Geschlechterstereotype und Personalauswahl in der Wissenschaft
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- Guido Holzmann
- vor 6 Jahren
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1 Geschlechterstereotype und Personalauswahl in der Wissenschaft Think global: Wo und wie finde ich die passenden Talente? Berufungs- und Stellenbesetzungsverfahren international und gendergerecht gestalten Dipl.-Psych. Tanja Hentschel Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement TUM School of Management Akademie am See, On the Move, Insel Mainau, Konstanz
2 Das Thema in den Medien Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 2
3 1. Frauen an der Hochschule: Status Quo Studienanfänger Studierende Absolventen Promotionen Wisschaftl. MitarbeiterInnen Habilitationen Professoren C4/W3 - Professoren Quelle: CEWS, Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 3
4 2. Unterrepräsentation von Frauen auf höheren Karrierestufen Einflussfaktoren auf 3 Ebenen (Peus & Welpe, 2011) Gesellschaft Organisation Individuum Vereinbarkeit Familie und Beruf (Peus & Traut-Mattausch, 2008) Geschlechtsstereotype (Heilman, 1985, 2012; Hentschel, Heilman, Peus, 2013) Fehlende Vorbilder (The Catalyst, 2002) Machtstrukturen/Netzwerke (Ibarra, 1997) Selbstvertrauen (Mallon & Cassell, 1999) Kommunikationsstil (Tannen, 1990) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 4
5 Studie: Aktuelle Geschlechtsstereotypen (Hentschel, Peus, & Braun, in preparation) Agency (α=.86) z.b. dominant, selbstbewusst, leistungsorientiert Communality (α =.81) z.b. kontaktfreudig, kommunikativ, beziehungsorientiert Arbeitskompetenz (α=.80) z.b. führungskompetent, produktiv, fähig in Wirtschaftsangelegenheiten Stichprobe: N = 246; Alter: 38.9 Jahre; 61 % Frauen, 63,8% Hochschulabschluss Implikationen: Frauen sind wundervoll (Eagly & Mladinic, 1994), Think manager, think male (Schein, 2001) Lack of Fit (Heilman, 1983, 2012) & Rolleninkongruenz (Eagly & Karau, 2002) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 5
6 2.2 Wie wirken Stereotype? Stereotype vereinfachen die Informationsverarbeitung indem sie... (1) den Aufmerksamkeitsfokus, (2) die Interpretation und (3) die selektive Erinnerung von Informationen...lenken (Heilman, 2012; Heilman & Haynes, 2008) Achtung! Stereotype wirken am stärksten bei Unsicherheit und wenn objektive Evaluationskriterien fehlen Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 6
7 3.1. Problematiken Präferenz für männliche Promotionsbewerber (Bornmann et al. 2007, Cole et al. 2004) Berufungskommission vertrauen häufig auf Meinungen aus Netzwerken, weniger auf formale Bewerbungskriterien Sympathie beeinflusst Berufungskommission (van den Brink & Benschop, 2011) à Unsystematische Rekrutierungs-/Beförderungsprozesse à Eingeschränkte Transparenz führt zu Benachteiligung von Frauen (van den Brink, Benschop & Jansen, 2010) Lösungsansatz: Professionalisierung der Auswahlprozesse in der Wissenschaft Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 7
8 4. Professioneller Auswahlprozess Anforderungsprofil Bewerberansprache Bewerbungsunterlagen Arbeitsprobe Bewerbungsgespräch Entscheidungsfindung Onboarding Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 8
9 Schritt 1: Anforderungsprofile Definition:...alle Eigenschaften, Fähigkeiten und Kenntnisse, die Bewerbende zur erfolgreichen Bewältigung der Aufgaben benötigen è Kritische Ereignisse/Situationen è Erfolgreiches Verhalten è Erforderliches Wissen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen Achtung, Fehler! Eierlegende Wollmilchsau, zu hohes Abstraktionsniveau Daher: ü Maximal 8-12 auf die Position passende Merkmale Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 9
10 Schritt 2: Die Bewerberansprache Intern: Ausschreibung Netzwerk Mitarbeiter Extern: Print Online (Website, verteiler, schwarze Bretter anderer Unis) Veranstaltungen/Konferenzen Stellenanzeige Basiert auf dem Anforderungsprofil Enthält viele job-spezifische Informationen Stichpunkte, Ränder Passende Bilder (wenige Personen, Diversity) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 10
11 Formulierung von Stellenausschreibungen Generisches Maskulin Mitarbeiter Mitarbeiter (m/w) Beidnennung Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen Geringere Bewerbungsabsicht und Einstellungschancen von Frauen bei Verwendung des generischen Maskulins in Stellenausschreibungen (Horvath & Sczesny, 2013) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 11
12 Studie: Stellenausschreibungen (Hentschel, Braun, Peus & Frey, 2014) Maskuline Formulierung, z.b....zielstrebig und selbstständig...durchsetzungsstarkes Verhalten und analytische Arbeitsweise Feminine Formulierung, z.b....engagiert und verantwortungsvoll...kommunikatives Verhalten und gewissenhafte Arbeitsweise Maskuline Formulierung Feminine Formulierung 2 1 Attraktivität Zugehörigkeit Erfolgserwartung Bewerbungsabsicht 50 Studentinnen (100% weiblich); Alter: 21,2 Jahre Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 12
13 Schritt 3: Analyse von Bewerbungsunterlagen ü Sind die im Anforderungsprofil definierten Kriterien erfüllt? Achtung! Referenzschreiben können nur Hinweise geben! à Wie ein Detektiv Informationen sammeln, um ein vollständiges Bild zu bekommen Bilder beeinflussen die Evaluation! Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 13
14 Studie: Autorenschaften (Braun, Peus, Hentschel, Shaughnessy, & Frey, 2014) Frauen werden bei der Personalauswahl im Vergleich zu Männern bevorzugt, wenn sie Einzelautorenschaften aufweisen: 7 6 Engagement Mann Frau 7 6 Kompetenz 7 6 Auswahl EinzelautorIn Co-AutorIn 1 EinzelautorIn Co-AutorIn 1 EinzelautorIn Co-AutorIn N=197 Studierende (52.3% Frauen, Alter=23.6 Jahre) Bewerbungen auf eine Position als InstitutsleiterIn Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 14
15 Schritt 4: Arbeitsproben Ziel: direkte Beobachtung und Beurteilung der Fertigkeiten Sinnvoll, wenn gut abgrenzbare Kenntnisse oder eher praktische Fertigkeiten beurteilt werden sollen Beispiele: Vor dem ersten Treffen Ideen für einen Forschungsantrag Kommentare zu einem bestehenden Forschungsantrag Während des ersten Treffens Präsentation von Diplom/Doktorarbeit Kurs halten Stressgespräch Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 15
16 Schritt 5: Das Bewerbungsgespräch Methode: Strukturiertes kompetenzbasiertes Interview Gesprächs -abschluss Gesprächs -beginn Situative Fragen Selbstvorstellung des Bewerbers Realistische Tätigkeits- information Biographie bezogene Fragen Berufsund Organisa- tionswahl Freier Gesprächsteil Beispiel: Multimodales Interview (Schuler, 2002) Fragen basieren auf Anforderungsprofil Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 16
17 Studie: Stereotypen im Interview (Hentschel, Braun, Peus & Frey, 2014) Welche Führungsstile werden bei weiblichen und männlichen Professoren am positivsten evaluiert? Missbräuchliche Führung Authoritäre Führung Transformationale Führung Berufungsentscheidungen basierend auf Führungsstilen im Interview Berufung Führungskompetenz Professorinnen in Rot Professoren in Blau Abusive S. Authorit. L. Transform. L. 1 Abusive S. Authorit. L. Transform. L. 127 Studierende (53.3% weiblich; Alter: Jahre) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 17
18 Schritt 6: Die Entscheidung Ist-Zustand Potential Soll-Zustand aktuelle Fähigkeiten + Wachstumsmöglichkeit à Rückschlüsse aus Zeugnissen, Bewältigung vergangener Situationen, Bedürfnissen und Interessen < > = Wie groß ist die Differenz? Wie wird sich jemand in das Team eingliedern? Welche Lücke im Team kann jemand füllen? (Fachlich wie menschlich) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 18
19 Studie: Einfluss des Institutsklimas (Braun, Peus, Hentschel, Shaughnessy & Frey, 2014) Frauen werden bei der Personalauswahl im Vergleich zu Männern bevorzugt, wenn das Institut in dem die Position angesiedelt ist als kooperativ beschrieben wird: Engagement Kompetenz Auswahl 7 6 Mann Frau Wettbewerb Kooperation 1 Wettbewerb Kooperation 1 Wettbewerb Kooperation N=202 Studierende (52.5% Frauen, Alter=24.1 Jahre) Bewerbungen auf eine Position als InstitutsleiterIn Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 19
20 Zum Schluss: Onboarding Neues Teammitglied willkommen heißen: Patensystem, Hilfestellungen, Gemeinsames Essen, kleine Aufmerksamkeit... Teamkultur für Diversity à Innovationssteigerung: 1. Sicherstellen, dass jede(r) gehört wird 2. Psychologische Sicherheit ( Speak Up Kultur) 3. Teammitglieder dürfen Entscheidungen treffen 4. Erfolge werden mit den Teammitgliedern geteilt 5. Umsetzbares Feedback geben 6. Das Team nach Feedback fragen und dieses berücksichtigen Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 20
21 4. Fazit Erfolgreiche Studien & Promotionen, aber Frauen in hohen Positionen der Wissenschaft unterrepräsentiert Beste Köpfe gewinnen à Erfolg von Forschungseinrichtungen Trotz zahlreicher Anstrengungen schwer einige Positionen mit qualifizierten Frauen zu besetzen Professionelle Personalauswahl als vielversprechende Ansatzmöglichkeit Anforderungsprofil Bewerberansprache Bewerbungsunterlagen Arbeitsprobe Bewerbungsgespräch Entscheidungsfindung Onboarding Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dipl.-Psych. Tanja Hentschel Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement TUM School of Management Arcisstraße 21, München Telefon: Mehr von unserer Forschung und zum Thema Personalauswahl an Forschungseinrichtungen erfahren Sie im Sommer 2015: Personalauswahl in der Wissenschaft Evidenzbasierte Methoden und Tools Herausgegeben von Claudia Peus, Susanne Braun, Tanja Hentschel, & Dieter Frey bei Springer. Aktuelle Informationen: Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 22
23 1.2. Warum sind Frauen für Universitäten wichtig? Frauenanteil in Leitungs-Gremien korreliert mit objektiven Leistungskennzahlen Teams mit hoher Diversität haben ein erhöhtes Innovationspotential Bessere Repräsentation der Bedürfnisse von Studierenden und Gesellschaft insgesamt à Gewinnung und Bindung der besten Talente ist erfolgskritisch Desvaux, Devillard, & Sancier- Sultan, 2009; Francoeur, Labelle, & Sinclair; Desgagnè, 2008; Welbourne, Cycyota, & Ferrante, 2007; Frey, 2010; Østergaard, Kristinsson, & Timmermans, 2008; Peus & Traut- Mattausch, 2007; Rice, Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 23
24 Studie: Formulierung von Stellenausschreibungen (Hentschel, Braun, Peus, & Frey, 2013) Forschungsfrage Hat die Formulierung der Stellenausschreibung (agentisch vs. kommunal) einen Einfluss auf die wahrgenommene Zugehörigkeit und Bewerbungsabsicht von Frauen und Männern? Hintergrund Charakteristika = geschlechtsspezifisch neutral (Eagly, Mladinic, & Otto, 1991), z.b.: Führungsfähigkeit vs. Kommunikationsfähigkeit (Taris & Bok, 1998) Stellenausschreibungen: männlich dominierte Jobs = mehr agentische (maskuline) Wörter (Gaucher et al., 2011) Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 24
25 Methode Schritt 1: Probanden lasen eine Stipendienausschreibung mit vorrangig agentischen oder kommunalen Begriffen Agentische Worte, z.b....zielstrebig und selbstständig Kommunale Worte, z.b....engagiert und verantwortungsvoll Schritt 2: Probanden bewerteten die Stipendien anhand eines Fragebogens hinsichtlich... der wahrgenommenen eigenen Zugehörigkeit zum Stipendium der wahrgenommenen Attraktivität des Stipendiums der Wahrscheinlichkeit, sich auf dieses Stipendium zu bewerben Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 25
26 Ergebnisse und Implikationen Maskuline Formulierung 3 Feminine Formulierung 2 1 Attraktivität Zugehörigkeit Erfolgserwartung Bewerbungsabsicht Ø Ø Frauen: höhere Attraktivität der Ausschreibung, wahrgenommene Zugehörigkeit und Bewerbungsabsicht bei kommunaler Ausschreibung Männer: kein Unterschied Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 26
27 Implikationen Aufmerksamkeit auf die Wichtigkeit von geschlechtstypischen Formulierungen in Ausschreibungen lenken Prüfung von bestehenden Ausschreibungen und verstärkte Verwendung von kommunalen Formulierungen in zukünftigen Ausschreibungen Maskuline Worte, z.b. Zielstrebig, selbstständig, direkt, Kompetenz, analytisch, sich einsetzen, offensiv, erfolgsversprechend, entschlossen, leistungsorientiert, zielorientiert, Ehrgeiz, außergewöhnlich, Leistung, Einsatz, Selbstbewusstsein Feminine Worte, z.b. Engagiert, verantwortungsvoll, kontaktfreudig, förderlich, unterstützen, Begabung, vertrauensvoll, gewissenhaft, kollaborativ, Verantwortung übernehmen, loyal, sich verpflichten, Sensitivität, zwischenmenschlich Sie ansprechen, ihn nicht verprellen Im Interview mit Prof. Dr. Claudia Peus und Dr. Susanne Braun Dipl.-Psych. Tanja Hentschel 27
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