B. Mord ( 211 StGB)* (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. * Stand: 22.4.2014; Neu: Folien 12, 18
B. Mord ( 211 StGB) I. Einführende Bemerkungen II. Objektiver Tatbestand III. Subjektiver Tatbestand IV. Rechtswidrigkeit, Schuld V. Sonstige Fragen
I. Einführende Bemerkungen 1. Zur Gesamtproblematik des Mordtatbestands 2. Verhältnis zu 212 StGB 3. Struktur
1. Zur Gesamtproblematik des Mordtatbestands Geschichte des Mordparagraphen: 1941 eingeführt. Strafrechtserneuerung, Ethisierung, Tätertyp ( Mörder ist ). - Bestimmtheitsprobleme (insb. niedrige Beweggründe ). - Friktionen mit dem Schuldgrundsatz (absolute Strafdrohung). - Täterstrafrecht, Gesinnungsstrafrecht. Einschränkungsversuche: restriktive Auslegung; Rechtsfolgenlösung (BGHSt 30, 105); Lehre von der Typenkorrektur. d.h.: extrem kasuistisches, unübersichtliches Richterrecht als Versuch der Praxis, ein fragwürdiges Gesetz unschädlich zu machen. Ankündigung einer Reform durch Justizminister Maas. lesenswert: T. Fischer, http://www.zeit.de/2013/51/mord-paragraphnationalsozialismus
I. Einführende Bemerkungen 2. Verhältnis zu 212 StGB Qualifikation zum Totschlag (ganz h.l.) a.a. Rspr.: eigenständiger Tatbestand - Streit ist für die Anwendbarkeit von 28 I oder II StGB von Relevanz, näher u. Mm.: Grundtatbestand
I. Einführende Bemerkungen 3. Struktur Drei Gruppen von Merkmalen; 1. und 3. Gruppe subjektiv (Motive einerseits, Zwecke andererseits), Konkretisierungen des niedrigen Beweggrunds, 2. Gruppe (eher) objektiv. - Zum Aufbau in der Klausur s.u. IV.
II. Die einzelnen Mordmerkmale 1. Mordlust - aus Mordlust tötet, wem es allein darauf ankommt, einen Menschen sterben zu sehen bzw. wer aus unnatürlicher Freude an der Vernichtung menschlichen Lebens tötet (BGH NJW 1953, 1440)
2. Befriedigung des Geschlechtstriebes 3 Konstellationen: - Lustmord: Täter tötet, um mit dem Tötungsakt selbst sexuelle Befriedigung zu erlangen oder um sexuelle Befriedigung durch Betrachtung des Videofilms zu erlangen - Kannibalen-Fall, BGHSt 50, 80, 86; - Tötung als Mittel eines Sexualdelikts: Opfer stirbt an den mit bedingtem Tötungsvorsatz zugefügten Verletzungen (BGHSt 19, 101); - Tötung, um Nekrophilie (Geschlechtsverkehr mit der Leiche) zu betreiben (BGHSt 7, 353).
3. Habgier - rücksichtsloses Streben nach Vermögensvorteilen um den Preis eines Menschenlebens - Klassischer Fall: Raubmord (BGHSt 29, 317); auch: Erbe; Begünstigter einer Lebensversicherung (BGHSt 32, 38 Sirius-Fall) (P) Verhindern einer Vermögensminderung? Z.B. Unterhaltspflicht nicht zu bezahlen (BGHSt 10, 399), Beute nicht zu verlieren (BGH NStZ-RR 1999, 235). Nach h.m. auch erfasst. (P) Durchsetzung eines fälligen Anspruchs? Str., abl. etwa Schneider, MK-StGB 211 Rn. 65 m.w.n.
4. Niedrige Beweggründe Niedrig ist ein Beweggrund, der nach allgemeiner rechtlich-sittlicher Wertung auf tiefster Stufe liegt, ein besonders verwerflicher, geradezu verächtlicher Beweggrund (ähnl. BGHSt 3, 132). - etwa: Rassenhass (BGHSt 18, 37); Fremdenfeindlichkeit (NJW 1994, 395); Benutzung des Opfers zur Aggressionsabfuhr (BGHSt 47, 128); Identitätsdiebstahl (BGH NStZ 1985, 454)
4. Niedrige Beweggründe - Gesamtwürdigung von Tat und Täter (etwa BGHSt 47, 128, 130). - krasses Missverhältnis (z.b. BGH NStZ-RR 2010, 175: Parkplatz) - sonstig = Auffangtatbestand zu den Mordmerkmalen der 1. und 3. Gruppe. d.h. auch: an letzter Stelle zu prüfen; keine Doppelverwertung, s. BGH NStZ-RR 1999, 235 (Verdeckungsabsicht und nied. Bewegg.). Hinweis: sachverhaltsnah argumentieren. Entbehrt die Tat jeglichen nachvollziehbaren Grund (BGH NStZ 2011, 35)? Bei schwierigen Fällen (z.b. Eifersucht, ebda.; Blutrache, BGH NStZ 2006, 286), Spielraum.
4. Niedrige Beweggründe - subjektive Komponente: Täter muss die niedrigkeitsbegründenden Umstände kennen, nicht aber die Motive selbst für niedrig halten. (P) Ehrenmord. Etwa: Bruder tötet Schwester, die seines Erachtens durch ihr zu freizügiges Leben die Ehre der Familie aufs Spiel gesetzt hat. Nach h.m. (etwa NStZ 2006, 284) wird die Niedrigkeit der Beweggründe nach den herrschenden Wertvorstellungen und nicht nach den abweichenden Vorstellungen einer nicht integrierten Minderheit bestimmt. And. die frühere Rspr. (etwa BGH GA 1967, 244).
5. Heimtücke Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindseliger Willensrichtung (BGH GrS 9, 385) a) Grundsätzliche Problematik Kriminalisierung des Schwachen. Absolute Strafdrohung, die in Einzelfällen inakzeptabel anmutet. Folge: komplizierte Kasuistik.
5. Heimtücke b) Einzelne Merkmale aa) Arglos ist, wer sich keines Angriffs auf sein Leben oder körperliche Unversehrtheit versieht. Arglosigkeit wird abgelehnt: - bei offener, feindseliger Haltung (BGHSt 20, 301) and. bei bloß latenter Angst, s. BGH NStZ-RR 2004, 14, 15. - wenn der Angriff angekündigt worden ist - wenn gegen den Körper gerichtete Tätlichkeiten unmittelbar vorausgegangen sind. - bei Angreifern i.s.d. 32 StGB (P). Normativierung der Arglosigkeit: wer eine Notwehrlage begründet, muss mit der Gegenwehr rechnen (BGHSt 48, 207, 210).
5. Heimtücke aa) Arglos ist, wer sich keines Angriffs auf sein Leben oder körperliche Unversehrtheit versieht. Arglosigkeit wird bejaht: - bei Schlafenden: Arglosigkeit wird in den Schlaf mitgenommen; d.h. auch keine Arglosigkeit, wennn man sich eines Angriffs doch versah und trotzdem vom Schlaf übermannt worden ist. - bei sog. konstitutionell Arglosen (Kleinstkindern, Geisteskranken). 2 Ausnahmen: - Ausschaltung eines schutzbereiten Dritten. - Überlistung der natürlichen Abwehrinstinkte des konstitutionell Arglosen (Gift wird in Brei des Kindes gemischt). Entscheidung, die beide Probleme verknüpft: BGH NStZ 2013, 158 (Tötung von Baby durch die Mutter, während der Vater schlief).
5. Heimtücke aa) Arglos ist, wer sich keines Angriffs auf sein Leben oder körperliche Unversehrtheit versieht. Zeitdimension: unmittelbare Tatsituation (BGH GA 1967, 244 f.), Versuchsbeginn (etwa BGH NStZ-RR 2004, 14, 15) Ausnahme: Locken in einen Hinterhalt (BGHSt 22, 77)
5. Heimtücke bb) Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit in seinen Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt ist
5. Heimtücke cc) Bewusstes Ausnutzen - Kenntnis der Arg- und Wehrlosigkeit muss in den Augen des Täters eine für die Tatbegehung begünstigende Rolle spielen, m.a.w.: besondere Lage des Opfers muss für den Willensbildungsprozess des Täters kausal werden s. BGH NStZ 1987, 554: Täter steht auf, sieht seinen Feind vom vorigen Abend neben sich schlafen, entschließt sich kurzschlüssig, ihn zu töten: (-). - Lage muss nicht erst herbeigeführt worden sein (BGH NStZ 2006, 338 [Rn. 2])
5. Heimtücke cc) Bewusstes Ausnutzen - relevant v.a. bei Spontantaten und Affekttaten, unklare Rspr. Bsp.:. BGH NStZ-RR 2001, 296 (Grenztruppen-Soldat der DDR) einerseits, BGH NStZ-RR 2010, 175 (71-Jähriger mit Machete!) andererseits. - fraglich, wenn der Täter zugleich versucht, sich selbst zu töten (BGH GA 1979, 337)
5. Heimtücke dd) feindselige Willensrichtung entfällt nur, wenn es dem Täter ausschließlich um das Wohl des Opfers geht s. BGHSt 9, 385; BGH NStZ 2006, 338 Vater tötet Kinder im Rahmen eines Mitnahmesuizids zugleich aus Rache gegen die Mutter, die ihn verlassen hatte, feind. Willensrichtung (+).
5. Heimtücke c) Alternative Konzepte aa) Tatbestandslösungen: - Tückisch-verschlagenes Handeln; - Lehre vom verwerflichen Vertrauensbruch; - negative und positive Typenkorrektur (durch Gesamtwürdigung) - Klausur: Es empfiehlt sich, immer auch kurz auf die Lehre vom Vertrauensbruch einzugehen (und sie ggf. abzulehnen: Unbestimmtheit, Unvermögen, prototypische Fälle heimtückischen Tötens, vor allem das Auflauern, zu erfassen).
5. Heimtücke c) Alternative Konzepte bb) Rechtsfolgenlösung BGHSt (GrS) 30, 105: 49 I Nr. 1 StGB analog. In der Praxis selten angewandt worden (sogar 35 II StGB soll vorrangig sein, s.u. Haustyrannen-Fall): auf jene außerordentliche Strafmilderung darf nicht voreilig ausgewichen werden (BGHSt 48, 255, 263). Eine Übertragung auf andere Mordmerkmale (etwa Habgier, BGHSt 42, 301, 304) wurde auch regelmäßig abgelehnt.
5. Heimtücke d) Beispiel: Tötung des schlafenden Haustyrannen durch die misshandelte Ehefrau (BGHSt 48, 255) Arglosigkeit problematisch (Schlaf; Angreifer muss mit Gegenangriff rechnen); Ausnutzungsbewusstsein fraglich (wg. Affekt, Konfliktsituation); Vertrauensbruch, Typenkorrektur; 32, 34 StGB (-); 35 StGB (problematisch ist v.a., ob die Gefahr wirklich nicht anders abwendbar ist; die Rspr. bestreitet dies); 35 II StGB (so die Rspr.); Denkbar noch: 21 StGB; 213 analog StGB; zuletzt Rechtsfolgenlösung.
6. Grausamkeit Grausam tötet, wer dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt (BGHSt 3, 180).