Sind fremde Religionen bedrohlich? Befunde im internationalen Vergleich
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- Bertold Kraus
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1 Sind fremde Religionen bedrohlich? Befunde im internationalen Vergleich Vortrag anlässlich der Konferenz Religion(en), Religiosität und religiöse Pluralität im Lichte quantitativer Sozial- und Religionsforschung des Zentrums für quantitative Methoden 27. Juni 2014 Prof. Dr. Gert Pickel, Yvonne Jaeckel, Alexander Yendell, M.A. Professur für Religions- und Kirchensoziologie Universität Leipzig; Theologische Fakultät Martin-Luther-Ring 3, D Leipzig Tel.: / Fax: pickel@rz.uni-leipzig.de 1
2 Forschungsfrage(n) Erklärungsansatz: Bedrohungswahrnehmung untergräbt Kontrollempfinden und fördert Ethnozentrismus und Abgrenzung (in Anlehnung an Jonas & Fritsche 2013) Froschungsfragen: 1) Gibt es eine Bedrohungswahrnehmung in der Bevölkerung? 2) Ist diese Wahrnehmung international unterschiedlich verteilt? 3) Was sind Gründe für die Bedrohungswahrnehmung? Leitende Fragestellung: Wird religiöse Pluralisierung als Bedrohung (oder als Bereicherung) wahrgenommen und was sind die Gründe dafür? 2
3 Hohe religiöse Offenheit oder? Alle Religionen haben wahren Kern Religiöse Offenheit Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2013: Alle Religionen wahrer Kern = Für mich hat jede Religion einen wahren Kern ; Religiöse Offenheit = Man sollte allen Religionen gegenüber offen sein; Zustimmende Antworten (stimme voll und ganz zu + stimme eher zu) auf Vier-Punkte-Skala. 3
4 Einschätzung religiöser Pluralismus kulturell bereichernd Ursache für Konflikt Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2013: Bereichernd = Die zunehmende Vielfalt von religiösen Gruppen in unserer Gesellschaft stellt eine kulturelle Bereicherung dar; konfliktträchtig = Die zunehmende Vielfalt von religiösen Gruppen in unserer Gesellschaft ist eine Ursache für Konflikt. 4
5 Bedrohungsgefühle (Europa) nur durch den Islam?! Christentum Buddhismus Hinduismus Judentum Atheismus Islam Wahrnehmung als Bereicherung Wahrnehmung als Bedrohung Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2013 Wenn Sie an die Religionen denken, die es auf der Welt gibt: Als wie bedrohlich bzw. wie bereichernd nehmen sie die folgenden Religionen wahr? Anteil sehr bedrohlich/eher bedrohlich. 5
6 Bedrohungsgefühle Christen und Atheisten Christentum Atheismus Wenn Sie an die Religionen denken, die es auf der Welt gibt: Als wie bedrohlich bzw. wie bereichernd nehmen sie die folgenden Religionen wahr? Anteil sehr bedrohlich/eher bedrohlich. 6
7 Bedrohungsgefühle Islam und Judentum Islam Judentum Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor 2013 Wenn Sie an die Religionen denken, die es auf der Welt gibt: Als wie bedrohlich bzw. wie bereichernd nehmen sie die folgenden Religionen wahr? Anteil sehr bedrohlich/eher bedrohlich. 7
8 Konfliktwahrnehmung religiöser Pluralismus - Bedrohungsgefühle 0,2 0,18 0,15 0,1 0,05 0-0,05-0,1-0,15-0,2 0,02 0,04 0,01 0,02 0,01 Christentum Buddhismus Hinduismus Judentum Atheismus Islam -0,05-0,08-0,13-0,12-0,12-0,15 bereichernd konfliktträchtig Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor Korrelationskoeffizienten Pearsons R 8
9 Religionen als Konflikt und Bedrohungswahrnehmung Zunehmende religiöse Vielfalt als Ursache für Konflikte und Wahrnehmung von Religionen als Bereicherung bzw. Bedrohung (Korrelationen) Christentum Islam Judentum Buddhismus Hinduismus Atheismus Israel -,093,147,203,094 Spanien -,068 -,128 -,176 -,118 -,118 -,101 Schweiz -,135 USA -,166 -,113 -,145 -,128 Deutschland -,222 -,181 -,100 -,095 Kanada -,241 -,094 Frankreich -,161 -,260 -,153,102 Brasilien -,159 -,088 -,094 Schweden -,089 -,311 -,182 -,177 -,158 GB -,087 -,290 -,158 -,085 -,122 Indien -,074,079 Südkorea -,114 Türkei -,079,128 Quelle: Bertelsmann Religionsmonitor
10 Islam passt in westliche Welt aus Sicht vieler Bürger nicht! Islam passt durchaus in westliche Welt Ablehnung Itemvorgabe in Frageskala: Der Islam passt durchaus in die westliche Welt (zustimmende Antworten unter Ausschluss der Kategorie weiß nicht, keine feste Meinung). 10
11 Erklärungsfaktoren für Bedrohungsgefühle 11
12 Erklärungshypothesen Kontakthypothese: steigende Zahl an Kontakten baut Stereotype ab und steigert Vertrauen zwischen Sozialgruppen und Integration Sozialkapitalhypothese: Vertiefter Ausbau von Vertrauen durch freiwilliges Engagement und face-to-face-kontakte (bridging SK) Deprivationsthese: niedriger sozialer Status bzw. Wahrnehmung sozioökonomischer Benachteiligung negative Einstellungen. Autoritarismus/Religiöser Dogmatismus: Das Beharren auf religiöse Dogmas geht mit geringer Anerkennung anderer Religionen zusammen. Social Identity Theory: Stärkere Identifikation mit Sozialgruppe (z.b. Nation) führt zu geringerer Offenheit gegenüber fremden Gruppen. 12
13 Regressionsanalysen Abhängige Variable: Als wie bedrohend bzw wie bereichernd nehmen Sie folgende Religionen war? Antworten: sehr bereichernd, eher bereichernd, eher bedrohlich, sehr bedrohlich (hier: Islam) Unabhängige Variablen: Politische Einstellung; Religiöser Dogmatismus; Generelle Offenheit gegenüber Religionen; Glaube an Wahrheit aller Religionen; Religiosität, Gottesdienstbesuch, Kontakt zu Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften in der Familie, der Nachbarschaft, auf der Arbeit und in der Freizeit; interpersonelles Vertrauen; freiwilliges Engagement; eigene ökon. Situation (Selbsteinschätzung); Geschlecht, Alter Insgesamt 9 Modelle: Modelle für Kanada, Schweiz, Deutschland, Spanien, Frankreich, Südkorea, Schweden, GB, USA, 13
14 CA CH D ES F KR SE GB USA Ergebnisse Regressionsanalyse Politische Einstellung Offenheit gegenüber Religionen Alle Religionen besitzen Wahrheit Religiöser Dogmatismus -,318*** -,346*** -,349***,376***,235***,202*,143*,142*,331***,321**,326*** -,320*** -,184** -,096 (,059) -305** -,272* -,270* -,247*** Religiosität -,224**,103 (,055) -,291** -,177** Gottesdienstbesuch,263***,213 (,095),150* Kontakt zu Mitgliedern anderer Religionsgemeinsch aften -in Familie -in Nachbarschaft,133 (,086),386*** -auf der Arbeit -,127** -,159* -in der Freizeit,241***,229** Interpersonelles Vertrauen Eigene ökon. Situation (Selbsteinschätzun g) Geschlecht -,146**,194*,246*** -,144*,157*,311***,272* Alter -,230** -,240*** -,198*** -,235** -,262*** -,336** -,299**,200*** R²,382,293,305,154,628,261,400,198,457 14
15 Ergebnisse Regressionsanalyse Eine religiös dogmatische Einstellung wirkt sich fast überall negativ aus (Kanada, Schweiz, Deutschland, Südkorea, Schweden, Großbritannien und USA), hingegen Offenheit gegenüber Religionen positiv (Kanada, Deutschland, Spanien und Frankreich Kontakte zu Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften wirken sich sowohl positiv als auch negativ aus: Kontakte in der Nachbarschaft: positiver Einfluss in Schweden Kontakte innerhalb der Familie: positiver Einfluss in Frankreich Kontakte in der Freizeit: positiver Einfluss in der Schweiz und Frankreich Kontakte auf der Arbeit: negativer Einfluss in Deutschland und Frankreich 15
16 Ergebnisse Regressionsanalyse Je rechter die politische Einstellung, desto größer ist die Bedrohungswahrnehmung in Bezug auf den Islam in der Schweiz, Frankreich, Schweden und den USA In Schweden, Frankreich und den USA wirkt sich der Gottesdienst positiv aus: je häufiger ein Befragter dort den Gottesdienst besucht, desto eher sieht er den Islam als Bereicherung an In fast allen Ländern nehmen signifikant häufiger ältere Personen den Islam eher als Bedrohung war. 16
17 Weitere mögliche Faktoren Größe der (muslimischen) Minderheit Spezifische Historie Bad News : Medien konzentrieren sich auf die schlechten Nachrichten und prägen damit das Image einer Religion 17
18 Nachbarschaftsfrage: Muslime 25,0% Veränderungen zwischen 2001 und ,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% -5,0% -10,0% Zwischen 2001 und 2008 hat sich die Ablehnungsrate in 21 von 32 Ländern verschlechtert, zwischen 1990 und 2001 hatte sich die Ablehnungsrate in den meisten Ländern verbessert 18
19 Nachbarschaftsfrage: Muslime 25,0% Veränderungen zwischen 2001 und ,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% -5,0% -10,0% In Ländern, die zur Koalition der Willigen gehörten, Truppen in den Irak und/oder Afghanistan entsendeten, stieg die Ablehnung um 5,7 Prozentpunkte an, in den nicht beteiligten Ländern um 0,9 Prozentpunkte 19
20 Bedrohungswahrnehmung und Stereotype Durch fremde Kulturen/Nationen bedroht und Assoziationen in Bezug auf den Islam(Zusammenhangsmaße, Cramer V) D-West D-Ost DK F NL P Fanatismus,231***,122**,117*,288**,132**,151*** Gewaltbereitschaft,270***,201***,363***,269***,247***,141*** Rückwärtsgewandheit,123** n.s.,221***,181***,114*,176*** Engstirnigkeit,153***,179***,276***,140**,182***,148*** Benachteiligung der Frau,165*** n.s.,179***,204***,179***,176*** Quelle: WaRV
21 Fazit Bedrohungsstereotype als Konfliktgenerator 1) Es findet sich in vielen Ländern ein beträchtliches Ausmaß negativer Einstellungen gegenüber fremdreligiösen Gruppen. 2) Die Bedrohungswahrnehmung konzentriert sich zumeist auf den Islam. 3) Selektive Wahrnehmungen führen medial verstärkt zu Stereotypen, die keine direkte Erfahrung zur Bestätigung benötigen. 4) Kontakte zwischen Mitgliedern unterschiedlicher religiöser Gruppen bauen Ängste ab und Vertrauen auf, sind aber Wirkungsschwächer. 5) Je älter und religiös dogmatischer Menschen sind, desto größer ist die Intoleranz gegenüber anderen Religionen. Nicht religiöse Vielfalt an sich, sondern die in den Köpfen der Bürger mit ihr verbunden Bedrohungswahrnehmungen sind ein Problem für die gesellschaftliche Integration 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Für die Überlassung der Daten des Bertelsmann Religionsmonitors 2013 danken wir der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh. Für die Richtigkeit der Berechnungen ist selbstverständlich der Autor alleine verantwortlich Teile der Ergebnisse der Studie sind auf der entsprechenden Homepage der Bertelsmann Stiftung nachlesbar 22
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