Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen Einige Thesen und Fragen
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- Rudolph Berg
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1 Prof. Dr. Ernst Kistler INIFES, Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie, ggmbh Stadtbergen Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen Einige Thesen und Fragen Impulsreferat bei der HBS /ver.di Tagung am 24./25. April 2013, Düsseldorf
2 Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen Zur Begrifflichkeit und den theoretischen Grundlagen Es gibt (bisher) keine allgemeingültige und allgemein anerkannte Definition (auch nicht in der EU Debatte über services of general interest ) Das ist auch gut so. Die Definition muss dem gesellschaftlichen Diskurs überlassen werden. Dies korrespondiert auch mit der Gestaltungsfreiheit unseres Grundgesetzes zwischen Sozialstaatsgebot und Wirtschaftsfreiheit Theoretische Konzepte wie die finanzwissenschaftliche Theorie der öffentlichen Güter helfen auch nur begrenzt weiter, vor allem wenn Verteilungsziele ausgeklammert werden. Dies zumal, da es klare Belege für die Berechtigung der Frage gibt: Wem nützt der Staat? 2
3 Die Gesamtverantwortung für gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen muss beim Staat liegen Insbesondere in Deutschland hat sich das pluralistische System der Wohlfahrtsproduktion ( Wohlfahrtsviereck ) historisch durchaus bewährt und als sozial innovativ erwiesen. Probleme sind vor allem dadurch entstanden, dass dieses System durch politische Vorgaben destabilisiert wurde (Privatisierungen) und der Vorrang der politischen Gesamtverantwortung unterminiert wurde Und Alles hängt am Gelde : Die politisch herbeigeführte Unterfinanzierung des Staates ist der Kern des Problems (bzw. die ideologische Überhöhung der Marktsteuerung) 3
4 Das Konzept der Verwirklichungschancen von Amartya Sen ist als Analysekonzept für die Frage nach Zugangsproblemen und Verteilungseffekten durchaus geeignet Quelle: 2. Bericht zur sozioökonomischen Entwicklung (Bartelheimer, Kädtler 2012, S. 55) reicht aber alleine letztlich nicht aus, weil es gesellschaftliche Effekte gibt ( meritorische Güter, externe Effekte der Nicht Inanspruchnahme) und weil es auch auf die Produktionsweise gesellschaftlich notwendiger Dienstleistungen ankommt (v. a. Arbeitsbedingungen der Dienstleister) 4
5 Darstellung: Nicht Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen trotz Bedarfs, nach Einkommensquintilen Der Anteil an Per sonen mit unter lassener Inan spruchnahme ist in Deutschland nach Italien der zweithöchste unter den alten EU Ländern Es gibt in fast allen Ländern einen deutlichen sozialen Gradien ten der Nicht Inanspruchnahme Die Darstellung zeigt auch: Das Problem der Nicht Inanspruchnahme von benötigten Gesundheitsleistungen beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Typ von Gesundheitssystemen Die Darstellung zeigt nicht: Die noch deutlich größeren sozialen Unterschiede bei präventiven Gesundheitsleistungen 5
6 Darstellung: Nicht Inanspruchnahme dringend benötigter ärztlicher bzw. zahnärztlicher Leistungen nach Erwerbsstatus in den letzten 12 Monaten und die Bedeutung finanzieller Gründe hierfür (Angaben in Prozent) Ärztliche Leistungen Davon wg. finanzieller Gründe Zahnärztliche Leistungen Davon wg. finanzieller Gründe Quelle: INIFES/IT NRW, eigene Berechnungen nach EU SILC 2009 Finanzielle Gründe spielen vor allem bei Erwerbslosen eine große, vergleichbare Rolle (andere häufig genannte Gründe: Zeitkonflikte und Selbstmedikation/Abwarten ) Überraschend selten wird räumliche Entfernung/Anfahrtsweg genannt 6
7 Darstellung: Nicht Inanspruchnahme dringend benötigter ärztlicher bzw. zahnärztlicher Leistungen in den letzten 12 Monaten (Angaben in Prozent) Deutschland insg. Ärztliche Leistungen Zahnärztliche Leistungen Quelle: INIFES/IT NRW, eigene Berechnungen nach EU SILC 2009 Der zuvor im EU Vergleich gezeigte soziale Gradient (oberstes/unterstes Einkommensquintil) reproduziert sich in unseren bisherigen Berechnungen auch bei den zahnärztlichen Leistungen und auch nach den Extremen im Nettoäquivalenzeinkommen 7
8 Ein kritischer Punkt für die Diskussion Es gibt gute Argumente für Positionen wie die Folgenden: Umbau des Sozialstaats vom Transfer zum Dienstleistungsstaat (Bormann 2013, S. 4) In vielen Fällen wird mit der Ausweitung der Sachleistungen und der sozialen Dienste ein wirkungsvollerer Beitrag zur sozialen Teilhabe als durch Erhöhung der monetären Leistungen geleistet (BMASK (Wien) 2009, S. 13) Aber dies ist voraussetzungsreich und potenziell auch gefährlich: Beispiel Chancengerechtigkeit im Bildungswesen Ist zwar dringend nötig, reicht aber nicht annähernd aus, um die aus dem Ruder gelaufene Einkommens und Vermögensverteilung wieder zurecht zu rücken! Beispiel Ausbau Kinderbetreuung : Ist unverzichtbar berücksichtigt aber nicht das Ziel Familienlastenausgleich Es gibt Anzeichen für den Versuch, mit o. g. Argumenten einen intendierten weiteren Sozialabbau zu kaschieren 8
9 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Prof. Dr. Ernst Kistler Internationales Institut für Empirische Sozialökonomie, ggmbh Haldenweg Stadtbergen
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