FKVO; Zusammenschlußbegriff; SIEC-Test; Formelles Fusionskontrollverfahren
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- Gerrit Dieter
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1 Fall 2 FKVO; Zusammenschlußbegriff; SIEC-Test; Formelles Fusionskontrollverfahren (EG-Kommission, Entscheidung v , COMP/M.5250 Porsche/Volkswagen) Sachverhalt (vereinfacht und teilweise fingiert): I. Die Porsche Automobil Holding SE (im folg.: Porsche) ist die Muttergesellschaft der Porsche Deutschland AG. Porsche AG entwickelt, produziert, vermarktet und verkauft Personenkraftwagen, und zwar Sportwagen und sportliche Geländewagen (sports utility vehicles SUVs). Zu den Marken des Volkswagen-Konzerns gehören Volkswagen, Audi, Seat, Skoda, Bentley, Bugatti und Lamborghini. Die Konzernunternehmen Volkswagen und Audi produzieren ebenfalls SUVs. Audi, Bugatti, Bentley und Lamborghini stellen außerdem Sportwagen her. Die Hersteller bieten neben kompletten Kfz natürlich auch Ersatzteile für ihre Wagen an. Porsche hat durch verschiedene Aktienkäufe bereits 30,6 % des stimmberechtigten Kapitals von Volkswagen erworben. Nun beabsichtigt Porsche, weitere 4,92 % des stimmberechtigten Kapitals von Volkswagen zu übernehmen und so einen Gesamtanteil von 35,52 % zu erlangen. II. Zu den Unternehmen ist noch folgendes zu berücksichtigen: 1. Porsche und VW erzielen gemeinsam einen weltweiten Umsatz von mehr als 5 Mrd. EUR. Beide Unternehmen generieren innerhalb der Union jeweils einen Umsatz von über 250 Mio. EUR, aber nicht mehr als zwei Drittel ihres unionsweiten Umsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat. 2. In den letzten Jahren war die Teilnahmequote der Aktionäre an den Hauptversammlungen von VW so niedrig, daß ein Aktionär, der ein Drittel des stimmberechtigten Kapitals hielt, grundsätzlich über die anwesende Stimmenmehrheit verfügte. 3. Das Land Niedersachsen hält an VW eine Beteiligung von 20,08 %. Das VW-Gesetz enthält die folgenden Maßgaben, die eine Einflußnahme des Landes Niedersachsen auf Volkswagen betreffende Entscheidungen sicherstellen: a) eine Stimmrechtsbeschränkung auf 20 %; b) das Recht der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen, jeweils zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden; c) ein Vetorecht für Minderheitsaktionäre mit mehr als 20 % Aktienbeteiligung bei bestimmten Beschlüssen (sog. Sperrminorität). Die Sperrminorität vermittelt die Rechte, die ansonsten ein Minderheitsaktionär mit 25 % der Anteile innehat. 1
2 Allerdings hat der EuGH das VW-Gesetz durch Urteil vom 23. Oktober 2007 (C-112/05) für europarechtswidrig erklärt, weil es gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 Abs. 1 EG, jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) verstieß. Daraufhin wurde auf der letzten Hauptversammlung von VW die Anwendung der Stimmrechtsbeschränkung auf 20 % und das Recht der Bundesrepublik Deutschland und Niedersachsens, jeweils zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, ausdrücklich ausgeschlossen. Die Sperrminorität von 20 % ist jedoch erhalten geblieben. 4. Zu den betroffenen Produkten gilt folgendes: In der Industrie ist folgende Kategorisierung nach Fahrzeuggattungen gebräuchlich: (A) Minis (B) Kleinwagen (C) Kompaktwagen und Wagen der unteren Mittelklasse (D) Mittelklassewagen (E) Wagen der oberen Mittelklasse (F) Luxuswagen (S) Sportwagen / Sportcoupés / Cabriolets (M) Mehrzweckfahrzeuge (J) Sportliche Geländewagen (SUVs einschließlich Geländewagen) VW ist in allen genannten Segmenten vertreten, Porsche nur bei Sportwagen und SUVs. Was die Herstellung und den Vertrieb von Personenkraftwagen anbelangt, ist es so, daß zwar in den einzelnen Mitgliedstaaten leicht unterschiedliche Preisniveaus herrschen, aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, inwieweit ein grenzüberschreitender Handel von den Kunden als realistische Kaufoption angesehen wird. a) Auf dem Teilmarkt SUVs (J) hätte das geplante Vorhaben EWR-weit nur geringe horizontale Überschneidungen zur Folge. Nach Zulassungszahlen würde das Unternehmen nach dem Zusammenschluß einen Marktanteil von insgesamt 5 % erreichen, wovon weniger als 1 % auf Porsche entfallen würden. In keinem Mitgliedstaat würde der gemeinsame Marktanteil 15 % übersteigen. Porsche ist auf dem Teilmarkt mit dem Modell Cayenne vertreten, während Volkswagen in diesem Segment die Modelle VW Touareg und Audi Q7 anbietet. Daneben sind viele Wettbewerber mit ihren Modellen präsent, z.b. Opel (Antara), Ford (Kuga), Nissan (X-Trail), Mercedes (ML und GL), BMW (X3 und X5) und Range Rover. b) Auf dem Teilmarkt für Sportwagen ist Porsche mit den Modellen 911, Boxster und Cayman vertreten. VW bietet Modelle der Marken Audi sowie Lamborghini, Bentley und Bugatti an. EWR-weit würde das Zusammenschlußvorhaben auf diesem Teilmarkt zu einem gemeinsamen Marktanteil von 30 % führen, von denen 10 % auf Porsche entfallen würden. In Dänemark läge der gemeinsame Marktanteil sogar bei 45 %, in Deutschland immerhin bei 37 %. Dort sind aber auch vor allem Mercedes und BMW mit Anteilen von bis zu 20 % stark vertreten. 2
3 Wegen des scharfen Wettbewerbs auf diesem Markt sind Preiserhöhungen nur schwer ohne Absatzverluste durchzusetzen. Außerdem wurde auch insoweit eine Marktuntersuchung durchgeführt, die folgendes ergeben hat: Die Sportwagenkunden achten stark auf das Markenimage. Interessenten, die einen dezenten Sportwagen suchten, würden eher Porsche und Mercedes bevorzugen, aber wegen des hohen Aufmerksamkeitsfaktors keinen Lamborghini oder Ferrari kaufen. Umgekehrt würden Ferrari-Liebhaber zwar notfalls auf einen Lamborghini wechseln, wenn Ferraris noch deutlich teurer würden, hielten Porsche aber nicht für einen geeigneten Ersatz für einen Ferrari. Fragestellung: Porsche bittet Sie um Begutachtung der Frage, ob der Erwerb der 4,92 % als Zusammenschluß unter die FKVO fällt und von der EU-Kommission genehmigt werden muß und falls ja, ob mit einer Freigabe zu rechnen sei. Es sollen hierbei die Märkte für Ersatzteile, SUVs und Sportwagen betrachtet werden. 3
4 Lösung (Merkposten): A. Formelles Fusionskontrollverfahren 1. Zusammenschlußbegriff - Beachte: Zu Fragen des Zusammenschlußbegriffs und der Umsatzschwellen s. Konsolidierte Mitteilung der Kommission über Zuständigkeitsfragen v Art. 3 FKVO: Fusion und Kontrollerwerb. - Hier zu prüfen: Kontrollerwerb durch Anteilserwerb. - Problem: Anteilserwerb unterhalb der Mehrheitsbeteiligung: o Gemeinsame Kontrolle? Nicht ersichtlich. o Alleinige Kontrolle bei 35,5 %? Grds. (-), weil kein Einfluß auf Budget, Businessplan, wichtige Investitionen und Senior Management. Hier aber: Geringe Hauptversammlungspräsenz. Kons. Mitteilung Zust. Tz. 59: Ein Minderheitsgesellschafter kann auch faktisch allein ein Unternehmen kontrollieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es angesichts des Umfangs seiner Beteiligung und unter Berücksichtigung der Anzahl der Gesellschafter, die in früheren Jahren an Hauptversammlungen teilgenommen haben, sehr wahrscheinlich ist, dass er in den kommenden Hauptversammlungen eine Mehrheit bekommen wird. 1 Beseitigt das VW-Gesetz die alleinige Kontrolle von Porsche? Wäre nicht der Fall, wenn alle Regelungen des VW- Gesetzes obsolet wären. Dann mit Sicherheit alleinige Kontrolle von Porsche. Problem hier: Regelungsteil Sperrminorität (i.e. 20 % wirken wie 25 %) wurde im neuen VW-Gesetz aufrechterhalten. 1 Vgl. Sache IV/M.343, Société Générale de Belgique/Générale de Banque (3. August 1993); Sache COMP/M.3330, RTL/M6 (12. März 2004); Sache IV/M.159, Mediobanca/Generali (19. Dezember
5 Komm: Darauf kommt es nicht an, weil 25 %- (bzw. 20 %-) Sperrminorität noch keine Kontrolle vermittelt, da nicht sämtliche kontrollrelevanten Faktoren unter den Zustimmungsvorbehalt dieses Minderheitsgesellschafters fallen. Blockademöglichkeit nur hinsichtlich Grundlagenentscheidungen reicht für Kontrolle i.s.v. FKVO nicht (dito 17, 18 AktG). Kons. Mitt. Zust. Tz. 66: Diese Vetorechte müssen sich auf strategische geschäftspolitische Entscheidungen in dem Gemeinschaftsunternehmen beziehen. Sie müssen über das hinausgehen, was in der Regel Minderheitsgesellschaftern an Vetorechten eingeräumt wird, um ihre finanziellen Interessen als Kapitalgeber des Gemeinschaftsunternehmens zu schützen. Dieser übliche Rechtsschutz für Minderheitsgesellschafter gilt für Entscheidungen, die das Wesen des Gemeinschaftsunternehmens berühren, wie Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen oder Liquidation. Ein Vetorecht beispielsweise, mit dem ein Verkauf oder eine Abwicklung des Gemeinschaftsunternehmens verhindert werden kann, gibt dem Minderheitsgesellschafter noch keine gemeinsame Kontrolle. I.E. also: Erwerb alleiniger Kontrolle durch Porsche. 2. Gemeinschaftsweite Bedeutung - Art. 1 Abs. 2 FKVO (+) - Keine Verweisung erfolgt (vgl. Artt. 4 Abs. 4 und 5; 9; 22 FKVO). 5
6 Exkurs: Formalia der Anmeldung 2 - Die Anmeldung selbst wird gem. dem sog. Formblatt CO 2 erstellt, einem Formular, in dem ausführliche Angaben zu den Unternehmen, den betroffenen Märkten, der Markstellung der Parteien etc. gemacht werden. 3 - Die Einzelheiten der Durchführung des Fusionskontrollverfahrens sind in der Durchführungsverordnung zur FKVO der VO Nr. 802/2004 geregelt. 4 Die Kommission hat des weiteren praktische Verfahrenshinweise in ihren best practices on the conduct of EC merger control proceedings veröffentlicht. 5 - Die Anmeldung ist nur wirksam und löst gem. Art. 10 Abs. 1 FKVO die Verfahrensfristen nur aus, wenn sie vollständig ist, d.h. wenn sie alle nach dem Formblatt CO erforderlichen Angaben enthält. Sind die Angaben nicht vollständig, 6 erklärt die Kommission die Anmeldung für unvollständig. 7 - Der Anmeldung eines Vorhabens geht i.d.r. eine formlose und vertrauliche Sondierungsphase mit der Generaldirektion Wettbewerb voraus, in der die Details des Vorhabens und der späteren Anmeldung mit der Kommission vorab abgeklärt werden (sog. informal guidance-verfahren). 8 Es kann in diesem Rahmen auch erörtert werden, inwieweit die Kommission bereit ist, eine Befreiung von bestimmten Informationspflichten nach dem Formblatt CO zu erteilen (sog. waiver). 9 - Der Eingang der Anmeldung wird gem. Art. 4 Abs. 3 FKVO von der Kommission öffentlich bekannt gemacht. Gleichzeitig tritt sie gem. Art. 6 Abs. 1 FKVO in das sog. Vorverfahren ( Phase I ) ein. Formblatt CO zur Anmeldung eines Zusammenschlusses gemäß Verordnung (EG) 139/2004 des Rates, ABl. EU 2004, Nr. L 133, S. 9 (= Anhang I zur Durchführungsverordnung 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1). 3 Gem. Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, (im Folgenden VO Nr. 802/2004), ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1, ist das Formblatt CO der Kommission zusammen mit allen Schriftstücken im Original und in 35-facher Ausfertigung vorzulegen. Wird die Anmeldung durch einen Vertreter eingereicht, z.b. einen Rechtsanwalt, so hat er seine Vertretungsbefugnis gemäß Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 802/2004 durch Urkunden nachzuweisen. Gemeinsame Anmeldungen müssen gemäß Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 802/2004 von einem gemeinsamen Vertreter eingereicht werden. 4 VO Nr. 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S Veröffentlicht auf der homepage der Kommission unter: Ferner hat sie Sicherheitsbestimmungen für die Einreichung von Anmeldungen veröffentlicht (sie regeln die technischen Einzelheiten der Übergabe der Anmeldungsdokumente bei der DG Comp in Brüssel), die ebenfalls auf der homepage der Kommission veröffentlicht sind, s. 6 Die Kommission legt einen strengen Maßstab an. Es können z.b. bereits unrichtige Angaben hinsichtlich der Adressen von Kunden, Lieferanten oder Wettbewerbern im Formblatt CO zur Unvollständigkeit führen, wenn durch diese Fehler das Verfahren verzögert wird; s. best practices, a.a.o., Tz Die Kommission kann den Unternehmen aber zunächst eine Frist von i.d.r. ein bis zwei Tagen zur sofortigen Nachbesserung setzen, ohne die Anmeldung förmlich für unvollständig zu erklären, s. best practices, a.a.o., Tz S. den 11 EG der VO Nr. 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1; best practices, a.a.o., Tz. 5 ff. 9 S. dazu Tz lit. g Formblatt CO, ABl. EU 2004, Nr. L 133, S. 9 (= Anhang I zur Durchführungsverordnung 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1); Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1; best practices, a.a.o., Tz. 9. 6
7 - Beachte: Nach der Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse 10 besteht in besonders definierten einfach gelagerten Fällen die Möglichkeit, daß ein Zusammenschluß im vereinfachten Verfahren ( simplified procedure ) behandelt wird und eine sog. Kurzformentscheidung ergeht. Hierfür kann eine verkürzte Anmeldung im sog. vereinfachten Formblatt erfolgen Das Fusionskontrollverfahren bei der Kommission ist gebührenfrei. B. Materielles Fusionskontrollverfahren ( substantive analysis ) I. Struktur der materiellen Prüfung 1. Ausgangspunkt: Der SIEC-Test - Art. 2 Abs. 3 FKVO: Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären. - Erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs = Significant Impediment to Effective Competition kurz: SIEC - Beachte für die Auslegung die Entstehungsgeschichte des SIEC-Tests (Kling/Thomas, Kartellrecht, 9 Rn. 95 ff.). Wegen der Komplexität des Themas hier nur die wichtigsten Stichworte: o Vom Marktbeherrschungstest zum SIEC-Test o US-Fusionskontrolle: SLC-Test (Substantial Lessening of Competition) o More economic approach o Streit um angebliche Lückenhaftigkeit des Marktbeherrschungstests bei sog. unilateralen Effekten im Oligopol ( the gap ): Darunter ist folgendes zu verstehen: Zwei Unternehmen schließen sich auf einem oligopolistischen Markt zusammen. Es wird aber keine kollektive Marktbeherrschung erzeugt oder verstärkt. Dennoch kann die neue Einheit (sog. merged entity ) die Preise anheben, weil ihre Produkte enge 10 Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (im Folgenden: Bekanntmachung vereinfachte Verfahren), ABl. EU 2005 Nr. C 56, S S. dazu im Einzelnen Vereinfachtes Formblatt zur Anmeldung eines Zusammenschlusses gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 22 = Anhang II zur Durchführungsverordnung 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 S. 2 VO Nr. 802/2004, ABl. EU 2004 Nr. L 133, S. 1. 7
8 Substitute sind (close substitutes dazu sogleich der vorliegende Fall). Frage: Kann diese Konstellation vom Marktbeherrschungstest erfaßt werden. Lit. str. Problem: Zusammenschluß von Nr. 2 und 3 (USA Babyfoods-Fall Heinz/Beech Nut). SIEC-Test will diesen Streit beenden und solche sog. unilateral effects nunmehr erfassen. 2. Die einzelnen Prüfungsschritte (Empfehlung) a) Zusammenschlußtyp identifizieren - horizontal, vertikal, konglomerat - Erforderlich: Marktabgrenzung (dazu Kling/Thomas, Kartellrecht, 9 Rn. 108 ff.). Wesentliche Methoden: o Bedarfsmarktkonzept o SSNIP-Text o Angebotsumstellungsflexibilität b) Prüfung des SIEC-Regelbeispiels der Marktbeherrschung - Einzelmarktbeherrschung - Kollektive Marktbeherrschung c) SIEC-Test direkt Falls Marktbeherrschung zu verneinen: Prüfe erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs ohne Marktbeherrschung. Hinweis: Die hier vorgeschlagene Prüfungssystematik (erst Marktbeherrschungsregelbeispiel, dann SIEC-Kriterium direkt) entspricht der wohl (noch) überwiegenden Ansicht im dt. Schrifttum. Sie ist methodisch überzeugend und daher für die Klausur geeignet. Nicht fehlen sollte der Hinweis, daß das Marktbeherrschungskriterium im SIEC-Test nur noch ein Regelbeispiel ist (anders als früher in der FKVO und anders als in 36 GWB dort war bzw. ist das Marktbeherrschungskriterium Tatbestandsmerkmal. Im GWB wird der Test aber im Rahmen der 8. GWB-Novelle dem jetzigen EU-Recht angeglichen.). Die Kommission wählt jedoch eine andere Prüfungssystematik. Sie prüft das Marktbeherrschungskriterium praktisch nicht mehr. In vielen Entscheidungen taucht der Begriff überhaupt nicht mehr auf. Sie untersucht statt dessen direkt, ob eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorliegt. Allenfalls trennt sie zwischen einseitigen und koordinierten Effekten (unilateral effects und coordinated 8
9 effects). Letztlich entspricht der Prüfungsmaßstab der Kommission daher weitgehend dem US-amerikanischen SLC-Test. II. Die einzelnen Märkte (im Vergleich zur Originalentscheidung vereinfacht) 1. Der Markt für Ersatzteile a) Marktabgrenzung Ersatzteile für Porsche- und für VW-Fahrzeuge grds. nicht austauschbar, daher kein horizontaler Zusammenschluß. Getrennte sachlich relevante Märkte. Keine sog. overlaps (Marktanteilsadditionen). Problem: Angebotsumstellungsflexibilität diskutieren. Zusammenschluß wäre als konglomerat i.w.s. anzusehen. b) SIEC-Test Ggf. Problem der spill over-effekte in Form von Technologietransfers. Hier aber nicht ersichtlich, daß dies zu einem SIEC führen würde. Also keine wettbewerblichen Probleme auf Ersatzteilmärkten. 2. Der Markt für SUVs a) Marktabgrenzung SUVs eigener sachlicher Markt, weil nicht mit anderen Fahrzeugklassen austauschbar. Abgrenzung im einzelnen problematisch. Geographische Marktabgrenzung ebenfalls nicht eindeutig aufklärbar. Kommissionspraxis in solchen Fällen (d.h. regelmäßig): Marktabgrenzung bleibt offen. Es wird der denkbar engste Markt geprüft. Ist dort eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs zu verneinen, kann die Frage der Marktabgrenzung offen bleiben. Hinweis für die Klausur: In der Klausur Marktabgrenzung nur offen lassen und auf die Kommissionspraxis verweisen, wenn Anhaltspunkte für eine sinnvolle Marktabgrenzung fehlen oder wenn die Marktabgrenzung lt. Bearbeitervermerk vorgegeben ist. Ansonsten lieber dem Korrektor zeigen, daß man weiß, wie Märkte abgegrenzt werden und zur Marktabgrenzung etwas schreiben. Engster Markt hier: Nationale Märkte für SUVs. 9
10 b) SIEC-Test - Marktbeherrschungstest: o Bei Marktanteil von 15 % keine Einzel-Mbh. Indiziert. o Auch keine Anhaltspunkte für kollektive Mbh. - Daher zu Prüfen: SIEC-Test direkt. Hier jedoch auch kein einseitiger Verhaltensspielraum der neuen Einheit, der eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs bedeutet. 3. Der Markt für Sportwagen a) Marktabgrenzung Das zu SUVs Gesagte gilt sinngemäß. b) SIEC-Test - Marktbeherrschungstest: o Für kollektive Marktbeherrschung wegen starker Konkurrenz und scharfen Wettbewerbs nichts ersichtlich o Einzelmarktbeherrschung: Marktanteile von 45 % nicht unkritisch. Daher vertiefte Prüfung. Anmerkung: Die folgende Prüfung erfolgt hier als Teil des Marktbeherrschungs-Regelbeispiels. Die Kommission hat insoweit gemäß ihrem Prüfungsansatz (s.o.) direkt ein SIEC geprüft. Inhaltlich ändert sich dadurch im folgenden nichts: - Prüfung der Veränderung der Marktstruktur durch den Zusammenschluß auf den Wettbewerb bei Sportwagen: o Siehe hierzu Leitlinien der Kommission zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse 12 ( horizontal guidelines ). o Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die hier untersucht werden könnten, z.b. Herfindahl-Hirschman-Index; 13 countervailing power; Marktzutrittsschranken; potentieller Wettbewerb; Substitutionswettbewerb (Kling/Thomas, Kartellrecht, 9 Rn. 169 ff.). o Hier ist nach den Angaben im Sachverhalt vor allem folgender Frage nachzugehen: 12 ABl Nr. C 31/5. 13 Summe der Quadrate der Marktanteile der wichtigsten Wettbewerber, vgl. Kling/Thomas, Kartellrecht, 9 Rn. 175 ff. 10
11 Kann die merged entity bei gleichbleibendem Wettbewerb durch die übrigen Unternehmen am Markt die Preise für ihre Produkte stärker erhöhen, als dies ohne den Zusammenschluß der Fall wäre? Entscheidend hierfür ist, ob die Sportwagen von Porsche und VW sog. close substitutes sind. Ist dies der Fall (close substitutes), fallen die nächstliegenden Ausweichprodukte unter die Kontrolle der merged entity. Wenn also die Preise beider Unternehmen erhöht werden, kann es gelingen, die Kunden zum Kauf der verteuerten Waren zu drängen, weil ein Ausweichen auf das closest substitute ebenfalls mit einen Preisaufschlag verbunden wäre (vgl. Erläuterung und Beispiel bei Kling/Thomas, Kartellrecht, 9 Rn. 188 f.). Hier: Sportwagen von Porsche und VW keine close substitutes. Daher keine Bedenken hinsichtlich erheblicher Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Die Kommission hat den Zusammenschluß daher nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) FKVO ohne Auflagen freigegeben. 11
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