Eckpunktepapier zum Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung

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Transkript:

Eckpunktepapier zum Aktionsprogramm Insektenschutz der Bundesregierung A. Einleitung Fast drei Viertel aller Tierarten in Deutschland sind Insekten, darunter Bienen, Käfer, Schmetterlinge, Libellen, Heuschrecken, Ameisen und Fliegen. Sowohl die Gesamtmenge der Insekten als auch die Vielfalt der Insektenarten in Deutschland sind stark zurückgegangen. Dies belegen die Roten Listen und zahlreiche wissenschaftliche Studien. Insekten sind integraler Teil der biologischen Vielfalt und spielen in unseren Ökosystemen eine wichtige Rolle. Viele Insektenarten erbringen elementare Ökosystemleistungen, z.b. für die Bestäubung von Pflanzen, als Nahrungsgrundlage für andere Insekten und weitere Tiergruppen, für den Abbau organischer Masse, die biologische Kontrolle von Schadorganismen, die Gewässerreinigung oder die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Der Rückgang dieser Insekten und ihrer Ökosystemleistungen hat damit nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf uns Menschen. Die Bestäubung durch Insekten beispielsweise ist essentiell für die Erhaltung der Wildpflanzen und die Sicherung der Ernteerträge und -qualität vieler Nutzpflanzen. Die Abnahme der Bestäubungsleistungen würde daher neben dem erheblichen Verlust von biologischer Vielfalt auch große ökonomische Risiken mit sich bringen. Die in Deutschland vorkommenden über 560 Wildbienenarten haben z.b. als Bestäuber eine hohe Bedeutung. Sie sind durch arttypische Spezialisierungen und Anpassungen oftmals effektivere Bestäuber als Honigbienen. Insekten sind aber auch Nahrungsgrundlage für andere Insekten und weitere Tiergruppen wie Vögel, kleine Säugetiere, Reptilien, Amphibien oder Fische. Auswertungen von Bestandsveränderungen bei Vogelarten der letzten Jahre zeigen, dass besonders Bestandsrückgänge bei denjenigen Vogelarten zu beobachten sind, die sich während der Brutzeit überwiegend von Kleininsekten und Spinnen ernähren. Auch wenn nicht verkannt wird, dass bestimmte Insektenarten wie andere Tiergruppen auch eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen 1

darstellen können und insoweit auch künftig Maßnahmen zur Regulierung bestimmter Insektenarten notwendig sein werden, enthebt uns das nicht der Verantwortung, gegen das Insektensterben aktiv zu werden. Die Ursachen des Insektenrückgangs sind vielfältig und insgesamt komplex. Nach aktuellem Forschungsstand liegen die zentralen Ursachen im Verlust und der qualitativen Verschlechterung von Insektenlebensräumen, dem Verlust der Strukturvielfalt mit einer Vielzahl an Wildpflanzen, einem Management von Naturschutzgebieten, das z.t. die Bedürfnisse von Insekten unzureichend berücksichtigt, der Anwendung von Pestiziden, dem Eintrag von Nähr- und Schadstoffen in Böden und Gewässer sowie der Lichtverschmutzung. Viele weitere Einflussfaktoren tragen darüber hinaus zum Verlust oder der Qualitätsverschlechterung von Insektenlebensräumen bei. Deshalb ist die Erhaltung bzw. Förderung der Wiederherstellung dieser Lebensräume in Qualität und Quantität sowie ihre Vernetzung wichtig. Auch wenn es noch beträchtlichen Forschungsbedarf zum Insektenrückgang gibt, sind die genannten Ursachen bereits heute wissenschaftlich hinreichend belegt und begründen einen akuten Handlungsbedarf auch aus Gründen der Vorsorge. In der breiten Öffentlichkeit wird der starke Rückgang der Insekten sehr aufmerksam verfolgt und diskutiert. Es bestehen hohe Erwartungen an die Politik, umfassend und zügig gegenzusteuern. Mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz will die Bundesregierung die Lebensbedingungen für Insekten und die biologische Vielfalt in Deutschland verbessern, um dem Insektensterben entgegenzuwirken. Das Programm Insektenschutz zielt auf die zügige Umsetzung konkreter Maßnahmen ab, die eine Trendumkehr erwarten lassen. Die hier vorgelegten Eckpunkte umreißen die Handlungsbereiche und möglichen Maßnahmen ohne öffentliche Haushalte zu präjudizieren. Die Maßnahmen werden von den jeweils betroffenen Einzelplänen innerhalb der jeweils geltenden Haushaltsansätze im Rahmen der Aufstellung des jeweiligen Bundeshaushalts zu finanzieren sein. 2

B. Handlungsbereiche Das Aktionsprogramm Insektenschutz soll die Erhaltung und Wiederherstellung von Insektenlebensräumen in Quantität und Qualität insgesamt verbessern und dort ansetzen, wo Insekten direkt geschädigt werden. Daraus ergeben sich insbesondere die folgenden Handlungsbereiche: 1. Insektenlebensräume und Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft fördern Mehr als die Hälfte der deutschen Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Damit spielt die Agrarlandschaft eine besondere Rolle bei der Bereitstellung von Lebensräumen für Insekten. Durch erhöhte Bewirtschaftungsintensität des Grünlands, den Verlust von Brachflächen, die Beseitigung von Kleinstrukturen in der Agrarlandschaft (wie z.b. Raine, Hecken, blüten- und kräuterreiche Säume und Feuchtstellen), stetig wachsende Homogenität der Anbauflächen sowie Verlust von Flächen durch nicht landwirtschaftliche Inanspruchnahme haben in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Insektenarten ihre Lebensgrundlage verloren. Auch durch (Gehölz-)Sukzession in Folge zu geringer Bewirtschaftung oder die völlige Aufgabe von ungünstigen Standorten gehen Lebensräume für Insektenarten der Agrarlandschaft verloren. Deshalb sollen mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz die Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft erhöht und Insektenlebensräume in ausreichender Qualität und Quantität erhalten, ausgeweitet bzw. wiederhergestellt und insektengerecht gepflegt werden. Dabei geht es beispielsweise um die Steigerung des extensiv genutzten Grünlands, die Gewährleistung vielfältiger Fruchtfolgen, die Erhaltung und Wiederherstellung von Hecken, Feldrainen und anderen Kleinstrukturen und um die Erhaltung und Ausweitung von blüten- und kräuterreichen Säumen, um die Flur mit Wildpflanzen zu bereichern. Neue Lebensräume und Verbindungskorridore für Insekten sollen in der Agrarlandschaft geschaffen werden. Das Aktionsprogramm soll auch Anreize schaffen und stärken, um Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte für den Insektenschutz besser zu honorieren. Bundeswettbewerbe wie z.b. für Insektenfreundliche Landbewirtschaftung sind hierfür eine Möglichkeit. Da der Ökologische Landbau grundsätzlich eine höhere biologische 3

Vielfalt einschließlich Insektenvielfalt gewährleistet, trägt dessen Förderung u.a. durch die Umsetzung der Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau ebenfalls zum Schutz von Insekten in der Landwirtschaft bei. Viele Maßnahmen für den Insektenschutz in der Agrarlandschaft wie z.b. die bereits umgesetzte Begrenzung des Grünlandumbruchs haben gleichzeitig positive Effekte für den Klimaschutz. 2. Lebensräume für Insekten in anderen Landschaftsbereichen wiederherstellen und vernetzen Auch außerhalb der Agrarlandschaft befinden sich zahlreiche Lebensräume von Insekten in einem schlechten Zustand oder sind gänzlich verschwunden. Daher ist ihre Wiederherstellung eine dringende Aufgabe. Zusätzlich ist es wichtig, einer weiteren Fragmentierung von Lebensräumen, auch durch das enge Verkehrsnetz und Infrastrukturvorhaben, entgegenzuwirken. Deshalb soll das Aktionsprogramm Insektenschutz Maßnahmen zur Wiederherstellung von Insektenlebensräumen und zur Verbesserung ihrer Qualität enthalten. Es geht insbesondere darum, die gezielte Anlage und insektengerechte Pflege von Landschaftselementen und Saumstrukturen auch außerhalb der Agrarlandschaft sowie die Vernetzung von Lebensräumen zu fördern. Ebenso spielt die Renaturierung von Auen und Fließgewässern zum Ausbau des Biotopverbunds eine wichtige Rolle. Hierfür wird das Bundesprogramm Blaues Band Deutschland einen Beitrag leisten. Für verschiedene relevante Akteure soll es Anreize geben, Insektenlebensräume in Offenland, Wäldern, Brachen, Gewässern und Siedlungen qualitativ zu verbessern, neu zu schaffen und unter Einbeziehung temporärer Lebensräume zu vernetzen. Es geht u.a. um den gezielten Einsatz von Fördermitteln, um Modellprojekte und ihre Übertragung auf die Gesamtlandschaft sowie um Auslobung von Bundeswettbewerben, wie z.b. für Insektenfreundliche Kommunen. 3. Schutzgebiete als Lebensräume für Insekten stärken Auch in Schutzgebieten gibt es einen deutlichen Insektenrückgang. Einflüsse von 4

innerhalb und außerhalb der Gebiete tragen dazu bei, dass Naturschutzziele bisher vielfach nicht erreicht wurden. Deshalb soll das Aktionsprogramm dazu beitragen, den Insektenschutz in Schutzgebieten zu verbessern. Der neue Aktionsplan Schutzgebiete, der zurzeit gemeinsam mit den Ländern erarbeitet wird, soll hier sensibilisieren und unterstützen. Biosphärenreservate als Modellregionen für eine nachhaltige Entwicklung sollten einen besonderen Beitrag leisten. 4. Anwendung von Pestiziden mindern Pflanzenschutzmittel und Biozide (Pestizide) mit insektiziden Wirkstoffen werden angewendet, um schädliche Insekten zu bekämpfen. Diese und andere Pestizide können, auch wenn sie zugelassen sind, negative Auswirkungen auf Insekten haben. Mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz sollen die negativen Auswirkungen auf Insekten durch Pestizide aller Art, d. h. sowohl von Pflanzenschutzmitteln, Bioziden u. a., deutlich verringert werden. Pflanzenschutzmittel sind gemäß dem geltenden EU-Pflanzenschutzrecht nur zulassungsfähig, wenn sie u.a. keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt insbesondere auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen und auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem haben. Die Bundesregierung hat sich darauf verständigt, ein EU-weites Verbot von bestimmten Neonikotinoiden zu unterstützen. Damit wird die Anwendung solcher Neonikotinoide im Freiland verboten. Mit einer systematischen Minderungsstrategie soll der Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel deutlich eingeschränkt werden, mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden. Dazu sollen gemeinsam mit der Landwirtschaft Alternativen im Rahmen einer Ackerbaustrategie entwickelt werden und u.a. umwelt- und naturschutzverträgliche Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln geregelt werden. Die dazu notwendigen rechtlichen Maßnahmen sollen in einem EU-konformen Rahmen verankert werden. Die Umsetzung der Ackerbaustrategie soll adäquat mit Fördermitteln für Maßnahmen zur 5

Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie und insbesondere des Insektenschutzes untersetzt werden. Bei der Entwicklung und Umsetzung der Ackerbaustrategie sollen die Belange der biologischen Vielfalt und insbesondere des Insektenschutzes umfassend berücksichtigt werden. Das Aktionsprogramm Insektenschutz soll auch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen aufgreifen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll auch im Verkehrsbereich auf das Nötigste beschränkt werden. Der Bund wird auf seinen Liegenschaften auf die Anwendung von Pestiziden verzichten, soweit nicht zwingende Gründe sie erfordern. Auch die Zulassung und Anwendung von Bioziden, die oftmals die gleichen Wirkstoffe wie Pflanzenschutzmittel haben, wird im Rahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz kritisch überprüft und soweit wie möglich reduziert. Dazu gehört u.a., dass die Anwendung solcher Biozide durch nicht Sachkundige eingeschränkt wird, flankiert durch einschränkende Regelungen der bislang unkontrollierten Abgabe. 5. Einträge von Nähr- und Schadstoffen in Böden und Gewässer reduzieren Zu hohe Nährstoffeinträge durch Quellen wie Stickstoffüberschüsse aus Landwirtschaft, Verkehr oder Energiewirtschaft verringern die Vielfalt und Qualität von Lebensräumen und verdrängen wichtige Nahrungspflanzen für Insekten. Deshalb sollen mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz die Stickstoffüberschüsse und damit die Stickstoffemissionen weiter reduziert werden. Mit der Novellierung des Düngerechts 2017 wurden bereits Maßnahmen zur Verringerung von Stickstoffüberschüssen, insbesondere zur Reduktion von Nitratauswaschung und Ammoniakemissionen, getroffen. In Hinblick auf den Insektenschutz prüft die Bundesregierung, ob in das Aktionsprogramm die Weiterentwicklung der Vorgaben für die Düngung mit dem Fokus auf Grünland, Acker- und Gewässerrandstreifen, Gewässer im Allgemeinen und stickstoffsensible Natura 2000-Lebensräume 6

als Maßnahme aufgenommen wird. Weitere Maßnahmen zur Minderung von Stickstoffemissionen aus landwirtschaftlichen und anderen Anlagen sowie aus dem Verkehr sind im entsprechenden Fachrecht zu berücksichtigen. In dem nach der neuen NEC-Richtlinie bis April 2019 zu erarbeitenden nationalen Luftreinhalteprogramm wird die Bundesregierung die für das Erreichen der Emissionsminderungsverpflichtungen erforderlichen Maßnahmen beschreiben. Die Erhaltung wichtiger Insekten(-gruppen) soll auch Gegenstand weiterer Aktivitäten der Bundesregierung zur Reduzierung der Stickstoffbelastung werden. Die Verminderung von Stickstoffüberschüssen hat auch positive Klimaschutzeffekte. 6. Lichtverschmutzung reduzieren Nachtaktive Insekten werden von künstlichen Lichtquellen angelockt, verenden an der Lichtquelle oder werden dort Opfer von Fressfeinden. Ein solches Verhalten der Insekten an Lichtquellen beginnend als magische Anlockung und endend mit dem Tod der Tiere wird als Staubsaugereffekt bezeichnet. Milliarden von Insekten verlassen durch den Staubsaugereffekt ihren eigentlichen Lebensraum und können dort nicht mehr der Nahrungs- und Partnersuche nachgehen. Deshalb soll das Aktionsprogramm Insektenschutz dazu beitragen, dass die Lichtverschmutzung insgesamt reduziert wird und eine Umstellung auf insektenfreundliche Lichtquellen erfolgt. Hierzu sollen Instrumente zur Eindämmung der Lichtverschmutzung weiterentwickelt, Fördermöglichkeiten überprüft und Empfehlungen für insektenfreundliche Beleuchtungslösungen für Länder, Kommunen, Planer, Unternehmen und Private erarbeitet werden. Der Bund wird dabei eine Vorbildfunktion einnehmen. 7. Forschung vertiefen Wissen vermehren Lücken schließen Um wirksam gegen das Insektensterben vorzugehen, ist eine gute Wissensbasis unerlässlich. Ein konsequentes und bundesweit einheitliches Monitoring dient der Erfassung und Quantifizierung des Zustands und der Veränderung von Insekten- 7

beständen und ist Grundlage für die Erfolgskontrolle von Maßnahmen zum Insektenschutz in der Zukunft. Gleichzeitig bedarf es einer Intensivierung der Insektenforschung, die noch vorhandene Wissenslücken schließt. Das Aktionsprogramm Insektenschutz soll daher Maßnahmen zur Entwicklung, Verbreiterung und Vertiefung der gezielten Forschung über Insekten, ihre Verbreitung, Bestände, die Qualität und Quantität der erbrachten Ökosystemleistungen sowie Ausmaß und Ursachen von Bestandsveränderungen beinhalten. Dies umfasst auch die Untersuchung sich addierender Faktoren, die zum Rückgang beitragen, die Identifikation effektiver Hebel zur Gegensteuerung sowie die Entwicklung neuer Technologien für ein Monitoringsystem. Für ein effizientes Monitoring wird die Vernetzung und Harmonisierung von Daten eine wesentliche Rolle spielen. Das geplante wissenschaftliche Monitoring-Zentrum zur Biodiversität wird hierzu einen Beitrag leisten. Ergänzend soll die taxonomische Ausbildung und die Vermittlung von Artenkenntnissen an Universitäten, Schulen und beim Ehrenamt verbessert werden. 8. Finanzierung verbessern Anreize schaffen Die begrenzt verfügbaren Mittel für den Naturschutz in Deutschland sind auch ein Hemmnis für den Insektenschutz. EU-Mittel spielen hier eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung wird sich bei den Verhandlungen zum künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen der EU (MFR) post-2020 dafür einsetzen, die EU-Naturschutzfinanzierung zu verbessern. Bei der Ausgestaltung der kommenden EU-Förderperiode soll ein Beitrag zum Insektenschutz durch geeignete Fördertatbestände und Kriterien berücksichtigt werden. In diesem Rahmen muss die Landwirtschaft künftig auch einen größeren Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen bei Klima- und Umweltschutz sowie beim Erhalt der Biodiversität leisten. Vor diesem Hintergrund soll die GAP die Leistungen der Landwirtschaft zum Schutz der Umwelt, der Biodiversität, des Klimas und der natürlichen Ressourcen besser honorieren. Zudem werden die nationalen Mittel für den Insektenschutz erhöht. Auch für Themen wie Lichtverschmutzung, Verkehr und Siedlungen ist eine bessere Fi- 8

nanzierung von Insektenschutzmaßnahmen nötig. Es sollen verstärkt Modellprojekte zum Insektenschutz gefördert werden, z.b. im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt. 9. Engagement der Gesellschaft befördern Um das Insektensterben aufzuhalten, braucht es das Engagement vieler Akteure. Deshalb sollen im Aktionsprogramm Insektenschutz neben der öffentlichen Hand auch Wirtschaftsverbände und Unternehmen, Forschung und Bildung, zivilgesellschaftliche Akteure wie Naturschutz- und Umweltverbände, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Jäger, Land- und Forstwirte bis hin zur einzelnen Bürgerin und zum einzelnen Bürger angesprochen, informiert und dazu angeregt werden, aktiv zu werden. Bereits vorhandenes Engagement soll vernetzt und mit konkreten Angeboten unterstützt werden. Umweltpädagogische Angebote zum Insektenschutz in Schulen und Kindergärten werden ausgebaut. Hierzu leisten auch die Unterrichtsmaterialien für Lehrkräfte und zielgruppenspezifisch aufbereitete Lehrmaterialien für Kinder und Jugendliche aus den Online-Angeboten der Bundesregierung einen Beitrag. C. Öffentlichkeitsbeteiligung und Berichterstattung Aufgrund der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit für das Insektensterben und der hohen Erwartung der Öffentlichkeit an die Politik sollen gesellschaftliche Akteure und Öffentlichkeit in die Erarbeitung des Aktionsprogramms Insektenschutz einbezogen werden. Dazu wird u.a. das 9. Nationale Forum zur biologischen Vielfalt im Herbst 2018 eine Plattform bieten. Über die Umsetzung des Aktionsprogramm Insektenschutz wird die Bundesregierung regelmäßig Rechenschaft ablegen. 9