufen geworfen wird. Es gibt auch Abstimmungen mit einer gewissen Bedeutung, z. B. über den Lehrbeginn. (BAgr01) Oft nimmt nach einer Bewerbung ein anderer Lehrmeister mit mir Kontakt auf und fragt, wie es in der Schnupperlehre ging. So tauschen wir uns aus. Wir kennen uns vom Verband her. (BBauH06) Es gibt hier nicht so viele verschiedene Lehrbetriebe wie in SG. Hier kennt man die Leute persönlich, wir haben Kontakt. (BChem05) Prüfungen sind kantonal geregelt. Bei der Abschlussprüfung hatten wir eine Zusammenarbeit mit SG, AI, SH. Es war etwas schwierig, wir haben kein einheitliches Lehrmittel. Die Anforderungen in BS und GR sind verschieden. Ein Lehrling von GR sollte aber auch in BS arbeiten können. Wir schauten, dass 80 Prozent der Prüfungen mit SG gleich waren. (BChem05) Lehre im Grossbetrieb/Kleinbetrieb Eine Lehre in einem grossen Betrieb hat Vorteile: bessere Infrastruktur, Vielseitigkeit, verschiedene Vorgesetzte im Praktikum, Hausaufgabenhilfe. (BChem05) Wir haben ein hervorragendes Image als Lehrbetrieb. Viele Lehrpersonen kommen gern zu uns, da sie den Schülerinnen und Schülern eine grosse Palette an Berufen zeigen können. Wir bieten eine professionelle Ausbildung mit speziellen Berufsbildenden. Es wird immer wieder gefordert, wir sollten sozial sein und gewisse Regionen berücksichtigen. Das machen wir nicht, wir schauen nur auf die Person, ob sie die Anforderungen erfüllt. (EChef12) Grossbetriebe holen 7 8 Lehrlinge, geben ihnen eine Teamarbeit und sehen, wer das Alphatierli ist. Dort gibt es eine Selektion nach Qualität. Die Wirtschaft ist knallhart. (BFlei22) Sobald ein Betrieb zu gross ist, gibt es ein Pflichtenheft und klare Weisungen und es heisst ständig: den Chef informieren. (BFlei22) Grossbetriebe sind vielfältiger für Lernende, doch Kleinbetriebe sind familiärer. Was er will, muss jeder selber entscheiden. (EChef12) Bei uns im Kleinbetrieb ist der Universaltyp gefragt, es ist vielseitiger. Der Spezialist ist vom Goodwill und der Wirtschaftslage total abhängig, dem Universaltyp steht die Welt offen. Auch für das Selbstwertgefühl und für die Sozialkompetenz ist es besser. (BFlei22) Ich habe oft Lehrlinge gehabt, die mir das Amt im 2. oder 3. Lehrjahr zuwies, solche, die in einem grösseren Betrieb waren, wo es nicht gut ging. Sie machten dann bei mir fertig. (BBauH06) In unserem kleinen Betrieb können wir individuell auf jeden Einzelnen eingehen, es ist familiär, ich koche Zmittag, doch im Kleinbetrieb ist man eingeschränkt. In einem grossen Betrieb hat man eine viel grössere Palette. Da ist meistens einer zuständig für die Lernenden. Der Vorteil ist dort, dass man sie auch einmal eine Woche herausnehmen kann und mit ihnen etwas Spezielles macht. (BBauH06) In der Stadt verschwinden die Betriebe, es gibt nur noch wenige grosse, supermodern eingerichtete. Das Handwerk ist dort weniger gefragt. (BBau H06) Im kleinen Betrieb kennt jeder jeden, das ist ein Vorteil, wir sind sozial orientiert, es ist familiär. (BGes24) Schnupperlehre Die Schnupperlehre dauert eine Woche. Täglich gibt es eine Bewertung (Vorlage vom Verband). Ein Lehrlingsverantwortlicher ist dafür zuständig. Kriterien sind, dass er anpacken kann, handwerklich geschickt ist, dass er umgänglich ist, denn auf dem Bau ist man mit vielen Leuten zusammen. Er muss arbeiten wollen, motiviert sein. (BBauG13) Das Schnuppern dauert eine Woche oder in den Ferien auch 14 Tage oder länger. Danach besprechen wir, ob er geeignet ist und ich sage, wo er sich noch verbessern kann. (BBauH06) Bei der Auswahl benutzen die Berufsbildenden ein internes Blatt zur Bewertung zuhanden der Geschäftsleitung. Dann gibt es ein Abschlussgespräch. (BDru09) Am liebsten nehmen wir sie für eine ganze Woche zum Schnuppern. Wir haben eine Checkliste. Sie wechseln jeden Tag den Bereich, damit sie alles sehen. (BChef19) Wir vereinbaren Schnuppertage (zwei Tage bis eine Woche) und schauen, dass sie von mehreren Personen begleitet werden, da auch einmal Antipathie vorhanden sein kann. Jede füllt dann einen Fragebogen aus. Ich vergleiche die Berichte, das kann ich empfehlen. (BGes24) Nach der Schnupperlehre von 4 5 Tagen merkt man von beiden Seiten her, ob es das Richtige ist. Meistens hat man gegenseitig dasselbe Gefühl. (BAgr01)

49 94 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 95 In den drei Schnuppertagen und einem halbstündigen Gespräch kann man einen Menschen nicht kennen lernen. Aber man erhält einen Eindruck. Man muss ein gutes Bauchgefühl haben, um zu entscheiden. (BDru09) Man sieht beim Schnuppern wie jemand die Dinge anpackt, wie er sich bewegt und verhält. Schon für die Schnupperlehre erwarten wir eine schriftliche oder online-bewerbung mit Unterlagen, damit wir sehen, wie einer eine Bewerbung aufbaut und zusammenstellt. (BGast07) Die Schnupperlehren machen wir im Lehrlabor. Lernende, die im Betriebspraktikum sind, betreuen die Schnupperlehrlinge. Das funktioniert super. Während der Schnupperlehre machen sie ein paar einfache Arbeiten, die mit Chemie zu tun haben. So sehen wir, wie sie arbeiten. Das Verhalten kann auch Schauspiel sein, jeder versucht einem zu gefallen. Es ist sehr schwierig, die Sozialkompetenzen zu beurteilen, doch es ist ein Vorteil, sie mit den anderen Lehrlingen zusammen arbeiten zu lassen. Dann sind sie schneller offen, weil sie unter ihresgleichen sind. Die betreuenden Lernenden müssen die Schnupperlehrlinge qualifizieren. (BChem05) Wir nehmen nicht jeden zum Schnuppern. Es ist Aufwand, kostet Geld und Zeit. (EChef12) Bewerbung Erscheinungsbild Wir schauen auf das Auftreten, fragen nach der Motivation. Die einen sind sehr schüchtern, dann ist es schwierig. Bei Schülerinnen und Schülern, die sich zum ersten Mal bewerben, kann man auf dieses Gespräch nicht allzu viel Wert legen. (BDru09) Das Auftreten und das Verhalten sind sehr wichtig, wie sich einer in der Gruppe verhält, ob er pünktlich ist, wie oft er krank ist, ob er die Regeln befolgt, diszipliniert ist usw. (BGast07) Beim Gespräch interessieren mich auch die Familienverhältnisse und Hobbys. (BBauG13) Die Familie und die Hobbys interessieren uns auch, ob einer Sport oder Musik macht oder nur zu Hause hockt. (BDru09) Bei der Berufswahl kommt es in erster Linie auf die Person selber an. Man ist noch jung und hat keine grossen Erwartungen, aber man sieht es ihnen an, wie sie sind. (BGes24) Motivation Ich habe lieber wenige Lehrlinge, dafür überzeugte, die das wirklich wollen. (BFlei22) Guter Wille, Ehrlichkeit, Interesse, Einsatz sind wichtig. Dann sind die Vorkenntnisse egal. Ich bin offen für solche, die nicht aus landwirtschaftlichen Verhältnissen kommen, weil ich selber auch ein Quereinsteiger bin. Ich habe immer gesagt, die müssen auch eine Chance haben. (BAgr01) Wichtig ist, dass sie Interesse zeigen, kommunizieren können, das Wissen ist weniger wichtig. Offenheit (das kann man entwickeln), Ordnung, Basiswissen (muss nicht Sek-Niveau sein), Bodenständigkeit. Das sind alles Sozialkompetenzen. (BGes24) Der Beruf ist physisch und psychisch streng und anspruchsvoll. Ein Teil kommt zu uns, weil sie nichts anderes gefunden haben, das merkt man. Dann hören sie wieder auf. (BGes24) Zeugnisse/letztes Zeugnis Relevante Zeugnisnoten beim KV sind Deutsch, Italienisch, Englisch und Mathe. Sie sollen auf dem Niveau 2 sein. Nicht alle Schulen haben die verschiedenen Niveaus, das macht es schwierig. Die Sozialkompetenzen sind auch wichtig, Verhalten, Einhalten der Regeln. (BKV27) Für den Beruf Polygraf nehmen wir nur Sek-Schülerinnen und -Schüler, da die Anforderungen der Schule hoch sind. In den anderen Berufen haben die handwerklich geschickteren Leute eher eine Realausbildung. Seit 5 6 Jahren nehmen wir dort auch Realschülerinnen und -schüler. Wir empfehlen Nachhilfelektionen und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Die Zeugnisnoten sind wichtig. Wir hatten dieses Jahr zwei ebenbürtige Kandidaten und nahmen dann die notenmässig schlechtere Person, weil die andere noch andere Optionen hatte. Nur Noten allein entscheiden nicht, auch das Menschliche ist wichtig. (BDru09) Wir beachten auch die Schulzeugnisse, vor allem schauen wir, ob sie unentschuldigte Absenzen haben und was beim Betragen steht. Ich finde es schwierig, die Zeugnisse aus verschiedenen Kantonen zu vergleichen. Früher, ohne Niveaus, war es einfacher. Das letzte Schulzeugnis schauen wir nicht an. (BChef19) Das Zeugnis wird knallhart angeschaut, nicht nur die Noten, sondern auch die Sozialkompetenzen wie Sorgfalt, Selbständigkeit usw. Wir haben Berufe, bei denen wir auch passable Realschülerinnen und -schüler nehmen, dann wenn es mehr um die Persönlichkeit geht. (EChef12) In den Zeugnissen sieht man die Entwicklung. Dann wird eine Vorauswahl gemacht. Ich beachte die naturwissenschaftlichen Fächer und Mathe, die

50 96 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 97 Sprachen sind für mich zweitrangig. Man muss bei den Noten auf die Niveaus achten. Es gibt schon Unterlagen darüber, aber es ist mühsam. Bevor es verschiedene Niveaus gab, war es einfacher. Das letzte Zeugnis müssen sie zu Beginn der Lehre abgeben. Das ist wichtig, wir sagen es schon bei Abschluss des Lehrvertrags, dass sie bei der Stange bleiben müssen und äussern den Vorbehalt, dass wir bei einem schlechten Zeugnis den Lehrvertrag nochmals anschauen. (BChem05) Bei einer Bewerbung sind bei mir Zeugnisnoten sekundär. Ich achte darauf, ob sie den Willen haben und die Sozialkompetenzen. (BFlei22) Die Schulzeugnisse sind etwas schwierig zu verstehen, je nach Stufe weiss man nicht, wie man sie zuordnen muss. Wichtig sind mir im Zeugnis die Bewertungen der Sozialkompetenzen, das Verhalten in den letzten drei Jahren. (BBauG13) Das Zeugnis spielt keine Rolle. Wir haben von der Vorbildung her die verschiedensten Lehrlinge: solche mit Matura, solche, die die Realschule nur knapp schafften. Das ist für mich nicht das Kriterium, sondern ob einer das wirklich will und ob er in die Familie passt, denn man lebt ein Jahr zusammen. Wenn die Chemie nicht funktioniert, geht es nicht, man ist sehr nahe beisammen. (BAgr01) Auf die Sozialkompetenzen im Zeugnis legen wir Wert. Wenn etwas negativ ist, leuchten die Alarmglocken. Das letzte Zeugnis schauen wir nicht mehr an. Wir sagen dem zukünftigen Lehrling, dass das Ziel ist, dass das letzte Zeugnis nicht schlechter ist als das vorangehende. Beim Unterschreiben des Lehrvertrags, wenn die Eltern dabei sind, reden wir über die sozialen Aspekte und was uns wichtig ist. (BDru09) Der Lernende muss in unser Team passen. Die Schulleistung ist mir nicht so wichtig. Das letzte Zeugnis der Oberstufe schauen wir an, ich sage ihnen, dass mich das am meisten interessiert. Das finde ich wichtig und dass es in schriftlicher Form ausgestellt wird und etwas über das Verhalten aussagt. (BBauH06) Die Schulnoten sind ein wichtiger Teil, aber nicht der entscheidende Punkt. Wir schauen auch das letzte Zeugnis an, da sieht man, ob einer zielstrebig ist und nicht nur eine Stelle sucht, sondern auch sauber abschliessen will. (BGast07) Das letzte Zeugnis habe ich nie angeschaut ich weiss, man sollte es. (BBauG13) Wir verlangen das letzte Zeugnis. Ich würde es empfehlen. (BGes24) Nachfrage bei Oberstufenlehrpersonen Wir nehmen Kontakt auf mit Referenzen wie bei den übrigen Angestellten. (BGast07) Mit Oberstufenlehrpersonen habe ich manchmal im Zusammenhang mit Schnupperlehren Kontakt. (BChem05). Bei Bewerbungen halte ich evtl. Rücksprache mit den Lehrpersonen. (BBauH06). Wenn die Noten schlecht sind, erkundige ich mich. (BBauG13). Referenzen holen wir nicht bei jedem ein. Wenn man eine grosse Auswahl hat, fallen die schlechteren weg. Bei Lehrstellen mit wenig Interessenten fragen wir eher nach. (BKV27) Bei den Lehrpersonen fragen wir wenig nach. (BChef19). Wir fragen nicht oft nach. Es zählt das eigene Bild, das man bekommt. (EChef12) Manchmal frage ich bei Lehrpersonen nach, aber es ist meistens nicht nötig. (BGes24, BDru09) Tests (Multi-Check, Basis-Check, etc.) Zur Bewerbung gehören ein Motivationsschreiben, ein Lebenslauf, alle Zeugnisse der Oberstufe und ein Multi-Check (KV) oder Basis-Check (technische Berufe). Man muss die Checks relativieren, sie hängen von der Tagesform ab. Das Zeugnis kann gut sein und der Test schlecht. (BKV27) Wir verlangen den Multi-Check (für Detailhandel). Ich schaue ihn mehr an als die Zeugnisse. (BChef19) Der Basis-Check kommt vor dem Schnuppern. Früher hatten wir einen eigenen Test vom Verband. Den fand ich besser, weil der Bewerber die Aufgaben bei uns machte und ich sah, wie er an Probleme heranging. Jetzt sehe ich nur das Ergebnis. Seit 3 Jahren verlangen wir einen Test (Basis-Check), wie er vom Berufsverband empfohlen wird. Seither kommen weniger Jugendliche zum Schnuppern. Der Test ersetzt eigentlich die Noten. (BBauG13) Polygrafen müssen bei der Bewerbung den Multi-Check vorweisen. Drucktechnologen und Printmedienverarbeiter können ohne Test schnuppern. (BDru09) Früher konnte man einen Bewerber, der beim Schnuppern an der Grenze war, zum Verband schicken, der mit ihm einen Tag lang einen Test machte, doch diesen Test gibt es wegen zu geringer Nachfrage nicht mehr. (BBauH06) Wir machen einen eigenen Test beim Schnuppern. (BGes24)

51 98 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 99 Je nach Berufsgattung haben wir eigene Tests, die sie während der Schnupperlehre machen, nicht den Multi-Check. Bei Modeberufen wie Informatiker und Mediamatiker werden die Auswahlverfahren schon vor dem Schnuppern gemacht. Sie machen einen Test, dann wählen wir die Schnupperlehrlinge aus. Wir verhalten uns anders je nach Angebot und Nachfrage. (EChef12) Mit dem eigenen Test und dem Zeugnis fahren wir gut. Bei unserem Test geht es um Fachrechnen, von einem Sekundarlehrer zusammengestellt, einen Aufsatz mit der Frage nach der Motivation und über die familiären Verhältnisse und einen Neigungstest zu Sprachverständnis, Logik, Allgemeinbildung, Formendenken. (BChem05) Wenn man für jeden Beruf einen Multi-Check machen muss, wird es teuer. Für einen kleinen Betrieb kann es etwas bringen, er hat weniger damit zu tun. (BChem05) Lehrvertrag Es gibt Branchen, die Vorverträge für die Lehre machen. Wenn man sich schon zwei Jahre vorher entscheiden muss, ist man sehr jung, und die Buben sind noch weniger reif als die Mädchen, sie sind noch Kinder. Optimal wäre es, wenn man sich mit 13 oder 14 noch nicht so intensiv mit der Berufswahl auseinander setzen müsste. (BFlei22) Wir machen die Verträge meistens nicht sehr früh, erst im Frühling. Das liegt daran, dass wir ein bisschen Mühe haben, Lehrlinge zu finden. (BChef19) Den Termin 1. November für den Lehrvertrag hält eigentlich niemand ein, weil dann die guten Lehrlinge weg sind. Wir schliessen schon vorher Verträge ab, das machen alle so. Aber zwei Jahre im voraus machen wir es sicher nicht, dann sind sie zu jung. Wir spüren, ob einer den Entscheid für sich gefällt hat. Es gab bei mir noch nie den Fall, dass es sich einer nochmals überlegen wollte. (EChef12) Lernende als Arbeitskräfte/Rendite Wir sind im Betrieb nicht auf Lehrlinge angewiesen. (BBauG13, BGast07, BFlei22) Ein Betrieb darf nicht abhängig vom Lehrling sein. Nur von der Arbeitskraft profitieren ist nicht der Zweck. (BFlei22) Ich nehme lieber keinen Lehrling, als einen, der nicht passt. (BBauG13, BBauH06) Wenn wir zu wenige Bewerber hätten, würden wir nicht einfach irgendeinen nehmen, sondern lieber ein Jahr warten. (BDru09, BGast07, EChef12) Ich habe lieber wenige Lehrlinge, dafür überzeugte, die das wirklich wollen. (BFlei22) Lehrlingsarbeit ist Förderarbeit für die Zukunft und für den Betrieb eigentlich eher ein Aufwand, eine Investition ohne grossen Ertrag. (BGast07) Es ist aufwändig für unseren Betrieb. (BBauH06) Ohne Lehrling wäre es brutal happig. (BAgr01) Wenn eine Lehrstelle nicht besetzt wird, steigen die Personalkosten, da man mehr Leute einstellen muss. (BChef19) Vorher wurde der Betrieb während der KV-Lehre mehr beansprucht, seit den Reformen mehr entlastet. (BKV27) Qualifikationsprämien Im 4. und 5. Semester wird die Bewertung im Betrieb (Note) + Note der Schulzeugnisse im Durchschnitt berechnet. Ab der Note 4.5 gibt es als Prämie eine Lohnerhöhung, steigend bis 250. /Monat bei Note 5.7. Dies ist eine Massnahme, um die absackende Motivation im 2. Lehrjahr aufzufangen. (BChem05) Wir zahlen Qualifikationsprämien im zweit- und drittletzten Semester aus. Sie dienen der Motivation und stellen einen monetäreren Anreiz dar. (EChef12) Mobile Lernende Man kann sich im 2. Lehrjahr um die mobile Lehre bewerben. Wir haben verschiedene Auslandgesellschaften und schicken die guten Lehrlinge zu einem 3-monatigen Praktikum an einen Auslandstandort der Ems-Chemie in Europa, USA oder China. (BChem05) Vieles hängt vom Engagement der Fachlehrpersonen ab, die Erwartungen sind hoch. Die bisherigen Erfahrungen waren gut. (EChef12) Hier im Tal gibt es mehrere Betriebe, die Lehrlinge ausbilden. Manchmal tauschen wir Lehrlinge aus, damit sie verschiedene Dinge lernen. Sie sagen dann, wo es ihnen besser gefällt. (BBauH06) Ich finde, wir sollten mehr interkantonal arbeiten, dass z. B. Appenzeller nach Graubünden kommen. Da könnte man etwas lernen, das in keinem Bildungsplan drin ist. Uns würde es qualitativ weiterbringen, wenn mehr Know-how von aussen ins Tal käme. Wir sind vom Sortiment her betriebsblind oder etwas beschränkt. (BFlei22) Kontakt mit den Eltern Wir kontrollieren die Zeugnisse und sobald wir merken, dass etwas auf eine schlechte Bahn gerät, holen wir die Eltern an den Tisch. Das klappt gut. (BDru09)

52 100 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 101 Jedes Quartal mache ich ein Eltern-Lehrlingsgespräch. Wir haben einen Bewertungsbogen. Für mich ist wichtig, dass beide Eltern dabei sind. (BBauH06) Im 1. Lehrjahr sind die Lernenden drei Monate im Lehrlabor. Etwa im November ist Elternabend. Jeder präsentiert seine Arbeit mit Versuchen und Erklärungen. In der Zwischenzeit führe ich Gespräche mit den Eltern. (BChem05) Berufsschule Wir haben relativ selten Kontakt mit Berufsschullehrpersonen, nur bei Problemen. (BBauG13, BDru9, BBauH06, BKV27, EChef12). Wenn es Probleme oder ungenügende Noten gibt, ruft die Lehrpersonen die Filialleiterin an, auch bei unentschuldigten Absenzen. (BChef19) Im KV geht es meistens gut, eher bei den Handwerkern harzt es manchmal in der Schule. (BKV27) Das Schulsystem ändert immer wieder. Ideal war, als die Lernenden Blockkurse von vier Tagen hatten. Bei uns ist der Anfahrtsweg relativ lang. Jetzt haben sie einen Tag pro Woche Schule zwischen Oktober/November bis zum Frühling. Wir kennen den Stoff, den sie lernen. Wenn der Lehrling Probleme hat, muss er fragen. (BAgr01) Den Lehrplan und die Lehrmittel der Berufsschule kenne ich ungefähr. Wir haben ein Buch vom Verband, in dem steht, was man wann erreicht haben soll in jedem Lehrjahr. Man kreuzt an, was man gemacht hat. (BBauG13) Wir haben einen Link, mit dem wir in den Schulplan schauen können. Die Berufsschule ist in einem Topzustand, sie macht die Arbeit sensationell gut. Der Stoff ist aber vorgegeben und sie können nicht auf Einzelne Rücksicht nehmen wie bei jenen, die das Attest machen. (BBauH06) Was schulisch ist, soll schulisch bleiben, für die Praxis soll die Verantwortung dem Betrieb übergeben werden. (BFlei22) Mit dem Prüfungsexperten haben wir interne Diskussionen. Wir sind knallhart kritisch und fragen, warum können die Lehrlinge dieses und jenes nicht? Woran liegt das Defizit? Liegt es an den Lehrpersonen oder ist es der Stoff vom Bildungsamt? (BFlei22) Gewisse Mitarbeiter von uns sind auch Prüfungsexperten. So gibt es einen Austausch. Wir erhalten den Lehrplan, wir bieten auch Unterstützung an. (BDru09) Niveau bei Antritt der Lehre Wir sind zufrieden mit den Lernenden und ihrer Vorbildung. Ich wüsste keine Lücken, wenn sie die Lehre beginnen. (BDru09) Es gibt immer solche, bei denen die Schule das Schlimmste ist. Andere schätzen es sehr. (BAgr01) Manchmal fände ich es besser, wenn sie nach der Oberstufe nicht von allem ein bisschen wüssten, sondern mehr vom Grundwissen. Wenn die Basis fehlt, haben sie Mühe in der Berufsschule. (BBauG13) Sie müssen die Basis haben und dann bei uns anwenden. (BBauH06) Deutsch und Mathe sollten genügend sein, aber wir geben auch anderen eine Chance, die beim Schnuppern gut waren. Wir haben auch schon eine genommen mit der Bedingung, dass sie Deutschunterricht nimmt. (BChef19) Wenn ich im Januar und Februar Anfragen für eine Lehrstelle im Sommer erhalte, kann ich davon ausgehen, dass die Bewerber schon viele Absagen bekommen haben. Man kann sie meistens nicht brauchen. Fähige Leute finden genug Stellen. (BBauG13) Mathematik Für das Rechnen bringen die Lehrlinge in der Regel genug Vorwissen mit. Bei uns geht es nur um Addition und Multiplikation. Was fehlt, ist das Kopfrechnen. Da fehlt das Training. (BFlei22) Mit dem Rechnen aus der Sekundarstufe habe ich etwas Mühe. Manchmal verstehen die Lehrlinge die Aufgaben nicht. Sie telefonieren mit dem Handy und fragen. Beim Verstehen und Anwenden hapert es. (BBauH06) In der Mathe habe ich das Gefühl, dass etwas fehlt. Es liegt nicht am Rechnen an sich. Das Problem sind die angewandten Aufgaben, bei denen das Textverständnis wichtig ist. Die Kombination von Zahlen und Text ist schwierig für die Umsetzung. (BChem05) Sprachkompetenz Es gibt Stützkurse an der Berufsschule, das Angebot ist da. Die Sprache ist nötig für den Tagesrapport. Wichtig ist, dass man es versteht, das habe ich noch immer erreicht. (BBauG13) Am Anfang gibt es Tests in der Schule und Kurse für jene, die etwas Mühe haben. (BAgr01) Die Sprachkompetenz hat nachgelassen. Sie lesen zu wenig, sie konsumieren nur. In den Rapporten haben wir eine SMS-Sprache, falsch geschrieben und in Mundart, das geht nicht. Es beginnt schon in der Grundschule, hat zu tun mit den Fremdsprachen. Vielleicht sind auch die Lehrpersonen überfordert. Wir verlangen nicht viel, es muss nur die Basis sein mit der Rechtschreibung, die Kommas sind mir egal. (BBauH06) Die Sprachkompetenz ist individuell. Ich glaube nicht, dass es am Oberstufen-Unterricht liegt. (BGast07)

53 102 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 103 Ich bin überrascht, wie viele trotz deutscher Muttersprache sehr schlecht Deutsch können. Das ist ein Nachteil der Gesamtentwicklung unserer Zeit. Da müsste man in der Schule mehr darauf achten. (BGes24) Ich verwende seit 20 Jahren das gleiche Sprachrepertoire und merke zunehmend, dass sie gewisse Dinge nicht verstehen. Ich muss Texte umformulieren. Wir müssen manchmal Satz für Satz anschauen. Es gibt sofort Widerstand, wenn der Text etwas speziell formuliert ist. (BChem05) Wir merken bei den Südbündnern ein Defizit an Deutschkenntnissen. Für sie ist es am Anfang schwierig. Man merkt, ob sie zu Hause Deutsch sprechen oder nicht. Manchmal versprechen wir die Lehrstelle schon ein Jahr vorher und schicken die Person noch ins 10. Schuljahr, damit sie die Sprache lernt. (BKV27) Berufsmaturität Die Berufsmatura fördern wir, es ist je nach Beruf unterschiedlich. Im KV und bei Laboranten, Informatiker und Mediamatiker sind es sehr viele, bei den anderen weniger. (EChef12) Wir unterstützen die Berufsmatura, ca. 1 / 3 unserer Lernenden machen sie. Jene aus dem Puschlav können keine Berufsmatura machen, weil das M-Profil im Engadin nicht angeboten wird. Nach Chur ist der Weg zu weit. Sie machen sie nachher. (BKV27) Verbieten darf man die Berufsmatura nicht, aber es gibt sicher Betriebe, die es lieber haben, dass die Lernenden keine BM machen. Es bedeutet ½ Tag mehr Schule. Sie sind stark belastet, das Niveau ist anspruchsvoll. (BChem05) Wir hatten einmal einen, der die Berufsmatura machte. Wir würden es unterstützen, aber es kommt selten vor. (BDru09) Weiterbildung Heute lernt man einen Beruf, aber ob man in diesem Beruf arbeitet, ist nicht sicher. Man kann Weiterbildungen machen. Es ist eigentlich egal, was man lernt, wichtig ist es, eine Lehre mit einem guten Abschluss zu machen als Sprungbrett. Danach hat man viele Möglichkeiten, man kann auch noch studieren. Es gibt fast zu viele Möglichkeiten. (BDru09) Meine Devise ist, so viele Lehrlinge auszubilden, wie ich auch im Betrieb behalten kann. Ich behalte sie immer, aber ich stelle sie frei, wenn sie gehen wollen. Nach der Ausbildung haben viele meiner Lehrlinge etwas anderes gemacht. Wahrscheinlich liegt es auch am Lohn. Ein Berufswechsel ist heute normal, aber irgendwie kommt man dann doch auf Umwegen wieder auf den Beruf zurück. (BBauH06) Es schadet grundsätzlich nicht, wegzugehen. (BDru09) Wir können nicht alle zehn ausgebildeten Lehrlinge einstellen. Oft gehen sie in die Weiterbildung oder ins Unterland zum Arbeiten. (BChem05) Man muss die Jugendlichen drängen, dass sie weggehen und sie kommen auch zu früh zurück. Ich habe lieber jene, die Wanderjahre machen und mit heimkommen. Dann können sie noch lange genug in diesen Löchern hocken. (BFlei22) Wir machen Bildungsvereinbarungen, bei denen sie von uns unterstützt ein Studium machen können, Ferienjobs bekommen und Praktika, Diplomarbeiten usw. Sie verpflichten sich, ein paar Jahre zu uns zu kommen oder das Geld anteilmässig zurückzuzahlen. (EChef12) Es gibt solche, die eine Weiterbildung machen an der HTW, es gibt gute Angebote für Fachkurse. (BBauH06) Heute gibt es viel mehr Diplome als früher für Sprachen (Englisch, Italienisch), Informatik usw. (BKV27) Die Kantone zahlen unterschiedliche Beiträge an die Fachschulen. Fachhochschulen meinen immer, sie seien etwas Besseres als Höhere Fachschulen. Die Schulen bekriegen sich, die einen erhalten mehr Fördergelder, das ist schade. Bachelor oder nicht spielt bei uns nicht so eine Rolle. Wenn man zu wenig Fachleute hat, steigen die Löhne, aber die Qualität steigt nicht unbedingt. (BDru09) Duales Bildungssystem Das System ist eher trial mit den ÜK. Es ist ideal, ich würde nichts ändern. An den drei Lernorten können sie verschiedene Kompetenzen lernen und müssen sich immer wieder anpassen. Die Lehre ist abwechslungsreich durch die Kombination von Schule und Arbeit. Es ist eine gute Vorbereitung auf das Leben. Man lernt von Anfang an zu arbeiten. (BChem05) Sobald bei uns einer ein gutes Zeugnis hat, geht er viel zu schnell an eine höhere Schule. Uns fehlt der helle Kopf an der Basis, am Tisch. Der Betrieb steht und fällt mit den guten Leuten an der Basis. Wir verlieren die guten Leute in die Büros als Abteilungsleiter. Für sie selber stimmt es, aber für das Ganze haben wir ein Defizit. (BFlei22)

54 104 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 105 Alle Oberstufenschülerinnen und -schüler, die gut herauskommen, haben einen riesen Vorsprung als Handwerker, denn Handwerker sind unentbehrlich. Es braucht jene, die an Ort und Stelle für das Unternehmen denken und das Denken weiter geben. Selbständigkeit und ein eigenes Geschäft sind sicher ein Anreiz. (BFlei22) Schade, dass der Trend Richtung weiterführende Schulen (Gymnasium) und Studium geht. Die Lehre sollte aufgewertet werden. Das duale System ist gut, es ist aber international zu wenig anerkannt. Die Lehre sollte im Ausland wie das Studium mit ECTS (European Credit Transfer and Accumulation System) bewertet werden, das wäre eine Stärkung. (BKV27) Wir haben zu viele Akademiker. Mit dem Gymnasium hat man noch gar nichts. (BDru09) Heutige Jugendliche Anstand, Umgangsformen Wir Berufsbildenden spielen immer mehr die Rolle des Erziehers. Erziehung ist auch nicht die Aufgabe der Schule. Anstandsregeln sollte man zu Hause lernen. Sie müssen mit den Kunden umgehen können. (BBauH06) Ich würde mir etwas mehr wünschen in Bezug auf die Persönlichkeit und das Soziale. Es ist aber nicht der Auftrag der Schule, dies zu vermitteln, sondern des Elternhauses. Anstandsregeln, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Annehmen von Kritik, Feedback geben, Umgangsformen wie Grüssen. Ich stelle da manchmal Mängel fest. (BKV27) Bequemlichkeit/Ausdauer Als wir die Lehre machten, hatten wir die Philosophie 80 Prozent Lehre, 20 Prozent Freizeit. Heute kommen die Jungen mit der Einstellung 60 Prozent Lehre, 40 Prozent Freizeit. Die Prioritäten werden falsch gesetzt. (BFlei22) Die Jugendlichen wirken heute selbstbewusster als früher, sind es aber nicht. Vieles ist Fassade. Sobald es auf die Belastbarkeit ankommt, hängen sie. (BFlei22) Man kann nicht sagen, die Jungen seien lascher, fauler oder träger geworden oder hätten weniger Interesse. Wir haben eine gute Auswahl von Bewerbern, da ist es einfacher. (BDru09) Die Lehrlinge sind bequem und wollen sich nicht anstrengen, darum machen viele das KV. Es ist die Tendenz unserer Gesellschaft, bequem zu sein. (BGast07) FaGe ist nach drei Jahren noch kein Beruf, man ist erst auf dem halben Weg. Der Weg zum Diplom ist lange (6 Jahre), das können nicht alle. Es braucht Ausdauer. Manche machen nach drei Jahren nicht weiter und machen z. B. lieber das KV. (BGes24) Das Dranbleiben ist ein Problem. Sie geben schnell auf. Da muss man etwas Druck aufbauen, dass sie das machen müssen. Textverständnis ist wichtig, auch für Ausländer und Fremdsprachige. Sie müssen lernen, rechtzeitig zu fragen, wenn sie etwas nicht verstehen, bei den Prüfungen ist es zu spät. (BChem05) Es gibt solche, die immer kränklich sind. Wir leben in einer stressigen Welt. Die Produktion muss sich steigern, das hat Auswirkungen. Die Jungen sind so, wie wir sie erzogen haben. Die Familienverhältnisse spielen die grösste Rolle. (BGes24) Disziplin Man muss wissen, und das könnten die Schulen mehr vermitteln, dass es in der Berufswelt nicht um die Person geht, sondern um eine Gruppe, um die Gesellschaft, und dass sie sich ihr anpassen müssen, nicht umgekehrt. Das ist so, ob man das will oder nicht. Man könnte mehr trainieren, dass Disziplin wichtig ist. Darüber könnte die Schule besser informieren, dass man für die Gesellschaft eine Leistung bringen muss. (BGast07) Neue Medien Mit den heutigen Medien ist man sehr abgelenkt, es fängt schon früh an. Man kann einem nicht erst mit 15 sagen, er solle sich ändern. (BDru09) Jugendliche schreiben ständig SMS mit Abkürzungen. Wer liest noch Bücher? (BGes24) Die heutigen Jugendlichen sind anders, aber nicht schlechter oder besser. Das ganze Umfeld hat sich verändert, das beeinflusst die Menschen. Die Jungen können heute nicht ohne Handy leben, es ist einfach so. (BGes24) Es ist eine Überreizung vorhanden, Abstumpfung. Früher redeten sie noch miteinander, heute starrt jeder in das Handy. Ich glaube, das Problem liegt zu Hause, wo das Handy daneben liegt und der Computer läuft und Musik. Das funktioniert nicht, da kann niemand sagen, er sei multitaskingfähig. Tests zeigen das, es fehlt die Ruhe. (BChem05) Ehrgeiz Ich denke, wenn man ein Ziel erreichen will, soll man den Aufwand nicht scheuen. Es geht auch um Sozialkompetenz. (BFlei22) Es fehlt an Eigeninitiative. Sie warten auf Instruktionen und machen nur, was gesagt wird. (BFlei22)

55 106 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 107 Ich habe das Gefühl, dass man früher mehr Biss hatte. Heute gibt man sich relativ schnell zufrieden mit dem, was man hat. Früher gab es mehr Leute, die ehrgeizig waren. (BDru09) Neue Qualitäten der Lehrlinge Die heutigen Jugendlichen sind selbstbewusster geworden. (BKV27) Jugendliche sind heute vifer, fitter. Früher zählte die Meinung des Lehrmeisters noch mehr, sie waren eher Duckmäuser und machten einfach, was gesagt wurde. Heute macht es ihnen weniger Eindruck. Es ist eine Zeiterscheinung. (BBauH06) Die Lehrlinge leisten sich heute mehr als wir damals, das ist generell ein Abbild der Gesellschaft. Die Lebenseinstellung ist ein bisschen legerer. Es ist ein Zeichen der Zeit, nicht negativ. (BDru09) Sie haben heute ein viel grösseres Freizeitangebot als vor zehn Jahren und mehr Freiheiten. (BChef19) Jugendliche mit Migrationshintergrund Jugendliche mit Migrationshintergrund machen nicht mehr Probleme als andere. Wir haben viele, die hier aufgewachsen sind. Bei der Sprache merkt man kaum etwas. (BChef19) Mit den Ausländern gab es auch in der Schule keine Probleme. (BAgr01) Einer mit Migrationshintergrund ist der Drittbeste der Klasse. (BBauG13) Ein angelernter Mitarbeiter, ein Italiener, machte Kurse und schliesslich den Lehrabschluss. (BBauG13) Wir hatten einmal einen Lehrling aus Kambodscha, der schlecht Deutsch sprach, er musste einen Kurs besuchen und machte einen guten Abschluss. Heute ist er Abteilungsleiter. (BDru09) Ausländer und Romanischsprechende bemühen sich eher um die Sprache. Sie fragen auch. (BBauH06) Hier haben alle die gleichen Chancen. Die fremdsprachigen Kinder, die hier zur Schule gehen, können eher besser Deutsch und kommunizieren in 2 3 Sprachen und sind fleissig. Sie sind nicht benachteiligt, im Gegenteil. (BGes24) In Poschiavo gibt es einige Portugiesen und Italiener aus Sondrio, die sich anmelden. In Landquart haben wir Bewerbungen von vielen Nationalitäten (Portugal, Kroatien, Türkei), in Klosters weniger. Sie sind zum Teil zweite Generation. Man sieht es oft nur am Namen. Mir fällt auf, dass sie oft nicht mehr die Muttersprache aufführen, sondern Deutsch als 2. Muttersprache angeben und die erste weglassen, oder dass sie zwei Namen angeben, um zu zeigen, dass ein Elternteil Schweizer ist. So erhoffen sie sich mehr Chancen. Sie sind fleissig. (BKV27) Situation in Graubünden Die Oberstufenlehrpersonen in den kleinen Gemeinden versuchen, die Schülerinnen und Schüler zu fördern. In den kleinen Klassen kennen die Lehrpersonen die individuellen Stärken und Schwächen. Das ist eine hohe Qualität. Die Schwächeren werden mitgenommen und die Stärkeren mehr gefordert und gefördert. (BFlei22) Man merkt noch das ländliche Verhalten bei den Jugendlichen aus dem Prättigau, Poschiavo und der Surselva, die nicht denken, dass Büroarbeit mehr wert ist. Die Qualität der Bewerbungen ist in Klosters besser als in Landquart. (BKV27) Bauernsöhne wissen noch, wie man mit einer Motorsäge umgeht. (BBauH06) Wir haben hier Bauernkinder, die zu Hause recht krampfen, sie werden fast verheizt. So einer will vielleicht lieber studieren. (BFlei22) In Graubünden leben wir ein bisschen in einer heilen Welt. Es kommen nur wenige Lernende aus den Südtälern oder aus dem Engadin zu uns. Wenn sie überhaupt weggehen, tendieren sie eher nach Zürich als nach Chur. In letzter Zeit haben wir auch weniger Lernende und Mitarbeiter aus der Surselva. Wir brauchen wegen der technischen Entwicklung nur noch etwa die Hälfte von einst. (EChef12) Alle Engadiner machen die Lehre im Engadin. Ich verstehe, wenn wirtschaftliche Faktoren der Familie eine Rolle spielen. (BFlei22) Die Volg-Läden sind auf dem Land. An den abgelegenen Orten ist es schwierig, Lehrlinge zu finden. Es wäre gut für jene, die im Dorf bleiben möchten, doch Mädchen interessieren sich eher für Mode, Kleider und Schuhe. Viele wollen lieber in die Stadt gehen. Manche machen auch keine Lehre mehr, sondern studieren. (BChef19) Manche gehen auch gerne an eine Saisonstelle an einem Touristenort, weil man da mehr Leute braucht, etwa auf der Lenzerheide, Laax oder im Engadin. Diese Stellen sind beliebt nach der Lehre, da können sie weg von daheim und in ein tolles Skigebiet, wo etwas läuft. (BChef19)

56 108 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 109 Tourismusmässig sind wir an einem attraktiven Ort. (BGast07) Wir sind hier abgelegen und auf den öffentlichen Verkehr angewiesen. Wir machen unsere Stellen attraktiv, indem wir z. B. die Lernenden gratis verpflegen, allen Angestellten die Reisekosten mit ÖV vergüten. Das ist sonst nicht üblich. (BGes24) Fremdsprachen Bis vor einigen Jahren musste man für die eidgenössische LAP Französisch haben. Da mussten sie das in GR büffeln. Jetzt nicht mehr. Das Bildungskonzept in der Schweiz funktioniert nicht wirklich. (BDru09) In GR kommen die Sprachprobleme dazu. Mit dem Italienischen als erste Fremdsprache in der Primarschule haben wir uns ins Offside manövriert. Ich bin eher für Französisch. (EChef12) 3. 2 Zusammenfassung Interviews Berufsbildende Demografische Entwicklung Die Anzahl der Lernenden nimmt ab, doch ist die Anzahl Schülerinnen und Schüler am Gymnasium trotz geburtenschwacher Jahrgänge konstant. Da die guten Schulabgänger an die Kanti gehen oder für anspruchsvolle Lehren abgeworben werden, sinkt das Niveau der übrigen Lernenden. Die Berufsschulen in den Regionen müssen ums Überleben kämpfen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Entsprechend der geringeren Anzahl Schulabgängerinnen und -abgänger, müsste auch die Anzahl der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium proportional abnehmen. Es werden mehr Lernende mit einem hohen Niveau benötigt. Ohne regionale Berufsschulen werden Lehrstellen auf dem Land weniger attraktiv. Berufswahl Die Eltern und ihre Vorstellungen haben einen grossen Einfluss auf die Berufswahl. Lehrpersonen können Jugendliche im Unterricht motivieren. Teilweise sind falsche Vorstellungen über Berufe vorhanden, vor allem von Berufen, die in der Öffentlichkeit kaum beobachtet werden können. Ein wichtiges Kriterium ist der Standort der Lehrstelle. Die Jugendlichen möchten nach der Arbeit möglichst schnell zu Hause sein. Der Lohn ist ein wichtiger Aspekt für Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Noch mehr wird aber auf das Arbeitsklima geachtet. Werbung Die Lehrstellen sind im Online-Lehrstellennachweis, auf Webseiten und in Zeitungen und Zeitschriften ausgeschrieben. Bei einigen Betrieben reicht die Mund-zu-Mund-Propaganda. Für wenig bekannte, «versteckte» und neue Berufe sind spezielle Werbekampagnen nötig. Die Wirtschaft steuert den Arbeitsmarkt. In Branchen mit wenig Nachwuchs steigen berufsfremde Leute ein. Berufsmessen sind gut, sie eignen sich aber nicht für jeden Beruf. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Oberstufenklassen könnten vermehrt Betriebe besichtigen. Betriebe könnten mehr Schulbesuche machen.

57 110 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 111 Nicht sichtbare und neue Berufe müssen durch Werbung bekannt gemacht werden. Die Firmen, welche Lehrstellen anbieten, müssen auch in den Randregionen Präsenz markieren. Beliebte und weniger beliebte Berufe Das KV ist der am meisten gewählte Beruf. Büroberufe haben ein höheres Image als das Handwerk mit körperlicher Anstrengung, unregelmässigen Arbeitszeiten und geringerem Lohn. Berufe in der Lebensmittelbranche und Gastronomie werden eher von Frauen gewählt. Technische Berufe sind nicht so begehrt. Teilweise sind die Anforderungen zu hoch, es werden jedoch auch tiefere Niveaus angeboten. Das zweijährige Berufsattest gibt auch schwächeren Jugendlichen eine Chance. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Handwerk, technische Berufe, Gastgewerbe und Pflege müssten attraktiver gemacht werden und brauchen ein besseres Image. Letztes Schuljahr Im letzten Schuljahr der Oberstufe wird oft zu wenig geleistet, der Ansporn fehlt. Die Anzahl Lektionen wird eher ab- statt aufgebaut. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Die Lehrpersonen sollen sich auch im letzten Jahr nach dem Lehrplan richten. Hausaufgaben sollen überprüft werden. Die Lektionen sollten im Hinblick auf die Lehre eher gesteigert werden. Das letzte Zeugnis soll dem Lehrbetrieb vorgelegt werden. In den Unterricht könnten vermehrt naturwissenschaftliche Experimente eingebaut werden. Aufgaben/Motivation der Berufsbildenden Berufsbildende können den Lernenden den Beruf näher bringen, Freude am Beruf vermitteln und sie motivieren. Wenn man Jugendliche gern hat, tun auch die Schwierigen den Knopf auf. Berufsbildende können von den Lernenden das Neueste aus dem Fachunterricht lernen. Ein gutes Arbeitsklima ist wichtig. Berufsbildende besuchen Weiterbildungskurse, wo sie sich austauschen können. Die Lehrpläne werden immer wieder angepasst. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Es ist wichtig, junge Menschen zu schätzen und auch Schwächeren eine Chance zu geben. Berufsbildende sollen die gleichen Arbeiten ausführen wie Lernende und ihnen auch verantwortungsvolle Aufgaben übergeben. Lernende sollen auch ihren eigenen Stil entwickeln dürfen. Lehre im Grossbetrieb/Kleinbetrieb Grossbetriebe bieten eine gute Infrastruktur, eine grosse Berufspalette, professionelle Abläufe und sind hart in der Selektion. Kleinbetriebe sind familiärer, bilden universell aus und können individueller auf die Lernenden eingehen. Grossbetriebe zahlen zum Teil Qualifikationsprämien, um die Motivation zu fördern. Sie bieten auch Praktika im Ausland an. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Kleinbetriebe können durch Lehrlingstausch ihre Lernenden vielseitiger ausbilden. Interkantonaler Austausch würde mehr Know-how bringen und die Qualität erhöhen. Schnupperlehre/Bewerbung Die Schnupperlehre verläuft in den meisten Betrieben nach einem bewährten System mit Bewertungen durch die begleitenden Personen und einem abschliessenden Gespräch. Es wird darauf geachtet, wie Schnupperlehrlinge auftreten, wie sie anpacken und wie sie sich verhalten. Wenn sie im Betrieb durch Lernende betreut werden, öffnen sie sich eher. Die wichtigsten Kriterien sind der gute Wille, Interesse, Einsatz und die Fähigkeit zu kommunizieren. Das Vorwissen spielt weniger eine Rolle. Zeugnisse/letztes Zeugnis Die Rolle des Zeugnisses beim Auswahlverfahren wird unterschiedlich beurteilt. Je anspruchsvoller der Beruf ist und je mehr Bewerber es gibt, desto mehr wird auf die Noten geachtet. Bei ebenbürtigen Kandidaten können sie entscheidend sein. Die verschiedenen Niveaus erschweren die Interpretation und den Vergleich der Noten. Viel Gewicht wird auf die Bewertung der Sozialkompetenzen gelegt. Der Wille und die Persönlichkeit der Bewerber sind ebenso wichtig oder wichtiger als das Zeugnis. Nach Abschluss des

58 112 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 113 Lehrvertrags verlangt nur ein Teil der Berufsbildenden Einsicht in das letzte Zeugnis der Oberstufe. Ein Kontakt der Berufsbilder mit Oberstufenlehrpersonen erfolgt in der Regel nur, wenn die Noten schlecht sind. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Das Vorweisen des letzten Zeugnisses der Oberstufe im Lehrbetrieb kann die Leistungen im letzten Schuljahr verbessern. Tests In vielen Betrieben wird für die Bewerbung ein Multi-Check bzw. Basis-Check verlangt, einige machen ihre eigenen Tests. Sie werden als Ergänzung und immer mehr auch als Ersatz für die Zeugnisnoten angesehen, die nicht so leicht zu interpretieren sind. Die Tests dienen der Selektion. Eigene Tests können den speziellen Bedürfnissen des Betriebs angepasst werden. Für die Bewerber sind der Multi-Check und Basis-Check teuer. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Die Resultate der Tests sollen relativiert und als Momentaufnahme gesehen werden. Lehrvertrag In gefragten Branchen werden bereits vor dem 1. November Lehrverträge bzw. Vorverträge abgeschlossen, um die besten Schülerinnen und Schüler für sich zu gewinnen. In Berufen, in denen es schwieriger ist, Interessenten zu finden, kann es bis zum Abschluss der Verträge Frühling werden. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Die Berufswahl sollte nicht schon zwei Jahre vor Lehrbeginn erfolgen müssen. Im Alter von 13 oder 14 Jahren fehlt besonders bei den Knaben die nötige Reife. Lernende als Arbeitskraft Die meisten Betriebe sind nicht auf Lernende angewiesen. Wenn sie keine passenden Bewerberinnen und Bewerber finden, stellen sie lieber niemanden ein. Sie möchten moti vierte Leute. Die Lehrbetriebe fördern den Nachwuchs, was mit Aufwand und keinem grossen Ertrag verbunden ist. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Die Lehrbetriebe sollen nicht in erster Linie von den Lernenden profitieren, sondern ihre Aufgabe als Investition in die Zukunft sehen. Kontakt mit den Eltern Kontakte mit den Eltern finden vor allem statt, wenn Probleme auftauchen. Einzelne Berufsbildende laden Eltern regelmässig zu einem Gespräch ein. Grossbetriebe veranstalten einen Elternabend. Berufsschule Die meisten Berufsbildenden haben nur Kontakt mit den Berufsschullehrpersonen, wenn es um Probleme mit Lernenden geht. Sie kennen den Lehrplan der Berufsschule. Einige Berufsbildende sind auch als Prüfungsexperten tätig und mit den Anforderungen vertraut. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Die Schule soll theoretisch bleiben, für die Praxis ist der Betrieb verantwortlich. Niveau bei Antritt der Lehre Bei manchen Lernenden mangelt es am Grundwissen der Oberstufe. In Mathe haben sie Mühe mit Kopfrechnen und mit der Umsetzung von angewandten Aufgaben. Die Sprachkompetenz hat nachgelassen. Teilweise erhalten schwächere und fremdsprachige Schülerinnen und Schüler eine Chance, wenn sie bereit sind, einen Sprachkurs zu besuchen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Das Basiswissen in Mathematik (z. B. Kopfrechnen) und Sprache. (Rechtschreibung, Textverständnis) sollte in der Oberstufe mehr geübt werden. Die Probleme in Mathematik sind oft sprachlicher Art. Ein besseres Verständnis der Aufgaben ist nötig für deren Umsetzung und Anwendung. Berufsmaturität Die Berufsmaturitätsschule wird vor allem in anspruchsvollen Berufslehren gewählt. In Randregionen kann sie teilweise wegen der langen Reise nach Chur nicht während der Lehre besucht werden. Nicht alle Betriebe unterstützen die Berufsmaturität, da die Lernenden während des zusätzlichen Schulunterrichts am Arbeitsplatz fehlen.

59 114 B Qualitativer Teil mit Interviews 3. Interviews mit Berufsbildenden 115 Weiterbildung Es ist heute normal, dass Berufe gewechselt werden und dass man sich weiterbildet, teilweise auch unterstützt von Firmen. Fachschulen und Fachhochschulen erhalten vom Kanton unterschiedlich hohe Beiträge. Sie müssen um Studenten werben. Duales Bildungssystem Das System ist mit den überbetrieblichen Kursen eigentlich dreiwegig. Es ist eine ideale Kombination von Schule und Arbeit. Es gibt zu viele Akademiker. Auch Handwerker haben Aufstiegsmöglichkeiten, etwa als Unternehmer. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Wenn die guten Leute an höhere Schulen gehen, fehlen helle Köpfe an der Basis. Die Berufslehre sollte aufgewertet werden. Situation in Graubünden In den kleinen Klassen auf dem Land werden die Schülerinnen und Schüler von den Oberstufenlehrpersonen individuell gefördert. Die Qualität ihrer Bewerbungen ist oft besser als jene von Schülerinnen und Schülern aus grös seren Orten. Jugendliche aus den Randregionen suchen möglichst eine Lehrstelle in der Nähe. Wenn die angebotenen Berufe zu wenig attraktiv sind, gehen sie in die Stadt. Lehrstellen an Touristenorten sind begehrter als andere. Die Fremdsprachenregelung an der Berufsschule ist unbefriedigend. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Grosszügige Bedingungen für Lernende wie z. B. die Vergütung der Reisekosten und Verpflegung können ein Anreiz sein eine Lehrstelle in einer Randregion oder in einem weniger prestigeträchtigen Beruf zu beginnen. Im Ausland sollte die Berufslehre besser anerkannt werden. Heutige Jugendliche Berufsbildende müssen teilweise die Rolle des Erziehers übernehmen. Viele Jugendliche wollen sich nicht anstrengen, sie haben wenig Ausdauer und Ehrgeiz. Neue Medien beeinflussen die Sprachkompetenz, verändern die Kommunikation und lenken ab. Die Lebenseinstellung ist lockerer geworden. Die Jugendlichen sind selbstbewusster, vifer und sagen ihre Meinung. Jene mit Migrationshintergrund machen nicht mehr Probleme als andere. Sie sind oft sehr fleissig, motiviert und sprachlich auf einem guten Niveau. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsbildenden: Anstandsregeln und Umgangsformen sollten zu Hause vermittelt werden. Jugendliche sollten nicht so schnell aufgeben, sondern dran bleiben und mehr Fragen stellen, wenn sie etwas nicht verstehen. Sie sollen Disziplin lernen und sich im Beruf den Normen anpassen. Die Jugendlichen brauchen mehr Ruhe, sie werden von den neuen Medien abgelenkt.

60 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 4.1 Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen Befragt wurden acht Berufsschullehrpersonen, die folgende Fächer unterrichten: Allgemeinbildung, Chemie, Physik und Mathematik, Informatik, Elektronik, Wirtschaft und Handel, Gesundheitswesen. Demografische Entwicklung Es fehlen die guten Lehrlinge. Heute bekommen auch die Schwächeren eine KV Lehrstelle und haben Mühe während der Ausbildung. (GKV28) Die Nachfrage nach KV-Lehrstellen nimmt ab und gewisse Betriebe nehmen keine Lernenden mehr, weil es Aufwand und Probleme gibt. (GKV28) Es gibt heute aufgrund der demografischen Situation einen Kampf um die Lernenden. Man rechnet mit einem Rückgang von 20 bis 30 Prozent. Einige Betriebe überlegen sich, ob sie bei ungenügenden Anwärtern zwischendurch auf Lernende verzichten sollen. Meist aber werden die Zyklen beibehalten. (GAbu04) Das immer grössere Lehrstellenangebot ist nicht optimal für das Niveau. Wenn jeder Oberstufenabgänger weiss, dass er auswählen kann und eine Superstelle bekommt, ist die Motivation, sich gross einzusetzen, tendenziell sinkend. (GAbu04) Beim ABU-Unterricht ist es kein Problem, Klassen zu füllen, beim Fachunterricht schon. (GAbu11) Die geburtenschwachen Jahrgänge merken wir an der GBC noch nicht stark. Aber in der BMS haben wir weniger Anmeldungen. Die Gesamtschülerzahl bleibt konstant, da die Schule immer schaut, dass noch neue Berufe hinzukommen. Wir haben eher zu wenig Platz. Es gibt einen Wettbewerb zwischen den Berufsschulen um die Schülerinnen und Schüler. Sie holen sogar Gärtner von Romanshorn, auch Zugbegleiter. Den demografischen Schwund will man mit dem erweiterten Angebot an Berufen kompensieren. Es gibt interkantonale Abkommen bei gewissen Berufen. (GChem14/GAbu11) Der Ruf der Schule ist gut und es ist uns auch ein Anliegen, da die Demografie spürbar ist. Wir schauen, dass wir neue Berufe bekommen, um neue Schüler innen und Schüler zu bekommen. Die gesamte Zahl der Schülerinnen und Schüler ist bei der GBC konstant. (GAbu04) Die Aussenstellen der Berufsschulen sind klein, man kann sie fast vergessen. Aufgrund der teuren Infrastruktur ist deren Weiterführung gefährdet. (GAbu04)

61 118 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 119 Die Anzahl Lernender geht noch immer zurück. Es gibt überall einen Mangel. Das zeigt sich auch bei der Schnittstelle. Die Mittelschulen müssen die Klassen auch reduzieren. Bei uns braucht es gleichviel Fachlehrpersonen, es sind einfach weniger Schülerinnen und Schüler. In der Allgemeinbildung könnte man je nachdem Klassen zusammenlegen. Irgendwann kommt es soweit, dass man die Mindestzahl von 10 Lernenden nicht mehr hat. Dann müsste man evtl. die Klasse mit einem anderen Kanton zusammenlegt. Buchs wäre zumutbar. (GEle16) Das nächste Problem haben die Fachhochschulen, die nicht mehr die gleichen Leute kriegen, es wirkt sich weiter aus. (GEle16) Berufswahl Lehrstellenmarkt/Werbung der Betriebe Unter den Lehrbetrieben gibt es ein Gerangel um die Lernenden. Mit einem guten Oberstufenzeugnis ist man auf dem Lehrstellenmarkt begehrt, denn die Ausbildung kostet den Lehrbetrieb und ein guter Lehrling bringt mehr zurück, braucht weniger Investition von Zeit durch den Berufsbildenden und ist schneller einsetzbar in Projekten. Das ist ein Markt, der immer mehr spielt. (GEle16) Einen Elektroinstallateur-Lehrling kann man schon im 1. Lehrjahr überall mitnehmen auf die Baustelle. Ein Elektroniker kann erst im 3. oder 4. Lehrjahr einen Print entwickeln. Und er macht noch zwei- bis dreimal Ausschuss bis man es wirklich brauchen kann. Er kostet mehr für den Betrieb. (GEle16) Die Lehrverträge werden immer früher abgeschlossen. Der offizielle Vertrag darf erst ab 1. November abgeschlossen werden, aber die Betriebe machen einen Vorvertrag. Sie picken die Rosinen heraus. Das ist nicht richtig. Es ist eine Frechheit den Jungen gegenüber, wenn sie sich so früh entscheiden müssen. Sie können gar nicht richtig zwischen Berufen auswählen und sich auch in anderen Betrieben umschauen, wo die Stelle etwas später ausgeschrieben wird. Man denkt immer noch, man müsse froh sein, wenn man eine Stelle bekommt. Es stimmt nicht mehr. (GEle16) Auch wenn es sich nicht lohnt, werden trotzdem Lehrlinge gesucht. Es wird immer schlimmer, wenn es weniger Stellen gibt. Der Automatiker gehört auch dazu und Polymechaniker. Wenn dort die guten Lernenden weggeschnappt werden, ist es schwierig. (GEle16) Früher Vertragsabschluss: Man ist auch als Eltern erleichtert, wenn man es früh weiss. (GChem14) Berufsmessen Fiutscher finde ich gut, aber auch das wird kommerzialisiert. Grossbetriebe machen grosse Shows, Ems-Chemie mit Wettbewerb. So erhalten sie Adressen für Werbung, laden sie ein usw. Es ist immer die Frage, wohin es führt. Ist es zum Wohl der Volkswirtschaft oder des Kommerzes? (GEle16) Die Berufsmessen haben etwas Positives, aber man kann nicht alle Berufe zeigen. Wie soll man die Dienstleistungen vermitteln? Beim Handwerker ist es einfacher, etwas zu sehen. (GKV28) Einflüsse auf die Berufswahl Früher hatten die Eltern viel mehr Einfluss von klein auf, sagten: Du musst etwas Rechtes lernen. Wahrscheinlich lässt man die Jugendlichen heute früher selber entscheiden, was sie wollen. Sie müssen selber wissen, was sie wollen. Andere Eltern machen viel Druck, damit ihre Kinder in die Kanti gehen. (GAbu04) Eltern haben sicher einen Einfluss und die Peer-Gruppe. Die Jungen schauen heute bei der Berufswahl extrem auf das Umfeld, was läuft. Als vor einigen Jahren diverse Firmen Kurzarbeit einführten in Industrie, fanden sie fast keine Lehrlinge. Vor zwei Jahren fing die Bankenkrise an mit Entlassungen, da waren bei den Elektronikern fast alle Lehrstellen voll. Jetzt ist es wieder zurückgegangen. Das KV ist wieder interessanter. Industrieberufe haben geregelte Arbeitszeiten, nur bei den Handwerkern gibt es etwa Unterschiede zwischen Sommer und Winter. (GEle16) Was macht man, wenn die Schülerinnen und Schüler nicht motiviert sind? Wenn sie nichts finden, gehen sie weiter in die Schule. Ich sage, sie sollen einen Sprachaufenthalt machen. Der Druck der Eltern auf Lehrpersonen der Sekundarstufe ist gross. Sie wollen eine gute Ausbildung für die Kinder. Diese Lehrpersonen geben nicht gerne schlechte Noten und passen sie an. Es nützt aber nichts. Man darf nicht aus Gefälligkeit zu gute Noten geben. (GKV28) Berufswahl wird vor allem durch das Lustprinzip beeinflusst. Oft haben sie falsche Vorstellungen, sie überschätzen ihre Fähigkeiten und unterschätzen die Konkurrenz. (GKV28) Anspruchslose Berufe wie Plattenleger oder Metzger finden wieder Anklang. Viele Jugendliche wollen gar nichts Anspruchsvolles lernen. Sie wollen sich intellektuell nicht anstrengen. (GAbu04) Der Betrieb ist wichtig, bei dem sie schnuppern. Ihnen gefällt z. B. der lässige Lehrmeister, egal welcher Beruf. Das darf man nicht unterschätzen in

62 120 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 121 diesem Alter. Es ist weniger der Beruf als die Person und das lässige Team ausschlaggebend. Der Lohn steht bei der Wahl der Lehrstelle nicht im Vordergrund. (GAbu04) Die Jugendlichen wollen bei ihren KollegInnen bleiben. Der Standort der Lehrstelle ist für die Jugendlichen wichtig. Sie bleiben gern daheim. Ausser wenn der Berufswunsch stärker ist und in der Nähe nicht realisierbar ist. (GAbu04) Der Standort der Lehrstelle ist auch ein Kriterium. Wenn man von der Peripherie weg geht, will man lieber in die Stadt. (GAbu11) Es gibt auch beliebte Berufe, für die es wenige Lehrstellen gibt, z. B. Polygrafen. Es gibt Berufe, in denen es viele Leute braucht, z. B. Elektroinstallateure. Da gibt es manchmal zwei, manchmal drei Klassen. Ich könnte nicht sagen, dass das Handwerk nicht beliebt ist, die Zahlen stimmen noch. Der Boom vom KV ist vorbei. Es war mal so, dass wenn man nicht wusste, was machen, das KV wählte. (GAbu11) Der Lohn ist bei den Jungen eher zweitrangig. KV ist besser bezahlt als Handwerk und wenn man von den Boni hört bei den Banken... (GEle16) Es gibt zu viele mit KV. Das KV Chur ist ständig am Wachsen, mehr KV, mehr Detailhandel Schülerinnen und Schüler. Viele wählen diese Ausbildung, weil sie sehr breit ist und man sich weiterbilden kann. (GKV28) Das Image der Pflegeberufe ist immer noch gut, doch es ist schwierig, eine Stelle zu finden. Das Pflegepersonal steht sehr unter Stress, weil es zu wenig Personal gibt. Es ist ein Politikum, betrifft nicht nur den Kanton GR. (GGes29) Handwerk Bei den Handwerkern gibt es vielleicht eher einen Mangel als in technischen Berufen. Bau und Gastgewerbe haben nicht so ein hohes Ansehen in unserer Gesellschaft wegen der körperlichen Anstrengung, unregelmässigen Arbeitszeiten und dem niederen Lohn. Auf dem Bau ist es anstrengend, z. B. für Heizungsinstallateure auf Rohbauten stundenlang in der Kälte, das ist heavy. Löhne im Gastgewerbe sind tief, Bau relativ gut. KV wird am häufigsten gewählt. Eine starke Gruppe sind die Elektroinstallateur- Berufe. Informatiker und Zeichner sind auch beliebt. (GChem14) Das Handwerk ist für viele zu streng, es ist weniger gefragt. Es sind viele Lehrstellen da, es wird den Jungen einfach gemacht, aber sie wollen nicht diese Lehrstellen. Die Löhne sind aber nicht schlecht. Es ist sicher gut, dass man schnuppert. (GKV28) Technische Berufe Technische Berufe sind eher anspruchsvoller. Da könnte man noch mehr Jugendliche ausbilden. (GAbu04) Für Polymechaniker und Informatiker hätte es noch Platz, wir hätten gerne mehr Klassen. Es wäre beliebt, aber sie müssen zuerst einen Lehrvertrag bekommen. (GAbu04) Der Mangel an Leuten mit MINT Berufen wirkt sich eher mehr auf Fachhochschulebene aus. Z. B. Informatik gehört zu den Traumberufen und es ist schwierig, eine Lehrstelle zu finden. Zeichner werden auch in einer Doppelklasse geführt, das ist nicht das Problem. Wenige machen weiter oder wechseln mit BM-Abschluss eher in Wirtschaftsfächer, die lukrativer sind. Z. B. sind Wirtschaftsinformatiker besser bezahlt. Manche gehen nach St. Gallen, um zu studieren. Ingenieurwesen und Maschinenbau machen immer Werbung für Fachhochschulen. Ich glaube, auf Berufsebene ist es weniger ein Problem. (GChem14) Ein Potenzial gäbe es sicher bei den Frauen. Die HTW macht spezielle Tage. Frauen trauen sich gemäss einer Studie nicht so, es liegt an der Koedukation. In Frauengruppen hätten sie eher Freude daran. (GChem14) Elektroniker-Lehrlinge kommen vom ganzen Kanton nach Chur. Das Einzugsgebiet ist gross, doch die Anzahl Lernender eher klein. Der Beruf hat seit Jahren mehr Lehrstellen als Interessenten. Auch bei Informatik hat das Interesse in den letzten Jahren nachgelassen, auch in Graubünden. (GEle16) Der Anteil Lehrerinnen in der Primarschule ist gross, entsteht dadurch eher Sympathie zu Sprachfächern? Vielleicht spielt es eine Rolle? (GEle16) Wir haben ein Ingenieurproblem in der Schweiz. Leistungsfähigkeit basiert auf logischem Denken und Mathe, man kann es besser messen. Es setzt Interesse und einen gewissen Biss voraus. Technische Berufe waren lange nicht so populär, weil sie nicht so gut bezahlt waren. Es werden mehr Ingenieure gesucht als Leute mit KV. (GKV28) Neue Berufe Es kamen immer wieder neue Berufe hinzu, z. B. Netzelektriker, Anlage- und Apparatebauer. Vor 4 Jahren kam der Beruf Anlageführer hinzu, nun gibt es immer mehr. Manche sind auf Umwegen in die Klasse gekommen. Einige haben schon eine Lehre abgebrochen oder waren arbeitslos oder irgendwie gescheitert. Andere sind noch nicht lange in der Schweiz. Nur etwa 60 Prozent kommen direkt von der Schule. Dieser Beruf stellt nicht so hohe Anforderungen. Die EMS-Chemie begann mit Lehrstellen, nun auch Heineken und Feldschlösschen, Rhäzünser, Holcim. Viele kommen aus SG,

63 122 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 123 TG. Sie kommen zwölfmal im Jahr vier Tage. Sie wohnen dann im Lehrlingsheim. (GChem14) Ein neuer Beruf bei uns ist Mediamatiker. Bisher mussten die Lehrlinge nach Uzwil in die Berufsschule. Jetzt sind sechs in Chur, das Minimum wären neun bis zehn. Das Interesse ist zunehmend. (GChem14) Die Autoberufe haben sich entwickelt, sind anspruchsvoller geworden. Die Autos sind immer komplexer von der Elektronik her mit Boardcomputer. Es ist schwierig, Leute zu finden, die diesem Stoff gewachsen sind. Jene, die sie gern hätten, gehen z. T. an die Kanti. (GChem14) AGS (Assistentin Gesundheit und Soziales mit Berufsattest zwei Jahre, früher Pflegeassistenz) gibt es erst seit letztem Jahr. Wir haben einen hohen Ausländerinnenanteil, hauptsächlich aus Portugal, Thailand, Spanien, die meisten haben Sprachprobleme. (GGes29) Attest Es kommt immer mehr, dass die Berufe abgestuft werden, man kann Praktiker EBA lernen (früher Anlehre). Mit stufenweiser Führung, Auf- und Abwanderungen, z. B. beim Schreiner. Man kann nachher noch zwei Jahre anhängen und aufsteigen. Elektroinstallateur bzw. Montageelektriker. Sie beginnen mit kleinen Klassen im Herbst, an Weihnachten sind es schon mehr. Polymechaniker haben zwei Niveaus. Es gibt immer mehr neue EBA Ausbildungen, auch bei Informatiker. Es ist im Aufbau. (GChem14) Frauen- und Männerberufe Es gibt keinen Trend, dass Frauen Männerberufe wählen oder umgekehrt. (GAbu04) Bei den Berufswünschen ist bei den Frauen das KV an erster Stelle. Der Markt regelt einiges. Bei den Männern ist der Elektrobereich führend (Netzelektriker, Elektroinstallateur, Elektroniker, Mediamatiker). (GAbu04) Wichtig ist sicher das Umfeld, wo man aufwächst. Welchen Beruf hat der Vater, ist die Mutter berufstätig? Das Rollenbild ist heute anders als vor 20 Jahren. Heute arbeiten die meisten Frauen. (GAbu11) Von den 130 Lernenden, die ich unterrichte, sind weniger als zehn Frauen. Vom Typ her sind es zwei Arten von Frauen: Die einen sind die zurechtgemachten, puppenartigen, die versuchen zu flirten und es etwas schwer haben, die anderen sind Mitmachfrauen, ziemlich taff, die das Gleiche machen, kumpelhaft mit den Männern sind, gut integriert, leistungsmässig mindestens durchschnittlich. Ich schätze sie. Sie werden gleich behandelt. Mit dieser Art kommen sie auch am besten durch, eher als mit dem Miniröckli in der Werkstatt. (GChem14) Bei Berufen mit mehr als drei Frauen sind sie nicht mehr so in der Minderheit und können sich zusammenschliessen, z. B. bei den Zeichnern, dann nehme ich die Klasse als gemischt wahr und es ist sozial angenehm. Einzelne müssen sich eher anpassen. Bei den Drogistinnen ist es umgekehrt, selten ein Mann, auch bei Coiffeusen. In den zehn Jahren hat sich nicht viel verändert. Früher gab es in der 6-semestrigen BM viele Laborantinnen, jetzt weniger. (GChem14) Männerberufe finden bei Frauen wenig Anklang. Frauen in Männerberufen werden manchmal rausgemobbt. (GAbu04) Bei HF und FaGe ist der Männeranteil etwa gleich tief (ca. 10 Prozent), bei AGS gibt es keine. Es hat damit zu tun, dass der Lohn nicht reicht, um eine Familie zu ernähren. Männer haben eher Leitungsfunktionen. (GGes29) Bedeutung der Zeugnisse Zeugnisse sind heute mit dem Niveau-Unterricht schwerer zu verstehen als früher. Verantwortungsvolle Berufsbildende könnten aber lernen, die Zeugnisse zu verstehen. (GAbu04) Es gibt Betriebe, die froh sind, wenn sie einen Lehrling haben, dann interessiert sie das letzte Zeugnis nicht mehr. (GChem14) (GAbu04) Die Lehrbetrieb wissen zum Teil ganz genau, dass ihre Lehrlinge nicht bestehen, aber sie wollen einen billigen Handlanger. (GKV28) Gewisse Betriebe wollen nur sehr gute Leute. Bei beliebten Berufen wählen sie die Besten. (GKV28) Tests (Multi-Check, Basis-Check) Die Tests prüfen Kriterien, die eher auf die Arbeitswelt zugeschnitten sind. (GAbu04) Diese Checks sind zum Geschäft geworden. (GAbu04) Indem man sich auf die Checks vorbereitet, werden die Checks selber ad absurdum geführt. (GAbu04) Mit den Sek-Modellen A B C ist die Einschätzung und Interpretation für den Lehrbetrieb sehr schwierig. Die Lehrpersonen geben verschiedene Noten. Berufsbildende sind ja nicht vom Fach und können das nicht beurteilen. Mit dem Multi-Check ist es für den Berufsbildner einfacher, er kann die Schülerinnen und Schüler auf sein Sachgebiet bezogen einschätzen. (GAbu11)

64 124 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 125 Eine eigene Firma macht die Multi-Checks. Es ist eine Antwort auf die Modelle der Oberstufe, bei denen es für die Berufsbildende schwierig ist, sie zu vergleichen. Es gibt schon Vorbereitungskurse auf den Multi-Check. Es verfälscht das Bild, man kann jeden trainieren. Einerseits hilft es, den Quervergleich zu machen, anderseits ist es nicht so aussagekräftig und der Vorbereitungskurs kostet viel. (GChem14) Ich habe gemischte Gefühle gegenüber den Tests. Einige Betriebe finden sie nicht so wichtig, andere setzen sie voraus. Sie sind gut als zweites Bild neben dem Zeugnis. Das Problem ist, dass die ganze Testerei kommerziell ist und man den Test für Fr. 200 zweimal machen kann und den besseren auswählen kann. Das widerstrebt mir. (GEle16) Die Noten der Sekundarstufe I gelten fast nichts mehr. Die Betriebe wollen die Checks, sie schauen nur noch darauf. Die Bildung ist zum Geschäft geworden. (GKV28) Lehrbetriebe und Berufsbildende Fachlehrpersonen haben naturgemäss mehr Kontakt zu Berufsbildenden als Abu-Lehrpersonen. (GAbu04, GAbu11) Abu-Lehrpersonen sind an gewissen Elternabenden dabei, aber eigentlich haben Eltern in diesem Lebensabschnitt der Jugendlichen keinen grossen Einfluss mehr. (GAbu04) In Krisensituationen können Abu-/Fachlehrpersonen und Berufsbildende oft einiges erreichen. (GAbu04) Kontaktbedarf besteht vor allem, wenn jemand disziplinarisch auffällt. (GAbu11) Man muss Weiterbildungen machen und kann z. B. einen Firmenbesuch anrechnen. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsbildungsverantwortlichen ist wertvoll. Am besten ist es, wenn man schon Kontakt hat, solange es gut geht und wenn es Probleme gibt, kennt man sie bereits. Wenn jemand ein paarmal fehlt, frage ich nach. Es geht einfacher, wenn man sich kennt. Die Lernenden freuen sich, wenn man kommt und zeigen einem den Betrieb. Ich gehe bei jenen, bei denen ich Klassenlehrerin bin. Da finde ich, sollte man den Kontakt pflegen. (GChem14) Beim Betriebsbesuch kann man auch gerade den Jahr-Lehrlingen über die Schulter schauen. Vielleicht haben sie eine Frage zu einer Aufgabe im Betrieb. Berufsbildende können als Experten auch Einfluss nehmen auf den Lehrplan, z. B. wenn eine Klasse schlecht abschliesst, wird diskutiert. (GEle16) Hier gibt es keinen Elternabend. Ich finde es nicht so wichtig, die Lernenden sind eigentlich alt genug. Andere Schulen pflegen intensivere Kontakte mit den Eltern. Der Betrieb ist wichtiger und übernimmt in diesem Alter ein bisschen die Rolle der Eltern. Die Lernenden haben Respekt und wenn der Chef ungenügende Noten unterschreiben muss, nützt es viel mehr, als wenn es der Vater wäre. Bei einigen Betrieben läuft es auch über den Lohn. Für eine gute Note erhalten sie z. B. Fr. 50. (GChem14) Viele Berufsbildende sind Experten. Wenn die Lernenden Projekte im Betrieb für die Lehrabschlussprüfung machen, stellen sie sie dort vor. Meine Lernenden werden nun selber Ausbildner in den Betrieben. Der Kontakt funktioniert und ist Voraussetzung für unsere Aufgabe. (GEle16) Es gibt zwei Arten von Lehrbetrieben: die einen sagen, wenn die Leistung nicht reicht, lösen wir den Vertrag auf, die anderen sagen, er arbeitet gut, wir behalten ihn. Sie wollen eine billige Arbeitskraft. (GAbu11) Die Berufsbildenden machen Kurse, aber sie haben gar nicht immer Zeit für die Betreuung. Die einen machen es seriöser, bei den andern läuft es einfach nebenbei. Job enlargement bezeichne ich als job enrichment. In kleinen und mittleren Betrieben werden die Lehrlinge oft allein gelassen. Sie können niemanden fragen. In anderen werden sie durch die Sekretärin mitbetreut. (GKV28) Ich höre oft, dass sie im Betrieb keine Zeit haben für die Unterstützung der Lernenden. Es gibt aber auch Betriebe, die den Lernenden während der Arbeitszeit Möglichkeiten für schulische Aufgaben geben. Es hängt vom Goodwill des einzelnen Betriebs ab. Es nehmen nicht alle Berufsbildenden den Ausbildungsauftrag gleich intensiv wahr. Wenn es Probleme mit Lernenden gibt, kommt man individuell mit den Berufsbildenden zusammen. Der Kontakt funktioniert gut. (GGes29) Bei den ÜK finde ich es nicht richtig, dass die Lehrbetriebe die Kurse zahlen müssen. Der Lernende kostet sonst schon viel und wenn es wenige sind, steigen die Kurskosten noch mehr. Die ÜK werden zwar subventioniert, aber es reicht nicht. Von diesen Kosten sollten die Betriebe befreit werden. Der Kanton soll zahlen. (GEle16) Berufsschule Eigentlich haben wir hier einen Rückgang der Anzahl Lernender, aber trotzdem steigende Zahlen, weil wir neue Berufe anbieten. Die Berufsschule Chur hat einen guten Ruf. Glarus überlegt, ob sie ihre Lernenden nach Chur schicken sollen. So müssen wir mit der Zeit auch unsere Lernenden nicht mehr nach St. Gallen schicken. Ein gutes Image der Berufsschule ist wichtig, auch die Zusammenarbeit mit Nachbarkantonen. (GEle16)

65 126 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 127 Die Berufsschule ist ein Dienstleistungsbetrieb, Vertragspartner ist das Amt für Berufsbildung, das uns den Auftrag gibt. Die Schule muss sich dem anpassen, was auf dem Markt läuft. (GEle16) Die Berufsverbände und nicht die Fachlehrpersonen bestimmen die Reglemente. Wir können schon fast glücklich sein, wenn wir als Fachlehrpersonen auch eingeladen werden und bei den Lehrplänen mitreden können. Unsere Lernziele sind vom Verband vorgegeben. Die schauen die Schnittstelle gesamtschweizerisch an. Das Berufsreglement gilt etwa 10 Jahre, je nach Beruf. (GEle16) Jeder Beruf hat eigene Lehrmittel vom Berufsverband. Wir haben Methodeund Lehrmittelfreiheit in der Berufsschule. Wir wissen, was es gibt, und wählen aus. Der Lehrplan und die Lernziele sind fest. Ich arbeite auch oft mit Blättern und passe mich an, wenn sie irgendwo Mühe haben. (GChem14) Die Lehrmittel sind nicht vorgeschrieben. Es gibt zwei Varianten, wenn man einen Lehrplan macht: sich an ein Lehrmittel anpassen oder vom inhaltlichen Bereich ausgehen, den der Rahmenlehrplan vorgibt, und ohne Lehrmittel arbeiten, selber etwas zusammenstellen. (GAbu11) Es gibt je nach Beruf das progressive und degressive Modell der Berufsschule, bei denen sie zuerst viel und dann weniger Schule haben oder immer gleich viel oder gegen Schluss mehr Schule. (GChem14) Wöchentlicher Unterricht ist besser, da man auf die nächste Woche Hausaufgaben geben kann und regelmässig dran ist. Wenn sie fast nie im Betrieb sind, haben sie dort keine Freude. (GEle16) Im 1. Lehrjahr haben sie Grundlagen mit Lehrpersonen, die nahe am Fach sind, nicht nahe am Beruf. Wir machen z. B. als Chemiker Versuche, vor denen die Fachlehrpersonen Angst haben, z. B. mit Bunsenbrenner oder mit Säure. Die Lehrlinge haben Freude daran und ich finde es wichtig. Ab dem 2. Lehrjahr unterrichten eher Berufsfachleute. (GChem14) Die längeren (vierjährigen) Ausbildungen sind schulisch eher anspruchsvoller als die dreijährigen. (GAbu04) Die dreijährige Laborantenlehre ist aber eher anspruchsvoller als die vierjährige Schreinerlehre. (GAbu04) In der vierjährigen Ausbildung werden in der Allgemeinbildung 21 Themen behandelt, in der dreijährigen Ausbildung 15 Themen. (GAbu11) In der vierjährigen Ausbildung geht man in gewissen Bereichen tiefer. (GAbu04) Die Anforderungen sind in Abu eher zurückgegangen. Man hat inhaltlich überall abgespeckt, auch bei uns. Die Lehrabschlussprüfungen werden tendenziell anspruchsvoller, weil die Berufe anspruchsvoller werden. (GAbu04) Die Anforderungen in der Elektronik sind in letzten Jahren gesunken. Die Berufsausbildung musste sich anpassen. Die Abschlussprüfung in Fachkunde ist einfacher geworden als vor 10 Jahren. (GEle16) Die durchschnittliche KV Abschlussnote in Chur ist nahe am gesamtschweizerischen Durchschnitt. Es ist nicht alarmierend, aber die Anforderungen werden gesenkt. Man passt sich an. Bei den Lernzielen wird abgespeckt. (GKV28) Im KV sind die verschiedenen Prozesseinheiten sehr kompliziert für den Betrieb. Mit der Reform hat man die Prozesseinheiten reduziert. Man muss weniger Arbeiten machen. Die Betriebe werden entlastet, man hat einen Teil wieder der Schule übergeben. (GKV28) Was wir anbieten für die Grundbildung, sind spezifische Fördermöglichkeiten, z. B. Lerntechnik, Deutsch, Mathe, Englisch auf verschiedenen Niveaus. Sie werden am Schultag im Anschluss an den Unterricht angeboten. (GGes29) Ich bin nicht so von den ÜK überzeugt. In der Schule dürfen wir nur Theorie vermitteln. Wir haben hier Räume mit einer spitalähnlichen Situation mit Betten, doch wir dürfen nicht praktisch üben, das geschieht in den ÜK. Ich wünschte mir, wir könnten hier mehr praktisch arbeiten und Theorie und Praxis verbinden. (GGes29) Stiftung «Die Chance» «Die Chance» unterstützt Lernende, die auf der Kippe sind, bei Hausaufgaben, sie machen Verträge usw. Sie werden eng geführt. Der Ausbildner hat Kontakt mit der beratenden Person von «Die Chance», die den Lernenden betreut. Es ist eine gute Sache. Es wird aber nicht jeder gehätschelt. Manchmal erhalte ich ein mail: abgebrochen. (GChem14) Lehrabbruch Es gibt verschiedene Gründe für einen Abbruch. Die Schule kann niemand entlassen, wir sind nicht Vertragspartner. Es ist nicht immer eine Katastrophe, wenn einer aufhört, manchmal können sie wechseln. Einige hören schnell auf, andere kurz vor Lehrabschluss. Manche kommen nochmals für das letzte Jahr, wenn sie das Qualifikationsverfahren (QV oder LAP) nicht bestanden haben. Eigentlich müsste es Selektionsverfahren heissen. (GChem14) Lehrabschluss Die Abschlussprüfung wird vom Kanton durchgeführt und bezahlt. Die Schule bereitet darauf vor. Einige Prüfungen kommen vom Schweizerischen Berufsverband (Drogisten), andere von den Lehrpersonen (wer lehrt, prüft). Beides hat Vor- und Nachteile. Bei auswärtigen Prüfungen, z. B. für Informatiker oder Laboranten, ist man Coach und unterstützt die Lernenden für die Prüfung. Man weiss erst spät, was kommt. Wenn man die

66 128 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 129 Prüfung selber schreibt, kann man das prüfen, was man unterrichtet hat. Ein Teil der Prüfung ist Allgemeinbildung, überall gleich. Bei unseren Prüfungen arbeite ich auch mit auswärtigen Kollegen zusammen. Lieber habe ich die Prüfungen von aussen. (GChem14) Lehrperson an der Berufsschule Es ist eher anspruchsvoller geworden, Lehrperson an einer Berufsschule zu sein. Es gibt Lehrpersonen, die das sehr gut machen und solche, die dem nicht gewachsen sind. Ein Grund ist, dass in der Ausbildung der Berufsschullehrer an der PH vor allem inhaltlich und planerisch ausbildet, aber für den zwischenmenschlichen Bereich gibt es keine Patentrezepte. Man braucht eine starke Persönlichkeit. (GAbu04) Viele Lehrpersonen brennen nicht aus, weil sie schlecht sind, sondern weil sie sich gut vorbereiten und es zum Teil nicht mehr umsetzen können. Dort liegt das Problem. Die Schulen sind gut, viel besser als früher. (GAbu04) Man muss mit den Jugendlichen umgehen können und sie motivieren können zu lernen und anspruchsvolle Berufe zu wählen. Es ist eine schwierige Aufgabe. Das muss auf jeder Stufe gelingen. Die Schnittstellenproblematik ist nicht so wichtig. (GAbu04) Es wäre gut, wenn die Zusammenarbeit Eltern/Schule schon im Kindergarten kreativ gepflegt würde. Entwicklungspsychologisch hat man an einer Berufsschule kaum Einflussmöglichkeiten. (GAbu04) Die Jugendlichen halten mich selber jung. Ich bin Fan von Jugendlichen. Man muss enthusiastisch sein. Man muss sich für sie begeistern können. Sie spüren es sofort, ob man echt ist und wirklich Freude an ihnen hat. Als Lehrperson muss man aber auch aufzeigen können, dass etwas nicht geht. (EBWS30) Die Abu-Lehrpersonen haben sehr guten Kontakt zu den Fachlehrpersonen innerhalb der GBC. (GAbu11) Von den Fächern und von den Klassen her hat sich in den 10 Jahren immer etwas geändert. Ich habe Freude an Neuem, aber es gibt auch zu tun. (GChem14) In der Pädagogik sind wir in der Berufsschule eher etwas hinten drein. In der Oberstufe haben die Schülerinnen und Schüler mehr Zeit und man muss sie beschäftigen und im letzten Jahr sind sie zum Teil nicht mehr so motiviert. Dort hat man Zeit für neue Lernformen, Projekte, Gruppenarbeiten usw. Bei uns kommen sie nur einen Tag und wir haben Einzellektionen, die wir meistens frontal unterrichten, das ist altmodischer. Wir haben mehr Zeitdruck, da kommt man frontal weiter. (GChem14) Die Klassendynamik hat sich völlig verändert. Es wäre interessant zu wissen, ob es das schon auf der Oberstufe gibt. Andere Lehrpersonen hier bestätigen es. Früher hatten die Klassen zwei bis drei Streber, ein breites Mittelfeld und ein paar Faule drin. Das ging mehr oder weniger reibungslos, das tat gut. Heute ist es so, dass eine Klasse entweder fleissig oder faul ist. Alle sind gleich. Der Peer-Group-Effekt ist gross, sie passen sich alle an. Es kann von einem zum anderen Extrem gehen. Auch in kleinen Klassen ist es immer gleich. Seit fünf bis sechs Jahren. (GEle16) Die Lehrpersonen brauchen Freiräume, um etwas Eigenes, Persönliches einzubringen. Die Identifizierung mit der Schule ist nicht mehr so gross. Es fehlt die Leidenschaft, alles verflacht. Die sozialen Berufe sind prädestiniert zum Ausbrennen. Es sind Leute mit Herz, doch die Strukturen bewirken, dass man verbrennt. Ich möchte in der Weiterbildung ein ganz anderes Fach lernen. Wir haben eine Reformwut und Müdigkeit der Leute. Man lässt sie die Arbeit nicht machen. Man muss Gefässe schaffen, in denen die Lehrpersonen ihre Batterien aufladen können, damit sie sich hineingeben können und Freude haben und die Schülerinnen und Schüler motivieren. In Bern haben sie eine Regulierungswut. Einheitlichkeit schadet mehr, als dass es nützt. Alles soll in ein Raster, in eine Struktur passen. Viele Lehrpersonen riskieren ihren Job, wenn etwas passiert. Sie sagen, was will ich mich aufopfern für die Schüler innen und Schüler? Es ist auch ein Kampf mit den Eltern. Sie gehen lieber an eine Fachhochschule in einem geschützten Umfeld. Es sind Fehlentwicklungen, die schwer zu steuern sind. Lehrpersonen sollen nicht alles akzeptieren. Es wird zu viel gefordert von Seite der Politik, z. B. Italienisch, bringt nichts. Es wird über die Köpfe hinweg entschieden. Ich versuche ethische Aspekte in den Unterricht einzubringen. Ich fordere Leistung und sage es, wenn sie es nicht bringen und sie faul sind. Ich bin authentisch, doch heute will sich fast niemand mehr exponieren. Man soll auch Fehler machen können und dabei etwas lernen, neue Fähigkeiten entdecken. Wir fangen sie ja immer auf. Junge kann man noch eher formen. Es braucht Lehrpersonen mit Vorbildfunktion, die auch anecken, aber auf ihre Art motivieren können. Es gibt eine gewisse Art von Lehrpersonen, die geboren werden müssen. (GKV28) Viele der Lernenden haben traumatische Schulerlebnisse gehabt, nicht unbedingt durch Lehrpersonen. Sie sind z. T. geschlagen worden oder haben Mobbing auf übelste Art erlebt, Schulabbruch usw. Dadurch haben sie wenig Selbstvertrauen, Hemmungen, Ängste. Es ist wichtig, als Lehrperson Vertrauen aufzubauen. Das braucht Zeit und ist der Schlüssel vom Ganzen. Stärken fördern. Es ist mir ein Anliegen, ressourcenorientiert zu arbeiten. Man muss eine klare Linie verfolgen und Grenzen deutlich machen. Pro bleme ansprechen. Bei AGS (Assistentin/Assistent Gesundheit und Soziales) geht es bei kleinen Klassengrössen, in anderen Ausbildungen ist es schwieriger. (GGes29)

67 130 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 131 Niveau/Anforderungen der Berufsschule Theoretisch haben die Lernenden die gleichen Ausbildungen hinter sich, wenn sie zu uns kommen. Faktisch gibt es aber vom Stoff und der Qualität her riesige Unterschiede. (GAbu11) Leute aus den Randregionen bringen eher mehr Basics mit. Sie sind konzentrierter. (GAbu04) Ich habe den Eindruck, dass Schülerinnen und Schüler von kleinen Landschulen oder Gesamtschulen recht gut sind. Wahrscheinlich sind dort die Klassen klein und sie haben engagierte Lehrpersonen. (GChem14) Für den schulischen Bereich fehlen gewisse automatisierte Fähigkeiten, Grundlagen, ohne die es schwierig ist, weiterzulernen. Aber sie haben in schulischen Kompetenzen weniger Routine (Rechnen, Schreiben). (GAbu04) Die Lernenden können nicht mehr so viel. Das Niveau könnte sinken. (GEle16) Eine Abschlussprüfung auf der Oberstufe wäre eher eine Alibiübung, wenn man die Lehrstelle schon hat. (GChem14) Die Leistungsfähigkeit hat in den letzten Jahren deutlich nachgelassen. Man kann der Oberstufe keinen Vorwurf machen, in der Real haben sie weniger Stoff in Mathe. Die guten Schülerinnen und Schüler gehen ans Gymnasium. Dort nehmen sie auch etwas weniger gute Schülerinnen und Schüler, auch wenn sie sagen, es stimme nicht. Heute können sogar Leute aus der Realschule ein E-Profil machen. Das hat mit dem Rückgang der Anzahl Lernenden zu tun. Die Berufsschule hat nichts zu sagen. Neu hat aber eine Reform stattgefunden, dass die Schule einen Schüler oder eine Schülerin vom E-Profil ins B-Profil zurücksetzen kann. (GKV28) Wir sind beim BGR dran, mit der Oberstufe zusammenzuarbeiten. Im April 2013 an der GV beschlossen wir, den Kontakt zur Sek I zu fördern. Der Übertritt ist mehr auf das Gymnasium ausgerichtet, dabei kommen 60 Prozent zu uns. Nur 20 Prozent gehen ans Gymnasium. Der grösste Teil müsste auf die Lehre oder KV vorbereitet werden. Da sind wir dran, das zu verbessern. Wichtig ist die Kommunikation bei der Schnittstelle SekI Sek II, das sind wir am Aufbauen. Wir möchten, dass wir vom Verband bei wichtigen Entscheidungen eingebunden werden. Es sollten neben den Schulen auch die Lehrbetriebe beteiligt sein. (GAbu11) Sprachkompetenz Die Muttersprache ist ein grosses Problem, das Formale, der Wortschatz, der Stil. Die Jugendlichen lesen kaum mehr Bücher. Die Sprachkompetenz hat gegenüber früher stark nachgelassen. (GAbu04, GAbu11) Mit den neuen Medien schreiben sie kaum noch zusammenhängende Texte. (GAbu11) Und wenn sie etwa schreiben, dann in Dialekt. (GAbu11) Die Sprachschwäche ist eine Zeiterscheinung. Ob es mit dem Lesen zusammenhängt, weiss ich nicht, vieles läuft unbewusst, es hat mehr mit dem Lernen wollen zu tun. (GAbu11) Heute lernt man in der Volksschule drei Fremdsprachen und hat dabei zu wenig Zeit für die Muttersprache. (GAbu04) Für die sprachlich Schwachen führen wir eine Integrationsklasse, die meist von Lernenden mit Migrationshintergrund besucht wird. (GAbu11) Nach unserem Deutsch-Test am Anfang der Ausbildung können die Lernenden einen Deutsch-Intensivkurs in einer speziellen Abu-Klasse besuchen. (GAbu04) Die grosse Masse, die im Deutsch-Test schlecht abschneidet, wird an unser Trainingsmodul verwiesen. Der Kurs ist freiwillig und wird schwach besucht. Das hängt aber auch damit zusammen, dass der Kurs am Samstag Morgen in Chur stattfindet, für Auswärtige ist das nicht so attraktiv. (GAbu04, GAbu11) Wir testen nicht Grammatikkenntnisse, sondern ob jemand in der Lage ist, sich korrekt auszudrücken. (GAbu11) Das wird auch so in der Abschlussprüfung verlangt. Das Schriftbild ist massiv schlechter geworden. (GAbu04) Schwierigkeiten gibt es vor allem bei der Sprache. Lesen und Schreiben. Es gibt solche, die noch nie ein Buch gelesen haben. Manchmal lasse ich sie auch laut vorlesen aus dem Lehrmittel. Ich arbeite viel mit Texten und Fragen dazu. Das sprachliche Verständnis fehlt oft. Sie lesen nicht richtig und haben Mühe mit Schachtelsätzen. Beim Qualifikationsverfahren gibt es einleitende Aufgabenstellungen, die sie oft nicht verstehen. Auch der schriftliche Ausdruck lässt zu wünschen übrig, von der Orthographie nicht zu reden. Es gibt Prüfungen, die nicht korrigierbar sind. Es ist schon seit längerem so und ich sehe keine Besserung. (GGes29) Mathematik Es gibt Unterschiede und die Schülerinnen und Schüler sind auch verschieden in der Real oder Sek. Die Schülerinnen und Schüler sind relativ gut im Tabellenrechnen, aber den Dreisatz können sie nur dürftig. Bei den schwächeren Klassen muss man in Mathe ziemlich tief anfangen, es gibt eine Schnellbleiche, zügig voran. (GChem14) Obwohl sie im Lehrmittel komplexe Aufgaben haben, gehen wir zurück ins Detail. Man muss wieder nach alter Schule Rechnungen lösen, Dreisätze

68 132 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 133 üben usw. und etwas durchziehen. Sie lernen das mathematische Handwerk, das auf der Oberstufe z. T. vernachlässigt wird, weil man vielleicht lässige interdisziplinäre Sachen macht. (GChem14) Ich sehe, dass für einfache Formelumstellungen immer mehr Zeit gebraucht wird. Mathe hat nachgelassen. Zusammengesetzte Formeln und Gleichungen waren früher kein Thema, heute schwierig. Es braucht dazu ein gewisses Feeling, Vorstellungsvermögen. (GEle16) Die Lehrmittel können unterschiedlich sein. In Mathe werden Grundlagen repetiert. Der Fachunterricht ist für alle neu. Am Anfang müssen sie Formeln beigen, umstellen. Ich merke, dass in Mathe die Kompetenz vor einigen Jahren grösser war. Sie sind etwas schwächer geworden. Ich weiss nicht, ob es am Matheunterricht, an der Demografie oder an der Klasse liegt. (GEle16) Das Verhältnis von Deziliter zu Liter auszurechnen ist schon schwierig. Sie sind gut im erfolgreich vergessen, was sie in der Mathe gehabt haben. (GGes29) Die Schülerinnen und Schüler sind heute gut, wenn es darum geht, einen Bericht zu schreiben. Ich staune darüber, aber beim Experiment haben sie Mühe. Früher war es umgekehrt. Experimentieren, probieren machten sie gern, aber nicht schreiben. Es geht heute Richtung offene Lernformen, bei denen sie Abschlussberichte schreiben müssen. Auch Recherchieren im Internet machen sie gerne, aber das Handwerkliche weniger. (GEle16) Das analytische Denken ist nicht mehr da und auch nicht interessant, es ist mühsam. In der Regel sind die Frauen besser, sie sind fleissiger. An der Kanti wählen die schwächeren Schülerinnen und Schüler eher die weicheren Fächer. (GKV28) Lehrpläne Die Lehrpläne der Oberstufe sind das eine, die Umsetzung das andere. Meine Erkenntnis ist, dass es im tieferen Niveau schwierig ist, die Lehrpläne umzusetzen. Es wäre alles drin, was wir an der Berufsschule brauchen. Ich kenne die Lehrpläne der Oberstufe sehr gut. (GAbu04) Die Lehrmittel der Oberstufe kenne ich nicht gut, das ist eine Lücke. Ich habe das so nebenbei erfahren. Die Lehrmittel der Oberstufe für uns wären nur nützlich, wenn sie einheitlich verwendet würden. (GChem14) Oberstufen-Lehrpläne sind kantonal geregelt, sie sind mir nicht bekannt. Es ist im Interesse der Kantone, dass sie einigermassen gleich sind. Mit der heutigen Mobilität ist es wichtig. In Graubünden haben wir schon genug Probleme mit dem Extrazug Italienisch als erste Fremdsprache. (GEle16) Ich finde es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler auf der Oberstufe das Handwerk lernen. Sie müssen konzentriert arbeiten und etwas ernsthaft durchziehen können. (GChem14) Interesse an Technik Man merkt die Interessen der Oberstufenlehrpersonen, wir haben seit ein paar Jahren sehr gute Schülerinnen und Schüler aus einer Gemeinde. Sie hatten einen Sekundarlehrer, der immer elektronische Experimente mit ihnen machte und ihr Interesse weckte. (GEle16) Naturwissenschaftliche Fächer kommen bereits in der Primarschule zu kurz. Das spielerische Experimentieren wäre wichtig, sollte man fördern. Früher bastelten die Elektroniker daneben, hatten zuhause einen Lötkolben, bauten Schaltungen zusammen usw., heute fast nicht mehr. Neben dem Betrieb machen sie zuhause nichts Praktisches mehr. Seit es Computer gibt, macht man weniger Experimente. Wenn wir Versuche machen, gehen sie relativ hilflos heran. In der Primarschule könnte man mehr Experimente machen, das wäre interessant, denn zu Hause geht es verloren. (GEle16) Da sehe ich eher die Schnittstelle, dass man das Interesse an Technik weckt und Experimente macht, als dass man die späteren Lehrpläne kennt. (GEle16) Berufsmaturität Bei Elektronikern sind 70 Prozent in der BMS, allerdings fallen immer einige heraus. In einigen Berufen haben die Lehrlinge die gleichen Fächer in der BM und in der Berufskunde auch noch. Ich versuche, nicht genau den gleichen Stoff zu vermitteln. In gewissen Berufen mit BM sind sie 2,5 Tage in der Schule (Zeichner und Laboranten). (GChem14) Die BM ist theoretisch in jedem Beruf möglich. Es gibt heute mehr Lernende, die die BM wieder abbrechen, als früher. Sie schaffen die Promotion nicht (Note 4). Wenn sie abbrechen, müssen sie in ABU einsteigen. (GEle16) Die Quote der BM ist bei uns noch zu tief. Es gibt einen Trend, die BM nach der Lehre zu machen. Das Ziel ist: 20 Prozent mit BM. (GAbu04) Mit BM ist der Lernende vielleicht im Betrieb nicht rentabel, meinen diese, aber langfristig brauchen sie doch gute Leute, damit sie ihre Kunden behalten. (GEle16) Es gibt gute Leute im E-Profil, die die das M-Profil machen könnten, doch die Betriebe wollen es nicht, weil sie dann einen halben Tag mehr weg sind. Theoretisch könnten sie auch im Detailhandel während der Lehre die BM machen. Die Betriebe sollten die Perspektive der Lernenden berücksichtigen

69 134 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 135 und nicht ihr eigene. Einige Betriebe können sich nicht organisieren, wenn die Lernenden zu viel weg sind. (GKV28) Gute Sek-Schülerinnen und -Schüler im KV machen die BM in der Regel während der Lehre. Da gibt es eine Aufnahmeprüfung und immer wieder Prüfungen. Nur die Guten schaffen das M-Profil bis ins 3. Jahr. In den internationalen Sprachdiplomen haben sie eine hohe Bestehensrate, 98 Prozent. Bei der BM 2 nach der Lehre (mit EFZ ohne Aufnahmeprüfung) bestehen 50 Prozent die Internationalen Diplome nicht. In den Sprachen haben sie Lücken. An den Fachhochschulen haben sie in Mathe Probleme. An der BM wird deswegen nun mehr Mathe unterrichtet. Die BM 2 ist billiger geworden. Der Kanton zahlt daran, die Schülerinnen und Schüler zahlen nur die Aufnahmegebühr. Es gibt keine Aufnahmeprüfung. Nur motivierte Schülerinnen und Schüler sollten weiter machen. Ich wäre für Minimalnoten. (GKV28) Weiterbildung Es braucht nicht nur Durchhaltewillen, um eine höhere Fachschule zu machen, sondern auch Geld. Die Ausbildung in einer Fachschule kostet die Studierenden wesentlich mehr, als wenn sie eine Fachhochschule besuchen. (GAbu04, Gele16, GChem14, GKV28) Bei den Elektronikern bleiben wenige im Beruf. Viele machen etwas Berufsfremdes wie das Technikum, Bauer, Gärtner, Lehrer usw. Heute ist es üblich, mehrere Berufe zu lernen. Hauptsache ist der Abschluss. Firmen sind sich gewohnt, dass die Elektroniker das Tech machen. Das ist auch gut. Bei hochtechnischen Berufen reicht die Lehre nicht aus, man macht noch eine Fachhochschule. (GEle16) In technischen Berufen ist der Andrang an die Fachhochschulen nicht so gross. (GChem14) Duales Bildungssystem Das duale System ist sehr gut, es ist ein Grund, warum die Schweiz so reich ist. Unser Anteil Akademiker (20 30 Prozent) reicht aus. Damit sind alle arbeitsmarktfähig. Die Arbeitslosigkeit ist gering. Mit der Lehre findet man eine Stelle und kann sich auch weiterbilden. Am System würde ich nichts ändern. (GAbu04) Das duale System ist gut, es ist praxisbezogen. Es fehlt an der Lobby. Die meisten Nationalräte sind Akademiker, deshalb fliesst wenig Geld in die Berufsbildung. (GChem14) Man spricht vom dualen System, aber eigentlich ist es ein triales Bildungssystem mit den überbetrieblichen Kursen, die ausgebaut worden sind. Dort unterrichten andere Lehrpersonen, mit denen wir Kontakt haben, oft Berufsbildende. Das duale System ist genial für die Schweiz. In anderen Ländern hat es aber nicht so Erfolg, weil es wachsen muss. Man kann es nicht einfach übernehmen. In Kantonen mit vielen Gymnasialabgängern ist die Jugendarbeitslosigkeit grösser. TI und GE. Die Durchlässigkeit müsste noch mehr in die Köpfe der Leute. Mit der Kanti hat man noch nichts. (GEle16) Das duale Bildungssystem ist super. Die Verlängerung der Schule führt zu einer Verteuerung der Schulbildung. Die Schweiz erlebt langsam auch eine Verschulung wie in anderen Ländern. Dies führt zu einer Akademisierung des Bildungswesens. Die Fachhochschulen haben kein Interesse, dies zu verhindern. Man müsste auch andere Perspektiven haben in anderen Bereichen, z. B. in der Forschung. Das Bildungssystem ist ständig im Wandel. Das bewirkt, dass die Lehrperson ihre Arbeit nicht mehr in Ruhe machen kann und die Schülerinnen und Schüler nicht mehr den Durchblick haben. (GKV28) Es ist immer die Frage, ob die Lehrlinge möglichst wirtschaftstauglich werden sollen oder ob man auch in ihrem Interesse handeln soll, um sie zu glücklichen, lebenstüchtigen Menschen zu machen, die offen sind für Neues. Es gibt auch wichtige Dinge der Allgemeinbildung wie Geschichte und Kunst, die im Beruf vielleicht nicht viel bringen. Die Lehrpläne sind ein politischer Entscheid. (GChem14) Image der Berufslehre Tendenziell wird eher mehr Geld für die akademische Berufsbildung ausgegeben. Gute Handwerker sind sehr gefragt, aber relativ schlecht bezahlt. Es darf nicht sein, dass jemand mit einer anspruchsvollen Lehre zu wenig Geld hat, um eine Familie durchzubringen. (GAbu04) Die Schülerzahl in den Gymnasien schrumpft nicht, obwohl die demografische Entwicklung das erwarten liesse. (GAbu04) Berufsbildung hat heute einen anderen Stellenwert als vor einer Generation. Früher hiess es immer: Du musst die Kanti machen. Heute ist die Berufslehre akzeptierter in der Gesellschaft. Man hat auch mehr Möglichkeiten. Langfristig gesehen ist es die bessere Variante mit Praxisbezug. Das Image wird sich über die Generationen bessern. (GAbu11) Die Schwachen, die in die Mittelschulen gehen, wären bei uns die Guten, die fehlen. Aus diesem Grund müssen die Betriebe auch schwächere Schülerin-

70 136 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 137 nen und Schüler nehmen. Damit sinkt das Niveau auf allen Seiten. Es wäre ein Fehler, wenn man die Anforderungen nach unten anpassen würde. (GAbu11) Es gibt solche, die sagen, am Bahnhof gehen die Gescheiten nach rechts (Kanti) und die Dummen nach links (Berufsschule). Besonders Immigranten muss man erklären, dass die Berufsschule in der Schweiz eine hochstehende Ausbildung ermöglicht. Sie haben solche Vorstellungen. Wir befürchten, dass in der Kanti die Klassengrössen konstant bleiben und es dadurch weniger Lehrlinge gibt. Dann würde das Niveau bei beiden sinken. (GChem14) Das Image der Lehre ist eher ein Problem der Eltern als der Jungen. Diese sind recht offen, wirklich interessiert. Schulabbrecherinnen und -abbrecher von der Kanti habe ich gerne. Sie fordern die anderen Schülerinnen und Schüler, tun gut, regen die anderen an. (GEle16) Heutige Jugendliche Motivation Die Jugendlichen kommen in jeder Generation etwas anders daher. Es ist sehr wichtig, die Eltern schon weit unten in die Schulkarriere ihrer Kinder einzuspannen. Die Primarlehrpersonen und besser schon die Kindergärtnerinnen sollten mit den Eltern einen guten Kontakt haben und auch einen pädagogischen Auftrag erfüllen, indem sie bei der Erziehung Hilfe geben. Die Grundkompetenzen müssen schon früh vorhanden sein: eine Motivation zu haben und sich zu konzentrieren. Die Motivation für den Schulstoff ist gesunken. Das wäre das Wichtigste. Entwicklungspsychologisch haben wir an der Berufsschule fast keinen Einfluss mehr. (GAbu04) Die Haltung bei der Prüfung ist so: wenn der Klassenschnitt eine 4 ist, ist jener mit einer 3.5 zufrieden, da es noch andere mit einer 3 gibt. Diese Einstellung ist schwer zu durchbrechen. Sie denken, der Massstab der Lehrperson sei falsch. (GEle16) Neue Medien Der digitale Medienkonsum ist schlecht für das Lernen. Es hat besonders Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit, die eine wichtige Voraussetzung für gutes Lernen ist. Viele haben Mühe, sich länger als 10 Minuten zu konzentrieren. (Gabu04) Eine sinnvolle Nutzung des Computers ist nötig. Bei schriftlichen Prüfungen kopieren sie etwas aus dem Internet. Quellen sind nur Google und Wikipedia. Es ist eine ständige Reizüberflutung vorhanden. Es gibt keine Pause ohne Handy. (GGes29) Früher war der Unterricht für die Lernenden eine Abwechslung, etwas Spannendes. Heute ist er langweilig, weil man alles googeln kann. (GAbu04) Jugendliche verarmen durch die neuen Medien. Sie sollten kritisch sein, sich fragen, wer was und wieso sagt. Die Ablenkung ist gewaltig. Sie können nicht mehr konzentriert an etwas arbeiten. Es wäre wichtig «social-media-freie» Zonen zu schaffen. Die Jugendlichen sollten darin wieder mehr Möglichkeiten haben, um sich neu zu erfinden, sich anders zu erleben. Sie geben zu schnell auf, haben keine Ausdauer. In gewissen Bereichen muten sie sich zu viel zu, überschätzen sich und in anderen Fächern unterschätzen sie sich. (GKV28) Was auch vielen schwerfällt, ist das Strukturieren oder auch die Lerntechnik. Alle suchen bei Recherchen zuerst im Internet. Das Lehrmittel vergessen sie. Sie können die Resultate, die sie finden, auch nicht kritisch beurteilen. Im Buch finden sie ohne Hilfe nichts. Da gibt es Defizite. (GGes29) Ausdauer Was wir und die Berufsbildenden immer wieder bemängeln, ist der mangelnde Durchhaltewille, Dranbleiben können, etwas fertig machen. Neurobiologisch betrachtet muss man 5-mal repetieren bis ein Stoff sitzt. Für die Jugendlichen ist das langweilig. (GAbu04) Viele Berufsbildende sagen, die Lernenden seien weniger selbständig als früher. Sie können heute mit dem Handy ständig im Geschäft anrufen. (GAbu04) Man ist es sich in der heutigen Gesellschaft nicht mehr gewohnt, dass man sich anstrengen muss. Der Wertewandel hat dazu geführt, dass das iphone wichtiger ist als die Fähigkeit, zwei Stunden zu wandern. Das ist aber nicht der Fehler der Jugendlichen. (GAbu04) Neue Kompetenzen Die Summe der Kompetenzen ist gleich geblieben oder gewachsen. Aber es sind heute nicht mehr nur schulische, sondern individuelle Kompetenzen. Jugendliche entwickeln Webseiten, tanzen Hip-hop, organisieren Partys etc. Es sind erstaunliche Sachen, die ich genial finde. (GAbu04) Es wächst eine Generation von Schülerinnen und Schülern heran, die andere Fähigkeiten haben als unsere Lernziele vorsehen, aber das Wissen ist immer noch gefragt, die Anforderungen sind da. (GKV28) Jugendliche mit Migrationshintergrund In allen Klassen, die ich habe, sind die Ausländer sprachlich die Besten, machen am wenigsten Fehler, weil sie es gelernt haben. Sie wissen, sie wollen in der Schweiz einen guten Beruf lernen, also müssen sie gut Deutsch können. Sie sind motiviert und wissen, dass es darauf ankommt. (GAbu04) Leute mit Migrationshintergrund sind sehr sympathisch, sie sind fleissig, aber sie haben es nicht so einfach, weil einige schulisch Mühe haben, aber sie sind

71 138 B Qualitativer Teil mit Interviews 4. Interviews mit Lehrpersonen der Berufsschulen 139 motivierter, williger, aber nicht unbedingt fähiger. Ich habe mit ihnen weniger Schwierigkeiten, sie wissen, dass sie sich engagieren müssen. (GKV28) Romanischsprachige sind in der deutschen Sprachkompetenz etwa gleich weit wie die Portugiesinnen oder Spanierinnen. (GGes29) Situation in Graubünden Die Lernenden der GBC stammen aus den Kantonen GR, GL, SG und FL. (GAbu04, GAbu11) Die Lehrlinge aus dem Engadin müssen in fast allen Berufen weit zur Berufsschule reisen. In Samedan gibt es nur eine Berufsschule für Schreiner und Elektriker, praktisch alle kommen nach Chur. Einmal wurde versuchsweise das 1. Lehrjahr der Elektroniker in Samedan angeboten, zusammen mit den Elektrikern, doch es klappte nicht. Die Elektroniker waren zwar gut, kamen aber doch nicht so weit wie hier. (GEle16) In GR gibt es bei den Elektronikern seit 10 Jahren mehr Angebot als Nachfrage. Einige Lernende kamen sogar aus dem Unterland nach GR. Es hängt mit den Betrieben zusammen, die es hier gibt, weil wir ein Nischenmarkt sind. Nach der Ausbildung gehen viele ins Unterland, besonders in technischen Berufen. Dort ist es attraktiver für Elektroniker und Elektroingenieure. Wir haben immer weniger Lehrlinge. GR hat einen kleinen Ausländeranteil. Man muss nehmen, was kommt. (GEle16) In GR spürt man die ländlichen Sozialstrukturen. Sie sind heiler als an anderen Orten mit Grossstädten. Viele gehen nach der Ausbildung weg. Je höher die Ausbildung, desto eher geht man weg. Bei den Anfängern merkt man Unterschiede zwischen jenen vom Land und jenen aus den Städten und vom Rheintal. Diese sind selbstsicherer und frecher, lockerer, aber immer noch auf einem sympathischen Niveau, nicht vergleichbar mit den Grossstädten. (GKV28) In Chur sind wir privilegiert, da merkt man, dass wir eine Randregion sind und viele Jugendliche noch sehr gesellschaftstauglich sind. Hier hatte ich noch nie eine Klasse, die mich als Lehrperson angegriffen hätte, die destruktiv gewesen wäre. (GAbu04) sich nicht so stark, auch sprachlich bedingt. Die Engadiner sind auch eher zusammen. (GKV28) Rätoromanen haben die Variante der Berufsschule in Ilanz, wo sie Abu absolvieren können. Für Italienischsprachige haben wir keine Auswahlmöglichkeit. (GAbu11) Die Berufsschulen in den Aussenstellen in den Regionen haben Mühe, zu bestehen, z. B. Ilanz. Es gibt eine Konzentration in Chur. Man hat aber in kleinräumigen Strukturen mehr Möglichkeiten, die Schülerinnen und Schüler gezielter zu motivieren, an Orten wo man sich kennt. (GKV28) Die Aussenstellen der Berufsschule sind klein, man kann sie fast vergessen. Sie haben wenig Schülerinnen und Schüler. Ich weiss nicht, wie lange sie noch vom Kanton getragen werden. Die Infrastruktur ist teuer. (GAbu04) Das Romanische merkt man ein bisschen, es spielt etwa dann eine Rolle wenn die Lernenden einen Vortrag halten müssen. (GEle16) Es wird viel diskutiert, auch über die Sprachen. Leute aus dem Appenzell und SG konnten früher Französisch nehmen, jetzt müssen sie hier Italienisch lernen. Der Abschluss soll aber doch wieder für alle gleich sein. (GChem14) Im Unterricht müssen wir eigentlich Schriftsprache reden. Ich habe aber gemerkt, dass dann gar nichts mehr kommt. Die Hemmschwelle ist gross, vor allem bei den Rätoromanen. Ich sage, sie sollen es versuchen und sonst reden sie eben Dialekt. Das hat sich bewährt. (GGes29) Chur ist in den meisten Berufen der einzige Ausbildungsort. Der Weg ist weit. Die Lernenden müssen z. T. ein Zimmer nehmen. Wir bieten Plätze in einem Schülerwohnheim an, aber nicht genug. (GGes29) Die Engadiner übernachten zum Teil im Lehrlingsheim, jene aus den Südtälern im Engadin. (GEle16) Aus dem Engadin gibt es weniger Leute im KV, da sie nach Samedan gehen können. Hier kommen viele aus der Surselva (für das M-Profil), sonst gehen sie nach Ilanz, wo es aber immer weniger Schülerinnen und Schüler gibt. Nach der Lehre mit E-Profil kommen sie zum M-Profil nach Chur. Die Oberländer sind fleissiger und haben einen stärkeren Zusammenhalt, sie werden von den Churern abgewertet. Sie kapseln sich etwas ab, integrieren

72 140 B Qualitativer Teil mit Interviews 4.2 Zusammenfassung Interviews Lehrpersonen Berufsschulen Zusammenfassung Interviews Lehrpersonen Berufsschulen Demografische Entwicklung Sinkende Schülerzahlen führen in den Berufsschulen zu einem Kampf um die Schülerinnen und Schüler. Die Gesamtschülerzahl der GBC wird durch ein erweitertes Angebot an Berufen konstant gehalten. Im Fachunterricht ist es schwierig, Klassen zu füllen. Die Berufsschulen in den Regionen sind gefährdet. Es fehlen die guten Lernenden, die guten Schülerinnen und Schüler gehen ans Gymnasium. Mit einem guten Oberstufenzeugnis ist man auf dem Lehrstellenmarkt begehrt. Die Anmeldungen für die BMS sind rückläufig. Die demografische Entwicklung wird sich auch auf die Fachhochschulen auswirken. Berufswahl Berufsmessen sind gut, aber man kann nicht alle Berufe gleich gut vermitteln. Dienstleister können sich schlecht präsentieren. Lehrverträge werden (zu) früh abgeschlossen, Rosinen herausgepickt. Die Jugendlichen haben zu wenig Zeit, um sich umzusehen. Bei der Berufswahl ist das Schnuppern wichtig. Der Standort der Lehrstelle und die Person der Berufsbildenden sowie die Atmosphäre am Arbeitsplatz spielen eine grosse Rolle. Der Lohn ist zweitrangig. Der Einfluss der Eltern und der Rollenbilder sind nicht zu unterschätzen. In manchen beliebten Berufen gibt es zu wenige Lehrstellen (Polygraf, Informatiker, Pflege). Das Handwerk ist weniger gefragt wegen mangelnden Ansehens, körperlicher Anstrengung und niedrige Lohns. Technische Berufe sind anspruchsvoll. Dafür gäbe es auch ein Potenzial bei Frauen. Der Mangel an Personen mit technischer Ausbildung ist auch bei den Fachhochschulen spürbar. Gewisse neue Berufe wie Anlageführer, Netz elektriker sind noch zu wenig bekannt. Es gibt bei den Berufen immer mehr Abstufungen in verschiedene Niveaus. Es werden eher traditionelle Männer- bzw. Frauenberufe gewählt. Tests wie Multi-Check oder Basis-Check erleichtern den Betrieben den Vergleich. Es wird aber ein Geschäft daraus gemacht und die Zeugnisnoten der Sekundarstufe I werden abgewertet. Betriebe/Berufsbildende Besuche im Lehrbetrieb und die Pflege der Kontakte mit den Berufsbildenden sind wertvoll. Es gibt Betriebe, die Lernende mit ungenügenden Leistungen als billige Arbeitskraft behalten. Besonders in kleineren Betrieben haben nicht alle Berufsbildenden genügend Zeit für die Betreuung der Lernenden. Nicht alle erfüllen den Ausbildungsauftrag gleich seriös. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsschullehrpersonen: Die Betriebe sollten Interesse an gutem Nachwuchs haben und die BM ermöglichen. Berufsschule Lehrplan und Lernziele sind in der GBC vorgegeben, die Lehrmittel können frei gewählt werden. Die Anforderungen sind tendenziell gesunken, bei den Abschlussprüfungen ist es unterschiedlich, je nach Beruf. Lehrpersonen brauchen eine starke Persönlichkeit und müssen mit Jugendlichen umgehen können. Dies kann man in der Ausbildung zum Berufsschullehrer an der PH nur begrenzt lernen. Es braucht Lehrerpersönlichkeiten mit Vorbildfunktion. Es ist wichtig, Vertrauen zu den Jugendlichen aufzubauen. Der Peer-Group-Effekt, dass sich alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse einander anpassen, ist heute gross. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsschullehrpersonen: Ein gutes Image der Berufsschule ist wichtig, auch die Zusammenarbeit mit Nachbarkantonen. Ein Problem für GR ist, dass der Kanton als einziger Italienisch als Frühfremd sprache hat und das auch in der BMS durchzieht. Niveau/Anforderungen der Berufsschule Bei Lehrbeginn gibt es grosse Unterschiede in der Qualität der Vorbildung. Schülerinnen und Schüler aus Randregionen mit kleinen Klassen bringen eher mehr Basiswissen mit. Die Leistungsfähigkeit hat nachgelassen. Gewisse Grundlagen fehlen, um darauf aufzubauen. Durch das grosse Lehrstellenangebot sinkt die Motivation, sich speziell einzusetzen. Frauen sind im Allgemeinen fleissiger als Männer.

73 142 B Qualitativer Teil mit Interviews 4.2 Zusammenfassung Interviews Lehrpersonen Berufsschulen 143 Die Sprachkompetenz hat nachgelassen. Mit den neuen Medien wird in Kurzform und in Dialekt kommuniziert. Das Textverständnis, der schriftliche Ausdruck und Orthographie sind mangelhaft. Das mathematische Grundwissen wie Dreisatzrechnen, Anwenden von Formeln und Gleichungen wird zu wenig beherrscht. Es fehlt das analytische Denken. Es ist weniger Interesse am Werken und Experimentieren vorhanden. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsschullehrpersonen: Die Fähigkeit zur Motivation und Konzentration sollte schon früh von den Eltern und in der Grundschule gefördert werden. Auf der Oberstufe soll nicht nur der Übertritt aufs Gymnasium, sondern auch der Übergang zur Lehre und KV vorbereitet werden. Die Lehrpläne der Oberstufe sind den Berufsschullehrpersonen nur zum Teil bekannt. Lehrpläne sollten auch auf dem tieferen Niveau besser umgesetzt werden. Mit einheitlich verwendeten Lehrmitteln wäre es einfacher. Die Kommunikation zwischen Sek I und Sek II sollte verbessert werden (Oberstufe, BGR, Lehrbetriebe). Die Fachlehrpersonen wollen bei der Gestaltung der Lehrpläne durch die Berufsverbände mehr mitreden. Die Schülerinnen und Schüler sollten das Basiswissen lernen und eine Aufgabe durchziehen können. Engagierte Lehrpersonen können und sollten z. B. mit spielerischen Experimenten das Interesse an Technik und Naturwissenschaften fördern. Berufsmaturität und Weiterbildung Heute brechen mehr Lernende die BM ab als früher. Es gibt einen Trend, die BM 2 nach der Lehre zu machen. Manche Betriebe schätzen es nicht, wenn die Lernenden wegen der BM mehr Schule haben. Das Abschlussniveau der BM 1 mit Aufnahmeprüfung ist höher als jenes nach der BM 2. Duales Bildungssystem/Image der Berufslehre Das System ist gut. Die grosse Durchlässigkeit sollte bekannter werden. Es fehlt an einer politischen Lobby, damit mehr Geld in die Berufsbildung fliessen kann. Das Image der Berufslehre bessert sich allmählich in der Gesellschaft. Zu viele Schülerinnen und Schüler gehen ins Gymnasium, so dass die Betriebe schwächere Lernende nehmen müssen. Das Niveau könnte auf beiden Seiten sinken. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Berufsschullehrpersonen: Handwerkerinnen und Handwerker sollten mehr verdienen, so dass die mit ihrem Lohn eine Familie ernähren können. Heutige Jugendliche Die Motivation für den Schulstoff und Ausdauer beim Lernen fehlen oft. Eine Reizüberflutung durch neue Medien behindert die Fähigkeit, sich zu konzentrieren. Jugendliche haben heute viele individuelle, nicht schulische Kompetenzen ausserhalb der Lernziele. Gut integrierte Lernende mit Migrationshintergrund sind meist motiviert und fleissig und sprachlich auf ähnlichem Niveau wie die anderen Jugendlichen. Situation in Graubünden Der Weg zur Berufsschule ist oft weit. Die Aussenstellen der Berufsschulen sind gefährdet. Besonders in technischen Berufen ist die Abwanderung nach der Lehre gross. Die Jugendlichen aus ländlichen Regionen und mit rätoromanischer bzw. italienischer Muttersprache unterscheiden sich im Verhalten von jenen aus Städten und dem Rheintal. Nach dem Lehrabschluss arbeiten viele in einem anderen Beruf oder bilden sich weiter. Im Gegensatz zu Fachhochschulen kosten höhere Fachschulen viel und sind teurer als ein Studium.

74 5. Interviews mit Lernenden Interviews mit Lernenden 5.1. Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen Befragt wurden 4 Lernende in den Berufen Chemielaborant/in, Informatiker/in, KV und Polygraf/in. Sie stammen aus Chur, Igis und Felsberg und besuchten die Real- oder Sekundarschule und einer nach dem Abbruch des Gymnasiums die Berufswahlschule. Berufswahlkunde auf der Oberstufe Die Berufswahlvorbereitung hängt von den Lehrpersonen ab. Sie sprechen sich nicht immer untereinander ab. Es war nicht regelmässig, es war in den Fächern, in denen wir voraus waren, meistens beim Hauptlehrer und bei Sprachlehrern. (LChem23) Es hängt vom Lehrer ab. Berufswahlunterricht hatten wir in der 2. Sek in der Klassenstunde beim Klassenlehrer. Wir gingen ins BIZ, bekamen ein Buch mit den Berufen. Wir machten viel Selbsteinschätzungen. Wir mussten der Klasse einen Beruf vorstellen, schrieben Beispiele von Bewerbungen und inszenierten Bewerbungsgespräche. (LDru15) Wir hatten während 1 2 Deutschstunden pro Woche Berufswahlkunde. Wir benutzten ein Buch für die Selbsteinschätzung. Die Lehrpersonen halfen uns bei den Bewerbungen, und im technischen Praktikum mit PC lernten wir einen Lebenslauf zu schreiben. Die Vorbereitung war gut. Man merkte, dass es das Ziel der Lehrpersonen war, dass wir eine Lehrstelle fanden. (LKV26) In der Berufswahlschule bekam man Unterlagen über die verschiedenen Berufe und man lernte, wie man eine Bewerbung schreibt. Einige Kollegen hatten einen Informatikkurs gemacht. Die Lehrpersonen der BWS halfen auch etwas bei der Bewerbung und die Kollegen erzählten, wie sie es gemacht hatten. (LInf25) In der Real hatte der Deutschlehrer mehr Zeit, da der Lehrplan nicht so streng ist. Man macht dort mehr, weil es die Realschülerinnen und -schüler schwerer haben, eine Lehrstelle zu finden. Die unteren Niveaus werden mehr gefördert. (LChem23) Es nahmen es nicht alle so ernst. Es kommt auf die Einstellung an. Einige wussten, dass sie an die Kanti oder ins Ausland gingen oder schon eine Lehrstelle hatten. Viele Schülerinnen und Schüler interessierten sich überhaupt nicht, hatten keine Lust und hörten nicht zu. Eltern schrieben Bewerbungen oder sie erhielten die Lehrstelle durch Beziehungen. So ist es für die Lehrer schwierig. (LDru15)

75 146 B Qualitativer Teil mit Interviews 5. Interviews mit Lernenden 147 Ein Lehrer hängte in der Klasse ein Plakat auf, wo man seine Lehrstelle eintragen konnte oder Kanti oder 10. Schuljahr. Man sah das Ziel, man wollte auf der Liste stehen. (LChem23) (LKV26) Von der Kanti her hatte ich überhaupt keine Erfahrung mit Berufswahl gehabt. Dort ist die Matura das Ziel. Allein wäre ich überfordert gewesen. (LInf25) Betriebsbesichtigungen Ein Mitarbeiter der GKB kam einmal in der Schule. In Betriebe gingen wir eher, wenn wir in einem Klassenlager waren, wenn eine Fabrik in der Nähe war. Betriebsbesichtigungen mit der Klasse sind eher schwierig, wenn es nicht alle interessiert. Ich finde es gut, dass man Schnuppern oder an einen Informationstag gehen kann. (LKV26) Berufsmessen Wir gingen nie an eine Berufsmesse mit der Schule. Fiutscher gab es noch nicht. Meine Schwester ging mit der 3. Sek. an die Messe, als alle schon eine Lehrstelle hatten, das bringt es nicht. Vielleicht findet sie zu spät im Jahr statt. (LDru15) Wir gingen mit der Schule an Fiutscher. Sie stellten dort das KV für öffentlichen Verkehr vor. (LKV26) Berufsberatung Vorgesehen ist, dass jede Klasse zur Information ins BIZ. Ich fand es nicht so überwältigend. Es hiess, wir müssen merken, wo unsere Stärken und Schwächen sind. Das brachte nicht so viel. Aber es gab gute Infos und Dossiers über einzelne Berufe. Dort steht, was gefordert wird. (LChem23) Ich finde nicht, dass ich im BIZ besonders gut beraten wurde. Ich war mit der Klasse dort und auch allein mit meiner Mutter. Die Berufsberaterin schlug mir ständig medizinische Berufe vor, weil meine Eltern in diesem Bereich arbeiten. Ich sagte, das will ich nicht. Ich habe das Gefühl, sie wollten mich vom Beruf Polygraf abbringen, ich müsse das gar nicht probieren, ich sei zu schlecht in der Schule. Ich war gar nicht so schlecht. (LDru15) Ich ging mit der Mutter zur Berufsberatung. Dann gingen wir auch mit der Klasse ins BIZ in Chur. Beim Besuch mit der Klasse erhielten wir eher allgemeine Informationen. Mir brachte es nicht so viel, anderen schon. Sie zeigten uns Videos von Berufen. (LKV26) Ich war nach dem Schulabbruch einmal beim Berufsberater, der mir die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigte, auch wie man aufbauen und sich weiterbilden kann, das war nützlich. (LInf25) Berufswahl Kriterien für die Berufswahl Die Wahl hat auch mit den Hobbys zu tun. Ich hatte nicht von Anfang an an diesen Beruf gedacht, aber Chemie faszinierte mich schon in der Schule. Ich hatte einen Chemiebaukasten, und dann gefiel mir die Schnupperlehre. (LChem23) Der Standort des Lehrbetriebs spielte für mich eine Rolle. Zuerst sucht man in der Nähe und dort wo man geschnuppert hat. Der Ort der Berufsschule spielte für mich keine Rolle. In Ems waren in meinem Lehrgang auch Lernende aus FL und SO. Sie wohnten zum Teil im Lehrlingsheim. (LChem23) Der Standort war nicht ausschlaggebend für die Wahl, aber es ist praktisch, dass er in der Nähe ist. So kann ich zu Hause wohnen, das ist schön. (LInf25) Hier gefiel mir das Team am besten. Sie machen viel für die Lernenden, z. B. ein Lager vor der Abschlussprüfung, damit man lernen kann. Sie kommen uns entgegen. (LKV26) Für mich war der Lohn nicht so wichtig, sondern dass ich Spass habe und die Leute gut sind. (LKV26) Weiterbildungsmöglichkeiten spielten eine Rolle. Ich habe immer gedacht, ich habe das Potenzial, um mehr zu erreichen als eine Lehre. Es gibt Fachschulen. (LChem23) Informatiker ist ein innovativer Beruf mit immer wieder neuen Herausforderungen und es ist vielseitig, man macht nicht immer das Gleiche. Auch nach der Lehre kann man etwas weiter entwickeln. (LInf25) Abends und am Wochenende arbeiten wäre nicht so toll. (LInf25) Einflüsse auf die Berufswahl Der Vater ist wichtig für die Berufswahl. Er sagt vielleicht, die Tochter soll eine Lehre machen, damit sie nicht gescheiter wird als er. Es kann aber auch umgekehrt sein. Oft werden jene, die es könnten, nicht unterstützt und jene, die es nicht können, unter Druck gesetzt. Das Prestige ist bei reichen Leuten wichtig. Sie unterstützen die Kinder während des Studiums besser als andere. Der Lehrer hat oft keine Zeit. (LChem23) Bei der Berufswahl hat mich niemand beeinflusst. Ich setzte mich selber dafür ein, dass ich eine Lehrstelle bekomme. Ich informierte mich über den Beruf Grafikerin und fragte bei der Südostschweiz für eine Schnupperlehre an. Die Lehrer wussten nicht einmal, was ein Polygraf ist. (LDru15)

76 148 B Qualitativer Teil mit Interviews 5. Interviews mit Lernenden 149 Ich habe einen älteren Bruder, der ebenfalls KV lernt. Er erzählte mir, was er macht. Ich wusste, dass man mit KV und Berufsmatura nachher viele Türen offen hat. Der Wunsch nach dem KV kam von mir selbst. Als es meine Eltern erfuhren, fanden sie es eine gute Idee und es passe zu mir. Es sei eine gute Grundausbildung. Bei mir war es recht schnell klar. (LKV26) Die Familie hatte auch einen Einfluss auf die Berufswahl, sie unterstützte mich. Wenn sie die Wahl unpassend gefunden hätte, hätte ich gesagt: «Mir muss es gefallen und ich muss ja die Lehre machen.» Bei der Berufswahl muss es einem bewusst sein, dass man anschliessend vier Jahre lang in diesem Beruf arbeitet, er sollte einem nicht bald verleiden. (LInf25) Vorstellungen vom Beruf Jeder hat seinen Traumberuf und wird ihn wahrscheinlich nicht erreichen. Wenn man dann aber lernt und vieles weiss, fällt der Zauber weg. Es ist spannender, sich etwas vorzustellen. Wenn es mit dem Traumberuf nicht klappt, muss man schauen, was es auf dem Markt noch gibt. Es ist gut, wenn man sich entscheiden kann, aber auch nicht so schlecht, sich aufs Geratewohl zu bewerben. (LChem23) In der 1. Sek sollte man schon überlegen, welche Richtung man einschlagen will, und in der 2. Klasse muss man sich bewerben, das ist früh und schwierig. Man ist noch zu jung, um zu wissen, was man machen will. (LDru15) Man sollte eigentlich schon mit 13 wissen, was man werden will, das ist schon sehr früh. (LKV15) Ich kenne viele, die nicht wussten, was sie lernen sollten und einfach etwas nahmen, wie etwa KV. Da gibt es genug Stellen. Einige fanden keine Lehrstelle und machten das 10. Schuljahr. (LDru15) Von meiner Klasse gehen zwei ins KV. Eine Kollegin wählte Hochbauzeichner in. Einige gingen nach der Sek an die FMS oder HMS und zwei machten das 10. Schuljahr, weil sie nichts fanden. Eine ging schon nach der 2. Sek an die Kanti. (LKV26) Schnupperlehre Von der Schule aus gab es eine Schnupperwoche. Wenn in einer Stadt alle gleichzeitig eine Schnupperlehre suchen, ist es jedoch schwierig, etwas zu finden. Es sollte gestaffelt stattfinden. Jene, die zu faul waren, um zu Schnuppern, mussten Hauswartarbeiten machen oder Kübel leeren bei der Stadtreinigung. Auch jene, die in die Kanti gingen, mussten schnuppern. Es schadet nichts. Die Praxis war eine wichtige Erfahrung. Die Schnupperlehre war entscheidend für die Bewerbung. Man kennt den Ort, einige Lehrlinge und sie wissen bereits, wer man ist. (LChem23) Eine Schnupperwoche gab es bei uns nicht. Wir erhielten einen Schnupperpass und waren nicht verpflichtet, zu schnuppern. (LDru15) Bei den Schnupperlehren bekam ich von der Schule frei, das ist wichtig. (LChem23) Zum Schnuppern durfte man auch während der Schule gehen. Wir hatten dazu ein Blatt zum Ausfüllen, das der Schulleiter bewilligen musste. Wenn jemand immer wieder krank war, sagten sie eher nein. Beim Schnuppern mussten wir pro Tag einen halbseitigen Bericht schreiben, wie es uns gefiel. (LKV26) Bei Ems-Chemie war das 3-tägige Schnuppern durchaus realitätsnah. Eine Woche fände ich noch besser. Wir Schnupperer wurden von Lehrlingen betreut. Jeder Beruf ist anders. Ein Förster macht vielleicht die ganze Woche dasselbe. (LChem23) Ich schnupperte zuerst Logistiker, Koch, Bäcker und Zeichner. Ich wusste noch nicht, wie die Anforderungen für den Informatiker sind. Als sich die Gelegenheit ergab, schnupperte ich bei Swisscom, dann in einem Computerladen und dann in der IT-Abteilung im Hotelbetrieb. Ich wusste durch das Schnuppern etwa, was in diesem Beruf auf mich zukommt. Ich fand es gut, weil man sonst den Betrieb überhaupt nicht kennt und man sich auf gut Glück bewerben würde. (LInf25) Letztes Schuljahr In der 3. Sek wurden meine Leistungen besser. Es hatte aber auch solche, die nichts mehr machten. (LDru15) In der 3. Sek liess die Leistung von einigen Schülerinnen und Schülern nach. Ich passte in den wichtigen Fächern immer gut auf, in Geometrie weniger. Es war allgemein in der 3. Sek nicht mehr streng. Wir erhielten fast keine Hausaufgaben mehr. Man konnte Wahlfächer nehmen. Ich genoss das letzte Jahr, das etwas chillig war. (LKV26) Bewerbung In einer Bewerbung kann man nicht sehr viel schreiben, ausser wo man zur Schule ging, welche Hobbys man hat, Lieblingsfächer. Viel Erfahrung hat man noch nicht, getraut sich nicht recht. Auch das Gespräch ist hart. Ich war sehr nervös. Alle sind erwachsen, ich war es nicht gewohnt, man will nichts falsch machen. Sie fragen nach Motivation, Vorstellungen, Stärken

77 150 B Qualitativer Teil mit Interviews 5. Interviews mit Lernenden 151 und Schwächen, Hobbys. Ich weiss nicht mehr, was ich sagte, aber es ging gut. (LDru15) Es gab ein Gespräch mit den direkten Vorgesetzten, aber nicht mit der Lehrlingsbetreuerin, es war kein offizielles Bewerbungsgespräch. Ich musste mich nach der Schnupperlehre auch nicht nochmals bewerben. (LInf25) In der Oberstufe waren einige Albaner, die hier aufgewachsen sind. Sie sagten, der Name spiele eine Rolle bei der Bewerbung. Ich weiss nicht, ob es so ist. Vielleicht präsentierten sie sich nicht gut. Das passende Auftreten ist wichtig. «Problemausländer» fanden erst im 10. Schuljahr eine Lehrstelle. Einige Ausländer gingen auch in die Kanti. (LDru15) Zeugnis Im Zeugnis sieht man das von den Schülerinnen und Schülern besuchte Niveau, allerdings können die meisten Berufsbildenden nichts damit anfangen. Eine 4.5 im Niveau 2b ist besser als eine 5 in 1a. Gute Noten können von einem Lehrer kommen, der den Schülerinnen und Schülern keine Steine in den Weg legen will. Dies kommt vor allem in der Realschule vor. (LChem23) Mein Zeugnis war nicht so gut, aber ich hatte einfach Glück. Ich war spät dran, im Frühling waren nicht mehr sehr viele Lehrstellen verfügbar. Es kommt nicht nur auf die Schulnoten an, sondern auch auf die Praxis und die Person. (LInf25) Letztes Zeugnis Für den Arbeitgeber wäre es von Vorteil, das letzte Sek-Zeugnis zu verlangen und schon dann den Lohn anzupassen mit Zuschlägen. Das würde etwas bringen, wäre ein Anreiz. Der Lehrling sollte es aber vorher wissen. (LChem23) Das letzte Zeugnis musste man nicht zeigen. Ich lernte einfach etwas reduziert. Es ging gut ohne mehr Aufwand. (LDru15) Das letzte Zeugnis gab ich hier ab für die Akten. Sie wollten es sehen. Ich fand es auch gut, es bringt ja nichts, wenn man nichts mehr macht und dann fängt man wieder neu an und hat keine Ahnung. (LKV26) Tests Multi-Checks sind Geldverschwendung. Ich machte einen Test der Ems-Chemie, den alle während der Schnupperlehre machen müssen. Das ist sinnvoll für den Arbeitgeber, dann wissen sie, was auf sie zukommt. Den Noten kann man nicht ganz trauen. (LChem23) Ich machte den Viscom-Eignungstest mit Mathe, Deutsch, Allgemeinbildung. ABU war schwierig mit vielen Fragen über Politik, Schriftsteller etc., Farbentests. Der Test diente zum Ausfiltern der Schwachen. (LDru15) Im Multi-Check fand ich das Italienisch schwierig, es ging dann aber gut. Es ist eine spezielle Prüfung, nicht so alltäglich. Es ging um Sprache, Mathe und logisches Denken. (LKV26) Die Berufsbildenden machten bei mir selber eine Art Test mit ein paar einfachen Fragen zur Informatik. (LInf25) Ich fand den Multi-Check ziemlich einfach. Das Meiste gehört zur Allgemeinbildung, es geht nicht so sehr um das Fach. Die Lehrmeister verlangen ihn wohl, weil sie nicht genau wissen, wie streng die Lehrer waren und wie die Noten entstanden sind. Der Check ist nicht schlecht, weil dann alle das Gleiche machen. Man sollte beides berücksichtigen. (LInf25) Termin der Lehrstellenzusage Ich fand es gut, die Lehrstelle früh zugesagt bekommen zu haben, so musste ich nicht zittern, ob ich es schaffe. (LChem23) Von einigen Betrieben hörte ich lange nichts. Ich telefonierte und musste warten. (LDru15) Die Lehrstelle hatte ich schon Ende August zugesagt erhalten. (LKV26) Erfahrungen im Betrieb Die Lehre veränderte mich. Sie machte aus mir einen besseren Menschen. Ich wurde selbstsicherer und teamfähiger, das war ich vorher nicht. (LChem23) Im ersten Lehrjahr hatte ich Schule und war nur in den Schulferien im Betrieb und an zwei Nachmittagen. So lernt man den Betrieb kennen, auch bei Engpässen. Ich konnte Fragen zu den Hausaufgaben stellen. (LDru15) Der Beruf ist etwa so, wie ich es mir vorstellte. Am Anfang war ich in der Lehre sehr müde vom vielen Zuhören. (LKV26) Der Anfang der Lehre bedeutete eine rechte Umstellung. Es war ungewohnt, plötzlich jeden Tag zu 100 Prozent zu arbeiten, die Lehrmeister hatten aber Verständnis. Ich kam schnell hinein, musste zuerst noch viel fragen. (LInf25) Bei mir im Betrieb entwickelt sich alles weiter, es ist nicht langweilig. Andere Kollegen arbeiten in Computerfirmen oder machen z. B. Support. Ich kenne Kollegen, die ständig am Telefon sind. (LInf25) In den überbetrieblichen Kursen erhält man eine Lernliste, die man mit dem Berufsbildenden anschaut und im Betrieb evtl. macht. (LInf25)

78 152 B Qualitativer Teil mit Interviews 5. Interviews mit Lernenden 153 Am Anfang hat man noch keine Ahnung, man weiss man noch nicht so gut, wie man sich z. B. am Telefon verhält oder mit wem man per Sie oder per du ist. Das lernt man mit der Zeit. (LInf25) Lohn Die Lehrlingslöhne sollten besser angepasst werden. Ein Lehrling im 3. Jahr sollte nicht nur 200. mehr verdienen als im 1. Lehrjahr. (LChem23) Leistungs-Prämien Bei der Ems-Chemie gibt es während der Lehre eine Leistungsbewertung. Sie geben Geld für einen guten Notenschnitt, d. h. etwas mehr Lohn ab dem nächsten Monat. (LChem23) Lernende als Arbeitskraft Die Lernenden sind sehr produktive Arbeitskräfte in Forschung und Entwicklung. Der Arbeiter dort arbeitet effektiver, wenn Lernende dabei sind. (LChem23) Berufsschule Die Berufsschule empfand ich als angenehm. Der Stoff war kein Problem. Am Anfang gab es eine Wiederholung der Grundlagen. (LChem23) In der Berufsschule lernte man Sachen, die man anwenden kann, aber auch Sachen, die man wissen muss, aber nicht wirklich braucht. z. B. Schriftgeschichte. Es kann geprüft werden. Die berufskundlichen Fächer hatten nichts mit dem Sek-Stoff zu tun, es ist etwas völlig anderes. Deutsch hatten wir eher oberflächlich gehabt, vieles hatte ich vergessen, aber ich wusste, dass wir es gehabt hatten. In der Berufsschule haben wir Grammatik und Rechtschreibung repetiert und weitergeführt. (LDru15) Der Übergang ging gut, man repetierte am Anfang vieles von der Oberstufe. Anderes war neu, wie Rechtskunde. Im Deutsch lernten wir einige Dinge genauer als vorher. (LKV26) Wir haben einen guten Mathe-Lehrer, der uns von Anfang an sagte, wir dürften 10 x dasselbe fragen, es sei sein Job und er wolle, dass wir es verstehen. Das ist cool, er ist ein guter Lehrer. (KV26) Deutsche Grammatik haben wir nicht. Die Lehrer sind es gewohnt, unsere Schriften entziffern zu müssen. (LInf25) In der Schule lernen wir zum Teil theoretische Dinge, die ich im Beruf nicht unbedingt anwende. Das hängt vom Betrieb ab. Es braucht eine allgemeine Ausbildung. Ich lerne z. B. Webdesign, das ich vielleicht später einmal brauchen kann. Andere Gebiete kann ich sehr gut in der Praxis brauchen. Auch umgekehrt habe ich das Programmieren von Datenbanken im Betrieb gelernt und habe so einen Vorteil in der Schule. (LInf25) Ich finde es gut, einen Tag pro Woche zur Schule zu gehen, es ist abwechslungsreich, man sieht andere Leute, ist an einem anderen Ort. Manchmal hat man mehrere Prüfungen an einem Tag, das ist streng. Es sind aber nicht alle Fächer nur streng. Durch die Schule kommt man locker mit Spicks. (LDru15) Die Module mit Prüfungen sind gut, so hat man nicht alle Prüfungen erst am Schluss. (LInf25) Vorkenntnisse in Mathe und Naturwissenschaften Was ich in der Sek lernte, hatte nicht viel mit dem zu tun, was ich in der Lehre brauchte. In der Sek destillierten wir Wein, das fand ich interessant. Der Chemieunterricht brachte nicht so viel. Das Interesse an Mathe und Naturwissenschaften ist Veranlagung. Es liegt nicht am Unterricht. Die einen verstehen es, die anderen nicht. (LChem23) Ich bin der erste IT-Lehrling im Betrieb. Zuerst wussten die Berufsbildenden noch nicht so gut, wie sie mich einführen sollten, da sie mein Vorwissen nicht kannten. In der Schule hatte man keine Informatik. In dieser Branche ist es wichtiger, was man in der Freizeit am PC gemacht hat. (LInf25) Die Berufsschule fand ich am Anfang ziemlich einfach, von der Kanti her. Mit angewandten Aufgaben habe ich keine Mühe. Mittlerweile ist alles neu, aber ich habe keinen Stress. Der Einstieg war nicht abrupt, zuerst wurde vieles repetiert, was ich schon gehabt hatte. Das Fach Informatik war neu. Es ist sicher vorteilhaft für die Lehre, wenn man bereits Grundkenntnisse über den PC hat. (LInf25) Italienisch/Französisch Im 1. Lehrjahr hatten wir getrennt Französisch, die Bündner und die anderen aus SG und GL, im 2. Lehrjahr hatten wir 3 Lektionen, die anderen keine. Es ist kein Prüfungsfach. (LDru15) Ich hätte als Bündner für die BMS im Kanton SG Französisch nachholen müssen. (LInf25) Berufsmaturität Jeder Lehrling bei der Ems-Chemie muss vor Lehrbeginn einen Test machen, ob er an die BMS darf oder nicht. In der BMS war es einiges strenger als die normale Lehre, es wird mehr verlangt. ABU fällt in der BMS weg. Wir waren zuerst 21 in der BMS-Klasse, dann nur noch elf. Man darf nur einmal ein Semester verhauen, beim zweiten Mal muss man aufhören. (LChem23) Mit der Berufsmatura wäre die Schule strenger. Natürlich könnte ich es machen, aber dann müsste ich immer lernen und hätte noch mehr zu tun. (LInf25)

79 154 B Qualitativer Teil mit Interviews 5. Interviews mit Lernenden 155 Berufschancen Ich fand es einfacher, eine Lehrstelle zu finden als nachher eine Anstellung. Eine Option für mich wäre eine Fachhochschule oder eine 2. Lehre. Vitamin B kann im Ausnahmefall hilfreich sein bei der Stellensuche. (LChem23) 5.2 Zusammenfassung Interviews Lernende Berufswahlkunde auf der Sekundarstufe I Die Gestaltung der Berufskunde auf der Sekundarstufe I hängt vom Engagement der Lehrperson ab und findet meist in der Klassenstunde und im Fach Deutsch statt. Schülerinnen und Schüler mit anderen Zielen interessieren sich weniger dafür. Die heutige Information ist gut. Die Berufsberatung wird unterschiedlich beurteilt. Es ist schwierig, im Alter von 13 Jahren schon an die Berufswahl denken zu müssen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lernenden: Fiutscher sollte nicht erst in der 3. Klasse besucht werden. Berufswahl Eigene Hobbys und Interessen und Weiterbildungsmöglichkeiten spielen eine Rolle. Für die Wahl des Betriebs sind die Atmosphäre im Team und der Standort wichtig. Der Lohn ist weniger ausschlaggebend. Ausländisch klingende Namen können bei Bewerbungen ein Nachteil sein. Es kommt aber eher auf das Auftreten an. Schnupperlehre Schnuppern bietet gut Möglichkeiten, die Praxis und die Betriebe kennen zu lernen. Dies ist entscheidend für die Berufswahl und Bewerbung. Manche Berufsbildenden können die Zeugnisse nicht interpretieren. Teilweise geben Lehrpersonen zu gute Noten. Tests sind eine gute Ergänzung zu den Noten, denen man nicht ganz trauen kann. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lernenden: Es ist wichtig, für das Schnuppern frei zu bekommen. Wenn alle während der gleichen Woche eine Stelle zum Schnuppern suchen, ist es schwierig. Termin der Lehrstellenzusage Zum Teil muss man lange auf eine Antwort des Betriebs warten. Lehrstellen werden bereits vor dem offiziell erlaubten Termin vergeben.

80 156 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 157 Letztes Schuljahr Manche Schülerinnen und Schüler, die eine Lehrstelle haben, lassen mit der Leistung nach. Es gibt wenige Hausaufgaben, dafür Wahlfächer. Nur ein Teil der Betriebe verlangt nach der Lehrstellenzusage noch das letzte Zeugnis. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Lernenden: Der Arbeitgeber sollte das letzte Zeugnis verlangen. Ein den Noten angepasster Lohn wäre ein Anreiz. Erfahrungen im Betriebe Die Umstellung braucht Zeit und ist anstrengend, es gibt viele Fragen. Man lernt Teamarbeit. Berufsschule Die Grundlagen der Oberstufe werden repetiert. Das Fachwissen ist neu und hat je nach Beruf wenig mit dem Schulstoff der Oberstufe zu tun. Mit der BM ist die Schule strenger. Man kann auch im Betrieb Gelerntes in der Schule anwenden. Mit Italienisch als Fremdsprache unterscheidet sich GR von den anderen Kantonen. 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 6.1 Ausführliche Zusammenstellung der Aussagen Befragt wurden vier Experten, einer für die Berufsmatura, einer als Personalchef eines Grossunternehmens, einer als Vertreter der Berufsberatung und einer als Lehrer der Berufswahlschule (10. Schuljahr) Demografische Entwicklung Wegen sinkender Schülerzahlen machen die Firmen Werbung für Lehrstellen. Es gibt einen Kampf um die Lehrlinge, das merkt man. Die Jungen werden heute mit offenen Armen empfangen, sie können wirklich auswählen. (EBMS21) Wir merken, dass die Situation mit geburtenschwachen Jahrgängen im Moment für die Jugendlichen attraktiver ist. Sie haben mehr Auswahl und weniger Stress. Sie können sich Zeit nehmen für die Entscheidung und es ist nicht mehr so beschwerlich, etwas zu finden. Es gibt mehr Möglichkeiten, braucht weniger Bewerbungen. (EBer20) Berufslehre oder Gymnasium Die Kanti hat ungebrochen ihren Status. Es ist eine heikle Aussage, aber die Mittelschulen in GR sagen beim Aufnahmeverfahren, wie viele Schülerinnen und Schüler sie brauchen können und nehmen entsprechend viele auf. Das Niveau kann dadurch sinken. Andere Mittelschulen fordern mehr als in GR. Viele Bündner, die an die ETH gehen, haben es schwer und viele hören wieder auf. Das Aufnahmeverfahren der Mittelschulen hat auch mit den privaten Gymnasien zu tun. Es ist richtig, dass es diese Standorte gibt, aber das Niveau sollte auf einem gewissen Stand bleiben. (EBMS21) Das Verhältnis von Kanti-Schülerinnen und -schülern zu Lehrlingen stimmt in GR noch im Vergleich zur Gesamtschweiz, es sind Prozent. (EChef12) Bei den Eltern ist es immer noch in den Köpfen, dass das Gymnasium mehr zählt. Manchmal ist das Gymnasium auch gemütlicher als eine Lehre. Eine Lehre mit Berufsmatur ist anstrengender. (EBer20) Es gibt auch Kanti-Schülerinnen und -schüler, die nachher eine Lehre machen. Es wäre nicht so schlecht, wenn auch im Gymnasium die Berufswahl/ Studienberatung ein Thema wäre. (EBWS30)

81 158 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 159 Berufswahlkunde auf der Oberstufe Die Vorbereitung in der Schule ist unterschiedlich. Es hängt sehr von der Lehrperson ab, wie stark sie sich engagiert, es ist nicht im Lehrplan drin. Die Unterschiede sind sehr gross, auch zwischen Real- und Sekundarstufe. Der Berufswahlunterricht müsste mehr geregelt und im Lehrplan drin sein. Im neuen Lehrplan 21 ist er auch nicht so drin, wie wir es gerne hätten. Man müsste die Schülerinnen und Schüler wirklich begleiten und schauen, wo sie stehen. Die Lehrpersonen müssten sich damit befassen. Einige Lehrpersonen tendieren in der Sek spezifisch auf das Gymnasium. (EBer20) Im Lehrplan der 2. Oberstufe steht Berufswahlunterricht. Die Lehrpersonen sollen die Fächer Deutsch und Mensch und Umwelt dazu nutzen. Die einen machen es mit grossem Enthusiasmus. Die Bandbreite dessen, was sie machen ist breit. Das Ziel der Oberstufenlehrperson ist nicht, dass alle eine Lehre haben, sondern die Stoffvermittlung. Wenn einer studiert hat (Oberstufenlehrperson) und mir etwas von einer Berufslehre erzählen will, ist es nicht authentisch, sie haben keine Erfahrung. (EBWS30) Es braucht von der Schule her mehr, um den praktischen Weg aufzuzeigen. Auf der Oberstufe soll eine Ausgewogenheit und eine gute Mischung von Tiefe und Breite geboten werden. Man sollte es auch nicht immer verändern. Die Schule soll sich nicht durch rabiate Eltern einschüchtern lassen. Die Lehrpersonen brauchen Charakterstärke und eine Politik, die sie stützt. (EChef12) Die Resultate der Aufnahmeprüfungen für die BMS der letzten beiden Jahre entsprachen nicht unseren Erwartungen. Gewisse Aufgaben waren anspruchsvoll. Eine Berufsfachschule macht die Prüfungen, etwa Davos, KV, BGS oder GBC für den ganzen Kanton, jedes Jahr abwechselnd. Die Prüfung wird den Sekundarlehrpersonen zur Validierung vorgelegt. Wir haben die Prüfungen der letzten 5 bis 6 Jahre auf dem Internet zum Üben. Wegen der schlechten Resultate ist es sicher sinnvoll, einmal mit der anderen Seite zusammenzusitzen, ohne Vorwürfe zu machen. An der GV der BGR (Berufsbildung GR) vertrat ich, dass wir mit LEGR Kontakt aufnehmen für einen Austausch, das ist nötig. (EBMS21) Werbung Schnupperlehren und Tag der offenen Tür, aber auch die Berufsausstellung Fiutscher sind gut, kommen gut an. Für Ingenieure wird immer Werbung gemacht. Man müsste Frauen vermehrt ansprechen in der Werbung und auch Frauen als Vorbild zeigen und diese einladen. Auch bei Fiutscher sollten Mädchen dabei sein. Früher gab es Techniktage für Mädchen an der HTW, das war gut. Jene die drin sind, sagen, sie seien durch die Schnupperlehre darauf gekommen oder durch ein Familienmitglied oder am Tag der offenen Tür. Es braucht eine Verbindung, sie gehen nicht von sich aus. (EBer20) Lehrlinge werden heute von Betrieben sogar mit hohen Finanzbeiträgen geködert, wenn sie die Lehre dort abschliessen. Das würde ich nicht machen. Wenn wir zu wenige Lernende hätten, müssten wir massiver auf dem Markt auftreten und vermehrt in die Schulen gehen, schlimmstenfalls die Stellen nicht besetzen. (EChef12) Betriebsbesichtigung Man könnte die Zusammenarbeit der Lehrpersonen mit den Betrieben verbessern. Ich könnte mir mehr Betriebsbesichtigungen vorstellen. (EBer20) Wir machen Berufserkundigungen. Die Leute geben sich sehr Mühe. Wir hatten acht Betriebe verschiedener Sparten, die man nach Wahl anschauen konnte (Baugewerbe, Detailhandel, Planerische Berufe, Gastronomie, KV), die das meiste abdecken. Wir kennen durch die Berufserkundigungen viele Betriebe, besser als die Oberstufenlehrpersonen. (EBWS30) Einflüsse auf die Berufswahl Die Berufswahl wird vom Elternhaus und Kollegen beeinflusst. (EBMS21) Eltern, Lehrpersonen und Kollegen oder Verwandte spielen eine Rolle bei der Wahl. (EChef12) Die Familie hat den grössten Einfluss auf die Berufswahl. Die Entscheidung wird zu 99 Prozent in der Familie getroffen, auch wenn sie zerrüttet ist oder nur ein Elternteil da ist. Die Eltern haben zum Teil zu hohe Ansprüche, da reden wir Klartext. Wir können die Schülerinnen und Schüler nur begleiten. (EBWS30) Wichtig ist vor allem, welches Bild die Eltern vermitteln. Sie haben einen sehr grossen Einfluss. Es spielt eine Rolle, wie in der Familie über einen Beruf gesprochen wird. Die Eltern sind oft dagegen, sie haben ja immer recht und die Jungen hören auf sie. Die Meinung der Eltern ist am Wichtigsten, dann die Distanz zum Lehrbetrieb und die Weiterbildungsmöglichkeiten. Kollegen, Lehrpersonen und Berufsberatung sind weniger bedeutend. Die Eltern schauen auch auf die Kosten. Auswärts kosten Reise und Logis mehr. (EBer20) Wichtig ist den Jugendlichen bei der Berufswahl auch, dass sie in der Umgebung bleiben können. In diesem Alter lässt man die Kollegen und Eltern nicht gern zurück. Der Standort der Lehrstelle und der Berufsschule spielen deshalb eine Rolle. (EBer20) Der Grund, dass manche keine Lehrstelle finden, liegt meistens am Entwicklungsdefizit, an der Reife. Manchmal sehe ich ein Sekundarschulzeugnis, das

82 160 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 161 gar nicht schlecht ist und frage, ob sie im letzten Schuljahr geschlafen haben. Sie waren spät dran mit Suchen und einfach noch nicht bereit dazu. Manche verschlafen es. Vielleicht wurden sie zu Hause auch nicht unterstützt. (EBWS30) Wir merken, dass die Jugendlichen darauf schauen, wer da arbeitet und wie das Betriebsklima ist, wie sie miteinander umgehen, welche Kleider sie tragen usw. Es sind manchmal kleine Dinge. Auch der Berufsbildner ist wichtig, wie offen er ist. Manchmal gibt es einen im Verwandten- oder Bekanntenkreis, das kommt oft vor. Es wird auch auf die Weiterbildungsmöglichkeiten geachtet und auf den Lohn. (EBer20) Schnupperlehre Realklassen stellen eine Woche oder ein paar Tage für Schnupperlehren zur Verfügung, die Sek-Klassen nur vereinzelt. Es gibt solche, die überhaupt nicht dürfen oder nur bei Berufen, bei denen sie nicht in der Freizeit gehen können, z. B. Kindergarten. (EBer20) Das Wichtigste ist die Schnupperlehre, wo sie sich zeigen können. Schon für die Schnupperlehre muss man eine offizielle Bewerbung schreiben. Es ist etwas übertrieben, recht professionell, aber eine gute Lebensschule. Migros macht es sehr gut. Sie können in zwei Tagen in allen Abteilungen schnuppern. Für die richtige Schnupperlehre müssen sie an ein Vorstellungsgespräch in Gossau, dann bewerben sie sich für eine Schnupperwoche. Anschliessend werden sie gesiebt und können sich für die Lehre bewerben. (EBWS30) Beliebte und weniger beliebte Berufe Der Modeberuf ist seit langem das KV. Lehren, die etwas mehr fordern, z. B. Hochbauzeichner, Polymechaniker, Informatiker haben ein höheres Image als das Handwerk. Wenn man nicht in die Kanti geht, will man eine Lehre machen mit einem gewissen Ansehen. (EBMS21) Das gesellschaftliche Problem ist, dass die handwerklichen Berufe zu wenig zählen. Es hat mit dem Image zu tun. Die Löhne sollten höher sein. Gute Handwerker sind knapp, aber sie verdienen immer noch nicht viel. Es müsste eine Umverteilungsaktion geben. Angebot und Nachfrage spielt da nicht so recht. Es ist so, dass die schwächeren Schüler die Handwerksberufe ergreifen, und sie machen keine Superarbeit. So hört man auf dem Bau die ganze Zeit, es werde gepfuscht. (EBMS21) Sehr beliebt sind Mediamatiker und Informatiker. Im technischen Bereich ist es schwieriger, Lernende zu finden, z. B. im Beruf Anlageführer, den es erst seit 2008 gibt. (EChef12) Die Ansprüche sind einfach hoch, z. B. beim Automechatroniker. Sie haben Mühe, Lehrlinge zu finden. Im Engadin haben sie nur 4 von 12 Stellen besetzt. (EBWS30) KV steht seit Jahren an erster Stelle. Viele Eltern empfehlen es den Kindern als gute Grundbasis, die für vieles nützlich ist. Aber viele kommen nach dem KV zu uns in die Beratung, da sie nicht zufrieden sind. Sie machten es nur, weil es alle machen. Man wird nicht schmutzig, hat geregelte Arbeitszeiten, einen guten Lohn, das ist praktisch. Viele machen dann etwas anderes. Banken sind auch beliebt und Informatik, Mediamatik, grafische Berufe. Da gibt es wenige Lehrstellen. Auch im Gesundheitswesen herrscht ein Mangel, doch die Lehrstellen sind schnell besetzt. Gastgewerbe, Bau und technische Berufe, Sanitär und Installateure sind weniger beliebt. Das Image ist nicht so hoch. Es gibt lange Arbeitszeiten. Köche gibt es eher wieder mehr wegen den Starköchen. (EBer20) Gewisse Berufe haben kein gutes Image, es sind falsche Vorstellungen vorhanden. Die Informationen über die Berufe sind heute gut, aber die Jugendlichen werden damit fast überflutet. Jenen, die zu uns kommen, müssen wir Sachen zeigen, die sie nicht gemerkt haben. Früher kannte man die Berufe besser, sie waren sichtbar. Heute geschieht vieles hinter verschlossenen Türen, das macht es schwieriger. Mit den technischen Errungenschaften sind die Berufe nicht mehr so anstrengend wie früher. (EBer20) KV ist am beliebtesten, dann Detailhandel, Elektriker, Coiffeuse. FaGe ist beliebt bei den Frauen, kommt immer mehr auf. Bis zu diesem Jahr waren die Stellen rar, auch für Kleinkindererzieherinnen. Für grafische Berufe gibt es auch wenige Lehrstellen. Die ausgeschriebenen Stellen wollen sie nicht, z. B. Fleischer. Diese wären sehr gesucht und haben gute Aufstiegsmöglichkeiten. Doch sie haben falsche Vorstellungen, etwa dass Blut spritzt. (EBWS30) Technische Berufe Das Thema Frau und Technik ist mir ein grosses Rätsel. Ich weiss nicht, was man machen könnte. Sehr stark hängt es mit dem Selbstbewusstsein zusammen. Es ist auch eine Frage, ob eine Frau analytische Themen anders unterrichtet als ein Mann. Das Analytische macht vielen Frauen Mühe. (EBMS21) Das Interesse an Technik muss früh gefördert werden, besonders bei Mädchen, bevor sie am Anfang der Pubertät den Rollladen herunter lassen. Das Potenzial sieht man gut im Projekt: «Kinder entdecken Technik» von Innozet. Primarschulen kommen während eines Schuljahres häufig in den Betrieb

83 162 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 163 und der Betrieb geht auch in die Schule. Wir haben drei Jahre gute Erfahrung auf lokaler Ebene. Das Resultat ist, dass Mädchen genau so wie Knaben Freude an der Technik haben. Man sollte schon auf Primarschulstufe oder im Kindergarten beginnen. (EChef21) Die Berufe müssten auch für Mädchen attraktiv sein. Ich bin überzeugt, dass Frauen genau so gut sind. Es sind in den letzten zehn Jahren viele Projekte dafür gemacht worden, aber verändert hat sich wenig. Es braucht noch immer Mut, einen solchen Beruf anzupacken und die Unterstützung der Eltern. Die Frauen, die in technischen Berufen drin sind, sagen, sie hätten keine Schwierigkeiten. Es wird eher mit der neuen Generation kommen. (EBer20) Frauen- und Männerberufe Es werden eher traditionelle Männer- und Frauenberufe gewählt. Seit einigen Jahren ist aber eine gewisse Öffnung da, wir haben mehr Malerinnen und Schreinerinnen. In der Technik braucht es mehr Zeit, bis das kommt. Bei frauenspezifischen Berufen müsste man die Löhne anpassen, damit sie für Männer attraktiv werden. Auch sind die Weiterbildungsmöglichkeiten manchmal schlechter. Umgekehrt möchten die Frauen in männerspezifischen Berufen Teilzeit arbeiten können. Sie denken an die Vereinbarkeit mit der Familie. Die Frauen sind besser ausgebildet als früher. Sie wollen arbeiten und müssen zum Teil auch. Sie denken auch an die Arbeitszeit z. B. in der Nacht oder am Wochenende. (EBer20) Berufsattest Es gibt noch zu wenig Berufe, wo statt eines Fähigkeitsausweises ein Berufsattest (2 Jahre) gemacht werden kann. Dies sollte man fördern. (EBer20) In einigen Berufen gibt es kein Attest. Das Interesse wäre da, doch ein Realschüler hat keine Chance, Automechaniker zu werden. Es soll nun eine Attest lehre geschaffen werden. (EBWS30) Berufsberatung Die Berufsberatung geht in alle Klassen der 2. Oberstufe oder sie kommen ins BIZ und erhalten eine Einführung in Berufswahl. Wir haben eine gute Zusammenarbeit. Ca. 50 Prozent kommen zu uns für eine Einzelberatung, meistens dreimal. In dieser Zeit plant man auch Schnupperlehren und begleitet sie. Man testet die Fähigkeiten. (EBer20) Der Berufsberater kommt zweimal im Jahr zu uns. (EBWS30) Letztes Schuljahr Zu frühe Lehrverträge sind für die Schule nicht so gut. Man nimmt es lockerer, das ist in uns drin. Schülerinnen und Schüler, die in der 2. Sek die Lehrstelle schon haben, machen dann im 3. Jahr oft nur noch wenig, das ist nicht ideal. In Zürich erwarten gewisse Lehrbetriebe ein gutes letztes Zeugnis. Die Schülerinnen und Schüler müssen zeigen, dass sie bis zum Schluss durchhalten. Das wäre eine Möglichkeit, es etwas zu steuern, wäre eine Unterstützung für die Sekundarlehrpersonen. (EBMS21) Für die Leistungen im letzten Schuljahr hätten die Lehrbetriebe vieles in der Hand. Sie könnten Forderungen stellen, das letzte Zeugnis anschauen oder die Selektion später vornehmen. Im Lehrplan 21 ist vorgesehen, dass das 9. Schuljahr speziell ist. Die Schulen könnten überlegen, wie man es attraktiver macht, dass die Schülerinnen und Schüler dran bleiben. (EBer20) Wenn sie die Lehrstelle haben, gibt es einen Hänger von 3 bis 4 Wochen, das ist normal. Dann stehen sie wieder auf und machen weiter. Die Berufsschule zieht dann die Schraube an. Wir empfehlen den Betrieben, das letzte Zeugnis anzuschauen. Das wird unterschiedlich gehandhabt. (EBWS30) 10. Schuljahr Erstaunlicherweise sind die Klassen des 10. Schuljahres trotz des grossen Lehrstellenangebots voll. Die Hauptmotive für den Besuch des zehnten Schuljahres sind folgende: Man hat keine Lehrstelle bekommen Man möchte eine andere Lehrstelle als die angebotene(n) Man möchte eine bessere Lehrstelle Man hat ein schulisches Defizit, das ausgeglichen werden soll. Die Brückenangebote sind gut und werden durch Mund-zu-Mund-Propaganda empfohlen. Sie werden geschätzt. Es kostet aber auch etwas. Es gibt viele Lehrbetriebe, die diese Schülerinnen und Schüler gerne nehmen, da sie etwas reifer und selbstbewusster sind. (EBer20) Wir haben keine Probleme mit den Schülerzahlen, wir haben immer gefüllte Klassen (60 Schülerinnen und Schüler/Jahr), wir können nicht alle nehmen. Die Nachfrage ist gross. Der Bedarf ist vorhanden trotz geringer Geburtenrate. Es ist paradox. Wir haben auch Schülerinnen und Schüler von der Sek, die einfach nicht reif sind oder nicht wissen, was sie wollen. Das Ziel und

84 164 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 165 oberste Priorität ist, eine Lehrstelle zu finden. Es kommt selten vor, dass einer nach der BWS nichts gefunden hat. Das 10. Schuljahr wird immer bleiben. Es können gar nicht alle so früh eine Wahl treffen. (EBWS30) Wir repetieren in der Schule den Stoff der 3. Oberstufe und erweitern ihn. Sie sollen nicht in ein Loch fallen. Individuell fördern wir die Stärken. Das erste Semester gilt der beruflichen Orientierung. Am Anfang sind die Jugendlichen sehr schüchtern und verklemmt. Aber dann tun sie den Knopf auf. Sie werden viel selbständiger und es tut ihnen gut. Es gibt selten einen Rebellen. Sie wissen in welcher Situation sie sind. Sie sind reifer und seriöser als jene in der 8. oder 9. Klasse. (EBWS30) Betriebe/Berufsbildende Der Ertrag der Lehrlinge wird gross diskutiert. Jeder Berufsverband ist verantwortlich für seine Nachkommen, sie sollten gute Leute ausbilden. Auch wenn der Ertrag nicht so gross ist, sollten sie es machen. (EBMS21) Berufsbildende sollten Freude an jungen Leuten haben. (EBer20) Zeugnis Berufsbildende sagen, sie hätten Mühe, die Zeugnisse zu interpretieren. Es ist etwas kompliziert mit den Niveaustufen, aber so schwierig ist es auch wieder nicht. Berufsbildende könnten auch vermehrt Lehrpersonen anfragen, wie sich die Schülerinnen und Schüler verhalten. (EBer20) Berufsbildende können die Zeugnisse mit Niveaustufen nicht gut lesen. Dabei steht in den Zeugnissen zuhinterst eine Erklärung. Sie schauen sie nicht an. (EBWS30) Die Bewertung der Sozialkompetenzen schafft ein Dilemma. In den sozialen Kompetenzen kann man sich noch entwickeln. Wir sehen riesige Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern im 8., 9. oder 10. Schuljahr. Mit 14 und 15 hat man manchmal Flausen im Kopf, man sollte deswegen nicht abgestempelt werden. Beim Vorstellungsgespräch empfehlen wir, ehrlich zu sein. Sie können sagen, ihr Verhalten sei nicht so gut gewesen, jetzt seien sie reifer. Meistens haben die Betriebe Verständnis und sie erhalten eine Chance. (EBWS30) Tests Da geht es nur darum, nochmals zu sortieren. Die Betriebe fischen damit die besten Bewerberinnen und Bewerber heraus. Den Noten der Schule trauen sie zu wenig. Man kann nichts dagegen machen, die Lehrbetriebe machen es eh. (EBMS21) Es wird sehr viel Wert auf die Tests gelegt. Wir haben keine Freude daran. Andere Qualitäten und Kompetenzen werden dabei vergessen, die eigentlich wichtiger sind wie Motivation, Umgang mit Stress, Freude an der Arbeit. Der Test ist nur eine Momentaufnahme. (EBer20) Für mich ist das eine Geldmacherei. Sie haben das Monopol. Alle müssen einen Multi-Check gemacht haben, der Fr. 100 kostet. Es ist schwierig, gegen die Lobby etwas zu machen. Alle Grossen machen mit. Ich muss aber anerkennen, dass die Tests clever gemacht sind. (EBWS30) Lehrvertrag Die Berufsinspektoren unterschreiben keine Verträge vor dem 1. Nov. Viele Lehrbetriebe machen aber Vorverträge. (EBer20) Heute rekrutiert man die Lernenden schon ein Jahr voraus, das ist nicht gut. Ich würde das nicht wollen. Die Guten gehen an die FMS. Einige Betriebe (KV, Banken) halten zwei bis drei Stellen offen für jene, die die Prüfung nicht bestehen und bieten sie im März an. (EBWS30) Berufsschule Die GBC versucht, den Schulstandort zu behalten. Es gibt einen Wettbewerb mit anderen Kantonen. Man kann nur neue Berufe nur anbieten, wenn man genügend Schülerinnen und Schüler hat. Es findet ein Kampf um Auszubildende statt. (EBMS21) Wenn es zu wenig Lernende gibt, um eine Klasse zu bilden, müssen sie eventuell eine ausserkantonale Berufsschule besuchen und dann wird die Lehre unattraktiver. Sie gehen nicht gern nach Zürich oder St. Gallen. Für die Randregionen ist es noch schlimmer. (EBer20) Anforderungen der Berufsschule Die Lernenden müssen sich in der Berufsschule neu orientieren. Bei gewissen Themen sagen manche, das hätten sie noch nie gehört, doch das kann man nicht so ernst nehmen. Sie wissen es einfach nicht mehr. Gewisse Sachen werden nicht mehr so intensiv gemacht wie früher, z. B. die Konstruktion von Dreiecken. Wenn ich hier herumfrage, sehe ich manchmal nur Fragezeichen in den Gesichtern. Wir kannten die Tricks und Kniffs. Offenbar gab es gewisse Verschiebungen. Was allgemein abgeht, ist die Übungshäufigkeit. Es fehlen oft mathematische Grundkenntnisse, wenn die Schülerinnen und Schüler hierher kommen,

85 166 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 167 z. B. Brüche zusammenzählen. Bei jenen, die nach der Lehre eine Aufnahmeprüfung an die BM machen, ist es noch frappanter. Sie müssen nach einigen Jahren den Stoff der Sek-Stufe können, da ist oft nichts mehr da. Wir bieten Vorbereitungskurse an. Solche Sachen würden wir gerne mit einem Gremium von Sekundarlehrpersonen diskutieren. (EBMS21) Beim Qualifikationsverfahren hatten wir auch schon schwache Leute. Wenn man zwischen 3,9 und 4,1 sitzt, fühlt man sich fast als Sozialarbeiter. Man kann nur denken, er hat es probiert, er verdient eine zweite Chance. Man kann die Prüfung wiederholen. Es gibt etwas Spielraum, um individuell auf einen Lernenden einzugehen. Wenn einer will, sollte man ihn nicht durch die Prüfung fallen lassen. (BFlei22) Sprachkompetenz Durch die kulturelle Durchmischung hat auch bei KV-Absolventen die Qualität der deutschen Sprache abgenommen in Bezug auf Stil, Orthographie usw. Nichts ist fehlerfrei. Zum Teil haben sie fremdsprachige Eltern. Heute lernt man mehr Sprachen, ist vielfältig, aber nicht mehr auf dem gleichen Niveau. Es hängt aber auch von der Qualität der Lehrpersonen ab. (EChef12) Die Defizite in Orthographie fallen extrem auf, bei allen. Es ist eine Katastrophe, auch die Grammatik. Das würde ich jeder Oberstufenlehrperson sagen. Die Bewerbungen sind voller Fehler. Man könnte sie so nicht absenden. Das üben wir intensiv. Bei der Sprache sagen sie oft, sie seien Legastheniker. Heute gibt es zu viele Abklärungen. Wir haben zu viele Studierte und alle brauchen Arbeit. (EBWS30) Berufsmaturität Vor ein paar Jahren hatte der Kanton Graubünden die Zielsetzung, die BM zu stärken, obwohl ihr Anteil in GR höher ist im Vergleich zur übrigen Schweiz. Der neue Rahmenlehrplan für die BM ist schweizerisch, aber die Ausgestaltung der Schullehrpläne regional. Wir haben gewisse Schwerpunkte. Es wird ausgehandelt, ob es eine Zusammenarbeit mit Buchs geben wird. Der Anteil BM während der Lehre nimmt eher ab, die gestalterische kann dieses Jahr nicht geführt werden. Wir machen hier drei Schnupper-Nachmittage für jene Schülerinnen und Schüler, die mit einer Aufnahmeprüfung direkt in die BM kommen wollen, ich wäre dagegen, wenn man es ausdehnen würde. Die Jugendlichen sollen im regulären Unterricht arbeiten und zeigen, was sie können, das sollte reichen. Für die Sekundarlehrer wäre das ein schlechtes Zeichen. Die Tendenz geht heute Richtung BM 2, nach der Lehre. Viele möchten unbedingt eine BM machen, um besser zu verdienen, doch sich während der BM entsprechend einzusetzen, ist eine andere Sache. Es gibt Vorbereitungskurse, da es schwierig ist, den Stoff nach so langer Zeit selber zu erarbeiten. Der Frauenanteil ist bei der gestalterischen BM mehr als die Hälfte, bei der technischen sehr klein 1 2. Das KV hat eine schwache BM-Quote, da die Banken die Leute nach der BM intern weiterbilden. (EBMS21) Die grösseren Lehrbetriebe unterstützen die BM, kleinere sind vielleicht eher froh, wenn die Lehrlinge mehr im Betrieb arbeiten. Dabei sollten doch alle ein Interesse an Leuten mit guter Ausbildung haben für den Nachwuchs. (EBer20) Fachhochschulen Das neue Berufsbildungssystem ist sehr durchlässig, man kann mit der Lehre anfangen, die Berufsmatur machen und eine Fachhochschule besuchen oder auch eine zweite Lehre machen, das gibt es oft, weil sie vielleicht eine bessere Chance wollen. (EBer20) Über die BM gibt es viele Varianten der Weiterbildung. Nach der gestalterischen BM hat man fast keine Chance, an eine Kunstgewerbeschule zu kommen. Die Aufnahmeprüfungen sind hart und sie nehmen nur wenige. Bei der technischen und naturwissenschaftlichen Richtung kann man direkt an eine Fachhochschule. Ein Bauingenieur (Tech) ist schon früher drin im Arbeitsumfeld als an der ETH. Es gibt heute ein so grosses Angebot im Bereich Fachhochschulen, welche Schülerinnen und Schüler brauchen, dass man das Niveau nicht halten kann und die Anforderungen sinken. (EBMS21) Wir haben genug Akademiker. Immer mehr Maturanden machen nun ein Zwischenjahr mit Praxis und gehen dann an eine Fachhochschule anstatt zu studieren. Früher kam das nicht infrage. (EBer20) Wichtig ist für uns eine starke HTW. Es sollte eine Fachhochschule Ostschweiz geben als Verbund (von 7 schweizerischen). Die Zusammenarbeit ist eine Krux. Mit Buchs wird bereits ein gemeinsamer Studiengang angeboten. (EBMS21) Duales Bildungssystem Das Bekenntnis zum dualen System ist im Kanton schon gegeben, das ist gut. (EBMS21) Ich persönlich finde es super, wie transparent heute das System ist. Ich würde heute vielleicht eher eine Lehre und eine Fachhochschule machen oder eine Passerelle und ein Studium. Ein praktischer Beruf mit Abschluss, auf den man immer wieder zurückkommen kann, ist fantastisch, wenn man

86 168 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 169 eher ein Praktiker ist und nicht in die Forschung will. Es braucht 1 2 Generationen, bis das bekannt ist. Das duale System ist hervorragend und international ein Marktvorteil. (EChef12) Heutige Jugendliche Heute sind die Jugendlichen viel mehr Reizen ausgesetzt als früher und es ist für sie schwieriger, den Weg zu finden, es ist nicht ihre Schuld. Die Jugendlichen sind heute verwöhnt, was die Lebensqualität betrifft. Sie sind auch immer und überall durch elektronische Medien erreichbar. Sie sind aber nicht unbedingt fauler. (EChef12) Wir hören oft, die Exaktheit in der Arbeit habe nachgelassen. Wir wurden noch gedrillt mit Schönschreiben. Dran bleiben, bis es gut ist, fehlt heute etwas. Heute ist man vielleicht weniger bereit, hineinzuknien. Dafür haben sie heute andere Kompetenzen, z. B. kommunikative. Wir hätten früher nie so locker eine Präsentation vor der Klasse machen können wie heute. Das Auftreten ist besser. (EBMS21) Im Bereich Unternehmertum haben wir ein Manko. Da sind Biss, Hartnäckigkeit, Risikobereitschaft und Leidensbereitschaft gefragt. Da rede ich von einer gewissen Verweichlichung. Dies betrifft noch nicht die Lehrlinge, sondern Studierende und Berufsleute. Die erforderlichen Fähigkeiten kann man aber in der Schule fördern. Es geht weniger um das Fachwissen als um den Charakter, Mut und Willen, etwas Schwieriges anzugehen. Für Innovationen braucht es Persönlichkeiten mit Fähigkeiten, die in der Schule oft unterdrückt werden. Bei uns werden Softfaktoren angeschaut für die Lehre. Doch auch Durchhaltevermögen, Selbständigkeit, Planen, Umgang mit Kritik usw. sind wichtig. (EChef12) Der jetzigen jungen Generation ist von den Eltern viel geboten worden. Sie sind selbstbewusst, wollen im Team arbeiten, gut verdienen, keine Hierarchiestufen. Sie sind auch etwas verwöhnt, fordern viel, wollen gute Bedingungen, Freizeit, wann sie wollen. Früher war man froh, wenn man etwas bekam und etwas machen konnte. Jetzt sind sie anders und wir haben sie so erzogen. Die Jugendlichen sind heute selbstbewusster, offener, sagen ihre Meinung. Früher waren viele schüchterner. Sie lernen heute, hinzustehen und etwas zu sagen. Früher arbeitete man einfach und wehrte sich nicht. (EBer20) Die Eltern reden heute viel mehr mit, auch bei uns und bei den Lehrbetrieben. Wir haben Betriebe, die sagen, am schlimmsten seien die Eltern. Sie rufen ständig an und klagen, ihr Kind habe es so streng. Sie möchten, dass die Kinder es besser haben als sie. Die Eltern spielen eine wichtigere Rolle als man meint. (EBer20) Jede Generation ist anders. Manchmal frage ich mich schon, ob sie spinnen, wenn ich sehe, wie die Mädels im Ausgang herumlaufen, fast nackt. Wir haben klare Regeln in der Schule: Wir kleiden uns so, wie wir am Arbeitsplatz erscheinen würden. (EBWS30) Jugendliche mit Migrationshintergrund Bei schwächeren Schülerinnen und Schülern und jenen mit Migrationshintergrund gibt es immer noch Probleme. Jugendliche mit Migrationshintergrund finden wegen ihres Namens noch immer schlechter eine Stelle als andere, auch wenn sie fähig sind. Sie werden oft schon bei den Bewerbungen für die Schnupperlehre ausgeschieden. Es sind Vorurteile vorhanden. Oft sind diese Jugendlichen aber sehr motiviert und fleissig. Sie haben einen starken Willen und sind erfolgshungrig. Sie möchten gut sein und die Eltern möchten auch, dass sie die Möglichkeiten nutzen, um hier leben zu können. Die Betriebe, die sie genommen haben, nehmen immer wieder solche, das ist interessant. Eigentlich sollten sie es weiter empfehlen. Jetzt ist die Situation auch für diese Jugendlichen besser als vor zehn Jahren. (EBer20) Wir haben Schülerinnen und Schüler aus allen Ländern. Der Ausländeranteil ist hoch, etwa zwei Drittel. Es gibt auch solche, die ohne Lehre einfach arbeiten wollen, etwa Portugiesen, die ins Gastgewerbe gehen oder auf den Bau. Das gehört zu ihrer Mentalität, sie wollen ohne lange Ausbildung schnell arbeiten gehen und Geld verdienen. Das kommt von den Eltern her. (EBWS30) Situation in Graubünden Die Geburtenzahlen schwanken. In den Zentren steigen sie eher, doch in den Talschaften ist es schwierig. Für die Berufsschule kommen eh alle zu uns, aber die öffentlichen Schulen in den Randregionen haben ein Problem. Lehrstellen verschwinden und auch entsprechende Arbeitsplätze. Es gibt eine Abwanderung in die Zentren, auch weg von Graubünden. Gewisse Spektren wie Maschinenbau findet man vor allem auswärts. (EBMS21) Aus den Südtälern gehen die Jugendlichen für die Lehre meistens ins Engadin. Jene aus dem Misox gehen eher ins Tessin, es gibt ein Abkommen. Der Standort ist sehr wichtig. Ein Nachteil ist es, wenn jemand in einer Randregion die BMS machen will und 2 Tage in Chur die Schule besuchen soll. Dann sind sie noch länger fort. Die BM fürs KV kann man auch in Ilanz oder Samedan machen. (EBer20)

87 170 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 171 Wir haben in Chur sieben italienischsprachige Schülerinnen und Schüler aus den Südtälern, so viel wie noch nie. Sie wohnen in der Casa Florentini oder im Konvikt. Am Freitag Nachmittag reisen sie heim. (EBWS30) Italienisch Mit dem Italienisch an der BM sind wir überhaupt nicht glücklich. Wenn Graubünden eine Insel wäre, wäre es perfekt, aber das sind wir nicht. Die Dreisprachigkeit ist gut und recht, aber in der Praxis funktioniert es nicht. (EBMS21) 6.2 Zusammenfassung Interviews Experten Berufslehre oder Gymnasium Das Gymnasium hat noch immer einen hohen Status. Trotz geburtenschwacher Jahrgänge so erscheint es den Experten werden die Klassen gefüllt. Das Niveau kann dadurch als Kettenreaktion in allen Schulen der Sekundarstufen II sinken. Eine Lehre mit Berufsmatur ist strenger als das Gymnasium. Die Berufsschulen kämpfen um Schülerinnen und Schüler, damit die Klassen weiter bestehen können. Bei einem Abbau müssten ausserkantonale Schulen besucht werden, was für die Randregionen ein Problem wäre. Das duale System mit Berufs praxis und Möglichkeiten zur Weiterbildung ist sehr gut. Die Vorteile sind noch nicht überall bekannt. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Berufswahl bzw. eine Lehre als Alternative zum Studium sollte auch im Gymnasium ein Thema sein. Berufswahlkunde auf der Oberstufe Die Unterschiede in der Berufswahlvorbereitung sind sehr gross und hängen vom Engagement der Lehrpersonen ab. Die Oberstufenlehrpersonen haben studiert und deshalb keine eigene Erfahrung mit der Berufslehre. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Der Berufswahlunterricht sollte mehr geregelt sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen mehr begleitet werden. Werbung Auf dem Lehrstellenmarkt wird vermehrt mit Werbung um die Lernenden gekämpft. Sie werden zu Berufsmessen wie Fiutscher, Tage der offenen Tür, Betriebsbesichtigungen und Schnuppertagen eingeladen. Lehrverträge bzw. Vorverträge werden sehr früh abgeschlossen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Die Zusammenarbeit von Lehrpersonen und Betrieben könnte verbessert werden. Einflüsse auf die Berufswahl Heute haben die Jugendlichen mehr Lehrstellen zur Auswahl, können sich für die Berufswahl mehr Zeit nehmen und müssen weniger Bewerbungen

88 172 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 173 schreiben. Den grössten Einfluss auf die Berufswahl haben die Eltern. Der Standort und Weiterbildungsmöglichkeiten spielen auch eine Rolle. Von Bedeutung sind zudem das Betriebsklima und die Person der Berufsbildenden. Manchen Jugendlichen fehlt die nötige Reife für die Berufswahl. Sie sind noch nicht dazu bereit. Schnupperlehre In der Realschule wird mehr Zeit zum Schnuppern zur Verfügung gestellt als in der Sekundarschule. Meist wird eine schriftliche Bewerbung verlangt. Das professionelle Vorgehen ist eine gute Lebensschule. Beliebte und weniger beliebte Berufe An erster Stelle bei der Berufswahl steht mit Abstand der Modeberuf KV, gefolgt von Informatik, Mediamatik, zeichnerischen und grafischen Berufen. In diesen Richtungen gibt es wenige Lehrstellen. Technische und handwerkliche Berufe werden weniger gewählt. In gewissen Berufen, in denen die Ansprüche gestiegen sind, herrscht Lehrlingsmangel. Das Handwerk hat in der Gesellschaft kein hohes Ansehen. Nur schwächere Schüler werden Handwerker. Trotz guter Information sind teilweise falsche Vorstellungen vorhanden, da viele Berufe heute nicht mehr sichtbar sind. Es werden hauptsächlich traditionelle Frauen- und Männerberufe gewählt. Es braucht Selbstbewusstsein und Mut, um einen ungewöhnlichen Beruf zu wählen. Das zweijährige Berufsattest ermöglicht auch schwächeren Jugendlichen eine Ausbildung. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: «Versteckte» Berufe sollten besser vermittelt werden. Gute Handwerker sind gefragt, sie sollten mehr verdienen. Das Interesse an Technik soll bereits im Kindergarten und in der Grundschule gefördert werden, auch bei Mädchen. Frauenspezifische Berufe könnten durch Lohnerhöhung auch für Männer attraktiv sein. In typischen Männerberufen sollten Teilzeitstellen angeboten und Frauen als Vorbilder gezeigt werden, um auch Frauen anzusprechen. Letztes Schuljahr Nach frühem Abschluss des Lehrvertrags lassen die Leistungen in der 3. Oberstufe Sek I oft nach. Das letzte Schuljahr ist zu wenig attraktiv. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Lehrverträge sollten nicht zu früh ausgestellt werden. Lehrbetriebe sollen das letzte Zeugnis verlangen, damit die Schülerinnen und Schüler dran bleiben. 10. Schuljahr Trotz des grossen Lehrstellenangebots ist der Bedarf nach Brückenangeboten vorhanden. Das 10. Schuljahr besuchen Jugendliche, die keine passende Lehrstelle gefunden haben, noch nicht wissen, was sie lernen wollen oder schulische Defizite haben. Sie werden dabei reifer und selbständiger. Betriebe/Berufsbildende Die Erträge der Lernenden während der Lehre werden immer wieder diskutiert. Wer die BMS während der Lehre macht, hat etwas mehr Schulunterricht und arbeitet weniger im Betrieb. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Die Berufsverbände und Betriebe sollten Interesse an gut ausgebildetem Nachwuchs (z. B. BMS) haben, auch wenn der Ertrag nicht so gross ist. Berufsbildende sollten Freude an Jugendlichen haben. Zeugnis Berufsbildende haben Mühe, die Zeugnisse mit Niveaustufen zu lesen, obwohl eine Erklärung dazu vorhanden ist. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Berufsbildende könnten vermehrt mit den Oberstufenlehrpersonen Kontakt aufnehmen und Informationen über die Bewerber einholen. Schülerinnen und Schüler sollten nicht aufgrund des Zeugnisses abgestempelt werden. Sie können sich weiter entwickeln und reifen und verdienen eine Chance. Tests Die Betriebe trauen den Schulnoten immer weniger und verlangen vermehrt für die Bewerbung Tests, die viel kosten. Sie sind aber nur eine Momentaufnahme. Andere wichtige Kompetenzen werden nicht berücksichtigt.

89 174 B Qualitativer Teil mit Interviews 6. Interviews mit Expertinnen und Experten 175 Berufsschule Das Basiswissen wird in der Oberstufe zu wenig intensiv geübt. Es fehlen oft mathematische Grundkenntnisse. In der BMS nach der Lehre ist es noch schwieriger, den Stoff nachzuholen. Auch die Sprachkompetenz hat abgenommen in Bezug auf Stil, Grammatik und Orthographie. Manche Lernende schaffen das Qualifikationsverfahren nicht beim ersten Versuch. Sie können die Prüfung wiederholen. Situation in Graubünden Die Abwanderung aus den Randregionen in die Zentren und aus Graubünden ist ein Problem. In gewissen Berufen verschwinden Arbeitsplätze und auch Lehrstellen. Für Lernende aus den Randregionen, die die BMS machen wollen, ist der weite Weg nach Chur ein Nachteil. Das Italienisch als Pflichtfach in der BMS erschwert die Zusammenarbeit mit anderen Kantonen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: Auf der Oberstufe sollten mathematische und sprachliche Grundkenntnisse mehr geübt werden. Berufsschullehrpersonen und Sekundarlehrpersonen sollten sich mehr austauschen bezüglich des Niveaus der Aufnahmeprüfungen für die BMS. Berufsmaturität/Fachhochschulen Der Anteil Lernender, die die BMS während der Lehre wählen, nimmt eher ab, die Tendenz geht zur BM 2 nach Lehrabschluss. Die Einsatzbereitschaft ist unterschiedlich. In der technischen BMS ist der Frauenanteil sehr klein. Mit der BM gibt es viele Möglichkeiten der Weiterbildung. Wenn die Fachhochschulen zu wenig Studierende haben, sinken die Anforderungen. Heutige Jugendliche Die Jugendlichen sind vielen Reizen ausgesetzt. Es fehlt oft an Ausdauer. Sie sind verwöhnt, dafür haben sie andere Kompetenzen wie besseres Auftreten und gute kommunikative Fähigkeiten. Sie sind selbstbewusst, fordern viel und wollen gute Bedingungen. Jugendliche mit Migrationshintergrund haben immer noch aufgrund ihres Namens Mühe, eine Lehrstelle zu finden, auch mit guten Leistungen. Oft sind sie sehr fleissig und motiviert. Die Betriebe machen gute Erfahrungen. Ein kleiner Teil der Jugendlichen will ohne Lehre schnell Geld verdienen. Grundlegende Aussagen, Wünsche und Forderungen der Experten: In der Schule sollen nicht nur Fachwissen und Softfaktoren, sondern auch unternehmerische Fähigkeiten wie Selbständigkeit, Planung, Durchhaltewillen usw. gefördert werden. Vorurteile gegenüber Jugendlichen mit Migrationshintergrund müssen abgebaut werden.

90 177 C QUANTITATIVER TEIL MIT FRAGEBOGENERHEBUNG

91 1. Allgemeine Fragestellung und Ziel der quantitativen Erhebung Allgemeine Fragestellung und Ziel der quantitativen Erhebung Dieser Teil der Publikation will aufzeigen, was der Übergang von der obligatorischen Schule in die Berufslehre für die Jugendlichen bedeutet. Die zentralen Fragestellungen lauten: Wie werden in Graubünden Jugendliche auf das Berufsleben vorbereitet? Wie informieren sie sich über die vielfältigen Möglichkeiten der Berufsbildung? Wie vollziehen Jugendliche den Übergang von der Schule in die Berufsbildung, welche Probleme können auftauchen? Welche Hilfen nehmen sie in Anspruch (Eltern, Freunde, Berufsberater usw.)? Werden Schulabgänger genügend auf das Arbeitsleben der technischen Berufe vorbereitet? Verfügen Schulabgänger (Sek l) über genügend Lernstrategien, damit sie die Berufslehre ohne grössere Problem bestehen können? Vom vorhergehenden Teil unterscheidet sich Teil C durch die Methode, indem hier mit einer Online-Fragebogenerhebung statt mit qualitativen Interviews gearbeitet wurde. In einem ersten Schritt stellen wir die Resultate vor, die sich bei der Befragung der Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I ergeben haben. Im zweiten Schritt stellen wir vor, wie die sich bereits in der Lehre befindlichen Lernenden geäussert haben.

92 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Alle Oberstufenschulleiter im Kanton Graubünden wurden mit der Bitte angeschrieben, die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse an einer webbasierten Umfrage teilnehmen zu lassen. Das Ziel dieser Umfrage war, ein Bild über die Berufswahlvorbereitung zu gewinnen. Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf Daten von rund 160 Jugendlichen der 9. Klasse aus dem Kanton Graubünden. Es haben sich rund 40 Prozent Schülerinnen und 60 Prozent Schüler beteiligt. 62 Prozent der Befragten sind Realschüler und Realschülerinnen und 38 Prozent Sekundarschülerinnen und Sekundarschüler. Dieses Verhältnis von männlich/weiblich und Niveau Real/Sek muss bei der Auswertung der folgenden Daten immer mitberücksichtigt werden.

93 182 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Allgemeines Der grösste Anteil, nämlich 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler, gibt Deutsch als Muttersprache an. Ein Viertel der Beteiligten ist romanischsprachig und etwas über 7 Prozent sind italienischer Muttersprache. Knapp 23 Prozent haben eine andere als die kantonalen Sprachen angegeben (Abbildung 4). Die Resultate betreffend Erstsprache unserer Erhebung stimmen nicht mit jenen der Bündner Bildungsstatistik (BISTA) überein (Abbildung 5), was auch nicht verwunden darf. Die BISTA erfasst den ganzen Kanton, unsere Erhebung nur diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich freiwillig an unserer Umfrage beteiligt haben. Abbildung 5: Lernende an Berufsschulen nach Erstsprache im Schuljahr 2012/13. ( Mit 82 Prozent ist der Anteil der Abgängerinnen und Abgänger, die sich für eine Berufslehre entschieden haben, der grösste. Rund 10 Prozent machen von einem Brückenangebot Gebrauch und 2 Prozent steigen direkt (ohne Berufslehre) in das Arbeitsleben ein (Abbildung 6). 14 Prozent der Befragten absolvieren während der Berufsbildung die Berufsmatura. Abbildung 4: Muttersprache der InformantInnen Welcher Bildungsweg steht dir nach dem 9. Schuljah r bevor? (n = 164) Abbildung 6: Bildungsweg nach der obligatorischen Schule Wie sieht es Ende Mai 2013 mit den abgeschlossenen Lehrverträgen aus? Die Sekundarschüler weisen mit etwas über 80 Prozent abgeschlossenen Lehrverträgen, gegenüber de n Realschülern mit knapp 80 Prozent abgeschlossenen Lehrverträgen einen leichten Vorsprung auf.

94 184 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I 185 Von den Befragten, welche eine Berufslehre starten, geben 92 Prozent an, den Wunschberuf erlernen zu können. Abbildung 7: Gewählte Berufsfelder Von den 142 Schulabgängerinnen und -abgängern, welche sich für eine Berufslehre entschieden haben, steigen die meisten in eine Berufslehre im Detailhandel ein. Auf dem zweiten Platz mit 16 Jugendlichen wurde das Berufsfeld 8 17 (Wirtschaft, Verwaltung) gewählt. Platz drei wird mit 14 Jugendlichen belegt, die sich für das Berufsfeld 1 (Natur) entschieden haben. (Abbildung 7) Als Vergleich: Gesamtschweizerisch belegen die folgenden Berufe die ersten Plätze bei den im Jahr 2010 neu eingetretenen Lernenden: Platz 1 Kaufmann/Kauffrau mit Lernenden Platz 2 Detailhandelsfachmann/Detailhandelskauffrau EFZ mit 5720 Lernenden Platz 3 Fachmann/Fachfrau Gesundheit EFZ mit Lernenden (BBT, 2012, S. 15) Damit sind die zwei in Graubünden am häufigsten gewählten Berufe die gleichen wie in der gesamten Schweiz, aber in umgekehrter Reihenfolge; der Detailhandel liegt an erster Stelle. Auffallend weit vorne, nämlich an dritter Stelle, liegt das Berufsfeld 1. In dieser Gruppe sind die Berufe der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau integriert. Dieses Resultat kann aber auch mit der Anzahl und Verteilung der Rückmeldungen zusammenhängen, die wir bekommen haben. 8 Wir beziehen uns hier auf die 22 Berufsfelder gemäss Zihlmann (2013).

95 186 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Berufswahl und Zuversicht Es ist erfreulich, dass fast 80 Prozent der Befragten ihre Berufswahl als unproblematisch einschätzen. (Abbildung 8). Fast alle Befragten sehen dem Übergang in die Berufsschule gelassen entgegen. Das kann bedeuten, dass sie gut auf diesen Schritt vorbereitet wurden. (Abbildung 9). Rund ein Drittel macht sich Sorgen über die berufliche Zukunft. Dass fast alle der Meinung sind, die Berufslehre erfolgreich zu beenden, zeugt von Optimismus und Ehrgeiz. (Abbildung 10). Abbildung 9: Gelassenheit beim Einstieg in die Berufslehre Abbildung 8: Probleme bei der Berufswahl Abbildung 9: Gelassenheit beim Einstieg in die Berufslehre Abbildung 10: Zuversicht auf einen erfolgreichen Berufsabschluss Abbildung 8: Probleme bei der Berufswahl ldung 10: Zuversicht auf einen erfolgreichen Berufsabschl Abbildung 12 Abbildung 11

96 188 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Hilfe bei der Berufswahl Die Jugendlichen werden beim Berufswahlprozess haupt sächlich durch drei Akteure unterstützt: die Eltern, die Berufsberatung und die Lehrpersonen. Rund Dreivie rtel der Befragten sind mit der Hilfe ihrer Lehrperson bezüglich Berufswahlvorbereitung zufrieden (Abbildung 11). Die Eltern hatten bei 51 Prozent der Befragten einen Einfluss auf ihre Berufswahl (Abbildung 12). Es erstaunt, dass nur gerade 20 Prozent der Lernenden der Berufsberatung einen Einfluss auf ihre Berufswahl attestieren (Abbildung 13). Während die Stellungnahme der Schülerinnen und Schüler betreffend Hilfe durch Eltern und Lehrpersonen von der Fragestellung her klar war, zeigt sich bei der Rückmeldung betreffend Hilfe durch die Berufsberatung ein methodischer Mangel: Wir haben nicht erhoben, wer von den Schülerinnen und Schülern nur die gruppenweise Einführung in die Berufswahlvorbereitung im BIZ mitgemacht hat und/oder wer eine persönliche Einzelberatung genutzt hat. Die Rückmeldung ist also als Pauschalfeedback zu verstehen. Um detailliertere und aussagekräftigere Erkenntnisse zu gewinnen, müsste eine genauere Untersuchung durchgeführt werden. Mit über 80 Prozent sind die Eltern die wichtigste Hilfe bei der Berufswahl. Nur gerade 18 Prozent der Befragten haben die Lehrperson oder die Berufsberater als Person angegeben, welche bei der Berufswahl am besten geholfen haben (Abbildung 14). Die Eltern sind also die wichtigsten Bezugspersonen. Wenn es darum geht, eine Schnupper- oder Lehrstelle zu finden, wenden sich die meisten Jugendlichen an ihre Eltern. Das Interesse an der Technik scheint bei den Jugendlichen einer der wichtigsten Faktoren bei der Berufswahl zu sein, dies haben nämlich 65 Prozent angegeben. Der Faktor Lohn wirkt sich mit knapp 18 Prozent nur marginal aus (Abbildung 15). Abbildung 12: Einfluss der Eltern bei der Berufswahlvorbereitung Abbildung 13: Einfluss der Berufsberatung bei der Berufswahlvorbereitung Abbildung 11: Hilfe der Lehrperson bei der Berufswahlvorbereitung

97 190 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I 191 Abbildung 14: Soziale Hilfe bei der Berufswahl 2.4 Berufsausstellung Fiutscher 2012 hat in Chur die Bü ndner Berufsausstellung Fiutscher nach 2010 zum zweiten Mal stattgefu nden. Mit über Besucherinnen und Besuchern ist das die grö sste Berufsausstellung des Kantons. Sie wird vom Bündner Gewerbeverband organisiert. 67 Prozent der Befragten waren an der Berufsausstellung, aber nur 24 Prozent geben an, sie habe bei der Berufswahl geholfen. Auf die Frage, was am besten bei der Berufsausstellung geholfen habe, sind folgende Aussagen gefallen: Man kann Berufe besser kennen lernen. Man kann Berufe ausprobieren, die man nie erlernen würde. Es gab Informationen über meinen Beruf, die ich noch nicht wusste. Abbildung 15: Soziale Hilfe bei der Berufswahl Abbildung 15: Beeinflussungsfaktoren bei der Berufswahl Abbildung 16 Man hat in vielen Berufen einen kleinen Einblick bekommen und Informationsmaterial mitnehmen können. Mir haben die ausführlichen Informationen im Gastronomiebereich sehr geholfen. Es gab schöne Werbegeschenke. Man hatte keine Schule. bbildung 17 Abbildung 14: Beeinflussungsfaktoren bei der Berufswahl

98 192 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Eignungstests 42 Prozent der Schulabgänger mussten für die Lehrstelle einen Eignungstest absolvieren, wovon rund die Hälfte einen firmeneigenen Test (Abbildung 1 6). Der Kompass- und der Stellwerktest scheinen in Graubünd en nicht bekannt zu sein. Abbildung 17: Benachteiligung beim Eignungstest Haben romanisch- oder italienischsprechende Jugendliche einen Nachteil bei Eignungstests, weil diese in deutscher Sprache durchgeführt werden? Grundsätzlich kann man sagen: nein. Es ist jedoch zu beachten, dass nur 23 Befragte dazu Stellung nehmen konnten. Somit ist die Aussagekraft gering (Abbildung 17). Abbildung 16: Art des Eignungstests Abbildung 17: Benachteiligung beim Eignungstest Abbildung 18

99 194 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 2. Befragung Schulabgängerinnen und -abgänger Sekundarstufe I Schulische Vorbereitung auf die Berufslehre Die Schulabgängerinnen und -abgänger fühlen sich schulisch gut auf die Berufslehre vorbereitet. Im Fach Mathematik glauben über 80 Prozent gut bis sehr gut vorbereitet zu sein (Abbildung 18). Im Fach Deutsch sogar 92 Prozent (Abbildung 20). Einzig im Fach technisches Zeichnen gibt rund die Hälfte an, «nur» genügend vorbereitet zu sein (Abbildung 19). Abbildung 19: Schulische Vorbereitung im Fach technisches Zeichnen Spannend ist, dass die Resultate der Befragung bei den Berufslernenden ein anderes Ergebnis zeigen. Vgl. Unterkapitel C Abbildung 19 gebnis zeigen. Vgl. Unterkapitel 3.5. Abbildung 18: Schulische Vorbereitung im Fach Mathematik Abbildung 20: Schulische Vorbereitung im Fach Deutsch Abbildung 20: Schulische Vorbereitung im Fach Deutsch

100 3. Ergebnisse Lernende GBC Ergebnisse Lernende GBC Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf Daten von rund 200 Lernenden der Gewerblichen Berufsschule Chur (GBC). An der Befragung haben sich 18 Prozent Frauen und 82 Prozent Männer aus dem ersten und zweiten Lehrjahr an der GBC beteiligt. Es sind Lernende aus 12 verschiedenen Berufen. 15 Prozent der Befragten absolvieren während der Lehre gleichzeitig die Berufsmatura.

101 198 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC Vorbildung 63 Prozent der Befragten haben vor dem Lehreinstieg die Sekundarschule besucht und 23 Prozent die Realschule. Nur gerade 5 Prozent haben ein Brückenangebot absolviert und 4 Prozent waren im Gymnasium. Die restlichen 5 Prozent geben an, eine andere Schule besucht zu haben (Abbildung 21). Abbildung 21: Vorbildung beim Einstieg in die Berufslehre 3.2 Benachteiligung von romanisch- oder italienischsprechenden Lernenden Der grösste Teil, nämlich knapp 81 Prozent der Befragten, haben Deutsch als Muttersprache angegeben. Knapp zwölf Prozent Rätoromanisch, zwei Prozent Italienisch und die Restlichen diverse andere Sprachen, Wie sieht es bei den befragten Lernenden mit nicht deutscher Muttersprache aus? Der Fachunterricht an der GBC wird zum grössten Teil in Deutsch abgehalten (vereinzelt auch in Englisch). Von den romanisch- und italienischsprechenden Lernenden fühlen sich 22 Prozent benachteiligt. 30 Prozent geben an, gegenüber Deutschsprechenden eher nicht benachteiligt zu sein. Die Restlichen fühlen sich überhaupt nicht benachteiligt (Abbildung 22). Die Auswertung besagt, dass die Lehrpersonen an der GBC Verständnis zeigen, wenn nicht deutschsprachige Lernende sich in Deutsch nicht gut ausdrücken können. Die Grafik zeigt, dass rund 85 Prozent der deutsch- und romanischsprachigen Befragten ein Verständnis der Lehrpersonen bejahen (Abbildung 23). 23 Abbildung 22: Sprachliche Benachteiligung der romanisch- und italienischsprechenden Lernenden bildung 22: Sprachliche Benachteiligung der romanisch- u

102 200 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC 201 Abbildung 23: Verständnis der Lehrpersonen für nicht deutschsprechende Lernende 3.3 Berufswahl und Berufswahlvorbereitung 92 Prozent der Befragten finden, sie seien gut bis sehr gut auf die Berufswahl vorbereite t worden. Mit der Hilfe der Oberstufenlehrpersonen bezüglich Berufswahlvorbereitung geben rund dr ei Viertel an, sie seien zufrieden (Abbildung 24). Welchen Einfluss hatten die Eltern bei der Berufswahl? Wie die Auswertung zeigt, sind die Aussagen der Befragten sehr unterschiedlich. Rund 58 Prozent sagen, die Eltern hätten einen wichtigen oder eher wichtigen Einfluss auf die Berufswahl gehabt. Die Restlichen 42 Prozent attestieren den Eltern eher keinen bis gar keinen Einfluss (Abbildung 25). ng 23: Verständnis der Lehrpersonen für nicht deutschspre Welchen Einfluss hatte die Berufsberatung bei der Berufswahl? Mit fast 48 Prozent überhaupt keinen Einfluss, knapp 21 Prozent keinen Einfluss und 15 Prozent eher keinen Einfluss ist der Einfluss des Berufsberaters eher marginal (Abbildung 26). Wir betonen hier, dass die Resultate die Einschätzung der Informantinnen und Informanten widergeben. Es wäre Interessant zu überprüfen, inwiefern die Berufsberatung indirekt zur Berufswahl beigetragen hat, indem beispielsweise Denk- und Lernprozesse ausgelöst worden sind, was man will und was man nicht will, was man kann und nicht kann. Zu Abbildung 26 vergleiche man auch den Kommentar auf Seite 188 zur selben Fragestellung. Abbildung 24: Zufriedenheit mit der Hilfe der Lehrperson g 24

103 202 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC 203 Abbildung 25: Einfluss der Eltern bei der Berufswahl Abbildung 25: Einfluss der Eltern bei der Berufswahl Abbildung 26: Einfluss der Berufsberatung bei der Berufswahl 3.4 Motivation und Zufriedenheit Der grösste Teil der Befragten ist für die Ausbildung sehr motiviert. Es sind nur gerade fünf Jugendliche, welche eher nicht motiviert sind. Bei der Frage, ob sie den Wunschberuf erlernen können, sieht es sehr ähnlich aus (Abbildung 27). 96 Prozent sind mit der Berufswahl eher zufrieden bis sehr zufrieden. 92 Prozent würden den Beruf, den sie lernen auch den Freunden eher Abb empfehlen bis sehr empfehlen. Auch ist der grösste Teil der Befragten der Meinung, dass die Vorstellungen über den Beruf mit der Realität übereinstimmen. Nur gerade 7 Prozent oder 12 Personen finden, dass sie eher keine oder keine Übereinstimmung mit der Vorstellung vom Beruf gefunden haben (Abbildung 28). Abbildung 27: Zufriedenheit mit der Berufswahl Abbildung 28 Abbildung 26: Einfluss der Berufsberatung bei der Berufswahl Abbildung 27: Zufriedenheit mit der Berufswahl Abbildung 28: Übereinstimmung Berufsvorstellung und Realität Abbildun

104 204 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC Schwierigkeiten in der Berufsschule Rund drei Viertel der befragten Lernenden an der GBC geben an, sie seien in der Berufsfachschule gerade richtig gefordert. Aufgerundete 18 Prozent sind überfordert und 7,5 Prozent unterfordert (Abbildung 29). 7,5 Prozent besuchen einen zusätzlichen Stützunterricht. 80 Prozent davon geben an, sie würden vom Stützunterricht profitieren. Abbildung 30: Fachspezifische Schwierigkeiten in der Berufsfachschule Abbildung 29 Abbildung 29: Anforderungen der Berufsfachschule Abbildung 30: Fachspezifische Schwierigkeiten in der Berufsfachschule Abbildung 31: Fachspezifische 30: Fachspezifische Optimierungs-Vorschläge Schwierigkeiten für die in der obligatorische Berufsfachschule Schule Abbildung 29: Anforderungen der Berufsfachschule Die grössten Schwierigkeiten, nämlich mit rund 36 Prozent, bekunden die Lernenden im Fach Mathematik (Abbildung 30). Rund 48 Prozent der Befragten geben denn auch an, dass in der Oberstufe mehr für das Fach Mathematik gemacht werden müsste Abbildung (Abbildung 3031). Über 84 Prozent der Lernenden finden Mathematik das wichtigste Fach als Einstieg für die Berufsfachschule. Erstaunlich ist, dass Abbildung beim Austritt 31 aus der Sekundarstufe I (vgl. Unterkapitel C-2.6) die Mehrheit der Austretenden der Meinung ist, sie sei in Mathematik gut auf die weiterführende Stufe vorbereitet. Abbildung 31: Fachspezifische Optimierungs-Vorschläge für die obligatorische Abbildung 32

105 206 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC Schulweg in die Berufsfachschule Knapp 42 Prozent der Lernenden geben an, sie hätten weniger als eine halbe Stunde für den Weg in die Berufsschule. Rund 29 Prozent bis zu einer Stunde und 15 Prozent bis 1,5 Stunden. 8,6 Prozent müssen einen Schulweg von bis zu zw ei Stunden und 5 Prozent mehr als zwei Stunden für den Schulweg einplanen (Abbildung 32). Wie kommen die Lernenden mit dem langen Schulweg klar? Hier sind nur diejenigen befragt worden, bei denen ein Schulweg länger als eine Stunde dauert. Das Resultat zeigt, dass 12 Personen einen über zweistündigen Schulweg auf sich nehmen müssen, davon fühlen sich 8 Personen gestresst. Bei 19 Personen dauert der Schulweg zwischen eineinhalb und zwei Stunden, was von 12 Personen als Belastung empfunden wird. Bei jenen, die für den Schulweg zwischen einer und eineinhalb Stunden brauchen, fühlen sich 14 von 31 davon gestresst. Abbildung 32: Einfluss eines langen Schulweges 3.7 Lernstrategien Wer über gute Lernstrategien verfügt, ist klar im Vorteil. Der Umfang und der Einsatz des lernstrategischen Repertoires sind entscheidend für den Lernerfolg. Wie schätzen die Lernenden an der GBC die Kompetenz der eigenen Lernstrategien ein? Als Basis für die Befragung dient hier die Einteilung der Lernstrategien von Metzger (2006, S. 10). Das Resultat: 81 Prozent der Befragten geben an, über genügend Lernstrategien zu verfügen. Die Abbildungen auf der nächsten Seiten zeigen die eigenen Eischätzungen der Lernenden bezüglich Lernstrategien auf. Die Befragten mussten sich zu den genannten Strategien selber eine Note zwischen 1 und 6 geben. Die Ziffern beziehen sich auf das in der Schweiz übliche Notensystem Prozent der befragten Lernenden sind in der Berufsfachschule motiviert, 6 Prozent sogar sehr motiviert. 37 Prozent sind immerhin noch genügend motiviert. Das bedeutet, dass knapp 14 Prozent der Befragten wenig oder gar nicht motiviert sind und sich nicht gross Mühe geben beim Lernen (Abbildung 33). Im Vergleich zur Motivation sieht es mit der Zeitplanung für das Lernen schlechter aus. Mit dem Zeitmanegament haben nur knapp 5 Prozent keine Mühe. 22 Prozent der Befragten geben sich die Note 5 und 36 Prozent eine 4, was soviel wie mit «gerade genügend» gleichzusetzen ist. 37 Prozent der Befragten geben an, sie hätten Mühe mit der Zeitplanung (Abbildung 34). Die Angaben zur Konzentration während des Unterrichts lassen sich wie folgt zusammenfassen: Rund 11 Prozent geben sich die Note 6, rund 46 Prozent die Note 5. Das würde bedeuten, dass rund 57 Prozent der Befragten gut bis sehr gut im Unterricht aufpassen. Immerhin 28 Prozent erteilen sich die Note 4. Die Summe der Ungenügenden Selbstbeurteilungen macht 18 Prozent aus. (Abbildung 35). Beim Erkennen von Wesentlichem geben sich fast 12 Prozent der Befragten die Note 6. Knapp 58 Prozent geben sich eine 5. Somit geben 70 Prozent der Lernenden an, gut bis sehr gut das Wichtige beim Lesen oder im Unterricht zu erkennen. 23 Prozent geben sich die Note 4, was noch genügend ist. Die restlichen 7 Prozent behaupten, ungenügende Leistungen in dieser Strategie vorzuweisen (Abbildung 36). Wie sieht es mit der Behaltensquote aus? 11 Prozent der Lernenden geben sich die Note 6. Knapp 51 Prozent die Note 5 und 27 Prozent die Note 4. Somit 9 1 = sehr schlecht, 2 = schlecht, 3 = ungenügend, 4 = genügend, 5 = gut, 6 = sehr gut.

106 208 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC 209 geben nur rund 10 Prozent der Befragten an, ungenügende Leistungen bei der Informationsverarbeitung zu haben (Abbildung 37). Abbildung 34: Zeitplanung als Lernstrategie 87 Prozent der Lernenden schätzen sich selber so ein, dass sie über genügend Prüfungsstrategien verfügen. Nur gerade 13 Prozent geben an, über ungenügende Prüfungsstrategien zu verfügen (Abbildung 38). 37 Obwohl fast zwei Drittel der befragten Lernenden über genügend Selbstdisziplin beim Lernen verfügen, geben sich nur gerade 4 Prozent die Bestnote in der Strategie der Selbstkontrolle an (Abbildung 39). Abbildung 38 Abbildung 39 Abbildung 33: Motivation als Lernstrategie (Skala 1 6, wie bei Schulnoten in der Schweiz) Abbildung 35: Konzentration als Lernstrategie 33: Motivation als Lernstrategie (Skala 1-6, wie bei Schuln

107 210 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 3. Ergebnisse Lernende GBC 211 Abbildung 36: Wesentliches Erkennen als Lernstrategie Abbildung 38: Prüfungsvorbereitung als Lernstrategie bbildung 36: Wesentliches Erkennen als Lernstrategie Abbildung 37: Informationsverarbeitung als Lernstrategie Abbildung 39: Selbstkontrolle als Lernstrategie ldung 37: Informationsverarbeitung als Lernstrategie

108 4. Zusammenfassung und Kommentar für den empirischen Teil Zusammenfassung und Kommentar für den empirischen Teil Der Übergang von der obligatorischen Schule zu den verschiedenen Bildungsangeboten der Sekundarstufe II ist und bleibt eine wichtige Weichenstellung für die Jugendlichen. Die 82 Prozent der Bündner Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die eine Berufslehre beginnen, stellen im gesamtschweizerischen Vergleich (73 Prozent) einen sehr hohen Wert dar. Bei unserer Befragung sind jedoch die Schülerinnen und Schüler nicht berücksichtigt worden, die das Untergymnasium besuchen. Rund 14 Prozent der Schulabgängerinnen und -abgänger und 15 Prozent der befragten Lernenden machen während der Berufslehre gleichzeitig die Berufsmatura. Schweizweit lag diese Quote 2010 bei 12,8 Prozent (BBT, 2012, S. 16), womit Graubünden etwas über dem Durschnitt liegt. (Vgl. Abbildung 56 und Abbildung 57) Zufriedenheit Jugendliche mit guten Schulleistungen und klaren Berufsvorstellungen machen heute ihren Weg. Die Bündner Jugendlichen sind zum grössten Teil sehr glücklich mit der Berufswahl; 92 Prozent der befragten Schulabgängerinnen und -abgänger (Sekundarstufe l) geben an, sie würden den Wunschberuf erlernen. Bei den befragten Lernenden (Sekundarstufe ll) sieht es noch besser aus, dort geben nämlich 96 Prozent an, mit der Berufswahl zufrieden zu sein. Sie geben an, dass sie ihren Wunschberuf erlernen können. Als Vergleich: eine Studie der Jacobs Foundation zeigt auf, dass in der Westschweiz 20 Prozent der Lernenden mit der Lehrstelle unzufrieden sind, während im Tessin und in der Deutschschweiz nur zehn Prozent von ihrer Ausbildung enttäuscht sind (Nock 2013, S. 18). Zusammengefasst kann man sagen, dass Lernende der GBC im Kanton Graubünden sehr zufrieden sind mit der Lehrstelle. Arbeitszufriedenheit ist ein zentraler Indikator für Arbeitsmotivation und steht in engem Zusammenhang mit Effektivität, Leistungsbereitschaft. Unterstützung bei der Berufswahl Im Nachhinein hätten wir die Fragestellung zur Bedeutung der Berufsberatung methodisch differenzierter gestellt. Wir hätten unterschieden zwischen Schülerinnen und Schülern, die die klassenweise Einführung in die Berufswahlvorbereitung mitgemacht haben und solchen, die eine persönliche Beratung mit differenzierter Abklärung erfahren haben.

109 214 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 4. Zusammenfassung und Kommentar für den empirischen Teil 215 Dennoch ist erstaunlich, dass die Berufsberatung bei der Berufswahl einen sehr geringen Einfluss hat. Als Verbesserungsvorschlag könnte eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Ausbildungsbetrieb, dem Berufsbildungsamt (Berufsberater) und den Schulen gesehen werden. Es wäre sicher auch sinnvoll, einmal abzuklären, welche Erwartungen die Jugendlichen gegenüber der Berufsberatung haben. Vielleicht erwarten sie pfannenfertige Lösungen, die eine Berufsberatung nicht bieten kann und soll. Die Zusammenarbeit der obligatorischen Schule mit den Betrieben findet nur selten statt. Um die Zusammenarbeit der Beteiligten zu fördern, könnten jährlich regionale Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen Lehrmeister (aus verschiedenen Branchen), Berufsberater, Lehrpersonen der Oberstufe und der Berufsfachschulen zu einem Podiumsgespräch einladen. Solchen Diskussionen könnten Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe l beiwohnen und Fragen stellen. Solche Veranstaltungen müssten von den verschiedenen Gewerbeverbänden unterstützt werden. Guten Schülerinnen und Schülern müssen bereits in der Oberstufe die Berufsmatura schmackhaft gemacht und die Vorteile der Weiterbildung nach der Grundbildung aufgezeigt werden. Ein wichtiges Ziel der schulischen Bildung ist die Vorbereitung auf die berufliche Tätigkeit. Als Berufsschullehrperson macht man sich Gedanken, wenn Lernende sagen: «Unser Sekundarlehrer hat uns links liegengelassen, als er merkte, dass wir nur eine Berufslehre machen wollen. Das Ziel der Lehrperson war es, dass möglichst viele Schüler die Aufnahmeprüfung in die Kantonsschule schaffen.» Solche oder ähnliche Aussagen hören die Berufsfachschullehrer ab und zu. Oberstufenlehrer wissen oft zu wenig, was in den Betrieben läuft. Es ist auch nicht möglich, von über 230 Berufen detailliert Kenntnisse zu haben. Es ist wünschenswert, dass die Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe die Berufswelt nicht nur durch Lesen und Hören, sondern in der Praxis kennen lernen. Das kann nur umgesetzt werden, wenn sie die Möglichkeit haben, in den Betrieben zu schnuppern. Für Schülerinnen und Schüler, die sich für eine Berufsbildung interessieren, ist es ein Muss, dass sie die Möglichkeiten haben, in einem Betrieb zu schnuppern. Von den befragten Schulabgängern, welche die Berufsschau Fiutscher in Chur besucht haben, gibt rund ein Viertel an, die Schau habe bei der Berufswahl geholfen. Das scheint vielleicht wenig, aber es zeigt auch auf, dass der Berufswahlprozess nicht an einem Tag abgeschlossen werden kann. Vielleicht haben die Jugendlichen einfach zu hohe Erwartungen an solche Berufsausstellungen. Um dem entgegen zu wirken, müssen die Jugendlichen in der Sekundarstufe l sehr gut auf den Besuch der Berufsausstellung vorbereitet werden. Das kann z. B. sein, dass die Jugendlichen in der Schule konkrete Arbeitsaufträge zu einem oder mehrere Berufe erstellen müssen. Es sollte nicht sein, dass es das Ziel der Jugendlichen ist, an solchen Anlässen so viele Werbegeschenke wie möglich zu sammeln. Gerade auch für Berufe, in denen man nicht so offensichtlich erkennen kann, was produziert wird, stellt sich auch die Frage, ob eine Berufsschau das richtige Instrument ist, um Berufe vorzustellen. Interesse an der Technik wecken In den Ergebnissen (Abbildung 14) zeigt sich, dass die Jugendlichen technisch interessiert sind. Trotzdem hat es zu wenige Lernende, die einen technischen Beruf wählen. Wie könnte dieses Interesse zusätzlich gefördert werden? Eine mögliche Variante zeigt das Modell FITNA auf, das die Region Sarganserland-Werdenberg und das Fürstentum Liechtenstein aufgegleist haben. FITNA steht für Förderung der Interessen für Technik und Naturwissenschaften bei Jugendlichen. Beim Projekt geht es nicht um «Schnuppertage». FITNA will vielmehr das Interesse für Technik und Naturwissenschaften wecken und den Jugendlichen ermöglichen, vielseitige Berufsfelder zu «erleben» und selbst etwas zu produzieren. Rund 25 Unternehmen aus der Re gion Sarganserland und Liechtenstein haben sich bereit erklärt, an Workshops in den Unternehmen selbst die Besonderheiten diverser Berufe in den verschiedenen Bereichen wie Mechanik, Elektronik, Chemie, IT etc. aufzuzeigen. Unter fachkompetenter Leitung eines zuständigen Berufsbildners und unter Mithilfe der Lernenden können die Schüler bereits ab der 6. Klasse besondere Tätigkeiten des ausgewählten Berufes kennen lernen und erleben. Eignungstests und Schwierigkeiten in der Berufsfachschule Rund 18 Prozent der befragten Lernenden sind in der Berufsschule überfordert. Diese profitieren weitgehend vom zusätzlichen Stützunterricht der GBC. Der Stützunterricht in den Berufsfachschulen ist demnach wichtig und muss weiterhin durchgeführt werden. Hier stellt sich ausserdem die Frage, ob die Jugendlichen in der obligatorischen Schule genügend auf die schulischen Bedürfnisse der Berufsfachschulen vorbereitet sind oder ob sie eventuell in einen Beruf eingestiegen sind, der zu viel von ihnen verlangt. 42 Prozent der Schulabgänger mussten für die Lehrstelle einen Eignungstest absolvieren, rund die Hälfte einen firmeneigenen Test. Dies zeigt auf, dass die Lehrmeister der Notengebung der obligatorischen Schule und den stan-

110 216 C Quantitativer Teil mit Fragebogenerhebung 4. Zusammenfassung und Kommentar für den empirischen Teil 217 dardisierten Tests wenig Vertrauen schenken. Werden den Schulabgängern zu gute Noten vergeben? Abbildung 18 zeigt, dass sich 80 Prozent der Schulabgänger gut auf das Fach Mathematik vorbereitet fühlen. Gleichzeitig geben 36 Prozent der Lernenden an, im Fach Mathematik die grössten Schwierigkeiten zu haben (Abbildung 30). Fast die Hälfte der Lernenden geben an, dass in der Oberstufe besser Mathematik gelehrt werden müsste. (Abbildung 31) Dreisprachigkeit Mit nur gerade 23 Italienisch- oder Romanischsprachigen als Sample ist die Aussagekraft der Befragung relativ gering. Die Antworten zeigen aber, dass die Probanden keine Benachteiligung empfunden haben beim Absolvieren der Eignungstests. Auch im Schulalltag an der Berufsschule können sie dem Unterricht problemlos folgen. Lehrpersonen im Kanton Graubünden sind auf die Dreisprachigkeit des Kantons Graubünden sensibilisiert und so funktioniert es in den meisten Fällen recht gut. Langer Schulweg Ein langer Schulweg in die verschiedenen Berufsfachschulen des Kanton Gaubünden ist für viele Lernende zwingend und vielfach auch mit Übernachtungen in Chur verbunden. Dass dies für die Betroffenen eine zusätzliche Belastung darstellt, liegt auf der Hand. Es ist zu hoffen, dass die Verantwortlichen für die Berufsfachschulen im Kanton Graubünden die kleinen Berufsfachschulen in der Peripherie trotz kleiner Klassen aufrecht erhalten und zumindest in Chur das Spektrum der Ausbildungen nicht reduzieren. Statt Lernende in Berufsschulen ausserhalb des Kantons zu schicken, müssten besser didaktisch andere Formen gesucht werden, so etwa die Einführung von Blockunterricht. Das würde den langen Schulweg nicht verkürzen, die Lernenden müssten ihn jedoch nicht so häufig zurücklegen. Gerade mit dem Zeitmanagement haben die meisten Lernenden zu kämpfen. Auf der einen Seite trägt die Volksschule nicht überall dazu bei, dass die Jugendlichen selbstverantwortlich lernen lernen. Andererseits überfordert die neue Situation mit langem Berufsalltag und anschliessendem Lernen offenbar viele. Als Lehrperson der Berufsfachschule erlebt man häufig die Situation, dass die Lernenden über kein oder ein schlechtes Zeitmanagement verfügen. Wenn die Lernenden einen Wochenplan erstellen und parallel dazu ein Lernjournal führen müssen, führt das häufig zu einer Verbesserung der Zeiteinteilung und des Lernverhaltens. Wichtig ist jedoch, dass die Lehrpersonen das Lernjournal schrittweise einführen und den Wochenplan kontrollieren. Berufslehre und Zukunft Im Interesse aller Parteien (Lernende, Eltern, Lehrpersonen und Wirtschaft) muss alles daran gesetzt werden, möglichst allen jungen Menschen eine Berufsausbildung zu ermöglich, die für sie am besten geeignet sind. Dies nicht bloss weil der Arbeitsmarkt sie braucht, sondern auch, weil sie mit einer abgeschlossenen Lehre ein dreimal geringeres Risiko laufen, arbeitslos zu werden als Ungelernte (Minimierung der sozialen Folgekosten). Wichtig erscheint, dass die nicht-akademischen Berufe einen hohen Stellenwert behalten oder bekommen, so dass auch weiterhin gute Köpfe über die Berufslehre in die Berufswelt einsteigen wurden im Kanton Graubünden insgesamt 1839 neue Lehrverträge abgeschlossen (BFS 2012) werden es gerade noch 1500 Schülerinnen und Schüler sein, welche aus der Schule kommen (Berger, Oliver 2013 S. 37). Damit wird der Kampf um die besten Köpfe noch härter werden als heute. Lernstrategien

111 219 D ZUSAMMENFASSUNG UND AUSWERTUNG

112 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation Für die Zusammenfassung und Auswertung in Teil D gehen wir vor allem von den Inputs unserer Interviewpartnerinnen und Interviewpartner aus und stellen diesen Aussagen Angaben aus aktueller Berichterstattung und aus Fachpublikationen gegenüber. 1.1 Lehrstellenmarkt und demografische Entwicklung Die befragten Interviewpartnerinnen und Interviewpartner stellen fest, dass mit der sinkenden Zahl von Schulabgängern ein Kampf um die Schülerinnen und Schüler besteht. Gymnasien und andere weiterführende Schulen wollen ihre Klassen füllen, das Gewerbe und der Dienstleistungssektor werben auf dem Lehrstellenmarkt um Nachwuchs. Auch wird die Klassenbildung an den Berufsschulen erschwert und die regionalen Berufsschulen sind gefährdet. Die Chancen der Jugendlichen auf einen Arbeitsplatz sind gestiegen, doch besteht durch die abnehmende Anzahl leistungsstarker Lehrlinge die Gefahr, dass das Niveau in der Berufsbildung sinkt. Dazu einige Fakten und Zahlen: In Graubünden absolvieren, wie in der ganzen Schweiz, rund zwei Drittel der Schulabgängerinnen und -abgänger eine Berufslehre. Der Lehrstellenmarkt wird beeinflusst durch konjunkturelle Schwankungen, die demografische Entwicklung, die Interessen der Jugendlichen und die Ausbildungsfähigkeit der Unternehmen.

113 222 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 223 Abbildung 40: Übersicht Lehrstellenmarkt in der Schweiz. (SBFI 2013, S. 11) Bedingt durch abnehmende Geburtenzahlen in GR sind es seit Prozent weniger Geburten sinkt auch die Anzahl der Lernenden. Seit 2011 ist das Angebot an Lehrstellen grösser als die Nachfrage. Aus dem Lehrstellenmangel ist ein Lehrlingsmangel geworden. Laut dem Amt für Berufsbildung verzeichnete Graubünden im Jahr 2008 am meisten Schulabgängerinnen und -abgänger. Damals schlossen 2433 Jugendliche des Jahrgangs 1992 die obligatorische Schulzeit ab. Bis ins laufende Jahr ist die Zahl der Schulabgänger um fast 500 gesunken. Im Jahr 2021 werden es gerade noch gut 1500 Schülerinnen und Schüler sein. (Schweiz am Sonntag, , S. 37). Die Zahl der unbesetzten Lehrstellen nimmt zu: 2010 waren von 1446 Lehrstellen in GR bei Lehrbeginn 562 nicht besetzt, 2013 waren von 1777 Lehrstellen im Juli noch 698 nicht besetzt. Abbildung 42: Übersicht über das Lehrstellenangebot im Kanton Graubünden (Aktennotiz AfB GR 2013) Abbildung 40: Übersicht Lehrstellenmarkt in der Schweiz. (SBFI 2013, S. 11 Abbildung 41: Geburten in Graubünden 1960 bis 2010 (EKUD 2012, S. 5) ung 42: Übersicht über das Lehrstellenangebot im Kanton Graub Abbildung 41: Geburten in Graubünden 1960 bis 2010 (EKUD 2012, S. 5) Gesamtschweizerisch wurden im Jahr 2013 insgesamt Lehrstellen angeboten, 3500 mehr als im Vorjahr (Lehrstellenbarometer 2013, S. 12). Davon waren Lehrstellen (91 Prozent) am 31. August 2013 definitiv vergeben.

114 224 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation Lehrstellen sind bis zum 31. August 2013 offen geblieben. Die Anzahl Jugendlicher, die 2013 eine berufliche Grundbildung begannen, ist gegenüber dem Vorjahr um hochgerechnet gesunken. (Lehrstellenbarometer Aug. 2013) Am meisten Lehrstellen sind beim Handwerk und bei den technischen Berufen mit hohen Anforderungen unbesetzt geblieben. Teilweise werden neue Berufsprofile geschaffen. Z. B. sind aus dem Automechaniker zwei Berufe geworden: der Automobil-Mechatroniker (vierjährige Ausbildung, hohe Ansprüche) und der Automobilfachmann (dreijährige Ausbildung, mittlere Ansprüche). Für viele Berufe wurde auch eine zweijährige Attestlehre eingeführt. Die Wirtschaft ist aber an vereinfachten Attestlehren wenig interessiert. (Schweiz am Sonntag, , S. 37) In den Sektoren Dienstleistungen, Gesundheit, Sozialwesen, Verkauf, Verwaltung, Druck und Design übersteigt hingegen die Nachfrage das Angebot. Abbildung 44: Übersicht Lehrstellenangebot in der Schweiz (Lehrstellenbarometer S. 7) Für Jürg Michel vom Bündner Gewerbeverband ist es ein Anliegen, die Gleichwertigkeit der beruflichen Grundbildung mit dem Besuch einer Mittelschule sicherzustellen. Er sagt: «Jugendliche dürfen nicht das Gefühl haben, dass sie sich durch das Ergreifen einer Berufslehre die Zukunft verbauen können. Wenn wir keinen Nachwuchs mehr haben, ist das Gewerbe am Ende.» (BT , S. 5) Auch die Bildungsforscherin Margrit Stamm sieht durch den Mangel an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern die betriebliche Nachwuchssicherung und das unternehmerische Wachstum gefährdet. (Stamm 2013, S. 5) Abbildung 45: Übersicht Ausbildung Jugendliche (Lehrstellenbarometer 2013, S. 8) Abbildung 43: Unbesetzte Lehrstellen nach Branchen (Stamm 2013, S. 26) (Stamm 2013, S. 5)

115 226 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 227 Der misslungene Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage wird als Passungsproblem bezeichnet. Man unterscheidet vier Arten, die einzeln oder in Kombination das Risiko erhöhen, dass Lehrstellen unbesetzt respektive gewisse Gruppen ausgeschlossen bleiben. regionales Passungsproblem (in der Region besteht zwar eine Nachfrage nach Lehrstellen, aber es werden keine angeboten und umgekehrt) berufliches Passungsproblem (Betriebe bieten Lehrstellen, die nicht nachgefragt werden und umgekehrt) informationsbezogenes Passungsproblem (Lehrstellensuchende verfügen über unzureichende Informationen, Betriebe über unzureichende Kenntnisse über die Bewerberinnen und Bewerber) qualifikationsbezogenes Passungsproblem (die Leistungsvoraussetzungen der Stellensuchenden entsprechen nicht den Erwartungen der Betriebe). Insgesamt scheint das qualifikationsbezogene Passungsproblem das gewichtigste zu sein. (Stamm 2013, S. 10) In Graubünden spielt auch das regionale Passungsproblem eine bedeutende Rolle. Zu erwarten ist, dass sich Nachfrage und Angebot immer mehr annähern und in bestimmten Regionen und Branchen zu einer weiteren Einengung des zur Verfügung stehenden Bewerberspektrums führen werden. (Stamm 2013, S. 5) Patrik Schellenbauer, Ökonom bei Avenir Suisse sagt, dass das berufliche Passungsproblem mit dem Strukturwandel zusammenhänge. Die meisten Lehrstellen werden noch immer im produzierenden Sektor angeboten, doch die Wirtschaftsstruktur hat sich seit den 1960er Jahren hin zu den Dienstleistungen verschoben. Dort gibt es zu wenig Ausbildungsplätze und beim produzierenden Gewerbe zu viele. Diese Schere zwischen dem Arbeitsmarkt und dem Lehrstellenmarkt sei eines der Hauptprobleme des dualen Bildungssystems. (Beobachter 1, 2014, S. 26) 1.2 Berufswahl Image der Berufslehre Die Befragten aller Gruppen sind der Ansicht, dass das Handwerk in der Gesellschaft gegenüber einer akademischen Ausbildung einen zu geringen Stellenwert hat und die Berufslehre aufgewertet werden sollte. Da die guten Schülerinnen und Schüler immer öfter eine weiterführende Schule besuchen, fehlen helle Köpfe in den Betrieben und das Niveau der Berufsschulen könnte dadurch sinken. Eine schweizerische Studie bestätigt, dass viele Eltern annehmen, die Berufsbildung sei lediglich ein System zweiter Klasse, anzustreben sei in jedem Fall ein Gymnasium. (Stamm 2013, S. 9) Viele wissen nicht, dass man auch mit einer Lehre über die Berufsmatura zu einem Hochschulabschluss kommen kann. Tatsächlich ist in Graubünden die Anzahl gymnasialer Maturitätszeugnisse seit Ende der Neunzigerjahre von gut 300 auf 500 im Jahr 2010 empor geschnellt, Tendenz weiterhin steigend. Dieser Anstieg kann nur zu einem Teil damit erklärt werden, dass nach 1999 auch jene Personen das Gymnasium absolvieren, die Primarlehrperson werden wollen. Während diese Ausbildung früher in Lehrerseminaren erfolgte, muss sie heute an einer Pädagogischen Hochschule erfolgen. Voraussetzung ist eine Matura oder eine Fachmatur mit pädagogischem Schwerpunkt; jährlich treten 30 bis 40 Studierende mit Bündner Matura in die PHGR ein. Der Anstieg der Maturaquote verteilt sich in recht ausgewogener Weise auf die Kantonsschule und auf die privaten Mittelschulen. Mehr als die Hälfte der ausgestellten Maturitätszeugnisse werden an junge Frauen abgegeben. Die Bündner Maturitätsquote liegt 2010 mit 18.9 Prozent nur noch leicht unter dem schweizerischen Durchschnitt von 19.8 Prozent. (EKUD 2010) Gesamtschweizerisch stieg die Maturitätsquote zwischen 1985 und 2010 von 12 Prozent auf 20 Prozent, seit 1993 ist der Anteil der Frauen grösser als jener der Männer.

116 228 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 229 Abbildung 46: Maturitätsausweise 1988 bis 2010 in Graubünden (EKUD 2012, S. 17) Abbildung 46: Maturitätsausweise 1988 bis 2010 in Graubünden (EKUD Abbildung 47: Maturitätsausweise Frauen/Männer 1988 bis 2010 in Graubünden (EKUD 2012, S. 18) Abbildung 47: Maturitätsausweise Frauen/Männer 1988 bis 2010 in Die Rolle der Schule beim Übertritt in die berufliche Grundbildung ist vielschichtig und unklar. Obwohl in der staatlichen Schule ausgebildet und beurteilt, liegt die Entscheidung über die berufliche Laufbahn ausschliesslich bei den Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden. Für den nahtlosen Übergang ist eine gute Koordination nötig. (Moser 2004, S. 29) Berufswahl Der Umfang des Berufswahlunterrichts auf der Oberstufe wird den Lehrpersonen überlassen und von ihnen individuell und mit unterschiedlichem Engagement gestaltet. Oft steht er in Konflikt mit der Stoffvermittlung auf der Sekundarstufe I. Zur Berufswahlvorbereitung gehört der Kontakt mit einer kantonalen Berufsberatungsstelle. Grössere BIZ-Zentren mit Infothek gibt es in Chur, Ilanz, Thusis, Samedan und Davos, kleinere Beratungsstellen in Scuol, Roveredo und Poschiavo. Obwohl genügend Informationsmaterial vorhanden ist, brauchen die Jugendlichen Begleitung und Kontrolle. In der Vielfalt des immer breiter werdenden Ausbildungsangebots ist es schwierig, sich zu orientieren. Die Berufsberatung unterstützt die Jugendlichen im Berufsfindungsprozess mit Potenzialanalysen in Form von Gesprächen, Interessen- und Eignungsabklärungen Die Lehrpersonen beurteilen die Reife der Schulabgängerinnen und -abgänger als unterschiedlich. Auf die Berufswahl haben vor allem die Eltern und ihre Vorstellungen einen grossen Einfluss. Gemäss Urs Moser schätzen Eltern die Chancen der Kinder meist aufgrund ihrer eigenen Bildungsbiografie ein, unabhängig von der schulischen Leistungsfähigkeit der Kinder. (Moser 2004, S. 80) Auch spielen Werbeaktionen von Grossbetrieben, Berufsmessen und Betriebsbesichtigungen eine Rolle. Paul Schwendener vom KIGA: «Grössere Unternehmungen lassen es sich mittlerweile viel kosten, gute Lehrlinge für sich zu gewinnen» (BT , S. 6) An der Berufsmesse «Fiutscher» 2012 warben 78 Aussteller für 250 Berufe. (SO , S. 9) Für die Jugendlichen ist ein naher Standort des Lehrbetriebs ein wichtiges Kriterium. Sie wählen zudem eher traditionelle, bekannte Berufe, als neue oder «versteckte» Berufe, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Büroberufe haben ein höheres Prestige als das Handwerk, bei dem man körperlich zupacken muss und weniger verdient. Schnupperlehren werden von allen Befragten als sehr entscheidend für den ersten Kontakt mit der Arbeitswelt und für die Berufswahl angesehen. Obwohl in der Schweiz über 200 Berufe anerkannt sind, setzt eine Mehrheit der Jugendlichen auf altbewährte Ziele und wählt aus 40 bis maximal 60 Berufen aus. (Beobachter 1, 2014, S. 3, 21) 70 Prozent der Mädchen wählen aus 10 Berufen (v.a. Dienstleistungen und Gesundheit), Knaben eher Technik und Handwerk. (SO , S. 9)

117 230 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 231 Zum Thema Frauenberufe Männerberufe schreibt Urs Moser (2004): «Erst wenn Flexibilisierung der Beschäftigungsbedingungen (Teilzeitstellen) auch in Männerberufen möglich ist, können Frauen eine freie Berufswahl treffen. Viele Schülerinnen und Schüler sind der Ansicht, dass Mathe und Physik eher für die berufliche Zukunft von Knaben, Sprachen und Biologie eher für jene von Mädchen wichtig seien. Unterschiede sind nicht bei den Leistungen, sondern beim Interesse und beim Selbstvertrauen nachzuweisen.» (Moser 2004, S. 97f) In Graubünden steht seit dem 1. September 2008 den Lehrpersonen und den Berufsbildungsämtern das neue, innovative Lehrmittel CHANCE mit einer Sammlung erprobter Unterrichtsmodule und Unterrichtsmaterialien in allen vier Landessprachen zur Verfügung. Das im Rahmen des kantonalen Projektes CHANCE GRAUBÜNDEN entwickelte Lehrmittel bezieht in den klassischen Berufswahlunterricht die nach wie vor grossen Unterschiede in der Berufswahl und Lebensplanung der Mädchen und Knaben mit ein, thematisiert sie und ermöglicht so den jungen Menschen eine offenere und freiere Lebensplanung. Margrit Stamm stellt in ihrer Analyse fest, dass gerade bei der Rekrutierung junger Migrantinnen und Migranten die Familie eine entscheidende Rolle spielt, sowohl in Bezug auf die Information als auch auf die Bildungsambitionen. Dazu kommen oft bestimmte Schlüsselpersonen, welche in der bisherigen Schullaufbahn eine bedeutsame Rolle gespielt haben. (Stamm 2013, S. 10) Berufliche Grundbildung Rund 67 Prozent der Schulabgängerinnen und -abgänger treten pro Jahr in eine berufliche Grundausbildung ein, schweizweit sind dies ca Lernende. Dabei gibt es Abschlüsse, und Lernende erwerben die Berufsmatura. Schwächere Schulabgängerinnen und -abgänger absolvieren eine zweijährige Attestausbildung (EBA), das eidgenössische Fähigkeitszeugnis (EFZ) kann nach einer drei- oder vierjährigen Lehre erworben werden. Eine Attestausbildung wird als erstes Lehrjahr für eine weiterführende Ausbildung mit EFZ angerechnet. Das «Coaching Berufsbildung GR» hilft Jugendlichen auf der Oberstufe, die im Berufswahlprozess auf professionelle Unterstützung angewiesen sind. Der Coach begleitet sie bis zum Abschluss eines Lehrvertrags oder der Vermittlung einer anderen Anschlusslösung. Die Abklärungen und Anmeldung für das Coaching erfolgen über die Berufsberatung. Brückenangebote wie das 10. Schuljahr sind eine Möglichkeit für Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben oder in der Berufswahl noch unentschlossen sind, zu reifen und selbständiger zu werden. In Graubünden stehen sechs verschiedene Brückenangebote zur Auswahl in folgenden Schulen: Berufswahlschule Chur, Bildungszentrum Surselva Ilanz, Bildungszentrum Palottis Schiers, Bündner Sozialjahr, Schule St. Catharina Cazis, Academia Engiadina Samedan. (BT , S. 5) Das Jugendprogramm «Funtauna» des KIGA bietet stellenlosen Jugendlichen mittels eines «Motivationssemesters» die Möglichkeit, den Eintritt in das Berufsleben zu erleichtern. Die Anschlusslösungen können reguläre Lehrstellen, Anlehren oder schulische Ausbildungen sein. (BT , S. 5) Es gibt inzwischen einige Studien über die Wirksamkeit von Zwischenlösungen. Während im Kanton Genf nach einem Jahr eine Erfolgsquote von 50 Prozent erreicht wird, kann auf aufgrund der TREE-Daten davon ausgegangen werden, dass rund 70 Prozent nach einem Jahr eine Lehrstelle gefunden haben. Rund 20 Prozent der Absolventen von Zwischenlösungen nehmen nach der ersten eine weitere in Anspruch. (Bildungsbericht 2014, S. 114) Die folgenden Tabellen zeigen die meistgewählten Berufslehren in Graubünden und in der Schweiz. Die überwiegende Mehrheit der Schülerinnen und Schüler besucht im Anschluss an die obligatorische Schulzeit direkt eine berufliche Grundbildung (48 Prozent) oder eine allgemeinbildende Schule (27 Prozent). Für Schulabgängerinnen und Schulabgänger, die noch keine Anschlusslösung gefunden haben, stehen Brückenangebote wie das 10. Schuljahr, die Vorlehre oder Vorbereitungsschulen bereit (14.5 Prozent). Ein weiterer Teil der Jugendlichen entscheidet sich für ein Motivationssemester oder absolviert beispielsweise einen Sprachaufenthalt. (SBFI, S. 13)

118 232 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 233 Abbildung 48: Top-12-Berufe der männlichen Jugendlichen bei Lehrbeginn 2011 in Graubünden (Aktennotiz AfB GR 2013) In Graubünden ist bei den Männern der Anteil Lernender in den Bereichen Gastgewerbe, Baugewerbe und Landwirtschaft höher, jener in technischen Berufen kleiner verglichen mit den Zahlen der gesamten Schweiz. Bei den Frauen ist das Hotelfach stärker vertreten als in der übrigen Schweiz. Gerade im Gastgewerbe und in der Baubranche bleiben aber auch am meisten Stellen unbesetzt. Abbildung 50: Die am häufigsten ergriffenen beruflichen Grundausbildungen in der Schweiz nach Geschlecht. (Beobachter 1/2014, S. 29) ung 48: Top-12-Berufe der männlichen Jugendlichen bei Lehrbe Abbildung 49: Top-12-Berufe der weiblichen Jugendlichen bei Lehrbeginn 2011 in Graubünden (Aktennotiz AfB GR 2013) Abbildung 50: Die am häufigsten ergriffenen beruflichen Grundausbildungen in Abbildung 51: Die 20 meist gewählten Grundausbildungen in der Schweiz (SBFI 2013, S. 15)

119 234 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 235 Nachwuchsmangel in MINT-Berufen Industrie und Gewerbe haben Mühe, junge Leute für eine Ausbildung in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu finden, was laut einem Bericht des Bundesrates mit mangelndem Interesse der Jugendlichen besonders auch der Frauen an diesen Fächern zusammenhängt. Die massgebliche Lebensphase für einen Entscheid pro oder kontra MINT liegt zwischen den ersten Lebensjahren und dem 15. Lebensjahr. (MINT, S. 3) Um das Technikverständnis im Schulunterricht zu fördern, entstand anlässlich der Kantonalkonferenz LEGR von September 2012 in Landquart die Idee für einen ersten Chemie-Kurs für Oberstufenlehrpersonen, der Impulse gibt zu naturwissenschaftlichen Experimenten, die sich im Schulalltag gut durchführen lassen. Matthias Gehrig (2010) erwähnt Leistungsfähigkeit, Kompetitivität, Ehrgeiz und Fleiss als wichtige Werte für MINT-Berufe und dass das Interesse für Mathematik schon in der Primarschule erhöht werden sollte. In «weichen» MINT-Studiengängen wie Architektur, Geografie und Umweltwissenschaften ist der Frauenanteil höher als in rein technischen MINT-Studiengängen, die männlich geprägt sind. Es sind immer noch stereotype Erwartungen durch Eltern und Lehrpersonen vorhanden und es fehlen weibliche Vorbilder. (Gehrig 2010, S. 77) Der Bund unterstützt Massnahmen zur Nachwuchsförderung in MINT-Berufen durch Projekttage für Schulklassen, Fortbildung für Lehrpersonen, Veranstaltungen an technischen Hochschulen und Universitäten und Wettbewerbe. (MINT, S. 35f) Zahlreiche Vereinigungen und Private bieten Projekte und Materialien an für Techniktage, Jugendlabor, Forscherkisten für Experimente usw. (MINT, S. 44f) Dem gegenüber finden Kritiker des «MINT-Hypes», man könne diese Fächer nicht unter einem Dach zusammenfassen, um sie zu fördern. Das Soziale stehe im Zentrum des Interesses der pubertierenden Jugendlichen und dürfe nicht herabgemindert werden. Angelsächsische Wissenschaftler fordern, es müsse mehr in kluge Köpfe mit kreativen Ideen investiert werden als in Mathematik, um die Wirtschaft voranzubringen. Dies entspricht einer möglichst breiten Grundausbildung. (Schweiz am Sonntag, , S. 17) Letztes Schuljahr der Oberstufe Die Befragten stellten fest, dass im letzten Schuljahr nach Abschluss des Lehrvertrags die Motivation der Schülerinnen und Schüler oft nachlässt. Dem könnte entgegen gewirkt werden, indem die Lehrverträge nicht zu früh ausgestellt werden und die Lehrbetriebe das letzte Zeugnis zur Einsicht verlangen. Es wird auch vorgeschlagen, dass das letzte Zeugnis für die Lernenden im ersten Semester der Lehre lohnwirksam sein solle. Berufsschullehrpersonen fordern im letzten Schuljahr eine Vertiefung des Grundwissens, besonders der Sprachkompetenzen, welche für alle Fächer eine Voraussetzung darstellen. Auch der Dachverband Schweizer Lehrerinnen und Lehrer LCH forderte 2011 in einer Stellungnahme zu Empfehlungen des EDK: «Nationale Standards mit einer Standortbestimmung Ende 8. Schuljahr sowie die Anforderungsprofile der Berufe sind dringend benötigte Werkzeuge, um die Nahtstelle von Sekundarstufe zur beruflichen Grundbildung zu optimieren. Ist die Lehrstelle gefunden, fehlen Motivation und Leistungsanreiz für schulische Themen. Das Potenzial des 9. Schuljahres wird zu wenig genutzt. Es sind aber gerade die wesentlichen Grundkompetenzen, welche in allen Berufen erforderlich sind, die dadurch zu kurz kommen. Das sind namentlich das Leseverständnis, Sprachliches Ausdrucksvermögen (mündlich und schriftlich) und mathematische Grundfertigkeiten. Diese Grundkompetenzen müssen nicht neu erlernt, sondern sie müssen intensiv trainiert werden.» (LCH 2011) Vgl. dazu auch die Stellungnahme des Verbandes der Lehrpersonen Graubünden LEGR, Kap. D-3 und D-4. Urs Moser fordert, dass die Schule besser in den Selektionsprozess eingebunden sein sollte. Es fehlen Instrumente und verbindliche Standards zur zuverlässigen Beurteilung der Kompetenzen auf der Sekundarstufe I, die zur Koordination der Schulen und zur Berufswahl dienen könnten. Ein individuelles Kompetenzprofil, das sie der Bewerbung beilegen könnten, wäre für Jugendliche nützlich. (Moser 2004, S. 252f) In Graubünden organisieren die Pädagogische Hochschule GR und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur unter anderem regelmässig die lokale First Lego League. Dabei handelt es sich um eine Meisterschaft, in der selber konstruierte Lego-Roboter gegeneinander antreten und Forschungsarbeiten präsentiert werden. (BT , S. 5) (Vgl. auch Kapitel C-4, wo auf die entsprechenden Bemühungen im Sarganserland hingewiesen wird.)

120 236 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation Anforderungen der Betriebe Berufsverbände/Branchenorganisationen definieren die Bildungsinhalte und nationalen Qualifikationsverfahren, organisieren die berufliche Grundbildung, stellen Angebote in der höheren Berufsbildung bereit und organisieren die überbetrieblichen Kurse. (SBFI 2013, S. 7) Die Berufsbildenden werden in einem Wochenkurs eingeführt in das Schweizerische Berufsbildungssystem, Entwicklung und Führung von Jugendlichen, Selektion und Beurteilung von Lernenden, Arbeits- und Lerntechnik und Prävention am Arbeitsplatz. Die Befragungen zeigen, dass zwischen Lehrbetrieben und Oberstufenlehrpersonen eher wenig Kontakt besteht. Bei den Bewerbungen haben viele Berufsbildende Mühe, die Schulnoten zu vergleichen und zu interpretieren. Die Niveaumodelle erschweren die Wertung zusätzlich. So verlassen sie sich lieber auf Tests wie Multi-Check und Basis-Check statt bei den Lehrpersonen Rückfragen zu stellen. Dadurch werden die Zeugnisse abgewertet und mit den Tests hohe Kosten verursacht. Der Dachverband der Schweizer Lehrerinnen und Lehrer argumentiert ebenso: Basis-Check u. a. wirken oft als «Zutrittsklausel» bereits für eine Schnupperlehre, so dass der/die Jugendliche keine Chance hat, sich mit schulischen und charakterlichen Fähigkeiten zu präsentieren. Damit werden oft Türen zu früh und fälschlicherweise zugeschlagen. Zudem widersprechen die nicht unerheblichen Kosten für teils mehrere solcher Tests dem Anspruch der Chancengleichheit. (LCH 2011) In Studien zu den Erwartungen der Wirtschaft werden Schlüsselqualifikationen beschrieben wie Teamfähigkeit, Selbständigkeit, Kreativität. Bei der Auswahl wird aber das Wissen und Können der Schulfächer überprüft. Schulnoten reichen nicht mehr, in den meisten Fällen verlassen sich die Betrieb auf ihre eigenen Tests. (Moser 2004, S. 12) Die Tests beeinflussen die Lehrlingsauswahl, bevor die Schlüsselqualifikationen im Gespräch beurteilt werden können. (Moser 2004, S. 21) Die befragten Lehrpersonen wären bereit, vermehrt über die Schülerinnen und Schüler Auskunft zu geben. Sie bemerken auch, dass von Seite der Betriebe zum Teil zu hohe Erwartungen an das Vorwissen der Lernenden da sind. Auf der Oberstufe wird noch kein Fachwissen vermittelt. Um die Motivation im letzten Schuljahr zu erhalten, empfehlen die Lehrpersonen, die Lehrverträge nicht zu früh abzuschliessen und danach zusätzlich das letzte Zeugnis zu verlangen. Dies entspricht den Forderungen des Verbandes Sek1 GR 2012: «Firmen sollen sich an die Abmachung halten, Lehrstellen nicht vor dem 1. November zu vergeben. Gleichzeitig sollen die Lehrbetriebe mit dem Lehrvertrag Zielvereinbarungen für die verbleibende Schulzeit definieren.» (Sek1 GR 2012) Die befragten Berufsbildenden wählen die Lernenden nach unterschiedlichen Kriterien aus. In anspruchsvolleren Berufen werden die Schulnoten höher bewertet. Zeugnisse, Tests und ein gutes Bewerbungsschreiben sind hauptsächlich für die Vorselektion bedeutend. Danach spielen die Schnupperlehre, der Wille der Bewerber, ihr Interesse am Beruf und ihr Charakter eine entscheidende Rolle. Ein gutes Arbeitsklima im Betrieb und Freude der Berufsbildenden an der Arbeit mit Jugendlichen sind die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lehrverhältnis. Berufsschullehrpersonen und Experten bemängeln, dass der Ausbildungsauftrag nicht immer erfüllt werde, da den Berufsbildenden besonders in Kleinbetrieben die Zeit für die Betreuung der Lernenden fehle. Man dürfe nicht in erster Linie an die Rendite denken, sondern solle in die Förderung des Nachwuchses investieren. Auch sei bei der Rekrutierung von Lernenden das Potenzial bei Frauen zu berücksichtigen. Gemäss Barbara Stalder klagen Betriebe über Bewerbende, deren schulische Leistungen nicht genügen, um mit den Anforderungen in Berufsausbildung zurechtzukommen. Es bestehe mit dem Bezug auf die vorausgesetzte schulische Vorbildung die Gefahr, dass sich die Anforderungen der Berufslehren eher am Idealbild orientieren, statt die tatsächlichen schulischen und intellektuellen Anforderungen der Berufsausbildung zu messen, die für eine erfolgreiche Ausbildung nötig sind. In stark nachgefragten Berufen können höhere Anforderungen gestellt werden als in Berufen, auf die sich nur wenige Jugendliche bewerben. (Stalder 2011, S. 4) Rekrutierungsstrategien Zum Thema Lehrlingsmangel schreibt Margrit Stamm in ihrem Dossier: «Zwar geben im Lehrlingsbarometer vom April 2013 mehr als 30 Prozent der befragten Betriebe als Gründe für ihre unbesetzten Stellen einen Mangel an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern, fehlende BerufsbildnerInnen sowie schwache respektive keine Nachfrage nach Lehrstellen an. Unsere Analyse zeigt jedoch, dass es auch Gründe gibt, die bei den Betrieben selbst liegen. Vergleicht man nämlich erfolgreiche und nicht erfolgreiche Betriebe miteinander, so unterscheiden sie sich in ihren Rekrutierungsstrategien deutlich voneinander. (Stamm 2013, S. 5) Wie die folgende Grafik zeigt, sind Unterschiede in der Planung des Lehrstellenangebots als auch in der Art der Lehrlingssuche und den gewählten Auswahlkriterien und -verfahren auszumachen. In Bezug auf die Angebots-

121 238 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 239 planung legen erfolgreiche Betriebe ihr Angebot frühzeitig fest und bieten kontinuierlich die gleiche Anzahl an Lehrstellen an. In der Lehrlingssuche gewichten solche Betriebe Praktika sehr stark, kooperieren mit Schulen, führen regelmässig Informationsveranstaltungen durch und sind auch an Berufsmessen präsent. Ihre Rekrutierungsverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass sie Bewerbungen von Jugendlichen aus allen Schulniveaus berücksichtigen, Multi-Checks und Tests sowie schriftlichen Bewerbungsunterlagen geringer gewichten, dafür jedoch potenzielle Bewerberinnen und Bewerber häufig direkt anschreiben. Ferner gewichten sie in den Auswahlkriterien das ausserschulische Engagement und das Berufsinteresse besonders stark.» (Stamm 2013, S. 10) Abbildung 52: Rekrutierungsstrategien in Betrieben mit /ohne unbesetzte(n) Lehrstellen (Stamm 2013, S, 27) teils unbesetzt (N=45) Lehrstellen alle besetzt (N=67) Planung des Lehrstellenangebots Fixes jährliches Angebot 14.7 % 17.9 % Kurzfristige Festlegung 18.1 % 16.2 % Lehrlingssuche Inserat 21.9 % 22.5 % Internet 41.2 % 42.2 % Warten auf Initiativbewerbungen 34.2 % 32.6 % Facebook/Twitter 10.2 % 15.6 % Infos an Schulen 4.6 % 18.7 % Berufsbildungsmessen 12.3 % 17.9 % Betriebspraktikum 22.5 % 44.3 % Rekrutierungsverfahren Direktes Anschreiben 45.2 % 66.5 % Einstellungstest 38.5 % 31.3 % Multi-/Basis Check 77.2 % 56.2 % Vorstellungsgespräch 84.3 % 80.7 % BewerberInnen aus allen Schulniveaus 23.4 % 45.5 % Schnuppertage 68.2 % 69.4 % Assessment Center 6.6 % 8.2 % Schriftliche Bewerbungsunterlagen Auswahlkriterien Schulnoten Deutsch/ Mathematik 24.5 % 5.7 % 54.2 % 38.1 % Absenzen 26.8 % 12.3 % Ausserschulisches Engagement (z. B. Verein) 36.3 % 55.9 % Sekundärtugenden 67.6 % 46.7 % Berufsbezogenes Vorwissen 2.8 % 3.6 % Berufsinteresse 56.4 % 71.2 % Zukünftiger Fachkräftebedarf Ja 34.6 % 48.2 % Möglicherweise 49.6 % 49.9 % Nein 15.0 % 1.3 % Abbildung 53: Lehrstellenbesetzung in Abhängigkeit der Betriebsgrösse (Stamm 2013, S. 28) Grössere Betriebe (Mitarbeiteranzahl >50) N=75 Eher vollständige Besetzung Fixe Planung von Lehrstellen Vielfältige Rekrutierungsstrategien Vertragsabschlüsse mit BewerberInnen aus allen Schulniveaus Auswahl vorwiegend anhand vielfältiger Verfahren Eher innovationsorientiert Kleinere Betriebe (Mitarbeiteranzahl <50) N=44 Eher unvollständige Besetzung Eher kurzfristige Planung Setzen eher auf Berufstauglichkeit Vertragsabschlüsse eher mit gut qualifizierten BewerberInnen Vor allem Schulnoten und Absenzen Eher produktionsorientiert Mythos Mathenote Die Ergebnisse der Analyse von Margrit Stamm zeigen, dass das Potenzial junger Menschen nicht mittels Schulnoten und Leistungstests erkannt werden kann. Auch das Niveau eines Schulabschlusses sagt wenig aus über Entwicklungspotenziale. Bedeutsam sind Persönlichkeitsmerkmale, insbesondere Leistungsmotivation, Stressresistenz und Frustrationstoleranz. (Stamm 2013, S. 10) Betriebe bewerten oft die beobachtbaren Signale wie Alter, Geschlecht, soziale Herkunft oder Schulabschlüsse und schliessen aus ihnen auf nur indirekt beobachtbare Merkmale wie Leistungsfähigkeit oder Leistungsmotivation. Da solche Einschätzungen sehr oft auf Vorurteilen beruhen, kommt es im Einzelfall zu positiven oder negativen Diskriminierungen. (Stamm 2013, S. 11) Gemäss Urs Moser brauchen Jugendliche neben fachlichen Qualifikationen auch individuell nützliche wie gesellschaftlich verwertbare Qualifikationen für die Integration in den Arbeitsmarkt und Selbständigkeit. Wichtig ist heute die Kompetenz zur Verarbeitung und Anwendung neuer Informationen, ein kritischer Umgang mit den Informationen und eine effektive und effizien te Nutzung der Informationen. (Moser 2004, S. 37)

122 240 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 241 Ertrag der Lernenden Abbildung 54: Nettoerträge Lehrberufe (Beobachter spezial 1/2014, nach Strupler und Wolter 2011) Studien zeigen, dass es sich für die meisten Schweizer Lehrbetriebe lohnt, Lehrlinge auszubilden. Zwei Drittel der Firmen profitieren bereits während der Lehrzeit mehr von der geleisteten Arbeit der Lehrlinge, als sie die Ausbildung kostet. Bei einem Drittel der Ausbildungsfirmen wird der Lernende finanziell erst interessant, wenn er nach der Ausbildung bleibt. Diese Betriebe streichen eine Lehrstelle eher, als mittelmässige Bewerber einzustellen. Wenn die besten Schulabgänger die beliebtesten Berufe wählen, bleiben die anderen Branchen auf der Strecke. (Beobachter 1, 2014, S. 10) Die Zahl der Lehrvertragsauflösungen ist während der letzten 20 Jahre auf über das Doppelte gestiegen. Gesamtschweizerisch wird in der Gastronomie fast die Hälfte der Verträge wieder annulliert, im Baugewerbe über ein Drittel. Häufigster Grund ist eine berufliche Neuorientierung, das zweithäufigste Motiv ungenügende Leistungen, danach Konflikte zwischen den Vertragsparteien und Pflichtverletzungen durch die Lernenden. Eine Studie zeigt, dass Brüche in der Ausbildung kein Scheitern sind, sondern oft eine Chance, die bessere Wahl zu treffen oder einen passenderen Betrieb zu finden. (Beobachter 1, 2014, S. 74f) In der folgenden Tabelle des Amts für Berufsbildung GR wird in der Datenerfassung nicht differenziert zwischen Lehrabbrüchen und anderen Gründen für eine Lehrvertragsauflösung. In den Zahlen sind auch alle Niveauwechsel, Berufswechsel, Lehrbetriebswechsel enthalten, bei welchen die Fortsetzung der Ausbildung gewährleistet sind. Die eigentlichen Lehrabbrüche werden für Graubünden auf ca. 50 pro Jahr geschätzt. Dazu kommen ca. 500 Niveauwechsel, Berufswechsel oder Lehrbetriebswechsel. Die Tendenz ist steigend. : Nettoerträge Lehrberufe (Beobachter spezial 1/20

123 242 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 243 Abbildung 55: Lehrvertragsauflösungen im Kanton Graubünden. (Aktennotiz AfB Graubünden 2013) 1.4 Anforderungen der Berufsschulen Gegen 3000 Lernende in 57 Berufen besuchen mindestens einen Tag pro Woche den Unterricht an der Gewerblichen Berufsschule Chur. Etwa 1200 Lernende besuchen die Wirtschaftsschule KV Chur und 750 Lernende das Bildungszentrum Gesundheit und Soziales Chur BGS. Dazu kommen weitere Berufsschulen und Bildungszentren in verschiedenen Regionen Graubündens. Der Weg zur Berufsschule ist für Lernende in abgelegenen Tälern oft weit. Wegen abnehmender Schülerzahlen sind einige Berufsschulen gefährdet. Im Bereich der Berufsbildung war bis 2008/2009 beim Abschluss von Ausbildungsverhältnissen in beruflicher Grundbildung ein Wachstum festzustellen. Seither sind die Zahlen wieder leicht rückläufig. (EKUD 2010) Falls sich keine Anschlusslösung ergibt, bietet das vom Bund unterstützte Projekt «Case Management Berufsbildung GR» jungen Betroffenen im Alter zwischen ohne Ausbildungsplatz eine individuelle Betreuung. Während dem Begleitprozess werden individuell abgestimmte Massnahmen erarbeitet, die zu einem Abschluss einer nachobligatorischen Ausbildung führen sollen. Sowohl Berufsbildende, Berufsschullehrpersonen und Experten wiesen in der Befragung auf unterschiedliche Niveaus der Lernenden beim Eintritt in die Berufsschule hin und stellen teilweise einen Mangel an Basiswissen sowohl in der Sprache wie in Mathematik fest. Zudem sollte das Interesse für Technik und Naturwissenschaften schon in der Grundschule gefördert werden. Zwischen der Oberstufe und den Berufsschulen sind wenig Kontakte vorhanden und es fehlt die Kenntnis der Lehrpläne. Berufsbildende nehmen oft erst bei Problemen Kontakt mit der Berufsschule auf. Die Bündner Berufsschullehrpersonen sind seit 1999 im Verein Berufsbildung Graubünden (BGR) organisiert, um bei Entscheidungen im Bereich Berufsbildung mitzureden und auf kantonaler Ebene beim Berufsbildungsgesetz Vernehmlassungspartner zu sein. An einem Podiumsgespräch 2001 wurde gefordert, die Gräben zwischen Verbänden, Schulen und Betrieben sollten verschwinden. Der Mangel sei zu beheben, dass Lehrpersonen keinen Praxisbezug mehr hätten und die Praktiker nicht wissen, was gelehrt wird. (BCH 2001) An einer Veranstaltung von Sek1 GR über die Nahtstelle Schule Beruf 2012 wurde mehr Austausch gefordert und dass die Oberstufenlehrpersonen vermehrt die Berufsschulen besuchen sollten. Auch am Austauschtreffen 2013 bemerkten die Berufsschulverantwortlichen, dass einerseits gewisse Grundkompetenzen der Schulabgänger/innen in Deutsch und Mathematik abnehmen, die Anforderungen in der Berufsausbildung aber zunehmen. Deshalb sei es notwendig, Arbeitsgruppen mit Vertretern von EKUD, Amt für Berufsbildung, Volksschuloberstufe, Berufsschulen und Berufsverbände zu bilden. (Sek1 GR 2013)

124 244 D Zusammenfassung und Auswertung 1. Einbettung der Bündner Resultate in die schweizerische Situation 245 Berufsmaturität Die Befragten sehen die Berufsmaturität als Aufwertung der Lehre, die vermehrt gefördert werden sollte, auch von den Betrieben. Die Berufsmaturität wurde 1994 eingeführt. Die verschiedenen Typen der Berufsmittelschule BMS mit Abschluss «Berufsmaturität», werden von der Wirtschaftsschule KV Chur, der Gewerblichen Berufsschule Chur, dem Bildungszentrum Gesundheit und Soziales BGS Chur und weiteren Berufsschulen in Samedan, Davos und Ilanz angeboten und können, je nach Standort, sowohl berufsbegleitend während der Lehre und/oder auch nach Lehrabschluss in einem einjährigen Vollzeitlehrgang absolviert werden. Die Berufsmaturität erhöht den Wert auf dem Stellenmarkt und ermöglicht den prüfungsfreien Zugang zu einem Studium an einer Fachhochschule. Abbildung 56: Berufsmaturitätsquote 1998 bis 2010 in Graubünden und in der Schweiz. (EKUD 2012, S. 13) In Graubünden besuchen 244 Lernende berufsbegleitend die technische oder die gestalterische Berufsmittelschule. 23 Lernende besuchen den Vollzeitjahreskurs nach absolvierter Berufslehre. Im Schnitt absolvieren ca. 12 Prozent der Lernenden die berufsbegleitende BMS (BM1), wobei der Trend weg von der BM1 hin geht zur BM2 (Jahresunterricht nach abgeschlossener Berufslehre). Ca. 30 Prozent der KV-Lernenden absolvieren die berufsbegleitende Berufsmittelschule, davon sind rund 67 Prozent Frauen. (Sek1 GR 2013) Die Berufsmaturität hat gesamtschweizerisch im Jahr 2008 mit rund Abschlüssen einen Höhepunkt erreicht. Der Grossteil der Berufsmaturitäten entfällt auf den kaufmännischen (51 Prozent) und den technischen Bereich (31 Prozent); 9 Prozent der Berufsmaturanden/innen erlangten ihren Abschluss im gesundheitlich-sozialen, 6 Prozent im gestalterischen, zwei Prozent im gewerblichen und zwei Prozent im naturwissenschaftlichen Bereich. Rund 50 Prozent der Berufsmaturanden/innen traten seit 1998 an eine Fachhochschule über, am häufigsten waren es Personen mit einer Berufsmaturität naturwissenschaftlicher und technischer Richtung. (MINT, S. 10) 13,9 Prozent der Männer und 12,5 Prozent der Frauen absolvierten 2011 in der Schweiz die Berufsmaturitätsschule, ein immer grösserer Anteil erst nach der beruflichen Grundbildung, 2011 waren es 43 Prozent. Abbildung 57: Berufsmaturitätsabschlüsse in der Schweiz nach Ausbildungsart. (SBFI 2013, S. 16) der beruflichen Grundbildung, 2011 waren es 43 Prozent: Der Kanton Graubünden weist gesamtschweizerisch hohe Berufsmaturitätsquoten aus und rangiert in der Spitzengruppe. Seit der Einführung der Berufsmaturität hat die Regierung diesen Ausbildungsweg während oder nach der Berufslehre intensiv gefördert offensichtlich gemeinsam mit der Wirtschaft und mit Erfolg. (EKUD 2010)

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