Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung

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1 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Dokumentation der Kulturkonferenz der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz der Partei DIE LINKE. am 31. Mai 2013 im Pfefferberg in Berlin

2 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung 3 Programm der Konferenz 5 Protokoll: I. Kulturpolitik neu denken neue Herausforderungen, neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung im 21. Jahrhundert Begrüßung Dr. Annette Mühlberg und Elli Strauven-Dejean 7 Tobias J. Knoblich: Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt. Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? 9 Klaus Schöpp: Ansätze für eine zeitgemäße Kulturförderung»Hochkultur«oder»Freie Szene«, ist das noch die Frage? Forderungen der Koalition der Freien Szene 20 Dr. Lukrezia Jochimsen: Kultur für alle Jetzt erst recht! 28 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung 31 II. Kulturförderung neu denken Initiativen und Konzepte in den Ländern und Kommunen Olaf Zimmermann: Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? 43 Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt: Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art. Ihre Förderung am Beispiel des Sächsischen Kulturraumgesetzes 52 Katrin Framke: Initiativen der Linken zur Kultur förderung in den Ländern Ein Überblick 61 Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte 63 Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten 72 Dr. Annette Mühlberg: Fazit und Ausblick 82 Anlagen Selbstdarstellung Ständige Kulturpolitische Konferenz 83 Auszug aus dem Bundestagswahlprogramm 2013 zur Kultur 84 Selbstdarstellung Pfefferwerk Stadtkultur ggmbh 86 1

3 Partei DIE LINKE. Ständige Kulturpolitische Konferenz Kleine Alexanderstraße 28, Berlin Tel. 030/ V.i.S.d.P.: Gert Gampe Redaktion: Dr. Annette Mühlberg Redaktionsschluss: April 2014 Titelbild:»Berlin Pfefferberg 2013«aus der Bilderserie»Berlin Häuserflucht«, Stefan Paubel, 2013 Satz und Herstellung: MediaService GmbH Druck und Kommunikation 2

4 Vorbemerkung Vorbemerkung Am 31. Mai 2013 diskutierten im Pfefferberg in Berlin Mitglieder der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz der Partei DIE LINKE. mit verschiedenen Akteuren aus Politik, Wissenschaft und der Kulturszene auf einer eintägigen Beratung über neue Herausforderungen und neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung. Wir dokumentieren im Folgenden die Debatte dieses Tages. Hier zum Eingang ein kurzer Überblick über den Verlauf der Diskussion und deren Ergebnisse: Kulturelle Vielfalt braucht auch weiterhin öffentliche Förderung. Daran bestand für die Anwesenden kein Zweifel. Neu aber muss bedacht werden, in welcher Weise sie künftig zu gestalten ist. Tobias J. Knoblich (Vizepräsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V.) beschrieb in seinem Einstiegsreferat mit dem Titel»Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten?«die derzeitige Situation in der Theoriebildung und kulturpolitischen Praxis und zeigte Möglichkeiten und Grenzen konzeptbasierter Kulturpolitik auf. Klaus Schöpp (Musiker und Sprecher der Koalition der Freien Szene, Berlin) setzte sich mit dem Verhältnis von Hochkultur und Freier Szene auseinander und erläuterte die Forderungen der Koalition der Freien Szene an die Politik. Gerade hier wurde deutlich, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Und Lukrezia Jochimsen (MdB, Kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE.) erneuerte den Anspruch einer»kultur für alle«. Um diesen einzulösen, müssen wir eine Diskussion über unsere öffentlichen Güter anstoßen, zu denen Kultur weitgehend gehört. Stellen wir doch allerorten fest, dass diese Gemeingüter der Bevölkerung genommen und vorenthalten, dass sie zerstört oder kommerzialisiert werden. Dagegen müssen wir politisch angehen, aktuell vor allem bei der Diskussion um das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA war ihr Plädoyer. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde über vorhandene Ansätze für eine neue Kulturpolitik und Kulturförderung nicht zuletzt auch am Beispiel von Mecklenburg-Vorpommern diskutiert. Dort engagiert sich eine Volksinitiative für den Erhalt der Theater- und Orchesterlandschaft. Dafür braucht es eine verlässliche längerfristige Förderung. Zum Schutz von Kultur sollten verpflichtende Regelungen zur Förderung von Kultur auf Landesund Bundesebene geschaffen werden. Linksfraktion und Grüne hatten zum Anfang des Jahres 2013 einen Antrag für ein Kulturfördergesetz in den Landtag eingebracht. Er wurde mit der Begründung abgelehnt, dann solle man doch besser gleich einen Gesetzentwurf machen. Das will die Linksfraktion nun tun. Am 10. Januar 2014 verständigte sich die Landtagsfraktion auf einer Klausur über Eckpunkte für ein Kulturfördergesetz in Mecklenburg-Vorpommern. In Sachsen-Anhalt hat sich über 14 Monate ein Kulturkonvent mit der Situation und den Perspektiven der kulturellen Infrastruktur beschäftigt. Olaf Zimmermann (Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Moderator des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt) fasste dessen Ergebnisse und Erfahrungen zusammen und ging der Frage nach, ob dies ein verallgemeinerungsfähiges Modell auch für andere Länder sei. Das Besondere dieses Konvents war seine Zusammensetzung. Er war kein kleines Expertengremium, sondern bot ein breites Abbild der Gesellschaft des Landes Sachsen- Anhalt. Er war breit demokratisch legitimiert, es wurde gemeinsam an Lösungen gearbeitet. Deshalb sei dieser Konvent ein nachahmenswertes Modell für andere Länder meinte Olaf Zimmermann. Allerdings verdeutlichte er auch, dass das eigentliche Problem nun in der Umsetzung der Empfehlungen des Konvents liege, denn die Sparbeschlüsse in Sachsen-Anhalt konterkarieren seine Ergebnisse. Es gelte nun gemeinsam für die Kultur in Sachsen-Anhalt zu streiten. Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt (Professor für Kulturgeschichte und Kulturpolitik an der Hochschule Zittau/Görlitz, Geschäftsführender Direktor des Instituts für kulturelle Infrastruktur Sachsen) referierte über Mittelstädte als kulturelle Zentren eigener Art und ihre Förderung am Beispiel des Sächsischen Kulturraumgesetzes, welches er maßgeblich mit auf den Weg gebracht hatte. Sein Resümee lautete, dass durch die Pflichtaufgabe Kultur im Sächsischen Kulturraumgesetz die Garantie von Artikel 28 Grundgesetz und Artikel 82 Sächsische Verfassung, nämlich Gestaltungshoheit der Kommunen, überhaupt erst hergestellt worden sei. Und deshalb wäre es in der Tat gut, einen Artikel im Grundgesetz zu haben, mit dem Kultur zur Pflichtaufgabe wird und einen entsprechenden in allen Landesverfassungen. In den folgenden zwei Podiumsdiskussionen wurde über Initiativen und Konzepte zur Kulturförderung in Flächenländern einerseits und Großstädten/ Stadtstaaten andererseits mit ihren jeweils spezi- 3

5 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung fischen Rahmenbedingungen diskutiert. Interessant waren hier insbesondere die Erfahrungen der LINKEN in Sachsen bei der Entwicklung von kulturpolitischen Leitlinien und ihrer breiten öffentlich Diskussion. Ähnlich die öffentliche Debatte über den Vorschlag für ein Kulturfördergesetz der Linksfraktion in Thüringen. Auch in Hamburg oder Berlin könnte ein Kulturfördergesetz hilfreich sein, allerdings sind dort andere Gegebenheiten zu beachten. In Berlin gab es dafür ja schon Ansätze. Wolfgang Brauer (Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Berlin) sprach sich für ein Landeskulturgesetz anstelle von vielen Einzelkulturgesetzen aus. Darin sollte erstens festlegt werden, dass das Land Berlin Kultur fördert und unterstützt und zweitens sollte sehr genau definiert werden, wofür der Senat zuständig ist, was die Landesebene zu machen hat und was von den Bezirken als»teilkommunen«erwartet wird. Klar werden muss, wie sich das Land selbst in die Pflicht nimmt, um die Bezirke in die Situation zu versetzen, die zugewiesenen Aufgaben auch erfüllen zu können. Das Ergebnis des Tages lässt sich aus Sicht der Veranstalter kurz zusammenfassen: Wir haben eine ganze Reihe von Anregungen für parlamentarische und außerparlamentarische Aktivitäten erhalten, die ernsthaft weiter verfolgt und umgesetzt werden müssen. Das reicht von den Kulturfördergesetzen über die Formulierung von kulturpolitischen Leitlinien, nicht nur in einem Land, bis hin zum Einfordern einer»kulturellen Ausnahme«bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Wir werden der Frage nachgehen, wo und in welcher Weise es sinnvoll ist, Ähnliches wie das Sächsische Kulturraumgesetz oder Beteiligungsformen wie den Kulturkonvent auf den Weg zu bringen. Der Forderungskatalog der Koalition der Freien Szene in Berlin enthält für uns ein ganzes Bündel von Aufgaben zur Verbesserung der Situation von freiberuflich tätigen Kreativen. Mit den Forderungen stimmen wir in der Grundrichtung überein. Relevant sind sie nicht nur für diese eine Stadt. Wir sind eine»ständige Kulturpolitische Konferenz«und werden uns mit den Themen, die im Mai vergangenen Jahres diskutiert wurden, weiter beschäftigen. 1 Wir bedanken uns bei allen Mit wirkenden für ihre Beiträge. Annette Mühlberg April Mehr Informationen zu den kulturpolitischen Positionen und Initiativen der LINKEN finden Sie auf den Internet-Seiten der Partei DIE LINKE unter: kulturpolitik/ 4

6 Programm der Konferenz Programm der Konferenz Fragestellung Kulturelle VieIfalt braucht auch weiterhin öffentliche Förderung. Daran besteht zumindest unter Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitikern kein Zweifel. Die Frage aber ist, in welcher Weise diese künftig zu gestalten ist. Sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Formen kultureller Arbeit haben sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Ein einfaches»weiter so«kann es in der Kulturpolitik und Kulturförderung nicht geben. Im neuen Grundsatzprogramm der Kulturpolitischen Gesellschaft werden die Herausforderungen treffend beschrieben:»die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern sich weltweit grundlegend. Ein tief greifender Strukturwandel hin zu einer digitalen und globalen Wissensgesellschaft schafft neue Optionen, birgt aber auch Risiken. Die ökologische und finanzwirtschaftliche Krise sowie die demografische und sozio-ökonomische Entwicklung be einträchtigen die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen und bedrohen den sozialen Frieden. Alle Politikbereiche sind aufgerufen, sich diesen Herausforderungen zu stellen auch die Kulturpolitik! Notwendig sind alternative Gesellschaftsentwürfe, die die kulturelle und soziale Teilhabe mit nachhaltiger Entwicklung zusammen denken und dabei auch die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der Kunst und in der Kulturwirtschaft in den Blick nehmen.«2 Das heißt auch alternative Entwürfe und Konzepte für eine Kulturförderung zu entwickeln, die sich über den Erhalt und die Pflege des kulturellen Erbes hinaus auf die vielgestaltige kulturelle Szene von den öffentlichen Kultureinrichtungen über die frei-gemeinnützigen Projekte und Initiativen bis hin zu den privatwirtschaftlichen Kulturanbietern richtet und in stärkerem Maße als bisher Raum für Neues schafft. Vor allem muss von der Förderung deutlich mehr bei den Kreativen selbst ankommen. 2 Vgl. Grundsatzprogramm der Kulturpolitischen Gesellschaft, beschlossen am 21. September 2012 in Berlin, digitale Fassung verfügbar unter: Ansätze dafür sind in den letzten Jahren in verschiedener Weise sowohl auf Bundesebene (so zum Beispiel von der Enquete-Kommission»Kultur in Deutschland«) als auch in den Ländern und Kommunen entwickelt worden, nicht zuletzt auch von der LINKEN. Dabei rücken Strategien einer»konzeptbasierten Kulturpolitik«mit der Entwicklung von Leitlinien, Plänen, Konzepten immer mehr in den Mittelpunkt. Daneben werden vor allem Forderungen nach gesetzlichen Regelungen zur Sicherung der»freiwilligen«aufgabe Kultur und für einen gerechten Leistungs- und Nutzenausgleich zwischen den Städten und ihrem Umland unter Beteiligung der Länder lauter. Wir wollen auf der Kulturkonferenz den Fragen nachgehen, welche Modelle, Konzepte und Strategien in Bund und Ländern zur Bewältigung dieser neuen Herausforderungen entwickelt wurden, welche sich in der Praxis schon als tragfähig erwiesen haben und welche es sich noch auszuprobieren lohnt. Wir laden herzlich zur Debatte über diese Fragen ein und hoffen auf eine anregende Diskussion mit allen Anwesenden, auch über den Kreis der Referentinnen und Referenten hinaus. Ablauf: Uhr Begrüßung: Dr. Annette Mühlberg (Bundes sprecherin der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz) und Elli Strauven-Dejean (Pfefferwerk Stadtkultur ggmbh) I. Kulturpolitik neu denken neue Herausforderungen, neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung im 21. Jahrhundert Uhr Einstiegsreferat: Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? Tobias J. Knoblich (Vizepräsident der Kultur politischen Gesellschaft e. V.) Uhr Nachfragen an den Referenten/Diskussion Moderation: Dr. Annette Mühlberg Uhr Ansätze für eine zeitgemäße Kulturförderung»Hochkultur«oder»Freie Szene«, ist das noch die Frage? Forderungen der Koalition der Freien Szene Klaus Schöpp (Musiker, Koalition der Freien Szene, Berlin) 5

7 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Uhr Kultur für alle Jetzt erst recht! Dr. Lukrezia Jochimsen (MdB, Kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE.) Uhr 1. Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung Mit Dr. Lukrezia Jochimsen, Klaus Schöpp, Isa Kathrin Edelhoff (Kulturvermittlerin und -managerin, Berlin, Regionalsprecherin der Kulturpolitischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg), Torsten Koplin (MdL, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Mecklenburg- Vorpommern), Ralph Reichel (Chefdramaturg am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, Volksinitiative für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern) Moderation: Kathrin Senger-Schäfer (MdB, Medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE.) Uhr Mittagspause II. Kulturförderung neu denken Initiativen und Konzepte in den Ländern und Kommunen Uhr Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? Olaf Zimmermann (Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Moderator des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt) Uhr Nachfragen an den Referenten/Diskussion Moderation: Isa Kathrin Edelhoff Uhr Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art. Ihre Förderung am Beispiel des Sächsischen Kulturraumgesetzes Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt (Professor für Kulturgeschichte und Kulturpolitik an der Hochschule Zittau/Görlitz, Geschäftsführender Direktor des Instituts für kulturelle Infrastruktur Sachsen) Uhr Kaffeepause Uhr Initiativen der Linken zur Kulturförderung in den Ländern Ein Überblick Katrin Framke (Projektmanagerin, Berlin) Uhr 2. Podium: Kulturförderung in Flächen ländern Initiativen und Konzepte Mit Volker Külow (MdL, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Sachsen), Jayne-Ann Igel (Schriftstellerin, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Kultur Sachsen), Dr. Birgit Klaubert (MdL, Kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag Thüringen), Lorenz Müller-Morenius (Freier Maler und Zeichner, ver.di NRW) Moderation: Dr. Annette Mühlberg Uhr 3. Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten Mit Wolfgang Brauer (MdA, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Berlin), Heimo Lattner (Bildender Künstler, Haben und Brauchen, Berlin), Siri Keil (Wissenschaftliche Mitarbeiterin von Norbert Hackbusch, MdHB, Fachsprecher für Kultur der Linksfraktion in Hamburg), Alexander Pinto (Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hafencity Universität Hamburg/Kultur der Metropole) Moderation: Matthias Zarbock (Sprecher der LAG Kultur Berlin) Uhr Fazit und Ausblick: Dr. Annette Mühlberg Ab Uhr Teilnahme am Auftakt zum Fest der Linken im Kino Babylon Ab Uhr Ausklang im Café Luxemburg am Rosa-Luxemburg-Platz Uhr Nachfragen an den Referenten/Diskussion Moderation: Jochen Mattern (Parlamentarischwissenschaftlicher Berater in der Linksfraktion des Landtags von Sachsen) 6

8 »Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung«am 31. Mai 2013 in Berlin Protokoll der Kulturkonferenz der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz der Partei DIE LINKE.»Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung«am 31. Mai 2013 in Berlin Begrüßung Dr. Annette Mühlberg und Elli Strauven-Dejean Dr. Annette Mühlberg: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer Kulturkonferenz»Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung«. Veranstalter ist die Ständige Kulturpolitische Konferenz der Partei DIE LINKE. Ich bin die Bundessprecherin dieser Arbeitsgemeinschaft. Die Ständige Kulturpolitische Konferenz gibt es schon seit Wir sind ein ehrenamtliches Gremium von kulturpolitisch Aktiven innerhalb der Partei, die sich zusammengeschlossen haben, um etwas für Kultur und Kulturpolitik in der LINKEN zu tun. Wir verstehen uns als ständiges Diskussionsforum, deswegen auch der Name: Ständige Kulturpolitische Kon ferenz. Wir beraten den Parteivorstand und die verschiedenen Gremien der Partei. Gestern Abend, das will ich nur erwähnen, habe ich den Änderungsantrag der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz zum Bundestagswahlprogramm an den Parteivorstand geschickt. Im Entwurf ist schon eine Passage zur Kultur enthalten, ein eigenständiger Abschnitt, was wir gut finden. Aber wir wollen ihn noch verbessern. Wir verstehen uns also als Be ra tungsgremium und gleichzeitig koordinieren wir auch die Kulturpolitik der LINKEN im Bund und in den Ländern bis hin zur Europäischen Ebene. Warum eine Konferenz»Kulturpolitik neu denken«? Uns alle eint die Wertschätzung von Kultur und Kulturarbeit. Wir wissen aber ebenso, dass sich sowohl die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, als auch die Kulturszene selbst, also die Bedingungen kultureller Arbeit, grundlegend verändert haben, und dass die bisherigen Formen öffentlicher Förderung in Zukunft nicht einfach so fortgesetzt werden können wie bisher. Und da wir zu den Perspektiven öffentlicher Förderung noch mehr Fragen als Antworten haben, wollen wir uns nun auf dieser eintägigen Konferenz mit Ihnen darüber verständigen, wie wir Kulturpolitik neu denken und neue Ansätze in der Kulturförderung finden können. Ganz kurz zum Programm: Nach mir wird Elli Strauven-Dejean etwas zum Ort unserer Veranstaltung, dem Pfefferberg, sagen und ihre Institution die Pfefferwerk Stadtkultur ggmbh vorstellen. Sie ist Abteilungsleiterin Ausbildung Medien und Kultur. Ich werde ihr gleich das Wort geben. Zuvor möchte ich noch auf kleine Programmänderungen hinweisen. Tobias Knoblich, muss leider Punkt Uhr diesen Raum verlassen, so dass wir pünktlich mit seinem Referat beginnen müssen und nur kurze Zeit für Nachfragen an ihn haben. Er wird zum Thema»Grenzenlose Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten«. sprechen. Es folgt der Beitrag von Klaus Schöpp, Musiker, Vertreter der Koalition der Freien Szene, dann wird Lukrezia Jochimsen sprechen und anschließend findet das erste Podium statt. Und jetzt bitte ich Elli Strauven-Dejean ans Mikrofon. Elli Strauven-Dejean: Ich leite hier im Haus die Abteilung Ausbildung Medien und Kultur und möchte Sie ganz herzlich bei uns auf dem Pfefferberg begrüßen. Ich versuche meinen Beitrag weitestgehend zu raffen und gebe Ihnen nur einen kleinen Einblick in die bewegte Geschichte des Pfefferberg hat der bayrische Braumeister Joseph Pfeffer hier am Ort eine Brauerei gegründet. Damals war das noch außerhalb von Berlin. In der Gründerzeit wurde ja viel gebaut, unter anderem auch die Mietshäuser hier um uns herum. Es wurden die Anlagen ausgebaut und alles wurde unterkellert. Das Bier schmeckte gut, hat sich gut verkauft hat Schultheiss die Brauerei übernommen und leider gleich danach still gelegt. Von 1920 bis zum Zweiten Weltkrieg waren hier viele verschiedene Nutzer ansässig, unter anderem die Bezirksverwaltung Prenzlauer Berg inklusive Bürgermeister, die Hoffmann Schokoladen Kommanditgesellschaft, die Bäcker- und Kondi toreigenossenschaft, die Germania Brotbäckerei und viele mehr. Im Zweiten Weltkrieg wurden relativ viele Gebäude auf dem Gelände zerstört oder sind stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Tiefkeller dienten u. a. als Luftschutzbunker. Ab 1946 sind der Verlag und die Druckerei vom Neuen Deutschland hier eingezogen. Später wurden durch die kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer Berg Gebäude als Lager, Büros, Garagen, Werkstätten verwendet und u. a. auch eine Außenstelle der Poliklinik für Bauarbeiter eingerichtet. 7

9 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung 1987/1988 hat das Institut für Städtebauliche Architektur der DDR ein Konzept für diesen Ort entwickelt als kultureller und sozialer Standort wurde das Gebiet zum Denkmal erklärt. Der Pfefferwerk Verein hat die Idee, die ja vorher schon bestand, aufgegriffen, hieraus ein soziokulturelles Zentrum zu machen. Sie fingen auch damit an, die stark in Mitleidenschaft gezogenen Räume zu Ver anstaltungszwecken zu nutzen. Dazu gehören z. B. der Saal, wo jetzt das Restaurant Tauro ist, der Biergarten und das Haus 13, in dem wir uns heute befinden und das im Prinzip eine Ruine war. Berlinerinnen und Berliner, die nicht mehr ganz so super jung sind, so wie ich, können sich noch an viele legendäre Veranstaltungen hier auf dem Gelände erinnern. Der Pfefferwerk Verein hat wie gesagt versucht darauf hin zu wirken, dass hieraus ein soziokulturelles Zentrum wird hat die Pfefferwerk Stadtkultur als Tochter der Pfefferwerk Stiftung, die Immobilie vom Land Berlin und der Bundes republik Deutschland erworben und seit 2001 wird hier saniert. Wie man sieht, sind die Arbeiten immer noch nicht ganz abgeschlossen. Insgesamt hat der Pfefferberg 21 Gebäude. In 2001 hat gleich als erstes die Akira Ikeda Galery Berlin eröffnet, die sich immer noch hier befindet. Seit 2002 haben sich hier verschiedene Interessenten, die im Rahmen des Nutzungskonzeptes, Kultur, Soziales, Dienstleistung und Kunst, angesiedelt und konnten Teile des Pfefferbergs erwerben oder pachten. Ich nenne jetzt nicht alle, möchte aber ein paar Beispiele anführen, dazu gehört das Architekturforum Aedes, die unsere Nachbarn sind, der Künstler Olafur Eliasson, die Galerie Meinblau, jetzt gerade neu hat die Tchouban Foundation zur Christinenstraße hin ein Museum für Architekturzeichnung erbaut, was morgen feierlich eröffnet wird. Auf der Baustelle nach vorn zur Schönhauser Allee hin wird durch den VIA Unternehmensverbund ein Theater und auch eine kleine Pfefferbrauerei eröffnet, wo dann wieder ein eigenes Bier gebraut wird. Jetzt zu uns und diesem Saal. Die Pfefferwerk Stadtkultur hat mit Unterstützung des Landes Berlin diesen Standort als Ausbildungsstandort sanieren können. Wir bilden in der Berufsausbildung Berufe im Veranstaltungswesen, in Medien, IT-Berufen, Gastronomie und im Bürobereich aus, mit einem besonderen Fokus auf benachteiligte Jugendliche und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Das heißt, Ihre Veranstaltung hier und auch das was Sie essen, wird alles mit und von unseren Jugendlichen zubereitet, bereitgestellt usw. Darüber hinaus führen wir verschiedene Projekte der Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und Berufseingliederung durch. Wir führen hier im Haus 13 ganz verschiedene Veranstaltungen durch. Vom Band-Contest bis zur Konferenz ist fast alles dabei, wobei wir wie so 8 viele Veranstalter in Berlin den Spagat machen zwischen Veranstaltungen, die uns inhaltlich besonders am Herzen liegen, wie zum Beispiel die Förderung junger Bands oder Events und Veranstaltungen, die wir eher aus wirtschaftlichen Gründen durchführen. Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen kleinen Einblick geben, bedanke mich und wünsche Ihnen noch eine fruchtbare und erfolgreiche Diskussion heute. Dr. Annette Mühlberg: Herzlichen Dank unserer Gastgeberin und auch dafür, dass Sie uns heute hier Asyl gewährt und uns mit Speis und Trank bewirtet. Ich muss noch etwas nachtragen, was ich vorhin vergessen habe. Wir möchten heute diese Konferenz mitschneiden, um im Ergebnis eine ähnliche Dokumentation zu erstellen, wie wir sie schon nach unserer Konferenz 2011 veröffentlich haben. Ich frage also an, ob Sie einverstanden sind, dass mitgeschnitten wird. Jeder Referent wird seinen Beitrag vor Veröffentlichung zum Gegenlesen und eventuellen Korrekturen erhalten. Ich sehe, es gibt keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Dann kündige ich jetzt Tobias J. Knoblich an. Er ist Kulturwissenschaftler, hat an der Humboldt Universität in Berlin studiert. Und er ist Kulturpolitiker, langjährig in verschiedenen Gremien tätig, die ich jetzt nicht alle aufzähle. Zurzeit ist er Kulturdirektor in Erfurt und heute hier als Vizepräsident der Kulturpolitischen Gesellschaft. Die Ständige Kulturpolitische Konferenz ist seit 1998 als Bundesarbeitsgemeinschaft Mitglied in der Kulturpolitischen Gesellschaft und beteiligt sich dort auch aktiv an Konferenzen und Diskussionen. Wir freuen uns, dass wir heute zwei Vertreter/innen der Kulturpolitischen Gesellschaft begrüßen können. Neben Tobias Knoblich ist das Isa Kathrin Edelhoff, die nachher mit im Podium sitzen und am Nachmittag Olaf Zimmermann zum Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt befragen wird. Sie ist Regionalsprecherin Berlin-Brandenburg. Im möchte Ihnen in der ersten Reihe noch Gert Gampe vorstellen, er ist Mitarbeiter beim Parteivorstand der LINKEN und dort verantwortlich für Kultur in der Öffentlichkeitsarbeit. Er verantwortet zum Beispiel das große Fest der LINKEN, das heute Abend eröffnet wird und dann über zwei Tage geht. Auch Dir Gert einen herzlichen Dank für die Hilfe bei der Organisation der Veranstaltung und ein Dank an Michaela Klingberg von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die uns heute hier ehrenamtlich unterstützt. Nun zurück zur Kulturpolitischen Gesellschaft und zu Tobias J. Knoblich, dem ich jetzt einfach das Wort zu seinem einleitenden Referat gebe. Ich werde ihn danach kurz befragen, bevor er uns leider wieder verlassen muss.

10 Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? Tobias J. Knoblich»Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten?«liebe Frau Mühlberg, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung. Ich will noch sagen, warum ich eher gehen muss, obwohl ich sehr gerne noch zur Diskussion geblieben wäre. Wir haben in Erfurt zurzeit das Deutsche Kinder-Medien-Festival»Goldener Spatz«, in dessen Trägerstiftung ich den Oberbürgermeister im Präsidium vertrete, und heute findet die große Abschlussveranstaltung statt. Der OB hat mich kurzfristig gebeten, für ihn einzuspringen, so dass ich um Uhr sein Grußwort im Theater Erfurt überbringen darf. Ich bitte dafür um Verständnis. Mein Titel ist ein wenig sperrig:»zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten?«ich will versuchen weil es ja ein Einstieg für die Tagung sein soll, die Sie heute haben ein paar wesentliche Debatten nachzuzeichnen, die uns gerade bewegen in Deutschland, teilweise auch darüber hinaus. Dann möchte ich andeuten, welche neue Fachlichkeit es zum Kulturbereich gibt, die mit diesen Debatten entweder gegenläufig sind oder mit diesen korrespondieren, um dann in einem dritten Schritt zu zeigen, welche Möglichkeiten und Grenzen sich für konzeptbasierte Kulturpolitik daraus ergeben und was überhaupt konzeptbasierte Kulturpolitik in meinem Verständnis heißen soll. I. Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt, so will ich das erste Kapitel einmal überschreiben und auf zwei Bücher hinweisen, die im vergangenen Jahr erschienen sind und die kulturpolitische Debatte angeheizt und zu sehr kontroversen Debatten geführt haben. Das eine haben Sie bestimmt alle gelesen das Buch»Der Kulturinfarkt«. Es gibt kein kulturpolitisches Buch, das im Verkauf jemals so erfolgreich gewesen ist, wie dieses. Die Autoren haben mehr davon verkauft als die Kulturpolitische Gesellschaft seit ihrem Bestehen mit allen Büchern zusammen. Das finde ich schon sehr bemerkenswert, das heißt, man kann mit Kulturpolitik durchaus auch Geld verdienen. Der Kulturinfarkt ist eine Streitschrift, eine Polemik, die sich mit dem Kulturstaat, der Kulturförderung, überhaupt mit Subventionen und wohlfahrtsstaatlichen Axiomen auseinandersetzt; es ist natürlich inspiriert von Vorgängerbüchern. Eines davon ist»der exzellente Kulturbetrieb«von Armin Klein, mit dem dieser schon einmal aufgezeigt hatte, wohin ein Umdenken führen sollte, nämlich dass man auch den Betriebscharakter von Kultureinrichtungen stärker fördern sollte, dass man Mitarbeiterführung und Mitarbeiterentwicklung betreiben, also den»wissensmitarbeiter«in den Blick nehmen muss, dass es um die Mehrdimensionalität von Finanzierungsstrategien und um die Kraft von Zukunftsbildern geht, die zu produzieren man nicht anderen überlassen darf. Wer entwirft eigentlich die Perspektiven und welchen Anteil daran hat der öffentliche Kulturbetrieb? All das und vieles mehr hat Armin Klein dort aufgearbeitet. Das Buch ist zwar nun auch in zweiter oder dritter Auflage erschienen, aber hat vielleicht weil es aus meiner Sicht sein bestes Buch bisher ist bei weitem nicht diesen Protest ausgelöst wie der Kulturinfarkt. Ein anderes Buch, dessen Einfluss man spüren kann, ist Hans Abbings»Why are artists poor?«, ein Buch, in dem Abbing versucht, die Grundlagen der besonderen Ökonomie von Kunst und Künstlern darzustellen und zu zeigen, dass für diese der Markt immer etwas ganz schwieriges, etwas ganz schlechtes, verderbliches ist, der die Kunst und das Handeln der Künstler»kontaminiert«, und dass sie auf der anderen Seite natürlich von der öffentlichen Hand leben können, die eine Kulisse bietet, die es ganz, ganz vielen Künstlern mehr als jemals in der Geschichte zuvor ermög licht, sich im System zu halten und mehr oder minder gut im Status zu bleiben. Das führt aus seiner Sicht erst dazu, dass es diese breite Debatte um Kunstförderung gibt und die Frage danach, wie man Künstlern»ihr Leben«sichern, wie der Staat seine Sozialgestaltungsmacht wahrnehmen kann und soll. Und er sagt, das Problem ist eigentlich die Kulturpolitik, die Kunstförderung selbst, sie erst erzeuge eine Schieflage und strukturelle Armut. Diese beiden Bücher sind ganz wesentliche Grundlagen für diesen»kulturinfarkt«, der natürlich alles zuspitzt und unter anderem die weitreichende These vertritt, dass die Geschichte des Kulturstaats die Geschichte einer permanenten politischen und gesellschaftlichen Kompensation sei, dass das aufklärerische Diktum, den Menschen durch Kultur zu bessern, durch breite Teilhabe eine Wohlfahrt insgesamt zu stimulieren, im Kern autoritär und etatistisch sei, ja dass»kulturhoheit«ein hoheit- 9

11 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung liches Handeln des Staates bedeute und im Kulturbereich eigentlich gar nichts zu suchen habe. Aus Sicht der Infarkt-Autoren sind dies alles Prozesse, die zur Zementierung eines Status Quo beitragen. Dies solle nunmehr alles aufhören, man solle Kulturgüter und Institutionen verknappen, die Infrastruktur halbieren, neue Finanzierungsmodelle finden, mehr Markt zulassen, weniger Kanon festschreiben und von den Nutzern her denken. Letzteres ist auch ein Aspekt, den Klein sehr zu Recht, wie ich meine, in seinem»exzellenten Kulturbetrieb«stark gemacht hatte. Alles ist sicher nachdenkenswert, aber vielleicht nicht in dieser Melange, in der es für viele ungenießbar schien. Das Buch, das vor Erscheinen zunächst den Arbeitstitel»Aufräumen«trug, geht ja auf eine Tagung der Kulturpolitischen Gesellschaft zurück, wo die Autoren zum Teil anwesend waren; aus diesem»aufräumen«ist dann der»infarkt«geworden (oder der Verlag hat es so zugespitzt, um den Verkauf anzukurbeln). Dieses»Aufräumen«ist im Kern ja nicht verkehrt. Wir wissen andererseits, dass es auch andere Bücher gab, die Kulturpolitikgeschichte geschrieben haben und die Polemik nutzten, um Aufmerksamkeit zu erlangen: Alexander Mitscherlichs explizite»anstiftung zum Unfrieden«,»Die Unwirtlichkeit der Städte«, gehört dazu. Der Kulturinfarkt stellt im Grunde genommen die gewachsene kulturelle Infrastruktur und das gesamte Setting unseres kulturpolitischen Handelns nachdrücklich in Frage und sagt eigentlich primär, der Nutzer wird es schon richten, der Markt wird es schon richten, und wir müssen im Grunde genommen diese wettbewerbsbefreiten Zonen, die meritorischen Güter im Kulturbereich, präziser definieren und nach deren Berechtigung fragen. Das Nachdenkenswerte am Buch wird durch die Verkürzung und Überzeichnung für viele ungenießbar. Das andere Buch, das mit dem vermeintlichen Kulturinfarkt durchaus korrespondiert, ist ein Buch, das man auch»der Kreativinfarkt«titulieren könnte:»die Entstehung der Kreativität«von Andreas Reckwitz, das ebenfalls ein Bestseller zu werden verspricht. Im Untertitel heißt es»zur Ästhetisierung gesellschaftlicher Prozesse«. Ein sehr kluges Buch von einem Kultursoziologen aus Frankfurt/Oder, das er auf einer Tagung in Loccum kürzlich vorgestellt hat. Er hat dort einen Vortrag dazu gehalten und kulturpolitische Thesen gebracht; dieses Buch ist wesentlich differenzierter und spielt in einer anderen wissenschaftlichen Liga als der»kulturinfarkt«, das will ich gleich zur Ehrenrettung von Reckwitz vorab sagen. Kulturpolitisch forschende Soziologen und Wissenschaftler angrenzender Disziplinen haben sich lange nicht 10 mehr so gefreut über ein Buch, das auch kulturpolitisch relevant ist, und wir wissen ja, dass die Soziologen bisher die wichtigsten Beiträge zur Reflexionstheorie im Bereich Kulturpolitik in den letzten Jahren beigesteuert haben, denken wir etwa an Gerhard Schulze oder Albrecht Göschel. In diese Reihe können wir Reckwitz (auch dank anderer Bücher, die er publiziert hat) jetzt schon einordnen. Wir werden seinen Gedanken das nächste Heft der Kulturpolitischen Mitteilung widmen, dort wird auch sein kompletter Vortrag publiziert sein. Bei diesem»kreativinfarkt«aber das ist meine Zuschreibung geht es darum, dass wir inzwischen nicht mehr nur kreativ sein sollen, dass es nicht nur eine bevorzugte Gruppe innerhalb der Gesellschaft gibt, nämlich die Künstler, die kreativ sind, sondern wir alle sollen, ja müssen inzwischen kreativ sein. Reckwitz spricht von einem regelrechten»kreativitätszwang«, der sich aus einer Ökonomisierung und Medialisierung des Sozialen ergebe, und im Grunde genommen kippt jenseits der Genieästhetik, die ja für den Künstler historisch maßgeblich ist, alles ins Soziale. In allen Bereichen der Gesellschaft wir sprechen ja inzwischen von Creative Industries, Creative Cities und Körpertechniken bis hin zum durchgestylten, durchtätowierten, gepiercten und operativ umgewandelten Körper, überall also greifen Ästhetisierungsstrategien. Seit den 1970er Jahren, das ist seine These, entfalte sich das»kreativitätsdispositiv«. Er bedient sich bei seiner Argumentation eines Machtbegriffes von Foucault und wendet ihn so an, so dass wir sagen müssten,»kultur für alle«ist vor diesem Hintergrund und zu Ende gedacht nicht mehr eine Befreiungsbewegung, sondern lediglich der Ausdruck eines Prinzips im Gewand einer politischen Strategie. Eigentlich ist es nicht steuerbar, wir agieren lediglich in seiner Wirkungsmacht. Kulturpolitische Leitformeln wie Soziokultur künden davon, dass das Laienschaffen im Verbund mit dem Profischaffen, die Aufhebung der Distanz zwischen Produktion und Rezeption etwas progressives, emanzipatorisches sei; mit Reckwitz erleben wir eher ein»regime des Neuen«, die fortwährende Erfindung neuer Ausdrucksweisen, das Einsickern des»terrors«von Kreativität in alle Lebensbereiche, so dass das Ganze auch als ein Infarkt von Gestaltungsansprüchen und eo ipso von Kulturpolitik betrachtet werden kann. Man muss dann natürlich fragen, welche Bedeutung Kulturinstitutionen, die gewachsen sind, bestimmte Zonen von Kreativität, die in der Gesellschaft existieren, mit denen wir uns als Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker beschäftigen, dann noch haben. Werden diese dann obsolet, verändern sich ihre Berechtigung oder Daseinsformen oder ihre

12 Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? Entwicklungsmöglichkeiten, also wird damit nicht die exklusive Aufgabe von Kulturpolitik, so breit sie auch immer gestreut sei, gänzlich in Frage gestellt? Ist nicht der erweiterte Kulturbegriff dann eher ein Symptom, das den Anfang vom Ende von Kulturpolitik bedeutet und nicht eine breite Emanzipation? Also hat dort nicht auch Kulturpolitik versagt oder anders gefragt: hatte sie überhaut eine historische Chance? Diese Fragen könnte man stellen, wobei das Kreativitätsdispositiv kein Subjekt der Geschichte ist, wenn man so will, sondern eher eine Dynamik, die entfacht wird durch unterschiedliche Elemente bis hin zu einem ausgeprägten»ästhetischen Kapitalismus«, wenn es zu einer Verkoppelung von Vermarktlichung und Ästhetisierung kommt. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Buches sehr und will es einmal mit dem Kulturinfarkt in eine Beziehung setzen. Ganz neu sind nicht alle seine Thesen. In Gerhard Schulzes»Die beste aller Welten«zum Beispiel finden wir auch schon das Regime des Neuen, aber wie diese Ästhetisierung das Ganze antreibt, das habe ich bei Reckwitz in dieser Stringenz erstmals gelesen. Man könnte vielleicht danach fragen, was heute affirmative Kultur heißen kann, die damals von der neuen Kulturpolitik kritisiert worden ist. Hier ging es darum, Idealismus und Weltflucht im Kulturbegriff zu kritisieren und danach zu fragen, wie Kultur auch die Gegenwart verändern, wie sie kritisch und lebensnah sein kann. Wenn damals die Kultur als Flucht in den Idealismus affirmativ war und damit keinen realen Wandel unterstützte, ist heute vielleicht diese innerweltliche Auflösung der Kreativität eine kritische Zone des Affirmativen, im Sinne des unausweichlichen Erwartungsdrucks, kreativ sein zu sollen. Bei beiden verfestigt sich ja ein Gesellschaftsbild, in dem ein kritischer Kulturbereich nicht greifen kann. Insofern könnte man auch von einem»kreativinfarkt«sprechen. Das sind aber unfertige Fragestellungen, die sich mir ergeben haben, denn aus kulturpolitischer Perspektive war ich sowohl fasziniert als auch erschüttert davon, dass dieses Maß an Kreativität uns auch handlungsunfähig machen kann. Der Foucaultsche Begriff des Dispositivs fasst ja eine prägende Instanz unseres sozialen Handelns, also Vorbedingungen, während wir uns in der Kulturpolitik auf einer bewussten Steuerungsebene bewegen. Ein Kreativitätsdispositiv beschreibt eine Summe von diskurs- und handlungsbestimmenden Elementen, die uns formieren, die aber sicher auch bestimmte Formen politischen Handelns zur Folge haben. Wir befinden uns hier letztlich auf einer erkenntnistheoretischen Reflexionsebene, die nur bedingt kulturpolitisch verhandelbar ist. Und dennoch führen die Stringenz des Aufstiegs der Kreativität und ihr Herauswachsen aus dem System der Kunst zu elementaren Fragen an die Politik des Kulturellen. Diese beiden Dimensionen verhandeln wir also derzeit. All dies passiert in einer Zeit, in der wir eigentlich sehr viele Gewissheiten gewonnen haben, was wir mit Kulturpolitik erreichen können. Wir haben im Grunde genommen in den letzten Jahrzehnten eine neue Fachlichkeit erreicht, etwa mit der Rede von einer aktivierenden Kulturpolitik, die Strategien sucht, um mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, Konzepte zu entwickeln, Kulturentwicklungspläne die ersten kommunalen waren ja etwas ganz Revolutionäres, und auch der obsolete Begriff der Kulturpflege, bei dem man immer das Gefühl hatte, es gehe um einen Patienten, ist längst vergessen. II. Inzwischen verfügen wir auch über ein ausdifferenziertes Kulturmanagement mit unübersehbar vielen Studiengängen in ganz Deutschland und Europa. Ein Kulturmanagement, das sich wirklich wandelt und einen kulturpolitischen Reflexionsrahmen zulässt und nicht mehr nur als Werkzeugkoffer für die Kulturpolitik greift, nach dem Motto: das Versagen des Staates und der Kommunen helfen wir heilen, indem wir die adaptierten Instrumente aus der Wirtschaft anbieten. Das wissenschaftliche Verständnis ist ein anderes geworden, gleichwohl noch immer kritisiert wird jüngst hörte ich es von Carsten Winter, dass eigentlich veraltete Manage mentinstrumente adaptiert worden seien. Im Kulturbereich steckt freilich auch die Bertelsmann-Ideologie mit den neuen Steuerungsmodellen. Das kann man alles kritisch dekonstruieren, was ich jetzt leider nicht vertiefen kann. Aber: im Kern hat sich doch eine sehr starke Professionalisierung ergeben, die sich etwa umfassend im Bericht der Enquete-Kommission»Kultur in Deutschland«widerspiegelt. Dieser Bericht ist 2008 erschienen, und Oliver Scheytt, der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, hat parallel dazu ein Buch geschrieben»kulturstaat Deutschland Plädoyer für eine aktivierende Kulturpolitik«, in dem er seine Erfahrungen und Erkenntnisse systematisch entwickelt. Dazu gehört zum Beispiel die Vertiefung des neu gefassten Infrastrukturbegriffs, der die Debatte um eine kulturelle Grundversorgung aufnimmt, das Bewusstsein, dass zur»kernausstattung«mehr dazu gehört, als nur die Kultureinrichtungen, sondern eben auch kulturelle Bildung, Kulturförderung oder auch Rahmenbedingungen für künstlerisches und kulturwirtschaftliches Schaffen. Man kann diese nicht gegeneinander aufwiegen. Gerade das Zusammenspiel von Staat, Markt und Zivilgesellschaft, das wir heute als trisektorale Kulturpolitik bezeichnen, scheint besonders wichtig, wenn es um die Übernahme 11

13 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung von Verantwortung in allen Sektoren und Formen der Kooperation oder Lastenteilung geht. Vieles ist heute auf kluge Weise auf den Begriff und auch in ein System gebracht worden, und ich habe es zum Beispiel im Kulturkonzept der Landeshauptstadt Erfurt aufgegriffen und gemerkt, dass es in der politischen Debatte nicht so leicht aufgeknüpft und in Frage gestellt werden kann. Mit definitorischer Stringenz und konzeptioneller Kraft kann man schon einiges an Verbindlichkeit schaffen. Es erscheinen inzwischen fast wöchentlich neue Bücher zum Kultur- und Medienmanagement, man kann das Feld gar nicht mehr beherrschen; ich versuche es immer noch, mir alles zu bestellen und, wo leistbar, auch zu rezensieren, um den Überblick zu behalten. Oliver Scheytt hat in seinem Buch die ganze Bandbreite des Handels pragmatisch aufgemacht, also vom Kulturbürger (das ist der Nutzer, wenn man Armin Klein jetzt mal dazu in Beziehung setzt) über die Kulturgesellschaft (das ist all das, was auf anderer Reflexionsebene zum Beispiel mit dem Kreativitätsdispositiv thematisiert wird), bis hin zum Kulturstaat (der vom Kulturinfarkt als paternalistischer angegriffen wird). Diese gesamte Bandbreite wird theoretisch und mit praktischen Beispielen durchdrungen, und es werden die wesentlichen Felder kulturpolitischen Handelns aufgemacht, die im Grunde genommen durch einen breiten Konsens auch rückversichert sind. Die hitzige Debatte heute lebt dennoch von der Mischung aus ordnungs-, steuerungs- und haushaltspolitischer Zuspitzung und mit Reckwitz einem kultursoziologischen Entwurf, für die die als Fachdisziplin bisher noch schwache und auf Interdisziplinarität verwiesene Kulturpolitik gar nicht satisfaktionsfähig reagieren kann, mausert sie sich doch erst seit wenigen Jahrzehnten zu einem echten Reflexions- und Gestaltungsfeld. Viele reagieren also subjektiv, verteidigend, empört, fasziniert, unsystematisch. In einem Sonderheft der»kulturpolitischen Mitteilungen«haben wir daher versucht, die Debatte etwas zu bündeln. Die Sorge um mehr Verbindlichkeit in der Kultur hat in den letzten Jahren zugenommen. Sie ist natürlich auch durch rhetorische Behauptungen gekennzeichnet. Ich will einmal Parolen aufzählen, die das zeigen, die einen hilflos, die anderen mit mehr Biss. Eine ist zum Beispiel, dass man Kulturausgaben nicht als Subvention, sondern als Investition begreifen soll. Das hat sogar die Bundeskanzlerin immer wieder gesagt. Es ändert aber nichts daran, dass die Finanzleute darüber lachen und sagen, Investitionen bedeuten etwas anderes. Wir behaupten dann wenn es bei Investitionen darum geht, Kapital zu binden Kulturausgaben führen dazu, Humankapital zu binden, also in die Entwicklung 12 der Köpfe zu investieren. Darin drückt sich letztlich dieser aufklärerische Impetus aus, der ja gerade von den Kulturinfarktautoren in Frage gestellt wird. Ein anderes Beispiel ist»kultur für alle«; hier war ja immer die große Kritik, dass man der große Heilsbringer sei und nicht danach fragt, was die Leute wirklich wollen. Manche sagten, es müsse richtigerweise heißen»meine Kultur für alle«, um den Teilhabegestus auf den Punkt zu bringen. Oder: die Debatte um»kultur als Pflichtaufgabe«. Das ist Ihnen auch bekannt, bis hinein in den Enquete-Bericht beschäftigte uns das Thema intensiv; der Zwischenbericht widmete sich vollständig der Frage, ob man eine Kulturstaatsklausel im Grundgesetz brauche. Ich meine ja, manche meinen nein, dritte wiederum sagen, das ist nicht so wichtig, es gebe dringendere Themen. Aber, diese Pflichtigkeit von Kultur, die Bedeutung kulturverfassungsrechtlicher Dokumente bis hinein ins Völkerrecht, die wird immer wieder debattiert. Große Verfassungsrechtler wie Peter Häberle zum Beispiel sprechen sich vehement dafür aus und bringen auch kluge Argumentationen. Er hat mit seinem Buch»Verfassungslehre als Kulturwissenschaft«gezeigt, wie stark Verfassungen kulturell aufgeladen sind und welche Rolle der Kulturbegriff für das Kulturverfassungsrecht spielt, das ist keine nur deklaratorische Spielwiese. Aus solchen Debatten können sich konkrete legislative Vorstöße speisen. Es gibt ein Bundesland, das ausgehend vom innovativen Verfassungsrecht der neuen Länder Nägel mit Köpfen machte: Sachsen. Es ist das einzige Bundesland, das in einem Gesetz niederlegt, dass Kultur eine Pflichtaufgabe der Kommunen sei und dass diese solidarisch von Kommunen und Land auch zu finanzieren sei. Das Land gibt jährlich 86,7 Millionen Euro dafür aus. Peter Rühmkorf hat natürlich Recht, wenn er sagt, Kultur ist nur eine unmaßgebliche Schutzbehauptung, aber die Verbindung des besonderen Nimbus, den dieses Gesetz hat, mit den dort aufgezeigten Verfahrenswegen führt zu echten Debatten und guten Entwicklungsplanungen. Am Ende wird erreicht, dass alle vor allem die Landkreise über ihren Tellerrand hinausblicken und mit Strukturentscheidungen größere Zusammenhänge reflektieren und berücksichtigen. Der Rahmen verändert sich also, aus Programmformeln werden Systeme, aus Diskursen im besten Falle rechtliche Flankierungen, und aus dem Wissen um notwendiges fachliches Handeln entstehen Reflexionstheorien, ja neue Lehren. Auf dem Weg dorthin befindet sich das Kulturmanagement, für das es seit kurzem auch einen Fachverband gibt. Auch gibt es inzwischen eine neue Spezialdis-

14 Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? ziplin, die sich mit dem gesamten Komplex von Institutionen im Kulturbereich befasst: die Kulturbetriebslehre. Ich verweise nur auf das gleichnamige Lehrbuch von Tasos Zembylas aus Wien, er ist einer, der dieses Gebiet vorangebracht hat. Aber es gibt auch eine ganze Reihe anderer Forschungsstränge bis hin zu Audience Development, bei dem es darum geht, die Aufmerksamkeit von Zielgruppen zu binden, sich damit auseinanderzusetzen, wie sich alle Milieus unsere Zielgruppen sind ja heterogener denn je ansprechen lassen und wie wir mit der»neuen Unübersichtlichkeit«inmitten einer prosperierenden Unterhaltungskultur herkömmliche, aber auch neue Angebote positionieren können. Es gibt neue Standards, was die»planbarkeit von Kultur«anbelangt. Das ist ein Topos, der immer umstritten ist kann man Kultur wirklich planen? Da sagt man immer gerne nein, man kann nur die Rahmenbedingungen beeinflussen. Was früher so ein bisschen hemdsärmelige Kulturentwicklungpläne gewesen sind, das sind heute zum Teil umfassende Kompendien, an denen Expertengruppen arbeiten, schauen Sie sich allein den Kulturentwicklungsplan einer vergleichsweise kleinen Stadt wie Brandenburg an der Havel an, da ist der Kulturentwicklungsplan in zwei Bänden erschienen. Ich frage mich aber, wer von den Entscheidungsträgern das wirklich bewältigen kann. Aber es ist hervorragend gemacht. Im Vergleich zu den 70er Jahren haben wir hier eine ganz andere Messlatte. Da hat sich sehr, sehr viel getan, und es existiert auch ein sehr lebhafter Diskurs, das heißt, man setzt solche Dokumente in Beziehung zueinander, man versucht von Praxisbeispielen zu lernen, und es wird auch sehr viel publiziert zu diesem Thema. Wir haben schließlich, das will ich auch noch als ein Feld der Professionalisierung in den Blickpunkt rücken, im legislativen Bereich einiges erreicht. Die deutsche Einigung gilt dafür als ein ganz wesentlicher Stimulus, sie hat noch einmal für einen richtigen Schwung gesorgt. Durch den Artikel 35 des Einigungsvertrags, die kulturelle Substanz dürfe keinen Schaden nehmen, ist ja so etwas wie das sächsische Kulturraumgesetz erst möglich geworden, das natürlich auch ein Zeichen dafür ist, dass die Bundesländer ganz andere Aufwendungen für Kultur tätigen müssen, konzeptionell wie finanziell. Ohne den postulierten Substanzerhalt wäre Sachsen nicht in die Not geraten, neue Modelle der Lastenteilung zwischen Land und Kommunen zu entwickeln. Die Kommunen wären nach Auslaufen der Übergangsfinanzierung Kultur des Bundes schlicht überfordert gewesen, die Substanz zu erhalten, es hätte ein Kultursterben in diesem Land mit dichtester kultureller Infrastruktur eingesetzt. Sachsen-Anhalt und Thüringen, die auch sehr dichte Angebotskulissen haben, sind andere Wege gegangen und tun sich schwerer, die Balance zwischen Kommunen und Land zu finden. Jedenfalls ist mit der Einigung ganz viel an Schwung in das föderale Konzert gekommen. Bis auf Baden-Württemberg hatte ja bis dahin kein Bundesland ein richtiges Kulturkonzept. Auch heute kann man teilweise noch große Unterschiede feststellen, aber in der Gesamtbilanz hat sich Landeskulturpolitik seit dem wesentlich weiter entwickelt, was Sie etwa im Jahrbuch für Kulturpolitik 2012 (»Neue Kulturpolitik der Länder«) sehr gut nachlesen können. Die meisten Länder verfügen inzwischen über kulturpolitische Leitlinien, über Landeskulturkonzepte und dergleichen, und es gibt eine Reihe von Spezialgesetzen, die es vorher nicht gegeben hat. Zum Beispiel die Musikschulgesetze in Brandenburg und Sachsen-Anhalt oder Bibliotheksgesetze Thüringen hat zum Beispiel eines, kein gutes zwar, aber es hat eines oder das noch in der Debatte befindliche Kulturfördergesetz in Nordrhein-Westfalen. Wenn es dort gelingt (auch wenn es nur ein Rahmengesetz, kein Leistungsgesetz werden sollte), ein Gesetz auf den Weg zu bringen, dann ist das ein Meilenstein für die Sicherung eines breiten Engagementrahmens für den Staat und freilich auch für die Kommunen, was in Nordrhein-Westfalen eine wichtige Rolle spielt, weil der Kommunalisierungsgrad dort wesentlich höher ist als beispielsweise in Sachsen durch das Kulturraummodell. Das föderale Konzert bleibt ein vielstimmiges, ist aber wesentlich solider als vor Parallel dazu hat sich ja auch der Bund gestrafft mit der Behörde des BKM seit 1998, der Wiedereinsetzung eines Kulturausschusses im Bundestag oder etwa der Gründung der Bundeskulturstiftung Das sind nur ein paar Beispiele. Es zeigt aber, wir erleben durchaus eine Konjunktur der wissenschaftlichen Debatten und Reflexionstheorien, der kulturpolitisch-interdisziplinären Publizistik und der konzeptionellen Durchdringung des Feldes. Und parallel erleben wir und das führt wahrscheinlich zu dieser polemischen Zuspitzung von Kulturinfarkt und Kreativinfarkt eine dramatische Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, vor allem die Zuspitzung der Krise der öffentlichen Haushalte. Meine Stadt, in der ich jetzt arbeite, hat bis heute keinen bestätigten Haushalt für 2013, also wir befinden uns in der vorläufigen Haushaltsführung. Dabei reden wir über eine Stadt, der es vergleichsweise gut geht, die Perspektiven hat, eine Stadt, die wächst, die wirtschaftlich prosperiert und trotzdem an den massiven Umbau ihrer Infrastruktur denken muss. Was wir dennoch konstatieren müssen, bei all diesen positiven Entwicklungen einer reflektierten Kulturpolitik, bei diesem Schub an Professionalisierung, an Austausch, an Anregung: Große konzeptionelle 13

15 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Entwürfe, die den Namen verdienen, sind nach wie vor eher selten. Es ist nicht so, dass jedes Konzept, jede kulturpolitische Leitlinie, jeder Gesetzestext, den man einmal entwirft, der Weisheit letzter Schluss ist. Es gibt noch immer viel zu tun, wenn es um die Über windung des Sonntagsredenhabitus gehen soll. Das Gutgemeinte ist ja nicht immer das Gute. Es wird immer noch zu wenig an wirklicher Professionalität zugelassen, und es gibt zu wenig an Professionalität sowohl in den Kulturverwaltungen als auch in Stadträten, in Kreistagen oder Parlamenten. Die Kulturpolitiker, die adäquat ausgebildet sind, die selber wissenschaftlich ein wenig aktiv bleiben, die die Möglichkeiten haben, zu reisen, zu vergleichen, sich zu engagieren; diese Leute sind sehr, sehr selten. Man kennt sich in der Regel. Ich bilde mir ein, alle Wesentlichen inzwischen zu kennen und bin immer wieder überrascht, wie wenige wir sind, wenn es darauf ankommt, und wie wenige ganz bestimmte Themen transportieren und dann doch die eine oder andere Wirkung erzielen. Das ist dann statistisch wahrscheinlich über dem Durchschnitt und lässt einen freuen. Aber auf der anderen Seite, wenn man das Aufgabenspektrum sieht, das da vor uns liegt, und darüber wird auf Ihrer Tagung zu debattieren sein, dann ist das auch beängstigend. Da habe ich noch nicht darüber gesprochen, wie es mit der Durchsetzbarkeit bestimmter Konzepte bestellt ist. Damit kommen wir auf die Ebene der Verfahren und zum Lobbying. Ich will es dabei zunächst bewenden lassen, was die Diagnose anbelangt. Ich muss auf die Uhr schauen, dass ich nicht ins Trudeln komme. Das kann ich mir heute nicht leisten. Das jedenfalls sind die großen Eckdaten aus meiner Sicht. III. Was heißt das nun für die Praxis, wenn wir über die Möglichkeiten und Grenzen konzeptbasierter Kulturpolitik sprechen wollen? Worum geht es im Detail? Was sind überhaupt Konzepte? Was ist eine konzeptbasierte Kulturpolitik? Natürlich geht es im Wesentlichen um Kulturentwicklungspläne, Gesetze oder thematische Konzepte, wie wir sie neuerdings im Bereich der kulturellen Bildung vielerorts entstehen sehen. Eine Kulturpolitik, die diese Elemente aufgreift und damit eine Grundlage strategischen Handelns schafft, kann man als konzeptbasiert bezeichnen. Dazu gehört freilich auch die Kommunikation, der Diskurs, der öffentliche Aushandlungsprozess. Aber man muss es noch ein bisschen präzisieren und sagen, dass es um Inhalte, Verfahren, Kommunikation und Institutionen geht, vielmehr um das Zusammenwirken all dieser Elemente. An oberster Stelle steht natürlich immer die Haltung, oder wie es Carsten Winter 14 gern nennt, intellektuelle Führerschaft. Man möchte über jede Veränderung, die es gibt, über jedes Szenario Bescheid wissen, man möchte über demografischen Wandel genauso sicher reden können wie über wirtschaftliche Entwicklungen, über globale Verflechtungen, die Medialisierung, das Internet, über das kulturelle Gedächtnis, man möchte wissen, was die UNESCO im Detail macht, worin die Debatten über immaterielles und materielles Kulturerbe wurzeln, über die Konvention kultureller Vielfalt in der Welt, man möchte über die GATS-Verhandlungen Bescheid wissen und dergleichen mehr und möchte aus all dem dann eine intellektuelle Führerschaft generieren und sie letztlich in der Debatte so zuspitzen, dass für die Kulturpolitik im engeren Sinne etwas herauskommt. Das ist eine sehr, sehr große Erwartungshaltung, weil eben Kulturpolitik noch immer für das Große und Ganze zuständig scheint und daraus auch eine gewisse Schwungkraft gewinnt, das darf man nicht unterschätzen. Ich bin immer schon zufrieden, wenn es so ist, dass es hinreichend viele Leute gibt, die überhaupt eine Haltung einnehmen, auch wenn sie nicht gleich die Vision einer postkapitalistischen Gesellschaft entwickeln, sondern überhaupt erst einmal eine Haltung zu Kulturfragen einnehmen, und nicht nur im engeren Sinne die jenigen, die für Kulturverwaltung und Kulturpolitik zuständig sind, sondern eben auch die Entscheidungsträger, also Oberbürgermeister, Beigeordneter, Minister, Fraktionsvorsitzende und dergleichen, also diejenigen, die sich an vielen Schnittstellen bewegen und eben auch zwischen Haushaltspolitikern und Kulturpolitikern, zwischen Jugendhilfe und Bildung und anderen Themen vermitteln müssen. Das ist entscheidend. Damit einher geht natürlich auch und das gehört zur konzeptbasierten Kulturpolitik der Inhalt, man braucht eine Programmatik. Die ist oft zum Teil rudimentär oder aber die Wiederholung der immergleichen Floskeln, die wir aus Sonntagsreden kennen. Programmatik ist immer wieder zu hinterfragen, zu erneuern. Ich bin ein großer Freund nicht einer sehr breiten und ausgewalzten Programmatik, sondern einer zugespitzten, die dann eben das Gegenteil von reiner Verwaltung ist, die vielmehr der Verwaltung Eckpunkte an die Hand gibt, die auch Strategien entwickelt, die nicht gleich in Konzepte übersetzt werden können, aber überhaupt erst einmal bestimmte Veränderungsprozesse andenkt und auch Beteiligungsprozesse anstrengt, mit den Bürgern debattiert, mit den Nutzern von Kultur ins Gespräch kommt, überhaupt debattentauglich ist und eine öffentliche Wirkung erzielt. Das ist es ja häufig, was in der kommunalen Kulturpolitik viel zu kurz kommt, weil die Instrumente von Kulturverwaltung begrenzt sind und die politische Aufmerksamkeit von anderen Feldern

16 Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? gebunden wird. Ich habe vorhin mit Volker Külow am Rande ein paar Beispiele debattiert, unkonventionelle Sachen zu machen, die Leute herauszufordern und auch für diejenigen, die nicht die üblichen Nutzer sind, etwas anzubieten, also durchaus auch plakativ zu sein. Der»Kulturinfarkt«hat das in gewisser Weise vorbildlich erreicht. Das halte ich für eine ganz wesentliche Dimension, wenn man über konzeptbasierte Kulturpolitik spricht, denn wenn Kultur ein Thema der Minorität bleibt, was sie ja bei allem Selbstbewusstsein der Kulturpolitik noch ist, dann kommen wir auch nicht weiter. Man muss die Kreise größer ziehen. Wenn man die Inhalte hat und die programmatischen Gewissheiten destilliert sowie eine gewisse Kommunikation darüber, erst dann kommen die Verfahren. Wenn man wirklich anfängt, Konzepte zu entwickeln, kommunale Kulturkonzepte, Kulturentwicklungspläne, dann auch Beschlüsse herbeiführt und damit auch eine Fachlichkeit sanktioniert, beginnt die Arbeit mit den Instrumenten. Und da ist es auch gut, wenn Kulturentwicklungspläne über Systematik verfügen und nicht nur eine Aneinanderreihung von programmatischen Positionen wiedergeben. Man muss auch zeigen, wofür man nicht zuständig ist und wo man Änderungen tatsächlich in Gang setzen kann. Mit guten Konzepten arbeitet man, man entwickelt Umsetzungspläne oder eben Verfahren, um sie in einen Prozess zu bringen. In Erfurt haben wir das mit einer gleichsam pyramidalen Argumentation versucht. Wir haben die Kultur von der Kulturverwaltung her gedacht. Das hat manche sehr irritiert. Aber dem liegt natürlich die Behauptung zu Grunde, dass Kulturpolitik in der Stadt erst einmal nur das sein kann, was man auch ernsthaft mit Kommunalpolitik verändern kann. Es macht keinen Sinn, mit einem ganz weiten Portfolio anzufangen und in der Umsetzung dann zu merken, dass man dafür eigentlich überhaupt nicht zuständig ist, dass man gar kein Verfahren zur Hand hat, mit dem man etwas ausrichten kann. Das finde ich verheerend; es schwächt letztlich das Zutrauen in Kulturpolitik, da sie in ihrer Machtlosigkeit in ein deklaratorisches Stadium zurücksinkt. Dann ist es doch besser, sehr genau zu schauen, was man wirklich verändern kann, und einen wahrnehmbaren konkreten Veränderungsprozess einzuleiten. Man muss über die Konzepte und ihre Grundlagen sehr genau nachdenken, man muss natürlich auch Lastenteilungen vereinbaren und Bündnisse eingehen, also scheinbare Verluste kommunaler Aufgabenerledigung in neue Modelle übersetzen. Das gehört auch zu konzeptbasierter Kulturpolitik dazu: beschreiben, was man anderen zumuten kann und das Gesamtsystem in den Blick nehmen. Das Kulturraumgesetz in Sachsen beispielsweise schreibt es ja regelrecht vor, ein Bündnis zwischen kommunaler Ebene und Landesebene einzugehen. Solche Modelle finde ich immer sehr gut. Bündnisse, Lastenteilungen sind wichtig, freilich nicht nur im öffentlichen Kulturbereich, sondern auch zwischen öffentlicher Hand und anderen Trägern, etwa frei-gemeinnützigen. Das Drei-Sektoren-Modell (Staat, Markt, Zivilgesellschaft) bildet ab, in welche Funktionslogiken die Gesellschaft zerfällt. Trisektorale Kulturpolitik arbeitet, wie schon gesagt, mit allen drei Sektoren und fragt danach, wer welche Aufgaben übernehmen kann und wie Kooperationen gelingen können. Im subsidiären Finanzierungssystem kommt natürlich auch die Kompatibilität der unterschiedlichen Ebenen ins Spiel, also zwischen Landeskonzepten, Kommunalkonzepten und Gesetzen, so vorhanden. Konzeptbasierte Kulturpolitik funktioniert am besten im Zusammenspiel der Sektoren und der Ebenen, aber auch horizontal, also zwischen kommunalen Gebietskörperschaften oder in der Kooperation einzelner Länder. Im Grunde ist hier auch die Konsistenz des Politikfeldes Kultur angesprochen, das ja eine freiwillige Aufgabe umreißt und relativ regelungsarm ist. Freiwilligkeit vereitelt aber nicht gemeinsame normative Setzungen. Zur konzeptionellen Arbeit zählt auch das institutionelle Gefüge jener, die zur Stabilisierung der Debatte und der Dignität öffentlicher Kulturangebote beitragen, etwa Verbände, die funktionsfähig sind, wie der Deutsche Kulturrat. Beim Deutschen Kulturrat ist es aber leider manchmal so, dass man nur das Gute an der Kultur verteidigt und eine rote Liste vom Aussterben Bedrohter fortschreibt; das hilft natürlich nur bedingt beim konzeptionellen Umbau. Weil man offiziell nicht schlichtweg gegen Kultur sein kann, ist Kultur nicht immer und überall nur gut; auch hier greift das schon genannte Rühmkorfsche Diktum von der unmaßgeblichen Schutzbehauptung. Das ist natürlich auch das, was im Kulturinfarkt beklagt wird. Aus dieser Haltung muss man raus. Konzeptbasiertes Arbeiten heißt immer auch, Dinge methodisch in Frage zu stellen. Und das, das habe ich jetzt in der kommunalen Praxis selber gelernt, tut natürlich auch weh. Sie kommen freilich an Grenzen der Partizipation, wenn Sie etwa ein Museum schließen, wenn Sie irgendeine Einrichtung privatisieren wollen, wenn Sie ein Interessenbekundungsverfahren starten und sagen, das können andere besser als die eigenen Mitarbeiter, die es gerade tun. Dann stehen Sie sehr schnell alleine da und müssen ihr Konzept gut begründen, während die politische Ebene gern ihre Partikularinteressen zu entfalten beginnt, um aus dieser Schwäche Vorteile zu ziehen. Verbände und Fachorganisationen sind dann besonders hilfreich, wenn sie nicht nur verteidigen, sondern eben auch kritikfähig sind und Veränderung zulassen. 15

17 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Dieser korporatistische Rahmen, also die Verbandslandschaft, ist ganz wichtig, sie funktioniert mancherorts sehr gut. Das hat natürlich auch etwas mit der Förderkulisse zu tun. Welches Personal kann ich mir leisten? In welcher kulturpolitischen Gemengelage bringe ich mich ein? Welches sind die kulturpolitisch denkenden Köpfe? Aber Vereine, Initiativen, Verbände, also all das, was im intermediären Bereich zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft passiert, ist unheimlich wichtig, um Konzepte zu transportieren, um ein Feedback zu bekommen, um auch eine Macht außerhalb von Verwaltung, außerhalb der unmittelbaren politischen Gestaltbarkeit aufzubauen und mit Leuten zu arbeiten, die letztlich nicht nur Betroffene sind, sondern eben auch ganz wichtige systembildende Elemente. Da ist man gut beraten, wenn es neben guten Konzepten auch Akteure gibt, die sich beteiligen, die ein Motor sind für eine Debatte. Diese sind vielerorts rar, besonders in Ostdeutschland. Der wissenschaftliche Anspruch ist natürlich auch ein wichtiges Element. Sie können keine guten Konzepte machen, wenn Sie niemanden haben, der es kann, wenn Sie niemanden bezahlen wollen oder können, der extern auch einmal einen anderen Blick einnimmt, der nicht der eigene ist. Ich beobachte, dass bundesweit da, wo zum Beispiel Leute wie Patrick Föhl aktiv gewesen sind, konzeptionelles Niveau entsteht. Er bringt natürlich das ganze Vergleichswissen aus anderen Regionen und Projekten mit, ob das in Dessau-Roßlau ist oder in Wittenberge. Er ist auf unterschiedlichen Ebenen unterwegs. Es gibt eine Reihe von solchen Leuten, aber es sind auch nicht viele, man kennt sie inzwischen fast alle schon. Solche Expert/innen sind wichtig, weil sie nicht nur eine Expertise mitbringen, sondern die Akteure vor Ort unterstützen, ihnen neue Perspektiven eröffnen und den Rücken stärken. Man ist am Anfang, wenn man eine neue Aufgabe beginnt, immer besonders glaubhaft, weil man noch den Nimbus des Fremden trägt. Je länger man da ist, desto mehr wird man verändert, vereinnahmt, bekommt seinen Platz im Getriebe. Man erwirbt letztlich selber den Habitus dessen, der voll dazu gehört und wird dann rasch zum Nestbeschmutzer, wenn man Änderungen anstrebt. Auch die Distanz zu den eigenen Mitarbeitern nimmt ja beständig ab, je länger man da ist, desto stärker beginnt es zu menscheln. Diese Gefahr ist immer vorhanden und auch ganz natürlich. Hinzu kommt die Unbeweglichkeit des Öffentlichen Dienstes. Ein Externer kann da viel ausrichten und ist ein Korrektiv. 16 Ich möchte noch etwas über die Grenzen des Ganzen, was Sie heute näher verhandeln wollen, sagen. Die Möglichkeiten des konzeptionell-fachlichen Handelns und was konzeptbasierte Kulturpolitik heißt, habe ich an einigen Beispielen versucht zu verdeutlichen. Die Grenzen liegen in einem ungeheuren Traditionalismus; egal, welche politische Partei sich in der Verantwortung befindet, wer in den Institutionen wirkt, jeder hat es gerne, wenn viel von dem weitergeht, was es gibt, woran man sich gewöhnt hat. Jeder Oberbürgermeister, jeder Minister ist dankbar, wenn er keine Briefe bekommt, in denen Leute sich beschweren und protestieren, wo irgend etwas durchargumentiert werden muss, was der/die Leser/-in doch wieder durch seine/ihre subjektive Brille sehen wird. Es gibt eine gewisse natürliche Reformresistenz.»Das war schon immer so«, heißt es dann. Statt eines Arguments hört man über das eigene Handeln der Leute:»Das haben wir schon immer so gemacht.«das Wissen ist verloren gegangen, warum bestimmte Dinge einmal auf bestimmte Weise etabliert wurden, der Blick für Veränderung ist trübe geworden. Es gibt einen stillschweigenden Traditionalismus oder Konservatismus, wie immer man das nennen will. Es gibt auch ein Welterbegefühl, eine Pathosneigung für die Kulissen, die wir haben. Manches können wir uns aber auch nicht aussuchen. Es gibt ein echtes Problem: Burgen, Schlösser, historische Parks und dergleichen, die kann man nicht wegtragen, auch wenn es nur ein paar Kilometer bis zur Landesgrenze sind. Hier in Berlin hat man zwar mal ein Gebäude umgesetzt, am Potsdamer Platz, aber bis über die Landesgrenze hat es auch noch keiner geschafft. Aber man wünschte sich manchmal, dass man es könnte. Burgen, ich habe auch zwei in meinem Verantwortungsbereich, die würde ich gerne nach Brandenburg geben zum Beispiel. Gute Konzepte scheitern, das will ich damit sagen, auch an objektiven Gegebenheiten, an der Verwaltung schwieriger Immobilien oder anderweitiger Aufgaben. Der Fluss der Zeit hinterlässt Sedimente. Aber manche lassen sich auch verändern. Es ist ein Problem, dieses Welterbegefühl, im Theaterbereich begegnet es uns es mit dem Slogan»Theater muss sein«, das Stadttheatersystem als Weltkulturerbe, das finde ich höchst problematisch. Dann gibt es auf der anderen Seite eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit für große Strukturveränderungen, weil die Leute Angst haben, dass ihnen alles genommen wird. Der massive Eingriff ist immer das Argument, es lieber gar nicht anzupacken, bevor wir etwas gänzlich falsch machen. Diese Haltung korrespondiert freilich auch mit dem, was man lokale oder regionale Identität nennt. Ob es sinnvoll ist, ob es finanzierbar ist, ob es zukunftsfähig ist oder nicht, ob da Leute hingehen oder nicht, man kennt es halt und es gehört irgendwie dazu. Wir haben in Erfurt eine kleine museale Gedenkstätte, da geht kaum einer hin.

18 Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? Aber sobald Sie sie zumachen wollen, geht die Welt unter. Das sagt jetzt nichts über die Qualität dessen, was dort vorgehalten und wie es gepflegt wird, sondern nur über die gesellschaftliche Resonanz. Diese ist aber eine (nicht die einzige) Kategorie, wenn es um das Maß an Erinnern und Bewahren geht, um das Betreiben authentischer Orte. Und es gibt, das will ich vielleicht abschließend als ein Beispiel für Grenzen nennen, einen Wildwuchs in der Entstehung auch neuer Einrichtungen. Das wird im Kulturinfarkt ebenfalls beklagt. Es ist dies eine Debatte, die uns eigentlich schon so lange beschäftigt, wie die öffentliche Hand höfisches und bürgerliches Erbe übernommen und weiterentwickelt hat. Ich habe es vor allem in den neuen Ländern nach der politischen Wende beobachtet, wo alle Angst vor Verlusten hatten; vielerorts ist das Gegenteil der Fall: ein Aufwuchs an kleinen Museen, an Gedenkstätten, natürlich in Bereichen, die vorher so nicht verhandelbar waren, Schulmuseen, bestimmte Gedenkstätten, Orte im Bereich Industrie- und Technikgeschichte infolge der flächengreifenden Deindustrialisierung. Am Anfang sind es die Ehrenamtlichen, und irgendwann gibt dann die Gemeinde Geld dazu, irgendwann findet es in die Förderung, weil man es aus bestimmten Gründen den Kollegen nicht ausschlagen kann, und dann wächst eben das, was im Kulturinfarkt als Subventionsschleife bezeichnet wird. Das ist ein großes Problem, zumal zahlreiche Einrichtungen in einem prekären Status betrieben werden und in diesem dauerhaft verbleiben. Das heißt, wir brauchen Konzepte, Gesetze, Verfahren und Kommunikationsstrategien, um ein Denken in größeren räumlichen, zeitlichen und trägerkritischen Zusammenhängen zu ermöglichen, um den Zufall zu bremsen, mit Gewohnheiten zu brechen, um die eigenen Denkfiguren und Argumentationsmuster zu hinterfragen. Das ist nicht immer leicht. Es wird gerne behauptet, die alten Leitformeln seien auch die neuen: Kultur für alle! Damit ist es aber, glaube ich, nicht getan. Man muss sie schon auch neu interpretieren, kritisch wenden, man muss sie mit Zukunftsbildern in Verbindung bringen und auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen, was die Wirkung solcher Slogans wirklich ist. Wenn ich dann Andreas Reckwitz zum Beispiel lese oder Carsten Winter, merke ich die Dringlichkeit einer Revision und Reformulierung von Programmatik. Natürlich reformulieren sich Formeln auch durch den Wandel im Begriffsgebrauch. So ist es etwa mit dem Kulturstaat, der heute mehrheitlich für ein positives Bild eines kulturell wachen und zuständigen Staates steht und nicht für die Vereinnahmung mit Sinn. Dazu hatte ich mit Max Fuchs einmal eine Debatte, die Sie in den»kulturpolitischen Mitteilungen«nachlesen können. Begriffsarbeit ist ganz wichtig, doch was können die Begriffe dafür, dass wir mit ihnen schlecht umgehen? Sie werden immer neu aufgeladen oder neu belebt. Sie tragen jedoch auch ihre semantischen Hypotheken mit sich und fordern Umsicht ein. Aber wenn man Slogans und Programmatik nur weiter trägt, wenn man sie nicht beständig neu füllt mit einer Debatte, die auch wirklich trägt, dann bekommen wir Leerformeln. Das greift der Kulturinfarkt ja an, dass wir vielleicht zu stark den Begriffen vertraut haben und unsere Praxis zu unkritisch hinnehmen, die wir mit diesen Begriffen fassen. Konzeptbasierte Kulturpolitik, hat eine Chance, ein Motor von Veränderungsprozessen zu sein, wenn sie wirklich systematisch greift. Das wünsche ich mir sehr, und ich wünsche Ihrer Debatte, dass Sie dafür Beispiele finden, bis in die Kulturförderung hinein, auf die ich jetzt gar nicht eingegangen bin. Vielen Dank! Nachfragen zum Referat und Antworten von Tobias J. Knoblich Dr. Annette Mühlberg: Tobias, wenn Du bitte noch einen Moment hier vorne bei mir bleiben könntest. Vielen Dank, lieber Tobias. Wir haben ja das Problem, dass Du uns in zehn Minuten verlassen musst. Deshalb frage ich jetzt einfach ins Publikum, ob es unmittelbare Nachfragen an den Referenten gibt. Wir haben dann, mit dem folgenden Podium und noch den ganzen Tag Zeit, die Dinge zu vertiefen. Und wir werden uns ja mindestens zum kulturpolitischen Bundeskongress am 13. und 14. Juni wieder begegnen und weiter diskutieren. Dennoch jetzt die Frage an das Publikum, ob jemand von Ihnen unmittelbar Nachfragen an den Referenten hat. Und bitte den Namen sagen. Ulrich Wilke: Ich möchte mal die Gelegenheit nutzen, dass wir einen Erfurtkenner hier haben. Wie geht es denn den Theatern in Erfurt und Weimar. Sind die noch eigenständig? Tobias J. Knoblich: Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht gleich auf die Abschussliste komme, denn das ist eine regionale Glaubensfrage! Sie sind noch eigenständig. Wollen Sie auch hören, was ich dazu meine? Es ist immer ein heikler Punkt, sich mit dem Deutschen Nationaltheater in Weimar anzulegen und mit all dem, was dort an Beharrungsvermögen entfaltet worden ist, um diese Institution zu stabilisieren. Dass man in Erfurt vor zehn Jahren ein neues Theater gebaut hat, eines der modernsten, das wir in Deutschland haben, aber keine Schauspielsparte mehr drin ist, wirft natürlich Fragen auf. Auch bleibt immer wieder der kritische 17

19 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Kommentar, ob es sein müsse, 20 km von Weimar entfernt eine eigene Institution zu betreiben, ob das nicht nur Symbolpolitik ist. Natürlich gibt es auch in Erfurt eine gewisse Tradition, aber nicht eine solche wie in Weimar. Ich würde mir eine ehrliche, pragmatische und verantwortungsvolle Debatte über die Theater- und Orchesterstruktur in ganz Thüringen wünschen. Jeder weiß, dass wir so nicht zukunftsfähig sind. Die Kommunen können das Problem nur lösen, wenn es eine umfassende Strategie gibt, die politisch auch durchgehalten werden kann. Die ist leider nicht in Sicht. Erfurt steht natürlich zu seinem Theater, aber ich kann mir auch alternative Konstellationen vorstellen, da wir mit den Kosten kaum noch zurande kommen. Und darunter leiden alle anderen Akteure im Kulturbereich, von den Museen bis zu den freien Kulturträgern. Besonders schade ist, dass der Freistaat Thüringen sein neues Landeskulturkonzept nicht genutzt hat, das Thema offensiv anzugehen. Das wäre eine große Chance gewesen. Alexander Pinto: Sie sind in Ihrem Vortrag auf das Dreisektorenmodell Staat, Markt, Zivilgesellschaft, oder intermediären Sektor, eingegangen. Bernd Wagner hat mal analysiert, dass sich Kulturpolitik, insbesondere der Staat von einem etatistischen zu einem pluralistischen Akteur entwickelt und sich eigentlich selber zu einer intermediären Instanz entwickelt. Insofern würde sich ja theoretisch dieses Dreisektorenmodell verschieben, vom Staat bzw. der Öffentlichen Hand hin zu einem intermediären Akteur. Sehen Sie ähnliche Entwicklungen und wie wirkt sich das beispielsweise auf konzeptbasierte Kulturpolitik aus? Tobias J. Knoblich: Was Bernd Wagner gezeigt hat, ist eigentlich eine Verflüssigung, die da stattfindet. Ich glaube, das zeigen auch Begriffe wie Gewährleistungsstaat oder Gewährleistungskommune: man macht nicht mehr alles selber, sondern überträgt oder überlässt anderen bestimmte Aufgaben. Hinzu kommt, dass natürlich die Akteure selbst auch zwischen diesen Sektoren zirkulieren. Es ist ja nicht so, dass alle sich immer in einem Sektor aufhalten und dort aktiv sind, sondern da gibt es eine zunehmende Mobilität, wenn man so will, und das ist eigentlich ein wünschenswerter Prozess. Das Dreisektorenmodell ist ja ein idealtypisches, die Sektoren sind nicht abgegrenzt. Kulturpolitik ist nicht nur etwas für die Öffentliche Hand, sondern gerade im frei-gemeinnützigen Bereich ist unheimlich viel an Kultur gewachsen, ebenso in der Privatwirtschaft, die sogar das Hauptwachstumsfeld darstellt (Kultur- und Kreativwirtschaft). Trotzdem sehe ich die öffentliche Hand nicht nur als intermediären Akteur, es wird auch künftig darauf ankommen, zwischen Etatismus und Liberalismus Mischformen zu finden. Für die 18 konzeptbasierte Arbeit ist dies natürlich interessant, weil es Möglichkeiten der alternativen Betreibung von Einrichtungen eröffnet. Dennoch muss man auch sehen, dass jeder Sektor seine Eigenlogik hat. Auf dem Feld der Kultur- und Kreativwirtschaft und der angesprochenen Teilmärk te sind die Regionen zudem sehr unterschiedlich bestückt; ich kann keine Maßnahmen von oben und für alle generieren, sondern bin auf regionale Konzepte angewiesen. Konstanze Kriese: Die Frage schließt eigentlich unmittelbar an. Es ist ja in der europäischen und dann speziell in der deutschen Kulturtradition das kulturstaatliche Denken sehr ausgerägt, ist ein lange gewachsenes. Das wonach ich frage ist: Wenn über neue Kulturplanungs-, Kulturfinanzierungsmodelle nachgedacht wird und wir hatten das Dreisektorenmodell im Gespräch wird, wenn man auf den freigemeinnützigen Sektor guckt, denn wirklich konsequent in neuen Planungsmodellen oder neuen Kulturfinanzierungsmodellen darüber nachgedacht, dass die Akteure dann auch vom freigemeinnützigen in den privaten Bereich wechseln können und umgekehrt? Denn es ist irgendwie immer dieses uralte Problem bis heute, dass eine Gruppe eine Finanzierung für ein Projekt erhalten hat, das aber eine Subventionsfinanzierung war und wenn sie dann irgendwie in einen Marktbereich wechseln es schnell heißt dass sie irgendwie nicht mehr kritische Kulturleute sind, nicht mehr kreativ sind und so weiter. Sie stehen sogar eventuell bis in gesetzlichen Problematiken einer Rückzahlsituation gegenüber oder dergleichen. Das ist ein uraltes Problem, aber es wird nie angegangen. Ich habe immer das Gefühl, das»diffundieren«funktioniert nicht. Da sage ich mir immer, guckt mal auf die alten amerikanischen Modelle, wo ja viele hingewandert sind aus Europa und bringe immer das Uraltmodell Lorey Andersen, 10 Jahre gefördert vom Council of Art, aber dann eine erfolgreiche kommerzielle Künstlerin und keiner, weil es eine andere Kulturtradition ist, regt sich dort darüber auf. Hier wird sich über so etwas aber grundsätzlich aufgeregt und es wird diesen Akteuren abgesprochen, dass sie weiterhin kritische Kulturleute sind. Das»Diffundieren«wird irgendwie nicht ermöglicht. Wird es inzwischen im konzeptionellen Denken oder im Verfahrensdenken ermöglicht? Das ist meine Frage. Tobias J. Knoblich: Das ist ja schon eher ein Kommentar. Sie haben vieles schon gesagt. Es ist eher eine Einstellungsfrage. Wie verhält man sich zu den Leuten, die aus dem subventionierten Bereich rausgehen, die also nicht rückzahlbare Zuschüsse, wie es immer so schön heißt, in Anspruch nehmen und zu einem bestimmten Zeitpunkt sagen, wir verzichten jetzt darauf.

20 Zwischen Kreativität und Kulturinfarkt: Was heißt heute konzeptbasierte Kulturpolitik und was kann sie leisten? So etwas ist natürlich auch möglich. Ich kann mich natürlich entwickeln und auf weniger Förderung zugreifen, weil ich mehr selbst erwirtschafte. Dies ist eine Gratwanderung, gerade wenn Sie in einem Verein sind: wie viel wirtschaftliches Engagement ist da möglich, da muss man den richtigen Punkt finden, wo man abspringt. Das funktioniert schon. Aber dass es jetzt eine regelrechte Strategie gibt, wie man da Übergänge schafft, das bezweifle ich. Das kenne ich zumindest nicht. Wir kennen zumindest Ansätze. In Thüringen etwa gibt es eine Agentur für die Kreativwirtschaft, die aber von vornherein eher neue Geschäftsmodelle unterstützt, also diejenigen abholt, die wirklich von ihren kreativen Ideen leben wollen, die nicht in den frei-gemeinnützigen Bereich wollen oder aus diesem kommen und sagen, mit meinen Produkten kann ich auch am Markt bestehen. Aber da ist ein gewisser Mentalitätsunterschied vorhanden. Der bleibt natürlich. Das ist ein Problem auch der institutionellen Förderung. Es gibt ja viele im Bereich der Soziokultur (West), die am Anfang gar kein staatliches Geld wollten, dann aber große Hütten ausgebaut haben und so richtig in diesem subventionierten Bereich drin sind und sich, ich sage es mal ein bisschen bösartig, das trifft auch andere Bereiche, sich eingenistet haben. Das sagt jetzt nichts über ihren Erfolg oder Misserfolg aus. Aber, mit so einer Institution einen Mentalitätswandel vorzunehmen und zu sagen, ab morgen gibt es kein öffentliches Geld mehr und wir gehen an den Markt, das stößt nicht nur an Einstellungsgrenzen, sondern freilich auch an Grenzen der Geschäftspolitik, des Steuerrechts u. ä. Sie können nicht alles plötzlich verkaufen, nicht alles funktioniert, und da eine Mischung hinzukriegen und zu sagen, ich bin jetzt mal so ein bisschen Kulturwirtschaft und so ein bisschen eigenwirtschaftlich in derselben Institution, das ist ein juristisches Problem, das ist ein Problem der Gemeinnützigkeit und solcher Fragestellungen. Das ist schwierig. Je größer, je stärker institutionalisiert ein Akteur ist, desto schwerer fällt es ihm freilich auch, einen Wandel durchzuführen. Leichter ist es eher für die Individuen; wenn ich Künstler bin, da kann ich im Theater angestellt sein, ich kann bei einem freien Theater etwas machen und ich kann bei einem privaten Theater meine Dienstleistung oder meine Arbeitskraft verkaufen (wenn wir jetzt schon bei den LINKEN sind: am Markt als doppelt freier Lohnarbeiter). Das geht alles. Aber ein Generalmodell, das sich da jetzt auftut, das sehe ich nicht. Dr. Annette Mühlberg: Ich bedanke mich bei Dir, dass Du hier warst, uns einen anregenden Vortrag gehalten hast. Wir sehen uns. Wir sind ja ein kleiner Kreis, Du hast ja Recht. Wir diskutieren weiter. Vielen, vielen Dank. Ich gebe jetzt das Wort an Klaus Schöpp. 19

21 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Klaus Schöpp Hochkultur versus Freie Szene Ist das noch die Frage? Zunächst möchte ich mich vorstellen: Ich bin Musiker, klassisch ausgebildeter Interpret improvisierender Musiker Komponist Instrumentalpädagoge an den Musikschulen Zehlendorf und Kleinmachnow Organisator eines Ensembles für Moderne Musik, des modern art ensembles Stellvertretender Vorsitzender der Initiative Neue Musik Berlin Sprecher der Koalition der Freien Szene Das von Ihnen vorgeschlagene Thema lautet: Hochkultur versus Freie Szene Ist das noch die Frage? Ich habe das Thema angenommen, da ich als Musiker sowohl in Bereichen der Hochkultur arbeite als auch in Projekten der Freien Szene. Ausgehend von Ihrer Frage werde ich versuchen, mich den Begriffen»Hochkultur«und»Freie Szene«zu nähern, im Zentrum meines Vortrages werden dann die Forderungen der Koalition der Freien Szene stehen. Sehr wohl wissend, dass ich diesem komplexen Thema in diesem kurzen Vortrag nicht umfassend gerecht werden kann, möchte ich mich gleichwohl dem Begriff»Hochkultur«durch drei thematische Umkreisungen nähern: 1) Qualität: Der Begriff»Qualität«scheint mir ein zentrales Element zur Bestimmung von»hochkultur«: Dieser moderne Begriff»kulturelle Qualität«verdeutlicht vielleicht noch besser als der Begriff»Hochkultur«die»bürgerliche«Sehnsucht nach einer hochwertigen Kultur. Die sog. Hoch kultur ist also die Kultur, die den diskursiven Charakter besitzt, den der gebildete Anteilnehmer voraussetzt, um sie ernst zu nehmen. Im Bereich der Musik kann ich das durch ein einfaches Beispiel erläutern: Im traditionellen Sinne macht erst die Notenschrift ein Musikstück zu einem Kunstwerk der Hoch kultur. Ein durch bloßes Spielen oder Singen ohne diesen zweiten Boden der Schrift hervorgebrachtes bzw. ein durch Improvisation gefundenes Musikwerk kann in dieser Tradition keine hochkulturelle Hervorbringung sein. Ich denke, im Bereich des Theaters gelten ähnliche Prinzipien. 2) Sujet: Zusammenhängend mit dem Begriff der Hochkultur ergeben sich bestimmte Merkmale der Sujets des Hochkulturellen: Sie müssen die Eigenschaften besitzen, die sich für eine diskursive Arbeit eignen, also in sich schon eine Mehrschichtigkeit besitzen, nicht einfach banal sein. Je wertvoller der Stoff einer Arbeit, desto näher befinden wir uns schon am Zentrum der Hochkultur. Auch da ein einfaches Beispiel aus der Musik: Der edle Ton der teuersten Instrumente ist das Surplus, was unter anderem die Qualität eines Spitzenorchesters gegenüber einem lediglich sehr guten Klangkörper ausmacht. 3) Produktionsbedingungen: Das edelste Sujet, die teuersten Akteure, die diskursivsten Ansätze: Das bedarf einer institutionalisierten Förderung, die für die großen Kulturinstitutionen unabdingbar ist. Die Idee ist es, diesen Institutionen die Ausstattung zu geben, die für die Ziele der Hochkultur nötig ist. Die Frage, die sich stellt, ist: Stellt die Freie Szene einen Gegenentwurf zu dieser Kulturbeschreibung dar? Weiter gefragt: Will unsere Gesellschaft wirklich fast ausschließlich eine Art Kultur fördern, deren Beschreibung ziemlich genau mit den ästhetischen Positionen zusammentrifft, die z. B. auch schon ein Richard Wagner vertreten hat? Die Antwort auf diese Fragen kann nicht einfach sein. Freie Szene bedeutet nicht bloßer Antagonismus zum Überlieferten. Aber gerade durch ihre Unabhängigkeit von den Institutionen, durch ihre Verwurzelung in einer Art künstlerischen Basis, hat sie sich doch entscheidend von dem entfernt, was als Hochkultur umstandslos gefördert wird. Und diese Entwicklung betrifft alle drei Merkmale, die ich für die Beschreibung der Hochkultur verwende: Der Qualitätsbegriff bekommt andere Zuschreibungen, er wird nicht einfach aufgegeben, aber die historischen Komponenten der Qualitätsmerkmale werden hinterfragt. Beispiel der Musik: Die Einbeziehung von Improvisation und populärer Musik wird in der Freien Szene in einer Weise und in einem Maße selbstverständlich realisiert, wie es in den klassischen Institutionen nicht vorgesehen ist und wie es dort darüber hinaus auch nicht möglich wäre. 20

22 Hochkultur versus Freie Szene Ist das noch die Frage? Die Sujets der Freien Szene decken sich nicht mehr mit denen der in den Institutionen stattfindenden Hochkultur: Freie Szene deckt die kulturellen Bereiche ab, die dort überhaupt nicht oder nur am Rande beachtet werden. Wenn Sie sich z. B. die Homepage von»tanzraum Berlin«anschauen: Der moderne Tanz in Berlin besteht fast ausschließlich aus Projekten der Freien Szene. Diese Beobachtung lässt sich auch auf die Neue Musik, auf die Alte Musik, auf das Experimentelle Theater usw. übertragen. Für die bildende Kunst gilt ohnehin: Sie ist Freie Szene, außerhalb von ihr existiert lediglich museales Verständnis. Und leider lässt sich die Freie Szene nur als negatives Abbild der Beschreibung der Produktionsbedingungen darstellen: Ihre Förderung ist mit der der Kulturinstitutionen schlichtweg nicht mehr zu vergleichen. Es lässt sich von der Freien Szene umstandslos behaupten, dass sie in jeder ihrer Verästlungen hoffnungslos unterfinanziert ist. Und das, obwohl sie grundsätzlich den gleichen Anstrengungen wie die Institutionen unterworfen ist. Gerade hier in Berlin: In einer Stadt, in der sich internationale Künstler die Türklinken in die Hände geben, können Sie als Mitglied eines Ensembles der Freien Szene nicht einfach eine mittelmäßige Leistung vor dem Berliner Publikum mit ungenügender finanzieller Ausstattung entschuldigen. Ich behaupte, es passiert das Gegenteil: Gerade die Freie Szene in Berlin beeindruckt durch ihre Originalität und ihre Qualität. Die Annahme, die Akteure der Freien Szene sind die, die den Sprung in die Institutionen nicht geschafft haben, möchte ich weit abweisen. Ein Gegenbeweis ist, dass viele Akteure nach Jahren in der Freien Szene einen Arbeitsplatz in Institutionen annehmen. Der umgekehrte Weg wird seltener, aber durchaus auch, genommen der Grund liegt hier eindeutig in den finanziellen Bedingungen der Arbeit. Stärker noch aber wiegt ein anderes Argument: Die Qualität der Akteure der Freien Szene liegt eben oft in anderen Bereichen, als in den Institutionen gefordert: Dem Spezialistentum und den Hierarchien in den großen Häusern steht die Vielfältigkeit und die Individualität der Akteure der Freien Szene gegenüber. Um diese Tatsache zu verdeutlichen, habe ich die diversen Tätigkeiten, die mein Leben als freiberuflicher Musiker in Berlin umfassen, zu Beginn aufgelistet. Die Freiheit wird teuer bezahlt: Obwohl längst unverzichtbar für unsere Stadt, international anerkannt, vom Publikum angenommen, verdienen die Akteure der Freien Szene nur ein Bruchteil dessen, was in den Institutionen bezahlt wird. Sie sind sozial weitaus schlechter als ihre Kollegen in den Institutionen abgesichert und von Altersarmut bedroht. Einige Zahlen:»Das durchschnittliche jährliche Gesamteinkommen bei den freien Theater- und Tanzschaffenden, die vielfach eine akademische Ausbildung haben, liegt 40 Prozent unter dem aller Arbeitnehmer in Deutschland, einschließlich geringfügig Beschäftigter.Im Bereich der Darstellenden Kunst liegt das künstlerische Nettoeinkommen (inkl. künstlerischer Nebentätigkeiten wie Ausbildung, Synchronisation, kulturelle Bildungsarbeit ) bei einer ( ) Größenordnung von durchschnittlich Euro im Jahr, was einem Monatseinkommen von knapp 975 Euro entspricht.mehr als die Hälfte der Freischaffenden (52 Prozent) bewegen sich mit einem künstlerischen Nettoeinkommen von unter Euro im Niedriglohnsektor. 86 Prozent der ksk-versicherten und 83 Prozent der nicht-ksk-versicherten Freischaffenden verdienen mit künstlerischen Erwerbstätigkeiten jährlich unter Euro.Das Jahresgesamteinkommen der freiberuflich tätigen/ksk-versicherten Theater- und Tanzschaffenden setzt sich zu 62 Prozent aus künstlerischer Haupttätigkeit, zu einem Drittel (30 Prozent) aus künstlerischen Nebentätigkeiten und zu ca. 8 Prozent aus nichtkünstlerischen Nebentätigkeiten zusammen.das Durchschnittseinkommen der Bildenden Künstlerinnen und Künstler in Berlin erreicht nicht einmal die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens aller abhängig Beschäftigten, fast 70 Prozent verfügen über ein Einkommen von unter Euro im Jahr. Viele sind von Zuwendungen von Lebenspartnern oder Eltern abhängig, ebenso viele, nämlich 10 Prozent von Hartz IV. Nur bei etwa 20 Prozent reichen die Einnahmen aus Berufsfeldern der Bildenden Kunst aus, um auch nur die Kosten der eigenen Produktion zu decken.bei einer regelmäßigen Einzahlung in die KSK über einen Zeitraum von 45 Jahren liegt die zu erwartende Rente bei 447 Euro pro Monat in den alten, bei 408 Euro pro Monat in den neuen Bundes ländern. Die Altersarmut unter den Künstlern der derzeit tätigen Generation ist also vorprogrammiert.«ich möchte festhalten, dass wir es hier mit einem wachsenden Bereich unserer Gesellschaft zu tun 21

23 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung haben. Nach Berlin streben viele Künstler, in Berlin werden viele junge Menschen zu Künstlern ausgebildet. Die Freie Szene macht einen großen Anteil der Attraktivität des Berliner Kulturlebens aus. Dagegen steht die Entwicklung des Berliner Kulturhaushaltes in den letzten 10 Jahren. Sie ist in Bezug auf die Förderung von freien Strukturen mehr als Besorgnis erregend. Standen vor zehn Jahren noch rund 10 Prozent des Kulturhaushaltes an disponiblen Mitteln zur Verfügung, sind es heute mit rund 10 Millionen Euro nur noch 2,5 Prozent. Hinzu kommen weitere 10 Millionen Euro aus dem vom Bund finanzierten Hauptstadtkulturfonds, die aber nur zu etwa 60 Prozent freien Projekten zur Verfügung stehen. Die Regierungskoalition aus SPD und CDU hat in ihrem aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten:»berlin ist eine globale Kulturmetropole, unser kultureller Reichtum ist unser Kapital. ( ) Kunst, Kultur und die Kreativszene gehören zu den zentralen Grundressourcen der Stadt. ( ) Die Koalition will die Freie Szene verstärkt fördern ( ).«Die Koalition der Freien Szene fordert jetzt die Einlösung dieses Versprechens und eine substantielle Aufstockung der disponiblen Mittel im Kulturetat. Die Tatsache, dass die Summe aller institutionellen Förderungen kontinuierlich zunimmt und im Gegenzug die Mittel für freie Strukturen immer weiter abgesenkt werden, ist nicht mehr hinnehmbar und wirkt vor dem Hintergrund von Slogans wie»kultur bewegt Berlin«(Kulturförderbericht des Berliner Senats 2011) geradezu zynisch. Erstmalig hat sich deshalb in Berlin eine spartenübergreifende Koalition der Freien Szene aller Künste gebildet, um die die Substanz der viel beschworenen und international gefeierten Berliner freien Kunstszene für die Zukunft zu sichern. Die Künste in ihrer Vielfalt und in ihrem Zusammenspiel machen die Attraktivität Berlins aus und sind auch ein entscheidender Wirtschafts- und Tourismusfaktor. Die Koalition der Freien Szene wehrt sich gegen den sich abzeichnenden Paradigmenwechsel von Kulturförderpolitik hin zu einer Investitionspolitik, die die Künste in freien Strukturen primär Verwertungszwängen aussetzt und damit die Autonomie der Kunst beschädigt und die gesellschaftliche Funktion von Kunst marginalisiert. Die Kultur wird eine Schlüsselrolle für die Zukunft der Stadt spielen. Berlin steht an einem Scheideweg. Die Koalition der Freien Szene fordert eine neue Förderpolitik. Sie hat 10 Punkte formuliert, in denen die Forderungen benannt werden und die auf einer gründlichen und sehr genauen Analyse der gegenwärtigen Situation beruhen. Sie fordert, gemäß ihrer Bedeutung für das kulturelle Leben der Stadt, 50 Prozent aus der Einnahmen der zu verwirklichenden City Tax. Unabhängig von der Einführung dieser Tax ist die Bereitstellung der geforderten Mittel notwendig, um die lebendigste Kulturszene Berlins am Leben zu erhalten. 22

24 Die Zukunft der Freien Szene: Zehn Punkte für eine neue Förderpolitik (Kurzfassung) Die Zukunft der Freien Szene: Zehn Punkte für eine neue Förderpolitik (Kurzfassung) Die Koalition der Freien Szene fordert: 1) 50 Prozent der Einnahmen aus der City Tax. 2) Kulturförderung aus der künstlerischen Praxis heraus. Entstandene Produktionsstrukturen bedürfen neuer Förderinstrumente: Eigenmittelfonds Förderetat für Wiederaufnahmen Fonds für Forschung, Recherche etc. Neuansatz: 1 Millionen Euro jährlich Neuansatz: 0,5 Millionen Euro jährlich Neuansatz: 1 Millionen Euro jährlich 3) Gewährleistung von Honoraruntergrenzen. Honoraruntergrenze Darstellende Kunst Mehransatz: 4,5 Millionen Euro jährlich Ausstellungshonorare Bildende Kunst Neuansatz: 1 Millionen Euro jährlich Projektförderung freie Musikszene Mehransatz: 1,5 Millionen Euro jährlich 4) Die Fördersysteme für Bildende Kunst müssen nachhaltige professionelle künstlerische Arbeit ermöglichen. Fonds zur Produktionsförderung Neuansatz: 2,5 Millionen Euro jährlich 5) Schaffung und Förderung von Orten mit eigenen Produktionsetats für die Freie Szene. Interdisziplinäre Ankerpositionen (Häuser und Räume) Neuansatz: 4,5 Millionen Euro jährlich 6) Bezirkliche Kunst- und Kulturförderung muss erhalten und ausgebaut werden. Mehransatz: 1 Millionen Euro jährlich 7) Ertüchtigung der Selbstverwaltungsstrukturen. Selbstverwaltungsstrukturen Mittelansatz: 0,15 Millionen Euro jährlich 8) Die Liegenschaftspolitik muss zugunsten von Kultur und Stadt neu gedacht werden. 9) Solidaritätsprinzip, Gerechtigkeit, Transparenz und Subsidiarität. a) Solidaritätsprinzip und Bereitstellung von institutionellen Infrastrukturen b) Gerechtigkeit und Transparenz, Subsidiarität 10) Weitere Strukturvorschläge zur Förderung der Freien Szene: a) Hauptstadtkulturfonds Freie Mittel für freie Strukturen! b) Fonds für kulturelle Vielfalt c) Förderinstrumente für die Literatur Mittelansatz insgesamt: 17,65 Millionen Euro 23

25 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Die Zukunft der Freien Szene: Zehn Punkte für eine neue Förderpolitik 1. Die Koalition der Freien Szene fordert 50 Prozent der Einnahmen aus der City Tax. Die Koalition der Freien Szene fordert eine Erhöhung der Mittel für freie Produktionsstrukturen und ihre Akteure. Es muss sichergestellt werden, dass mindestens 50 Prozent der Einnahmen aus der City Tax in die Förderung freier künstlerischer Projekte fließen und somit die stagnierenden Förderetats für freie Projekte substanziell aufgestockt werden. 2. Kulturförderung aus der künstlerischen Praxis heraus. Entstandene Produktionsstrukturen bedürfen neuer Förderinstrumente: Eigenmittelfonds Neuansatz: 1 Mio. Euro jährlich Förderetat für Wiederaufnahmen Neuansatz: 0,5 Mio. Euro jährlich Fonds für Forschung, Recherche etc. Neuansatz: 1 Mio. Euro jährlich a) Schaffung eines Eigenmittelfonds: Damit sollen nicht-institutionell geförderte Ensembles, Kulturproduzent/-innen und Künstler/-innen in die Lage versetzt werden, Anträge bei Förderinstitutionen zu stellen, die den Nachweis von Eigenmitteln voraussetzen (z. B. Kulturstiftung des Bundes, Privatstiftungen oder auch EU). Das Land Berlin kann hier einen Hebel schaffen, um mit Einsatz relativ geringer Landesmittel ein Vielfaches an Drittmitteln für die Berliner Freie Szene einzuwerben. Erforderlicher Neuansatz: 1 Millionen Euro jährlich. b) Schaffung eines spartenübergreifenden Förderetats für Wiederauf nahmen erfolgreicher Projekte und Produktionen, der anders als im bisherigen Verfahren innerhalb der Einzelprojektförderung eine flexible Struktur aufweist, so dass die Zuwendung zeitnah erfolgen kann. Erforderlicher Neuansatz: 0,5 Millionen Euro jährlich. c) Schaffung eines spartenübergreifenden Fonds für Künstler/-innen und Kunstproduzent/-innen. Dieser Fond stellt Mittel zur Entwicklung von Projekten zur Verfügung und beinhaltet die Förderung von Forschung, Recherche, Künstlerresidenzen, sowie Kuration, Vermittlung, Dokumentation und Publikation. Erforderlicher Neuansatz: 1 Millionen Euro jährlich 3. Gewährleistung von Honoraruntergrenzen. Berliner Künstler/-innen und Kulturproduzent/-innen arbeiten unter extrem prekären Einkommensverhältnissen, Stundenlöhne liegen häufig bei 3 Euro, oft wird künstlerische Arbeit gar nicht bezahlt. Dieser Zustand ist in einem sozialen Rechtsstaat unhaltbar. Zugleich gefährdet er Professionalität und Qualität der Kunst und letztlich die Attraktivität Berlins für die internationale Avantgarde. Spartenübergreifend sind deshalb Mindeststandards bei der Honorierung künstlerischer Arbeit notwendig. Sie sind für alle künstlerischen, kuratorischen und Kunstvermittlungsleistungen zu formulieren und zu verbindlichen Fördervoraussetzungen zu machen. 24

26 Die Zukunft der Freien Szene: Zehn Punkte für eine neue Förderpolitik Honoraruntergrenze Mehransatz: 4,5 Mio. Euro jährlich Ausstellungshonorare Neuansatz: 1 Mio. Euro jährlich Projektförderung freie Musikszene Mehransatz: 1,5 Mio. Euro jährlich a) Die Darstellende Kunst orientiert sich dabei an den Tarifverträgen deutscher Stadttheater. Die dort vereinbarte Mindestgage ist Orientierungspunkt für das Mindesthonorar, das für die Dauer des Projektes an alle künstlerisch Mitwirkenden bei vom Land Berlin geförderten Projekten gezahlt werden muss. Zugrundegelegt wird dabei das entsprechende Arbeitgeberbrutto nach dem Mindesttarif des NV Bühne. Die Anzahl der geförderten Projekte muss dabei gewahrt bleiben, da bereits jetzt lediglich ein Mindestmaß an förderungswürdigen Anträgen berücksichtigt werden kann und eine Verringerung dem Anspruch an Vielfalt und Bandbreite der Förderung widersprechen würde. Erforderlich ist deshalb eine Aufstockung des Etats zur Förderung von privatrechtlich organisierten Theatern und Theater-/Tanzgruppen. Erforderlicher Mehransatz: 4,5 Millionen Euro jährlich. b) Bildende Künstler/-innen, die Werke für Ausstellungsprojekte für vom Land Berlin betriebene oder regelmäßig geförderte Ausstellungsinstitutionen zur Verfügung stellen, erhalten für diese Leistung Ausstellungshonorare. Die Höhe der Honorare orientiert sich an festen Sätzen von Euro für eine Einzelausstellung und Euro für die Teilnahme an einer Gruppenausstellung. Erforderlich ist ein neuer Mittelansatz zur zweckgebundenen Aufstockung der Zuwendungen für die Kunstvereine und der Etats der kommunalen Galerien. Erforderlicher Neuansatz: insgesamt 1 Millionen Euro jährlich. c) Auch im Bereich der Musik müssen neben der Garantie eines Mindeststandards bei der Honorierung künstlerischer Arbeit Strukturen geschaffen werden, die der Förderstruktur der Projektförderung (Projekt-, Basis- und Konzeptförderung) in der Darstellenden Kunst vergleichbar sind. Erforderlicher Mehransatz: 1,5 Millionen Euro jährlich. Fonds zur Produk tionsförderung Neuansatz: 2,5 Mio. Euro jährlich 4. Die Fördersysteme für Bildende Kunst müssen nachhaltige professionelle künstlerische Arbeit ermöglichen. Analog zur Produktionsförderung in der Darstellenden Kunst wird ein Fonds zur Produktionsförderung in der Bildenden Kunst eingerichtet. Aus ihm sollen Zuschüsse für künstlerische Arbeitsvorhaben und Projekte von Einzelkünstler/-innen und Künstlergruppen mit jeweils einem Festbetrag von Euro gefördert werden. Förderentscheidungen werden von einer 2-mal jährlich einzuberufenden Fachjury getroffen. Die so entstehenden Werke werden digital dokumentiert und archiviert. Eine Auswahl daraus oder Werkgruppen werden der Öffentlichkeit in geeigneter Weise (Ausstellungen bzw. digitale Präsentationen) zugänglich gemacht. Ankerpositionen Neuansatz: 4,5 Mio. Euro jährlich 5. Schaffung und Förderung von Orten mit eigenen Produktionsetats für die Freie Szene. Interdisziplinär arbeitende Häuser und Projekt-Räume nehmen innerhalb der freien Strukturen sogenannte Ankerpositionen ein, indem sie z. B. eigenständig nationale und internationale Koproduktionen und Festivalkooperationen anstoßen und durchführen können. Auf eine solche Infrastruktur kann die Freie Szene nicht mehr verzichten, da sonst keinerlei Möglichkeit zur kontinuierlichen Entwicklung und Planungssicherheit besteht und die Chance, durch Kooperationspartner künstlerische Projekte mit finanzieller Beteiligung anderer Länder zu produzieren, ungenutzt bliebe. Erforderlicher Neuansatz: 4,5 Millionen Euro jährlich 25

27 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Bezirkliche Kunstund Kulturförderung Mehransatz: 1 Mio. Euro jährlich 6. Bezirkliche Kunst- und Kulturförderung muss erhalten und ausgebaut werden. Eine Stärke Berlins ist seine historisch gewachsene Dezentralität. Die Kulturförderung in den Bezirken für Projekte und Institutionen bildet die Grundlage für kulturelle Vielfalt und schafft ein Angebot, das die Berliner Bevölkerung in ihrer sozialen Vielschichtigkeit erreicht. Der Bezirkskulturfonds als wichtiges Instrument für die Verknüpfung von bezirklicher und gesamtstädtischer Kunst- und Kulturförderung muss daher um 1 Millionen Euro aufgestockt werden. Bedingung dieser Aufstockung ist, dass die Bezirke ihre Ausgaben für Kultur nicht weiterhin vermindern. Erforderlicher Mehransatz: 1 Millionen Euro jährlich. Selbstverwaltungsstrukturen Mittelansatz: 0,15 Mio. Euro jährlich 7. Ertüchtigung der Selbstverwaltungsstrukturen. Um als Partner und Subjekt der Kulturförderung handlungsfähig zu bleiben, müssen die Selbstverwaltungsstrukturen vor allem für den Bereich Freies Theater und Musik gestärkt werden. Erforderlicher Mittelansatz: 0,15 Millionen Euro jährlich. Kulturelle Nutzung von Liegenschaften 8. Die Liegenschaftspolitik muss zugunsten von Kultur und Stadt neu gedacht werden. Die Koalition der Freien Szene fordert ein Moratorium zum Verkauf von Landesimmobilien. Der Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht ist Vorrang gegenüber einem Verkauf zu gewähren. Stadtentwicklungspolitik ist Kulturpolitik. Landeseigene Immobilien, die für unmittelbare Verwaltungszwecke dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum nicht mehr benötigt werden, müssen vorrangig zunächst auf ihre Eignung für Zwecke der kulturellen Infrastruktur oder künstlerischer Projektrealisierungen geprüft werden. Hauptverwaltungen, Bezirke und Liegenschaftsfonds müssen unverzüglich die dafür notwendigen organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen schaffen. Entsprechende Liegenschaften müssen dauerhaft im Eigentum des Landes bleiben. Diese Liegenschaften sollen qualifizierten gemeinnützigen freien Trägern angeboten werden und von ihnen für Zwecke der kulturellen Infrastruktur und/oder kultureller Veranstaltungen genutzt werden können. Für die Nutzung dieser Grundstücke erhebt das Land Berlin nur symbolische Pachtbeiträge. 9. Solidaritätsprinzip, Gerechtigkeit, Transparenz und Subsidiarität. Solidaritätsprinzip und Bereitstellung von institutionellen Infrastrukturen Gerechtigkeit und Transparenz, Subsidiarität Die Freie Szene steht für Kooperationen und Partnerschaft auch mit festen Institutionen und lädt diese ausdrücklich dazu ein. Auch fordert sie Zuwendungsgeber und Politik dazu auf, diese Zusammenarbeit stärker zu unterstützen und zu fördern. Alle öffentlich geförderten Institutionen müssen evaluiert werden. Die Evaluierungen sollen öffentlich und transparent sein. Die Benennung aller Jurys, die Projektmittel des Landes Berlin vergeben, erfolgt auf Vorschlag aus der Freien Szene selbst. Diese hat rechtzeitig zu erfolgen und muss ebenfalls transparent sein. Die Verwaltungsstrukturen der jurierten Förderverfahren bedürfen einer Überprüfung in Bezug auf ihre Effizienz mit dem Ziel einer Neustrukturierung, um Kosten einzusparen. 26

28 Die Zukunft der Freien Szene: Zehn Punkte für eine neue Förderpolitik Hauptstadt kulturfonds Freie Mittel für freie Strukturen! Fonds für kulturelle Vielfalt Förderinstrumente für die Literatur 10. Weitere Strukturvorschläge zur Förderung der Freien Szene: Die Koalition der Freien Szene fordert, dass der Hauptstadtkulturfonds seine Förderaufgabe wieder an denen bei seiner Gründung vereinbarten Kriterien orientiert: Aus dem Hauptstadtkulturfonds dürfen keine Regelförderungen finanziert werden, damit die Fördermittel in vollem Umfang freien Projekten zur Verfügung stehen. Das Votum der Jury muss über das Gesamtvolumen des Fonds eingeholt werden und bindend sein. Die sogenannte Fondsreserve darf nicht zu einer demokratisch nicht kontrollierbaren Handkasse der Politik werden. Außerdem sollen Anträge von institutionell geförderten Kultureinrichtungen nur berücksichtigt werden, wenn das Projekt maßgeblich mit Künstler/-innen und Kulturproduzent/-innen freier Strukturen realisiert wird. Auch muss sichergestellt werden, dass diese Förderung nicht in die Finanzierung der Infrastruktur der festen Institutionen fließt. Stärkung der Strukturen für kulturelle Vielfalt in Anlehnung an die Forderung des Rates für die Künste. Die Koalition der Freien Szene fordert eine Stärkung der Förderinstrumente für die Literatur. 27

29 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Dr. Lukrezia Jochimsen Kultur für alle Jetzt erst recht! Ich beginne mit einem fast 100 Jahre alten Text:»Wir müssen uns abgewöhnen und aufhören, die Kultur als enzyklopädisches Wissen zu verstehen, wobei der Mensch nur als ein Gefäß gesehen wird, das mit empirischen Daten angefüllt und vollgepfropft werden muss, mit nackten und zusammenhanglosen Fakten, die er dann in seinem Gehirn wie in den Abschnitten eines Wörterbuchs rubrizieren muss [ ]. Wirkliche Kultur ist etwas völlig anderes. Kultur ist Disziplinierung des eigenen inneren Ichs, Inbesitznahme der eigenen Persönlichkeit und die Erlangung eines höheren Bewusstseins, mit dem man dazu kommt, den eigenen historischen Wert zu verstehen, die eigene Funktion im Leben, die eigenen Rechte und Pflichten.«Antonio Gramsci hat diesen Text geschrieben, 1916 in Grido del popolo. Langsam setzt sich bei vielen die Erkenntnis durch, dass die politische Arbeit für die Kultur kein Elfenbeinturm-Unternehmen ist sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe quer über alle politischen Fachgebiete: das Soziale, die Gerechtigkeit, das Weiterkommen der nächsten Generation unsere Identität das alles ist auch eine kulturelle Frage. Wer sind wir? Wer wollen wir sein? Wofür wollen wir uns einsetzen? Gutes Leben geht nicht ohne Kultur. Aufarbeitung der Vergangenheit, Denken in die Zukunft, globale Kommunikation alles hat mit Kultur zu tun, die immer im Dreischritt gedacht werden sollte: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft! Und eine Partei, die keine kulturelle Identität schafft, wird sich auf Dauer in der Gesellschaft nicht halten. Wir kommen auf diese Welt lebensunfähig, wenn wir keine Nahrung bekommen. Diese Nahrung müssen uns die Eltern geben und die Gemeinschaft/Gesellschaft, in die wir hinein geboren worden sind: Essen und Trinken, sonst verhungern und verdursten wir, aber auch andere Nahrung: für unser Gehirn, für die fünf Sinne, für das Bewusstsein, früher auch Seele genannt. Also: Wörter, Bilder, Töne, Bewegungsanreize, Stimulation zum aufrechten Gang. Vielfache Nahrung. Als»Nourishment«, hat Shakespeare sie bezeichnet und auch beim Namen genannt:»culture is nourishment«lebensmittel Kultur. 28 Das brauchen Kinder von Anfang an. Wer es ihnen verweigert, lässt sie hungrig und durstig aufwachsen, verkümmern, verwahrlosen. Eine Menschenrechtsverletzung! Deshalb muss die Forderung lauten: Kultur für alle von Anfang an. Was ist unsere Realität in diesem reichen Land? Zunächst drei Zahlen, damit wir wissen, worum es geht: Kulturförderung das heißt ,64 Prozent des Gesamtetats der öffentlichen Haushalte. Laut dem Kulturfinanzbericht 2012 des Statistischen Bundesamtes stellte die öffentliche Hand, also Bund, Länder und Gemeinden 2009 rund 9,1 Milliarden Euro für Kultur zur Verfügung. Das sind 0,38 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Ich drehe jetzt mal den Spieß um und sage: Wir brauchen mehr! Wir nehmen weniger nicht mehr hin! Forderung nach antizyklischer Politik: Ländliche Regionen attraktiver machen die weniger Werdenden stützen und schützen!!! Patriotismus nennt das der Berliner Kultur- Staatssekretär André Schmitz im Spiegel und schreibt am 19. März 2012 in seinem Artikel»Schlechte Patrioten«:»Kulturpolitischer Kannibalismus ist auf jeden Fall der falsche Weg. Kunst bleibt ein krisenfester Resonanzraum für die Probleme unserer Zeit. Deshalb ist ein Mehr für die Kultur gerade in Krisenzeiten ein gesellschaftlich nützliches Konjunkturpaket.«1,64 Prozent des Gesamtetats plus 0,38 Prozent am Bruttoinlandsprodukt mit diesen Beträgen lässt sich kein Haushalt retten, aber mit diesen Beträgen wird unendlich viel für die Gesellschaft geleistet! Was wir brauchen ist eine umfassende Diskussion über eine neue Steuerpolitik und ein neuer Dialog zwischen Politik, Kreativen und den Bürgerinnen und Bürgern, die Kultur brauchen und wollen und lieben. Wie solch ein Dialog stattfinden könnte, dafür gibt es ein aufschlussreiches Beispiel: Jena. Hier wurde ein Jahr lang eine Kulturkonzeption erarbeitet immer in enger Zusammenarbeit von Politik, Bürgern und Kulturschaffenden. Genau ausgerichtete Arbeitsgruppen haben in den unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel Musik und Tanz, Jugend und Szene oder Migrantenkulturen und Kultur für Migranten, Bedürfnisse festgestellt; geschaut, was ist bereits vorhanden und funktioniert das Bestehende? Es wurden

30 Kultur für alle Jetzt erst recht! Lösungsvorschläge formuliert, die den Veränderungen in den Anforderungen an Kulturförderung und Gestaltung Rechnung tragen und auch an die gegebenen finanziellen Möglichkeiten des Haushaltes angepasst sind. Das Ergebnis ist ein beachtlicher Kompromiss mit teilweise ganz neuen Ansätzen: so wurden Kulturpartnerschaften mit Institutionen, Vereinen und der Wirtschaft ins Leben gerufen; eine spartenübergreifende Netzwerkarbeit geschaffen; ein zentrales Beratungsund Informationszentrum gegründet, welches umfassende Informationen und Hilfsangebote zu Förderprogrammen auf kommunaler, regionaler, bundes- und europaweiter Ebene, wie auch bei Raumsuche und Vermittlung geben kann. Fragen der Erreichbarkeit, d. h. des öffentlichen Nahverkehrs wurden genauso bedacht, wie die Möglichkeit, Gebäude zeitversetzt unterschiedlichen Nutzungen zugänglich zu machen. Auch wurde ermöglicht, Projekte über mehrere Jahre zu finanzieren, um so Planungssicherheit zu geben und die»hängepartien«zu beenden, von Jahr zu Jahr, von Haushaltsberatung zu Haushaltsberatung in Unsicherheit arbeiten zu müssen. Genau diesen Mut, mit den bestehenden Veränderungen und Problemen kreativ umzugehen und neue, für alle zufriedenstellende Lösungen zu schaffen, brauchen wir. Das Thema Kulturförderung hält uns den Spiegel vor, wer wir sind und was wir sein wollen, Kulturnation oder Wirtschaftsmacht oder Kulturnation und Wirtschaftsmacht und vor allem eine gerechte Gesellschaft, die nicht Teilen der nächsten Generation vorenthält, was ihre Vorfahren geschaffen haben: Theater, Museen, öffentliche Plätze, Büchereien und was sie dringend braucht: Worte, Musik, Geschichten, Bücher, Bilder, Tanz und Spiel KURZ: Was nur Künstler und Kreative schaffen können. Stellen wir uns als Linke auf ihre Seite!!! Es geht um nichts geringeres, als um eine Enteignung unserer europäischen Kultur eine Selbstenteignung sozusagen. Am 1. April 2012 enthielt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Beilage der New York Times einen großen Artikel von Larry Rohter:»CULTURE CUTS TOUCH THE CORE IN EUROPE«. Die Kernaussage ist, dass wir in Europa davor stehen amerikanische Verhältnisse zu bekommen, die Kultur nicht als einen Grundwert ansieht, sondern Freizeitunterhaltung und diese ganz und gar dem Markt überlässt. Das ist auch der Kern des Freihandelsabkommens zwischen Europa und den USA (TTIP), das eine Bedrohung für unsere Kultur darstellt. Darin wird Kultur zur Ware und Freizeitunternehmung, werden Künstlerinnen und Künstler zu Dienstleistern einer Freizeitbranche. Gott sei Dank hat das Europäische Parlament dagegen vehement Widerspruch eingelegt. Im Entschließungsantrag wurde formuliert, das Europäische Parlament»hält es für unerlässlich, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Möglichkeit wahren, ihre Politik im kulturellen und audiovisuellen Bereich zu erhalten und weiterzuentwickeln, und zwar im Rahmen ihres Besitzstandes an Rechtsvorschriften, Normen und Übereinkommen, fordert daher, dass die Ausklammerung von Diens ten mit kulturellen und audiovisuellen Inhalten, auch online, im Verhandlungsmandat eindeutig festge halten wird.«dem müssen wir uns auf nationaler Ebene sofort anschließen und als Kulturpolitiker und Parlamentarier fordern, dass der Bereich Kultur und Medien aus dem Mandat herausgenommen wird und zwar von Anfang an, bevor überhaupt über das Abkommen verhandelt wird. Das scheint mir im Moment unsere wichtigste Aufgabe zu sein. Wir müssen sowieso eine Diskussion über unsere öffentlichen Güter, zu denen Kultur weitreichend gehört, anstoßen und führen in unserem Land die Commons öffentliche Plätze, Gemeineigentum in all seinen Ausformungen und die Kultur gehört dazu. Überall stellen wir fest, dass der Bevölkerung diese Gemeingüter weggenommen werden, vorenthalten werden, zerstört werden, kommerzialisiert werden. Dagegen müssen wir politisch angehen. Wir wollen uns nicht enteignen lassen, wir sollten uns nicht selbst enteignen wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse! Übrigens»amerikanische Verhältnisse«:»Wir wollen BROT UND ROSEN!«sagten die Arbeiterinnen von Massachusetts vor 93 Jahren. Das waren dieselben Arbeiterinnen, die den»frauentag«ausriefen. Arbeit allein sichert kein gutes Leben genauso existentiell ist das Bedürfnis der Menschen nach Schönheit, Liebe und Kunst. Deshalb fordern wir das Staatsziel Kultur. Im Grundgesetz soll festgelegt sein: Der Staat schützt und fördert die Kultur. Kunst braucht Brot. Wer ein reiches Kunst- und Kulturschaffen will, muss gute, existenzsichernde Arbeit im Kulturbereich ermöglichen. Künstlerinnen und Künstler und Kreative müssen von ihrer Arbeit leben können deshalb engagieren wir uns für eine Reform der sozialen Sicherungssysteme und Honoraruntergrenzen. Kultur ist Vielfalt, das heißt: unterschiedliche Sichtweisen, Gedanken, Visionen, Positionen kommen zusammen. Ihre Widersprüche stoßen Prozesse an, deren Wirkung weit über den Kultur- 29

31 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung bereich hinausgehen. Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. Deshalb ist es unser Ziel, dass jeder Mensch auf seine Weise an Kultur und Bildung teilhaben kann. Kultur hat Kraft. Weltweit hat die Kunst große emanzipatorische Wirkung. Deswegen werden Künstler und Künstlerinnen verfolgt, unterdrückt, zum Schweigen gebracht. Deshalb erklären wir uns mit all jenen solidarisch, die mit ihrem Leben und Denken für eine freie und gerechte Gesellschaft eintreten. Kultur ist Erinnerung. Menschen haben unterschiedliche kulturelle Traditionen und Geschichten. Erst die Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe lässt ein gemeinsames Kulturverständnis entstehen. Denn in jeder Kultur mischt sich Vertrautes mit Neuem, Eigenes mit Fremden. Kultur verbindet. Tradition und Moderne. Deshalb liegt in der Kultur die Basis für Verständigung und Toleranz. Das heute herrschende Motto heißt: Brot und Spiele. Wir aber wollen Brot und Rosen! 30

32 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung mit Dr. Lukrezia Jochimsen, Klaus Schöpp, Isa Kathrin Edelhoff (Kulturvermittlerin und -managerin, Berlin, Regionalsprecherin der Kulturpolitischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg), Torsten Koplin (MdL, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern), Ralph Reichel (Chefdramaturg am Mecklenburgischen Staats theater Schwerin, Volksinitiative für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg- Vorpommern) Moderation: Kathrin Senger-Schäfer (MdB, Medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE.) Kathrin Senger-Schäfer: Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde aus der Kulturszene, liebe Kulturschaffende, ich begrüße Sie, Euch heute ganz herzlich zu unserer kulturpolitischen Konferenz. Wir haben eben schon ganz viele Anregungen bekommen. Ich war sehr beschäftigt damit, nicht nur aktiv zu zuhören, sondern aktiv mitzuschreiben. Ich hoffe, denke und wünsche mir, dass wir nachher in eine interessante Diskussion einsteigen werden. Mein Name ist Kathrin Senger-Schäfer. Ich bin die medienpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Ich möchte Ihnen zunächst etwas zum Ablauf sagen, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir beginnen jetzt mit einer kurzen Vorstellung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ich werde aber aus Zeitgründen und weil ich peinlichst genau darauf hingewiesen worden bin, nicht zu überziehen und in der Zeit zu bleiben, die beiden, die sich schon selbst vorgestellt haben, mit ihren Aktivitäten und ihrer Vita, sprich Herrn Schöpp und Frau Dr. Jochimsen, nicht mehr vorstellen, das haben wir ja gehört. Daran anschließend, wird es eine Fragerunde geben, die sich zunächst an alle Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer richtet. Danach werde ich eine Runde ins Publikum geben und am Ende noch einmal hier oben ein Abschlussstatement vorbereiten. Jetzt zu unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ich beginne mit Frau Isa Kathrin Edelhoff. Herzlich willkommen und schön, dass Sie da sind. Sie leitete als freie Kulturvermittlerin von 2002 bis 2008 die Internationalen Seminare für Kulturmittler des Goethe-Instituts in Berlin und Weimar. Außerdem arbeitete sie für die Berliner Festspiele GmbH, die Nordischen Filmtage Lübeck, dort im Marketing, und für die Theater, Oper und Orchester GmbH in Halle. Aktuell koordiniert sie im Auftrag der Stadt Eberswalde die Landesmusikschultage Brandenburg Eingeladen ist sie aber als Regionalsprecherin der Kulturpolitischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg. Herzlich Willkommen. Dann möchte ich Torsten Koplin vorstellen. Er ist Gesundheits- und Kulturpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Landtag Mecklenburg- Vorpommern und aktives Mitglied der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz (SKK) der LINKEN und als ich das gelesen habe, mit dieser Verbindung des gesundheitspolitischen Sprechers und des kulturpolitischen Sprechers, musste ich selbst an mich denken, weil ich auch noch Pflegepolitische Sprecherin bin und immer wieder die Frage gestellt bekomme, wie kann man diese unterschiedlichen Bereiche zusammen bringen. Das frage ich jetzt natürlich nicht. Wir reden heute über das Thema Kulturpolitik und auch Dir ein Herzliches Willkommen. Dann begrüße ich ganz herzlich Ralph Reichel. Er ist Chefdramaturg und Regisseur. Er begann als Assistent unter anderem bei Inszenierungen von Frank Castorf an der Volksbühne und am Deutschen Theater Berlin, dann als Dramaturg in Weimar gründete er in Schwerin die Spielstätte»werk3«und ist seit der Spielzeit 2011/2012, Chefdramaturg am Schauspiel des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin. Im Frühjahr 2012 hat Herr Reichel mit anderen Theatermitarbeiterinnen und Theatermitarbeitern und engagierten Menschen aus Stadt und Umland das Aktionsbündnis»Kulturschutz«gegründet. Diese Initiative setzt sich nicht nur für den Erhalt des Theaters in Schwerin ein, sondern hat als Fernziel, dass der Schutz der Kultur, ebenso wie zum Beispiel der Schutz der Natur als Pflichtaufgabe in die Verfassungen der Länder und des Bundes aufgenommen wird und ich denke, dazu können wir nachher in der Diskussion viel fragen und erfahren. Herr Reichel, schön dass Sie da sind und herzlich willkommen. Wir haben jetzt vieles gehört in den vorausgegangenen Referaten und kurz zusammengefasst stellt sich ja diese Bipolarität auf der einen Seite zwischen der etablierten Kulturszene und der freien Kulturszene, auf der anderen Seite. Und dazu möchte ich zunächst an alle Podiumsteilnehmerin- 31

33 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung nen und -teilnehmer ein paar Fragen in den Raum werfen. Sie dürfen sich dann gerne eine aussuchen. Mehr Kultur und mehr Geld, oder andere Konzepte und Umverteilen? Und wenn ja, wie? Etwas haben wir dazu schon gehört. Etwa von der sogenannten Hochkultur und ihren Institutionen zur Freien Szene? Sind aber nicht die Kulturinstitutionen selbst schon unterfinanziert, wie zum Beispiel die Theater? Sollten wir die Theater und Opern zugunsten der Freien Szene schließen? Wenn nicht, welche Wege gehen wir dann? Fördergesetze in den Ländern? Kulturentwicklungskonzeptionen? Oder, wie soll es gehen? Als Erstes würde ich gerne Frau Edelhoff die Fragen zur Beantwortung geben. Isa Kathrin Edelhoff: Also, abschließende Antworten auf diese Fragen kann ich sicher nicht geben, aber deshalb sind wir ja hier. Es ist eine Debatte, die vor einiger Zeit begonnen hat und die sicher noch einige Zeit anhalten wird. Die Frage lautet, ob wir die Kultur, die wir haben, uns in dieser Form noch leisten können und wenn nein, wie kann es denn dann gehen? In der Regionalgruppe der Kulturpolitischen Gesellschaft in Berlin-Brandenburg haben wir angefangen, Veranstaltungen zu konzipieren zu diesen Themen mit Referenten. Im April letzten Jahres haben wir eigentlich hierzu fachlich diskutieren wollen, es ging um Sicherungssysteme, Finanzierungsmodelle im Kulturbereich und so weiter. Wir haben ein Podium zusammengestellt, nicht wissend, dass in der Zwischenzeit ein kleines rotes Buch erscheinen wird und einer der Podiumsgäste war einer der Autoren, Dieter Haselbach. Außerdem war Adrienne Goehler eingeladen. Mit Ihr wollten wir das Modell und die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens im kulturpolitischen Zusammenhang diskutieren, Haselbach war als eher wirtschaftsliberaler Kontrahent eingeladen. Und weil eben dieses kleine rote Buch»Der Kulturinfarkt«gerade erschienen war, ist die Diskussion hochgradig emotional gewesen und wenig sachlich geführt worden. Also das ist eine Veranstaltung, die wir sicherlich noch einmal wiederholen können, etwas gemäßigter, weil es da hauptsächlich um s Kämpfen ging. Jeder fühlte sich vom Anderen angegriffen und jeder versuchte etwas zu verteidigen. Wir haben weiter gemacht. Jetzt vor kurzer Zeit, da ging es um Umverteilung, wo wir das Thema City Tax auch mit auf die Agenda geholt haben. Christoph Knoch von der Koalition der Freien Szene war eingeladen und wieder Dieter Haselbach, einer der Autoren vom»kulturinfarkt«. Diese Diskussion war schon etwas sachlicher. Auch da ging es immer noch um Verteilungskämpfe zwischen Hochkultur und Freier Szene und jeder wollte von dem großen Kuchen etwas ab haben. 32 Dr. Lukrezia Jochimsen: Vielleicht müssten Sie sagen, die Hauptthese dieses Buches ist: Es genügt die Hälfte der öffentlichen Förderung für die öffentlichen Einrichtungen. Isa Kathrin Edelhoff: um die andere Hälfte z. B. verstärkt für Projektförderung einzusetzen. Ich werde am Ende noch einmal darauf eingehen und ich will auch nicht über den Kulturinfarkt diskutieren. Das ist nämlich immer die große Gefahr, deshalb habe ich das kleine rote Buch auch nur im Hintergrund erwähnt. Es rutscht ganz schnell in den Vordergrund. Vielleicht nur so viel dazu, meine persönlich Meinung dazu ist, dass das Buch nicht besonders sauber gearbeitet ist. Aber das ist ein anderes Thema. Sie reden schon von einer Umverteilung der Mittel, aber in meinen Augen ist es nicht ganz zu Ende gedacht. Projektmittel sind immer die ersten Mittel, die zur Disposition stehen. Auf jeden Fall aber ist es gut, wenn man sich darüber sehr sorgfältig und sehr vorsichtig unterhält. Stichwort Umverteilung: Es ging bei der letzten Veranstaltung auch darum, öffentliche Mittel, die institutionell gebunden sind, insofern umzuverteilen, als dass man diese freigibt zugunsten von Freier Szene und Projektförderung. Da gab es keine Schlüssel, keine Ergebnisse, sondern das Ergebnis war, dass man weiter sorgfältig darüber nachdenken muss, ob das wirklich so eine gute Idee ist. Die Einen sagen»ja!«, die Anderen sagen, und ich gehöre zu den Anderen,»Vorsicht!«, denn das Erste, was gestrichen wird, sind Projektmittel. Solange Kultur eine freiwillige Aufgabe ist, sind Projektmittel schnell in Gefahr. Auch ich bin noch nicht am Ende des Nachdenkens. Ich denke, dass in diesem ganzen Bereich ein Umdenken stattfinden muss und wohin das hinführen kann oder wird, ist noch offen. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Ich möchte jetzt erst einmal die bereits Referierenden schonen und gebe die Frage, an die beiden Herren Torsten Koplin und Ralph Reichel. Wer möchte zuerst? Ralph Reichel. Ralph Reichel: Dieses Thema Hochkultur und Freie Szene, ich erlebe permanent diese Verteilungskämpfe. Ob zwischen Hochkultur und Freier Szene oder zwischen Musiktheater und Schauspiel. Die Basis muss doch eigentlich eine andere sein. Wir rechtfertigen dauernd, dass wir Geld brauchen. Es gibt eine City Tax und wir reden also darüber, für Kultur eine extra Erfindung zu machen. Keiner kommt auf die Idee, eine City Tax für den Nahverkehr oder dass die Polizei da ist zu machen. Wir sind in einem permanenten Rechtfertigungszwang. Der ist völlig absurd, eben weil wir nicht dieses Selbstverständnis haben, dass»kultur«zu unserer

34 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung Kultur gehört. Wir machen permanent einen Grundfehler: wir schlagen uns gegenseitig intern die Schädel ein. Wenn ich vorhin das Beispiel Jena höre. Es basiert darauf, dass in Jena ein Theaterhaus existiert, dass nach der Wende in der Theaterruine neu gegründet wurde. Also sie haben ihr Theater geschlossen, weil ein DDR-Fürst dachte, wenn er die Hälfte seines Theaters abreißt, kriegt er ein neues Haus gebaut, das fand nicht statt. Also hatten sie erst einmal keins und dann wurde als ABM-Projekt ein neues Theater gegründet. Dieses Haus funktioniert nur, weil das Theater nicht Mitglied im Arbeitgeberverein ist, also sie nicht tarifgemäß bezahlen. Das ist doch kein nachahmenswertes Modell! Was sie in Jena außerdem haben, ist die Philharmonie. Dass in diesem Lande überall die Musiktheater, die Orchester so vergleichsweise gut ausgestattet sind, beruht auf einer Schwerpunktsetzung der Reichskulturkammer, die in Kriegszeiten entschied, für die Volksgesundheit sind die Orchester gleichzusetzen mit den Lehrern. Deswegen werden Orchestermusiker wie Lehrer behandelt und bezahlt. Wir aber behandeln die Orchestermusiker jetzt alle so, als würden sie exorbitant unverschämt viel Geld bekommen. Sie werden bezahlt wie Lehrer, was ich jetzt nicht absurd finde. Sie sind aber absolut an der Spitze der Lohnpyramide im Theater und es gibt einen permanenten Verteilungskrieg untereinander. Wir müssen uns also fragen, ist das, was wir machen richtig? Wir lassen uns zu immer größeren Teilen in eine Prekariatsrolle drängen und kämpfen auch noch gegeneinander. Das heißt, wir diskutieren jetzt mit der Freien Szene wie hoch vom Kuchen ist der jeweilige Anteil. Warum nehmen wir als gottgegeben, dass der Kuchen begrenzt ist und in genau dieser Größe zwischen den Futterkonkurrenten aufgeteilt werden muss? Natürlich müssen wir uns klar sein, dass wir eine Freie Szene brauchen. Das zynische an der Situation ist doch, dass die Freie Szene der Raum für die un- und unterbezahlte Nachwuchsarbeit der Hochkultur ist. Dort findet sozusagen zu 90 Prozent die Jugendarbeit der großen Mannschaften statt. Es gibt natürlich auch die reine idealistische Entscheidung für unabhängiges Arbeiten, aber in ganz vielen Fällen, ich habe selber dort gearbeitet, ist es so, dass man natürlich lieber mit einem ordentlichen Einkommen und ordentlichen Mitteln arbeiten wollen würde. Man zeigt sich auf dem Markt. Man macht auch Lieblingsprojekte, man kämpft und man geht aber ganz schnell, wenn man die Möglichkeit hat, natürlich unter ein finanziertes Dach. Wir realisieren gerade ein von der Bundeskulturstiftung unter dem Dachbegriff»Doppelpass«gefördertes Projekt, wo die Zusammenarbeit von großen Schiffen und freien Gruppen befördert werden soll. Bei uns und nicht nur bei uns, ist passiert, dass in dieser Phase, die über zwei Jahre angelegt ist, Leute aus freien Gruppen, mit denen man fest geplant hatte, wenn sie irgendwo ein festes Engagement haben, natürlich dahin gehen. Das heißt, die Fluktuation in den freien Gruppen ist enorm hoch, weil es einen Überlebensdruck gibt. Und ich glaube, wir dürfen nicht die Freie Szene an sich idealisieren, sondern müssen ihre Notwendigkeit akzeptieren. Sie ist das Feld, in dem Talente und Konzepte erprobt werden. Beides wandert, wenn sich der Erfolg einstellt, meist sehr schnell in die festen Häuser oder findet Koproduktionsstrukturen mit diesen. Hier könnte man noch lange darüber reden, warum eine erfolgreiche Projektförderung meist erst funktioniert, wann es eine institutionelle Förderung gibt. Die Freie Szene Berlins braucht für ihre Projekte auch die sicheren Orte, die eine Grundförderung besitzen. Eine Grundgefährdung, die wir haben, ist heute wieder, dass wir gegeneinander kämpfen, statt miteinander, um Stellenwert und Finanzierung von Kultur prinzipiell zu verbessern. Kathrin Senger-Schäfer: Das war für die erste Runde ein schönes abschließendes Wort. Aber jetzt übergebe ich an Torsten Koplin. Torsten Koplin: Danke für das Wort und einen schönen Guten Tag. Ich möchte ganz gerne da anknüpfen. Vorhin fiel der Satz:»Man muss zur Kultur eine Haltung haben.«ich möchte gerne ein Wort sprechen für die Haltung, dass wir widerstehen müssen, dieser Argumentation, es ist kein Geld da. Und, wir müssten umbauen und wir müssten uns beschränken. Ich nehme mal Zahlen aus Mecklenburg-Vorpommern. Ich bin Finanzausschussvorsitzender und ich will nicht kokettieren damit, ich will nur sagen, seit ich in dem Ausschuss sitze, weiß ich etwas mehr Bescheid über Geld und wo das Geld noch ist. Wir haben einen Haushalt von 7,2 Milliarden Euro und eine Rücklage von 875 Millionen Euro. Expertinnen und Experten sagen, eine Rücklage bei diesem Gesamtbudget von 500 Millionen wäre angemessen. Wir haben also einen Überhang an Rücklagen von 375 Millionen Euro. Hinzu kommen noch bestimmte Puffer in einzelnen Haushaltstiteln zum Beispiel, wenn das Land Zinsen und Darlehen bezahlen muss, da haben wir einen Puffer von 25 Millionen Euro. Es wären also verfügbar für Gestaltung in jedweden Bereichen etwa 400 Millionen Euro. Die Zahlen mögen an der Stelle genügen, um zu beweisen, es steht am Ende die Frage, was politisch gewollt ist. Und ich behaupte, was politisch gewollt ist, wird dann auch bezahlt. Und wenn Kultur als das 33

35 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung begriffen wird, als dieses Lebensmittel, von dem vorhin gesprochen wurde, dann ist es nur angemessen und Grund genug dafür Geld aufzuwenden, denn es ist für unser Zusammenleben elementar. Dafür wollte ich gern ein Wort sprechen. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Dann würde ich jetzt Herrn Schöpp noch einmal das Mikrofon geben. Klaus Schöpp: Zu diesen Fragen: Die Koalition der Freien Szene hat sich in dieser Frage der Konkurrenz dahingehend eindeutig geäußert, dass wir nicht daran denken, ein Konkurrenzverhältnis zu den institutionell geförderten Kultureinrichtungen der Stadt Berlin aufzubauen. Wir wollen ein Miteinander und kein Gegeneinander und wir fordern und das durchaus in Ihrem Sinne in der Haltung, dass es möglich sein muss in Berlin, eine wirklich letzten Endes geringe Summe von 18 Millionen aufzubringen die Freie Szene in den Stand zu setzen, dass sie wenigstens zu erträglichen Bedingungen ihre wichtige Arbeit leisten kann. Deshalb ist die Forderung nach Schließung, nach Umverteilung als erstes mal ganz und gar nicht Bestandteil unserer Agenda. Zu dem was Herr Reichel gesagt hat: Ich unterstütze Sie voll und ganz, aber auf eine Kleinigkeit möchte ich hinweisen. Ich musste auch lernen als Musiker, dass die Freie Szene in Berlin weitaus mehr ist als nur Theater und Musik. Zum Einen ist natürlich die freie Theaterszene in Berlin der Freie Szeneakteur. Aber wenn ich mir die Zahlen ansehe und die Gespräche mit den Kollegen anhöre, muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass zum Beispiel die Bildende Kunst ausschließlich Freie Szene ist, dass auch, wie eben schon gesagt, der Tanz ausschließlich Freie Szene ist. Also ganze künstlerische Bereiche sind überhaupt nicht institutionell vertreten. Schon aus diesem Grunde muss Politik und Gesellschaft an dieser Stelle ein ganz anderes Denken einnehmen. Während man sich als Politiker vielleicht noch im Bereich der Musik und des Theaters zurücklehnen kann und sagen, ich habe ja meine Staatsphilharmonie und da ist auch das Staatstheater, sind andere Bereiche vollkommen undenkbar ohne die Freie Szene. Und auch weiterhin, was ich eben schon ausgeführt habe, die neuen Impulse in den verschiedenen Kunstbereichen, die durchaus eine Förderung haben, kommen ebenfalls aus der Freien Szene und werden nicht entsprechend in den Häusern umgesetzt. Zu Ihrer Bemerkung wollte ich auch etwas sagen Frau Edelhoff. Ich gebe Ihnen vollkommen Recht. Das Problem mit der Projektförderung ist tatsächlich, dass sie immer das erste Opfer wird. Wir 34 wollen eine Verstetigung der Zuwendungen. Das kann andere Formen annehmen. Das kann auch Formen von Kooperationen annehmen, selbstverständlich das ist ein mitgedachter Gedanke, wenn ich aufgefordert werde über den Antagonismus Freie Szene Hochkultur zu sprechen aber für mich stellt sich, wie ich ja auch erläutert habe, schon biografisch dieser Widerspruch gar nicht dar, sondern es ist ein dauerndes Geben und Nehmen. Man arbeitet in den Strukturen, neben den Strukturen, miteinander, nebeneinander, man bereichert sich, aber man nimmt sich nichts weg, sondern man ist Teil einer gemeinsamen kulturellen Leistung. Ich finde es aber ganz schwierig, dass man aus dem Verhältnis Projektförderung versus Institutionelle Förderung folgert: Was einmal da ist, das will man nicht mehr wegnehmen. Die Folgerung davon ist, man schafft nichts Neues mehr. Man hat nämlich Angst, etwas Neues zu schaffen, in dem Moment, weiß man genau, man hat etwas etabliert und das führt dazu, man kriegt das nie mehr weg. Der Haushaltspolitiker unter den Kulturpolitikern sagt, das klebt mir jetzt auf immer und ewig an der Backe und deshalb werde ich das auch nicht einführen. Das finde ich ganz, ganz problematisch. Wir haben eine Kulturlandschaft, deren Institutionen mehr als 50 Jahre alt sind und seit der Zeit nicht mehr reformiert worden sind. Eine neue Form von Institutionalisierung von Kultur wird überhaupt nicht mehr angedacht und das einzige, das vielleicht noch ein bisschen gewünscht ist, ist Freie Szene, da laufen wir offene Türen ein. Aber weiter zu gehen und zu sagen, wir brauchen eine Verstetigung und auch eine vernünftige Ausstattung auf Dauer, in diesen Schritt der Diskussion kommen wir gar nicht erst, weil wir auf dem Weg dahin schon längst verhungert und verdurstet sind. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Jetzt frage ich die Kulturpolitikerin Lukrezia Jochimsen. Was sagst Du dazu Luc? Dr. Lukrezia Jochimsen: Naja, ich habe das ja vorhin schon gesagt. Ich schließe mich da Torsten Koplin an. Ich finde, es geht um unsere Haltung zur Kultur, unser Bewusstsein. Was haben wir denn? Nehmen wir mal Berlin als ein Beispiel, das bietet sich sehr gut an. Worin besteht denn die Faszination Berlins? Doch vor allen Dingen in seiner Kultur und in seiner kulturellen Vielfalt, in seinem Alt und Neu, in seinem Bekannten, Traditionellen und in dem, was ganz überraschend entsteht. Wien, hat das längst begriffen. Die Hauptstadt eines viel kleineren, weiß Gott nicht so reichen Landes wie die Bundesrepublik, sie gibt nach meiner Kenntnis doppelt so viel für ihre Kultur aus, wie Berlin, für die Kultur ausgibt und lebt damit hervorragend. Nun kann man nicht sagen, dass die Leute der

36 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung Freien Szene in Wien auf Rosen gebettet sind und sehr viel mehr Geld zur Verfügung haben. Aber, es gibt eine Wertschätzung, wie wichtig das ist, dass man das braucht, dass man davon auch lebt, dass man im Übrigen als Stadt davon auch wirtschaftlich lebt. Eins will ich allerdings noch einmal sagen zu der Frage, was immer schon da war, ist sozusagen alt. Nehmen wir mal das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, weit über 140 Jahre alt. Das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, öffentlich gefördert, können Sie überhaupt nicht mehr mit dem vergleichen, was das Deutsche Schauspielhaus mal gewesen ist. Das Deutsche Schauspielhaus früher war ein Haus, das hat abends um 8.00 Uhr aufgemacht für eine Vorstellung und um Uhr oder Uhr spätestens, gingen die Leute nach Hause und das war es. Das war das auch geförderte Deutsche Schauspielhaus. Heute existiert im Deutschen Schauspielhaus das Junge Schauspielhaus, das Schauspielhaus für Kinder, ein Betrieb der morgens um 9.00 Uhr seine Türen öffnet und wo sozusagen als Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche und Heranwachsende ein Kosmos geschaffen ist an Kulturzugang. Dieser Kosmos ist umso wichtiger, weil wir ja feststellen, dass innerhalb des Schulsystems der Kosmos Kultur, also sprich Musik, Bildende Kunst, vernachlässigt wird. Früher hatten viel mehr Schulen Orchester, Theatergruppen, für all das ist heute nicht mehr die Zeit da und das fällt auch aus dem Rahmen eines neuen Erziehungs- und Qualifikationsbetrachtens. Man kann wirklich nicht sagen, dass sich die herkömmlichen, traditionellen, öffentlich geförderten Kultureinrichtungen, auch wenn sie alt sind und gerade wenn sie alt sind nicht doch unglaublich geändert haben, auch in ihrer Zielführung, was Kulturleistung heute ist. Und da ist das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg nur ein Beispiel. Nehmen Sie mal das schwer bedrängte Theater in Wuppertal. In Wuppertal ist überhaupt nichts mehr, außer diesem Schauspielhaus und dieses Schauspielhaus ist auch von morgens bis spät abends geöffnet und samstags und in den Ferien. Ich will damit nur sagen, auch das Alte künstlerische gebiert in sich Neues. Kathrin Senger-Schäfer: Das war sehr schön für die erste Runde. Ich bedanke mich. Ich möchte jetzt ein bisschen mehr aus der Praxis fragen und da frage ich gleich mal Torsten. Welche Position vertritt eigentlich DIE LINKE? Moment, die Frage geht noch weiter, bevor Du Luft holst. Ich weiß, wir sind ja alle in dieser Richtung sehr engagiert, ob in den Arbeitsgruppen, ob auf Bundesebene oder auf Landesebene. Was mich umtreibt ist die Frage, welche Aktivitäten DIE LINKE in Mecklenburg- Vorpommern zu den Themen Kulturfördergesetz, Kulturentwicklungsplanung und Sicherung der Infrastruktur z. B. von Theatern und Orchestern unternommen hat? Torsten Koplin: Danke für die Frage. Jetzt sind einige Stichworte gefallen und die treffen zu auf parlamentarische Aktivitäten, die wir in den letzten Jahren hatten. Wir hatten uns mal die Aufgabe gestellt, das klingt so ein bisschen formal, dem Landtag in jeder Landtagssitzung einen kulturpolitischen Antrag vorzulegen. Das haben wir auch durchgehalten bis zum Januar dieses Jahres. Die Themen, die wir aufgegriffen haben, kommen mitten aus dem Leben. Die Theater- und Orchesterlandschaft spielt eine große Rolle, aber auch Musikschulen. Es mögen an die 50 Anträge in den letzten Jahren gewesen sein. Es sind zwei durchgekommen. Einmal Weltkulturerbe Schloss Schwerin und einmal ein Bibliothekskonzept, das war im vergangenen Jahr, dass ein Bibliothekskonzept entsteht. Ansonsten sind wir auf Ablehnung gestoßen. Aber, es war dennoch nicht umsonst. Ich habe immer den Eindruck gehabt, es ist wie einen Stein ins Wasser werfen, dann bewegt sich etwas. Im Januar haben wir gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN einen Antrag zu einem Kulturfördergesetz gestellt. Da haben wir es uns ein bisschen einfach gemacht. Wir haben gesagt, die Landesregierung soll einen Gesetzentwurf vorlegen. Der Minister wiederum hat den Ball zu uns zurückgeworfen und hat gesagt, vornehme Aufgabe der Opposition ist es nicht nur die Regierung zu kontrollieren, womit er Recht hat, sondern eigene Vorstellungen einzubringen, dann schreibt mal eins. Mit der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜ- NEN, mit dem Fraktionsvorsitzenden Herrn Suhr haben wir verabredet, dass er seine Connection nutzt aus Nordrhein-Westfalen und wir uns gemeinsam dran machen. Das stockt jetzt so ein bisschen und ich merke auch, dass wir an die Grenzen unserer Kompetenzen gelangen. Es gibt auch einen Moment der Mutlosigkeit. Wenn man immer wieder Anlauf nimmt und wenn wir immer wieder Themen, die das Leben uns ins Stammbuch schreibt, aufgreifen und etwas entwickeln und dann abrutschen, dann zerrt das an den Kräften. Aber gestern, die Landtagssitzung läuft bei uns gerade, gab es einen schönen Zwischenfall, der motivierend war. Der Kollege Reinhardt, er ist Innenausschussvorsitzender aus den Reihen der CDU, kam zu mir und sagte, er würde kulturpolitische Anträge vermissen, die sie dann immer regelmäßig ablehnen, aber das fand ich schön und wir haben uns dann gestern dran gemacht, meine Mitstreiterin und ich und haben für die Junisitzung zwei Anträge formuliert, die wir natürlich erst einmal der Fraktion vorlegen. Also, wir gehen wieder an den Start. 35

37 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Kathrin Senger-Schäfer: Wunderbar. Das war der parlamentarische Ansatz. Ich würde gleich mal weiter fragen, Herrn Reichel zum außerparlamentarischen Ansatz, da sind wir dann beim Aktionsbündnis Kulturschutz, von dem Sie kurz gesprochen haben. Aber was mich interessieren würde ist eigentlich, wie funktioniert dieses Aktionsbündnis, wie kann man sich das vorstellen. Wie viele Menschen sind dabei aktiv? Welche Aktivitäten stehen für Sie im Vordergrund? Haben sie auch etwas bewirkt für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern? Wie könnte das aussehen? Was meinen Sie, wie die Chancen ihrer Initiative sind? Was können die so bewirken? Ralph Reichel: Ziemlich viele Fragen auf einmal. Kathrin Senger-Schäfer: Halten Sie sich bitte kurz. Ralph Reichel: Ich versuche es. Ganz kurz zu Herrn Reinhard, den ich auch kenne. Er ist nicht nur ein humorvoller Innenausschussvorsitzender, sondern auch kulturpolitischer Sprecher. Es ist relativ frustrierend in Mecklenburg, dass sowohl der Kulturpolitische Sprecher der CDU als auch der der SPD in den Job reingelobt wurden und es ist nicht ihre ursprüngliche Herzensangelegenheit bzw. ihr Fachgebiet ist. Dasselbe gilt für den Kultusminister, der von Herzen Bildungsminister ist und Kultur eben mitmacht. Und dies beschreibt den Stellenwert der Kultur auch im Selbstverständnis der regierenden Parteien. Da bevorzuge ich die Platzierung der Kulturverantwortlichen in der jeweiligen Staatskanzlei. Das Aktionsbündnis Kulturschutz ist entstanden aus dem Ansatz, dass ein Intendant als städtischer Angestellter viele Initiativen nicht machen kann. Dass ein Betriebsratsvorsitzender viele Dinge nicht machen kann, weil er bestimmten Dingen verpflichtet ist. Beide sind Verhandlungspartner oder -gegner im Tarifkonflikt. Wir haben dann sozusagen aus der Mitte des Hauses heraus etwas gegründet. Das funktioniert mit Aktionen so zwischen einer und viertausend beteiligten Personen und das ist auch letztlich die aktuelle Struktur solange wir keinen Apparat, kein sonst was aufbauen. Manchmal sitze ich alleine im Landtag und höre mir an, was da Lustiges verhandelt wird. Der Höhepunkt war eine Demo, die wir auf dem Marktplatz gemacht haben, wo dann auf einen Schlag mal vier- bis fünftausend Leute da waren und das bewirkt natürlich was. In unserem Landeshauptdorf, wo die Menschenmengen doch überschaubar sind, war es die größte Demonstration seit der Wende und damit sehr eindrucksvoll. Es waren auch Kollegen aus Hamburg und Berlin und anderen Orten gekommen. Das war ergreifend. Das Erschreckende, was ich immer wieder erlebe, ist, dass wenn irgendwo eine Energie entsteht, entsteht auf der anderen Seite ein Nachgeben. Das ist zum einen positiv. Als Zeichen für unsere Aktion hatten wir dieses Kreuz in eckigen Klammern. Das war dann überall in der Stadt und wir hatten die Solidarität in der Stadt so groß, dass selbst in der Kneipe, wo der Ministerpräsident essen geht, in der Speisekarte oder an der Tür unser Flugblatt klebte. Die Stadt war zuplakatiert, also die Geschäfte, Kneipen, öffentlichen Einrichtungen Geld für Klebeflächen brauchten wir nicht. Wir hatten es wirklich geschafft, die Stadt hinter uns zu haben. Das hatte eine ungeheure Wirkung. Kurz bevor die Demonstration auf dem Markt stattfand, gab es auch das Zeichen der Landesregierung an die Stadt, dass noch einmal Geld kommt, also dass die große Kürzungswelle, die geplant war, nicht stattfinden muss, es ging um 2 Millionen, die bei uns ein riesen Thema waren. Die 2 Millionen gab es aber nur, weil die CDU mitspielte und die CDU sagte, dafür kriegt dann aber auch noch die Einrichtung XY in Greifswald weitere 2 Millionen. Über diese 2 Millionen hat keiner gesprochen, was total bestätigt, was Torsten Koplin sagt, es geht nicht darum, dass kein Geld da ist, sondern es geht darum, dass der politische Wille da sein muss, dieses Geld für bestimmte Dinge auszugeben. Was ich dann im Weiteren erlebe, das noch ganz kurz, eben zu diesem Gegeneinander. Es gibt immer auch wieder Anfeindungen, statt das sich alle Theaterstandorte oder Kulturstandorte solidarisieren. Ich habe es inzwischen in Schwerin so weit, dass die städtischen Kultureinrichtungen mitmachen. Die Chefs dürfen es nicht. Angestellte dürfen es nicht. Es gab eine Anfrage eines Kommunalpolitikers, der verlangte, dass aufgeschlüsselt wird, wie viele Stunden Arbeitszeit oder wie viele indirekte Geldmittel für diesen kulturpolitischen Kampf für den Erhalt der städtischen Kultureinrichtungen eingesetzt wurden. Das schüchtert ein. Das ist bösartig. Und es gibt auch eine Situation im Lande, welche dann eskaliert. Da kommt unser Klavierstimmer nach Stralsund und wird dort zugeparkt und von Theatermitarbeitern beschimpft als»du Schweriner Wessi«, soziologisch extrem interessant, weil Schwerin ist nicht wirklich Wessi- Land, aber für den fernen Osten reichte dieses Feindbild dieser Reicheren, dieser Größeren, um aus der Angst heraus, dieses zu projizieren und zu verbinden. Das ist ein psychologischer Vorgang, der in Größenordnungen stattfindet. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Jetzt habe ich an Klaus Schöpp eine Frage. Wir haben uns vorher nicht abgesprochen, das muss ich dazu sagen und vieles, was Sie jetzt genannt haben, von diesem 10-Punkteprogramm, hätte ich Sie jetzt auch noch 36

38 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung mal gefragt, aber ich glaube, das können wir uns jetzt schenken. Wenn in der Diskussion noch Fragen sind, können wir sie dann auch noch beantworten. Ich habe noch eine andere Frage an Sie. Das Stichwort fiel vorhin auch schon Bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist eine Frage, die bei uns in der Partei oder auch in der Fraktion selbst sehr unterschiedlich diskutiert wird. Jetzt gibt es aber Forderungen, gerade in der kulturellen Szene, nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen. Wie ist Ihre Meinung dazu? Klaus Schöpp: Ich muss an der Stelle auf die Gesamthaltung der Koalition verweisen, dass wir Honoraruntergrenzen fordern und insofern sind unsere Forderungen zunächst einmal wirklich pragmatischer Natur und an unseren Projekten orientiert und nicht so sehr gesamtgesellschaftlich. Das ist also eine Frage, die mehr an mich persönlich geht. Und jetzt muss ich in dieser Frage einfach passen. Für mich als Projektmensch, ist meine Arbeit mit den Projekten verbunden und ich bin es gewohnt, in Projekten zu denken und letzten Endes mich mit meiner Arbeit zu definieren. Ich kann diese Forderung nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen sehr gut nachvollziehen, aber sie trifft sich gar nicht mit meiner Lebensrealität. Kathrin Senger-Schäfer: Ja, herzlichen Dank. Das ist ja durchaus eine Antwort, über die man nachdenken kann, über die man diskutieren kann und auch weiter arbeiten kann. Wie gesagt, die Fragen sind nicht abgesprochen gewesen und das macht so eine Diskussion auch immer ein bisschen lebendig. Frau Edelhoff, wollten Sie dazu noch etwas sagen? Isa Kathrin Edelhoff: Ja, gerne. Immer wenn man über Kulturförderung und Kulturfinanzierung spricht, wird es eben ganz schnell ein Verteilungskampf. Dann sagt das eine Theater, wir wollen aber und das andere wir wollen aber auch und die Politiker sagen, wir haben aber immer weniger Geld. Oder die Freie Szene und die so genannte Hochkultur fangen an, gegeneinander zu kämpfen und so weiter. Ich denke, da muss man rauskommen. Man muss ganz anders und viel weiter denken und in diesem Zusammenhang stand unsere Veranstaltung, wo es um Sicherungssysteme ging. Also wenn man Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik begreift, könnte man ja weiter gehen und sagen, die Lebensrealität von Künstlern und Kulturschaffenden ist sozusagen ein Vorreiter, denn mittlerweile trifft es sehr viele Berufsgruppen, dass sie von ihrem Gehalt nicht mehr leben können. Da könnte man ja anfangen, weiter nachzudenken, einfach komplett, total umdenken, auch in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Ich habe gerade selber biografisch überlegt, ich war einige Jahre in Halle am Theater, die Kulturpolitik in dieser Stadt oblag der Oberbürgermeisterin, es gab allerdings keine Vision, kein Konzept für die Kultur in der Stadt, außer:»wir müssen sparen!«als Erstes wurden alle Theater und das Orchester zusammengefasst zu einer GmbH, weil man fand, das ist eine gute Idee. Ein Ergebnis ist, dass es das Kinder- und Jugendtheater, an dem ich engagiert wurde, nicht mehr gibt. Die Spielstätte wurde geschlossen, die Intendantin ist von ihrer Arbeit freigestellt und das Ensemble spielt noch solange, wie die Verträge eben laufen, in anderen Räumen. Das finde ich ist ein bisschen kurz gedacht für eine Kulturpolitik, wenn man immer nur guckt, wir haben weniger, wo schneiden wir jetzt etwas ab? Was machen wir denn jetzt zu? Die Oper oder das Schauspiel oder welches Museum oder in Berlin: Was können wir dem Bund überlassen? Das ist alles so ein bisschen kurz gedacht und operiert an den Symptomen herum. Ich denke, man muss und sollte komplett neu und umdenken. Kathrin Senger-Schäfer: Ich denke, wir haben jetzt ganz viel gehört hier oben und ich merke auch eine gewisse Unruhe im Publikum. Ich glaube es wäre jetzt an der Zeit, dass Sie, dass Ihr Fragen stellt. Ich sehe schon Wortmeldungen. Volker Külow: Mein Name ist Volker Külow, aus Leipzig, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Es steht ja einer Kulturkonferenz der LINKEN ganz gut zu Gesicht etwas radikaler und visionärer zu sein als andere Parteien und ich würde gerne einen Ansatz von Luc Jochimsens Diskussionsbeitrag aufgreifen und den mal etwas polemisch zuspitzen oder provokativ zu fragen: Wenn wir mehr Geld fordern, und da sind wir uns glaube ich alle einig, brauchen wir da nicht bloß gewissermaßen einen Neuansatz für die Kulturpolitik, sondern auch für unser Kulturverständnis. Wie könnte man quasi Gramsci 100 Jahre später aktualisieren. Und jetzt werde ich wie gesagt relativ radikal. Es wurde ja vorhin gesagt, wir müssen Begriffe neu besetzen und gibt es gewissermaßen neue Bücher, die eigentlich einen ganz neuen Diskurs aufmachen und ich habe glaube ich eines dieser neuen Bücher, aus meiner Sicht das spektakulärste, das ich in den letzten Jahren gelesen habe, hier in der Hand. Das ist Harald Welzers»Selbstdenken: Eine Anleitung zum Widerstand«. Ich weiß nicht, wer es von Ihnen, von Euch schon gelesen hat. Luc, Du hast ja auf ein paar Zahlen aufmerksam gemacht. 0,38 Prozent des Bruttoinlandprodukts, die wir alle kennen aus dem Kulturwirtschaftsbericht 2012 und wenn wir jetzt sagen wir mal Forderungen stellen, was weiß ich, es steht der Bundesrepublik gut zu Gesicht, 2 Prozent des Haushalts, also 1 Prozent des 37

39 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Bruttoinlandsprodukts für die Kultur zu nehmen, dann müssen wir glaube ich auch deutlicher machen, was wir für eine Kultur meinen oder was für eine Gesellschaft. Du hast gesagt, Brot und Spiele. Ich glaube, wenn man den Ansatz von Harald Welzer nimmt, dann greift das noch zu kurz. Er ist ja sehr, sehr radikal. Er führt Günther Anders und Rudolf Barow an, er spricht vom totalitären Konsumismus. Wir bewegen uns glaube ich noch in dem Modell, Brot und Spiele, das greift zu kurz. Dr. Lukrezia Jochimsen: Brot und Rosen! Das brauchen wir. Volker Külow: Ja, Brot und Rosen. Aber Brot und Spiele ist das, was uns vorgesetzt wird, sagst Du, aber er geht viel weiter, er sagt, wir sind Produkte in diesem totalitären Konsumismus. Wir alle im Grunde genommen. Und in den kulturpolitischen Thesen der Linken in Sachsen heißt es, die große Aufgabe der Kultur ist es, die Gesellschaft ständig zu konfrontieren mit anderen Möglichkeiten so Robert Jung, vor ein paar Tagen 100 Jahre alt geworden. Kathrin Senger-Schäfer: Jetzt zur Frage bitte. Volker Külow: Die Frage: Müssen wir nicht wie gesagt hier einfach ein bisschen radikaler, visionärer werden mit unserem Kulturverständnis und mit unseren Kulturbegriffen? Man kann doch Kulturpolitik nur neu denken, wenn man ein anderes Kulturverständnis hat oder eine andere Kultur. Welzer sagt, wir sind in der Kultur des immer und heute und jetzt sofort. Kathrin Senger-Schäfer: Also die Frage ist angekommen. Vielen Dank und jetzt kommt Luc dran. Dr. Lukrezia Jochimsen: Ja, aber er hat ja Recht. Ich bin da vollkommen auf Volkers Seite. Ich will nur mal erklären, Brot und Rosen, mit Rosen ist kein Konsumartikel gemeint, sondern damit ist Schönheit gemeint, damit ist genau das gemeint, was sozusagen nicht käuflich über Konsum zu erwerben ist. Natürlich sollte gerade unser Ansatz ein radikaler sein oder radikalerer sein und wir sollten selbstbewusster mit unseren Forderungen nach dem Lebensmittel Kultur umgehen und das ist in der Tat etwas anderes als das, wohin unsere Gesellschaft treibt. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank Luc. Jetzt würde ich diejenigen bitten, die noch Fragen haben. Karim Al-Asadi: Ich habe keine Fragen aber zwei Bemerkungen, die ich miteinander verbinden kann. Ich habe das den Reden unserer Kollegen Klaus 38 Schöpp und Luc Jochimsen entnommen. Im Hinblick auf die Beziehung zwischen freien Künstlern oder Freie Szene als Kollektiv und Institutionen erinnere ich mich an einen schönen Vergleich, in dem man fragt, warum geht ein Herrscher oder ein König zur Jagd. Er hat in seinem Königreich oder in seinem Land so viel Fleisch und kann genug essen. Die Antwort ist, dass er jagen geht mit dem Ziel, den freien Adam oder den freien Impuls in der Natur zu töten. Dieser freie Vogel stört ihn und er will ihn töten. Frau Jochimsen hat über das neue System gesprochen, das sich entwickelt, der amerikanische Stil. Meiner Erfahrung nach Frau Jochimsen hat sich dieses System schon durchgesetzt in Berlin und in der Bundesrepublik Deutschland, seit Jahren. Das heißt, es gibt eine große Ungerechtigkeit in der Förderung von Kultur, in dem die Förderbeträge nicht gerecht nach Kreativität verteilt werden. Es ist eine große Frage, wer bewertet wen und warum? Das ist eine Frage und ich denke, dass es ganz wichtig und notwendig ist, dass diejenigen die zwischen Politik und Wirtschaft und Kultur verbinden sollen und in Gremien sitzen und in verschiedenen Stiftungen tätig sind und das Wort und die Entscheidung haben, sollten auch zwei Eigenschaften haben und diese Eigenschaften sind Gewissen und Talent. Kathrin Senger-Schäfer: Ich danke Ihnen für die Anmerkungen. Wir sammeln das jetzt mal und wir schauen, wer sich in der Diskussion noch gemeldet hat. Jayne-Ann Igel: Ich bin Sprecherin der LAG Kultur in Sachsen und ich habe auch wirklich nur eine kurze Frage. Was mich ein bisschen verwundert in diesem Diskurs ist, ich bin jetzt erst gekommen, vor einer halben Stunde: Hier geht es doch mehr um Freie Szene versus Hochkultur und Förderung. Was mir da ganz aus dem Blick gerät sind zum Beispiel basiskulturelle Einrichtungen, sind soziokulturelle Einrichtungen und ist auch das kulturelle Lernen, was ja auch in solchen Einrichtungen stattfindet und nicht nur in der Schule. Wie sehen Sie den Stellenwert solcher Einrichtungen in der Kulturförderung? Gibt es dazu Überlegungen? Kathrin Senger-Schäfer: Wir haben uns gerade verständigt, dass Herr Reichel etwas zu Ihrer Frage sagen wird, wenn Sie damit einverstanden sind. Ralph Reichel: Ich würde beschreiben wollen, dass Sie damit genau das Missverständnis fortsetzen. Zu der Konfrontation Hochkultur Freie Szene, setzen Sie noch die Abgrenzung Basiskultur. Genau das, was Luc Jochimsen beschrieb für das Schauspielhaus Hamburg, es findet eine permanente Grenzüberschreitung statt und wir müssen uns als eine Kulturszene beschreiben, die miteinander

40 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung Kultur macht und wir müssen für den Stellenwert der Kultur in der Gesellschaft eintreten und wir lassen uns immer wieder auseinander dividieren. Ich habe vorhin erzählt, wir hatten die größte Demonstration nach der Wende für die Kultur in einer Extremsituation. Ein Jahr später gab es von einer Untergruppe den Ansatz diese Demonstration zu wiederholen. Drei Wochen vorher kam der Hilferuf, könnt Ihr uns mal doch helfen? Dann bin ich dort mit rein, habe das mit unserem Aktionsbündnis und den städtischen Kulturleuten natürlich unterstützt. Wir haben das noch so hingekriegt, dass es funktioniert hat. Aber in der Gruppierung, die das startete, waren Leute aus kleinen Einrichtungen, die in der Tradition der deutschen LINKEN, also in einer totalen Zersplitterung schon wieder diese starke Bewegung, die wir geschaffen hatten, in Lager zu spalten drohten, weil sich einzelne an den Rand gedrängt fühlten. Und wenn wir uns immer wieder untereinander zerlegen, machen wir es kaputt. Nein, wir sind alle Kultureinrichtungen, wir sind alle aktiv beteiligt an der Basisarbeit, am kulturellen Lernen und es geht darum, die 2 plus x Prozent von welchem Haushalt auch immer zu kriegen, es geht darum zu sagen, wir haben einen Wert, wir haben einen Anspruch auf Geld und nicht, wie verteilen wir das untereinander. Das muss die Richtung sein. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Ich habe gerade in meinen Unterlagen nachgeblättert. Herr Schöpp hatte etwas zu dem Aspekt der Basiskreativität gesagt. Können Sie ganz kurz ergänzen. Klaus Schöpp: Ja, das ist durchaus auch ein Teil unserer Forderungen. Wenn wir fordern, dass in Berlin die kommunalen Einrichtungen gestärkt werden, dann sind natürlich auch diese soziokulturellen Einrichtungen mit gemeint, wie alle Einrichtungen, die für uns Kooperationspartner für unsere Anliegen der Künste sind. Was wir ausdrücklich ausgeklammert haben, aber nicht aus Gründen, weil wir es nicht mitdenken, sondern weil es uns als Koalition der Freien Szene überfordern würde, sind alle Bereiche der pädagogischen Arbeit und der Kunstvermittlung. Das ist noch einmal ein ganz anderer weiterer Bereich, über den ich überhaupt nicht geredet habe. Aber nicht aus Desinteresse und schon gar nicht, weil wir den unwichtig finden, sondern weil es einfach jeden Maßstab sprengen würde, sich für jeden notwendigen Bereich in die Bresche zu schlagen. Aber das ist natürlich mitgedacht, der Erhalt und die Unterstützung dieser Strukturen. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Sind noch Fragen aus dem Publikum? Bitte. Olaf Zimmermann: Ich bin Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Meine Frage ist eigentlich mehr eine freche Forderung, wenn ich die stellen darf. Kathrin Senger-Schäfer: Ja, natürlich. Olaf Zimmermann: Frau Jochimsen hat in ihrem Eingangs-Statement ein, wie ich denke, wichtiges Thema angesprochen, nämlich das Handelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Am 14. Juni wird aller Voraussicht nach im Handelsministerrat in Dublin das Verhandlungsmandat für die Europäische Kommission festgezogen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedsstaaten noch die Möglichkeit auf den Verhandlungskorridor Einfluss zu nehmen, wenn der erst einmal festgelegt ist, wird es ganz schwierig, weil die EU für die Mitgliedstaaten verhandelt und diese Verhandlungen geheim geführt werden. Das heißt, sie werden eben nicht mehr im Austausch mit den Parlamenten und besonders nicht mit den Zivilgesellschaften geführt. Was dort geplant wird, kann so große Auswirkungen auf den Kulturbereich haben, dass vieles von dem, was auf dem Podium richtigerweise diskutiert wurde, davon in den Schatten gestellt wird. An einem Beispiel wird dies meines Erachtens deutlich, dem sogenannten Herkunftslandprinzip. Wenn das umgesetzt würde, könnten amerikanische Kulturunternehmen in Deutschland nach amerikanischem Recht handeln. Im schlimmsten Fall würde das amerikanische Copyright System und nicht mehr unser europäisches Urheberrecht gelten. Das hätte so fundamentale Auswirkungen, wovon der gesamte Kulturbereich betroffen wäre. Wir haben derzeit die Hoffnung, dass die französische Regierung das Schlimmste verhindern wird, da Präsident Hollande eine Ausnahme für den Kultur- und Medienbereich energisch einfordert. Ob sich Frankreich durchsetzen wird und eine solche Ausnahme im Verhandlungsmandat verankert wird, wissen wir aber nicht. Meine Forderung geht aber auch an die Länder, besonders auch an Sie Herr Koplin als ein Vertreter der Länder. Ländervertreter betonen sehr oft, dass Kultur Länderaufgabe ist, meine Frage ist, was die Länder bislang in dieser Sache gemacht haben und was sie gegebenenfalls noch planen. Eine besondere Verantwortung haben natürlich die Bundespolitiker, ich freue mich, dass sich der Kulturausschuss damit beschäftigt hat. Ich finde aber, dass sich bei einem solch zentralen Thema das gesamte Parlament damit befassen müsste. Das Europäische Parlament schafft es, sich dazu zu äußern. Das deutsche Parlament hat sich dazu noch nicht geäußert. Das wäre meine herzliche Bitte, ob Sie da noch ein bisschen Druck machen könnten. 39

41 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank. Spontaner Applaus ist durchaus erlaubt. Ich bitte meine parlamentarischen Kollegen darum, wenn Sie möchten, sich dazu zu äußern. Dr. Lukrezia Jochimsen: Es ist wohl nicht so einfach zu machen. Wir sind im Endspurt einer Legislatur. Wir erleben, dass die Koalitionsfraktionen alles, was ihnen nicht in den Kram passt, von der Tagesordnung runter nehmen. Wie man das noch in das Parlament bringen könnte, ist die Frage, das ginge ja im Grunde genommen nur über einen Antrag, der bei den anderen Fraktionen auf Zustimmung stößt, eine Art Blitzantrag. Ich muss ehrlich gestehen, ich habe das in den acht Jahren, in denen ich hier war, nicht erlebt. Ich war in der Tat eigentlich der Auffassung, da geht am 14. in Dublin ein Prozess, ein Diskussionsprozess los auf der europäischen Ebene, aber wenn wir dann schon wieder vor vollendeten Tatsachen stehen. Ich will mir das gerne noch einmal überlegen, ob wir in der Lage sind, etwas zu tun, es ginge ja nur, wenn wir in der Lage sind, einen Antrag in das Parlament rein zu bekommen und die anderen Fraktionen auch mit darauf dringen. Die Chancen dafür sehe ich in der augenblicklichen Situation als sehr gering an. Kathrin Senger-Schäfer: Ganz kurz von der Landesebene. Torsten Koplin: Ja, zunächst lediglich ein Dankeschön für diese Anregung. Der Wert, einer solchen Zusammenkunft, wie wir heute hier sitzen, besteht ja darin, solche Anregungen und Hinweise zu bekommen. Ich nehme den Hinweis gerne so auf und muss darüber nachdenken, wie wir aktiv werden können. Aber dass da Handlungsbedarf ist, das ist ganz offensichtlich. Kathrin Senger-Schäfer: Ja, vielen Dank. Ich habe gerade ein Zeichen bekommen, dass ich jetzt wieder ans Podium zurückgeben muss. Noch eine Frage und dann ist Schluss, ok? Alexander Pinto: Meine Frage schließt unmittelbar an die Ausführungen von Herrn Külow zum neuen Kulturverständnis an und richtet sich an die drei im engeren Sinne Kulturschaffenden Frau Edelhoff, Herrn Schöpp und Herrn Reichel. Frau Jochimsen hat mit Blick auf die Institutionen und die Freien gesagt, dass die Kreativen und Kulturschaffenden die neuen Schwachen und Ausgebeuteten sind. Würden Sie sich selbst als schwach und ausgebeutet bezeichnen? Kathrin Senger-Schäfer: Fangen Sie gleich an, der Zeit wegen. 40 Isa Kathrin Edelhoff: Da bin ich selbst am Nachdenken. Natürlich muss ich jetzt sagen nein, natürlich nicht, wer ist schon gerne schwach, wer ist schon gerne hilfsbedürftig, niemand. Aber natürlich ist es so, ich habe eben auch über meine eigene Berufsbiografie nachgedacht als das so zur Sprache kam und muss sagen: Das ist ein anstrengendes Leben. Punkt. Da war ein Dreijahresvertrag an einem Theater sehr komfortabel. Jetzt bin ich für ein Festival für ein halbes Jahr angestellt. Auch komfortabel. Zwischendurch ist es weniger komfortabel. Ralph Reichel: Zweifellos. Ich bin in einem festen Vertrag in einem Theater. Ich bin auf zwei Ebenen tätig und ich bin, wenn ich als Regisseur arbeite extrem gefährdet, das zu ertragen, was man an täglichem politischem Kampf untereinander und nach Außen machen muss. Es sind Lebenswelten, die nicht zusammen passen. Klaus Schöpp: Ich würde diese Frage auch nicht unbedingt ganz ablehnen. Zum Einen, mir persönlich geht es gut. Vielleicht kann ich an dem Punkt mal darauf hinweisen, dass mein Großvater noch ein einfacher Arbeiter war. Dass mein Vater Bildung bekommen hat, hing mehr mit einem glücklichen Zufall zusammen. Und dass ich in die Lage gekommen bin, dann auch Musiker zu werden, das ist ein unglaublicher Lebensumstand. Wenn ich sozusagen von der Generation meines Großvaters her denke, der noch Bergmann war, dann ist das ein unglaublicher Fortschritt. Deshalb finde ich auch die grundlegende Forderung, die hier im Raum steht, absolut unverzichtbar und sie muss immer mitgedacht werden: Kultur für alle! Und da brauchen wir gar nicht großartig über neue Bedingungen von Kultur nachzudenken. Kultur für alle ist das Kernthema und der Kernmoment jeder Überlegung. Das beinhaltet mehrere Folgerungen. Das beinhaltet natürlich den Zugang für alle zu den Institutionen. Das heißt die Institutionen müssen sich, wie Frau Jochimsen schon so schön dargelegt hat, öffnen. Und sie machen das ja auch. Kultur für alle bedeutet auch die Ermöglichung der Freien Szene für ihre Produktivität, für ihre Produktion. Auch das ist ein Aspekt. Man darf nicht nur diese Forderung in eine Richtung denken, die muss in zwei Richtungen gedacht werden. Kultur für alle bedeutet auch Ermöglichung von Kultur, also Ermöglichung für die Kulturtreibenden ihre Kultur zu machen. Nur dann haben Sie eine Kultur für alle. Die Frage, die gestellt wurde, wie sieht die neue Kultur aus, da plädiere ich doch für eine gewisse Gelassenheit, weil in dem Moment, wo wir es erreichen in unserem Land eine Kultur für alle durchzusetzen, in der die Leute, die diese Kultur

42 Erstes Podium: Neue Ansätze für Kulturpolitik und Kulturförderung machen wollen, in den Stand gesetzt werden, ihre Kultur auch zu verwirklichen, in dem Moment wird die neue Kultur auch stattfinden. Dann werden auch die neuen Konzepte kommen. Ich sehe so viel Entwicklung, ich bin da gar nicht so pessimistisch, dass ich sage unsere kulturelle Situation entwickelt sich nicht. Das ist gar nicht unser Problem. Unser Problem ist die grassierende materielle Ungleichheit. Das ist das Problem. Das muss verändert werden, da muss gedacht werden. Es geht wirklich nicht, dass man Arbeitnehmern, die so viel verdienen, wie ein Lehrer und eine äußerst anstrengende Ausbildung hinter sich haben, ihre Tarifverträge anzweifelt. Das kann einfach nicht unser Weg sein. Es muss der Weg sein, dass für weitere Ebenen Mittel gefunden werden in unseren Haushalten. Kathrin Senger-Schäfer: Vielen Dank für die Beantwortung der Frage und vielen Dank auch an Sie, an Euch, das Publikum. Ich habe jetzt zum Abschluss noch eine Frage an alle auf dem Podium. Ich bitte, auch wenn die Frage ein wenig kompliziert ist, um eine ganz kurze Beantwortung und dann müssen wir hier unser Podium beenden. Ich gehe noch einmal zum Anfang zurück. Ich schlage noch einmal die Brücke zu dem Buch»Der Kulturinfarkt«. Von allem zu viel und überall das Gleiche. Das ist ja mehrfach jetzt hier auch schon zitiert worden. Die Autoren empfehlen ja eine Halbierung der kulturellen Infrastruktur. Luc hat vorhin noch einmal darauf hingewiesen. Hier wird ja die Frage gestellt, was tatsächlich gefährdet wäre, wenn die Hälfte der Theater und Museen verschwände, einige Archive zusammen gelegt werden würden, Konzertbühnen zum Beispiel privatisiert werden würden. Wenn die Infrastruktur halbiert würde, wären Mittel frei, die sich auf die verbleibenden Einrichtungen, ihre angemessene Ausstattung, auf neue Formen und Medien kultureller Produktion, auf Laienkultur, die Kunstausbildung und eine tatsächlich interkulturell ausgerichtete kulturelle Bildung verteilen könnten. Ich frage jetzt mal ganz ketzerisch und bitte um eine kurze Antwort, wieso ist dieser Vorschlag eigentlich so hemmungslos kulturfeindlich? Ich würde mit Herrn Reichel anfangen und dann gehen wir gerade der Reihe nach durch. Ralph Reichel: Wenn wir ich sage mal 100 Maler ausbilden an einer Akademie und jemand bei der Aufnahmeprüfung sagen kann, das wird van Gogh und die anderen werden nichts, wenn wir diesen Professor haben, der das kann, dann können wir Mittel kürzen. Solange wir das nicht haben, solange wir außerdem sagen, wir wollen nicht nur den Star, sondern wir wollen Kultur in der Breite, dann funktioniert das nicht. Torsten Koplin: Mir widerstrebt dieser Gedanke, dass man meint über eine Umschichtung, die dann angeordnet wird im Rahmen dessen, was man zubilligt, nun Kulturpolitik oder Kultur in der Gesellschaft gestalten will. Vorhin ist gesagt worden, wo der radikal andere Ansatz ist. Ich finde, das ist genau die Gegenposition. Vorhin ist gesagt worden, es geht darum, Kultur zu ermöglichen und das zweite ist, dazu zu ermuntern. Wir kommen jetzt nicht dazu darüber noch zu sprechen. Ralph Reichel und ich waren Mitinitiatoren einer Volksinitiative in Mecklenburg-Vorpommern zum Erhalt der Theater und Orchester Unterschriften haben wir in sieben Wochen gesammelt. So viele Unterschriften hat es in keiner Volksinitiative gegeben, weil viele Menschen sich angesprochen fühlten und gemerkt haben, hier sind wir gefragt, es geht um unser Leben und die Bedingung zu schaffen, eben Kultur zu ermöglichen und zu ermuntern, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, selbstbestimmt aufzutreten und sich zu engagieren, dass verstehe ich als einen Kontrapunkt zu dieser These. Dr. Lukrezia Jochimsen: Also ich kann das ganz kurz machen. Ich finde es geht genau nur anders herum. Nicht weniger und anders verteilen, sondern mehr. Ich sehe auch überhaupt nicht ein, warum es ein Mehr nicht geben könnte oder sollte, wenn ich mir angucke, wofür wir in unserer Gesellschaft Geld haben. Wir tun doch bitte jetzt mal nicht so, als seien wir ein armes und verarmendes Land, sondern wofür haben wir denn Geld, wofür geben wir denn Geld aus. Ich finde, da müssen die, die für die Kultur sich einsetzen, immer den Finger in die Wunde legen und müssen sagen, wieso so wenig für die Kultur und wieso so viel für anderes. Von daher ist diese Idee natürlich extrem kulturfeindlich, sie ist aber auch menschenfeindlich. Sie ist menschen- und kinderfeindlich und sie ist feindlich gegenüber der Gerechtigkeit in einer Gesellschaft und gegenüber von Chancengleichheit in einer Gesellschaft. Sie ist insgesamt würde ich sagen gesellschaftsfeindlich, diese These und wir sollten wirklich versuchen, unsere Kräfte zu sammeln und einen anderen Weg zu gehen. Isa Kathrin Edelhoff: Daran anknüpfend: Ich bin absolut der gleichen Meinung. Was mich daran unheimlich stört, ist der dem Gedanken zu Grunde liegende betriebswirtschaftlich begründete Effizienzgedanke. Ich finde, der hat in Kunst und Kultur nur sehr bedingt etwas zu suchen. Also, Kunst ist Kunst. Und nicht Kunst»um zu«, also Kunst um Geld zu verdienen, Kunst um ein Stadtimage aufzupolieren, Kunst um Kinder sozialfähig zu machen und so weiter. Kunst ist Kunst. Punkt. Aus. Und muss insofern öffentlich gefördert werden. 41

43 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Klaus Schöpp: Ich schließe mich meinen Vorrednern selbstverständlich an. Vielleicht nur ganz kurz. Ich habe Kollegen, die haben nicht nur eine Orchesterschließung erleben müssen, sondern zwei. Die haben zwei Stellen verloren, hintereinander weg, in verschiedenen Orchestern, Kulturorchester, große Einrichtungen, nicht einfach nur 20 Leute-Bands. Größte Kulturorchester wurden in Deutschland gestrichen. In Berlin wurden in den vergangenen 20 Jahren dutzende von Kulturinstitutionen gestrichen. Das dürfen wir doch nicht vergessen. Dieser Kahlschlag hat doch schon längst angefangen und wir müssen uns dagegen wehren. Kathrin Senger-Schäfer: Ich bedanke mich jetzt noch einmal bei allen, die so aktiv zugehört und mitdiskutiert haben, bei den Teilnehmerinnen auf dem Podium. Zusammenfassend möchte ich ganz kurz noch sagen, wir hatten so eine engagierte Diskussion, die mich wirklich gefreut hat. Brot und Spiele oder Brot und Rosen, Überlebenskampf Kultur, two different dramas, also diese zwei Aspekte passen nicht zusammen. Kunst ist keine Ware. Kultur kostet aber ohne Kultur haben wir einen sehr viel höheren Verlust in der Gesellschaft und deshalb müssen wir unbedingt sagen, Kultur für alle. Und, was ich immer noch sage, Kultur ist ein Menschenrecht und damit gebe ich jetzt wieder ab an Annette Mühlberg und bedanke mich ganz herzlich für dieses tolle Podium und das tolle Publikum. 42

44 Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? Olaf Zimmermann Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? Meine sehr verehrten Damen und Herren. Herzlichen Dank für die Einladung, den Kulturkonvent Sachsen-Anhalt als ein Modell der Kulturentwicklungsplanung vorstellen zu können. Der heutige Tag ist insofern bedeutsam, als dass heute die Landesregierung Sachsen-Anhalt ihre Finanzplanung und damit auch ihre geplanten Einsparungen für die nächsten Jahre bekanntgeben wird. Darauf komme ich am Schluss meines kurzen Vortrages noch einmal zu sprechen. Ich wurde gebeten, neben der Vorstellung des Kulturkonvents Sachsen-Anhalts mich auch mit der Frage zu befassen, inwiefern er ein Modell für andere Länder zur Kulturentwicklungsplanung ist. Erlauben Sie mir, dass ich zunächst allgemein auf die Kulturentwicklungsplanung in Deutschland eingehe und auf dieser Folie den Kulturkonvent Sachsen-Anhalt vorstelle. Vorweg gleich einmal gesagt: Kulturplanung in Deutschland ist nichts Neues, sondern hat eine lange Tradition. Im Westen Deutschlands gab es vom Anfang der 1970er Jahre bis in die 1980er Jahre hinein geradezu eine Planungseuphorie. Es wurden in vielen Kommunen und teilweise auch in Ländern Kulturentwicklungspläne auf den Weg gebracht. Diese Pläne waren von der Idee des Wachstums getragen. Wachstum, Zugang zu Kultur und kulturelle Teilhabe, prägnant auf die Formel»Kultur für alle«gebracht, waren das Motto jener Zeit. Und tatsächlich wurde in dieser Zeit viel entwickelt. Vorher gab es keine soziokulturellen Zentren, keine Museums- oder Theaterpädagogik. Und, Kultur wurde gerade im Westen Deutschlands in starkem Maße als Distinktionsmerkmal begriffen. Der Ausbau der kulturellen Infrastruktur im Rahmen der Kulturentwicklungsplanung war ein wesentlicher Schritt zur Demokratisierung des Zugangs zu Kultur. Anfang der 1990er Jahre standen besonders die Kommunen und Länder in Ostdeutschland vor ganz anderen Aufgaben. Es galt die Finanzierung der ostdeutschen kulturellen Infrastruktur auf neue Füße zu stellen. Das Kulturraumgesetz in Sachsen, auf das nachher Herr Vogt eingehen wird, ist eines der zentralen Modelle, das ganz besondere Aufmerksamkeit bekommen hat und nach wie vor erzeugt. Dieses Modell hat auch in Sachsen-Anhalt seine Spuren hinterlassen. In den sogenannten neuen Bundesländern wurde, trotz erheblicher Bundesförderung kulturelle Infrastruktur abgebaut. Es gab Schließungen und Fusionen von Kultureinrichtungen. Wenn in den neuen Bundesländern über die Veränderung der kulturellen Infrastruktur gesprochen wird, ist daran zu erinnern, dass vor 20 Jahren viel Kultur abgebaut worden ist. Ich will aber gleich sagen, dass nicht nur abgebaut wurde, sondern auch Einrichtungen renoviert, neue etabliert und neue inhaltliche Konzepte erarbeitet wurden. Das heißt, die 1990er Jahre waren nicht nur eine Zeit der Verluste, sondern sie waren auch eine Zeit der Neuaufstellung. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages»Kultur in Deutschland«, der ich angehörte, hat in ihrem Schlussbericht 2007 den Ländern und Kommunen empfohlen, wieder Kulturentwicklungspläne zu erarbeiten. Diese Empfehlung haben sowohl Länder als auch Kommunen aufgenommen: Baden-Württemberg hat 2010 seine Planung Kunstkonzeption»Kultur 2020«vorgelegt, Bayern hat 2012 seine Planung»Staatliche Förderung von Kunst und Kultur in Bayern«präsentiert, Brandenburg hat im selben Jahr die»kulturpolitische Strategie«vorgestellt. Bereits 2010 hat Niedersachsen einen Kulturbericht veröffentlicht und Thüringen hat 2012 ein Kulturkonzept vorgelegt. Und, natürlich Sachsen-Anhalt, 2013, die Empfehlungen des Kulturkonvents. Es gibt allerdings einen grundlegenden Unterschied zwischen den Kulturentwicklungsplanungen in Westdeutschland in den 1970er und 1980er Jahren und den aktuellen Kulturentwicklungsprozessen. Ging es seinerzeit vor allem um den Ausbau einer kulturellen Infrastruktur, so stehen heute vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen viele Länder vor der Herausforderung wie Einwohnerzahl, Kulturinteresse und kulturelle Infrastruktur überein gebracht werden können. Ich möchte dies am Beispiel von Sachsen-Anhalt verdeutlichen. Viele von Ihnen wissen, dass Sachsen-Anhalt in den letzten 20 Jahren knapp 20 Prozent seiner Bevölkerung verloren hat. Ein Verlust von einem Fünftel der Bevölkerung ist spürbar, das kann kein Land, keine Kommune so einfach übergehen. In den Prognosen wird davon ausgegangen, dass Sachsen-Anhalt im Jahre 2025 deutlich unter 2 Millionen Einwohner haben wird. Dieser Bevölkerungsverlust entsteht nicht mehr in erster Linie durch Wegzug, sondern weil jüngere 43

45 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Menschen und ganz besonders junge Frauen fehlen. Sie haben aus ökonomischen Gründen das Land verlassen und leben nun in anderen Bundesländern. Das Potenzial derer, die Kinder bekommen können, ist also kleiner geworden und damit sinken die Chancen durch die Geburtenrate dem demografischen Wandel eine Wende zu geben. Diese für Sachsen-Anhalt beschriebene Situation trifft aber nicht nur auf dieses Bundesland zu, sondern ist in anderen Bundesländern oder anderen Regionen genauso anzutreffen. Neben dem Bevölkerungsverlust müssen sich die Länder auch mit einer veränderten Bevölkerungszusammensetzung auseinandersetzen. Der Anteil der älteren Bevölkerung wächst und entsprechend sinkt der der jüngeren. Das ist das eine Problem, mit dem sich heute jede Kulturentwicklungsplanung auseinandersetzen muss. Das zweite große Problem ist das liebe Geld. Die Länder stehen aufgrund der im Jahr 2006 in das Grundgesetz eingefügten Schuldenbremse vor großen Herausforderungen. Die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse ist verbindlich. Und sie trifft die Länder stärker als den Bund. Allerdings muss zur Ehrenrettung des Bundes deutlich gesagt werden, dass die Länder an der Vorbereitung der Schuldenbremse mitgewirkt und ihr mit voller Begeisterung zugestimmt haben. Die Schuldenbremse verlangt ausgeglichene Haushalte bis zum Jahr 2020 und begrenzt danach die Möglichkeiten der Schuldenaufnahme. Für die meisten Länder stellt die Einhaltung der Schuldenbremse eine immense Herausforderung dar. Die ostdeutschen Länder müssen zusätzliche Abschmelzungen in ihren Haushalten auffangen, da sie den Status der Ziel-1-Region bei der EU-Förderung verlieren und der Solidarpakt II im Jahr 2019 ausläuft. Das sind die Rahmenbedingungen für eine Kulturentwicklungsplanung in diesem Jahrzehnt: eine veränderte Bevölkerungszusammensetzung und: alle Ausgaben der öffentlichen Hände kommen auf den Prüfstand. In einer solchen Situation ist es kaum zu vermeiden, dass auch bei Kulturplanungen die finanziellen Schere im Kopf ist. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle Frau Jochimsen in ihrer vorherigen Rede gerade auch mit Blick auf den Kulturetat von Sachsen-Anhalt zustimmen. Der Kulturetat des Landes Sachsen-Anhalt beträgt mickrige 0,85 Prozent des Landeshaushalts. Egal, wie man sich dreht und wendet, egal, welche tolle Idee man auch immer entwickeln wird, selbst wenn man alle Kultureinrichtungen in Sachsen-Anhalt schließt, wird das den Landeshaushalt nicht sanieren, sondern wird ihn nur am Rande berühren. Aber die Auswirkungen einer massiven 44 Kürzung, da kann mich Frau Jochimsen ausdrücklich anschließen, die Auswirkungen werden fatal sein. In Sachsen-Anhalt, aber selbstverständlich nicht nur dort. In dieser Situation hatte der Kulturminister von Sachsen-Anhalt, Stephan Dorgerloh die Idee, einen Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt einzurichten. Ausgangspunkt waren seine positiven Erfahrungen aus dem Bildungskonvent Sachsen-Anhalt, der für die Bildungsplanung des Landes wegweisend war. Er hat die Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt von seiner Idee des Kulturkonvents überzeugt. Die Landtagsfraktionen haben den Auftrag des Kulturkonvents formuliert und einstimmig beschlossen. Das heißt, alle Parteien haben sich gemeinsam auf das Konzept eines Kulturkonvents eingelassen und der Aufgabenstellung zugestimmt. Sie haben dem Kulturkonvent 12 Monate Zeit gegeben und noch einmal um zwei Monate verlängert, so hatte der Kulturkonvent insgesamt 14 Monate Zeit, sich intensiv mit dem Ist-Zustand der kulturellen Infrastruktur Sachsen-Anhalts zu befassen, die aktuellen und künftigen Anforderungen zu analysieren und Empfehlungen zu erarbeiten. Das besondere dieses Kulturkonvents ist seine Zusammensetzung. Er war nämlich kein kleines Expertengremium, er wurde auch nicht von der Kulturverwaltung erstellt, sondern der Kulturkonvent ist in seiner Zusammensetzung ein breites Abbild der Gesellschaft von Sachsen-Anhalt. Mitgewirkt haben die Kulturverbände des Landes, also vom Landesmusikrat über den Landesverband des Deutschen Bühnenvereins, den Landesverband von ver.di, den Landesverband des Museumsbunds sowie des Bibliotheksverbands bis hin zur Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, um nur einige Beispiele zu nennen. Alle einigermaßen wichtigen bedeutsamen Verbände in Sachsen-Anhalt, die sich mit Kultur beschäftigen, haben im Konvent mitgewirkt. Daneben waren alle Landtagsfraktionen durch einen Abgeordneten vertreten. Darüber hinaus gehörten dem Kulturkonvent die kommunalen Spitzenverbände, die Kirchen, Vertreter der Wissenschaft, der Landesseniorenrat, der Landesschülerrat, der Landestourismusverband, die Industrie und Handelskammer, der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband von Sachsen-Anhalt und andere mehr an. Sie alle hatten volles Rede- und Stimmrecht in dem Konvent. Das Kultusministerium, das Innenministerium und das Finanzministerium waren durch jeweils einen Ministeriumsvertreter vertreten, der volles Rede-, allerdings kein Stimmrecht hat. Mit mir, dem Moderator, gehörten dem Kulturkonvent 39 Personen an, davon waren 35 stimmberechtigt.

46 Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? Dieser Kulturkonvent war, und das möchte ich ganz besonders herausstreichen, für seine Aufgabe breit demokratisch legitimiert. Es war eben keine Selbstbespiegelung des Kulturbereichs im engeren Sinne. Aber es war auch kein kulturfreies Gremium. Es war vielmehr die Idee, die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zusammenzubringen. Und am Anfang war die erste Aufgabe, das gegenseitige Kennenlernen und sich untereinander verständigen. Das hört sich auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen seltsam an, warum sich die Akteure untereinander verständigen müssen, da Sachsen-Anhalt aufgrund seiner Fläche nicht so groß ist, dass es keine Begegnung geben müsste. Dennoch habe ich einmal mehr die Erfahrung gesammelt, dass die verschiedenen kulturellen Bereiche sehr getrennt voneinander arbeiten. Der Theaterbereich hat wenig mit dem der bildenden Kunst, der Literatur oder anderen zu tun und vice versa: Im Kulturkonvent waren alle gezwungen, eine Menge miteinander zu tun zu haben. Der erste Arbeitsschritt im Kulturkonvent war also das gegenseitige Kennenlernen und die Scheu zu überwinden, über Probleme zu sprechen. Probleme, die durch äußere Rahmenbedingungen entstehen, aber auch hausgemachte Probleme. Hierfür das Vertrauen untereinander zu schaffen, war eine der ersten Aufgaben und ich bin stolz, dass es uns gemeinsam gelungen ist, diese Öffnung untereinander zu erreichen. Die zweite Aufgabe war sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen und sie zu akzeptieren. Wenn man liest, 19 Prozent Verlust an Menschen innerhalb von 20 Jahren und aller Voraussicht nach noch einmal 20 Prozent Verlust bis zum Jahr 2025, dann liegt es auf der Hand, Veränderungen anzumahnen. Doch wenn man selbst in dem Land lebt, ist die Situation viel schwieriger. Ein Verlust von 19 Prozent an Bevölkerung in 20 Jahren passiert nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess, der teils schnell, teils aber auch schleichend verläuft. Am Anfang wurde von großen Teilen des Konvents diese Veränderung einfach schlichtweg als nicht existent abgetan. Es wurde unterstrichen, dass es sich nur um Statistiken und Prognosen handele und bei den Prognosen unklar sei, ob alles wirklich so eintreten wird. Nach meiner Einschätzung bestand am Ende des Konvents Einigkeit, dass es derzeit keine einigermaßen realistische Möglichkeit gibt, diese demografische Veränderung zu ändern. Es gilt vielmehr sich darauf einzustellen und Strategien des Umgangs zu entwickeln. Von den 163 Empfehlungen des Kulturkonvents möchte ich im Folgenden fünf herausgreifen, die illustrieren, in welche Richtung die Vorschläge des Konvents gehen. Der erste Vorschlag ist die Etablierung von interkommunalen Zusammenschlüssen und Zweckverbänden in Sachsen-Anhalt. Hier ist das Kulturraumgesetz von Sachsen, das in einer Anhörung eigens beleuchtet wurde, ein Vorbild. Zugleich stand eigentlich schon sehr schnell fest, dass eine Eins zu Eins-Übertragung des Sächsischen Kulturraumgesetzes nicht möglich ist. Allein weil Sachsen-Anhalt mit Halle, Magdeburg und Dessau drei größere Städte hat. Es gilt einen Ausgleich zwischen den Zentren und der Peripherie zu schaffen und es muss auch in den ländlicher geprägten Regionen wie beispielsweise der Altmark oder dem Mansfelder Land eine Grundversorgung geben. Dies umso mehr als in Sachsen-Anhalt auch in den ländlichen Regionen bemerkenswerte Kultur anzutreffen ist. Das liegt einfach an der historischen Bedeutung Mitteldeutschlands. Im Konvents-Bericht haben wir uns intensiv mit dem Verhältnis Stadt-Land auseinandergesetzt und vor diesem Hintergrund empfohlen, Kulturregionen zu bilden. Die Kultureinrichtungen sollen in diesen Kulturregionen gemeinsam und solidarisch gestaltet, finanziert und geführt werden. Das ist eine sehr große, aber wie ich meine notwendige Aufgabe, wenn man sich den bestehenden Strukturen stellt. Eine weitere Empfehlung ist die Einführung einer Kulturförderabgabe, wie sie in vielen Regionen diskutiert und teilweise erfolgreich erhoben wird, Für den Kulturkonvent stand fest, dass eine Kulturförderabgabe der Kommunen nur dann Sinn macht, wenn das Land vorher die Bedingung schafft, dass dieses Geld auch wirklich der Kultur zugute kommt. Das ist besonders bei den überschuldeten Kommunen in Sachsen-Anhalt kein einfacher Weg. Wenn eine Kommune keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorlegen kann, und das trifft auf die meisten Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt zu, kann sie zusätzliche Einnahmen nicht zweckgebunden verwenden, sondern muss diese Mittel zur Schuldentilgung nutzen. Das Land muss also einen Weg finden, damit die zusätzlichen Mittel aus der Kulturförderabgabe auch wirklich der Kultur zufließen können. Hierfür gibt es rechtlich sichere Wege, das Land muss nur wollen. Ein weiterer Vorschlag ist ein Kooperations- und Investitionsfonds. Dieser soll insbesondere dazu dienen, Kooperationen zwischen Kultureinrichtungen und Kulturakteuren, also der Freien Szene, zu ermöglichen und zu befördern. Das ist darum erforderlich, weil in Sachsen-Anhalt, und nicht nur hier, die Schere zwischen den Mitteln zur Erhaltung 45

47 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung von Kultureinrichtungen und der Freien Szene auseinandergeht. Dieses war eines der sicherlich am meisten kontrovers diskutierten Themen des Konvents. Wenn erhebliche Mittel in den Erhalt und Unterhalt von Kultureinrichtungen fließen, bedeutet dies bei gedeckelten Kulturetats, dass immer weniger Geld für die Freie Szene, die Soziokultur und freischaffende Künstler zur Verfügung steht. Ich bin der festen Überzeugung, dass Kultureinrichtungen, die immer größere Anteile der Kulturförderung erhalten, die Verpflichtung zur Solidarität mit der Freien Szene haben, damit diese Menschen, die Akteure und die Gruppen diese Infrastruktur auch mit nutzen können. Ich bin mir allerdings bewusst, dass dies ein ganz schwieriger Weg ist und bei vielen Kultureinrichtungen dafür erst noch geworben werden muss. Ich denke, dass ein Kooperations- und Investitionsfonds Anreize für die Zusammenarbeit bieten könnte und dieses letztlich für beide Seiten für die Freie Szene und die Kultureinrichtungen bereichernd sein könnte. Kommen wir zum dritten Vorschlag, der den Bund stärker in die Verantwortung nimmt, Sachsen- Anhalt ist das Bundesland in Deutschland, dass die meisten UNESCO-Welterbestätten hat. Diese vier UNESCO-Welterbestätten belegen, welche kulturelle Bedeutung das Land Sachsen-Anhalt nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt hat. Zugleich muss gesehen werden, dass das Land und auch die Kommunen mit dem Unterhalt und dem teilweise erforderlichen Ausbau dieser Welterbestätten überfordert ist. Wir haben dem Land empfohlen, den Bund aufzufordern, bei den UNESCO- Welterbestätten in der Zukunft 50 Prozent der Finanzierung zu übernehmen. Bei den UNESCO-Welterbestätten handelt es sich eindeutig um keine lokalen Kultureinrichtungen. Sie haben vielmehr per definitionem einen weltweiten Status. Wenn mindestens 50 Prozent der Kosten vom Bund übernommen würden, würde dies zu einer sehr deutlichen Entlastung des Haushaltes des Landes und auch der Kommunen führen. Die freiwerdenden Mittel sollten dann der anderen kulturellen Infrastruktur zu Gute kommen. Ähnliches gilt für das Reformationsjubiläum in den nächsten Jahren. Dieses Jubiläum ist eine riesige Chance für Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt ist das Kernland der Reformation und wird 2017 nicht nur deutschlandweit, sondern darüber hinaus große Beachtung finden. Als letzten der fünf Punkte, die ich herausgreifen möchte, möchte ich den Kulturetat nennen. Ich will nicht verhehlen, dass ich ein bisschen betrübt war, dass von den 163 Vorschlägen, die der Kulturkonvent gemacht hat, eigentlich nur ein Vorschlag medial transportiert wurde, nämlich die Erhöhung des Kulturetats von heute ungefähr 85 Millionen 46 Euro auf 100 Millionen Euro im Jahr. Dabei haben wir entsprechend unserem Auftrag nur den Kulturetat des Landes gemeint. Ein Kulturetat von 100 Millionen Euro ist immer noch knapp unter 1 Prozent des Landeshaushalts. Damit wird bereits deutlich, dass eine Erhöhung mit Augenmaß gefordert wird. Für eine vernünftige Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur ist diese Erhöhung erforderlich. Zusätzlich soll diese Erhöhung mit einem Dynamisierungsfaktor in Höhe des Inflationsausgleiches ausgestattet werden, damit nicht innerhalb kürzester Zeit erneut eine Notlage entsteht. Ein wichtiger Grund für diese Erhöhung ist das Erfordernis, den Haustarifverträgen in den Theatern ein Ende zu bereiten. In meinen Augen ist es ein unhaltbarer Zustand, dass fast alle Theater in Sachsen-Anhalt ihre Beschäftigten, also ihre künstlerischen Beschäftigten, nicht mehr nach Tarif bezahlen, sondern sogenannte Haustarifverträge gemacht haben. Bis zu 40 Prozent weniger verdienen die künstlerischen Mitarbeiter als ihre Kollegen, die nach regulärem Tarif bezahlt werden. Eigentlich waren die Haustarifverträge dazu gedacht, eine kurzfristige Notlage in den Kulturhaushalten zu überbrücken und nach kurzer Zeit wieder zum normalen Tarifvertrag zurückzukehren. Doch aus der kurzfristigen Überbrückung einer Notsituation ist eine Dauereinrichtung geworden, die letztendlich dazu führt, dass die Kulturschaffenden selbst ihren eigenen Kulturetat finanzieren. Im Kulturkonvent herrschte Einigkeit, dass dieser Zustand beendet werden muss. Es wurde daher gefordert, den Theaterbereich mit einer einmaligen Zahlung in die Lage zu versetzen, wieder zu den normalen Tarifen zurückzukehren. Aber, um nun auch nicht die Bäume in den Himmel wachsen zu lassen, wurde diese einmalige Aufstockung des Etats zur Abschaffung der Haustarifverträge an ein Einfrieren der Theaterförderung des Landes bis zum Jahre 2025 gekoppelt. Dieses Einfrieren des Landesetats für Theater verlangt nach Strukturveränderungen in der Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt. Diese Veränderungen bedürfen ausreichender Zeit und einer gemeinsamen Diskussion mit den Verantwortlichen vor Ort. Denn, um beim Beispiel Theater zu bleiben, Träger der Theater sind die Kommunen, das Land hilft bei der Finanzierung. Es handelt sich aber mitnichten um Einrichtungen in Landesträgerschaft. In den Diskussionen zwischen Land, Kommune, Kultureinrichtungen und den Bürgern vor Ort muss auch offen diskutiert werden, welche kulturellen Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Dieses muss vor dem Hintergrund der eingangs genannten demografischen Entwicklung und der Verantwortung für den gesamten Kulturbereich geschehen. Kunst und Kultur sind zum Glück vielfältig, es gibt nicht nur die verschiedenen Künste, sondern auch innerhalb der Künste die unterschiedlichen Aus-

48 Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? drucksformen. Verantwortliche Kulturpolitik heißt den gesamten Kulturbereich im Blick zu halten und nicht nur auf einzelne Sparten zu schauen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Kulturverantwortlichen und die Künstler in der Pflicht sind, an Lösungen mitzuarbeiten. Im Kulturkonvent Sachsen-Anhalt haben wir versucht, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und darum glaube ich, kann er ein Modell für andere Länder sein. Er wurde vom Landtag eingesetzt, demokratisch legitimiert und mit einem kulturpolitischen Auftrag versehen. Eine solche Bandbreite an mitwirkenden Akteuren gab es bei anderen Kulturentwicklungsplanungen nicht. Er ist meines Erachtens auch deshalb ein Modell, weil sowohl die Kulturverbände als auch andere gesellschaftlichen Gruppen sowie die Politik bei der Analyse und der Formulierung von Empfehlungen wirklich aktiv einbezogen waren. Er hat dadurch zur Vertrauensbildung untereinander geführt. Am diesjährigen 21. Mai, dem Internationalen Tag der kulturellen Vielfalt, dem Aktionstag des Deutschen Kulturrates»Kultur gut stärken«, da gab es in Sachsen-Anhalt in Halle, in Magdeburg, in Dessau und in einigen anderen Städten Demonstrationen gegen Kulturabbau. Hier haben sich Künstler, Kulturvermittler und kulturinteressierte Bürger zusammengetan und sind gemeinsam für ihre kulturelle Infrastruktur auf die Straße gegangen. Das ist ein sehr schönes Beispiel von Solidarität im Kulturbereich, das hoffentlich kein Strohfeuer, sondern von Dauer sein wird. Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung zum Erfolg oder Misserfolg des Kulturkonvents. Immer musste ich lesen oder hören, dass ja, wenn es zu Kürzungen im Landeskulturhaushalt kommt, der Kulturkonvent gescheitert ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass er mitnichten gescheitert ist. Es war von vornherein klar. Den Kulturkonvent gab es nur, weil die Kürzungen am Horizont standen, weil bekannt war, dass der Finanzminister massiv im Kulturbereich einsparen wollte. Der Kulturkonvent hat ein ganzes Kaleidoskop von denkbaren Möglichkeiten für Sachsen-Anhalt vorgelegt. Aber: von selbst wird gar nichts passieren. Wenn jetzt die Akteure um jede dieser einzelnen Maßnahmen wirklich kämpfen und gemeinsam versuchen, die Konvents-Empfehlungen umzusetzen, dann wird die Politik in Sachsen-Anhalt daran auch nicht vorbeigehen können. Das unterscheidet den Kulturkonvent von den anderen von mir eingangs erwähnten Kulturentwicklungsprozessen in den Ländern, jene haben nicht eine so breite demokratische Legitimation. In diesem Sinne hoffe ich, dass der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt mittel- bis langfristig erfolgreich ist. Und ich erhoffe mir, dass der Kulturkonvent ein Modell für andere Bundesländer ist, die ebenfalls die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die Kulturakteure, die Politiker und die Verwaltung an einen Tisch holen, um über die zukünftige Kulturentwicklung in unserem Land nachzudenken. In diesem Sinne hoffe ich auf viele Nachahmer. Diskussion: Isa Kathrin Edelhoff: Herr Zimmermann, herzlichen Dank! Ich wurde gebeten, die folgende Diskussion zu moderieren. Ich habe es mal mitgebracht das ist wirklich ein eindrucksvolles Werk, die Empfehlungen des Kulturkonvents. Vielleicht kurz zu mir. Ich habe in Sachsen-Anhalt in Halle an der Saale gelebt von 2008 bis Ende 2012 und bin zurückgekehrt nach Berlin, weil ich keine Möglichkeit gesehen habe, dass ich dort noch einmal Arbeit finde im Kulturbereich. Das ist jetzt nur so zum Hintergrund, warum ich hier stehe. Herr Zimmermann, die erste Frage von mir, die ich habe angesichts der Spar- und Kürzungsdebatten in Sachsen-Anhalt, die haben Sie gerade selbst beantwortet. Gerade zur Stunde tagt die Regierung, ist in Klausurtagung, berät den Haushalt Meine erste Frage wäre gewesen, ist der Bericht bei Erscheinen nicht schon Makulatur? Aber Sie sehen es als Positionspapier mit dem jetzt gearbeitet wird. Ist das richtig? Olaf Zimmermann: Ich glaube, dass dieser Bericht die Chance für die Kultur in Sachsen-Anhalt ist und nicht Makulatur. Wir wussten von Anfang an, dass es ein schwieriger Weg wird. Bereits während der Erarbeitung dieses Berichtes fanden Einsparungen statt. Man darf nicht vergessen, bereits in diesem Jahr sind schon 5,8 Millionen Euro im Kulturhaushalt eingespart worden und zwar vor allem im Museumsbereich. Selbstverständlich hat der Kulturkonvent sich mit den Einsparungen befasst. Das ging soweit, dass wir diskutiert haben, ob wir angesichts solcher massiven Einsparungen im Kulturetat des Landes uns gleichzeitig quasi noch in Klausur zurückziehen und über eine Kulturentwicklungsplanung nachdenken. Dann stellt sich aber auch die Frage der Alternative. Wenn der Kulturkonvent gleich resigniert hätte, dann hätten die Kulturakteure zum einen jeweils allein gestanden und zum anderen hätte kein Gegenvorschlag zu den Einsparungsvorschlägen des Finanzministers vorgelegen. Und diese Einsparungsvorschläge sind in allen Ressorts von einer gewissen Gewalttätigkeit geprägt. Ich bin davon überzeugt, dass es sehr wichtig und nützlich ist, dass mit dem Schlussbericht des Kulturkonvents Empfehlungen für den Kulturbereich vorliegen. Diese Empfehlungen beschränken sich nicht auf Forderungen nach mehr Geld, es werden zugleich Reformvor- 47

49 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung schläge gemacht, wie sich der Kulturbereich strukturell und substantiell verändern muss. Und selbst von der Landesregierung angekündigte Einsparungen sind nicht unabänderlich. Sie sind ein Vorschlag und müssen in den parlamentarischen Beratungen durchgesetzt werden. Die Entscheidung über den Landeshaushalt trifft das Parlament. Jetzt müssen die Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt entscheiden, ob sie diesen oder einen anderen Weg gehen wollen. Wir haben für den Kulturbereich eine Alternative vorgelegt. Und ich hoffe, dass sich möglichst viele im Land und im Landtag für die Umsetzung der Alternative einsetzen werden. Isa Kathrin Edelhoff: Und jetzt, wo es sozusagen ans Eingemachte geht, stehen Sie denn nach wie vor als Moderator zur Verfügung? Jetzt, wo Sie alle an einen Tisch gebracht haben, wo alle miteinander reden, wo Solidarität vielleicht nicht im Arbeitsvertrag des Intendanten steht, aber vielleicht die Idee in den Köpfen ist. Jetzt sind Sie ja weg, also jetzt beginnt das Hauen und Stechen? Olaf Zimmermann: Also meine Moderationstätigkeit ist eindeutig Ende Februar dieses Jahres zu Ende gegangen. Der Kulturkonvent hat mit der Vorlage des Schlussberichts seine Arbeit erledigt und damit habe auch ich meine Arbeit als Moderator zu Ende geführt. Selbstverständlich spreche ich auch als Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates mit den in Sachsen-Anhalt Verantwortlichen. Ich denke aber genauso, dass die Hauptarbeit nicht bei mir, sondern bei den Kulturakteuren in Sachsen-Anhalt liegt. Sie müssen zusammen arbeiten und gemeinsam für die Kultur streiten. Ich finde es geradezu abstrus, mit welcher Inbrunst man noch alte Schlachten zwischen Halle und Magdeburg und zwischen Magdeburg und Dessau schlagen kann, wenn man gerade also letztendlich zu Grabe getragen werden soll. Da muss man einfach sagen: Leute, das könnt Ihr Euch jetzt nicht mehr leisten. Das könnt Ihr Euch in Zeiten leisten, wo es allen gut geht, da kann man auch mal diese Auseinandersetzungen machen, aber ich finde man kann sie nicht machen, wenn man eigentlich Solidarität braucht. Ich finde, die Hochschulen in Sachsen-Anhalt haben es gerade vorgemacht. Bei denen sollte ja zuerst massiv gespart werden. Sie haben sich nicht auseinander dividieren lassen nach dem Motto, dass die Hochschule, die möglicherweise besser dabei wegkommen würde als die andere, sagt, ich schau ich, dass ich mein Schäfchen ins Trockene bringe, sondern die Hochschulen haben deutlich gemacht, dass sie zusammenstehen und sich gegenseitig unterstützen. Das hat die Politik in riesige Schwierigkeiten gebracht. Ich habe die Hoffnung, dass die Arbeit im Kulturkonvent dazu geführt hat, dass man ähnlich solidarisch ist. 48 Isa Kathrin Edelhoff: Ich habe jetzt ganz viele Wortmeldungen. In der Reihenfolge, wie ich sie gesehen habe. Jetzt würde ich einfach mal das Mikrofon weitergeben. Matthias Zarbock: Danke. Ich bin ein bisschen provoziert worden, ein bisschen angestachelt worden durch eine Bemerkung von Ihnen und zwar will ich jetzt gar nicht die Qualität der Ergebnisse des Kulturkonvents in Frage stellen oder bewerten, aber genau in der Kommunalpolitik erlebe ich es immer wieder, dass runde Tische und öffentliche Beteiligungen in dem Moment kommen, wo Abbau stattfinden soll: Soziales, Kultur, Jugend. Und genau das beschreiben Sie und Sie sagen, das ist zur Nachahmung empfohlen und sie nennen es demokratisch legitimiert. Das muss ich hinterfragen. Olaf Zimmermann: Ich habe nicht gesagt, dass der Abbau demokratisch legitimiert ist. Ebenso wenig habe ich den Abbau zur Nachahmung empfohlen. Dennoch ist das Problem des Abbaus letztendlich in der Mehrzahl der Bundesländer und in vielen Kommunen nicht wegzudiskutieren. Das ist einfach eine Realität im Kulturbereich. Eine Ausnahme ist der Bundeskulturetat. Er wächst derzeit. Ich finde es dennoch besser, wenn sich die Kulturakteure an der Debatte beteiligen als sich in einen Schmollwinkel zurückzuziehen. Denn nur so können sie mitreden über die Frage was passiert und wie es passieren soll. Möglicherweise gilt es ein Stoppschild aufzustellen und deutlich zu machen: dieser Abbau ist aber absolut kontraproduktiv. Sich an solchen Debatten zu beteiligen, heißt letztlich Verantwortung zu übernehmen. Diese Verantwortung mit zu übernehmen ist nicht einfach, weil Veränderungen vorgeschlagen werden müssen. Ich möchte dies am Beispiel der Theaterfinanzierung zeigen. Der Kulturkonvent Sachsen-Anhalt hat zwar vorgeschlagen, den Theateretat einmalig zu erhöhen, damit sollte er aber zugleich bis zum Jahr 2025 eingefroren werden. Das ist letztlich, wenn man die Inflationsrate bedenkt, ein Abbau. Aber es ist ein Abbau mit Planungssicherheit. Die Institutionen haben in den Beratungen im Kulturkonvent unterstrichen, dass für sie die Planungsunsicherheit das Schlimmste ist. Diese Planungsunsicherheit verhindert Veränderungen und Reformen. Eines der Ziele im Konvent war zu verdeutlichen, dass für Strukturveränderungen längerfristige Planungshorizonte aufgemacht werden müssen. Alexander Pinto: Ich habe drei Fragen. Die erste ist: Sie sagten, dass die Kultur vom Land in die Stadt wandert und auf dem Land nur noch eine Grundversorgung stattfinden wird. Könnten Sie das konkretisieren, was mit Grundversorgung gemeint

50 Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? ist? Das ist meine erste Frage. Das zweite ist: Sie sagten, es ist als Empfehlung rausgegeben worden, dass regionale Zusammenschlüsse, sogenannte Kulturregionen gegründet werden sollen. Meine Frage ist, auf welchen Grundlagen werden diese Kulturregionen gegründet? Ist es die räumliche Nachbarschaft, sind es Verwaltungsstrukturvorgaben, sind es historische Komponenten? Auf welcher Grundlage sollen diese Kulturregionen gegründet werden? Und die dritte Frage, vielleicht geht diese aber auch an die Parlamentarier hier, die mich interessieren würde: Ich hatte Sie so verstanden, der Landtag hat den Kulturkonvent eingesetzt. Die Ergebnisse aber hat er sich nicht als verbindliche Vorgabe für die weitere Arbeit gleich mit ins Stammbuch geschrieben. Insofern verstehe ich das Papier, zumindest das was ich hier gehört habe, was Sie ausgeführt haben, durchaus als eine wirklich tolle Arbeit, aber nur einseitig scharf. Insofern haben Sie eine Empfehlung, wie man solche Sachen auch zweischneidig machen könnte? Olaf Zimmermann: Fangen wir hinten an: Der Landtag hat den Kulturkonvent beauftragt, ihn zu beraten. Die Entscheidungen muss aber der Landtag treffen, denn er hat schließlich die Haushaltshoheit. Ebenso ist bereits im Einsetzungsbeschluss festgelegt gewesen, dass der Schlussbericht des Kulturkonvents als Beratungsgrundlage für ein Kulturkonzept der Landesregierung dienen soll. Neben dem Landtag ist also auch das Kultusministerium gefordert, sich mit dem Bericht auseinanderzusetzen und die entsprechenden Schlüsse für ein Kulturkonzept des Landes zu ziehen. Die zweite Frage, die sie gestellt haben, bezieht sich auf das Verhältnis von Land und Stadt. Da muss ich einfach sagen, schauen Sie sich die Situation in Sachsen-Anhalt an. Es wird in den nächsten Jahren Gemeinden geben, in denen man sich Gedanken macht, wie die Wasserversorgung, die Stromversorgung und speziell die Abwasserversorgung aufrecht erhalten bleiben kann, wenn die Bevölkerungszahl schrumpft. Denn speziell beim Abwasser wird eine bestimmte Anzahl an Menschen benötigt, um den Abtransport zu gewährleisten. Und ich kann ihnen versichern, das ist kein kleines Problem. In einer solchen Situation stellt sich auch die Frage nach der kulturellen Infrastruktur. Wer hiervor die Augen verschließt, betreibt Augenwischerei. Der Kulturkonvent hat aufgrund der Struktur des Landes unterstrichen, dass nicht die gesamte Infrastruktur aus den Regionen abgezogen werden darf. Ein solches Vorgehen würde den Abwärtstrend mancher Regionen noch verstärken. Es wird aber eine stärkere Konzentration bestimmter kultureller Einrichtungen in den Oberzentren unvermeidlich sein. Und das leitet zur nächsten Frage über. Diese vorgeschlagenen Kulturräume sind pragmatische Räume. Sie können nicht in erster Linie aufgrund von geschichtlichen Bedingungen gebildet werden, sondern es müssen letztendlich pragmatische Strukturen geschaffen werden, damit die kulturelle Infrastruktur finanziert werden kann. Das heißt letztlich, dass Gemeinden, die einem Kulturraum angehören, nicht das gesamte Spektrum an kultureller Infrastruktur bereithalten, sondern der Kulturraum als ganzer gesehen wird. Isa Kathrin Edelhoff: Ja, das wäre jetzt auch meine Frage gewesen. Wie ist dieser Vorschlag in den Kommunen aufgenommen worden? Olaf Zimmermann: Wir haben einen Beratungsauftrag des Landtags gehabt und nicht der Kommunen. Wir haben aber auch Anhörungen mit Oberbürgermeistern der Städte gemacht. Die Kommunen ächzen in Sachsen-Anhalt noch stärker als das Land unter den Schulden, die sie haben. Und um es am Beispiel der Theater zu verdeutlichen, in Sachsen-Anhalt gibt es kein Staatstheater, sondern alle Theater sind in kommunaler Trägerschaft. Das heißt also, die Kommunen müssen Wege finden, wie sie dauerhaft die Theater, aber letztlich auch die anderen Kultureinrichtungen sowie die Freie Szene finanzieren bzw. unterstützen können. Letztlich wird es zur Stimulierung der Zusammenarbeit erforderlich sein, Anreize zu schaffen, also sie mit dem berühmten Zuckerbrot zu locken. Ich denke, Herr Vogt wird über Anreize beim Kulturraummodell Sachsen berichten. Sabine Schöneburg: Ich komme von ver.di Berlin-Brandenburg, früher IG Medien und bin für die Theaterlandschaft in ganz Deutschland zuständig gewesen. Ich begleite seit langem Theaterstrukturen in der Bundesrepublik, ihre Veränderungen und ihre Tarifverträge. Meine Frage an Sie: Erst einmal finde ich wunderbar, dass so etwas stattgefunden hat, dass Sie die Verbände alle an einem Tisch hatten, dass Sie Empfehlungen ausgesprochen haben. Was mich jetzt besonders bewegt sind natürlich ihre Theatervorschläge und da hätte ich schon eine Vielzahl von Fragezeichen hinter dem, was Sie vorschlagen. Zum Beispiel sind die Haustarifverträge, der von Dessau ist am allerschlimmsten, ja soweit herunter gefahren, dass, Sie haben völlig Recht, nicht nur die Schauspieler, auch die Beleuchter, auch die Techniker davon nicht mehr leben können, in der Regel einen Zweitjob haben müssen. Und trotzdem werden große Events gemacht und trotzdem finden große Kulturereignisse statt. Ein Haus wie das in Dessau kann man nicht wegrationalisieren. Dieses Haus ist da und es 49

51 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung ist gut bespielbar, auch für Menschen, aber natürlich kommen nicht 1.200, auch wenn Gregor Seifert seine Tanzcompagnie da auftreten lässt. Wir haben seit vielen Jahren diese Haustarifverträge, die Verzichtstarifverträge. Es ist ein riesiger Batzen Geld, der reinkommen muss, damit es wieder plus/minus null ist. Und Sie sagen dann, wir machen den Etat bis 2025, dazwischen kommen natürlich ständige Tarifverhandlungen, die wir nicht mitbestimmen, jedenfalls nicht auf Länderebene, sondern ganz woanders. Sie wissen das alles. Das heißt, man muss da jetzt dran bleiben und mit wem bleiben Sie bitte dran, dass in der nächsten Zeit die Strukturveränderung so ist, dass sie für die Region passt, dass sie für die Beschäftigten passt und dass sie weiterhin eine Vielfalt an kulturellen Theatern, in jeglicher Form auch immer, im Land Sachsen-Anhalt anbietet? Wir waren immer stolz in der DDR auf diese Vielfalt. Wir haben sie mit Hängen und Würgen erhalten. Die Theaterlandschaft war in der DDR gut und hatte auch ein großes internationales Ansehen, da sind wir sicher gleicher Meinung. Und die zweite Frage. Das eine sind die Tarifverhandlungen und dann bis 2025, wie soll das gehen? Es muss mit Strukturveränderungen einhergehen, die nicht nur Empfehlungscharakter haben, sondern die gemeinsam von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Politikern durchgesetzt werden und von der Bevölkerung getragen. Ich bin keine Verfechterin, die sagt, das muss alles bleiben wie es ist. Es muss Veränderungen geben, die tragfähig sind. Und drittens, ihre vorherige Sequenz mit der Freien Szene, wofür ich ja sehr bin, bei mir sind die Mitglieder natürlich sowohl aus der Freien Szene als auch aus den festen Häusern. In der Freien Szene haben wir keine Tarifverhandlungen. Da wachsen aber die Wünsche und Forderungen nach Tarifen in Anführungsstrichen und Gagen und Honoraren in die Höhe. Die sind auch immer unglaublich. Das heißt Sie sagen, gut Ihr Theater kriegt Etat Ypsilon, der stagniert bis 2025 und dann fördert ihr die Freie Szene noch. Die Intendanz sagt, wieso, steht nicht im Vertrag. Welche Freie Szene, ist auch so eine Frage? Kultur und Kunst sind frei, beziehungsweise Kunst und Kultur nicht, welche Freie Szene wird wie gefördert? Überlasse ich das dem oder dem oder dem? Also wie fahre ich jetzt weiter fort, unabhängig von dem Geld, was kommt, meine ich jetzt die mehr kulturpolitischen, mehr ästhetischen Fragen, die Fragen mit Publikum zusammen, damit die Vielfalt der Kultur, die wir am 21. Mai ja favorisiert haben, ver.di, Sie, wir alle gemeinsam, wie können wir realisieren, dass das, und da interessiert mich besonders der Theaterbereich, präsent bleibt? 50 Olaf Zimmermann: Die Tarifparteien haben im Theaterbereich eine ganz besondere Verantwortung. Und ich befürchte, dass sie sich aus ehrenwerten Motiven in den letzten Jahren, fast schon Jahrzehnten haben erpressen lassen. Ganz simpel gesagt, lautet die Erpressung: wenn ein Theater oder eine Sparte erhalten bleiben soll, muss es einen Haustarifvertrag geben. Das ist wie bei einem Banküberfall mit Geiselnahme. Der Täter geht in eine Bank, nimmt eine Geisel, hält ihr eine Pistole an den Kopf halten und sagt, für eine Million gebe ich die Geisel frei. Und in zwei Jahren beginnt das gleiche Spiel. So ist es im Theaterbereich passiert. Diese Erpressung konnte auch gelingen, weil es verschiedene Gewerkschaften gibt, die untereinander konkurrieren und weil der Deutsche Bühnenverein als Arbeitgeberverband eine gewisse Zwitterstellung hat, als Arbeitgeberverband, als Zusammenschluss der Träger und als eine Art Berufsverband der Intendanten. Trotz alledem müssen die Tarifpartner dieses Problem lösen, wer sollte es sonst lösen. Und dazu gehört, anzuerkennen, dass es bei einem 20-prozentigen Bevölkerungsverlust und einem drohenden weiteren 20-prozentigen Bevölkerungsverlust Veränderungen geben muss. Meines Erachtens kann man sich angesichts massiver demografischer Veränderungen nicht einfach hinstellen und sagen, bei mir darf es keine Veränderungen geben, alles muss so bleiben wie es ist. Und ich denke, dass es besser ist, wenn es die Betroffenen selbst machen als wenn allein die Politik handelt. Das war die Idee des Konvents, Ideen und Vorschläge angesichts einer schwierigen Situation aus dem Kulturbereich selbst einholen. Isa Kathrin Edelhoff: Ich bekomme jetzt von allen Seiten Zeichen, dass die Zeit eigentlich um ist. Es ist hier noch eine Wortmeldung. Birgit Klaubert: Ich komme aus Thüringen. Ich hätte manche Anmerkungen zu machen, habe ja aber dann noch die Möglichkeit. Ich habe eine Frage an Sie an dieser Stelle. Diese Kulturregionen, Kulturräume, die unsolidarischen Intendanten und die zurückgehende Bevölkerung, mal in eine Frage gebracht. Hat der Konvent, die Rolle der Kulturinstitutionen im Sozialraum und die Verflechtung zu Bildungseinrichtungen, zu Mehrgenerationenprojekten, zu Stadtteilprojekten, zu dörflichen Kulturzentren und ähnlichem untersucht? Ist dies untersucht worden und wenn ja, gab es da Er gebnisse? Olaf Zimmermann: Also erst einmal, der Konvent hat keine Untersuchungen gemacht. Er war keine wissenschaftliche Struktur, sondern hatte einen kulturpolitischen Auftrag. Dabei haben die Mitglieder versucht, so viele Aspekte wie möglich mitzudenken. Es wird mit Sicherheit aber manches

52 Der Kulturkonvent in Sachsen-Anhalt Ein verallgemeinerungsfähiges Modell? fehlen. Der Schlussbericht des Kulturkonvents besteht in jedem Kapitel aus drei Teilen. Als erstes gibt es eine Bestandsaufnahme. Der zweite Teil ist die Problembeschreibung. Im dritten Teil sind dann die Empfehlungen zu finden. Diese Empfehlungen sind immer mit einer Erläuterung versehen. Ich glaube wir konnten zeigen, um wie viel ärmer Sachsen-Anhalt wäre, wenn auf diese Kultur verzichtet werden würde. Und ich denke, dass wir gute Argumente liefern, um die Verantwortlichen zu überzeugen, damit sie bereit sind, mit uns diesen Weg zu gehen. Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt: Herr Zimmermann, es ist immer wieder schön, Ihrer Kompetenz zu lauschen. Eine Frage aber haben Sie offen gelassen. Der Kulturkonvent ist ja eigentlich eine Adhoc-Kommission gewesen. Was ist mit Vorschlag 164, ihn zur ständigen Einrichtung zu machen? Olaf Zimmermann: Ich muss zugeben, dass es bei allen positiven Entwicklungen auch einen Niederlagepunkt gibt. Auf diese»wunde«, diese persönliche Niederlage, sprechen Sie mich an. Ich hatte zum Abschluss des Kulturkonvents vorgeschlagen, den Kulturkonvent zu einem Landeskulturrat weiterzuentwickeln, der zur dauerhaften Einrichtung werden könnte. Mir wurde zu diesem Vorschlag sehr deutlich gesagt, dass man in Sachsen-Anhalt keine Räte mehr haben wolle. Das wirklich Kuriose dabei war, es war der Vertreter des Landesmusikrates, der genau dieses gesagt hat. Es wurde also der Beschluss gefasst, keinen Landeskulturrat vorzuschlagen. Das heißt, im Schlussbericht des Kulturkonvents wird keine strukturierte Fortsetzung eingefordert. Damit wurde eine Chance vertan, aber vielleicht schafft man irgendwann in einer neuen Runde noch einmal einen neuen Anlauf. Isa Kathrin Edelhoff: Vielleicht ganz zum Schluss, unabhängig von allen Sachzwängen, Niederlagen und Erfolgen. Haben Sie eine Phantasie oder Utopie, nachdem Sie jetzt Sachsen-Anhalt so intensiv kennengelernt haben? Olaf Zimmermann: Ich komme sonst aus dem»forderbereich«. Mein Job als Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates ist zu fordern. Das heißt, ich muss immer und überall den Finger in die Wunde legen. Für mich war der Kulturkonvent eine spannende Erfahrung der Erdung nicht nur zu fordern, sondern konkrete, auch teils schmerzliche Vorschläge zu machen. Ich würde mich freuen, wenn andere Länder den Kulturkonvent Sachsen-Anhalt zum Vorbild nehmen würden, um einen Prozess der Selbstvergewisserung zu durchlaufen, welche kulturelle Infrastruktur im Land vorhanden ist, eine Analyse der Probleme vorzunehmen und auf dieser Grundlage Reformvorschläge zu erarbeiten. Das wäre für mich eine Utopie, wenn viele Länder das machen würden. Dr. Annette Mühlberg: Vielen Dank Herr Zimmermann. Vielen Dank Isa. Jetzt geht es weiter mit Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt. Er ist Professor für Kulturgeschichte und Kulturpolitik an der Hochschule Zittau/Görlitz und geschäftsführender Direktor des Instituts für kulturelle Infrastruktur Sachsen. Warum wir ihn heute eingeladen haben, hat nicht zuletzt den Hintergrund, dass er maßgeblich an der Erarbeitung des Sächsischen Kulturraumgesetzes beteiligt war. Es wird auch gesagt, er sei der Erfinder des Sächsischen Kulturraumgesetzes. Ihn haben wir heute hier. Ich freue mich sehr darauf. Er wird zunächst einen Vortrag halten und dann wird ihn Jochen Mattern, wissenschaftlicher Referent in der Landtagsfraktion in Sachsen, befragen. Sie haben das Wort. 51

53 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Prof. Dr. Matthias Theodor Vogt Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art Ihre Förderung am Beispiel des Sächsischen Kulturraumgesetzes Liebe Frau Dr. Mühlberg, auch im Namen meiner Studenten danke ich ganz herzlich für die Einladung. Es ist schön, dass wir die Görlitzer Vorlesung Kultur politik hier in Berlin unmittelbar fortsetzen können in der Diskussion mit so wichtigen Akteuren. Meine Ausgangsfrage für heute heißt:»sind Mittelstädte kulturelle Zentren eigener Art?«. Auf dem Bild (Abb. 1) sehen Sie Kinder auf der Vorbühne des Theaters Görlitz. Kinder gehen ins Theater und entwickeln dort Vorstellungen. Ist nicht unsere Welt wesentlich Vorstellungswelt, die auch und gerade durch Theater geprägt werden kann? Wir bewegen uns in Vorstellungsräumen. Ein Beispiel: In den Niederlanden grübelte der Radfahrer Zonneveld im Sommer 2011 in seinem Blog darüber nach, warum eigentlich seine Landsleute im Alpinsport nicht erfolgreich sein können. Der Grund, so Zonneveld, sei einfach der, dass die Niederländer keine Alpen hätten. Eine Ingenieursfirma amüsierte sich. Sie rechnete aus, dass 77 Milliarden Kubikmeter Sand vonnöten seien, damit sich ein Berg höher als die Schneegrenze direkt vor der Niederländischen Küste erhöbe. 1 Das Allgemeine Tagblatt (Allgemeen Dagblad, heutiges AD) versetzte für seine eigene Photoshop-Bildversion den Fujiyama im Maßstab 1:2 vor die Küste. 2 Das Phantom schlug im Sommerloch 2011 solche Wellen, dass am Ende des Sommers die Schweizer Gemeinde Arosa für teures Geld in den Niederlanden plakatieren ließ:»das Original ist besser«. Stellen wir uns nun vor, wir hätten eine Grafik, die alle Wünsche und Hoffnungen der hier Anwesenden erfüllte. Herr Abgeordneter Külow, bitte tragen Sie auf der X-Achse den Zeitverlauf ein und auf der Y-Achse die steigenden Kulturausgaben des Sächsischen Landtags; Jahr für Jahr ansteigend. Wenn Sie nun meinen, die Abb. 2 sei schon wieder ein Photoshop-Motiv aus der Vorstellungswelt, dann irren Sie. Sie zeigt die tatsächliche Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für Kultur Deutschlands in den dreißig Jahren von 1975 bis Diese haben sich von 1,8 Mrd. Euro auf 8 Mrd. Euro entwickelt, also mehr als vervierfacht. Dies 1 Vgl. Westdeutsche Zeitung newsline vom Thomas Burmeister: Holland träumt vom 2000er im Flachland, im Internet abrufbar unter: de-nederlandse-berg-holland-traeumt-vom-2000er-im-flachland ; Vgl. die Abbildung Erik van der Horst: Eine künstlerische Darstellung des holländischen Schneebergs vor der Küste der Niederlande in der Nordsee unter polopoly_fs/ %21/httpimage/onlineimage. jpg_gen/derivatives/landscape_550/onlineimage.jpg; Vgl. europeonline-mazine, Traum vom Schneeberg, unter europeonline-magazine.eu/traum-vom-schneeberg_ html 2 Vgl. AD.nl vom , Die nederlandse Berg van twee kilometer kommt er, im Internet abrufbar unter: ad/nl/1012/nederland/article/detail/ /2011/08/31/ Die-Nederlandse-berg-van-twee-kilometer-komt-er.dhtml Abb. 1: Theater Görlitz, Kinderkonzert. Foto: Pawel Sosnowski. 52

54 Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art wiederum bedeutet, dass die meisten Beiträge, die wir heute und hier gehört haben, tatsächlich in einer Vorstellungswelt angesiedelt sind, die wenig zu tun hat mit der tatsächlichen Entwicklung der Kulturfinanzen. Natürlich muss man die Inflation und die vereinigungsbedingten Sonder lasten, die kalte Progression und die allgemeine Erhöhung des Staatsanteils herausrechnen. Aber auch dann bleibt eine substantielle Entwicklung zu konstatieren, die aus der heutigen Vorstellungswelt von Kulturdiskussionen meistens ausgeblendet wird. Die Lage der Kultur in Gesamtdeutschland 2013 ist deutlich besser als in Westdeutschland Sie haben mich heute gebeten, über Sachsen zu sprechen. Es war einmal, um 700, ein nicht-deutsches Sprachgebiet. Abbildung 4 zeigt das damalige deutsche Sprachgebiet, das keineswegs an die späteren Städte Leipzig, Dresden, Bautzen oder Görlitz heranreichte. Sorbisch ist denn auch der Name Lindenbaum (Leipzig), Sumpfdorf (Dresden) oder Brandstatt (Görlitz), aber dieser Ursprung bleibt in der Vorstellungswelt der heutigen Sachsen ebenso ausgeblendet wie in der der Besucher. Wahrscheinlich haben 25 Prozent aller heute in Ostdeutschland lebenden Menschen einen sorbischen Ursprung. Nach tausend Jahren deutschsprachiger Immigration in das sorbische Siedlungsgebiet ist das zwar eine etwas schwierige Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für Kultur (in Mrd. Euro) Abb. 2: Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für Kultur (in Mrd. Euro). Ähnlich verhält es sich, Herr Eigene Zusammenstellung. Külow, mit dem Land, aus dem wir beide heute nach Berlin gekommen sind. Der Begriff Sachsen ist seit dem 4. Jahr hundert belegt. Er galt bis zu Heinrich dem Löwen einem Gebiet an der Unterelbe (Abb. 3). Im Jahre 1180 machte sich wenn Sie das Bild gestatten die Krone auf den Weg und schwamm die Elbe hoch zu den Askaniern. Von den Askaniern schwamm sie weiter zu den Wettinern und kam ins spätere Ursprungsland des Protestantismus. Dann, nach der Leipziger Teilung von 1485, schwamm sie zu den Albertinern erst nach Torgau, dann nach Dresden (die Ernestiner dagegen wurden Bindestrich-Sachsen und heirateten überall hin). Als die Albertiner 1918 abdankten, gaben Sie den Begriff weiter an den Freistaat, der ihn bis heute trägt. Es war eine die Elbe hochschwimmende Krone, die dem Volk seinen Namen gab; nicht das Volk, das der Krone den Namen gab; ein mehr als ungewöhnlicher Vorgang. Auch dies ist eine Vorstellungswelt. Und wenn wir heute über Kulturpolitik reden wollen, dann müssen wir natürlich immer fragen: wie lassen sich solche Vorstellungsräume gestalten? Abb. 3: Die Verschiebung des Begriffs Sachsen. Eigene Darstellung. Abb. 4: Deutsches Sprachgebiet um 700. Quelle: Archiv des IKS. 53

55 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Mathematik allerdings keine sinnfreie: Wer heute in Sachsen lebt, sollte sich bewußt sein, dass er auf sorbischer Erde lebt und dass die auf Sachsen entfallenden zwei Drittel von 16,8 Mio. Euro Zu wendung an die So rbenstiftung kein besonders hoher Pachtzins für km 2 sind fünf Euro pro Hektar; üblich in Deutschland sind Euro/m 2. Sachsens Deutsche sind keine Autochthone, sie sind eingewandert. Die Elbe hoch kamen die Sachsen, die Flamen aus Belgien, die Thüringer und die Franken aus dem Westen. Abbildung 5 zeigt, dass sie in verschiedenen Zügen kamen, die wir heute immer noch ablesen können Thüringer alleine, Thüringer mit Sachsen, Thüringer mit Flamen, Thüringer mit Sachsen und Flamen. Dies ist der Ursprung der verschiedenen sächsischen Dialekte, die durch spätere Einwanderungen immer weiter geformt und überformt wurden. Der Dialektunterschied zwischen Zwickau und Chemnitz resultiert auch aus dem polnischen Zuzug im 19. Jahrhundert nach Chemnitz. Abb. 5: Einwanderung nach Blaschke 3 : Sachsen, Flamen, Thüringer, Franken. Die Dialektvielfalt auf sächsischem Boden ist erstaunlich; das Kleine sächsische Wörterbuch benennt 21 unterschiedliche Dialektzonen, wobei es, wohl aus Gründen des weißgrünen Heimatstolzes, die schlesische Färbung rund um Görlitz unterschlägt (Abb. 6). Man kann die Bevölkerung der heutigen Gemeinden nach diesen Dialektzonen einteilen und kommt dann auf die Graphik Abb. 7: rund um Dresden spricht man Ostmeißnisch, rund um Leipzig Südwestosterländisch, rund um Chemnitz Westerzgebirgisch etc saß ich eines Morgens bei einer meiner vielen Reisen durch Sachsen beim Frühstück und dachte, da stimmt doch etwas nicht. Es war nicht das miserable Hotel, es war nicht der Kaffee, es waren nicht die Brötchen. Es waren die Laute vom Nachbartisch, die nicht zur Stadt passten. Wir waren in Zwickau, und die Nachbarn sprachen Vogtländisch. Mir war der falsche Dialekt aufge stoßen. Man könnte Abb. 6: Dialektzonen Sachsen. Quelle: Archiv des IKS. nach Bergmann: Kleines sächsisches Wörterbuch 4 Bevölkerung Sachsen am nach Dialektzonen 3 Vgl. Blaschke, Karlheinz: Geschichte Sachsens im Mittelalter, München/ Berlin 1990, Abbildung: Die Einwanderung der Deutschen in den obersächsischen Raum nach 1150 (Entwurf Blaschke) S Vgl. Bergmann, Gunter: Kleines sächsisches Wörterbuch, Leipzig 1990, Abbildung: Die Mundartlandschaften im Gebiet des Kleinen sächsischen Wörterbuches, S Abb. 7: Bevölkerung Sachsen nach Dialektzonen. Eigene Berechungen aufgrund der Kommunalstatistik des Sächsischen Statistischen Landesamts.

56 Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art die These wagen: ein Äquivalent zum Stallgeruch, der über die Nase geht, ist das heimische Klangbild, das über die Ohren geht. Man könnte die zweite These wagen, dass sich die Menschen innerhalb einer Dialektzone eher gut verstehen und miteinander können; die in zwei unterschiedlichen Dialektzonen eher nicht. Ausgehend von dem Erlebnis am Zwickauer Frühstücks tisch, wurde ich neugierig, wie denn Sachsens Theater verteilt sind. Und siehe da: sie sind im wesentlich nach Dialektzonen verteilt. Das stimmte mich nachdenklich und wurde zur Grundlage der Kulturraum-Planung. Wie Sie alle wissen, hatte diese Einteilung durchschlagenden Erfolg und hat sich über Jahre bewährt. Leider hatte sie sich dann so bewährt, dass der Innenminister die Kulturräume nahm und bei der Kreisgebietsreform daraus Großlandkreise schuf. Diese funktionieren gut. Es hatte allerdings zur Konsequenz, dass die neuen Großkulturräume dialektal nicht zusammenhängende Gebiete administrativ zusammenfassen. Und das kann eigentlich nicht richtig funktionieren; denken Sie an die Entfernung von Morgenröthe- Rautenkranz im Westerzgebirge bis nach Döbeln in Mittelsachsen. Nehmen wir als Beispiel für Sachsens durchaus imposante Theatergeschichte außerhalb der drei Großagglomerationen eben dieses Döbeln. Auf dem Schüttboden des Rathauses Döbeln spielte vor gut 250 Jahren die Neuberin, die große Wiederbegründerin deutschen Theaterwesens. Später überführte man das Theater in den Marstall. Da es dort Heizung gab, machten die fahrenden Schauspielertruppen dort besonders gerne Winterstation. Das zugrundeliegende System war, dass die Stadt ein Gebäude errichtete und es verpachtete, für ein paar Tage, Wochen oder Monate, nicht aber selbst eine Truppe und ihren Intendanten anstellte. Döbeln war denn auch, soweit ich weiß, die letzte deutsche Stadt mit einem Theaterunternehmer klassischer Form; erst 1934 unter Göbbels wurde das Haus gleichgeschaltet und intendantisiert (wenn Sie den Ausdruck verzeihen). Für mich bedeutet Döbeln eine der bittersten Episoden bei der Vorbereitung des Kulturraumgesetzes. Ich musste dem Kreistag vorschlagen, das Theater Döbeln als eigenständige Einrichtung zu schließen, um Raum zu schaffen für eine Fusion mit Freiberg. Hintergrund war allerdings, dass Döbeln gegen Ende der DDR als Abschiebebahnhof für besonders schlechte Künstler galt; aus eigenen Kräften wäre es schwer geworden, einen Neuanfang zu wagen. Und der Erfolg der Kulturraumidee setzte Qualität voraus. Döbeln und Freiberg zusammenzubringen war qualitativ gesehen unumgänglich. Wie gut das im Laufe dieser nun zwanzig Jahre funktioniert hat, können Sie daran sehen, dass es auch inhaltlich punktet nämlich: Zur Zweihundertjahrfeier der Französischen Revolution bestellte Rom Rom immerhin bei Lorenzo Ferrero»Charlotte Corday«. Und ausgerechnet dieses kleine Döbeln wagte sich mit Erfolg an die deutsche Erstaufführung in einer sehr respektablen und bestens besuchten Aufführung. Qualitativ, unter internationalen und eben auch unter inhaltlichen und sogar ethischen Gesichtspunkten, floriert dieses Theater wieder, mitten in der Provinz, in einer typisch sächsischen Mittelstadt von noch nicht einmal Einwohnern. Von der Neuberin bis heute gibt es eine Theatertradition, sie wurde bewahrt, weil Stadt und Landkreis und die Gemeinschaft der sächsischen Kommunen gemeinsam ein Boot für die Kultur gebaut haben, eben die Kulturräume. Sie sehen hier die Dialektkarte in etwas anderer Form, nämlich als Grenzziehung der Kulturräume rund um die Theater (Abb. 8). Sachsen hatte 1993 mehr Opernhäuser als Italien, und dies bei damals 4,5 Millionen Einwohnern; mehr Kulturorchester als Frankreich, viele hundert Museen, ein konsistentes Bibliothekennetz und so weiter. Das war die Ausgangslage, deren Strukturen wesentlich erhalten werden und nicht dem Systemwechsel Es gibt die bekannte Metapher von der Kultur als Feuerwehr. In Döbeln waren ab 1872 Theater im Obergeschoß und Feuerwehr im Untergeschoß tatsächlich gemeinsam untergebracht. Leider hat dies nichts genutzt, das Haus ist abgebrannt und musste im Jahre 1911 neu errichtet werden. Das schmucke Haus war lange Zeit das Zentrum städtischen Lebens und ist es weiterhin, gerade eben wurde es nach einer Sanierung gerade wieder eröffnet einschl. eines interessanten Anbaus. Abb. 8: Lage von Döbeln innerhalb der sächsischen Kulturräume. Eigene Darstellung. 55

57 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung zum Opfer fallen sollten. War doch die Wiedervereinigung der vierte Systemwechsel im 20. Jahrhundert: am 9. November 1989 der Übergang zur Republik; am 30. Januar 1934 (sic!) die Abschaffung des Föderalismus; am 9. Mai 1945 das Ende des Kriegszustandes mit kurzer Reföderalisierung bis 1952 in Mitteldeutschland; und jetzt am 3. Oktober 1990 die friedlich errungene Wiedervereinigung. Die Theater- und Orchesterlandschaft hatte alle diese Systemwechsel einigermaßen überlebt waren 71 Prozent der Theater und Orchester älter als 100 Jahre, 41 Prozent sogar älter als 200 Jahre; das Gewandhaus ist nicht nur eines der größten, sondern auch eines der ältesten bürgerlichen Orchester der Welt; die Staatskapelle eines der ältesten staatlichen Orchester der Welt; Kreuz- und Thomanerchor rund 800 Jahre alt. Dies alles war nun substantiell bedroht durch die Einführung neuer administrativer Regelungen. die durchschnittliche Einzelhandelsfläche in Mittelstädten 50 Prozent größer als in Großstädten oder in Metropolstädten. Und das gleiche gilt natürlich auch für die kulturelle Infrastruktur und den Versorgungsauftrag der Mittelstädte. Ein kurzer Blick auf die rechtliche Situation. Gibt es eigentlich einen ländlichen Raum? Nur 22 Prozent der Bevölkerung leben in einer Gemeinde, die nicht Die Kulturraumkarte ist eine heterarische Landkarte, sie geht nicht von einem Zentrum aus. Anders die Landesentwicklungsplanung Sachsen (deren erster Entwurf das Erzgebirge zum»naherholungsgebiet der Stadt Chemnitz«herunterstufte). Den Raumstrukturen des Landesentwicklungsplans 2003 (Abb. 9) liegt die hierarchische Gliederung Ober zentren Mittelzentren Unter zentren Nichtzentrum zugrunde. Würde man diese Logik auf die Theaterpolitik übertragen, so gäbe es Metropolen wie Dresden und Leipzig größer Einwohner mit Theateranspruch, Großstädte wie Chemnitz größer Einwohner mit geringerem Theateranspruch, und schließlich Mittelstädte zwischen und Einwohnern mit unklarem bzw. im Westen der Republik generell negiertem Theateranspruch. Die Bewohner der Kleinstädte und die Landgemeinden der Größenordnung kleiner Einwohner könnten generell zum Theaterbesuch in die Metropolen fahren. Wer so denkt, kennt aber beispielsweise die Verteilung der Einzelhandelsflächen nicht. Der Prenzelberg oder Berlin Mitte, wer auch immer, muss sich selbst versorgen. Anders Mittelstädte. Mittelstädte müssen nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch das umliegende Land. Deshalb ist 56 Abb. 9: Raumstrukturen im Landesentwicklungsplan Quelle: Sächsisches Staatsministerium des Inneren. Urbane vs. rurale Bevölkerung Sachsen rechtlich Abb. 10: Urbane versus rurale Bevölkerung Sachsen rechtlich. Eigene Darstellung. Urbane vs. rurale Bevölkerung nach Arbeitsplätzen Abb. 11: Urbane versus rurale Bevölkerung Sachsen nach Arbeitsplätzen. Eigene Darstellung. Bevölkerung Sachsen nach Stadttypen Abb. 12: Bevölkerung Sachsen nach Stadttypen. Eigene Darstellung.

58 Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art die Bezeichnung Stadt trägt, 78 Prozent sind rechtlich gesehen Städter (Abb. 10). Wie sieht es aus bei den Arbeitsplätzen? 2 Prozent sind rural, also Land-, Holz- und Fischwirtschaft; 27 Prozent gehören zum produzierenden Gewerbe, 71 Prozent zu den Dienstleistungen (Abb. 11). Kurz: die Selbstdefinition der heutigen Sachsen ist urban. Ein wichtiger Teil der Einwohner lebt durchaus im Grünen, mit Raum, mit Luft und ohne Lärm. Ländlich sind sie nur, wenn man sie aus den Fenstern der Ministerien betrachtet und alles, was nicht Metropole ist, als Ländlichen Raum definiert. Als hinterletzte Bauern fühlt sich der Großteil der Sachsen sicherlich nicht. Untersucht man die Einwohner Sachsens nach Stadttypen, so leben 31 Prozent der Bevölkerung in den Metropolstädten ab Einwohnern (Abb. 12 Bevölkerung Sachsen nach Stadttypen). Sie erhalten allerdings deutlich mehr Zuweisungen pro Kopf als die anderen 69 Prozent (Abb. 13). Im Finanzausgleichsgesetz 2011 ist als Summe der Zuweisungen an die Gemeinden und Landkreise 449 Euro pro Kopf festgelegt, die drei kreisfreien Städte erhalten 653 Euro oder 52 Prozent mehr pro Kopf. Im Jargon der Finanzer heißt die Besserstellung der Bewohner kreisfreier Städte»Einwohner veredelung«. Nach 20 Jahren Veredelungspolitik sehen wir einen signifikanten Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung Sachsens. Die Metropolstädte wachsen um ungefähr 1 Prozent per annum. Die Landstädte schrumpfen um 1 Prozent (Abb. 14). Dies ist die quantitative Seite. Bei den qualitativen Daten gibt es in den Metropolstädten mehr als doppelt so viele Einwohner mit Fachhochschulreife oder Hochschulreife als in den Landstädten (Abb. 15). Bei den berufsbildenden oder Schlüsselzuweisungen FAG 2011 pro Kopf kreisfreie vs. kreisangehörige Kommunen Abb. 13: Einwohnerwichtung 1,52 bei der Finanzkraft als Summe von Finanzausgleichgewicht und Eigensteuereinnahmen. Kreisfreier Raum = Euro pro Kopf; Kreisangehöriger Raum = 849 Euro pro Kopf. Eigene Darstellung nach dem Gesetz über einen Finanzausgleich Bevölkerungsentwicklung Sachsen nach Stadttypen bis 2020 Zielstellung für SOLIDARPAKT III Abb. 14: Bevölkerungsentwicklung Sachsen nach Stadttypen vom bis zum Eigene Darstellung. Höchster allgemein bildender Schulabschluß Abb. 15: Bevölkerungsentwicklung Sachsen nach Stadttypen: Höchster allgemeiner Schulabschluß. Eigene Darstellung. 57

59 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Hoch schulabschlüssen sind es exakt doppelt so viele. Da zwar noch niemand durch den Doktortitel ein besserer Mensch geworden ist, es aber bekanntlich eher die Gebildeten sind, die eine Region dynamisch nach vorne bringen, ist der Ländliche Raum schlechter aufgestellt (Abb. 16). Besonders fatal ist der Jugendüberschuss von 50 Prozent in den Kohorten von 20 bis 35 Jahren. Es sind die Jungen, die Frauen, die besser Gebilde ten, die Dynamischen, die es zur Emigration treibt, weg aus dem als ländlicher Raum stigmatisierten Gebiet. Übrig bleiben die Älteren, die Männer, die weniger Gebildeten (Abb. 17). Einrichtung (Würfel 1) ist Voraussetzung für den Beitrag des Trägers bzw. der Sitzgemeinde (Würfel 2), ist Voraussetzung für Kulturum lage des Kulturraums (Würfel 3), ist Voraussetzung für Zuwendung aus der Gemeinschaftskasse der sächsischen Kommunen (FAG) sowie des Freistaates (zusammen Höchster berufsbildender oder Hochschulabschluss Muss man diese Entwicklung hinnehmen oder sogar begrüßen oder kann man etwas dagegen tun? Wie sieht es mit der Sächsischen Kulturpolitik aus? Der überwiegende Teil der vom Land getragenen Kultureinrichtungen befindet sich in der Landeshauptstadt (Abb. 18), 53 Prozent der Aufwendungen Kunst und Kultur des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst fließen in die eigenen Einrichtungen. Immerhin 33 Prozent (51 Mio. EUR zzgl. Musikschulmittel 4,8 Mio. EUR und Mittel für die kulturelle Bildung von 0,6 Mio. Euro) fließen an die Gemeinden und Gemeindeverbände als der eine Teil der Kulturraummittel (Abb. 19). Der andere Teil der Kulturraummittel (30 Mio. Euro) stammt unmittelbar aus dem Finanzausgleich zwischen Sachsen und seinen Kommunen als Vorwegabzug von ursprünglich 1 Prozent der Gesamtsumme. Diese Mittel von derzeit 86 Mio. Euro stehen den kommunal gesteuerten Kulturräumen für die Einrichtungen und Vorhaben von regionaler Bedeutung unmittelbar zur Verfügung. Etwa 800 Personen wirken ehrenamtlich an der Verteilung der Mittel mit. Wie funktioniert das Solidarprinzip des Sächsischen Kulturraumgesetzes? Das lässt sich leicht veranschaulichen (Abb. 20): Der Eigenbeitrag der betreffenden 58 Abb. 16: Bevölkerungsentwicklung Sachsen nach Stadttypen: Höchster berufsbildender oder Hochschulabschluss. Eigene Darstellung. Abb. 17: Bevölkerungsentwicklung Sachsen nach Stadttypen: Jugendüberschuß Metropolen. Eigene Darstellung. Regionale Verteilung der Landeseinrichtungen Kultur in Sachsen Abb. 18: Regionale Verteilung der Landeseinrichtungen Kultur in Sachsen. Eigene Darstellung auf der Grundlage des EP 12 SMWK.

60 Mittelstädte sind kulturelle Zentren eigener Art Würfel 4). Gemeinsam ist Sachsen stark, weil tendenziell keine Ebene überfordert wird. Dies nun sind Mittel, mit denen an einer urbanen Selbstverständigung der Menschen außerhalb der Metropolen gearbeitet werden kann und an der Vorstellungswelt Dritter. Zum Beispiel in Döbeln mit der»charlotte Corday«. Ich danke Ihnen. Jochen Mattern: Ich danke Ihnen erst einmal für Ihren anregenden und analytisch fundierten Vortrag und möchte im Grunde nur die Runde freigeben. Ich habe vorhin schon gesehen, dass sich jemand gemeldet hat. Gibt es Fragen? Herr Reichel. Ralph Reichel: Wir haben es ja vorhin schon gehört, wir brauchen Solidarität. Was Sie in Sachsen aber beschreiben ist, dass die Strukturen nicht durch Solidarität entstanden sind, sondern letztendlich durch Biedenkopf mit seiner Macht durchgesetzt wurden. Regionale Verteilung der Landeseinrichtungen Kultur in Sachsen Abb. 19: Aufwendungen Kunst und Kultur Eigene Darstellung auf der Grundlage des EP 12 SMWK. Kulturräume in Sachsen Abb. 20: Solidarprinzip des Sächsischen Kulturraum gesetzes: Eigenbeitrag der betreffenden Einrichtung (Würfel 1) ist Voraussetzung für Beitrag des Trägers bzw. der Sitzgemeinde (Würfel 2) ist Voraussetzung für Kulturumlage des Kulturraums (Würfel 3) ist Voraussetzung für Zuwendung aus dem Gemeinschaftskasse der sächsischen Kommunen (FAG) sowie des Freistaates (zusammen Würfel 4). Eigene Darstellung. Prof. Dr. Matthias Vogt: Der was durchgesetzt hat? Ralph Reichel: Na, dass dieses Kulturraumgesetz möglich wurde. Prof. Dr. Matthias Vogt: Zuständig war der Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Hans Joachim Meyer. Im Bereich Wissenschaft einigte man sich letztendlich auf eine gegenüber den westlichen Flächenländern deutlich überproportionale Stellenausstattung von Stellen, konnte also von Stellen die Hälfte erhalten. Im Bereich Theater und Orchester gab es Stellen. Meine Analyse war, salopp formuliert: Herr Minister, Sie haben nicht zu viele Theater und Orchester, Sie haben zu wenig Geld. Weil es in Deutschland keine Umlandmitfinanzierung gibt. Es fehlt an einem solidarischen Prinzip, dass nämlich nicht alleine der Träger, sondern der Kreis derer, die die Einrichtung nutzen, bezahlt. Erforderlich war eine finanzielle Angleichung des Nutzerkreises und des Trägerkreises. Aber wie dorthin kommen? Als ersten Schritt habe ich parallel zur Kommission aus Theaterfachleuten, der Naumann-Kommission, die Interparlamentarische Arbeitsgruppe Kulturräume unter Schirmherrschaft des Landtagspräsidenten gegründet. In ihr waren alle Räume und alle politischen Ebenen vertreten. Im Ergebnis der langen Untersuchungen und Diskussionen schrieben der Sächsische Städtetag und der Sächsische Landkreistag im April 1993 einen Brief an Staatsminister Meyer:»Herr Minister, wir brauchen ein Kulturraumgesetz«. Bis zur dritten Lesung im Sächsischen Landtag am 17. Dezember gab es 19 Versionen des Kulturraumgesetzes, die 19. Fassung ging dann ohne Gegenstimmen durch. Der Kern der Überzeugungsarbeit bestand darin, dass alle sagten: Wir wollen nicht verzichten auf Theater und Orchester und Museen und Bibliotheken und Tiergärten und die Soziokultur; wir sollten nach einem solídarischen Mechanismus der Finanzierung suchen. Diskussion und Ergebnis folgten einem heterarischen Prinzip, alles war sehr stark von unten gedacht und gerade eben nicht von einem Ministerpräsidenten einsam durchgesetzt. Es war gerade die Stärke von Kurt Biedenkopf, sehr eigenständigen Ministern wie Hans Joachim Meyer oder Georg Milbradt Raum für die Entfaltung neuer Ideen zu geben, und diese wiederum mir. Ralph Reichel: Die Ergebnisse kenne ich sehr gut. Ich würde gerne noch genauer den Ursprung wissen. Das heißt letztlich ist es eine Initiative von 59

61 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Ihnen und wenigen Leuten, die sich die Legitimation geholt haben. Ich kenne immer die gegenläufigen Varianten. In Mecklenburg, da ist ein Kulturrat, den hat der Minister einberufen, da ist kein Mensch vom Theater dabei und die funktionieren als Feigenblatt, genauso wie viele Räte. Sie haben es ja irgendwie geschafft, wirklich relevant zu werden. Prof. Dr. Matthias Vogt: Am Beginn stand Anfang 1992 ein Gespräch zwischen dem Abteilungsleiter Kunst Reiner Zimmermann und mir über die Notwendigkeit schnell zu handeln, da im Moment zwei Bundesprogramme für Stabilität sorgten, aber deren Auslaufen absehbar war. Genau so sollte es Mitte 1994 ja auch ziemlich überraschend kommen. Es war Gefahr in Verzug. Wir haben uns dann geeinigt auf die Einsetzung einer Kommission, der schon angesprochenen Naumann-Kommission, zu der dann die interparlamentarische Arbeitsgruppe hinzukam. Ich ahnte, dass es irgendwann mal Krach geben würde, aber mit Ausnahme von einem sind tatsächlich auch alle dabei geblieben und wir haben das Konzept gemeinsam durchgetragen. Das erforderte viel Fingerspitzengefühl. Andererseits war die Situation in Sachsen sehr günstig unter den Landräten und Abgeordneten gab es sehr viele Menschen, die sich ein Leben ohne Musik, Buch, Kunst nicht vorstellen konnten. Aber ein Gesetz ist immer nur auf Papier gedruckt. Gestern Abend hat mir der jetzige Abteilungsleiter Kunst erzählt, wie mühsam es für ihn und seine Leute sei, die Verwaltungen davon zu überzeugen, dass nach Paragraph 2 Absatz 1 des Sächsischen Kulturraumgesetzes Kultur in Sachsen eine Pflichtauf gabe der Gemeinden und Gemeindeverbände ist. Insofern wäre es in der Tat gut, im Grundgesetz und in allen entsprechenden Landesverfassungen die Kultur als Pflichtaufgabe festzuschreiben damit wäre noch nichts über die Höhe gesagt, aber über die Gleichrangigkeit mit anderen Aufgaben. Ralph Reichel: Großartig, Glückwunsch. Ich glaube, es braucht trotzdem immer irgendwo diese einzelnen kleinen Kerngruppen, die in irgendeiner Regierungskoalition es schaffen, so etwas durchzusetzen. Das Kulturraumgesetz hat bei uns momentan leider keine Chance. Es ist tragisch. Prof. Dr. Matthias Vogt: Ich bin aktuell angesprochen worden in Bayern von SPD und GRÜNEN. Sachsen-Anhalt wird derzeit von drei Finanzministern gleichzeitig regiert. Es ist logisch, dass die sparen und nicht in die Zukunft investieren wollen. Jochen Mattern: Um das Stichwort Sachsen-Anhalt aufzugreifen, würden Sie sagen, dass Sachsen mit ganz ähnlichen Problemen ringt wie Sachsen-Anhalt? Vielleicht nicht in dieser dramatischen Form, 60 aber Ihr Anliegen war es ja, die Mittelstädte in Sachsen zu stärken. Also so wie die Band in Chemnitz singt, Kraftclub:»Ich will nicht nach Berlin«. Warum soll jemand nach Görlitz gehen, der Trend ist ein anderer und die Politik der Staats regierung operiert mit dem Bild der Leuchttürme. Man will ganz bewusst die Metropolen stärken und Sie kennen ja diesen Gegenentwurf des späteren Ministerpräsidenten, Georg Milbradt, als er Finanzminister unter Biedenkopf war: Wer Kultur will, der soll in die Städte fahren. Damit meinte er die drei urbanen Kulturräume. Prof. Dr. Matthias Vogt: Politik hängt immer mit Personen zusammen. Und wenn die Landrätin Fischer aus Kamenz dem Finanzminister sagte, sie sei ohnehin Stammgast in der Semperoper, dann muss man das geduldig besprechen. An dieser einen Person drohte mehrmals das Ganze zu scheitern. Jochen Mattern: So geht Kulturpolitik manchmal. Prof. Dr. Matthias Vogt: Ja. Ich muss Ihnen aber in einem widersprechen. Görlitz zum Beispiel ist in der Zwischenzeit so attraktiv geworden ist, dass wir höhere Zahlen beim Zuzug als beim Wegzug haben. An der Hochschule kann dies nicht alleine liegen, da die Zahl der Studienplätze ja jedes Jahr etwa die gleiche ist. Das Entscheidende ist in der Tat der Ruch der Provinzialität, und dieser Ruch beginnt sich offensichtlich in einigen Städten gerade zu wandeln. Daran nun zu arbeiten, wäre die Aufgabe der Sächsischen Landespolitik, aber auch in anderen Ländern. Wenn Sie zum Beispiel an die Oberpfalz denken, da sind die Probleme eigentlich gravierender als im Erzgebirge. Insofern ist das Problem der Mittelstädte ein gesamtdeutsches und weit darüber hinaus gehendes. Ein berühmt gewordener schwedischer Innovationsforscher fragte sich: Wo passieren eigentlich die Erfindungen. Und er stellte fest: Normalerweise in der Peripherie. Das wird dann diffundiert in die Metropolen und geht von dort aus dann national oder auch international weiter. Ein britischer Humangeograph hat dies Beatles Pattern genannt. In Liverpool wird die Musik kreiert und dann von London aus diffundiert sie in die ganze Welt. Dieses Phänomen hält die sächsische Industrie seit 700 Jahren aufrecht. Und wenn sie einen vertieften Blick in die Kulturgeschichte Europas werfen, gilt das analog auch für die Kultur. Europas Künste wurden bedeutend durch ein Gleichgewicht zwischen Metropolen und kunstsinnigen kleineren Orten. Da sollten wir weiter dran bleiben. Jochen Mattern: Gut, ich denke, das ist ein ordentliches Schlusswort. Ich wünsche uns viel Erfolg. Prof. Dr. Matthias Vogt: Danke.

62 Initiativen der Linken zur Kulturförderung in den Ländern Ein Überblick Katrin Framke Initiativen der Linken zur Kulturförderung in den Ländern Ein Überblick Einen recht schönen guten Tag. Annette Mühlberg und ich haben uns darüber verständigt, dass ich nicht die Ergebnisse der Untersuchung insgesamt vorstelle, sondern Sie versuche neugierig zu machen auf diese Untersuchung, denn sie wird in einer Form, die noch nicht ganz absehbar ist, veröffentlicht werden. Ich hatte den Auftrag von der Rosa-Luxemburg-Stiftung einmal zusammenzutragen, welche politischen Initiativen der LINKEN es eigentlich in Bund und Ländern im Bereich der Kulturförderung gibt. Gregor Gysi ist ja der Auffassung, so formuliert er es jedenfalls in seinem Beitrag für die Publikation der Linksfraktion im Bundestag, die demnächst erscheinen wird, dass die Kernkompetenz der LINKEN nicht im Bereich der Kultur liegt. Ich kann sagen, dass zumindest die Untersuchung ein etwas anderes Bild darstellt. Jedenfalls was die Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker in Bund und Ländern betrifft, konnte von mir einiges zusammengetragen werden. Allein die Tabelle mit der Auflistung der Initiativen ist sehr umfangreich. Sie umfasst viele Seiten und es gibt dann eine Zusammenfassung. Ich will mal an dieser Stelle allen Ländern und auch der Bundestagsfraktion und besonders Annette Mühlberg danken, für ihre Zuarbeit, für Unterstützung und Hinweise. Ich habe gesagt, ich mache es kurz. Ich sage mal, welche Fragen wir gestellt haben. Welche politischen Initiativen, Gesetzentwürfe habt Ihr für gesetzliche Regelungen zur Kulturförderung auf dem Weg gebracht? Auch wollten wir wissen, was wurde umgesetzt. Welche Initiativen habt Ihr zu Kulturkonzepten, Kulturentwicklungsplänen, kulturpolitischen Leitlinien auf den Weg gebracht? Wurde die Initiative umgesetzt? Dann wollten wir wissen, welche Initiativen es zu verschiedenen Kulturbereichen gibt. Die letzte Frage, die lag mir besonders am Herzen, was gibt es denn für sogenannte Best Practice Beispiele? Dann gingen die Zuarbeiten etwas langsam ein. Wir hatten eigentlich ursprünglich mal gedacht, wir werden vielleicht in vier bis fünf Wochen fertig. So richtig fertig sind wir immer noch nicht. Jetzt haben wir vier Monate. Die Qualität des Materials war ganz unterschiedlich. Bei allen Ländern und auch im Bund ist deutlich geworden, dass ein Großteil der Initiativen zur Kulturförderung durch die LINKEN im Rahmen von Haushaltsdebatten stattfindet. Da werden unzählige Anträge eingebracht, mündliche Anfragen, kleine Anfragen, alles Mögliche. Es ging auch nicht darum, einen vollständigen Überblick zu erhalten, sondern eigentlich wollten wir auch wissen, das ist hier heute auch deutlich geworden im Verlauf der Konferenz, dass es riesen Herausforderungen gibt, demografischer Wandel, leere Kassen in den Kommunen, Schuldenbremse, Legitimationsprobleme der Kultur und Kunst als Politikfeld, Probleme in der Kulturförderung, Intransparenz, Kriterien, darüber ist heute sicher auch schon gesprochen worden. Die wohl wichtigste Initiative der LINKEN aus meiner Sicht war die Initiative auf Bundesebene zur Einführung der Staatszielbestimmung Kultur im Grundgesetz. Warum war die wichtig? Sie war zum einen ein deutliches kulturpolitisches Signal von Seiten der LINKEN und knüpft nicht nur an Forderungen des Deutschen Kulturrates und der Kulturpolitischen Gesellschaft an, sondern auch an die vieler anderer Verbände und Initiativen. Im Grunde ist es auch die Position der SPD bis hin zu den KulturpolitikerInnen der GRÜNEN. Es gibt auch Vertreterinnen und Vertreter der CDU, die das für sinnvoll halten. Die FDP will es ausdrücklich. Sie sitzen ja auch alle im Bund, in den Ländern, in den Kommunen, sehen, wie sich Kultur dort entwickelt, welche Rolle sie für die Entwicklung der jeweiligen Standorte hat und wie darum gekämpft wird in Haushaltsberatungen. An der Initiative zur Aufnahme von Kultur ins Grundgesetz als Staatszielbestimmung ist, die herausragende Rolle der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz (SKK) der Partei DIE LINKE deutlich geworden. In dem Maße, wie ich mich noch einmal mit den Strukturen beschäftigt habe bei der LINKEN und auch im parlamentarischen Bereich, ist mir folgendes klar geworden. Das ist das strategische Zentrum. Dort finden Diskussionen statt. Von dort gehen Initiativen aus und ich wünsche mir, dass nach der Bundestagswahl 2013, egal wie das Ergebnis der LINKEN aussehen wird, dass dieses Zentrum weiter existiert. Denn, es gibt bei der Rosa-Luxemburg- Stiftung kein wirklich arbeitsfähiges Kulturforum. Es gibt jenseits der Fraktionen in der Partei DIE LINKE, also ich meine in der Bundesgeschäftsstelle, keinen Referenten für Kultur. Innerhalb der Partei DIE LINKE gibt es kaum Konzepte für dieses 61

63 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Politikfeld. Sachsen und Nordrhein-Westfalen haben sich auf den Weg gemacht, das wird in der Untersuchung auch dargestellt, wie sozusagen Bausteine aussehen können. Also das Gremium ist unverzichtbar. Die Untersuchung bildet weiterhin Initiativen der Länder zu Kulturgesetzen, zu kulturellen Leitlinien, zu Rahmenplänen und so weiter ab einiges ist hier vorgestellt worden. Es ist hier gerade eben dargestellt worden, dass wenn es ein Kulturraumgesetz gibt, ein Kulturfördergesetz, dann gibt es etwas weniger Probleme mit der Legitimation. Ich will auch noch anfügen, dass die Diskussion um die Staatszielbestimmung für Kultur nicht nur dazu geführt hat, dass DIE LINKE dieses Thema auf die politische Agenda gehoben hat und zwar in allen Bundesländern, wo DIE LINKE vertreten ist und auf der Bundesebene, sondern es ist auch innerhalb der Partei nicht wirkungslos geblieben, weil natürlich dann auch die Partei DIE LINKE sich mit dem Stellenwert von Kultur beschäftigen muss. Ich wünsche mir, dass sie sich auch mit ihrer kulturellen Praxis und ihrer kulturellen Ausstrahlung beschäftigt, und dass auch Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker mit ihrem politischen Feld einen anderen Stellenwert bekommen, einen der vielleicht auch mithält mit anderen Feldern wie Bildung, Soziales, Innenpolitik und so weiter. Was haben wir für Schlussfolgerungen gezogen? Und da nehme ich nur eine heraus. Zur Partei habe ich schon etwas gesagt. Kultur muss einen anderen Stellenwert bekommen, in der Partei DIE LINKE und in der Rosa-Luxemburg-Stiftung muss dieses Arbeitsfeld personell und finanziell anders ausgestattet werden, sonst wird das nichts. Weil, nur eine Partei, die sich als kulturelles Projekt versteht, wird erfolgreich sein. Zur Kulturförderung selbst: Ich empfehle unbedingt, dass die Antragsdatenbanken, die es gibt mal überprüft werden. Ich habe versucht, da was zu finden, zur Kultur. Die werden nicht regelmäßig aktuell eingepflegt. Das ist auch ein Ressourcenproblem, aber vielleicht misst man diesen Antragsdatenbanken auch nicht so eine Bedeutung bei. Wichtig finde ich ein zentrales Themenportal Kultur, das existiert schon, das sollte noch besser aufbereitet werden. Das wünsche ich mir im Übrigen auch für die Rosa-Luxemburg- Stiftung. Warum ist so ein Themenportal wichtig? Also mal abgesehen davon, dass andere Leute sehen sollen, was machen die da eigentlich auf diesem Feld, geht es vor allem darum und das spielt in der Untersuchung eine große Rolle, dass man sozusagen voneinander lernt. Und zwar die linken Akteure untereinander. Wenn es eine so tolle Initiative wie den Kulturkonvent gibt, dann stellt sich die 62 Frage, ist das nicht aufgreifbar für andere Bundesländer. Mecklenburg-Vorpommern hat ja danach gefragt. Ist es ein Weg, den man natürlich mit regionalen Besonderheiten, auch in anderen Bundesländern gehen könnte? Das gilt gleichermaßen für alle möglichen Initiativen zum Erhalt und zum Ausbau der kulturellen Infrastruktur, wie Bibliotheksgesetze, Gesetze, die sich auf Musikschulen, die Opern- und Theaterförderung beziehen. Unsere Fraktionen sind ja ressourcenmäßig eng ausgestattet in den Parlamenten. Also, warum kann man sich nicht einen solchen Entwurf nehmen und ihn ebenfalls einbringen? Ich habe selber mal in einem Abgeordnetenhaus gearbeitet und weiß, dass Gesetzentwürfe die hohe Form sind. Da arbeitet man lange dran. Es ist im Übrigen auch deutlich geworden, dass Initiativen zur Kulturförderung, die sich besonders auf Gesetze beziehen und auf Verstetigung, auf grundsätzliche Problematiken, nicht selten über mehr als eine Legislaturperiode verfolgt werden und verfolgt werden müssen. Das hat zum einen zu tun mit den innerparteilichen und innerfraktionellen Zusammenhängen. Da gibt es auch mal Themenwechsel. Es gibt durch Wahlen auch abbrechende Personenkontinuitäten. Dann muss das Thema neu aufgegriffen werden und wird dann mühsam wieder geboren. Auch dafür wäre ein solches Themenportal wichtig, damit man dort schnell den Anschluss findet. Dann kann man Best Practice Beispiele besser nachahmen. Entscheidend ist, finde ich, dass die SKK fortbesteht und sich dort der weitere Austausch vollzieht. Irgendwann wird diese Untersuchung erscheinen. Ich hoffe, Sie finden Interesse und Vergnügen daran. Vielen Dank! Dr. Annette Mühlberg: Vielen Dank an Katrin. Natürlich erscheint sie. Wir werden sie vorher auch in die Länder schicken, damit gegebenenfalls noch etwas ergänzt werden kann, weil wir ja noch nicht aus allen Ländern dafür einen Rücklauf bekommen haben. 1 1 Die Untersuchung von Katrin Framke ist inzwischen veröffentlicht. Sie ist auf den Internet-Seiten der LINKEN zu finden unter: politische-initiativen-der-linken-zur-kulturfoerderung-inbund-und-laendern-ein-ueberblick/

64 Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte mit Volker Külow (MdL, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Sachsen), Jayne-Ann Igel (Schriftstellerin, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Kultur Sachsen), Dr. Birgit Klaubert (MdL, Kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag Thüringen), Lorenz Müller-Morenius (Freier Maler und Zeichner, ver.di NRW) Moderation: Dr. Annette Mühlberg Dr. Annette Mühlberg: Wir kommen jetzt zum zweiten Podium»Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte«. Hier gibt es eine kleine Änderung zum ursprünglich vorgesehenen Programm. Gerd-Rüdiger Hoffmann, der heute Vormittag noch da war, er ist im Landtag von Brandenburg und ist auch Sprecher der LAG Kultur Brandenburg, konnte leider nicht hierbleiben, weil er einen Todesfall in der Familie hat und da einfach Beistand leisten muss. Das ist das Leben. Ich habe kurzfristig die Moderation für das Podium übernommen und werde da mein Bestes tun. Ich bitte auf das Podium: Volker Külow, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag Sachsen. Jayne-Ann Igel. Sie ist Schriftstellerin. Sie hat sich vorhin schon selbst vorgestellt, ist heute wesentlich als Sprecherin der LAG Kultur Sachsen hier. Ich bitte Dr. Birgit Klaubert, Mitglied des Landtags und Kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag Thüringen und Lorenz Mueller-Morenius aus Nordrhein-Westfalen, freier Maler und Zeichner, ver.di NRW auf das Podium. Da wir vor Katrin und vor der Kaffeepause ja den Vortrag von Professor Vogt gehört haben, würde ich in dem Falle, was sich ja logisch anschließt, mit Sachsen beginnen und Dich lieber Volker zunächst, um einen Kommentar insbesondere zum Sächsischen Kulturraumgesetz bitten, welche Erfahrungen Ihr damit habt. Schützt das vor Kulturabbau, schützt das vor Kürzungen, hilft das den Kulturschaffenden etwas zu behaupten oder weiterentwickeln zu können und welche Position hat DIE LINKE dazu? Volker Külow: Es ist nicht ganz einfach nach dem Meister höchst selbst zum Kulturraumgesetz zu sprechen. Möglicherweise wird das jetzt etwas epigonenhaft, weil natürlich keiner in Sachsen so tief drin steckt im Kulturraumgesetz wie Prof. Vogt, der Erfinder oder Vater oder wie wir das auch immer scherzhaft nennen. Wenn ich jetzt ein paar kritische Bemerkungen zum Kulturraumgesetz und seinen Wirkungen mache, dann ist mir völlig bewusst, dass wir auf sehr, sehr hohem Niveau klagen. Vorhin wurde ja die Kulturfinanzstatistik 2012 bemüht. Die hat wahrscheinlich doch jeder hier halbwegs parat. Die besagt, dass Sachsen mit 175 Euro pro Kopf unter den Flächenländern gewissermaßen ganz vorn liegt, getoppt von zwei Stadtstaaten. Ich will jetzt zu den Funktionsmechanismen nicht viel sagen. Wenn es da Nachfragen gibt. Gerne. Es ist ja weiland gegründet worden, das kam vorhin nicht ganz so raus, um vor allem die Struktur der Orchesterlandschaft in Sachsen zu erhalten, die nach wie vor enorm dicht ist, mit 15 Theatern. Viele Mittelstädte haben noch immer ihr eigenes Theater und wir haben, das ist vielleicht in anderen Ländern nicht ganz so, so eine Provinzfürstenstruktur. Die konservative Hegemonie der CDU ist für Ostdeutschland und für die Bundesrepublik insgesamt sehr stabil, so ähnlich ist es nur in Bayern mit der CSU. Und wir haben überall Land - räte von der CDU, die sich aber inzwischen gewissermaßen gerne ans Revert heften, dass sie ein eigenes Theater haben. Das ist an der Stelle ein vernünftiger Wandel, der in den Köpfen stattgefunden hat. Leider ist es aber auch in den sächsischen Theatern so, dass dort Haustarife gelten und dass dort die soziale Situation der Beschäftigten nicht besonders komfortabel ist. Leider wurde im letzten Jahr ein Orchester abgewickelt. Das hatte auch überregional Schlagzeilen gemacht, das Orchester der Landesbühnen Sachsen. Wir haben dagegen vehement angekämpft im Parlament, alle Register gezogen. Das Orchester selber hat noch gespielt vor dem Landtag. Das war eine ziemlich dramatische Situation. Und das wirklich tolle Kulturraumgesetz ist dann auch geschröpft worden und aus den 86,7 Millionen Euro, die in die drei urbanen und fünf ländlichen Kulturräume fließen, sind etwas über 3 Millionen zweckentfremdet für die Zwangskommunalisierung der Landesbühnen in Sachsen verwendet worden. Wenn ich das wie gesagt alles kritisch moniere, dann muss ich deutlich sagen, wir wissen, dass wir auf hohem Niveau klagen. Das Kulturraumgesetz ist in der Tat ein Schutzschirm. Trotzdem findet auch in Sachsen ein schleichender Kulturabbau statt. Um vielleicht mal eine Zahl zu nennen. Nach der Wende hatten wir tausend Bibliotheken in Sachsen, jetzt sind es noch etwa über 500. Die Zahl hat sich zum Beispiel halbiert. Anders die Zahl 63

65 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung der Museen, vorhin hatte glaube ich der Tobias Knoblich etwas von Wildwuchs gesagt, sie ist enorm nach oben gegangen. Also es gibt auch gegenläufige Tendenzen. Vielleicht noch eine gute Nachricht auf einer Konferenz der LINKEN, auch wenn es mit dem Kulturraumgesetz nichts zu tun hat, aus Zwickau. Ab morgen ist dort der Eintritt in den städtischen Museen, weil gerade das Stichwort Museen fiel, frei, kostenlos. Die LINKEN haben einen Antrag dazu im Stadtrat gestellt, dann ist anderthalb Jahre hin und her verhandelt worden. Die anderen Fraktionen hatten andere Prioritäten. Wir haben aber den kostenlosen Einlass in die Museen in Zwickau durchbekommen. Das will ich an der Stelle einfach mal würdigen. Ich möchte noch eine Tendenz benennen, die für uns sehr bedenklich ist, sie hat nicht unmittelbar etwas mit dem Kulturraumgesetz zu tun. Ich will es aber deutlich machen, weil es wahrscheinlich in anderen Ländern ähnlich ist: Zunehmend hat die Sächsische Staatsregierung den Hang zur Privatisierung, es ist gewissermaßen so eine Art Entstaatlichung, so will ich es mal nennen, der Kulturstrukturen, das gilt für die Sächsischen Schlösser, Burgen und Gärten zum Beispiel. Da wird dem Ganzen im Augenblick die Spitze aufgesetzt. Jeder hier im Saal kennt sicherlich das Meißener Porzellan, Böttcher, August der Starke und so weiter und so fort. Nach dem Willen der Gesellschaft, das ist der Freistaat Sachsen, wird das jetzt in einen internationalen Lifestyle- und Luxuskonzern umgewandelt und dadurch, dass es eine private Rechtsform hat, haben wir als Landtag überhaupt keine Möglichkeit mehr, dort noch in irgendeiner Form einzugreifen. Wir haben einen Antrag gestellt, dass das mal thematisiert wird. Da sind wir vor zwei Tagen abgebürstet worden von der Staatsregierung. Das ist nicht mehr feierlich. Es gibt eine enorme Unruhe. Es hat inzwischen abnorme Aspekte angenommen, da wird schon ganz viel gar nicht mehr mit Porzellan gearbeitet, sondern in Italien wird der Schmuck hergestellt, wo bloß noch die Schwerter reingestampft werden. Im Großen und Ganzen muss man schon sagen, das Kulturraumgesetz ist ein Erfolgsmodell. Wir haben mehrmals seine Aufstockung von 86,7 auf 100 Millionen wegen Inflationsausgleich gefordert in den Haushaltsverhandlungen. Damit konnten wir uns nicht durchsetzen. Aber im Großen und Ganzen ist es toll und wie gesagt, wir haben noch immer eine relativ stabile Infrastruktur in Sachsen und wenn ich hier kritische Anmerkungen mache, dann weiß ich, wie dramatisch anderswo die Situation ist. Dr. Annette Mühlberg: Vielen Dank. Ich möchte zunächst im Sächsischen Raum bleiben und die 64 nächste Frage an Jayne-Ann richten. Ihr habt ja als erstes Land den Versuch gestartet, kulturpolitische Leitlinien zu entwickeln. Ich finde das sehr vorbildlich. Mich interessieren Eure Beweggründe und auch Eure Erfahrungen. Ich weiß, dass Ihr noch immer in der Diskussion über den Entwurf 2 seid und den sehr breit diskutiert habt. Ich war selber auf Eurem Konvent. Was waren die Beweggründe und was sind die Erfahrungen mit diesen Leitlinien? Jayne-Ann Igel: Wir begannen 2009/2010 damit und eigentlich war unser Ansatzpunkt damals gewesen, Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern, die als erste unter einem Konsolidierungsdruck stehen und immer in einer Rechtfertigungspflicht sind, wenn es um kulturelle Sachen geht, Argumente an die Hand zu geben, um in den Haushaltsdebatten, wo das eine große Rolle spielt, sich besser aufstellen zu können. Wir hatten damit auch ein Weiterbildungsangebot verknüpft und das auch in ein, zwei Regionen durchgeführt und merkten aber recht schnell, dass wir mit unseren Thesen, die wir erarbeitet haben, so 12, 13 Stück, längst nicht dem gerecht werden, was wir für das Land Sachsen eigentlich brauchen an kulturpolitischen Ansätzen. Den Hintergrund bildete ja zum einen die Banken- und Finanzkrise. Es ist ja bekannt, wer die Mittel dafür dann aufgebracht hat und wo sie dann eben auch fehlen. Zum anderen, dass die EU-Sonderfördermittel für die neuen Länder, das wurde heute auch schon mal genannt, sich in absehbarer Zeit verringern bzw. dass sie auslaufen werden und der Staatshaushalt entsprechend schmaler aussehen wird. Was auch ein Problem ist, weshalb die Decke dieser löblichen Kulturräume resp. deren Ausstattung doch ein bisschen enggestrickt ist oder löchrig. Löchrig aufgrund der fehlenden Dynamisierung der finanziellen Ausstattung dieser Kulturräume. Das muss man schon benennen. Das ist ein Fakt: die gleiche fixe Summe für jedes Jahr ohne Inflationsausgleich, da kann man sich ausrechnen, dass das eigentlich eine Kürzung ist. Von Sparen möchte ich gar nicht sprechen. Also das waren die Ansatzpunkte gewesen. Aus diesen Thesen haben wir einen Text gemacht und sind dann ins Gespräch getreten, mit den Akteuren, d.h. wir haben das Papier flächendeckend versandt an die Kulturraumsekretäre, die Kulturraumpräsidenten und so weiter, an Akteurinnen und Akteure in den verschiedenen Regionen und auch Rückmeldungen bekommen. Darin wurden auch Probleme benannt und Fragen 2 Die Kulturpolitischen Leitlinien der LINKEN in Sachsen sind am 8. Februar 2014 vom Landesverband verabschiedet worden, die digitale Fassung ist verfügbar unter: fileadmin/download/kultur/weitere_texte/140208_kulturpolitische_ leitlinien_sachsen.pdf

66 Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte gestellt. Zum Beispiel: Wollt ihr vorrangig eine Bestandswahrung hier haben oder geht es nicht vielmehr auch um eine Kulturentwicklung und wie soll die aussehen? Es kommen immer mehr Projekte dazu, die sich diesen Kuchen teilen und wie müssen wir da verfahren? Muss es da nicht wirklich auch um ein Kulturentwicklungskonzept gehen? Es ging auch um den demografischen Wandel, was machen wir mit den ländlichen Räumen, die immer mehr ausdünnen. Es gibt jetzt in Sachsen so ein Beispiel. Man kämpft in Seifhennersdorf um den Erhalt einer Schule. Und wahrscheinlich sind sich die Akteurinnen und Akteure, die um den Erhalt dieser Schule in dieser Kleinstadt kämpfen, gar nicht so recht bewusst, was sie da eigentlich tun: Dass sie diese Schule auch als kulturellen Ort ihrer Stadt erhalten wollen. Es ist vielleicht ein letzter kultureller Ort und Anknüpfungspunkt, den es da noch gibt in Seifhennersdorf und Umland. Also solche Prozesse gibt es schon auf dem Land, und ich denke, in dieser Hinsicht müssen die Leitlinien noch weiter qualifiziert werden. Da ist noch nicht alles getan. Oder es wurde angefragt: Was ist eigentlich mit den basiskulturellen, soziokulturellen Einrichtungen. Wie steht Ihr dazu? Ich will jetzt wirklich nicht diese Trennung zwischen Hoch- und Basiskultur aufmachen, aber ich meine, letztere sind wirklich an der unteren Kante der Förderung, weil die Förderung in Sachsen in den letzten Jahren oder fast schon ein Jahrzehnt oft von einer institutionellen auf eine Projektförderung umgestellt wurde, und das macht es schwierig, in solchen Projekten vorausschauend zu arbeiten. Dr. Annette Mühlberg: Danke. Von den Regionen würde ich jetzt zunächst gerne nach Thüringen gehen. Liebe Birgit. Das Kulturraumgesetz in Sachsen war oder ist das für Euch in irgendeiner Form Anregung auch über gesetzliche Regelungen und über einen Lastenausgleich zwischen den Kommunen nachzudenken? Dr. Birgit Klaubert: Als ich vor einigen Jahren, das war im vergangenen Jahrtausend, in den Thüringer Landtag kam, war dieses Modell aus Sachsen eigentlich das Vorbildmodell. Dazu muss ich sagen, dass ich aus Altenburg komme und Sie werden das wissen, dass in der Naumann-Kommission dieser Standort Altenburg eine Rolle gespielt hat damals in der Überlegung mit dem Bergarbeiterorchester, dem Symphonieorchester Borna und dem Zeitzer Theater zusammen zu arbeiten. Es gab nur drei Probleme, nämlich drei Landesgrenzen. Vor diesem Hintergrund bin ich damals in den Landtag gegangen und habe mir vorgestellt, dass das Modell für Thüringen übertragbar wäre. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, es ist insgesamt nicht übertragbar, aber eben in vielen Bereichen. Und als Erstes, Sie sind vorhin noch einmal darauf eingegangen, vor dem Hintergrund der Definition der Kultur als Pflichtaufgabe. Wir haben lange Zeit auf der politischen Ebene darüber diskutiert, ob das zu einem Verwaltungswirrwarr führen könnte, wo dann vielleicht noch die Zuordnung von Kultureinrichtungen je nach Verwaltungsgröße stattfinden könnte. Aber Sie haben das ja vorhin noch einmal sehr deutlich erläutert, vor dem Hintergrund, dass auf der kommunalen Ebene die Decke immer kürzer wird und nicht alle politisch engagierten Bürger Kulturbürger sein wollen, wenigstens nicht dann, wenn es um das Geld geht, ist es immer sehr leicht, wenn bei der Bewertung der Haushalte gesagt wird, es werden erst die Pflichtaufgaben erledigt und die werden oft nicht mehr in ausreichender Form erledigt werden können und dann die freiwilligen Aufgaben. Wir haben in vielen Bereichen ein Verständnis dafür, dass diese Gestaltungskraft da sein muss und ich muss auch sagen, in Thüringen jammern wir gewissermaßen auf hohem Niveau. Ich werde es aber dann auch eingrenzen. Wir jammern deshalb auf hohem Niveau, weil es tatsächlich gelungen ist mit dieser Landesregierung, die aus SPD und CDU besteht, den Kulturhaushalt zu erhöhen, bei einem sinkenden Gesamthaushalt. Wir haben ja aus Sachsen den Finanzstaatsekretär importiert bekommen samt seiner großartigen Vorstellung zum kommunalen Finanzausgleich. Die Wirkungen sind jetzt unmittelbar vorhanden. Und es ist gelungen und das sage ich auch ein bisschen mit Selbstbewusstsein, auch durch den Druck der LINKEN und früher der PDS, dass wir jetzt einen Kulturlastenausgleich in Höhe von 9 Millionen im Haushalt eingestellt haben, der so ausgereicht wird, dass drei Landkreise und mehrere Gemeinden, also Städte, einen Zuschuss erhalten, wenn sie einen bestimmten Betrag an Kulturförderung aus dem eigenen Haushalt selbst aufbringen und die Kulturquote, das hat heute Morgen Tobias Knoblich noch einmal gesagt, über 4 Prozent ist. Wir haben jetzt in der eigenen Partei die Diskussion, wir haben eben nicht nur CDU-Landräte, wir haben drei linke Landräte und wir haben auch eine Oberbürgermeisterin in Eisenach mit dem Parteibuch der LINKEN, dass dort jetzt so die Vorstellung entsteht, dass dieses Geld pauschal zugeordnet würde. Und wir sagen aus kulturpolitischer Sicht, nein, es ist völlig richtig, dieses Geld daran zu binden, dass die Kulturaufgaben erledigt werden. Es ist gewissermaßen ein Belohnungsmechanismus, der stattfindet und den man durchaus noch ausweiten kann. Ich denke und da will ich noch einmal bei Volker Külow, aber bei seiner Intervention heute Morgen, anknüpfen. Ich denke wir müssen radikaler die Forderung nach Förderung von Kultur aussprechen. Und es tut mir sehr weh, 65

67 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung dass der Genosse Gysi zu solchen Aussagen kommt, wie sie vorhin genannt wurden. Und ich weiß auch nicht aus welchen Informationen er diese Aussage speist, dass die Kultur nicht die Kernkompetenz der LINKEN ist. Ich glaube, Kultur ist Kernkompetenz keiner Partei unter heutigen Bedingungen. Aber wir hätten die Chance, dieses zur Kernkompetenz zu machen, als bildungsdemokratisches und soziales Problem. Das könnte ihm ja mal mitgeteilt werden, dem Genossen Gysi. Dem Genossen Riexinger habe ich das übrigens schon mal gesagt. Wir müssen da auch selbstbewusster sein und da geht es nicht nur darum, um noch mal an Zimmermann anzuknüpfen, immer nur das Bestehende zu erhalten oder wie Tobias Knoblich heute Morgen sagte, jedes neu gefundene Denkmal, in welchem sich jemand befindet und dieses als Museum erklärt, gleich in den nationalen Kulturbestand aufzunehmen und es zu fördern. Aber ich denke, Kulturförderung, um unserer Nachwelt etwas von uns zu übergeben, könnte zur ursprünglichen Aufgabe der LINKEN im Interesse des demokratischen Funktionierens der Gesellschaft werden. Da wünsche ich mir mehr Radikalität, mehr Freude an diesem Thema und auch mehr Selbstbewusstsein, so wie das jetzt im Bundestagswahlprogrammentwurf ist, geht das gar nicht. Aber das ist ja jetzt nicht das Thema. Die Situation, was wir in den Flächenländern als kulturpolitische Ideen einbringen, ist glaube ich ein beredtes Beispiel dafür, dass wir diese Kompetenz auch haben, aber anders mit dieser Kompetenz umgehen müssen. Ich wünsche mir weniger die Bestätigung unserer Positionen, sondern ich wünsche mir vielmehr, dass wir als LINKE die Kraft in den Ländern haben bei einem gestaltenden Kulturföderalismus, die Ideen der Kulturschaffenden, der Kulturorganisatoren, die Ideen aus der Soziokultur, die Idee der Vernetzung, von Bildungs- und Kultureinrichtungen, also der bisher klassischen Bildungs- und Kultureinrichtungen, aufzunehmen. Und ich denke da liegt ein ungeheures Potential für uns und ich denke im Kontakt auch mit jenen, die Kultur gestalten wollen und genießen wollen und zwar von ganz klein an, können wir die Erfahrungen der Länder auch in die Bundesrepublik und ich sage jetzt noch mal auch ganz deutlich in eine europäische kulturelle Vielfalt einbringen. Wir stellen dabei derzeit unser Licht unter den Scheffel. Das tut mir manchmal sehr weh und deswegen muss ich sagen, mehr Selbstbewusstsein. Dr. Annette Mühlberg: Liebe Birgit, bevor ich noch etwas zu Gregor Gysi sage, etwas Erläuterndes, möchte ich noch bei Dir nachbohren. Ihr habt einen Entwurf für ein Kulturfördergesetz in die Diskussion gegeben, dass Du dazu etwas sagst 66 und auch über die Chancen in Thüringen eventuell etwas in Anlehnung an das Sächsische Kulturraumgesetz auf den Weg zu bringen. Dr. Birgit Klaubert: Ja, wir haben begonnen mit einem Kulturfördergesetz, in dem wir uns dann an einem bestimmten Bearbeitungspunkt ganz einfach mal Prof. Zembylas einluden, der sich maßgeblich für die österreichischen Kulturfördergesetze einsetzte. Und da haben wir auch eine größere Veranstaltung gemacht und alle Kulturverbände, alle Kulturschaffenden, übrigens auch verschiedene politische Parteien haben gesagt, wir brauchen ein Kulturfördergesetz. Dann haben wir das erstmal definiert: Kulturförderung, es geht nicht nur um den Erhalt, wir wollen die Förderung. Und dann sind wir in die Falle geraten. Und die war zu beschreiben, was Kultur für DIE LINKE ist und das in Gesetzesform zu gießen. Und dann hatten wir unendlich viele Ausformulierungen für jeden Bereich, den wir im kulturellen Umfeld haben und haben dann erst einmal aufgegeben. Dann sind uns die GRÜNEN als Partner abhanden gekommen, dass muss ich auch dazu sagen, die hatten dann plötzlich finanzpolitische Richtlinien, da ging es dann mehr darum, dass man die Haushalte sanieren möchte und dann haben die dann plötzlich gesagt, dass sie solche Kulturfördergesetze nicht mehr mitmachen können aufgrund ihrer eigenen politischen Entscheidungen. Das Gesetz liegt vor, also in dieser Rohfassung und ich würde mir sehr wünschen, dass wir dann vielleicht in der SKK dazu noch eine Beratung vornehmen. Wir müssen das eindampfen auf einen händelbaren Gesetzentwurf und trotzdem in diesem Gesetzentwurf es wenigstens so weit verankern, dass wir Kultur entwickeln können für die Zukunft. Vielleicht gelingt uns das auch mit den unterschiedlichen Ansätzen in den einzelnen Ländern und wir würden da gerne unser angearbeitetes Werk zur Verfügung stellen. Dr. Annette Mühlberg: So sollten wir das machen. Das nehmen wir uns heute vor. Das nehmen wir mit und ist schon auf meinem Aufgabenzettel. Ich wollte jetzt aber kurz etwas zu Gregor Gysi sagen, weil die zitierte Äußerung aus dem Zusammenhang gerissen ist. Zunächst kann ich etwas sehr positives vermelden, draußen liegen Vorankündigungszettel. Wir werden noch im Juni eine umfassende kulturund medienpolitische Publikation der Bundestagsfraktion DIE LINKE veröffentlichen, mit dem Titel»Zukunft ist ein kulturelles Programm«3. Wer die 3 Die Publikation der Bundestagsfraktion DIE LINKE.»Zukunft ist ein kulturelles Programm. Kultur- und medienpolitische Positionen«ist im Juni 2013 erschienen, die digitale Fassung ist verfügbar unter:

68 Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte Geschichte des Programms»Kultur für alle«kennt weiß, dass das ein Zitat von Hilmar Hoffmann ist, das wir da ganz bewusst aufgreifen, und diese Bewertung zieht sich eigentlich durch die Beiträge, auch Birgit Klaubert hat einen Beitrag in dieser Publikation. Es schreiben Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Katja Kipping, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Rosemarie Hein, unsere Bildungspolitische Sprecherin, Kathrin Senger-Schäfer, sie war heute Moderatorin, unsere Medienpolitische Sprecherin, Dr. Petra Sitte, unsere Technologie- und Wissenschaftspolitische Sprecherin über Digitalisierung, Herbert Behrens über soziale Lage von Künstlern, Heidrun Blum über Stadtentwicklung und Kultur, Norbert Hackbusch über Hamburg eine Stadt ist keine Marke, Wolfgang Brauer: Berlin am Bundestropf über Sinn, Licht und Schatten der Hauptstadtkulturförderung und Birgit eben über das Kulturland Thüringen, Stefan Liebich, für eine Kultur des Friedens, Prof. Dr. Lothar Bisky, Europa als kulturelles Projekt. Also eine umfassende Publikation. Schon alleine dies ist denke ich ein absolutes Plus und ein Zeichen, dass wir den Wert von Kultur schon sehen. Und Gregor hat dort einen Aufsatz, den wir dann alle nachlesen können, wo er beginnt und das hatte ich in einer kleinen Runde vorab erzählt, dass Kultur gemeinhin nicht zum Markenkern der LINKEN gehört. Das seien nicht nur eigene Versäumnisse, sondern das hänge auch mit unserer Geschichte zusammen, weil sich die LINKE nun mal in der Geschichte als eine Partei der sozialen Gerechtigkeit formiert hat. In seinem Beitrag aber sagt er dann, dass Kultur etwas ist, was scheinbar außerhalb der sozialen Frage liegt, aber eben nur scheinbar, denn im Folgenden erläutert er dann wie auch in der Geschichte der Arbeiterbewegung das Thema Kultur immer wieder aufgerufen wurde, in den verschiedenen Stationen und tatsächlich einen ziemlich hohen Stellenwert hatte und er argumentiert dann in seinem Beitrag mit verschiedenen Gründen dafür, dass es ein Mehr an Kultur in der Gesellschaft geben muss. Insofern, liebe Birgit, lesen wir vielleicht erstmal alle den Beitrag von Gregor. Dr. Birgit Klaubert: Na ich habe ja vorhin nur den Satz korrigieren müssen, weil mir das immer weh tut, wenn so ein Satz im Raum steht. Dr. Annette Mühlberg: Wir haben nach der Publikation aber sehr wohl diskutiert, dass wir uns in der LINKEN mit diesem Zusammenhang von Kultur und sozialer Frage auch in der Arbeiterbewegung und unseren eigenen linken Traditionen näher beschäftigen wollen und wollen das auch in der Rosa-Luxemburg-Stiftung tun. Also das ist die Konsequenz. So, jetzt kommen wir aber sozusagen nach dem Werbeblock wieder zum Thema des Podiums zurück. Jetzt würde ich gerne nach Nordrhein-Westfalen gehen, und Lorenz Mueller- Morenius befragen, der ja ein richtiger bildender Künstler, Maler, Zeichner ist, aber auch ein Multifunktionär in den vergangenen Jahren. Ihn möchte ich zunächst nach den Chancen eines Fördergesetzes in Nordrhein-Westfalen fragen. Lorenz Mueller-Morenius: Liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Kulturdebatte in NRW ist geprägt von gegensätzlichen Diskussionen. Wir haben einen Kulturrat, aber dieser Kulturrat ist ausschließlich den Urheberinnen und Urhebern vorbehalten und verpflichtet. Da sind alle Landesverbände organisiert, die Urheber vertreten, Musikschule, Medien, Bildende Kunst und so weiter. Das ist deshalb anders als hier beim Bundeskulturrat mit Olaf Zimmermann, weil auf Landesebene die Verwerter sich eigentlich nicht organisieren, denn sie sehen ihre Lobby in Berlin, beim Bundestag. Das heißt, wir haben einen starken Kulturrat, der sehr selbstbewusst und markant die Belange der aktiven Künstlerinnen und Künstler vertritt und der schon fast Zelte im Landtag hat, weil er regelmäßig hingeht und sagt, so und so ist das mit dieser oder jener Sache. Wir haben um den Haushalt sehr gestritten in diesem Jahr. Er ist linear gekürzt worden. Uns hat es nicht eingeleuchtet, dass man einen Minihaushalt für Kultur auch noch mitkürzt. Wir sind tatsächlich reingegangen und haben gesagt, es kann auch sein, dass man an einer bestimmten Stelle einen Haushalt erhöht. Nämlich dann, wenn man einsieht, dass das ein besonders wichtiger Teil der gesellschaftlichen Realität ist. Davon sind wir ausgegangen. Wir haben natürlich nicht gewonnen. Aber, die Debatte steht an und ich muss Euch ehrlich sagen, was Olaf Zimmermann hier geschildert hat, mit der Beteiligung des Parlaments und den Parteien in solch einem Kulturkonvent, das ist für mich ein bisschen gefährlich, weil dann ein vorgebliches Konsensmodell herauskommt, das auch im Landtag fortwirkt, aber am Ende keine Auswirkungen auf den Haushalt hat. Aber es geht ja noch weiter. Dieses Modell, das Ergebnis wird als Alibi gegen die Akteure verwendet. Die Politiker können, wenn sie kürzen, den Akteuren sagen, wieso, da waren Sie doch dabei. Das haben Sie doch mitgemacht. Da ist in Nordrhein-Westfalen die Sache viel strenger, viel kontroverser und heftiger, obwohl ich zugeben muss, dass im Vorstand, ich bin selbst Mitglied im Vorstand des Kulturrats NRW, dass im Kulturrat sehr viele Geschäftsführer von Landesverbänden sind, die mittelbar in ihren Zuschüssen von der Landesregierung abhängig sind. Wenn die inzwischen auch sagen, jetzt müssen wir was tun, dann ist es wirklich nötig, dann wird es ernst. Wir haben mobilisiert und wir werden das noch weiter machen, wir haben eine Unterschriften- 67

69 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung sammlung im Internet veröffentlicht, mit 8000 Unterschriften. Wir haben im Vorstand eine ganz eigentümliche Allianz. Es gibt eigentlich nur zwei unabhängige Gruppierungen. Das ist einmal der Vorsitzende, der ehemalige Bundesminister Baum von der FDP und ver.di. Wir beide haben mit der Landesregierung nur Diskussionen, keine finanziellen Abhängigkeiten. Und wir haben tatsächlich den ganzen Kulturrat davon überzeugt, dass wir diesmal hingehen müssen und sagen nein, der Kulturetat soll nicht gekürzt werden. Das was jetzt hier zur Debatte steht in diesem Raum, dieses Kulturfördergesetz, dafür liegt momentan in Nordrhein-Westfalen nur eine Ankündigung vor. Und das ist nicht das, wovon hier geredet wird. Diesem Kulturfördergesetz liegt kein Geld zu Grunde. Es geht hier nicht um Förderung. Es geht um all die Gefahren, die hier debattiert worden sind, die hier nur verschlüsselt in der Ankündigung formuliert werden, um Zusammenlegungen, um Schließungen und so weiter und so fort. Und da muss man verdammt aufpassen, wie man da agiert. Da muss man auch klar Kante zeigen. Da muss man auch klar sagen, ich bin Künstler und ich vertrete die und ich will etwas für die erreichen. Unser Intendant in Münster erzählte mir neulich, er wisse, die Kulturschaffenden, die Angestellten im Theater sind prekär beschäftigt. Gleichzeitig warf er ver.di vor, es mache die Theater kaputt, weil es Tarifverhandlungen führe mit relativ gutem Ergebnis im öffentlichen Dienst. Das kann man nicht so nebeneinander stellen, zumal der Mann selber in der Tarifkommission des Bundesverbandes ist, der hier gerade genannt worden ist. Bei uns in Münster, ich bin auch ein Mitglied des Kulturausschusses im Rat der Stadt, ich muss allerdings sagen, ich habe den Vorteil, ich brauche keine Finanzbeschlüsse zu fällen. Ich kann wirklich reine Interessenvertretung betreiben. Das finde ich sehr gut, das mache ich auch. Und es ist also so, das Theater als GmbH, kann die Tariferhöhungen nicht erwirtschaften also muss die Kommune die Mehrkosten tragen, das macht sie. Und wissen Sie, was in NRW sich eingebürgert hat? Das ist ein ganz interessantes Phänomen. Es hat sich eingebürgert, dass man direkt zum Bürger geht. Die Politiker haben geglaubt, wenn wir im Internet den ganzen Haushalt darstellen und sagen, Leute sagt uns mal, wo wir sparen können, dann kriegt die Kultur einen drauf und wir brauchen überhaupt nichts mehr zu machen. Und das ist nicht passiert. Das ist der Ansatz, mit dem wir arbeiten müssen. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wollen Kultur. Und wenn es uns gelingt, das aktiv weiter zu verbreiten, mehr daraus zu machen, ich sage immer, das Theater muss ein kommunaler Raum sein, der 24 Stunden am Tag 68 offen ist und wo alles stattfindet, was wichtig ist für Stadt. Neulich war in Münster eine Aufführung»Der Räuber«. Da hat eine kleine Gruppe von Occupy-Leuten die Bühne besetzt, hat getanzt, gesungen und mitgemischt. Und Kollegen, was meint Ihr denn was passiert ist im Publikum? Die haben geklatscht. Die Eltern haben gesagt, endlich Theater, das mit den aktuellen Problemen etwas zu tun hat. Das ist möglich. Und das wird auch unterstützt, das heißt, die Leute wollen einen Raum in der Stadt, der ihnen gehört und in den sie alle gehen können. Das heißt nicht, dass Theater sich total ändern muss. Das heißt nicht, dass nicht alles aufgeführt werden kann. Aber es muss sich weiterentwickeln. Der Intendant von Bochum bringt Opel auf die Bühne. Das ist ein Thema der Stadt. Das muss im Theater besprochen werden. Meiner Ansicht nach braucht er gar kein Drama daraus zu machen, sondern er kann das Thema bringen. Wie er das macht, weiß ich nicht. Aber das sind doch Zeichen dafür, dass wir in das Verständnis von Theater auch ganz anders eindringen und damit auch das Theater immer wichtiger machen, die Kultur immer wichtiger machen. Und ich glaube, dass es gar nicht so schwer ist, den unglaublich wichtigen Charakter von Kultur, für jeden einzelnen von uns zu verdeutlichen, also ich halte es für eine Erkenntnisebene, ein Weg zur Erkenntnis der Gesellschaft, zur Kommunikation. Das heißt, es ist ursächlich unser Leben, dass wir als Kultur bezeichnen, uns aneignen und damit umgehen. Und dann können wir auch Erkenntnisse über unseren Zustand und unser Wollen gewinnen und uns meinetwegen unsere politische Meinung bilden. Das ist eine Kette. Sehen Sie, wir haben neulich in ver.di über Arbeitszeitverkürzung diskutiert. Ganz tolle Leute aus Betrieb, Betriebsräten, Vorsitzende, es war alles vertreten und sie diskutierten darüber, wollen die Leute denn das, wollen die nicht mehr Geld und so weiter und so fort. Dann hat ein Künstler sich gemeldet und alle haben sich gefragt, was will der denn, der arbeitet doch gar nicht. Was meldet sich ein Künstler zum Thema Arbeitszeitverkürzung. Dann habe ich denen gesagt, Leute, das Leben ist endlich. Wir müssen alle wissen, dass es zeitlich begrenzt ist. Dass wir Entscheidungen fällen, die nicht widerrufbar sind. Das wir Zeit brauchen für uns, zum Nachdenken, zum Genießen, zur Freude und so weiter. Das heißt, Arbeitszeitverkürzung muss auch unter Aspekten diskutiert werden, die wir in der klassischen Diskussion der Gewerkschaft gar nicht drin haben. Und ich glaube, das berührt die Leute viel mehr, als man annimmt. Was glaubt Ihr, was da geschehen ist? Ich bin nicht ausgelacht worden. Sie haben nichts mehr gesagt. Sie haben gesagt, na Mensch, das ist ja ein toller Gedanke. Und damit war die Diskussion vorbei. Das heißt,

70 Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte wir müssen den Kulturbereich als viel wichtiger erfinden und darstellen, als er allgemein angenommen wird. Es ist so, dass er als dekorativ angenommen wird. Er ist klassisch bürgerlich. Wir haben ja das Theater in die Städte geholt. Aber wir müssen es erobern. Wir können es auch erobern. Wir sind dabei. Dankeschön. Dr. Annette Mühlberg: Danke Lorenz. Ich bin mir nicht so sicher, ob der Kulturbereich noch so bürgerlich ist. (Einwurf Lorenz Mueller-Morenius: Ja eben nicht!) Ich möchte jetzt gerne die Debatte ins Publikum und die Möglichkeit zu Anfragen an das Auditorium geben. Steffen Reichardt: Gut. Als Erstes mal folgendes, zu dem Kollegen aus Nordrhein-Westfalen. Ich kann folgendes sagen. Wir haben vor zwei Jahren in Leipzig, im Sinne von»occupy«, ein Tänzchen gemacht. Und zwar, dieses Adventssingen, das wir gemacht haben, da haben wir klassische Weihnachtslieder umgedichtet und zwar mit brisanten politischen Texten. Die Leute blieben auf dem Weihnachtsmarkt stehen und klatschten uns Beifall und wollten uns Geld geben. Wir haben kein Geld von ihnen genommen. Wir haben gesagt, wenn ihr die Texte verinnerlicht, dann ist euch viel mehr geholfen, als dass ihr uns Geld dafür gebt. Im letzten Jahr habe ich Theater mitgespielt. Ich stand auf der Bühne, mit einer Hauptrolle im Leipziger Zentraltheater. Wir haben dort von Bertolt Brecht die»heilige Johanna der Schlachthöfe«gespielt, die haben wir für die Jugend umgeschrieben, mit Punkmusik, mit allem Drum und Dran und haben das dann bloß noch»heilige Johanna der Schlachthöfe«genannt. Ich kann nur eins sagen, dieses Stück kam ganz groß raus. Es kam zwar zu einer Kritik in der Leipziger Volkszeitung, einem bürgerlichen Blatt, aber die können das auch ruhig kritisieren, das macht nichts aus. Leider Gottes hat unsere Partei davon keine Kenntnis gehabt, jedenfalls habe ich niemanden von der Partei in den Rängen gesehen. Das erst mal dazu. Ich möchte noch etwas sagen zum Thema Hochkultur Freie Szene. Die Hochkultur ist für mich ein Unwort, sage ich ganz ehrlich. Es kommt auf die Qualität an, die geboten wird. Das kann die Hochkultur genauso wie die Freie Szene. Auch in der Freien Szene werden sehr gute Stücke bearbeitet. Es gilt auch für unsere Partei, der Freien Szene noch mehr Augenmerk zuwenden zu müssen, dass wir selber uns der Volkskunst widmen, Volkskunst nicht im Sinne von Volksliedern, ich spreche von der Kunst, die im Volk zu Hause ist. Und da sollten wir uns viel mehr auch um diese Sachen kümmern. Wir sollten uns darum kümmern, dass diese Arbeit nicht immer bloß umsonst erfolgt. Dr. Annette Mühlberg: Ich bitte Dich recht herzlich, eine Frage an das Podium zu richten. Nun gut, dann war das eher eine Feststellung. Vielen Dank. Gibt es weitere Fragen beziehungsweise Kurzkommentare? Keine? Da das nicht der Fall ist, würde ich jetzt gerne zu einer kleinen Abschlussrunde das Wort wieder ans Podium geben und zwar unter folgender Fragestellung, wo Du ganz sicher auch was zur Freien Szene sagen kannst Lorenz. Tobias Knoblich hat heute früh in seinem Vortrag über die Notwendigkeit gesprochen, dass sich in der Kulturförderung etwas ändern muss, weil Kulturförderung arm macht. Also Kreative, gerade die, die sich im soziokulturellen Bereich bewegen, freie Kulturmanager, Angehörige der Freien Szene können von ihrer Arbeit nicht leben. Ich richte die abschließende Frage an die Runde, aus Euren Erfahrungen in den Ländern, Luc hat heute kurz etwas aus der Bundesperspektive gesagt, was denn in den Ländern dafür getan werden kann, dass sich das ändert? Lorenz Mueller-Morenius: In Münster setze ich mich immer für das städtische Theater ein. Einmal weil da Leute beschäftigt sind und zweitens tue ich das aus folgendem Grund: Wenn wir das Theater in Münster einstampfen, dann wird das Geld in den Straßenbau fließen und nicht in die Kultur. Wenn wir es einstampfen, wird ein wesentlicher Diskussionsfaktor von Kultur in einer Stadt, der auch der Freien Szene zu Gute kommt, flachfallen. Das heißt, wir brauchen eigentlich gar keinen Kulturausschuss mehr. Also ich bin da offen für Anregung und Diskussion, aber ich bin der Meinung, dass diese Abhängigkeit zwischen institutioneller Kultur, also der Bühnen und den Freien schon da ist und das man das Eine nicht schließen kann. Im Geheimen habe ich bei den GRÜNEN in Münster den Eindruck, vertreten sie tendenziell die Ansicht, macht doch das Theater zu einer Hülle, ladet einmal, fünfmal oder zehnmal im Jahr ein Ensemble ein, fertig ist der Lack, das kostet keine 19 Millionen. Da bin ich skeptisch. Da sehe ich mehr untergehen, gerade weil Münster eine Stadt in einem ländlichen Raum ist, ringsum nur Wiesen und Weiden und dann kommt schon Holland und das geht ja sowieso bald unter. Also, da muss man schon überlegen, soll man dem zustimmen, Theater weg, Geld sparen, also wie gesagt, ich glaube, dass das so im Kulturbereich eingesparte Geld anderen Etats zufließt und deshalb der freien Szene nicht automatisch zu Gute kommt. Das ist ein großer Irrtum der Freien Szene. Deshalb meine Mahnung, freie Kultur und Kulturinstitutionen einer Stadt müssen zusammen mit den Bürgerinnen und Bürger einer Stadt agieren und ihre Kultur erhalten und die Gelder dafür sichern. 69

71 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Dr. Birgit Klaubert: Es geht ja um die Überwindung der prekären Beschäftigung und was dazu nötig ist, das kann man nicht kurz sagen. Nur auf zwei Dinge will ich dabei verweisen. Das eine ist, wir haben zahlreiche Beschäftigte in diesem Bereich, die durchaus unter Tarifbedingungen arbeiten könnten, aber die Tarife werden unterlaufen. Das ist nicht nur an den Theatern so mit Haustarifverträgen. Das ist zum Teil an den Musikschulen so, ist auch an den Jugend- und Kunstschulen so, dort haben wir hervorragende, hochqualifizierte, langjährig schaffende Kulturmenschen, auch teuer ausgebildete, die für einen Hungerlohn arbeiten. Dort müsste man die kommunale Ebene mit Geld verstärken und natürlich auf der kommunalen Ebene auch zulassen, dass im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung Musikschulen, und Jugendkunstschulen mit festem Lehrpersonal ausgestattet sein können. Da wäre ein Ganzteil schon gelöst. Für die Bereiche der Freien Szene, für verschiedene Bereiche der Subkultur, die wir oft gar nicht erkennen, die also erst entstehen und irgendwann da sind, für viele bildende Künstler wäre es gut, wir könnten, ich weiß nicht, nennen wir es noch so einen»öffentlich geförderter Beschäftigungssektor«finanzieren. Das ist ein Unwort eigentlich, heißt aber, dass wir Projekte finanzieren mit Personal und Sachkosten, die kann man durchaus nach bestimmten Zeiten anschauen, evaluieren, ob sie einen entsprechenden Beitrag für die Gesellschaft gebracht haben. Aber sie werden in jedem Fall im Non-Profit Bereich angesiedelt sein. Würde man solche Projekte über längere Jahre, zum Beispiel drei bis fünf Jahre ausstatten, dann könnten in diesen Bereich übrigens sogar Ausbildungsplätze für junge Kreative entstehen. Eine dritte Idee, die hatten wir im letzten Wahlprogramm schon, die hieß Kreativitätsinseln. Das war so eine Art Aufforderung zur Instandbesetzung von Denkmalen. Das Staatswesen sichert dafür, dass Dach und Fenster dicht sind und die Zuwegung vorhanden ist. Es hatte sich damals übrigens eine Universität, die Bauhaus Universität in Thüringen angeboten, die Projektsteuerung zu übernehmen und das gibt man an insbesondere junge Leute auch aus aller Welt, die in solchen Objekten alle möglichen kreativen Berufe ausüben können, vom Filmemachen in der Fabrikhalle bis zum Restaurator in einem denkmalgeschützten Gebäude. Man gibt ihnen einen Coach an die Seite, damit sie den ganzen Verwaltungskram nicht selber machen müssen und hätte tatsächlich eine Willkommenskultur auch in diesem Bereich. Das könnte man politisch umsetzen. Das wären schon mal drei Bereiche, in denen Berufe für Künstlerinnen und Künstler oder für Kreative auch gesichert wären. 70 Volker Külow: Ich teile erst einmal die Einschätzung. Ich glaube, das müssen wir uns wirklich noch einmal ins Bewusstsein rücken, dass die prekäre Beschäftigung, die gewissermaßen oftmals Schlagzeilen in bestimmten Branchen macht, die man so allgemein kennt, bei den Friseuren, bei der Logistik oder wo auch immer gestreikt wird, dass die im Kulturbereich extrem stark ist und die funktioniert nur deshalb so wenig schlagzeilenträchtig, weil der Grad der Selbstausbeutung gekoppelt ist mit einer zum Teil falschen Selbstverwirklichung. Katja Kullmann hat das in ihrem Buch»Echtleben«sehr gut beschrieben, die Prozesse, die dort stattfinden. Und wir haben mal eine bekannte Berliner Losung mit»arm ist nicht sexy«paraphrasiert und dazu glaube ich ein ganz interessantes Positionspapier geschrieben. Ich will die Radikalität von heute Vormittag noch einmal aufgreifen. Es wird enorm viel Geld in vermeintliche Zukunftstechnologien gesteckt, die aus meiner Sicht völlige Sackgassenprojekte sind. Stichwort Automobilwerke, was da zum Teil an öffentlichen Fördermitteln 50, 100, 200 Millionen Euro reingesteckt wird, wenn man die den Kreativen zur Verfügung stellen würde, könnte man aus meiner Sicht viel mehr erreichen, natürlich auch viel mehr Wandlungsprozesse in der Gesellschaft und ich weiß schon, worüber ich spreche, also Leipzig boomt ja gerade, zieht ja sogar aus Berlin, Hamburg und so weiter Kreative ab, einfach weil es dort noch sehr billigen Wohnraum gibt. Gerade in meinem Wahlkreis, da marschiert die Gentrifizierungswalze durch. Wer sich in Leipzig ein bisschen auskennt, so aus der Südvorstadt, aus Connewitz geht es jetzt nach Lindenau und Leutzsch rüber und natürlich ist das alles richtig, was die Birgit gerade gesagt hat oder auch der Lorenz. Aber wie gesagt, ich denke wir müssen an der Stelle mitunter auch ein bisschen kühner werden als LINKE, ohne dass ich das jetzt aus der Hand schütteln kann, aber nach meinem Dafürhalten muss es stärker von uns aus auch zur Sache gehen. Vielleicht noch eine Zahl. Wie gesagt, Sachsen klagt auf hohem Niveau, aber der Kulturanteil am Haushalt ist in den letzten Jahren von 2,17 Prozent, ich weiß, das ist enorm viel, im Vergleich zu anderen Haushalten, auf 2,02 Prozent zurückgegangen. Das sind fast 10 Prozent, wenn man das ins Verhältnis setzt. Mit Kultur kann man keinen Haushalt sanieren, mit Einsparungen, aber man kann unglaublich viel kaputt machen, was eigentlich in der Gegenwart und vor allem für die nächste Generation in der Zukunft viel leisten kann und wie gesagt, ich wünschte mir, dass wir das in ein paar griffigeren Formeln hinbekommen. Ich will nicht gegen Brot und Rosen polemisieren, aber ich weiß nicht, ob das noch genau der Slogan ist, mit dem man jetzt in den nächsten Jahrzehnten oder nächsten Jahren schon des 21. Jahrhunderts mobilisieren kann und unser Anliegen auch wirklich

72 Zweites Podium: Kulturförderung in Flächenländern Initiativen und Konzepte auf einen Begriff bringen kann. Aber ich habe auch keinen besseren, im Augenblick. Jayne-Ann Igel: Wir hatten ja schon mal in den, ich möchte es mal so nennen, Goldenen 90er Jahren, so etwas wie einen öffentlichen Beschäftigungssektor. Der nannte sich damals ABM und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM). Ich habe davon damals selber profitiert und konnte mit dieser SAM Literaturförderung für Jugendliche betreiben. Mit gut ausgestatteten Mitteln, das Gehalt war in Ordnung, aber auch die Mittel für unsere Projekte mit den Jugendlichen waren in Ordnung. Das ist dann weggebrochen oder wurde immer mehr eingeschmolzen. Dann kam Schröder mit seinem Versprechen an alle Kreativen, dass das die Zukunft ist, kreativ tätig zu sein und man selbstbestimmt arbeiten und leben kann. Da sind viele drauf eingestiegen, aber das ist dann ziemlich rasch neo-liberal umformuliert worden und aus dieser Selbstbestimmtheit und Flexibilität sind neue Abhängigkeitsverhältnisse entstanden, das steht bis heute zu Buche und darunter leiden viele, die in der sogenannten Kultur- und Kreativwirtschaft tätig sind, in Klein- oder Kleinstunternehmen oder halt als Selbständige. Dringlich wäre es zum Beispiel, dass es da Honorar-Untergrenzen gibt. Dringlich wäre für Kreative, für Künstlerinnen und Künstler, z. B. für MusikerInnen, dass die Kommunen gucken, ob sie Räume zur Verfügung stellen können, leerstehende Räume, die dort eben bespielt werden könnten. Da gibt es genug. Wir haben genug Bürohäuser, die leerstehen und andere, die instandgesetzt werden könnten. Wichtig wäre auch eine Vernetzung, zwischen den Institutionen, die gut oder hoch subventioniert werden und der freien Szene. Da könnte es Synergieeffekte geben. Es wäre gut, wenn die Häuser sich öffnen. Das wurde heute auch schon mal von Herrn Zimmermann genannt und das finde ich sehr förderlich da auch dran zu bleiben. Dr. Annette Mühlberg: Vielen Dank Jayne-Ann, vielen Dank an die Podiumsteilnehmer. Und damit beenden wir dieses Podium und kommen zum nächsten. 71

73 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten mit Wolfgang Brauer (MdA, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Berlin), Heimo Lattner (Bildender Künstler, Haben und Brauchen, Berlin), Siri Keil (Wissenschaftliche Mitarbeiterin von Norbert Hackbusch, MdHB, Fachsprecher für Kultur der Linksfraktion in Hamburg), Alexander Pinto (Wissenschaftlicher Mitarbeiter Hafencity Universität Hamburg/Kultur der Metropole) Moderation: Matthias Zarbock (Sprecher der LAG Kultur Berlin) Matthias Zarbock: Einen wunderschönen fast schon Abend von mir, Matthias Zarbock, kommunalpolitischer Kulturpolitiker hier im Bezirk Pankow! Bis alle meine Gesprächspartner hier oben im Podium sind, vielleicht noch einmal eine kleine Anmerkung zum Ort der heutigen Veranstaltung. Heute Morgen haben wir ja viel über die Geschichte gehört. Eine Ergänzung könnte da durchaus sinnvoll sein. Der Pfefferberg hat sich von einem sozialen und kulturellen Projekt zu einer touristischen Infrastruktur entwickelt. Nähe zur Kommunalpolitik gibt es in letzter Zeit vor allem bei Baugenehmigungen. Böse formuliert von einer MieterInnendemo: der Pfefferberg ist Teil der Gentrifizierung geworden. Wir sind also mitten in einer Metropole mit Metropolenphänomenen und reden über Kultur- und Stadtstaaten und ich begrüße dazu neben Berlinern zwei Hamburger, eine Hamburgerin, einen Hamburger und stelle jetzt die Gesprächspartner vor. Zuerst neben mir Siri Keil, freie Kulturarbeiterin, Aktionshopperin beim Netzwerk»Recht auf Stadt«, Radio-Moderatorin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin/persönliche Referentin von Norbert Hackbusch, dem Kulturpolitischen Sprecher bei der LINKEN in der Hamburger Bürgerschaft. Wer bist Du noch? Wenn Du noch ergänzen willst? Siri Keil: Lassen wir es dabei, ist alles gut. Matthias Zarbock: Dann vielleicht eingangs, weil die Konkurrenz zwischen den beiden Städten steht sowieso im Raum, die Frage: Hamburg oder Berlin, Hauptstadt des Pop? Siri Keil: Kein Kommentar. Matthias Zarbock: Lohnt es sich nicht über Popkultur zu reden, wenn wir über Kulturförderung reden? Siri Keil: Ich glaube, sich jetzt über eine Sparte wie Popmusik zu unterhalten, also sind wir jetzt beim Thema Kulturwirtschaft? Es wäre zu differenzieren, inwieweit Popmusikkultur gefördert wird, in welchen Städten und mit welchen Maßnahmen und Fördermitteln und Möglichkeiten. Das wäre eine Möglichkeit, auf so eine Frage einzugehen. Das andere, einfach nur die Frage Hamburg oder Berlin, Hauptstadt der Popkultur Matthias Zarbock: Gegenstandslos? Siri Keil: Ja. Matthias Zarbock: Wir reden heute Abend aber auch über den Wettbewerb der Städte. Ich begrüße Wolfgang Brauer, Kulturpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus und der Landesarbeitsgemeinschaft Kultur der LINKEN. Neben ihm Alexander Pinto. Ihn stelle ich jetzt mal wieder etwas mehr vor. Künstlerischer Projektleiter, Produzent Theater und Tanz, Kurzfilm, K3 Zentrum für Choreografie Tanzplan Hamburg, ehemaliger Vorsitzender des Dachverbandes Freier Theaterschaffender Hamburg, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hafencity Universität, Schwerpunkt Kulturpolitik und Management, Altstipendiat der Hans Böckler Stiftung. Fehlt etwas? Alexander Pinto: Sicher, aber das reicht. Matthias Zarbock: Und als letzten, vorhin schon aufgerufen, jemand der eigentlich dann in Sachsen relativ wenig Spuren hinterlassen hat, aber ansonsten auf der Welt so einige. Heimo Lattner, bildender Künstler, stellte aus und arbeitete in Wien, London, Salzburg, New York, Linz, Tokio, Shanghai, Christchurch (Neuseeland), lebte sechs Jahre in New York und hat international Radiobeiträge und Vorträge geliefert. Fehlt etwas? Heimo Lattner: Ach, das ist letztlich auch nur eine ganz normale Künstlerbiografie, wie sie sich heute schreibt. Aber aus dieser Auflistung lassen sich Schlüsse auf die aktuelle Situation in Berlin ziehen, nämlich dass man hier als Künstler noch verhältnismäßig gut arbeiten kann, aber sein Geld verdient man meist wo anders. 72

74 Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten Matthias Zarbock: Hamburg, aus der Ferne eine Stadt, die ihre Großbauprojekte nicht stemmen kann. Eine Stadt, die versucht, mit der Kultur eine Marke zu bilden und genau von den Kulturschaffenden eine große Gegenbewegung hervorruft. Was ist Hamburg noch? Eine Metropole von Weltgröße und Rang oder so piefig wie Berlin manchmal ist? Siri Keil: Ich glaube Hamburg ist beides. Hamburg ist selbstverständlich eine große Stadt und darf sich auch ruhig Metropole nennen. Das ist völlig in Ordnung. Das trifft nämlich zu. Versagt an seinen Großbauprojekten, konkret Elbphilharmonie, ja klar. Lässt sich auch nicht leugnen. Macht Kulturmarketing beziehungsweise vermarktet die Kultur in Hamburg, ja tut Hamburg auch. Ich finde man muss ein bisschen differenziert darüber reden, weil es auf eine Art einer Stadt oder einer Metropole wie Hamburg nicht übel zu nehmen ist, dass sie nach Außen hin damit wirbt, dass es Kultur in der Stadt gibt, weil es ist ein guter Grund in eine Stadt zu fahren. Das geht mir auch so. Ich kucke ja auch, wenn ich in andere Städte fahre, was haben sie für ein kulturelles Angebot und so weiter. Von daher würde ich jetzt einer Stadt wie Hamburg nicht vorwerfen, dass sie mit ihrer Kultur Marketing betreibt. Die Frage in Hamburg ist und die stellt sich jetzt zuletzt aufgrund der Kultur- und Tourismustaxe, die eingeführt wurde, inwieweit liegt der Schwerpunkt in der Kulturpolitik auf der attraktivitätssteigernden Kultur und welche Schlüsse sind daraus zu ziehen. Wenn es um die Verteilung der Mittel geht, da gibt es eine relative klare Tendenz, die vielleicht auch nachvollziehbar ist. Aber was ich für problematisch halte ist, dass es mit einer sehr großen Selbstverständlichkeit in den Diskussionen um die Frage welche Kultur in Hamburg wie gefördert werden soll, eine Unterscheidung gibt zwischen attraktivitätssteigernder und weniger attraktiver Kultur. Das empfinde ich tatsächlich als ein Problem. Aber trotzdem diese Vermarktungsstrategie der Stadt beziehungsweise die Attraktivitätssteigerung gehört mit in den Diskurs darüber, wie Kultur in Hamburg wahrgenommen wird. Matthias Zarbock: Nun haben wir diese Attraktivitätsanker und Vorgänge wie den um das Museum Altona. Zu Deutsch, wir haben Leuchtturmprojekte und auf der anderen Seite haben wir Dinge, die aufgrund der knappen Kassen wie überall auch in Hamburg wegfallen. Aber nun gibt es in Hamburg und auch in Berlin und wie gesagt, Du bist ja Teil davon, sicherlich nicht in irgendeiner Form von Sprecher oder Funktion, eine Form von Vernetzung, von ganz verschiedenen Initiativen, auch aus dem kulturellen Bereich, nicht nur,»recht auf Stadt«seit ein paar Jahren, welche Erfahrungen hast Du damit gesammelt? Siri Keil: Der Zeitpunkt, an dem»recht auf Stadt«, dieses stadtpolitische Netzwerk in Hamburg sich gegründet hat 2009, fiel zusammen mit der Besetzung des Gängeviertels in Hamburg. Das war tatsächlich eine Situation, wo sehr günstige Rahmenbedingungen für Vernetzungen stattgefunden haben. Sprich, das Netzwerk»Recht auf Stadt«hat sich gegründet. Das Gängeviertel wurde besetzt, bespielt und das Gängeviertel stand als eine Form von genau dieser Verknüpfung mit der Stadtentwicklungspolitik, weil es darum ging, dass diese historischen Häuser im Höchstpreisverfahren zuerst an den Investor verkauft worden sind, der sie komplett umwandeln wollte, sprich die historische Substanz abreißen wollte. Vor dem Hintergrund diese historische Substanz zu erhalten, sprich Denkmalschutz und vor dem Hintergrund fehlender Räume für Kulturschaffende in Hamburg, hat sich das dann relativ schnell ausgeweitet. Das Gängeviertel sollte zu einem offenen Ort der Begegnung werden, sprich ein soziokulturelles Zentrum. Da kamen relativ viele Punkte zusammen, wo Kultur und Stadtentwicklung sich tatsächlich berühren. Und die gibt es auch, das ist gar nicht zu leugnen, im Gegenteil und es sind auch Punkte, die man sehr gut nutzen kann und sollte. Von daher war die Situation sehr günstig und hat zur Folge gehabt, dass im Nachklang der Kulturkürzungen im Herbst 2010 die Solidarisierung tatsächlich gut funktioniert hat. Damals hatte es durch den Schwarz-Grünen Kultursenat eine relativ große Steilvorlage für Solidarisierungsaktionen gegeben, dadurch dass es drastische Kürzungen im Kulturetat geben sollte, bei denen das Schauspielhaus um mehrere Millionen gekürzt werden sollte, bei denen das Altonaer Museum geschlossen werden sollte und es ein relativ schneller und starker Protest war. Ob das heute immer noch so wäre, ist fraglich, wenn ich z. B. an die Debatten und Auseinandersetzungen um die Kulturtaxe denke. Ich habe relativ lange vermisst, dass es eine starke Formulierung von Forderungen oder eine starke Solidarisierung mit Kulturschaffenden gibt. Auch in Hamburg hat sich jetzt eine Koalition der Freien Szene mit Hilfe der Berliner Kollegen gegründet. Von daher, es gibt Bewegung, das ist auch gut. Inwieweit das aktivierbar ist, hängt glaube ich wie überall sehr stark an konkreten Anlässen. Matthias Zarbock: Es gibt nicht nur Strukturen, Initiativen und Netzwerke, sondern es werden auch Texte produziert und in diesen Texten lesen wir jetzt oft von Künstlerinnen und Künstlern Aussagen zu städtischen Räumen und zu Metropolen, auch dazu, wie so eine Stadt sich selbst definiert. Ich zitiere mal aus dem einen Papier von»recht auf Stadt«. Wolfgang Brauer würde ich bitten, sich schon mal eine Reaktion dazu einfallen zu lassen.»ein städtisches Programm, das tatsächlich die 73

75 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Menschen und ihre Bedürfnisse an die erste Stelle setzt und eben nicht die Ökonomie, wird das neoliberale System nicht von sich aus hervorbringen.«wolfgang Brauer: Da kann ich nicht widersprechen. Nein, es ist einfach so, aber diese Aussage berührt schon ein Kernelement kulturpolitischen Denkens, was wir auch versucht hatten gemeinsam zu finden, auch hier in Berlin. Es ist heute den ganzen Tag viel über Konzeptionen und Strategiefindung gesprochen worden. Über Geld will ich jetzt gar nicht reden. Berlin hat genug. Die Frage ist nur, wo geht es hin. Das ist der entscheidende Punkt. Wir hatten in Berlin um die Jahrtausendwende eine Expertenkommission»Zukunft Berlin«. Dann gab es daraus resultierend ein bürgerschaftliches Forum»Zukunft Kultur«. Die Fraktion der PDS und dann später der LINKEN hat sich in diese Diskurszusammenhänge eingebracht. Wir haben in unserer Regierungszeit versucht, in der Landeskulturpolitik das, was sich an Konsequenzen für diese Metropole aus der Arbeit der Enquete-Kommission des Bundestages»Kultur in Deutschland«herunterbrechen lässt, tatsächlich in Politik einfließen zu lassen, waren dann gemeinsam so weit im Jahre 2011 und da begegnet sich das mit dem Hamburgischen Gedanken. Auf der Vorgängerveranstaltung der heutigen Konferenz setzte sich dann der Gedanke durch, dass Kulturpolitik Stadtentwicklungspolitik ist und Stadtentwicklungspolitik ohne Kulturpolitik einfach zum Scheitern verurteilt ist. Wir gossen das in unser Wahlprogramm, leider kriegten wir fürchterlich eine abgewatscht bei den darauf folgenden Wahlen. Zu diesem Gedanken bekannten sich übrigens merkwürdigerweise auch die Parteien, die heute in der Senatskoalition sitzen. Die vergaßen das aber noch am Wahlabend und erschreckender Weise für mich setzte sich dieser gedankliche Ansatz auch in unserer eigenen Partei, im eigenen Landesverband nicht unbedingt durch. Das macht das Ganze schwer. Insofern sind wir sehr glücklich darüber, dass sich in diesen Prozessen nach 2011 Künstlerinnen und Künstler zusammen taten und einen ganz anderen kulturpolitischen Ansatz einforderten, in Gestalt der Initiativen Haben und Brauchen und der Koalition für die Freie Szene und versuchten, Kulturpolitik in Berlin wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Und wir begegnen uns da fast zu 100 Prozent kongruent in den Ansätzen. Die Frage ist nur, wie kriegt man es durch. Weil die offizielle Kulturpolitik des Landes ist eigentlich von zwei Zielstellungen bestimmt: Da wo der Bund das Reden hat, über das Geld hauptsächlich, folgt man einem Leitgedanken, den seinerzeit Christina Weiss mal salopp formulierte in einem Interview»Es muss mehr Glanz in die Hütte.«Da braucht Daniel Baremboim nur zu schnipsen und dann sind 100 Millionen da 74 und der Regierende Bürgermeister, der gleichzeitig Kultursenator ist, wird juckig bei allem, was nach Event riecht. Der Rest interessiert ihn nicht. Das ist die Situation in Berlin. Matthias Zarbock: Eine nette Überleitung, die Du mir abgenommen hast.»haben und Brauchen«Berlin, da haben wir ja jetzt hier oben jemanden zu sitzen, ist eine Initiative, die aus dem Bereich der bildenden Künste kommt, aber die nicht nur über Förderung und Institutionen redet, sondern auch darüber hinaus geht und viele dieser Forderungen dann auch in anderen Politikbereichen nahe der LINKEN sind. Phänomenal immer wieder, Räume in der Stadt werden nicht nur als Räume, die man abbildet oder als Ateliers, betrachtet. Wie kommt es, hat es mit der historischen Entwicklung in Berlin zu tun, dass dieses Themenspektrum von»haben und Brauchen«so breit aufgestellt ist. Und, würdest Du es in Kürze vorstellen, dass wäre eine sehr gute Gelegenheit. Heimo Lattner: Diese breite Aufstellung, wie Du es nennst, hat mit der historischen Situation in Berlin zu tun. Dieser Boom in Berlin beruht darauf, dass es lange Zeit erschwinglichen und günstigen Wohn- und Arbeitsraum gab und dass in diesem Umfeld, in dem man auch weitgehend auf Förderungen verzichten konnte, auch eine bestimmte künstlerische Praxis entstanden ist. Eine künstlerische Praxis, die an demokratischen und gesellschaftsbildenden Prozessen teilhaben möchte. Wir sprechen jetzt nicht von der klassischen Ausstellung, von Messen, dem Kunstmarktbetrieb, sondern das ist wirklich eine komplett andere Praxis, die heute Gang und Gebe ist, und an Universitäten im Kunststudium gelehrt wird. Die Leute, die in»haben und Brauchen«tätig sind, sind in erster Linie Leute aus dieser Zeit. Kulturschaffende, die 10, 20 Jahre oder vielleicht noch länger in Berlin leben und eben diese Phase miterlebt und mitgeprägt haben, und diese Beschleunigung, diese Veränderung des Stadtraums in ihrer Arbeit reflektiert haben. Konkret entstand Haben und Brauchen in Reaktion auf die 2011 geplante»leistungsschau«, die später dann»based in Berlin«genannt wurde. Eine Ausstellung, die eine Wahlkampfveranstaltung des Bürgermeisters war. Als einige bildende Künstlerinnen und Künstler davon Wind bekommen haben, haben sie das Konzept der Ausstellung angefordert und siehe da, es gab eigentlich kein Konzept, aber es gab 1,2 Millionen Euro für diese Ausstellung, wo man sich auch gefragt hat, wie kann das denn sein. Wir sind so Pleite, aber 1,2 Millionen für irgendetwas, wofür es kein anspruchsvolles Konzept gibt, da bleiben wir doch jetzt mal kurz dran. Und so kam es dann eben auch zu der Gründung von»haben und Brauchen«und seither ist es einfach verdammt viel

76 Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten Arbeit, die da hineingeht und man versucht mit dem Senat, beziehungsweise mit der Politik in Kontakt zu treten und überhaupt erstmal über Gesprächsformen und über Themen nachzudenken, die eine zeitgenössische Kulturpolitik in der Stadt dringend nötig hätte. Matthias Zarbock: Nötig hätte, Alexander Pinto, diese Stadt wahrscheinlich auch irgendwie Kulturförderung aus dem Metropolenbegriff endlich neu abzuleiten. Du hast Dich intensiv mit Stadtforschung und dem Blick auf Kultur beschäftigt. Worin unterscheidet sich das, was derzeit Praxis ist von dem was für Dich ein adäquaterer Ansatz wäre. Alexander Pinto: Also intensiv mit Stadtforschung direkt beschäftige ich mich erst seit 3 bis 4 Jahren. Vorher war ich freischaffend im Theaterbereich tätig. Was die Praxis betrifft, so haben wir zumindest in Hamburg, was die freie Theaterszene anbelangt, ziemlich Glück gehabt. Wir haben wie alle freien Künstler auch natürlich mehr Geld gefordert und eine Differenzierung der Förderstrukturen. Wir haben aber eine Strategie gefahren, dass wir gesagt haben, wir würden vorschlagen, dass es eine Potentialanalyse gibt. Dafür hatten wir auch aus der Bürgerschaft von der LINKEN sowie von den GRÜNEN eine starke Unterstützung. Diese Potentialanalyse des freien Theaters in Hamburg gab es dann, von der Kulturbehörde beauftragt und aufgrund dieser Potentialanalyse gab es Veränderungen der Förderstrukturen und zusätzlich mehr Geld. Jetzt ist es natürlich so, dass mit der Kulturtaxe die freie Theaterszene wieder fordert, wir brauchen mehr Geld, was auch durchaus legitim ist. So kann man das ganze sicherlich weiter drehen und die Argumentationen und die Forderungen werden nie ein Ende nehmen. Aber wo ist die Grenze? Im Gegensatz dazu fand ich diesen Potentialansatz spannend und dann hatte ich die Möglichkeit, in die Wissenschaft zu gehen und in der Stadtforschung gibt es einen ähnlichen Ansatz. Es ist leicht, vor allem aus der Opposition heraus, den Abbau der kulturellen Infrastruktur zu beklagen und dagegen zu sein. Auch hier muss ich gestehen, habe ich nicht wirklich viele Ansätze gehört, sondern habe gerade so ein bisschen den Eindruck, dass es, was vielleicht auch an der Parteiveranstaltung liegt, so eine Selbstvergewisserungsgeschichte ist, dass wir ja alle gegen den Abbau von Kultur sind. Einen interessanten Ansatz fand ich den von Herrn Vogt mit dem Kulturraumgesetz und ich bin sehr dankbar, dass ich ihn erleben durfte, insofern bin ich auch sehr gern hier gewesen. Vielleicht haben Sie das mitbekommen. Er hat eine Folie gezeigt und zwar gründet das Kulturraumgesetz auf den Dialekträumen. Das heißt, er hat auf eine historisch gewachsene sprachliche Kultur abgezielt, die er versucht hat in Verfahrenstechniken und gesetzliche Regelungen zu übertragen. In der Stadtforschung gibt es einen ähnlichen Ansatz. Der gründet sich auf den Begriff der Kapitalien von Pierre Bourdieu und geht davon aus, dass jede Stadt einen bestimmten Habitus hat mit einem bestimmten kulturellen Kapital. Mein Ansatz oder das, was ich eigentlich interessant finde, wäre zu überlegen, macht denn jede Kultur in jeder Stadt überhaupt Sinn auf der Grundlage eines solchen bestimmten Habitus der Stadt? Allgemein kann man sagen, Hamburg ist eine Stadt der Pfeffersäcke. Das ist eine Kaufmannsstadt. Sie haben sich erst 1912 eine Universität gegönnt. Das heißt, da ist ein ganz anderes Bildungs- und Kulturverständnis als beispielsweise in einer Stadt wie Berlin, die in Brüchen gelebt hat, wo Kreativität eine kulturelle Praxis sein musste, in West-Berlin aufgrund der räumlichen Gegebenheiten, in Ost-Berlin aufgrund der politischen Gegebenheiten. Da sind ganz andere kulturelle Praxen entstanden als in Hamburg, ist eine ganz andere Kreativität, ganz andere improvisatorische Praxen entwickelt worden, auch durch die Vereinigung. Mit so einem Ansatz beschäftige ich mich und schaue, wie lässt sich so ein Ansatz auch in den Bereich von Kulturförderung übertragen. Ich gehe davon aus, das hat man auch bei Herrn Zimmermann gesehen, dass es eine andere Ertüchtigung braucht und wenn das aufgrund des speziellen kulturellen Potentials einer Stadt oder Region geht, dann ist mir das lieber als wenn die Politik sagt, wir können uns das nicht mehr leisten, jetzt machen wir das nicht mehr. Matthias Zarbock: Bei der Frage nach den sogenannten neuen Ideen, neuen Konzepten bin ich vor kurzem bei Heiner Goebbels gelandet. Er fordert in einem Text freie Häuser mit ganz kleiner Ausstattung an Personal, Technik ist dabei, aber kein echtes großes Ensemble, ohne Vorgabe für ein Repertoire, ohne Vorgabe für Einnahmen, für Effektivität und behauptet, dass dadurch Forschungsstätten der Kunst eigentlich nur möglich wären, weil man weggehen müsste von den festen Institutionen und eine neue künstlerische Freiheit suchen sollte. Ich weiß nicht, vor wenigen Stunden fiel mir irgendetwas von den Augen runter und ich dachte dann, dass wir genau das haben: Das Thälmannpark-Areal hier im Bezirk, ein ehemaliges DDR-Kulturhaus, das inzwischen so runter gespart ist. Da haben wir eine leere Hülle. Da spielen nur freie Theatergruppen im Theater Unterm Dach. Wir haben eine künstlerische Leiterin, die die Qualität sicherstellt, aber es ist trotzdem kein Konzept, was marktgängig ist und das ist natürlich auch ein Begriff, mit dem Du Dich auseinandersetzen musst an der Stelle. Von innerer Logik und von der Bewertung von Außen, Qualität, Marktgängigkeit etc., das 75

77 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung formt ja eine Stadt auch mit. Wir sind in einer Stadt, die unheimlich viel kulturelle Produktion hat, unheimlich viel Content, in einem Überangebot, dass jeder die Gefahr eingehen muss, prekär zu arbeiten, produzieren muss, immer wieder sich neu erfinden muss und er stellt es in den Stadtraum. Ich glaube, dass der Berliner Stadtraum, da ist die Frage vielleicht auch der Hamburger? inzwischen fast überformt von diesen Selbstinszenierungen ist. Dadurch entsteht ein Bild einer Stadt, die kulturell noch attraktiver wird, die wiederum nach Außen hin vermarktbar ist, die im Wettbewerb mit anderen Städten ist, die dann als Metropole die Kultur sehr marktwirtschaftlich oder sehr ökonomisch definiert. Das ist die Frage, die ich da an die Stadtforschung habe. Alexander Pinto: In solchen Konzepten wird immer noch unterschieden, zum einen zwischen dem Image einer Stadt und der Imagination einer Stadt. Das Image einer Stadt ist, das hat Siri gerade auch für Hamburg ganz klar gemacht, Hamburg vermarktet Kultur und auch nur einen bestimmten Kulturbereich, ganz klar um Touristen anzuziehen und Tourismus ist neben dem Hafen der zweitgrößte Wirtschaftsfaktor mittlerweile in Hamburg. Vor allem Musicals, Hamburg ist europaweit mittlerweile eine der Musical-Städte. Das heißt in Hamburg ist Kultur in diesem Sinne auch immer einem gewissen Vermarktungsdruck unterworfen. Nichtsdestotrotz stellt sich aber die Frage nach der Relevanz, welche Kultur ist relevant. Für manche kann sich die Relevanz durchaus auch darin begründen, dass eine Stadt Touristen anzieht, ein Wirtschaftsfaktor ist. Es kann für mich aber auch Relevanz produzieren in dem Sinne, dass sich eine städtische Öffentlichkeit, eine städtische Gesellschaft mit sich selbst befasst, mit sich selbst diskutiert. Das Gängeviertel ist in dem Fall wirklich ein großartiges Beispiel, weil da genau das passiert ist, was Kunst, was Kultur für mich im Sinne von gesellschaftlicher Relevanz am wichtigsten tun soll, nämlich miteinander zu diskutieren, wie wollen wir hier leben. Das ist immer wieder ein Spannungsfeld, das gerade auch in Hamburg, was ja eben sehr kaufmännisch, sehr wirtschaftlich orientiert ist, ganz klar gegeben ist. Im Gegensatz dazu Berlin, da muss ich auch gestehen, verstehe ich Berlin manchmal nicht, dass da so einer Eventkultur anheim gefallen wird, weil aus meiner Sicht hier ein ganz anderes Potential liegt, als in Hamburg, gerade im freien subkulturellen Bereich. Heimo Lattner: Die große Frage, die im Raum steht ist die: Worin besteht denn die Anziehungskraft einer Stadt, wenn sie nicht mehr inhaltlich gefüllt ist. Berlin ist keine Stadt, in der Kunst groß verkauft wird. Das läuft nicht. Das ist eine Illusion. Dieses»Based in Berlin«, von dem ich gesprochen 76 habe, da war dann das Argument, man muss die jungen Künstler dem Markt zuführen, dann läuft das schon von selbst. Worauf der Verband Bildender Künstler eine Studie in Auftrag gegeben hat, die gezeigt hat, dass von den in Berlin lebenden Künstlern ungefähr 6 Prozent permanent mit einer in Berlin ansässigen Galerie zusammen arbeiten. Also dieses Modell funktioniert schon von vornherein nicht. Berlin ist keine Stadt, in der Kunst verkauft wird, sondern Berlin ist eine Stadt, in der Kunst produziert wird. Genau das zeichnet die Stadt aus, genau das macht diese inhaltliche Aufladung, diese Vitalität Berlins aus. Und genau darauf, vielleicht ist es auch schon zu spät, ich weiß es nicht, darauf muss jetzt geachtet werden, dass diese Räume, dass diese Strukturen erhalten bleiben. Dafür setzen sich Künstler der Freien Szene ein. Vorhin wurde gesagt, die Freie Szene sei Subkultur. Das stimmt nicht. Die Situation in der Bildenden Kunst, das wurde auch von Klaus schon erwähnt, ist eine andere als im Theaterbereich. Bildende Künstler sind nicht an Häuser gebunden, oder an Ensembles. Wir haben keine Tarifverträge, nur die Einkünfte der bildenden Künstler in Berlin sind ähnlich gering wie die der Darstellenden Künstler. 31 Prozent der bildenden Künstler in Berlin leben von einem Einkommen bis maximal Euro im Monat. 24 Prozent bis zu 500 Euro, 6 Prozent haben gar keine Einnahmen. Es sind, gerade mal 3 Prozent, die über Euro im Monat verdienen, da fallen aber auch die hinein, die Millionen machen mit ihrer Kunst. Matthias Zarbock: Jetzt kam hier natürlich, weil jemand der ehemalig die Macht mitvertreten hat, der Hinweis auf unsere Berliner Regierungsbeteiligung. Mich interessiert ja auf gewisse Art und Weise die Überforderung der Macht in der derzeitigen Situation, gar nicht eine finanzielle Überforderung, sondern eine Überforderung, wie geht man eigentlich mit solchen vollständig neuen Konzepten in Gesprächen um. Ich stelle mir jetzt vor,»haben und Brauchen«wendet sich an den Staatssekretär Kultur und der sagt, ja aber das ist doch Stadtentwicklung. Dann müssen Sie sich zur Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bewegen. So ein Beispiel: Es gibt hier im Bezirk ein Atelierhaus, das jetzt einfach als Liegenschaft verwertet werden soll. Die Künstler wehren sich dagegen, dass sie ihre Ateliers verlieren und da sind drei Senatsverwaltungen, die über Bande in der Öffentlichkeit sehr unterschiedliche Darstellungen davon geben, was sie eigentlich wollen. Der Kulturstaatssekretär sagt, natürlich will er die Ateliers erhalten, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sagt:»ja gut, wir wollen es eigentlich nicht mehr verkaufen«und der Finanzsenator sagt, na das wollen wir erst mal sehen, ob wir nicht dieses Areal irgendwie

78 Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten besser nutzen und abreißen können, so lautet dann die Variante beziehungsweise: Wohnungsbau. Aber die Frage, die ich eigentlich jetzt an Wolfgang hatte ist: Wie ist das eigentlich mit diesem merkwürdigen Konstrukt der Kulturmächtigen in dieser Stadt? Ist ein Gespräch über Inhalte überhaupt noch möglich? Sind das Türen, die man einrennt, wenn man da mit Ideen kommt? Hat sich da etwas verändert in den letzten Jahren? Wolfgang Brauer: Das ist fast ein abendfüllendes Thema. Ich versuche das mal ganz kurz zu machen. Wir waren in zwei Wahlperioden beteiligt an der Regierung, es gab zwei Wahlperioden lang eine Rot-Rote Landesregierung, in der ersten stellten wir sogar den Kultursenator. Das war Thomas Flierl. In diesen ersten fünf Jahren waren wir tagtäglich nur mit einem einzigen Thema beschäftigt und zwar mit dem Stopp des bis dahin Usus gewesenen Kultur-Abbaus. Wir haben fünf Jahre lang nichts anderes versucht zu tun, und da hat Thomas sich auch große Verdienste erworben als, na ich sage es mal mit einem Bild: Ihr erinnert Euch vielleicht noch an diese dramatischen Aufnahmen der großen Elbeflut. Als das technische Hilfswerk mit den Gummiplanen zu dem Deich ging und versuchte, mit Tauchern am Deichfuss die Risse zu stopfen. Genau das haben wir gemacht. Nichts anderes. Das ist nicht zu 100 Prozent gelungen, auch in diesen fünf Jahren starb ein Orchester, ein Sinfonieorchester, in Berlin. Auch in diesen fünf Jahren wurden in den Bezirken Kiezbibliotheken geschlossen, wurden Kleine Galerien dicht gemacht. Das ist alles passiert. Aber im Prinzip gelang es, diesen Abbau erstmal anzuhalten. Dann gab es einen Wechsel, und Klaus Wowereit übernahm diesen Senatsposten und dann wurde innerhalb des Senats umgesteuert auf die Förderung von Eventkultur. Man benutzte dabei auch Erkenntnisse, die in der ersten Wahlperiode von»rot-rot«sozusagen gefunden wurden, nämlich die Tatsache, dass Kunst nicht nur so elfenbeinturmmäßiges Zeug für elitäre Sachen, sondern für eine Stadt wie Berlin, die großflächig industrialisiert wurde, auch ein Wirtschaftsfaktor ist. Aus dieser Erkenntnis wurde der»wirtschaftsfaktor Kultur«gemacht, der Kulturwirtschaftsbericht wurde erstmals aufgelegt und daraus entstand dann diese verteufelte Situation, dass Kunst und Kultur immer wieder weniger mit ihrem Eigenwert argumentierten, sondern mit dem schlagenden Argument, Ihr müsst uns mal schützen, schonen und fördern, weil wir sind Wirtschaftsfaktor. Tolles Ergebnis, weil der jetzige Senat stiert fast nur noch auf diesen sozusagen renditeschaffenden Aspekt mit sehr merkwürdigen Förderentscheidungen. Eventkultur, ja, genau das versuchen sie zu puschen bis zum Gehtnichtmehr und wenn es halt nur eine Zusage ist. Ich sagte vorhin, Geld ist genug da, also wurde dann ganz locker mal ein bissel die Popkultur»gefördert«, wurde dann ein»musicboard«gegründet und mit mehreren Millionen ausgestattet. Dem Parlament gegenüber wurde aber fast zwei Jahre lang eine Auskunft verweigert, was der Senat denn mit dem Geld vorhaben würde. Da haben wir nichts (zu) erfahren. 4 Millionen waren das, die hätten wir gerne woanders hin gegeben. Oder was weiß ich, wegen des Tourismuspotentials eines Kirchentages schaute der Senat gebannt auf Hamburg. Diese Besucher wollte der Senat auch gerne nach Berlin haben. Er sprach mit den Bischöfen, wir wollen einen Kirchentag und wir kriegen ihn jetzt wahrscheinlich Das ist ja auch ein Treppenwitz der Weltgeschichte, die Stadt, die sich am hartnäckigsten der Reformation widersetzte, macht den Kirchentag Und wir finanzieren ihn zu einem Drittel! Nicht unbedingt, weil wir alle so fromm sind, sondern weil wir auf diese Menschen gieren, die hier natürlich Geld lassen. Das ist das, wo man gegensteuern muss, denke ich, was aber verteufelt schwer ist und ich kann wirklich nur darum bitten, dass dieser Diskurs am Leben bleibt, wie ihn Haben und Brauchen angestoßen hat, wie ihn die Koalition der Freien Szene angestoßen hat, wo es das erste Mal in der Kulturgeschichte Berlins gelungen ist über die Spartengrenzen hinweg diesen gegenseitigen Kannibalismus zu überwinden und zu sagen, ja o.k., wir haben hier gemeinsame Interessen. Freunde, wir kämpfen hier gemeinsam gegen unseren Untergang. Das ist der sinnvolle Ansatz, glaube ich, für die nächste Zeit. Inwieweit es da gelingt, sozusagen Früchte an den Baum zu kriegen, das weiß ich nicht, ich hoffe es nur. Ich weiß nur eins, dass wir auch gut beraten wären, bei einer bislang fast ausschließlich angebotsorientierten Kulturpolitik, mal ein bisschen die Nachfrage zu fördern und zwar Nachfrage da, wo sie entsteht, nämlich bei den Kindern. Kulturpolitik ist auch Bildungspolitik und die Bildungspolitiker machen gerne mal so einen rabiaten Schnitt nach dem Motto, wenn mal wieder eine Pisa-Studie sagt, dass die Kids nicht richtig rechnen können mit der Prozentrechnung oder ein Integral nicht verstehen dann fördern wir Mathematikunterricht zu Ungunsten von musischer Bildung und Erziehung. Das ist eine Katastrophe. Matthias Zarbock: Siri, wie ist denn der parlamentarische Alltag in Hamburg. Setzt Ihr auf Landesgesetze? Zum Beispiel in Berlin haben wir uns lange gestritten, Wolfgang und ich, ob ein Bibliotheksge- 77

79 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung setz notwendig ist oder ob ein schlechtes besser ist als keins. Ich glaube, Ihr habt dazu eine Haltung entwickelt? Siri Keil: Wir hatten einen Antrag für ein Bibliotheksgesetz eingebracht. Der wurde abgelehnt. Das ist das einzige, was wir konkret gemacht haben. Was Initiativen für Kulturgesetzentwürfe betrifft, das wäre tatsächlich die Frage. Ich bin mir persönlich, muss ich hier ganz ehrlich zugeben, sehr unsicher, das wäre auch etwas, worüber ich sehr gerne mit denjenigen sprechen würde, die Erfahrungen damit haben. Wir haben heute über die Kulturgesetzgebungen in Flächenländern gesprochen. Das ist ja eine ganz andere Situation als in Stadtstaaten wie Hamburg. Da sind ganz andere Aspekte zu beachten. Ich bin auch nicht hundertprozentig überzeugt davon, weil ich zum Beispiel bei der Findung der Grundsätze eines solchen Gesetzes auch immer in irgendeiner Form einen partizipativen Prozess erwarten würde. Den zu organisieren und wie die Erfahrungen damit sind, da würde ich einen Austausch nochmal sehr spannend und sehr wichtig finden, gerade für Hamburg. Und in wie weit das für Hamburg sinnvoll ist, ich würde im ersten Moment sage, ja klar ist es sinnvoll, aber wie ein konstruktiver, guter Prozess aussehen kann, da bin ich mir persönlich jetzt gerade total unsicher. Matthias Zarbock: Wolfgang, Du meintest strukturell würde da ein Problem bestehen. Ich habe das vorhin mit dem Zitat aus»recht auf Stadt«angedeutet. Eine Abgrenzung bestimmter Bereiche, eine Poesie des Bekennens zur Wichtigkeit und Rolle und Bedeutung erhält natürlich noch nicht die Musikschullandschaft. Eine Aussage zu den Finanzen ist notwendig. Mit solchen Argumenten, würdest Du denken, sind solche Teilgesetze nicht nötig, sind Kulturförderpläne in dem Sinne, in dem wir sie heute übergreifender vorgestellt bekommen haben, die Idee für die Stadtstaaten? Wolfgang Brauer: Stadtstaaten haben eine Besonderheit. Alle politischen Grundsatzentscheidungen regeln sich über den Haushaltsplan, über das Haushaltsgesetz. Das Landesparlament eines Freistaates oder Nicht-Freistaates hat die schöne Aufgabe, räsonierende Gremien wie Kreistage, Stadtverordnetenversammlungen und alle solche kommunalen Dinge, die so auf ihre Selbständigkeit bestehen, irgendwie zu disziplinieren im Rahmen der Landesgesetzgebung. Das ist in einem Stadtstaat nicht nötig und völlig überflüssig. Ich würde es für viel wichtiger halten, wenn es uns gelänge, zum Beispiel in Berlin anstelle einer Vielzahl von einzelnen Kulturgesetzen, wo der Finanzierungsparagraph immer rausgestrichen wird und das ist die Gefahr, auch wenn Hamburg Gesetze macht also 78 die Finanzierungsparagraphen kriegt ihr da nicht rein, da bin ich mir sicher, wenn wir stattdessen eine Art Landeskulturgesetz hinkriegten. Da gab es schon Anläufe, ein Landeskulturgesetz, was sehr genau definiert, dass das Land Berlin Kultur fördert und unterstützt und zweitens sagt, wofür ist der Senat zuständig, was hat die Landesebene zu machen, was erwarten wir von den Bezirken als sozusagen Teilkommunen und wie nimmt sich das Land selbst in die Pflicht, die Bezirke zum Beispiel in die Situation zu versetzen, dass sie die Aufgaben, die wir ihnen überhelfen, auch erfüllen können. Und das ist der Casus Knaktus. Die Landesebene schichtet ja sehr gerne Aufgaben ab. Aber selten wird das Geld mitgegeben und wenn dann vielleicht so 80 oder 85 Prozent, denn es muss ja einen Einspareffekt geben. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Das ist mein Problem mit solchen Gesetzen. Matthias Zarbock: Ich weiß gar nicht genau, wie die Bevölkerungsentwicklung in Hamburg ist. Wir hier in Berlin haben eine positive Prognose und sitzen gerade in einem Bezirk, der angesagt bekommt: 16 Prozent Zunahme der Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren stellt Euch mal darauf ein! Alle Planungen setzen dann auf Wohnungsbau. Da kämpfen wir jetzt um die Zukunft von Friedhöfen oder Kleingartenanlagen und sehen schon längst: Die Verwaltung wächst natürlich nicht mit der Bevölkerungsentwicklung und es kommen immer neue Aufgaben hinzu. Aber Alexander, Du hattest eine Idee. Alexander Pinto: Nein, ich habe keine Ideen. Die Ideen muss man dann immer in den Wahlprogrammen nachlesen, oder? Ich kann nur Fragen stellen. Ich weiß gar nicht, wer das gesagt hat, eigentlich geht es darum, erstmal die richtigen Fragen zu stellen und nicht gleich die Antworten zu liefern. Es gab zwei Punkte, auf die ich noch einmal kurz eingehen will. Das eine ist, Sie sagten das gerade Herr Brauer, man muss bei den Kindern ansetzen. Dann gab es spontan Applaus und das hat man hier den ganzen Tag immer wieder durchklingen hören. Ich habe oft den Eindruck, dass Bildung zunehmend zum einzigen Legitimationsgrund für kulturelles Handeln der Politik wird. Ich merke mittlerweile einen großen Widerstand bei mir gegen so eine Pädagogisierung der Kunst und der Kultur. Jetzt gibt es zum Beispiel für Hamburg unglaublich viele Projekte, die gerade in diesem Bereich ansetzen, weil da auch gerade ganz viele Fördergelder hineingehen. Da gibt es dann auch immer so Wanderungsbewegungen der Künstler, das ist ganz logisch. Wir hatten gerade die IBA, da zog alles in diese Richtung, weil es da viel Geld gab. Dann gibt es die kulturelle Bildung. Dann zieht auf einmal alles dahin. Dann ist das der Markt. Die

80 Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten Frage ist, wann ebbt diese Welle wieder ab und was kommt dann als neuer Fördermarkt, wo auch wieder alle hingehen. Das zweite ist, noch einmal die Kreativitäts- und Kulturwirtschaft, die Du vorhin ansprachst. Das Problem, was ich sehe und für das ich auch noch keine Lösung oder keine Ideen habe, ist, dass wir grundsätzlich ja in einem sehr starken sozio-ökonomischen Strukturwandel stecken. Und unsere gesamten Stadtstrukturen sind nach wie vor noch einem fordistischen Stadtmodell verhaftet, zum Beispiel bei der Bedeutung der Gewerbesteuern, die für die Kommunen mit eine der größten Einnahmequelle ist. Wenn Du aber mit erhöhter Mobilität zu tun hast, beispielweise mit Unternehmen, die global agieren, gibt es eine andere Einnahmesituation bei den Steuern. Die städtischen Strukturen sind aber nach wie vor auf ein sehr stark lokal orientiertes fordistisches Konzept von Stadt zugeschnitten. Und entsprechend merkt man natürlich in den kommunalen Haushalten, dass das irgendwie nicht mehr miteinander zusammen geht. Die Städte verteilen den Wohlstand nicht mehr, sondern sind dazu gezwungen, Wohlstand selber zu generieren, Wachstum selber zu generieren. Und dann kam das, was Du gerade von mir eingefordert hast, nämlich die Idee der Kultur- und Kreativwirtschaft. Charles Landry mit seiner Idee der creative cities und Richard Florida mit der creativ class. Und die ganze Politik nimmt das komplett und unkritisch auf, weil ihnen selber die Ideen fehlen, und die GRÜNEN bei uns in Hamburg entwickeln das Konzept der kreativen Stadt Hamburg und gründen mit der CDU eine städtische Kreativgesellschaft. Wir haben heute gehört, selbst in Thüringen gibt es jetzt Kreativgesellschaften. Ich war selbst vier Jahre kreativ schaffend in Thüringen tätig. Insofern ist es natürlich in einer gewissen Weise gerechtfertigt, dass sich Stadtpolitik auch darauf konzentriert, was sind die nächsten Wachstumsmotoren. Und wenn da Kultur- und Kreativwirtschaft dabei ist und Kultur damit auch eine neue Aufmerksamkeit erfährt, ist das auch positiv zu sehen. Ich glaube, ohne den ganzen Diskurs hätten wir für die freien Theaterschaffenden in Hamburg lange nicht das durchsetzen können, nämlich eine Verbesserung der Förderstrukturen. Insofern muss man es zwar kritisch sehen, aber es komplett zu verteufeln, da wäre ich eher vorsichtig. Matthias Zarbock: Wir haben jetzt von Prinzipien gehört, die einwirken, ob sie aus der Politik oder aus der Gesellschaft oder vom Markt oder aus irgendwelchen ideologischen Konstrukten kommen, aber, wo bleibt die Kunst? Wo bleiben die Kunstproduzenten. Ein Freund von mir, der konnte profitieren, muss man ja irgendwie sagen, an kultureller Bildung. Er hatte als Maler nicht genug Einkommen, aber irgendwie in die Schulen gehen und da Zeichenkurse machen, konnte ihm dann ein bisschen Geld bringen. Heimo, haben diese Programme irgendwann mal außer solchen Nebeneffekten auch einen fördernden Impuls auf Leben und Arbeitsmöglichkeiten von Künstlern gehabt? Du sprichst ja auch davon, eigentlich über so eine unregulierte Zeit, wo die Räume unreguliert waren in Berlin. Wo es einfach billig war. Wo man was machen konnte. Wo man Freiheit hatte. Gab es irgendwann mal einen politischen Impuls, der Kunstproduktion wirklich geholfen hat? Heimo Lattner: huch, mmh (überlegt) Matthias Zarbock: Ist auch eine Antwort. Heimo Lattner: Ich habe leider keine Beispiele parat. Ich sehe in der jüngsten Vergangenheit hier in Berlin diesen, wie sagt man denn, diesen kleinen Versuch oder diese kleine Aufmerksamkeit, diese Förderung der freien Projekträume. Gefordert war ein Bekenntnis zu diesen Orten, heißt strukturelle Maßnahmen zur Sicherung deren Existenz als wichtige Orte für die Kunstproduktion in dieser Stadt. Herausgekommen ist wieder mal ein Preis, ein Leuchtturmprojekt verbunden mit viel politischem Schnick-Schnack und Presse Euro verteilt auf 7 Räume, a Euro. Das reicht gerade mal aus, um die Miete für zwei Jahre für so einen Raum zu decken. Es gibt aber Initiativen, die sich erfolgreich durchgesetzt haben, zum Beispiel das ExRotaprint oder jetzt das neueste Projekt, das Zentrum für Kunst und Urbanistik, die es hinbekommen haben, Erbpachtverträge mit der Stadt abzuschließen. Matthias Zarbock: Das Atelierprogramm des Landes Berlin ist auch so eine Merkwürdigkeit. Auch da erleben wir immer wieder Überraschungen. Da, wo die Infrastruktur vorhanden ist und wo sie mit Müh und Not gehalten wird, wird dieser große Kunst-Tanker Berlin, gar nicht so verortet. Und lässt sich dann natürlich schwer irgendwie verteidigen in diesem tröpfelnden Prozess: Hier wird eine Bibliothek geschlossen, da eine kleine Galerie das sind wenigstens öffentlich greifbare Einrichtungen. Aber wie kann man die Öffentlichkeit für den Erhalt von Ateliers mobilisieren? Heimo Lattner: Für Projektföderung stehen seitens des Senats Euro pro Jahr zur Verfügung. 79

81 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Dazu kommen dann noch die Einzelstipendien, Katalog- und Atelierföderung. Aber konkret für künstlerische Projekte und damit Honorare, sind es eben nur Euro. Matthias Zarbock: Wir hören, jetzt sind Euro eingeplant, die Stadt hat nämlich auf einmal genügend Geld. Heimo Lattner: Die Ziffer bezieht sich auf den Projektraumpreis, der vorerst zweimal vergeben wird. Sollte die City Tax kommen und sollte ein Teil der Einnahmen daraus wirklich in die Freie Szene fließen, werden eventuell bestehende Förderinstrumentarien aufgestockt. Bloß auf aktuelle Gegebenheiten zu reagieren statt systematisch vorzugehen reicht eben nicht aus. Es müssen akut Maßnahmen her um zum Beispiel die Gewährleistung von Mindestgagen und die Bezahlung von Ausstellungshonoraren zu bewerkstelligen. Oder Maßnahmen zur Sicherung des Betriebs kommunaler Kultureinrichtungen. Das lässt sich alles detailliert ausgearbeitet bei Haben und Brauchen und der Koalition der Freien Szene nachlesen. Matthias Zarbock: Stichwort City Tax. Bereits erwähnt wurden die 10 Punkte der Koalition der Freien Szene. Aber das Gesetz zur City Tax kommt nicht, ist immer so meine Befürchtung. Will die Politik nicht? Ist sie wirklich nicht in der Lage, ein vernünftiges Gesetz zustande zu bringen? Heimo Lattner: Den 10-Punkte Plan hat die Koalition der Freien Szene erarbeitet. Darin wird aufgeschlüsselt, wie mit 50 Prozent der Mehreinnahmen aus der City Tax die Freie Szene nachhaltig gefördert werden kann. Haben und Brauchen hat in einem offenen Brief an den Bürgermeister 100 Prozent gefordert, weil wir sagen, woher kommt diese Ziffer, diese Festlegung auf 50 Prozent. Es geht hier um ein grundsätzliches Bekenntnis zur Freien Szene. Das können auch 5 Prozent oder 35 Prozent sein, das ist erstmal zweitrangig. Wolfgang Brauer: Als diese Zahl 50 Prozent entstand, das war in einer Diskussion in der Pappelallee, wo diese 10 Forderungen dann auch zustande kamen. Das war Ergebnis eines zornigen Zwischenrufes innerhalb der Beratung in der Koalition der Freien Szene, nun seit mal nicht so bescheiden und beschränkt Euch mal nicht auf 20 oder 25 Prozent, wir wollen 50 Prozent. Das war sozusagen ein Widerstandsaufruf gegen eine zu große Bescheidenheit. Das Problem an der ganzen Sache mit der City Tax besteht tatsächlich darin, es ist keine Kulturförderabgabe. Punkt. Das heißt, grundsätzlich sind die Weichen gestellt, sie wird 80 kommen, der Hotel- und Gaststättenverband ist immer noch dagegen, aber irgend etwas wird da kommen, da setzt sich die Senatsverwaltung für Finanzen schon durch. Vollkommen übertrieben von vielen, vielen Menschen, ich meine jetzt nicht unbedingt die Künstlerinnen und Künstler, sind die Einnahmeerwartungen, die werden bescheiden sein, im Höchstfall 25 Millionen Euro, da gehen dann schon mal 2 bis 3 Millionen Verwaltungskosten weg und jetzt hat die Koalition gesagt, nicht die der Freien Szene, sondern die des Senats, 50 Prozent davon geben wir in die Förderung von Kunst und Kultur, in die Förderung von Tourismus und tourismusnahen Leistungen. Das heißt also, wenn es denn gut geht, sind die Herrschaften bereit, 5 bis 6 Millionen Euro rauszurücken tatsächlich für Belange der Freien Szene zum Beispiel. Das ist natürlich ein lächerlicher Betrag, ein absolut lächerlicher Betrag im Vergleich zu dem was wirklich gebraucht wird. Und was jetzt die Diskussion anbelangt um die Höhe von Projektfördermitteln et cetera pp haben wir ein Grundproblem. Der Ansatz von Mitteln, die im Haushaltsplan zur Verfügung stehen, ist relativ konstant geblieben in den letzten Jahren. Was sich jedes Mal verändert hat aufgrund einer kulturpolitischen Debatte, das sind die Verteilungsmechanismen. Dann wurde da noch ein Fonds gegründet, aus demselben Topf, mit noch einer Vergabejury. Man meinte, jetzt müsste man das und das auch noch fördern, dann griff man da wieder rein und veränderte den Zuschnitt, so dass wir inzwischen ein Fördergeflecht in der Stadt haben, durch das kaum noch jemand so richtig durchblickt. Das ist das Problem. Der Topf ist nicht größer geworden, aber die Mechanismen sind unendlich schwieriger geworden und das war jetzt der Punkt, wo dann die Koalition der Freien Szene sagte, o.k., wir wollen diese City Tax als zusätzliches Instrument und wir möchten, dass das anders geregelt wird. Ich meine, das muss man unterstützen. Das ändert nichts daran, dass dieser gigantische Batzen von 450 Millionen Euro, den wir alljährlich in Berlin zur Verfügung haben für Kultur im weitesten Sinne, aus unterschiedlichsten Quellen, das ist fast eine halbe Milliarde, das ist eine Menge Geld, einfach mal vollkommen schizophren verteilt ist. Es wird eine Verteilungsdebatte geben in den nächsten Jahren und die wird viel, viel heftiger werden, als wir sie bislang hatten. Das finde ich auch o.k. Alexander Pinto: Ich muss aber nun, wenn ich schon mal mit einem Kulturpolitiker auf dem Podium sitze, noch mal nachfragen. Wenn es eine Verteilungsdebatte ist, und ich habe das den ganzen Tag durchhören können, dass man eigentlich etwas ganz anderes machen würde, auf welcher Grundlage würden Sie denn verteilen. Also

82 Drittes Podium: Kulturförderung in Großstädten/Stadtstaaten welche Kultur würden Sie denn fördern und in welchem Begründungszusammenhang hat denn diese Kultur das Recht gefördert zu werden? Oder ist das dann auch, wer am lautesten schreit oder wem man sich persönlich nahe fühlt. Für mich ist die Frage, auf welcher Grundlage entscheiden Politiker welche Kultur gefördert wird? Wolfgang Brauer: Gefährliche Frage, jetzt kommen wir doch zum abendfüllenden Programm. Nein, ich mache es wirklich jetzt ganz, ganz kurz. Die augenblicklichen Entscheidungsgrundlagen sind tatsächlich politische Mehrheiten. Der Senat fragt sich, was kann und muss ich fördern, damit mehr Glanz in die Hütte kommt. Das wird dann auch gemacht. Ich würde diese Eventfinanzierung zurückschrauben. Es muss gewährleistet sein, dass das, was an kultureller Infrastruktur da ist, auch gesichert ist. Es muss gesichert werden, dass die Leute, die dort arbeiten, so bezahlt werden, dass sie tatsächlich davon leben können. Und es muss mehr Geld in die Hand genommen werden, um Zugangshürden abzubauen und Sie haben mich da vorhin etwas missverstanden mit dieser Bildungsschiene: Ich meinte damit nicht, jetzt schicken wir mal noch ein paar Malerinnen und Maler in die Schulen, die sollen mal so ein paar Arbeitsgemeinschaften da machen am Nachmittag und nennen das Ganze kulturelle Bildung, sondern wir haben das entsetzliche Problem in der Stadt, das ist in Hamburg wahrscheinlich ähnlich in bestimmten Quartieren, dass wir zum Beispiel jetzt rede ich von dem Bezirk aus dem ich komme quasi in einer Stadt mit Einwohnern eine reale Kinderarmut von 60 bis 65 Prozent haben. Wenn diese Kinder erwachsen werden, dann sind sie zu einem großen Teil für ihre künstlerischen Angebote einfach mal verloren. Da muss Geld rein gesteckt werden. Da möchte ich umverteilen. Alexander Pinto: Sie sagten gerade, das der Bestand der kulturellen Infrastruktur bewahrt werden soll. Jetzt ist aber hier den ganzen Tag kommuniziert worden, dass die Infrastruktur abgebaut wird, also das die kommunalen Rahmenbedingungen so sind, dass es de facto zum Abbau kommt. Das heißt auch, wenn Sie in der Politik, was ich an vielen Stellen hoffen würde, an der Macht sind, werden Sie sicherlich auch mit den entsprechenden Rahmenbedingungen konfrontiert sein und den Bestand zu wahren kann ja dann aber auch nicht die Lösung sein, oder? Wolfgang Brauer: Der augenblickliche infrastrukturelle Bestand an landesgeförderten Einrichtungen, jetzt rede ich wirklich nur von Landeseinrichtungen, der sich in Berlin in den letzten 100 bis 150 Jahren herausgebildet hat, deckt, denke ich, die Bedürfnisse der Stadt und ihrer Besucherinnen und Besucher, plus Tourismusfaktor, ab. Punkt. Den kann und muss man wahren. Das wird sehr schwer sein, das zu halten, weil die Kosten enorm explodiert sind. Das bedeutet dann, weil sie von Abbau sprachen, dass ich mir einige luxeriöse zusätzliche Sachen nicht mehr leisten kann. Das ist richtig. Das aber bedeutet nicht, dass ich per se schließen muss. Das große Problem wird dabei sein in den kommenden Jahren tatsächlich für frei arbeitende Künstlerinnen und Künstler genau diese Produktionsräume zu sichern, zusätzlich oder in Kooperation mit diesen Einrichtungen. Natürlich ist es ein Unding, dass große, sehr teure und jetzt sage ich das Reizwort Opernhäuser nur zu einer bestimmten Zeit am Tage gewissermaßen öffentlich zugänglich sind und für künstlerische Produktion nur eingeschränkt öffentlich zugänglich sind. Es ist ein Unding, dass ein Kinder- und Jugendtheater, ein frei arbeitendes Kinder- und Jugendtheater, weil es die Idee hat, mal irgendetwas mit Bach zu machen, brauchte es irgendwelche Barockperücken, die nicht von einem Berliner Hause gekriegt hat die haben sie sich ausleihen dürfen in der Semperoper in Dresden. Die waren bereit, ihnen unter die Arme zu greifen. Die Berliner Häuser nicht. Diese Zustände müssen beendet werden. Matthias Zarbock: Es gibt da eine Frage aus dem Saal. Andreas Jähnig: Ich bin Bildhauer. Wir diskutieren seit längerem in der Fachgruppe Bildende Kunst von ver.di, dass es immer um Förderung geht. Das Problem der bildenden Künstler in unserem Bereich ist doch, dass schlicht und einfach der Markt weggebrochen ist oder es ihn in bestimmten Bereichen ja noch nie gegeben hat. Performancekünstler, da gibt es eigentlich keinen richtigen Markt. Wir sind der Auffassung, dass dort, wo kein Markt ist, die Gesellschaft, der Staat, sozusagen als Marktteilnehmer sich engagieren müsste, wie er es ja in anderen Bereichen auch macht, wenn die Autos nicht mehr zu verkaufen gehen, dann tritt dort der Staat als Käufer auf, indirekt. Das gibt es in anderen Bereichen auch. Warum kann man diese Debatte nicht auch mal in diese Richtung führen, um ein anderes Selbstverständnis rein zu bekommen. Dann käme man nämlich nicht auf einen Fördergedanken, sondern einen Gleichstellungsgedanken. Dass man die Künstler praktisch in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gleichstellt all den anderen, die in dieser Gesellschaft auch wirtschaften. Matthias Zarbock: Ich interpretiere das jetzt als eine Anregung oder einen Hinweis. Aufgrund der voran geschrittenen Zeit kann ich jetzt nicht mehr ins Podium geben zu einer Antwort und ich kann 81

83 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung nun auch nicht mehr das Thema Bedingungsloses Grundeinkommen diskutieren, das mir sehr am Herzen liegt. Wenn nicht jemand vom Podium noch etwas sagen möchte? Nein, das ist nicht der Fall, dann bedanke ich mich bei allen, die hier sitzen und bei allen, die im Saal noch sitzen vor allem. Ich finde es hat sich gelohnt, solange auszuhalten, auch wenn es später geworden ist als geplant. Annette wird uns ja jetzt den Abend und den Tag zusammenfassen. Fazit und Ausblick Dr. Annette Mühlberg: Nein, nicht erschrecken. Ich werde jetzt nicht den Tag zusammenfassen. Zunächst bedanke ich mich bei allen, die auf den Podien waren, die mitgeholfen haben, die mitdiskutiert haben, bei allen Gästen. Und wenn wir jetzt zu fortgeschrittener Stunde weniger sind, dass macht ja überhaupt nichts, weil wir werden ja eine Dokumentation erstellen, so dass jeder Satz hier, zumindest jeder wesentliche Satz auch noch sein Publikum erreicht, auch bei denen, die hier jetzt nicht mehr waren. Fazit und Ausblick hieß es im Programm. Ich habe heute eine andere Wahrnehmung als Alexander Pinto. Wenn es vielleicht auch nicht so viele neue Ideen waren, war es ja aber eine Summe von Anregungen und auch von Dingen, die ganz ernsthaft verfolgt und umgesetzt werden müssten, angefangen bei den Fördergesetzen, mit denen wir uns in der Ständigen Kulturpolitischen Konferenz weiter beschäftigen werden, bis zur Formulierung von Leitlinien, nicht nur in einem Land. Wir werden der Frage nachgehen, ob es sinnvoll ist so etwas Ähnliches wie das Kulturraumgesetz auch in anderen Ländern zu versuchen und prüfen, inwieweit solche Formen wie der Kulturkonvent sinnvoll sind. Der Forderungskatalog von der Koalition der freien Szene enthält für uns einen ganzen Katalog von Aufgaben. Mit den Forderungen, Wolfgang hat es ja gesagt, stimmen wir gänzlich überein. Insofern ist mein Fazit: Wir sind eine Ständige Kulturpolitische Konferenz. Wir bleiben an diesen Themen, die hier heute diskutiert wurden, weiter dran. Wir machen eine schöne Dokumentation, die wie gesagt vorab allen, die hier auf dem Podium waren, vorher zur Kenntnis gegeben wird, damit Sie noch etwas verändern können. Zum Ausblick: Da möchte ich auf den Abend und das Fest der LINKEN hinweisen. Wer möchte, kann jetzt mit ins Babylon kommen, wo um 19:00 Uhr»Authentisch ein Stück weiter, jetzt noch glaubhafter«ein Solo-Abend mit Uwe Steimle stattfindet und anschließend die Verleihung des Kabarettpreises»Der EDDI 2013«. Ihr werdet verstehen, dass Volker Külow zur Verleihung dieses Preises dabei sein muss und deshalb schon vorher zur Vorbereitung gegangen ist, weil ja der Eddi, Edgar Külow, sein Vater ist, für diejenigen, die das vielleicht nicht so wissen. Das ist der Auftakt des Festes der LINKEN. Das Programm für die nächsten zwei Tage liegt draußen und anschließend können wir alle uns auch noch im Café Luxemburg treffen, wer Lust hat. Soweit der Ausblick. 82

84 BAG Ständige Kulturpolitische Konferenz BAG Ständige Kulturpolitische Konferenz Wer wir sind Die Ständige Kulturpolitisch Konferenz ist ein Zusammenschluss von kulturpolitisch Aktiven innerhalb und außerhalb der Partei DIE LINKE. Sie besteht seit 1995 und wurde im Jahre 2009 als Bundesarbeitsgemeinschaft anerkannt. Wir verstehen uns als ein ständiges Diskussionsforum für linke Kulturpolitik und zugleich als ein Beratungsgremium für die Bundespartei. Wir sind offen für alle, die sich an der Formulierung neuer Leitbilder und Zielstellungen einer demokratisch-sozialistischen Kulturpolitik beteiligen wollen und laden ausdrücklich zu dieser Debatte ein. Was wir wollen Wir wollen die Debatte um den Stellenwert von Kultur in der Gesellschaft befördern und zu einem neuen Verhältnis von Kultur und Politik in der Partei beitragen. Kulturelle Vielfalt und die Künste in allen ihren Ausdrucksformen sind unverzichtbar für eine lebendige Demokratie. Günstige Rahmenbedingungen und Freiräume für ihre Entwicklung zu schaffen ist deshalb für uns als Linke wesentlicher Bestandteil des Ringens um eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft. Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik. Wie wir arbeiten Wir haben 14 Landesarbeitsgemeinschaften, in denen rund 360 Mitglieder der Partei DIE LINKE und weitere Künstler/-innen und Kulturschaffende, die der LINKEN nahestehen, mitwirken. Die SprecherInnen der LAGs treffen sich vierteljährlich. Sprecherin der BAG ist Annette Mühlberg. Kontakt Gert Gampe Bundesgeschäftsstelle DIE LINKE. Kleine Alexanderstraße 28, Berlin Telefon: (030) Telefax: (030) Internet: zusammenschluesse/staendigekulturpolitischekonferenz/ 83

85 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Auszug aus dem Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2013 Kultur für alle kreativ, vielfältig, dialogorientiert Die Künste, kulturelle Bildung, Erinnerungskultur sind unverzichtbar für eine lebendige Demokratie. Wir wollen Vielfalt des kulturellen Lebens und allen Menschen die Teilhabe an Kultur ermöglichen. Kultur ist Alltagskultur und hohe Kunst gleichermaßen, kulturelles Erbe und Subkultur. Kultur ist Normalität und Irritation, Fortschritt durch Kreativität und staunende Besinnung auf Geschaffenes. Kultur und Kunst ermöglichen Kommunikation und Verständigung, Identität und Integration, Bildung, Freiheit und Selbstvergewisserung. Auch wenn Kunst verstören darf, stiftet sie doch Anregung. Kultur und Kunst setzen Impulse und stärken die Phantasie. Kultur ist nicht zuletzt Genuss und Freude. All das ist kein Luxus, den sich die Gesellschaft leisten sollte, sondern Sinn des Lebens. DIE LINKE tritt für eine demokratische Kultur ein, in der alle in Deutschland Lebenden, unabhängig von ihrer sozialen, regionalen oder ethnischen Herkunft ihre kulturelle Identität finden und ausdrücken können. Wir wollen das kulturelle Leben in allen Regionen und Milieus fördern als Basis für die Verständigung zwischen den verschiedenen Gruppen der Gesellschaft. Linke Kulturpolitik richtet sich darauf, günstige Rahmenbedingungen und Freiräume für die Entwicklung der Künste und des kulturellen Lebens zu schaffen. Wir setzen uns für den Erhalt der öffentlichen Kulturförderung ein und wollen die vielgestaltige kulturelle Szene fördern von den öffentlichen Einrichtungen über die freie Szene, gemeinnützige Projekte und Initiativen bis hin zu kleinen Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise und einer verfehlten Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung stehen immer mehr Kommunen vor dem finanziellen Aus. Kürzungen setzen oft bei den sogenannten freiwilligen Leistungen wie der Kultur an. Es ist höchste Zeit umzusteuern und Maßnahmen zur finanziellen Stärkung von Ländern und Kommunen und zum Erhalt der kulturellen Infrastruktur zu ergreifen. Unterfinanzierung oder Schließungen von Einrichtungen, Personalabbau und Privatisierungen haben nicht zuletzt Folgen für die Kulturschaffenden. Deren wirtschaftliche und soziale Risiken haben 84 sich vergrößert. Die Mehrzahl der Künstlerinnen und Künstler kann von ihrer künstlerischen Arbeit nicht leben. An den Gewinnen, die mit ihren Werken erwirtschaftet werden, sind sie nur unzureichend beteiligt. Wir wollen gute, existenzsichernde Arbeit und soziale Sicherung im Kulturbereich. Wir wollen Mindestlöhne und Honoraruntergrenzen und ein Urhebervertragsrecht, das die Verhandlungsmacht der Kreativen stärkt. Die Verwertungsgesellschaften müssen transparent und demokratisch strukturiert sein. Für bildende Künstlerinnen und Künstler soll eine Ausstellungsvergütung eingeführt werden. Die Künstlersozialversicherung muss erhalten und ausgebaut werden. Kreative, die freiberuflich und selbständig vor allem in den neuen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig sind, müssen besser in die sozialen Sicherungssysteme einbezogen werden. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für Kulturgüter ist eines der wesentlichen Instrumente indirekter Kulturförderung und sollte unbedingt beibehalten werden. Die öffentliche Kulturförderung wollen wir stärken, indem wir den kooperativen Kulturföderalismus ausbauen. Wir fordern ein klares Bekenntnis zur Verantwortung des Staates für den Schutz und die Förderung der Kultur. Das Staatsziel Kultur gehört ins Grundgesetz. Wir wollen die Aufnahme einer Gemeinschaftsaufgabe Kultur ins Grundgesetz und den Wegfall des sog. Kooperationsverbotes, um das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Kulturfinanzierung endlich auf eine gesicherte Grundlage zu stellen. Wir fordern einen Bundeskulturminister mit Kabinettsrang und ein Kulturministerium, um die Belange der Kultur gegenüber anderen Ressorts sowie auf europäischer Ebene wirksamer vertreten zu können. Wir wollen einen Kulturbericht und ein Kulturkonzept des Bundes, das den veränderten Rahmenbedingungen kultureller Arbeit Rechnung trägt.

86 Kultur für alle kreativ, vielfältig, dialogorientiert Wir wollen kulturelle Bildung für alle von Anfang an und eine demokratische Erinnerungskultur zur Auseinandersetzung mit unserer widersprüchlichen Geschichte. Wir wollen, dass die UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt umgesetzt wird. Wir setzen uns für die Förderung der Vielfalt von Kulturen im Einwanderungsland Deutschland, für interkulturelle Öffnung und interkulturellen Dialog in der Innen- und Außenpolitik ein. Wir wollen die Partizipationsrechte der Minderheiten auf Bundesebene stärken und eine angemessene Ausstattung der Institutionen und Projekte zur Pflege und Entwicklung der anerkannten Minderheitensprachen und -kulturen erreichen. Wir wollen die kulturelle Dimension der europäischen Einigung durch einen intensiveren Austausch und gemeinsame kulturelle Projekte fördern. Kultur ist mehr als eine Ware und darf nicht nur unter kommerziellen Gesichtspunkten betrachtet werden. DIE LINKE tritt dafür ein, dass der in der UNESVO-Konvention festgehaltene besondere Charakter von Gütern und Leistungen im Kultur und Medienbereich auch bei internationalen Freihandels- und Investitionsabkommen berücksichtigt wird. Kultur- und Kreativwirtschaft von links Die Kultur- und Kreativwirtschaft kommt dem Umfang nach großen Branchen wie Chemie, Maschinenbau oder Autoindustrie gleich. Ihre Bedeutung dagegen wird erst nach und nach erkannt. Im Jahre 2011 arbeiteten Selbstständige und versicherungspflichtige Menschen in der Kultur- und Kreativwirtschaft und setzten 143,38 Milliarden Euro um. Allgemein wird von elf Teilmärkten ausgegangen: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbemarkt, Software- und Games-Industrie. Die Begrifflichkeiten, wirtschaftsstatistische Erhebungen und Förderinstrumente sind noch unzulänglich. Die Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft ist integraler Bestandteil linker Politik, ohne die ambivalente Situation in diesem stark anwachsenden Bereich zu ignorieren. Kultur- und Kreativwirtschaft bedarf einer linken Perspektive. Viele der Kreativen, der Künstlerinnen und Künstler und Kulturschaffenden arbeiten prekär und werden durch Erhebungen gar nicht erst erfasst. So sind z. B. viele Künstlerinnen und Künstler gezwungen, in diesem Bereich unternehmerisch tätig zu werden, weil sie von ihrer künstlerischen Arbeit allein nicht leben können. Sie müssen in unternehmerischen Risiken denken. Solche Verhältnisse führen zur betriebswirtschaftlichen Beschäftigung und nicht zum kreativen Output. Die Besonderheiten der Branchen sind ihre Kleinteiligkeit, ihre Unzahl an Einzelunternehmungen und kleinere und mittlere Unternehmen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite hat Kreativität häufig etwas mit Phantasie und Enthusiasmus zu tun. Kein Musiker und keine Musikerin hört auf Musik zu machen, nur weil man davon nicht leben kann. DIE LINKE will sich verstärkt um die Entwicklung dieser Branche bemühen und eigene, linke Akzente setzen. Die Verknüpfung von Kulturpolitik und Kulturund Kreativwirtschaft ist dabei der Dreh- und Angelpunkt. Politik, Verwaltung und Akteure müssen ressort übergreifend denken und arbeiten. Schnittstellen müssen ausgebaut und neu geschaffen werden. DIE LINKE möchte die Förderinstrumente für diesen Wirtschaftszweig spezialisieren und ausbauen. Ressortübergreifende Förderprogramme müssen eingerichtet werden. Befindlichkeiten sollen durch gegenseitiges Verständnis von Kreativen und Wirtschaftsverwaltung ersetzt werden. Die Kleinteiligkeit und die damit verbundene Unorganisiertheit der Kreativbranchen bedarf einer speziellen Netzwerkförderung, wie beispielsweise von Verbandsstrukturen, um Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aufzubauen. Die regionalen Kompetenzzentren für die Kultur- und Kreativwirtschaft sind personell zu vergrößern und besser auszustatten, damit nicht zuletzt auch Beratungsleistungen verstärkt angeboten werden können. Die spezifischen Arbeitsbedingungen der Kreativen müssen verbessert werden. Die Honorar- und Gehaltssituation muss genauso verbessert werden, wie die Alterssicherung. Verbindliche Ausstellungshonorare für Einrichtungen der öffentlichen Hand können ein erster Schritt dazu sein. Die Öffnung der Künstlersozialkasse für weitere Berufsgruppen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft trüge der prekären Lage vieler Kreativer Rechnung. Fortbildung muss auch für künstlerische Bereiche förderfähig sein. 85

87 Kulturpolitik neu denken Neue Ansätze in der Kulturförderung Pfefferwerk Stadtkultur ggmbh die Abteilung Ausbildung Medien Kultur, in der junge Menschen eine wirtschaftsnahe und marktorientierte Berufsorientierung, Berufsvorbereitung oder Berufsausbildung der Berufsfelder IT, Medien, Kultur, Gastronomie und Büro im Rahmen von REHA,JBH oder BaE bzw. als Verbundausbildung in Kooperation mit kleinen und mittleren Unternehmen absolvieren, Die 1991 gegründete Pfefferwerk Stadtkultur ggmbh ist ein soziales Dienstleistungsunternehmen. Ziel unserer sozialraum- und gemeinwesenorientierten Arbeit ist die Mitgestaltung positiver Lebensbedingungen im Stadtteil. Wir entwickeln, fördern und realisieren dafür Bildungs-, Erziehungsund Beratungsangebote und vernetzen sie untereinander. Wir sind Tochter der Stiftung Pfefferwerk und ein Unternehmen im Pfefferwerk Verbund. Fünf Geschäftsfelder spiegeln unsere Kernkompetenzen wider und umfassen: 17 Kindertagesstätten, in denen durchschnittlich Kinder im Alter von acht Wochen bis zum Schuleintritt betreut und auf der Grundlage des Berliner Bildungsprogramms in ihren Bildungsprozessen unterstützt werden, den Jugendhilfeverbund, der mit einem differenzierten und aufeinander abgestimmten System an erzieherischen Hilfen vielfältige integrative Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien entwickelt und anbietet, die Kooperation von Jugendhilfe und Schule, die ihren Fokus auf die Unterstützung von schuldistanzierten Jugendlichen, ihre Reintegration in die Regelschule sowie auf die Ganztagsbetreuung, Beratung und berufliche Orientierung von Schüler/-innen an Integrierten Sekundarschulen legt, den Bereich Stadtteilarbeit Schulen, in dessen Mittelpunkt die Förderung von generationsübergreifendem, bürgerschaftlichem Engagement und die Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe stehen. Aus diesem Verständnis heraus gründeten und betreiben wir drei Grundschulen mit aufwachsender Sekundarstufe gemeinsam mit den Elternvereinen und sind anerkannter Schulträger. Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen jede Form der Ausgrenzung und Diskriminierung. Die kontinuierliche Qualitätsentwicklung unserer Angebote gewährleisten wir über die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2008 für den Geltungsbereich Kinder- und Jugendhilfe, Ausbildung, Jugendberufshilfe, Familien- und Gemeinwesenarbeit. In unseren Kindertagesstätten sichern wir die Qualitätsentwicklung durch interne und externe Evaluationen der pädagogischen Prozesse nach KiQu. Die Abteilung Ausbildung Medien Kultur ist als Träger von Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem SGB III über AZAV zertifiziert. Wir sind Mitglied im Deutschen PARITÄTischen Wohlfahrtsverband. KO-Allg-Traegertext_PW Stand Pfefferwerk Stadtkultur ggmbh Fehrbelliner Straße 92, Berlin Telefon: 030/ , Fax: 030/

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