Telemedizin und das deutsche Gesundheitswesen Lösungsansätze für eine bessere Versorgung unserer Bevölkerung
Den Tatsachen ins Auge schauen Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt von heute 2,4 Mio. auf gut 3 Mio. Menschen in 2020. Die Bevölkerungszahl sinkt, die Zahl der Erwerbstätigen ebenfalls, bei steigender Lebenserwartung. Die Zahl pflegebedürftiger Singles in Ballungsgebieten steigt. Einwanderer werden pflegebedürftig. Die Forderung nach stärkerer Mobilität bei Berufstätigen führt zur räumlichen und zeitlichen Entfernung jüngerer Angehöriger von ihren Pflegebedürftigen.
Problemzone chronische Erkrankungen Zwei Drittel aller Todesursachen An der Spitze stehen Herz Kreislauferkrankungen, Diabetes, Hypertonie. Dann COPD, cerebrale Erkrankungen,Muskel Skeletterkrankungen, Krebs, Verlorene Lebensjahre und, da immer öfter auch junge Menschen betroffen, verlorene Erwerbsjahre Bei den über 75jährigen findet sich häufig Multimorbidität, verbunden mit der Einnahme von mehreren verschiedenen Medikamenten.
Verteilung chronischer Krankheiten nach Alter, Geschlecht und Bildungsstand
Chronische Erkrankungen und Regionen
Eins kommt zum andern Dort, wo die Sozialstruktur sich verschlechtert, fehlt auch die ärztliche und pflegerische Versorgung.
Nicht nur Kranken und Pflegekasse zahlen, sondern auch die Kommunen. Entwicklung der Kosten für Hilfe zur Pflege nach 61ff SGB XII in Euro pro Einwohner (nach den Zahlen des Landesamtes für DV und Statistik, Kreisstandardzahlen 2010, Düsseldorf 2010 ) Ruhrgebiet!998: 5,70 2003: 13,70 2008: 37,90 NRW gesamt 1998: 4,50 2003: 7,60 2008: 31,00
Ärzte sind auch nicht mehr da, wo sie mal waren Im Krankenhausbereich sind gut 3000 Arztstellen in Deutschland nicht besetzt. Im öffentlichen Dienst fehlen etwa 2000 Ärzte. Im hausärztlichen Bereich fehlen 3000 Ärzte. Es gibt bereits zahlreiche unterversorgte Regionen. Ein Drittel der heute niedergelassenen Haus und Fachärzte verlässt bis 2020 die Versorgung. Es ist keine Lösung, den Nachbarländern die Ärzte wegzunehmen, die dort ebenfalls gebraucht werden.
Die Zahl der Pflegekräfte wächst nicht so wie die der Alten und Kranken Ist Zahl 2007 in Deutschland: ca. 800.000 Pflegekräfte, davon 50 70% mit Fachausbildung, das waren 1,8 % der Erwerbstätigen im Land. Errechneter Bedarf für das Jahr 2030: ca. 1.080.959 Pflegekräfte, damit 2,5 bis 2,7 % der Erwerbstätigen. Die Ausbildungszahlen sind realiter nicht steigend, auch nicht bei den MFAs. In unseren Nachbarländern sieht es nicht besser aus.
Echte Reformen lassen weiter auf sich warten Über Fehl und Unterversorgung bestehen weiter. Es fehlen langfristig geltende Kalkulationen und Konzepte zur Sicherung der Gesundheitsfürsorge im Land. Die Gesetzgebung der letzten Jahre löst die Probleme nicht wirklich, ist geprägt von Koalitionsverträgen und Wahlperioden.
Die Aufgaben sind eigentlich klar Angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege und der vorhandenen und noch zu erwartenden Unterversorgung im ärztlichen, insbesondere dem hausärztlichen Bereich ist die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nur durch eine effiziente und rationale Kooperation der Sektoren möglich, unter Einbeziehung aller, von der Laienebene bis zur Spezialklinik. Dabei müssen auch neue Angebote der Technik genutzt werden, die der Bevölkerung den Zugang zur medizinischen Versorgung erleichtern oder eine Selbsthilfe bei Prävention und Therapie ermöglichen.
Woanders tut sich was.. Fast 70 % der in den USA außerhalb der üblichen Arbeitszeit durchgeführten radiologischen Untersuchungen werden derzeit in Indien befundet. In der Schweiz bietet MEDGATE seit 1999 eine ärztliche Beratungs Hotline inkl. Video Konsultationen an (24 Std.), welche inzwischen von 30% der dortigen Bevölkerung genutzt wird und mit zahlreichen Partnern wie z.b. Krankenversicherungen zusammenarbeitet. Dr. Ed.. Israel, Skandinavien, Grossbritannien, Niederlande Etwa 1000 neue Health Apps kommen pro Monat auf den Markt, doppelt so viel wie 2011.
Deutsche Normen setzen Grenzen Die Muster Berufsordnung für Ärzte: Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt
Inkonsequente Grenzen.. Im Notfalldienst, aber auch beim akuten Hilfeersuchen eines bisher unbekannten Patienten darf der Arzt auch ohne höchstpersönlichen Kontakt medizinische Beratungen durchführen. Eltern dürfen in medizinischen Anliegen ihrer Kinder beraten werden, auch wenn letztere nicht persönlich anwesend sind (oder waren). Verschiedene deutsche Versicherer betreiben ärztliche Hotlines, in denen medizinisch beraten wird, ohne dass diese Ärzte die Fragesteller vorher gesehen haben. Sobald Europa und weitere Länder im Einzelfall tangiert werden, gibt es differente Rechtsauffassungen und individuelle Vorgehensweisen.
Und es bewegt sich doch etwas. Seit etwa 1990, also schon seit mehr als 20 Jahren, gibt es in Deutschland Initiativen von Ärzten und auch Krankenkassen, telemedizinische Hilfen auf den Weg zu bringen. Der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen hat mehrmals angemahnt, Telemedizin stärker zu nutzen. Im Wahlkampf TV Duell Merkel / Steinbrück sagte die Kanzlerin: Wir müssen mehr in der Telemedizin tun
Vital Parameter Übermittlung: Körpertemperatur Blutzucker RR, Puls, EKG, Herzrhythmus, O2 Sättigung Hydratation Laborparameter, Streifentests u.a.m.
Facharzt Konsultation Durch den Hausarzt aus der Pflegeeinrichtung, aus der Praxis oder aus der Häuslichkeit des Patienten. Die Patienten sind live dabei, gezielte Fragenstellungen werden ermöglicht, es können Bewegungs und Artikulations Fähigkeiten überprüft werden, therapeutische Hinweise gegeben werden. Solche Sprechstunden sind zeitlich planbar. Das Equipment ist verfügbar.
Hausarzt Konsultation Durch Pflegekraft oder VeraH aus der Wohnung des Patienten oder Pflegebedürftigen heraus, oder aus der stationären Pflegeeinrichtung, als direkte Befundübermittlung unter Nutzung bildübertragender Technik. Akute Veränderungen bei Patienten werden häufig nicht zuerst vom behandelnden Arzt erkannt. Weil er nicht vor Ort ist.
Viele Gründe sprechen dafür Die Facharzt Präsenz in der stationären Pflege und beim Patienten zuhause konnte bis dato durch keine Gebührenordnung im Kollektivvertrag in ausreichendem Maße gewährleistet werden. Die Gebührenordnung bringt nichts, wenn keine Fachärzte da sind, wenn Hausärzte auf dem Lande fehlen. Wenn multimorbide Menschen 40 km weit (und mehr) in Facharztpraxen transportiert werden müssen, dann kostet dies nicht nur Geld und Zeit, sondern auch Lebensqualität. In Pflegeeinrichtungen ab 150 Bewohnern kommt es im Monat im Durchschnitt zu zwei ( und mehr ) nicht geplanten, meist vermeidbaren Krankenhauseinweisungen. Auch diese kosten Geld und bringen einen erheblichen Verlust an Lebensqualität, manchmal sogar Gefährdung für den Betroffenen. Alle an der Versorgung Beteiligten und die Patienten selbst würden Zeitreserven gewinnen, die sie nutzen könnten.
Es gibt einiges zu tun Die ärztliche Berufsordnung bedarf der Überarbeitung. Der Datenschutz muss beachtet werden, aber im Sinne einer bestmöglichen Versorgung des Patienten, wo auch immer der sich befindet. Rückbau von Bürokratie und fraglich notwendiger Dokumentation. Die Haftpflichtversicherungen der Heilberufe müssen telemedizinische Behandlung einbeziehen. Die Diskussionen um Delegation und Substitution ärztlicher Leistungen muss sachlich geführt werden, frei von Strategien der Besitzstandswahrung, des Landgewinns oder der Ausgabenvermeidung. Ganz ohne Geld geht es allerdings auch nicht.
Visionäres.. Das papierlose Rezept, elektronisch übermittelt. Die telemedizinisch geleitete Rehabilitation in der Häuslichkeit des Patienten. Telemedizinisch begleitete Fortführung physiotherapeutisch und ergotherapeutisch begonnener Maßnahmen zuhause. Telemedizinischer Service als Wahltarif der Krankenkassen für Auslandsreisen.
Nahziele Selektivvertragliche Lösungen zur Einbeziehung der Telemedizin in die Behandlung multimorbider und chronisch kranker Patienten, unter Ermöglichung des direkten kommunikativen und visuellen Dialogs zwischen allen an der Versorgung und Behandlung Beteiligten, einschließlich des Patienten selbst. Bereitstellung von Förder und Finanzmitteln in der Anlaufphase. Aufnahme als Standard nach Evaluation.
Wenn Du etwas machst, wie Du es vor zehn Jahren gemacht hast, dann sind die Chancen recht groß, dass Du es falsch machst. Charles Kettering, US amerikanischer Ingenieur Danke, dass Sie mir zugehört haben.