Rundbrief Nr. 10_Mai 2016 Von Judith Schnyder / Stärkung der Rechte der indigenen Bevölkerung Ein Personaleinsatz von COMUNDO

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1 Von Judith Schnyder / Ein Personaleinsatz von COMUNDO Liebe Freunde, Familie und Yanomami-Freunde, seit November bin ich vom Mutterschaftsurlaub zurück, und arbeite nun im Büro der Secoya in Manaus, im Bereich der Mittelbeschaffung und Sensibilisierungsarbeit. Während die einen auf den Strassen nach dem Impeachment und Veränderung rufen, demonstrieren die anderen gegen einen Putsch und für die Demokratie. Seither haben die Turbulenzen um das Impeachment von Präsidentin Dilma Rousseff das politische Geschehen hier in Brasilien geprägt, und je nach Tag oder Publikum ist die Stimmung so unterschiedlich wie die Emoticons in der Karikatur oben auf der Seite. Und ganz rechts ist Dilma Rousseff dargestellt, die trotz allen Widrigkeiten beharrt ich trete nicht zurück! Anfang Dezember 2015 startete der damalige Präsident des Unterhauses, Eduardo Cunha, das Impeachment mit dem Vorwurf, Rousseff habe gegen Haushaltsgesetze verstossen. Rousseff mag zwar Mängel haben, doch nur eine nachgewiesene Straftat legitimiert ein Impeachment. Gelb/Grün: Dilma raus Rot: Es wird keinen Putsch geben Das Wort Putsch ruft bei vielen Brasilianerinnen und Brasilianern ungute Erinnerungen wach wurde der damalige Präsident João Goulart seines Amtes enthoben, und es folgten 21 Jahre Militärdiktatur. Die heutige Situation wird zwar als Putsch ohne Militär betitelt, doch hie und da hört man auch Stimmen, welche die Rückkehr des Militärregimes fordern. Dilma: Spieglein, Spieglein an der Wand... Gibt es eine bessere Managerin als mich? Spiegel: Du machst wohl Witze! Kontakt Judith Schnyder, Manaus, Brasilien. Wer diesen Rundbrief neu oder nicht mehr erhalten möchte, melde sich bitte bei: barblinaflury@bluewin.ch - Die Kosten für meinen Einsatz trägt COMUNDO / Bethlehem Mission Immensee. Angaben zu Spendenmöglichkeiten finden sich auf der letzten Seite.

2 Am 17. April 2016 hat das Unterhaus für die Eröffnung des Impeachments gestimmt. Kurz darauf wurde Eduardo Cunha, der als Anstifter des Impeachments gilt, vom Obersten Gericht wegen Korruption und Geldwäsche angeklagt und von seinem Amt suspendiert. Ministerium für Frauen, Rassengleichheit und Menschenrechte. Ausserdem ernannte er mehrere Minister, gegen welche Untersuchungen wegen Geldwäsche und Korruption laufen. Die Regierung sprengen. Cunha!! Ich glaube du hast die falsche Bombe geworfen!! Der auf Cunha folgende Interimspräsident des Unterhauses versuchte noch, den Prozess zur Eröffnung des Impeachments gegen Präsidentin Rousseff zu annullieren, doch am 12. Mai stimmte auch der Senat dafür, Rousseff für 180 Tage zu suspendieren, um Untersuchungen einzuleiten. Die UN-Sonderberichterstatterin für die Rechte der indigenen Völker Victoria Tauli- Corpuz äusserte sich am 16. Mai anlässlich der 15. Session des Ständigen Forums für indigene Angelegenheiten der UNO besorgt über die Abschaffung des Ministeriums für Menschenrechte, und über die Ernennung von anti-indigenen Ministern, welche in illegalem Goldabbau in Indigenen Gebieten verwickelt sind, oder diese für den Bergbau zugänglich, und wenn nötig bereits demarkierte Gebiete wieder rückgängig machen wollen. Laut Tauli-Corpuz besteht das Risiko, dass die Rechte der indigenen Bevölkerung verletzt werden und Ethnozid-ähnliche Effekte auftreten. Tauli-Corpuz hatte Brasilien just in dem Moment einen offiziellen Besuch abgestattet, als sich die politische Krise zuzuspitzen begann. Sie besuchte Regionen mit schwierigen Landrechtskonflikten und hat Vertreterinnen und Vertreter von verschiedenen indigenen Gruppen angehört. Sie zeigte sich besonders besorgt über die Möglichkeit, dass bereits errungene Rechte wieder rückgängig gemacht werden, und die Gewalt gegen Indigene steigt. Auch Amnesty International weist darauf hin, dass die politische Krise Menschenrechtsrisiken birgt, da die kürzliche Entwicklung Institutionen zu schwächen droht, welche für die Einhaltung der Menschenrechte zuständig sind. Amnesty warnt ausserdem vor den Auswirkungen des im März 2016 verabschiedeten Anti- Terrorismus- Gesetzes, welches so vage formuliert ist, dass es Tür und Tor zur Kriminalisierung von sozialen Bewegungen und friedlichen Protesten öffnet. Und wenn ich schon nicht das Impeachment annullieren kann, dann wenigstens das 7:1 von Deutschland! (der Fussball-WM, welches für die Brasilianer schwer zu verkraften war) Der konservative Vizepräsident Michel Temer, der das Amt von Rousseff übernimmt, strich noch am Tag seiner Amtsaufnahme mehrere Ministerien, unter anderem das 2

3 Das von der Bevölkerung langersehnte Ende der Korruption ist mit dem Impeachment keineswegs gelöst. Es wäre ein Austausch der gesamten politischen Elite nötig, um der grassierenden Korruption zumindest ansatzweise die Riegel vorzuschieben. Michel Temer gelüstet es nach dem Präsidentenband. Traditionellerweise besuchten wir während dem Treffen zwei lokale Initiativen. Vizepräsident Michel Temer s Traum von Dilma Auch am diesjährigen Treffen von E-CHANGER / CO- MUNDO war die aktuelle politische Situation ein zentrales Thema. Partnerorganisationen und Einsatzleistende diskutierten während einer Woche deren Auswirkung auf ihre Arbeit. Viele bestätigten, dass linke politische Parteien sowie soziale Bewegungen heute stärker verfolgt werden. Wer mit einem roten T- Shirt auf die Strasse geht (Symbol der Arbeiterpartei PT von Dilma Rousseff, sowie von verschiedenen sozialen Bewegungen wie etwa der Landlosenbewegung MST), muss befürchten, deswegen verbal oder physisch angegriffen zu werden. Einerseits war dies das MLB (Movimento de Luta nos Bairros, Ruas e Favelas), eine Bewegung welche sich für eine menschenwürdige Unterkunft derjenigen Familien einsetzt, welche trotz Arbeit nicht genügend Geld für eine Miete aufbringen können. Zu diesem Zweck werden ungenutzte Grundstücke besetzt, und mit der Stadt über mögliche Lösungen verhandelt. Der Anführer erzählte uns, dass er für seine Familie bereits eine Unterkunft erlangen konnte, und dass er sich jetzt dafür einsetzt, dass dies auch anderen Familien ermöglicht wird. Der zweite Besuch galt einer älteren Frau, welche in ihrem Quartier auf spontane und herzliche Art und Weise einen solidar- wirtschaftlichen Markt mit einer Frauengruppe organisiert, und ihnen dadurch neue Perspektiven und ein neues Selbstvertrauen verschafft. Die Besuche lösten einerseits Empörung darüber aus, in welchen unwürdigen Umständen Menschen leben müssen, andererseits stimmt es hoffnungsvoll, engagierte Menschen zu sehen, welche sich für das Wohl anderer einsetzen. Unser Koordinator Silvio hat es treffend formuliert: Wenn der Kampf mit Liebe geführt wird, dann hat es sich bereits gelohnt. Der ehemalige Präsident Lula zu Dilma: Wie wär s, wenn wir der vorigen Regierung die Schuld zuschieben? 3

4 Dilma Rousseff s Popularität vs. Dollarkurs Endspurt! Ende September enden alle Verträge von E-CHANGER / COMUNDO hier in Brasilien und das gesamte Landesprogramm muss die Türen schliessen. Trotz der politischen Wirren und Unsicherheiten bezüglich der Zukunft haben die Brasilianerinnen und Brasilianer ihren Sinn für Humor nicht verloren, was sich in unzähligen Karikaturen und Witzen ausdrückt, welche in den sozialen Medien kursieren. Ich nehme mir daran ein Beispiel, denn ich weiss auch noch nicht, wie meine Zukunft nach Ende des Vertrages aussehen wird. Bis dahin gilt es noch einiges zu tun, unter anderem arbeiten wir hier in Manaus an einer Sensibilisierungskampagne anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Secoya, mit dem Ziel, die vorherrschenden Vorurteile gegenüber der indigenen Bevölkerung zu dekonstruieren. Mittels Filmvorführungen, einer Foto-Ausstellung und Vorträgen an Schulen werden wir zusammen mit Vertretern der Yanomami versuchen, ein reales Bild der Indigenen aufzuzeigen, und einen Diskurs zu ermöglichen. Herzliche Grüsse aus dem Amazonas, Judith Schnyder 4

5 COMUNDO ist die führende Schweizer Organisation der Personellen Entwicklungszusammenarbeit (PEZA). Sie verantwortet seit 2013 das operative Geschäft der drei Trägervereine Bethlehem Mission Immensee, E- CHANGER und Inter-Agire. COMUNDO betreibt je eine Geschäftsstelle in Luzern, Freiburg und Bellinzona sowie ein Büro in Deutschland (Rottweil). Zurzeit sind über 100 Fachpersonen in 11 Ländern für COMUNDO im Einsatz. COMUNDO / Bethlehem Mission Immensee im RomeroHaus Kreuzbuchstrasse 44 CH-6006 Luzern Spendentelefon: Mail: spendendienst@comundo.org COMUNDO setzt sich weltweit für soziale Gerechtigkeit ein und verfolgt dieses Ziel mit folgenden Grundsätzen: COMUNDO konzentriert sich in den Einsatzländern auf den Erfahrungs- und Wissensaustausch. Fachpersonen und lokale Partnerorganisationen begegnen sich auf Augenhöhe und arbeiten vor Ort zusammen. Diese Zusammenarbeit stärkt nicht nur die Partnerorganisationen vor Ort, sondern verbessert Lebensbedingungen für die am Prozess beteiligten Bevölkerungsgruppen. In der Schweiz schafft COMUNDO das Bewusstsein für globale Zusammenhänge und sensibilisiert die Zivilgesellschaft und politische Entscheidungsträger für ein verantwortungsbewusstes Handeln. COMUNDO arbeitet mit einem ganzheitlichen Ansatz und fördert die Vernetzung ihrer Arbeit mit verschiedenen Partnern. Die lokalen Partnerorganisationen repräsentieren die Zivilgesellschaft, soziale Bewegungen und kirchliche Organisationen. Ihre Spende zählt! COMUNDO / Bethlehem Mission Immensee deckt die Gesamtkosten unseres Einsatzes (Ausbildung, Lebensunterhalt, Sozialversicherung, Projektkosten). Deshalb sind wir auf Ihre geschätzte Spende angewiesen herzlichen Dank! Ihre Spende kommt dem von Ihnen bestimmten Projekt zugute. Sollte ein Projekt mehr Spenden erhalten als benötigt, wird der Überschuss einem anderen Projekt im gleichen Land/Kontinent zugewiesen. PC-Konto Vermerk: Amigos dos Yanomami, Judith Schnyder Spenden aus der Schweiz: Postfinance, CCP IBAN CH COMUNDO fokussiert in ihrer Arbeit auf die Kernthemen: Existenzsicherung / Demokratie und Frieden / Umwelt / Diversity / Kulturen und Religionen. Im Einsatz stehen derzeit über 100 Fachpersonen in 11 Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens: Bolivien, Brasilien, Burkina Faso, Ecuador, Kenia, Kolumbien, Nicaragua, Peru, Philippinen, Sambia, Simbabwe. Die folgenden Marken gehören zu COMUNDO RomeroHaus das Bildungszentrum von COMUNDO WENDEKREIS die Zeitschrift von COMUNDO in der deutschen Schweiz CARTABIANCA die Zeitschrift von COMUNDO in der italienischen Schweiz ComundoNews die Zeitschrift von COMUNDO in der französischen Schweiz HOPLAA das 3-monatige Praktikum für Menschen zwischen 20 und 30 HORIZONTE das Magazin für Spendeninteressierte Netzwerkgruppe das persönliche Netzwerk der COMUNDO-Fachpersonen 5