Weißmantel & Vogelsang

Transkript

1 Insolvenz der Air Berlin: Was Arbeitnehmer jetzt wissen müssen Wir werden Sie an dieser Stelle kontinuierlich über rechtliche Aspekte informieren, die sich aus der weiteren Entwicklung bei Air Berlin ergeben. Sollten Sie konkrete Fragen zu Ihrem Arbeitsverhältnis haben, stehen wir Ihnen natürlich jederzeit gerne beratend zur Seite. Was ist bisher passiert? Über das Vermögen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG, Air Berlin PLC und der airberlin technik GmbH sind jeweils Insolvenzanträge gestellt worden. Das Insolvenzgericht hat einen vorläufigen Sachwalter bestellt und die Eigenverwaltung durch die bisherigen Geschäftsführungen angeordnet. Für den insolvenzrechtlichen Sachverstand wurde jeweils zusätzlich ein Generalbevollmächtigter in die Geschäftsführungen bestellt. Wie geht es weiter? Nachdem sich die Berater einen ersten Überblick über den Sachstand verschafft haben, geht es von nun an vor allem um die Frage, ob und unter wessen Regie die Unternehmen oder jedenfalls einzelne ihrer Betriebe fortgeführt oder ob nur einzelne Vermögenswerte der Unternehmen verwertet werden können. Für die Air Berlin haben sich relativ viele Bieter mit unterschiedlichsten Konzepten gemeldet. Diese müssen nun bewertet werden und sehr bald wird darüber beraten und entschieden, welche Investoren den Zuschlag erhalten. Erst dann wird man abschließend einschätzen können, ob, bei wem und zu welchen Bedingungen es eine Perspektive für die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der insolventen Unternehmen gibt. Kanzlei Bremen Kanzlei Frankfurt Zweigstelle Bunde Frankfurt Airport Center 1 / Gebäude 234, HBK 18 Langenstraße Bremen Hugo-Eckener-Ring Frankfurt/Main Kirchring Bunde Tel.: 0421/ Tel.: 069/ Tel.: 04953/ Fax: 0421/ Fax: 069/ Fax: 04953/ info@kanzlei-wv.de info@kanzlei-wv.de info@kanzlei-wv.de

2 Wie und wann wird meine Arbeitsleistung bezahlt? Generell ist das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer für drei Monate bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (Ost 5.700,00; West 6.350,00) über das Insolvenzgeld abgesichert. Das Insolvenzgeld wird grundsätzlich in Höhe des Nettoarbeitsentgeltes rückwirkend mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgezahlt. Im speziellen Fall der Insolvenz der Air Berlin-Gruppe erfolgt eine Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes über eine Bank. Forderungen, die bisher nicht erfüllt wurden oder bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht erfüllt werden, können nach der Insolvenzeröffnung als so genannte Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Auf diese Forderungen ist lediglich eine Quote zu erwarten. Sind die drei über das Insolvenzgeld finanzierten Arbeitsmonate vorbei, wird Air Berlin die Arbeitsleistung der Mitarbeiter nur in Anspruch nehmen, wenn sie auch in der Lage ist, sie zu vergüten. Anderenfalls würde sich der Insolvenzverwalter bzw. der Gesamtbevollmächtigte persönlich haftbar machen. Wird die Arbeitsleistung mangels finanzieller Möglichkeiten nicht mehr abgerufen, bleibt den betroffenen Arbeitnehmern nur die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld. Muss ich mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen? Die konkrete Zukunft der Arbeitsverhältnisse dürfte noch vom Ergebnis der Erwerbergespräche und Vertragsverhandlungen abhängen. Bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss die Geschäftsführung jedenfalls die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes sowie tarifliche und gesetzliche Kündigungsfristen einhalten, d.h. es gelten die üblichen Bedingungen für eine Kündigung. Erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt für den Insolvenzverwalter eine Kündigungsfrist von maximal drei Monaten. Steht fest, wie es mit den Unternehmen weitergeht, wird der Arbeitgeber - bzw. nach der Insolvenzeröffnung der Insolvenzverwalter - zunächst aber Verhandlungen mit dem Betriebsrat bzw. den Personalvertretungen für das fliegende Personal über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans führen müssen. Das zur Verfügung stehende Volumen für Abfindungen und andere Leistungen ist in der Insolvenz eingeschränkt, den

3 noch ist ein solcher Abschluss ein wichtiger Schritt, bevor es tatsächlich zu Kündigungen und anderen Maßnahmen kommt. Stichwort Betriebsübergang wie wahre ich meine Rechte? In Berichten über die Situation bei Air Berlin und das laufende Bieterverfahren ist viel von einem möglichen Betriebsübergang die Rede bzw. dem Versuch der Interessenten, einen solchen zu verhindern. Dies ist deshalb für die Beschäftigten von großer Bedeutung, weil bei einem Betriebsübergang nicht nur der Betrieb ganz oder teilweise beim Erwerber fortbesteht, sondern auch die entsprechenden Arbeitsverhältnisse. Ob und inwieweit es zu einem Betriebsübergang kommen wird, hängt zunächst von dem Konzept der Investoren ab, die jetzt zum Zuge kommen. Je mehr diese die wirtschaftlich maßgeblichen Teile des Betriebs als eine Einheit fortführen wollen und sich so ins gemachte Nest setzen, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Geht es in Richtung einer weitgehenden Zerschlagung, kommt es gar zu einem Grounding, spricht hingegen mehr dagegen und es handelt sich wahrscheinlich um eine Stilllegung. Welches die für einen Flugbetrieb maßgeblichen Betriebsmittel, Rechte, Verträge, Beziehungen etc. sind, die die Identität des Betriebs ausmachen und deren Erwerb für einen Übergang sprechen, ist gerichtlich leider noch nicht abschließend geklärt. Bei anderen Betrieben wie z.b. der Technik, ist dies leichter zu beurteilen. Es wird also auf den Erwerber und sein Konzept ankommen und auf die Gerichte. Jedenfalls bei Erwerbern, die Teile der Air Berlin in ihren Flugbetrieb integrieren wollen, ist davon auszugehen, dass sie einen Betriebsübergang ablehnen und sich dementsprechend verhalten werden, d.h. ggf. neue Arbeitsverträge zu ihren Bedingungen anbieten, nicht aber die nahtlose Fortführung des alten Arbeitsverhältnisses. Das können Arbeitnehmer der Air Berlin tun, um ggf. vorsorglich ihre Rechte zu wahren für den Fall, dass es sich letztendlich doch um einen Betriebsübergang handeln sollte: Kündigt die Air Berlin ihren Arbeitnehmern und diese gehen nicht binnen drei Wochen mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vor, wird diese rechtskräftig. Auch bei einem Betriebsübergang auf einen Erwerber könnte sich dieser auf die kündigungsbedingte Beendigung berufen. Nur, wenn sich noch während der Kündigungsfrist Anhaltspunkte für einen Betriebsübergang ergeben, hätten die betroffenen Arbeitnehmer - 3 -

4 in diesem Fall einen Wiedereinstellungsanspruch gegen den Erwerber. Dieser müsste sofort, spätestens jedoch innerhalb eines Monats nach Kenntnis von dem Betriebsübergang, geltend gemacht werden. Stellt sich jedoch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist heraus, dass ein Betriebsübergang vorliegt, können sich nur diejenigen Arbeitnehmer darauf berufen, die zuvor Kündigungsschutzklage eingereicht haben. Werden Arbeitnehmern Aufhebungsverträge durch die Air Berlin geschlossen oder Eigenkündigungen veranlasst und gleichzeitig Neuanstellungen bei einem Erwerber angeboten oder in Aussicht gestellt, könnte eine Umgehung des Schutzes bei einem Betriebsübergang vorliegen. Der Arbeitnehmer könnte sich in diesem Fall auf die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags und den Übergang seines alten Arbeitsverhältnisses und damit auf bessere Arbeitsbedingungen berufen. Mitarbeiter, die die Air Berlin von sich aus verlassen, um auf eigene Initiative einen anderen Arbeitgeber zu finden, beenden hingegen die Kontinuität ihres Arbeitsverhältnisses. Die Berufung auf einen Betriebsübergang dürfte in diesem Fall nicht mehr möglich sein. Bei Angebot eines Aufhebungsvertrages oder Kündigung durch den Arbeitgeber und Zweifeln über das Vorliegen eines Betriebsübergangs sollten betroffene Arbeitnehmer auf jeden Fall anwaltlichen Rat einholen. Was passiert mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens? Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die erst ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, stellen so genannte Masseverbindlichkeiten dar. Diese Verbindlichkeiten werden vorrangig vor den oben bereits erwähnten Insolvenzforderungen aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. Das Arbeitsverhältnis geht mit Eröffnung auf den Insolvenzverwalter über. Was passiert mit meinem aufgesparten Zeitguthaben im Blockmodell der Altersteilzeit? Sollte die Air Berlin ihren Betrieb insolvenzbedingt stilllegen und es zu Kündigungen der Beschäftigten kommen, dürften hiervon auch die Altersteilzeitmitarbeiter in der aktiven Phase betroffen sein. In der Freistellungsphase der Altersteilzeit ist eine betriebsbedingte Kündigung hingegen nicht mehr möglich. Da der Arbeitnehmer im Blockmodell eine - 4 -

5 Vorleistung erbringt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, das erarbeitete Wertguthaben, einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung, in geeigneter Weise gegen das Risiko der Insolvenz abzusichern. Dieser Sicherungspflicht beginnt mit der ersten Gutschrift, sofern die aktive Phase der Altersteilzeit länger als sechs Monate dauert. Die ergriffenen Sicherungsmaßnahmen hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer schriftlich nachzuweisen. Haben Sie einen solchen Nachweis erhalten, ist Ihr Wertguthaben also grundsätzlich gegen die Insolvenz geschützt. Ist der Arbeitgeber seiner Pflicht hingegen nicht nachgekommen, stehen dem Arbeitnehmer im Insolvenzfall ggf. Schadenersatzansprüche zu