Rundbrief Nr. 2_Oktober 2014

Transkript

1 Von Simone Dollinger und Angel Román / Theologische Bildung in La Paz, Bolivien - Ein Personaleinsatz der Bethlehem Mission Immensee Liebe Verwandte, Freunde und Freundinnen, Bekannte und Interessierte Wie die Zeit verfliegt! Konnten wir zu Beginn unserer Ankunft in La Paz noch sagen, wie viele Wochen wir erst hier sind, mussten wir nun doch kurz nachzählen. Bereits ist der 5. Monat unseres Einsatzes in Gang und es höchste Zeit, euch an unserem Leben und Arbeiten teilhaben zu lassen. Gleich nach unserer Ankunft in La Paz wurden wir sehr herzlich von zwei Dozentinnen des ISEAT aufgenommen und konnten so nach der langen Reise den Jetlag überwinden. Wir waren erstaunt, wie gut wir die Höhe ertragen haben und waren froh, dass auch Alma sich kaum über Kopfschmerzen oder ähnliches beklagt hat. Nach ein paar Tagen ging es dann gleich wieder weiter nach Cochabamba. Dort erwartete uns das erste Landes- Kontaktadresse Simone Dollinger und Angel Román, Instituto Superior Ecuménico Andino de Teologia, Casilla 5459 La Paz, Bolivia. Wer diesen Rundbrief neu oder nicht mehr erhalten möchte, melde sich bitte bei: simone_dollinger@yahoo.com - Die Kosten für unseren Einsatz trägt die Bethlehem Mission Immensee. Angaben zu Spendenmöglichkeiten finden sich auf der letzten Seite.

2 treffen aller Fachpersonen von COMUNDO und von IN- TERTEAM. Besonders spannend war für uns, dass nicht nur die Fachpersonen, sondern auch praktisch alle Partnerorganisationen vertreten waren. Dies gab uns die Gelegenheit, gleich zu Beginn wertvolle Kontakte zu knüpfen und einander auch persönlich besser kennen zu lernen. Vor ein paar Tagen haben wir den 4. Geburtstag von Alma zum Anlass genommen, ein paar Leute zu uns nach Hause einzuladen. Es war schön zu sehen, dass aus diesen ersten Kontakten in Cochabamba bereits einige Freundschaften gewachsen sind. Die Eingewöhnungsphase war zwar nicht ganz einfach für Simone: Alma ging von Beginn an sehr gerne in die Kita, liess Simone aber nicht gehen. So sass sie einige Stunden im Eingangsbereich der Kita und konnte sich den ganzen Betrieb von Innen ansehen. Die Kinder sind in altersspezifische Gruppen eingeteilt und steigen immer alle halbe Stunden in den Trencito ( Zügli ) ein. Alle Kinder einer Gruppe fassen sich hinten am Pullover, singen das Lied vom Trencito und wechseln dabei den Raum. Dieses Ritual liebt Alma und wir haben schon etliche Male zuhause Trencito gespielt. In der Kita selbst hat dieses Ritual auch sehr praktische Gründe: Es führt nämlich dazu, dass mit rund 80 Kindern auf doch sehr engen Raumverhältnissen kein Chaos ausbrichtj. Und dann ging s plötzlich schnell von einem Tag auf den anderen, hat sich Alma an der Tür zur Kita von Simone verabschiedet und stolzierte von nun an jeden Vormittag und zweimal am Nachmittag in ihre Kita Acuarela. Einstiegsritual beim Landestreffen der COMUNDO- und INTERTTEAM-Fachpersonen in Cochabamba Auf Wohnungs- und Kita-Suche Zurück in La Paz stand Wohnungssuche auf dem Programm: Wir mussten feststellen, dass dies offenbar sehr ähnlich funktioniert wie in der Schweiz: Gute Wohnungen gehen unter der Hand weg. Wir hatten wirklich grosses Glück, dass wir genau auf solchem Weg eine möblierte Wohnung übernehmen konnten, welche sehr nahe beim ISEAT liegt und auch sonst über einige Vorteile verfügt wie einen festen Gasanschluss. Wer nämlich keinen Gasanschluss hat, muss stets darum besorgt sein, wann die Gaslieferung am Haus vorbeifährt. Damit wir beide unsere Projekttätigkeit aufnehmen konnten, war es für uns wichtig, für Alma eine Kita zu finden, in der sie sich wohl fühlt und so einen Ort hat, wo sie mit anderen Kindern und der/n bolivianischen Kultur/en in Kontakt kommt. Wir sind in Sopocachi, in dem Quartier wo wir wohnen und arbeiten, fündig geworden. Alma mit hocherhobener bolivianischer Fahne beim Umzug zum Tag der Fahne mit der Kita Acuarela Der Alltag stellt sich ein Inzwischen ist in unserem Alltag schon vieles selbstverständlich geworden. Zu Beginn haben wir uns noch gefragt: Bei welcher Verkäuferin kaufen wir wohl am besten das Gemüse, bei welcher die Früchte und wo das Fleisch ein? Wie viel sollte eigentlich eine Avocado kosten und wie viel nicht? Wie kann man ein Taxi rufen und wie kann man wissen, welcher der vielen Minibusse einem ungefähr dorthin fährt, wohin man möchte? Diese alltäglichen Kleinigkeiten herauszufinden, hat uns zu Beginn viel Energie gekostet. Nach knapp 5 Monaten erscheinen uns diese Anfangsschwierigkeiten bereits weit weg. 2

3 Anfang Juli schliesslich wurde die Wahl von Vicenta Mamani Bernabé zur Rektorin bekannt. Wir haben uns fürs ISEAT über diese Wahl sehr gefreut. Das ISEAT hat sich über die 20 Jahre seiner Tätigkeit zu einem Kompetenzzentrum für andine Theologie, Interkulturalität und andine Spiritualität entwickelt. Vicenta Mamani Bernabé ist eine Aymara-Theologin, die für diese Grundthemen des ISEAT steht. Auf Erkundungsspaziergang in unserem Stadtviertel Sopocachi Die Arbeit im ISEAT aufnehmen Neben dem Organisieren unseres Alltags nahmen wir die Arbeit im ISEAT auf. Wir wurden sehr herzlich empfangen trotz der nicht ganz einfachen Situation. Wir wussten, dass das ISEAT sich in einer Phase der Neuorientierung befindet und u.a. die Wahl einer neuen Rektorin oder eines neuen Rektors anstand. Dadurch lag für uns beide noch vieles in der Schwebe, weil die Ansprechpersonen und Verantwortlichkeiten noch nicht klar waren. Angel nutzte diese Übergangszeit dazu, ein Beziehungsnetz aufzubauen und einfach präsent zu sein. Schnell entdeckten die Leute seine Vielseitigkeit. In den ersten Wochen löste er etliche Computerprobleme... Ausserdem drängte die Publikation der Zeitschrift Fe y Pueblo, die zum 20- Jahr-Jubiläum des ISEAT in einer Doppelnummer Mitte August erscheinen sollte. Angel unterstütze die Publikationen insbesondere mit Korrekturlesen und seinem wissenschaftlichen Blick auf die Fussnoten. Angel und die neuen Rektorin Vicenta Mamani Bernabé beim Segnen der Jubiläumszeitschrift Fe y Pueblo mit Wein Unsere Projekttätigkeit konkret Angel ist zur Zeit daran, internationale Kontakte zu knüpfen, um das Forschungszentrum, welches er aufbauen soll, auf einen solidere Basis zu stellen. Ausserdem hat er festgestellt, dass die Weiterbildung in empirischqualitativen Forschungsmethoden bei Dozenten/innen und Studierenden des ISEAT auf grosses Interesse stösst. Wozu soll das gut sein, fragt ihr euch vielleicht? Nun, Projekte, auch gerade von internationalen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, werden oft ohne tiefere Kenntnisse der Realitäten vor Ort lanciert. Empirische Forschungsmethoden können dazu beitragen, 3

4 dass Basisprojekte von Kirchen und sozialen Organisationen nicht über die Köpfe der Leute hinweg lanciert werden. Genau in diesem Bereich leitet Angel auch ein Modul im Rahmen des Nachdiplomstudium zu Religion, Kultur und Forschung zur Entwicklung, welches vom ISEAT in Zusammenarbeit mit einer bolivianischen Universität für Fachpersonen im Bereich von Entwicklungsprojekten angeboten wird. Daneben unterstützt er die Bildungsarbeit des ISEAT. Jeden Mittwoch unterrichtet er Pastoraltheologie im ersten Studienjahr. Ausserdem konnte er seine Erfahrung in Basisbildung im Bereich der Genderthematik aus der Perspektive von Männern an zwei Workshops und einem Internationalen Theologie- Kongress im ISEAT weitergeben. Simone bei der Eröffnung des Nachdiplomkurses. Rechts von ihr Godofredo Sandoval (Rektor der Partneruniversität U-PIEB), Carlos Intipampa (Dozent), Ingrid Tapia (Dozentin und Koordinatorin COMUNDO) Internationaler Theologie-Kongress im ISEAT zur Genderthematik vom August 2014 Simone s Aufgabe im ISEAT war zu Beginn noch nicht so klar. Nach den ersten Wochen vereinbarten wir zusammen mit der Koordinatorin von COMUNDO und der Rektorin, dass sie in der Organisationsentwicklung ganz allgemein tätig sein wird. Wegen einer schwierigen Personalsituation wurde sie jedoch kurzfristig angefragt, ob sie den erwähnten Nachdiplomstudiengang zu Religion, Kultur und Forschung zur Entwicklung koordinieren könne. So hat Simone wider erwarten bis Dezember ein sehr klares Aufgabengebiet. Sie telefoniert mit interessierten Studierenden, verhandelt mit den Verantwortlichen der Partneruniversität, leitet Sitzungen mit den Dozierenden des Nachdiplomgangs und trifft interne Absprachen mit Sekretariat, Rektorat und dem Gastbereich des ISEAT. Ihre Spanischkenntnisse kommen ihr dabei sehr entgegen, da es sich um eine sehr kommunikative Aufgabe handelt. Zu schaffen macht uns beiden, die oft sehr überstürzte und kurzfristige Planung und Durchführung von Aufgaben. Was bewirkt das ISEAT Wir möchten nur an einem kleinen Beispiel aufzeigen, was die Arbeit des ISEAT, insbesondere die theologische Ausbildung, in Kirchen bewirken kann. Ende September haben wir die presbyterianische Gemeinde von Victor und Julia besucht in El Alto. Victor war Student, Dozent und zuletzt akademischer Leiter im ISEAT. Er sagt von sich, dass er sehr konservative Vorstellungen vom Glauben hatte. Durch die Ausbildung am ISEAT habe sich sein Blick geöffnet und er habe gelernt, viel stärker auf die Realitäten vor Ort zu achten. Am Sonntag feierte Victor als Pastor der Gemeinde jeweils Gottesdienst. Es kamen jedoch nur ein paar wenige ältere Frauen aus dem Quartier. Julia und Victor haben sich gefragt, was si bloss mit ihrer Gemeinde in diesem Quartier von El Alto für pastorale Arbeit machen sollen. Sie haben aufgehört mit Gottesdiensten und die Kirche umfunktioniert in einen Kinderhort mit Aufgabenbetreuung. Jeden Nachmittag kommen nun Kinder vom Quartier nach der Schule ins Zentrum IRPAÑANI. Sie erhalten ein einfaches Mittagessen. Drei Lehrerinnen betreuen die Ausgaben. Diese Kinder wären sonst alleine zuhause. Manchmal arbeiten beide Eltern, manchmal sind die Mütter alleinerziehend und müssen ebenfalls tagsüber arbeiten und haben keine Zeit für die Kinder. Julia leitet den ganzen Betrieb und hört sich oft die Sorgen der Mütter an. Erst jetzt, wo langsam über die Kinder eine Kirchgemeinde entsteht, überlegt sich Victor, ob sie am Sonntag wieder Gottesdienst mit 4

5 den Kindern und Eltern Gottesdienst feiern sollen, weil das Feiern nun ein tieferen Sinn bekommen hat. Mit Alma zusammen waren wir eingeladen, am ersten Theaterabend teilzunehmen und waren berührt von den Theateraufführungen der Kinder, welche tagsüber ins Zentrum IRPAÑANI kommen. Die Kinder spielten zum Beispiel eine sehr unterhaltsame Verlobungsszene, liessen dabei aber auch die Realität von Gewalt in Familien aufscheinen. Wir spürten, dass Julia und Victor mit ihrer pastoralen Arbeit sehr nahe bei den Menschen sind in ihrem Quartier, die oft in schwierigen ökonomischen und sozialen Verhältnissen leben. Den Ausklang des Abends mit Preisverleihung (eine zuckersüsse Torte für jede Kinder-Theatergruppe) und Api (einem violetten Maisgetränk) genossen besonders auch die Eltern, die, so schien es uns, ihre Alltagssorgen vergessen konnten und merklich stolz auf ihre Kinder waren. sehen den Wahlen dennoch gespannt entgegen, weil es uns die Möglichkeit gibt, ein politisches Ereignis aus der Nähe zu verfolgen. Ansonsten verstehen wir vieles noch nicht wirklich. Warum blockieren zum Beispiel wochenlang die Renter/innen den Prado (ein Hauptstrasse) von La Paz oder warum muss auf Anordnung des Gesundheitsdepartements von La Paz die Kita von Alma wegen sechs Fällen von Spitzen Blattern für eine ganze Woche geschlossen werden. Ausblick und Dank Um die politischen Zusammenhänge und Abläufe noch besser verstehen zu können, brauchen wir noch etwas Zeit. Da merken, dass wir doch noch nicht so lange in dieser Stadt und in diesem Land leben, auch wenn wir uns hier schon sehr zuhause fühlen. Wir hoffen sehr, dass wir euch nach und nach noch vertiefter Einblick in die politischen, sozialen und kulturellen Realitäten Boliviens geben können. Fürs Erste möchten wir einfach allen danken, die sich bei uns gemeldet haben und uns so ein Zeichen der Verbundenheit gesendet haben. Wir vermissen unsere Familienangehörigen, Freunde und Freundinnen besonders dann, wenn Alma immer noch selbstverständlich ihre Gspänlis aus Luzern, Omi und Opi zum Geburtstagsfestli einlädt. Andererseits sind wir auch sehr dankbar, dass wir gerade durch die grosse Offenheit von Alma sehr herzliche Menschen gefunden haben, die unseren Alltag begleiten. Kinder aus El Alto, welche sich die Theateraufführungen ihrer Gspänlis in der presbyterianischen Gemeinde von Victor und Julia ansehen. Wer gewinnt die Präsidentschaftswahlen? Dies ist eine der wenigen politischen aktuellen Fragen, die wir recht gut beantworten können. Am 12. Oktober 2014 wird in Bolivien der/die Präsident/in neu gewählt. Wir nehmen zwar einige Wahlplakate von anderen potentiellen Kandidaten wahr, aber alles deutet daraufhin, dass Evo Morales, der aktuelle Präsident mit indigenen Wurzeln, die grössten Chancen hat. Angel hat sich letzthin mit einem Taxichauffeur über die anstehenden Wahlen unterhalten und dieser meinte: Schauen Sie, Evo ist immer noch besser als ein konservativer Kandidat ohne Erfahrung und zum Teil mit einem schlechten Ruf. Wir Wir grüssen euch alle ganz herzlich aus dem Frühling von La Paz und danken euch für jegliche ideelle und materielle Unterstützung. Simone & Angel mit Alma 5

6 Gemeinsam für eine bessere Welt Die Bethlehem Mission Immensee (BMI) und ihre Allianzpartner E-CHANGER und Inter-Agire engagieren sich weltweit für Benachteiligte sowie eine ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung. Im gemeinsamen Programm COMUN- DO entsenden die drei Organisationen Fachpersonen, die in Projekten von Partnerorganisationen in den Einsatzländern mitarbeiten. Partnerschaftlich arbeiten sie mit den Menschen in den Einsatzgebieten zusammen, sie leben an ihrer Seite und pflegen den interkulturellen Austausch im Alltag. So werden diese Menschen gestärkt, um einzeln und in Gruppen auf globaler und lokaler Ebene zu mehr Gerechtigkeit, Frieden und zur Bewahrung der Schöpfung beizutragen. Rund 120 freiwillige Fachpersonen sind derzeit im Rahmen des gemeinsamen Programms COMUNDO in 13 Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens in der Entwicklungsarbeit tätig: in Bolivien, Brasilien, Burkina Faso, Ecuador, El Salvador, Kenia, Kolumbien, Nicaragua, Peru, in den Philippinen, in Sambia, Simbabwe und Taiwan. Durch Bildungs-, Sensibilisierungs- und Informationsarbeit fördern die Bethlehem Mission Immensee in der Deutschschweiz, ihre Allianzpartner in der französischen bzw. italienischen Schweiz, solidarisches Denken und Handeln. Die BMI ist Trägerin des Bildungszentrums RomeroHaus in Luzern und Herausgeberin der Zeitschrift «WENDEKREIS». Inter-Agire gibt die Zeitschrift «CARTABIANCA» heraus und E-CHANGER die Publikation «COMUNDO». Bethlehem Mission Immensee im RomeroHaus Kreuzbuchstrasse 44 CH-6006 Luzern Spendentelefon: +41 (0) Fax: +41 (0) Ihre Spende zählt! Die Bethlehem Mission Immensee deckt alle Kosten unseres Einsatzes (Ausbildung, Lebensunterhalt, Sozialversicherung, Projektkosten). Deshalb sind wir auf Ihre geschätzte Spende angewiesen herzlichen Dank! Ihre Spende kommt dem von Ihnen bestimmten Projekt zugute. Sollte ein Projekt mehr Spenden erhalten als benötigt, wird der Überschuss einem anderen Projekt im gleichen Land/Kontinent zugewiesen. PC-Konto Vermerk: Simone Dollinger und Angel Román Spenden aus der Schweiz: Postfinance, PC , IBAN CH