Das dynamische System bzw. der Fluss eines Vektorfeldes hat eine Reihe bemerkenswerter
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- Ludo Steinmann
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1 22 Kapitel 1. Gewöhnliche Differentialgleichungen Das dynamische System bzw. der Fluss eines Vektorfeldes hat eine Reihe bemerkenswerter Eigenschaften Satz Der Fluss ϕ:g R D D R n ist stetig. Ist das Vektorfeld F p-mal stetig differenzierbar, so ist auch der zugehörige Fluss ϕ p-mal stetig differenzierbar. Beweis. Die erste (bzw. zweite) Aussage folgt daraus, dass die Lösung der Differentialgleichung Y = F(Y) stetig (bzw. differenzierbar) von der Anfangsbedingung abhängt. Auf den Beweis dieser Tatsache werden wir hier verzichten. q.e.d. Nun kommen wir zu der wichtigsten Eigenschaft, die dynamische Systeme auszeichnet: 1.23 Satz Für die durch den Fluss definierten Transformationen des Phasenraums D gilt: Ist (t,x) G und Y := ϕ(t,x), sowie (s,y) G, dann folgt (s+t,x) G und ϕ s+t (X) = ϕ s (ϕ t (X)). Ausserdem ist ϕ 0 (X) = X für alle X. Der Beweis dieser Aussage beruht auf der Beobachtung, dass die Lösungen einer autonomen Differentialgleichung invariant sind unter Translation der Zeit. Genauer: 1.24 Lemma Ist γ:[a,b] D eine Lösung der Differentialgleichung Y = F(Y), wobei F:D R n R n ein stetiges Vektorfeld ist, so ist für jedes t R auch γ:[a t,b t] D, definiert durch γ(s) := γ(s+t), eine Lösung derselben Differentialgleichung. Beweis. Aus der Kettenregel ergibt sich für alle s: q.e.d. γ (s) = d ds γ(s+t) = γ (s+t) = F(γ(s+t)) = F( γ(s)). Hier ein Beispiel einer nichtautonomen Differentialgleichung, für die die entsprechende Aussage nicht gilt: 1.25 Beispiel SeiF(t,x,y) = (2t,y)fürt R,(x,y) R 2.Durchdieszeitabhängige Vektorfeld wird folgende Differentialgleichung definiert: (ẋ(t) ) 2t =. ẏ(t) y(t) Die Lösung γ:r R 2 dieser Differentialgleichung zur Anfangsbedingung γ(0) = (x 0,y 0 ) lautet t γ(t) = 2 +x 0 y 0 e t.
2 1.3. Dynamische Systeme 23 Sei jetzt t > 0 festgewählt und s R variabel. Die Funktion (s+t) γ(s) = γ(s+t) = 2 +x 0 y 0 e s+t ist keine Lösung der Differentialgleichung, denn 2(s+t) γ (s) = y 0 e s+t F(s, γ(s)) = 2s y 0 e s+t. Beweis des Satzes: Die Gleichung ϕ 0 (X) = X (für alle X) ergibt sich sofort aus der Definition. Seien jetzt (t,x),(s,y) G, wobei Y := ϕ(t,x). Die Funktion s ϕ s (ϕ t (X)) = ϕ(s,y) ist nach Definition die eindeutig bestimmte Lösung der Differentialgleichung Y = F(Y) zum Startvektor Y für s = 0. Vergleichen wir jetzt mit der Zuordnung s ϕ s+t (X) = ϕ(s + t,x). Wie im Lemma bemerkt, handelt es sich ebenfalls um eine Lösung der durch F definierten Differentialgleichung. Ausserdem nimmt die Zuordnung bei s = 0 den Wert ϕ(t,x) = Y an. Also stimmen beide Lösungen miteinander überein, und wir erhalten die Behauptung. q.e.d. Für den Fall, dass der Definitionsbereich des Flusses G = R R n ist, sind die Abbildungen ϕ t Transformationen des Raumes R n. Die dritte Aussage des Satzes können wir in diesem Fall so schreiben: Insbesondere folgt für s = t: ϕ 0 = id R n, ϕ s ϕ t = ϕ s+t für alle s,t R. ϕ t ϕ t = ϕ 0 = id. Das bedeutet, die Transformation ϕ t ist umkehrbar, und die Umkehrabbildung ϕ 1 t stimmt überein mit ϕ t (dabei läuft die Zeit sozusagen rückwärts). Betrachten wir die Zuordnung R umkehrbare Transformationen des R n, t ϕ t, stellenwirfest, dassdieadditionvonzahleninrgenauderkompositionvontransformationen entspricht. Eine solche Zuordnung wird als Gruppenhomomorphismus bezeichnet. Die Gruppenstruktur von R (durch Addition) wird durch die Zuordnung in die Gruppenstruktur der Transformationsgruppe des R n (durch Komposition) übertragen Definition Unter der Bahn (oder Trajektorie) eines Punktes X D versteht man die Teilmenge {ϕ(t,x) t (ω (X),ω + (X))} des Phasenraums. Aus den Eigenschaften eines dynamischen Systems ergeben sich nun folgende Konsequenzen für das Aussehen der Bahnen.
3 24 Kapitel 1. Gewöhnliche Differentialgleichungen 1.27 Folgerung Sei D R n eine offene Teilmenge und F:D R n ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Für die Trajektorien des entsprechenden Flusses gilt folgendes: Durch jeden Punkt des Phasenraums geht genau eine Trajektorie. Die Bahn eines Punktes besteht nur aus einem Punkt genau dann, wenn dieser Punkt eine Nullstelle des Vektorfelds F ist. In diesem Fall wird der Punkt als stationäre Lösung oder als Gleichgewichtslage bezeichnet. Ist ein Punkt keine stationäre Lösung, so ist der Geschwindigkeitsvektor an jeder Stelle der Bahn ungleich Null. Eine Bahn, die nicht nur aus einem Punkt besteht, ist entweder eine offene Kurve ohne Selbstüberschneidungen, oder sie ist einfach geschlossen und es gibt eine Periode T > 0 mit ϕ(t,x) = ϕ(t+t,x) für alle t (ω (X),ω + (X)). Beweis. Nehmen wir an, ein Punkt X D liege nicht nur auf seiner eigenen Bahn, sondern auch auf der Bahn des Punktes Y D. Das heisst, X = ϕ(s,y) für ein s R. Daraus folgt ϕ t (X) = ϕ t (ϕ s (Y)) = ϕ t+s (Y) für alle t (ω (X),ω + (X)). Also gilt {ϕ(t,x) t (ω (X),ω + (X))} = {ϕ(t+s,y) t+s (ω (Y),ω + (Y))}. Das bedeutet, dass die Bahnen von X und Y bereits miteinander übereinstimmen. Die Beschreibungen dieser Bahnen unterscheidet sich nur durch eine Umparametrisierung der Zeit. Zur zweiten Aussage: Ein Punkt X 0 ist genau dann ein Gleichgewichtspunkt, wenn ϕ(t,x 0 ) = X 0 für alle t. Das bedeutet, die Lösung der Differentialgleichung Y = F(Y) zur Anfangsbedingung Y(0) = X 0 ist die konstante Funktion Y(t) = X 0 (für alle t). Dies ist genau dann der Fall, wenn Y (t) = F(X 0 ) = 0 ist. Die dritte Aussage ist nur eine Umformulierung der zweiten Aussage. Und nun zu den Möglichkeiten für eine eindimensionale Trajektorie: Angenommen ϕ(t 1,X) ϕ(t 2,X) für alle t 1 t 2, dann hat die Bahn von X offenbar keine Selbstüberschneidungen. Sie kann auch keine Randpunkte haben, weil nach Voraussetzung D offen ist. Denn durch jeden Punkt p in D gibt es nach dem Existenzund Eindeutigkeitssatz eine Lösung der Differentialgleichung, die auf einem offenen Intervall ( ǫ,ǫ) definiert ist, und bei t = 0 durch p geht. Nehmen wir nun an, die Bahn habe eine Selbstüberschneidung, bestehe aber nicht nur aus einem Punkt. Das heisst, es gibt Werte t 1 t 2 mit ϕ(t 1,X) = ϕ(t 2,X) und daraus folgt ϕ(0,x) = X = ϕ t1 (ϕ(t 1,X)) = ϕ t1 (ϕ(t 2,X)) = ϕ(t 2 t 1,X).
4 1.3. Dynamische Systeme 25 Weil X keine Gleichgewichtslage sein sollte, ist der Geschwindigkeitsvektor der Bahn an der Stelle X ungleich 0. Die Dreigliedentwicklung von ϕ(t, X) bezüglich t lautet ϕ(t,x) = ϕ(0,x)+tf(x)+tr(t), wobei lim t 0 R(t) = 0 ist. Daraus ergibt sich nun die Abschätzung: ϕ(0,x) ϕ(t,x) = t F(X)+R(t) > 0 falls t klein genug ist, so dass R(t) < F(X). Es gibt also eine Zeit t 0 > 0 mit ϕ(t,x) ϕ(0,x) für alle 0 < t t 0. Anders gesagt, es verstreicht ein Zeitintervall, bevor die Bahn zum Ausgangspunkt zurückkehren kann. Sei jetzt T > 0 die kleinste Zahl mit ϕ(0,x) = ϕ(t,x). Dann erhalten wir wie behauptet ϕ(t,x) = ϕ t (ϕ(0,x)) = ϕ(t+t,x) für alle t. Die Funktion t ϕ(t,x) ist also periodisch mit Periode T, und die entsprechende Bahn ist einfach geschlossen. q.e.d. Kehren wir zum Vergleich noch einmal zu dem oben genannten Beispiel einer nichtautonomen Differentialgleichung zurück Beispiel Die Lösungskurven der Differentialgleichung (ẋ(t) ) 2t = ẏ(t) y(t) lauten (für x 0,y 0 R): γ:r R 2, γ(t) = x(t) t = 2 +x 0 y(t) y 0 e t. Ist y 0 = 0, so haben wir γ(t) = (t 2 +x 0,0). Diese Kurve verläuft entlang der x-achse und hat an der Stelle x = x 0 einen Umkehrpunkt. Für je zwei verschiedene x 0 -Werte überlappen sich die Bilder der Kurven in R 2, ohne miteinander übereinzustimmen. Hier haben wir also Bahnen mit Randpunkten, die ineinanderlaufen. Ist y 0 0, so haben wir y(t) = y 0 e ± x(t) x 0 für alle t. Dieentsprechenden Kurven im Phasenraum R 2 verlaufen (je nach Vorzeichen von y 0 ) ganz in der oberen oder der unteren Halbebene, und haben jeweils an der Stelle (x 0,y 0 ) eine vertikale Tangente und einen Wendepunkt bei x = x 0 +1.
5 26 Kapitel 1. Gewöhnliche Differentialgleichungen 1.4 Phasenbilder linearer Vektorfelder In diesem Abschnitt werden wir konkret lineare Vektorfelder auf R 2 betrachten. Ein solches Vektorfeld ist durch ( Multiplikation ) mit einer fest gewählten 2 2-Matrix a b gegeben. Sei also A = M c d 2 2 (R). Der Einfachheit halber nehmen wir weiter an, dass deta 0. Die Matrix A definiert das lineare Vektorfeld F:R 2 R 2, F(v) = Av, und das entsprechende Differentialgleichungssystem lautet ẋ(t) = ax(t)+by(t) ẏ(t) = cx(t)+dy(t) und das dazugehörige dynamische System ϕ:r R 2 R 2 ist gegeben durch x0 ϕ(t, ) = e ta x0. y 0 y 0 Nun wollen wir daran gehen, die Bahnen der Punkte in R 2 zu beschreiben. Weil wir vorausgesetzt haben, dass deta 0, hat die Gleichung F(v) = Av = 0 nur eine Lösung in R 2, nämlich den Nullvektor. Also hat das dynamische System nur eine Gleichgewichtslage und zwar im Nullpunkt. Alle übrigen Bahnen sind Kurven. 1. Fall: Sei A = λe für ein λ R mit λ 0. Dann lautet der Fluss x0 ϕ(t, ) = e λt x0. y 0 y 0 Sämtliche Bahnen durch Punkte 0 sind also Radialstrahlen. Ist λ < 0, so gilt lim t ϕ(t,v) = lim t e λt v = 0. Ist dagegen λ > 0, so ist der Fluss für t > 0 stets nach aussen gerichtet. 2. Fall: Die Matrix A hat zwei verschiedene reelle Eigenwerte λ 1,λ 2 0. Dann gibt es linear unabhängige Eigenvektoren v 1,v 2 R 2 zu λ 1 bzw. λ 2, und die allgemeine Lösung der Differentialgleichung lautet: x(t) = ϕ(t,c y(t) 1 v 1 +c 2 v 2 ) = c 1 e λ1t v 1 +c 2 e λ2t v 2 (c 1,c 2 R,t R). Wählen wir die Vektoren v 1,v 2 als Basis, und bezeichnen wir die Koordinaten von ϕ(t,c 1 v 1 +c 2 v 2 ) bezogen auf diese Basis mit x(t), ỹ(t), so gilt also x(t) = c 1 e λ 1t und ỹ(t) = c 2 e λ 2t. Man beachte, dass das Vorzeichen von x(t) bzw. ỹ(t) für alle Zeiten mit dem Vorzeichen der Startwerte c 1 bzw. c 2 übereinstimmt, weil die Exponentialfunktion nur positive Werte annimmt. Die Bahn eines Punktes v verläuft also ganz in demselben Quadranten (bezogen auf das v 1 -v 2 -Koordinatensystem) wie v.
6 1.4. Phasenbilder linearer Vektorfelder 27 Ist c 2 = 0, so liegt die entsprechende Bahninder Geradedurch v 1, und ist c 1 = 0, so liegt die Bahn in der Gerade durch v 2. Genauer bildet jeder der vier Halbstrahlen auf den Geraden durch die Eigenvektoren v 1,v 2 eine Bahn. Die Gestalt der weiteren Bahnen hängt entscheidend von den Vorzeichen der Eigenwerte ab. Fall 2(i): λ 1 > 0, λ 2 < 0. In dieser Situation gilt für alle t ( x(t)) λ 2 (ỹ(t)) λ 1 = c λ 2 1 c λ 1 2 =: c konstant. Falls c 1 0, ist x(t) 0, und wir erhalten die Beziehung ỹ(t) = c 1 x µ, wobei µ := λ 2 λ 1 > 0. Die Lösungsmenge dieser Gleichung ist (falls c 0) eine verallgemeinerte Hyperbel. DieBahnen sind also Halbstrahlen im v 1 -v 2 -Achsenkreuz bzw. verallgemeinerte Hyperbeläste. Trägt man in das Phasenbild ausserdem die Flussrichtung für t > 0 ein, so zeigt sich, dass die Punkte auf den Hyperbelästen von der y-achse weg auf die x-achse zu fliessen. Das Phasenbild bezogen auf die Ausgangskoordinaten ergibt sich durch erneuten Basiswechsel von dem durch v 1,v 2 erzeugten System zurück zum kartesischen Koordinatensystem. Fall 2(ii): λ 2 > λ 1 > 0. Ist zum Beispiel λ 2 = 2, λ 1 = 1 und v 2 = e 2, v 1 = e 1, dann lautet die Lösung x(t) = c 1 e t, y(t) = c 2 e 2t. Also gilt für alle t (falls c 1 0): y(t) = c 2 c 1 x(t) 2. Dies ist eine Parabelgleichung, falls c 2 0, und die Bahnen sind jeweils Parabeläste (für c 1,c 2 0). Allgemeiner haben wir ) µ ( x(t) ỹ(t) = c 2, c 1 wobei µ := λ 2 λ 1 > 1. Diese Gleichung beschreibt eine Potenzfunktion. Die Bahn des Punktes c 1 v 1 +c 2 v 2 besteht aus einer Hälfte des Graphen dieser Potenzfunktion, da weder die v 1, noch die v 2 -Achse überquert werden können. In diesem Fall fliessen alle Punkte 0 mit zunehmender Zeit vom Nullpunkt weg. Fall 2(iii): λ 2 < λ 1 < 0. Die Phasenbilder in diesem Fall unterscheiden sich von denen im vorigen Fall nur durch die Orientierung der Bahnen. Diesmal bewegen sich alle Punkte 0 mit wachsendem t auf den Nullpunkt zu. Man sagt, der Nullpunkt ist stabil. 3. Fall: Die Matrix A hat zwei konjugiert komplexe Eigenwerte α±iβ (β 0).
7 28 Kapitel 1. Gewöhnliche Differentialgleichungen IndiesemFallgibteseinenkomplexen Eigenvektor derformv 1 +iv 2 (v 1,v 2 R 2 ) zum Eigenwert α iβ. Bezeichnen wir die 2 2-Matrix mit den Spalten v 1,v 2 als T, so gilt: α β T 1 AT = =: B. β α Weiter ist e tb = Ausserdem gilt e αt cosβt e αt sinβt cosβt sinβt e αt sinβt e αt = e αt. cosβt sinβt cosβt e ta = e ttbt 1 = Te tb T 1. Also können wir das dynamische System so schreiben: ϕ(t,c 1 v 1 +c 2 v 2 ) = Te tb T 1 (c 1 v 1 +c 2 v 2 ) = Te tb c1 cosβt sinβt = Te αt c1. c 2 sinβt cosβt c 2 Schauen wir uns zunächst wieder denspezialfall v 1 = e 1, v( 2 = e 2 an. Ist α = ) 0, so cosβt sinβt sinddiebahnen der Punkte 0Kreislinien, denndiematrix ist sinβt cosβt eine Drehmatrix. Hier treten also erstmals periodische Lösungen und damit einfach geschlossene Bahnen auf. Istα > 0,sosinddieBahnenspiralförmigeKurven,die(fürt > 0)vomNullpunkt wegdrehen. Ist α < 0, so sind die Bahnen Spiralen, die sich auf den Nullpunkt zu bewegen. Im Allgemeinfall haben wir entweder Ellipsen (für α = 0) oder spiralförmige Linien ohne Selbstüberschneidungen. 4. Fall: Die Matrix A hat einen doppelten reellen Eigenwert 0 λ R. Hier geht die Matrix A nach einem Wechsel zu einer passenden Basis (v 1,v 2 ) in folgende Normalform über: λ 1 e B = und e tb λt te = λt 0 λ 0 e λt. Deshalb lautet das dynamische System hier: ( 1 t ϕ(t,c 1 v 1 +c 2 v 2 )) = (v 1 v 2 )e λt 0 1 Wir haben hier also Daraus ergibt sich, falls c 2 0: )( c1 x(t) = (c 1 +c 2 t)e λt und ỹ(t) = c 2 e λt. x(t) = 1 c 2 ỹ(t) c 2 ( c 1 + c 2 λ ln ) = (c 1 +tc 2 )e λt v 1 +c 2 e λt v 2. (ỹ(t) )). c 2
8 1.4. Phasenbilder linearer Vektorfelder 29 Wirkönnenalso xalsfunktionvonỹ auffassen.fallsc 1,c 2 > 0,istdieentsprechende Funktion für ỹ > 0 streng konvex, sie hat genau ein lokales Minimum und einen Schnittpunkt mit der ỹ-achse. In diesem Fall bilden nur die Halbstrahlen auf der Gerade durch v 1 Bahnen. Die v 2 -Achse ist nicht Vereinigung von Bahnen. Durch jeden Punkt ausserhalb der v 1 -Achse geht eine Bahn, deren Gestalt an einen Wirbel erinnert. Falls λ < 0, ist der Nullpunkt stabil, andernfalls instabil. Damit sind alle möglichen Fälle beschrieben. Hier nun noch eine Präzisierung des Begriffs der Stabilität: 1.29 Definition Sei Y X 0 einestationärelösungder Differentialgleichung Y = F(Y) für ein stetig differenzierbares Vektorfeld F. Der Punkt X 0 heisst stabil, falls zu jedem ǫ > 0 ein δ > 0 existiert mit X X 0 < δ ϕ(t,x) X 0 < ǫ für alle t > 0, und andernfalls instabil. X 0 heisst Attraktor, falls ein δ > 0 existiert mit lim ϕ(t,x) = X 0 für alle X X 0 < δ. t X 0 heisst asymptotisch stabil, falls X 0 ein stabiler Attraktor ist. Es gibt folgendes Kriterium für Stabilität: 1.30 Satz Sei A eine feste n n-matrix mit Eigenwerten λ 1,...,λ n. Wir setzen γ := max{re(λ j ) j = 1,...,n}. Ist γ < 0, so ist der Nullpunkt asymptotisch stabil für das durch A definierte dynamische System. Ist γ > 0, ist der Nullpunkt instabil. Der Vergleich mit den oben beschriebenen Phasenbildern zeigt, dass die intuitiv vorgenommene Einteilung mit der nun gegebenen Definition, sowie mit dem Kriterium für Stabilität übereinstimmt. Durch Dreigliedentwicklung erhält man nun auch ein Stabilitätskriterium für stationäre Punkte von stetig differenzierbaren Vektorfeldern Satz Sei F:D R n R n ein stetig differenzierbares Vektorfeld, und sei Y X 0 eine stationäre Lösung der Differentialgleichung Y = F(Y). Bezeichne weiter γ das Maximum der Realteile von Eigenwerten des Differentials DF(X 0 ) von F bei X 0. Entsprechend zu eben gilt: Ist γ < 0, so ist der Nullpunkt asymptotisch stabil für das durch F definierte dynamische System. Ist γ > 0, ist der Nullpunkt instabil. Die Beweisidee besteht darin, die Aussage durch Dreigliedentwicklung auf den linearen Fall zurückführen. Die Dreigliedentwicklung im Punkt X 0 lautet hier: F(Y) = F(X 0 )+DF(X 0 ) Y +R(Y) Y = DF(X 0 ) Y +R(Y) Y.
9 30 Kapitel 1. Gewöhnliche Differentialgleichungen 1.32 Beispiel Wir betrachten die Differentialgleichung ẏ = y 2 λ (λ R). Die Gleichgewichtspunkte sind die Nullstellen der Funktion f(y) = y 2 λ, nämlich ± λ (falls λ 0). Der Phasenraum ist hier eindimensional, und im Phasenbild für λ > 0 gibt es die zwei Punkte ± λ. Im Komplement dieser beiden Punkte gibt es die drei Bahnen (, λ), ( λ, λ), ( λ, ). Das Differential von f lautet f (y) = 2y, und daher ist γ = ±2 λ. Der Punkt x = λ ist also stabil und der Punkt x = λ instabil. Und hier noch ein weiteres Beispiel: x(1+y) 1.33 Beispiel Das Vektorfeld F(x,y) = (für x,y R) hat zwei x y Nullstellen, nämlich den Nullpunkt und den Punkt p = ( 1, 1). Der entsprechende Fluss hat also zwei Gleichgewichtspunkte. ( Das) Differential des Vektorfeldes an (1+y) x einer Stelle(x,y)lautetDF (x,y) =. In den Gleichgewichtspunkten 1 1 haben wir also: DF (0,0) = und DF ( 1, 1) = Im Nullpunkt haben wir den doppelten Eigenwert 1, dort liegt also ein Wirbeltyp vor, der Nullpunkt ist asymptotisch stabil. Im Punkt p haben wir die Eigenwerte 1 2 (1± 5). Das ist ein positiver und ein negativer Eigenwert. Es handelt sich also um den Hyperbeltyp, der Punkt p ist instabil. Aus diesen Angaben können wir bereits auf die ungefähre Gestalt des Phasenbildes schliessen. 1.5 Exkurs: Divergenz und Rotation Das Ziel dieses Abschnittes ist es, die Divergenz und die Rotation eines linearen Vektorfeldes mithilfe des Flusses nochmals geometrisch zu interpretieren. Sei also A eine n n-matrix und F(X) = A X für X D R n. Der zugehörige Fluss lautet dann ϕ(t,x) = e ta X für (t,x) R D. Ist t R fest gewählt, so wird durch die Vorschrift ϕ t (X) := ϕ(t,x) für X D eine bijektive Transformation des Phasenraums D definiert. In diesem Fall ist es eine lineare Transformation, gegeben durch die Multiplikation mit der Matrix e ta Satz Das Vektorfeld F ist genau dann quellenfrei, das heisst divf 0, wenn der Fluss ϕ volumentreu ist. Damit ist gemeint, dass für jede messbare Teilmenge K D und alle t R gilt: Vol n (K) = Vol n (ϕ t (K)). Das bedeutet also, dass sich das Volumen der Teilmenge K bei der Transformation ϕ t nicht ändert.
10 1.5. Exkurs: Divergenz und Rotation 31 Beweis. Die Transformation ϕ t ist durch die Multiplikation mit der Matrix e ta gegeben. Nun wissen wir bereits, wie sich das Volumen einer Teilmenge bei Anwendung einer linearen Abbildung ändert. Das Ausgangsvolumen wird nämlich mit dem Betrag der Determinante der entsprechenden Matrix multipliziert. Es gilt also: Vol n (ϕ t (K)) = Vol n (e ta K) = det(e ta ) Vol n (K). Das heisst, die Transformation ϕ t ist genau dann volumentreu, wenn det(e ta ) = ±1. Ausserdem gilt, wie schon früher gezeigt: dete ta = e t Spur(A). Die Determinante ist also in jedem Fall positiv, und die Transformation ϕ t ist genau dann volumentreu, wenn SpurA = 0. Erinnern wir uns nun an die Definition der Divergenz eines Vektorfeldes. Es gilt n divf(x) = k F k (X) = SpurDF X, k=1 wenn F k die Komponenten des Vektorfeldes F bezeichnet. Die Divergenz an einer Stelle X ist also nichts anderes als die Spur des Differentials von F an der Stelle X. Wir betrachten hier aber ein lineares Vektorfeld F, das Differential stimmt hier also an jeder Stelle mit F überein. Deshalb ist für jedes X D: divf(x) = SpurDF X = SpurA. Zusammen folgt nun die Behauptung. q.e.d Beispiel Das Vektorfeld zur Matrix A = ist nicht quellenfrei. 0 1 Denn divf(x) = SpurA = 2 0 für alle X R 2. Dies entspricht der Tatsache, dass sich dasvolumen vonkörpernunter dem entsprechenden Fluss ϕ(t,x) = e t X (für t R, X R 2 ) jeweils um den ( Faktor e t ) ändert. 1 0 Das Vektorfeld zur Matrix A = dagegen ist quellenfrei, divf(x) = 0 1 SpurA = 0 für alle X R 2. Der entsprechende Fluss ist volumentreu. ϕ(t,x,y) = (e t x,e t y) Kommen wir jetzt zur Rotation von F. Sei diesmal also A = (a ij ) eine 3 3 Matrix und F(X) = AX für alle X R 3. Wertet man in dieser Situation die Definition der Rotation aus, erhält man rotf(x) = a 32 a 23 a 31 +a 13 a 21 a 12 Betrachten wir zunächst zwei Spezialfälle. für alle X R 3..
11 32 Kapitel 1. Gewöhnliche Differentialgleichungen 1.36 Beispiele Ist A symmetrisch, das heisst A = A t, so ist rotf(x) = 0 für alle X R 3. Nach dem Hauptsatz über symmetrische Matrizen gibt es in diesem Fall eine Orthonormalbasis v 1,v 2,v 3 aus Eigenvektoren für A. Bezogen auf dieses Koordinatensystem wird F durch eine Diagonalmatrix beschrieben, etwa D = Der entsprechende Fluss lautet also λ λ λ 3. ϕ t (c 1 v 1 +c 2 v 2 +c 3 v 3 ) = 3 e tλ k c k v k für t R, c k R. k=1 Die Transformation ϕ t hat also dieselben Hauptachsen wie A und die Eigenwerte e tλ k. Sei jetzt A antisymmetrisch, das heisst A = A t. Dann können wir A in folgender Form schreiben: 0 c b A = c 0 a. b a 0 Mit diesen Bezeichnungen ist rotf(x) = 2 a b für alle X R 3. c a Der Fluss ϕ ist jetzt eine räumliche Drehung um die Achse v = b mit der c Winkelgeschwindigkeit v. Denn aus A = A t folgt für alle t R: e ta (e ta ) t = e ta+tat = E, und das heisst, e t A ist eine orthogonale Matrix. Weil det(e ta ) > 0, muss sogar e ta SO 3 (R) gelten. Es handelt sich also um eine räumliche Drehmatrix. Ausserdem können wir nachrechnen, dass der Vektor v ein Eigenvektor von e ta zum Eigenwert 1 ist: e ta v = k=0 t k k! Ak Also gibt v die zugehörige Drehachse an. a a b = b = v. c c
12 1.5. Exkurs: Divergenz und Rotation 33 Sei jetzt A eine beliebige 3 3-Matrix. Dann können wir A folgendermassen in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen Anteil zerlegen: A = A 1 +A 2, wobei A 1 = 1 2 (A+At ) und A 2 = 1 2 (A At ). Bezeichnen wir die A 1 und A 2 entsprechenden Vektorfelder mit F 1 und F 2, so erhalten wir eine Zerlegung von F der Form F = F 1 +F 2, wobei rotf = rotf 2, weil die Rotation von F 1, wie eben gezeigt, verschwindet. Für den entsprechenden Fluss gilt: ϕ t (X) = e t(a 1+A 2 ) X = e ta 1 (e ta2 X) für alle X R 3. Das bedeutet, wir können uns die Transformation ϕ t vorstellen als die Zusammensetzung einer Drehung, gegeben durch die Matrix e ta 2, mit einer diagonalisierbaren Transformation wie im ersten Beispiel. Dabei gibt die Rotation von F die Drehachse und die Winkelgeschwindigkeit des Drehanteils von ϕ t an. Das erklärt auch die Bezeichnung Rotation.
1.3 Flüsse. Y (t) = f(y(t))
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