1. Wer vertritt das minderjährige Kind im rechtsgeschäftlichen Verkehr?
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- Valentin Stieber
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1 DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: EGBGB Art. 7, 21 Schweiz: gesetzliche Vertretung minderjähriger Schweizerin mit Wohnsitz in der Schweiz; Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung bei Veräußerung und Belastung von Grundbesitz in Deutschland I. Sachverhalt Als Eigentümerin eines in Deutschland belegenen Grundstück ist eine im Jahre 1998 geborene schweizerische Staatsangehörige im Grundbuch eingetragen. Das Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet. Das Grundstück soll verkauft werden und zum Zwecke der Finanzierung des Kaufes mit einer vollstreckbaren Grundschuld belastet werden. II. Fragen 1. Wer vertritt das minderjährige Kind im rechtsgeschäftlichen Verkehr? 2. Bedarf das Handeln des gesetzlichen Vertreters eines minderjährigen Schweizers, beim Verkauf eines deutschen Grundstücks einer gerichtlichen oder behördlichen Genehmigung? III. Zur Rechtslage 1. Zur Geschäftsfähigkeit Das auf die Geschäftsfähigkeit anwendbare Recht wird nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGBGB durch das Recht des Staates bestimmt, dem die Person angehört. Damit wird hier auf das Schweizer Recht verwiesen. Es handelt sich um eine Gesamtverweisung, so dass zunächst das schweizerische IPR zu prüfen ist (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Das schweizerische Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht vom (IPRG) unterstellt die Handlungsfähigkeit dem Recht am Wohnsitz des Betreffenden (Art. 35 IPRG). Das schweizerische IPR nimmt die Verweisung damit an, da das Kind seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat. Nach dem dementsprechend anzuwendenden schweizerischen materiellen Zivilrecht tritt die Mündigkeit als eine Voraussetzung der Handlungsfähigkeit ebenso wie im deutschen Recht mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein (Art. 14, 12 schweizerisches ZGB). Deutsches Notarinstitut Gerberstraße Würzburg Telefon 09 31/ Telefax 09 31/ dnoti@dnoti.de Internet: mr pool Gutachten/14180.doc
2 Seite 2 2. Das auf die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Kinder und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung anwendbare Recht a) Qualifikation Die Frage, welches Recht auf die Vertretungsmacht der Eltern bzw. das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung anwendbar ist und wie sich das Fehlen einer solchen auswirkt, ist als Frage der Vermögenssorge der Eltern Teil des Anwendungsbereichs des Art. 21 EGBGB (vgl. MünchKomm-Klinkhardt, 3. Aufl., Art. 21 EGBGB Rn. 8; Palandt/Heldrich, BGB, 64. Aufl. 2005, Art. 21 EGBGB Rn. 5). Die Anwendung des Art. 21 EGBGB könnte jedoch fraglich sein, da für die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz seit dem das Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA) gilt und dieses Übereinkommen gem. Art. 3 Abs. 2 EGBGB Vorrang vor dem autonomen Recht hat. b) Das Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA) Voraussetzung für die Anwendbarkeit des MSA ist in persönlicher Hinsicht, dass ein Minderjähriger i.s.v. Art. 12 MSA seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des MSA hat. Vorliegend sind die Kinder minderjährig und haben ihren Aufenthalt in der Schweiz, also einem Vertragsstaat. In sachlicher Hinsicht ist die Anwendbarkeit des MSA auf Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens Minderjähriger - sog. Schutzmaßnahmen beschränkt (Art. 1 MSA). Fraglich und in der Literatur äußerst umstritten ist, ob die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung bzw. eine vergleichbare hoheitliche Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft als Schutzmaßnahme i.s.d. MSA zu qualifizieren ist. Für eine entsprechende Qualifikation spricht sich nur eine Mindermeinung aus. Siehr (IPRax 1982, 85, 89 ff.) sieht die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung selbst als Schutzmaßnahme an, beurteilt die Notwendigkeit derselben jedoch nach dem allgemeinen Kollisionsrecht außerhalb des MSA. Eine andere Auffassung vertritt den Standpunkt, dass es sich bei den vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen nicht um selbständige Schutzmaßnahmen i.s.d. MSA handele, sondern um sog. Durchführungsmaßnahmen, für deren Notwendigkeit und Voraussetzungen aber auch das MSA gelte (Schwimann, Vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach dem Haager MSA, FamRZ 1978, 303, 304; Staudinger/Kropholler, 13. Aufl. 1994, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB Rn. 85). Die maßgebende Rechtsordnung ergebe sich bei einer vorangegangenen Schutzmaßnahme des Aufenthaltsstaates aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 MSA, bei einer vorangegangenen Schutzmaßnahme des Heimatstaates aus Art. 4 Abs. 2 S. 2 MSA und bei Bestehen eines ex-lege-gewaltverhältnisses aus Art. 3 MSA. Art. 3 MSA bestimmt, dass ein Gewaltverhältnis, das nach dem innerstaatlichen Recht, dem der Minderjährige angehört, kraft Gesetzes besteht, in allen Vertragsstaaten anzuerkennen ist. Hieraus folge, dass sich das Genehmigungserfordernis und die Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Heimatrecht des Minderjährigen und nicht dem Aufenthaltsrecht beurteilten (Staudinger/Kropholler, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB Rn. 92). Die ipso iure bestehende elterliche Sorge des überlebenden Elternteils, die gem. Art. 297 Abs. 3 Schweizer Zivilgesetzbuch (ZGB) auch im Schweizer Recht vorgesehen ist, wird allgemein als ein ex-lege- Gewaltverhältnis angesehen, so dass sich die Frage der gesetzlichen Vertretung und der Notwendigkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach dieser
3 Seite 3 Auffassung nach dem Heimatrecht des Kindes, vorliegend also nach dem Schweizer Recht, richten würde. Eine Rück- oder Weiterverweisung aufgrund des Schweizer Kollisionsrechts kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht, da die h. L. und die Rspr. im Rahmen des Art. 3 MSA davon ausgehen, dass ein renvoi ausgeschlossen ist (vgl. Staudinger/Kropholler, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB Rn. 299 m. w. N.). Die - wohl - h. M. will demgegenüber Art. 21 EGBGB und nicht das MSA auf die Frage der gesetzlichen Vertretung und der Erforderlichkeit einer hoheitlichen Zustimmung zur Anwendung kommen lassen (Henrich, Internationales Familienrecht, S. 226 ff.; Palandt/Heldrich, Anh. zu Art. 24 EGBGB Rn. 14; Schotten, Das IPR in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 82 Fn. 21; Jaspersen, Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung in Fällen mit Auslandsberührung, FamRZ 1996, 393, 396). Nach dieser Auffassung ergibt sich auch die internationale Zuständigkeit aus den allgemeinen Vorschriften und nicht aus dem MSA. c) Art. 21 EGBGB Nach Art. 21 EGBGB unterliegt das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und einem Kind dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat das minderjährige Kind vorliegend in der Schweiz, so dass auf das schweizerische Recht verwiesen wird. Die Verweisung des Art. 19 EGBGB ist als Gesamtverweisung i. S. v. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB zu verstehen, so dass zunächst das Schweizer IPR danach zu befragen ist, ob es eine Rück- oder Weiterverweisung ausspricht. Das auf die elterliche Sorge anwendbare Recht ist in Art. 82 Schweizer IPRG geregelt. Diese Vorschrift bestimmt im Wortlaut: Art. 82. (1) Die Beziehungen zwischen Eltern und Kind unterstehen dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. (2) Haben jedoch weder die Mutter noch der Vater Wohnsitz im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, besitzen aber die Eltern und das Kind die gleiche Staatsangehörigkeit, so ist ihr gemeinsames Heimatrecht anzuwenden. (3) Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Namen (Art. 33, 3740), den Schutz Minderjähriger (Art. 85) und das Erbrecht (Art. 9095) sind vorbehalten. (Text aus Riering, IPR-Gesetze in Europa, 1997, S. 230). Das Schweizer Kollisionsrecht knüpft also an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes an und nimmt damit vorliegend die Verweisung an. Sowohl bei Anwendung des MSA als auch bei Zugrundelegung des Art. 21 EGBGB gelangt man vorliegend zum gleichen Ergebnis, nämlich zur Berufung des Schweizer Rechts.
4 Seite 4 3. Gesetzliche Vertretung des Minderjährigen und Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach Schweizer Recht Die Bestimmungen zur elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern sind in Art. 298 f. schweiz. ZGB enthalten: Art. 298 III. Unverheiratete Eltern 1. Im Allgemeinen (1) Sind die Eltern nicht verheiratet, so steht die elterliche Sorge der Mutter zu. (2) Ist die Mutter unmündig, entmündigt oder gestorben oder ist ihr die elterliche Sorge entzogen, so überträgt die Vormundschaftsbehörde die elterliche Sorge dem Vater oder bestellt dem Kind einen Vormund, je nachdem, was das Wohl des Kindes erfordert. Art. 298a 2. Gemeinsame elterliche Sorge (1) Haben die Eltern sich in einer genehmigungsfähigen Vereinbarung über ihre Anteile an der Betreuung des Kindes und die Verteilung der Unterhaltskosten verständigt, so überträgt ihnen die Vormundschaftsbehörde auf gemeinsamen Antrag die elterliche Sorge, sofern dies mit dem Kindeswohl vereinbar ist. (2) Auf Begehren eines Elternteils, des Kindes oder der Vormundschaftsbehörde ist die Zuteilung der elterlichen Sorge durch die vormundschaftliche Aufsichtsbehörde neu zu regeln, wenn dies wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse zum Wohl des Kindes geboten ist. Grundsätzlich steht also bei nicht miteinander verheirateten Eltern die elterliche Sorge allein der Mutter zu. Das Sorgerecht des Vaters im Rahmen der gemeinsamen Sorge oder als alleine Sorgeberechtigter hängt von einer entsprechenden Übertragung des Sorgerechts durch die Vormundschaftsbehörde ab. In diesem Falle wäre dem Grundbuchamt durch Vorlage der entsprechenden Entscheidung der Vormundschaftsbehörde das Sorgerecht des Vaters nachzuweisen. Andernfalls, d. h. bei alleinigem Sorgerecht der Mutter, ergibt sich die Stellung der Mutter als ausschließliche Sorgeberechtigte aus dem Gesetz. Die gesetzliche Vertretung der sorgeberechtigten Eltern ist in den Art. 304 ff. geregelt: Art. 304 (1) Die Eltern haben von Gesetzes wegen die Vertretung des Kindes gegenüber Drittpersonen im Umfang der ihnen zustehenden elterlichen Sorge. (2) Sind beide Eltern Inhaber der elterlichen Sorge, so dürften gutgläubige Drittpersonen voraussetzen, dass jeder Elternteil im Einvernehmen mit dem andern handelt. (3) Die Bestimmungen über die Vertretung des Bevormundeten finden entsprechende Anwendung mit Ausschluss der Vorschriften über die Mitwirkung der vormundschaftlichen Behörden.
5 Seite 5 Art. 305 (1) Das Kind hat unter der elterlichen Sorge die gleiche beschränkte Handlungsfähigkeit wie eine bevormundete Person. (2) Für Verpflichtungen des Kindes haftet sein Vermögen ohne Rücksicht auf die elterlichen Vermögensrechte. Art. 306 (1) Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern. (2) Haben die Eltern in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so finden die Bestimmungen über die Vertretungsbeistandschaft Anwendung. Die Verwaltung des Kindesvermögens ist in den Art. 318 ff. ZGB geregelt. Art. 318 ZGB bestimmt: Art (1) Die Eltern haben, solange ihnen die elterliche Sorge zusteht, das Recht und die Pflicht, das Kindesvermögen zu verwalten. (2) Steht die elterliche Sorge nur einem Elternteil zu, so hat dieser der Vormundschaftsbehörde ein Inventar über das Kindesvermögen einzureichen. (3) Erachtet es die Vormundschaftsbehörde nach Art und Größe des Kindesvermögens und nach den persönlichen Verhältnissen der Eltern für angezeigt, so ordnet sie die periodische Rechnungsstellung und Berichterstattung an. Die Eltern als Sorgeberechtigte sind für die getreue und sorgfältige Verwaltung des Kindesvermögens verantwortlich. Im Übrigen aber sind sie in der Verwaltung frei und nicht an die Weisungen oder die Zustimmung der vormundschaftlichen Behörden gebunden (Hegnauer, Das schweizerische Kindschaftsrecht, in Schwab/Henrich (Hrsg.), Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts, 2. Aufl., S. 137). Zwar ist nach Art. 421 ZGB die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde u. a. für den Verkauf von Grundstücken erforderlich. Diese Vorschrift findet jedoch nur Anwendung auf den Vormund und nicht auf den Inhaber der elterlichen Sorge. Auch handelt es sich hier offenbar nicht um eine Angelegenheit, in der die Interessen der Mutter denen des Kindes widersprechen. Nur in solchen Fällen finden die Bestimmungen über die Vertretungsbeistandschaft Anwendung, vgl. Art. 304 Abs. 3, 306 Abs. 2 ZGB, und die Vertretungsbefugnis der Eltern entfällt. Im Einzelnen verweisen wir auf die beigefügte Kommentierung von Schwenzer (Kommentierung zu Art ZGB) bzw. Breitschmid (Kommentierung zu Art. 318 ZGB, jeweils aus: Honsell/Vogt/Geiser, Basler Kommentar zum schweizer Privatrecht, ZGB I, 2. Aufl. Basel 2002). 4. Ergebnis Zusammenfassend lässt sich also vorliegend sagen, dass vorbehaltlich einer Sorgerechtsübertragung (auch) auf den Vater die Mutter der Minderjährigen hinsichtlich des vorgesehenen Grundstücksgeschäfts ohne Einschränkungen allein vertretungsberechtigt ist. Vormundschaftsgerichtliche oder ähnliche Genehmigungen sieht das
6 Seite 6 Schweizer Recht nicht vor, soweit nicht eine interne Kollision zwischen Sorgeberechtigtem und Kind besteht.
I. Sachverhalt. II. Fragen
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