Zwangsmassnahmen in der Medizin: Eckwerte der neuen medizin-ethischen Richtlinien der SAMW

Ähnliche Dokumente
Zwangsmassnahmen in der Medizin Eckwerte der neuen medizin-ethischen Richtlinien der SAMW

Zwangsmassnahmen in der Medizin Eckwerte der neuen medizin-ethischen Richtlinien der SAMW

Zwangsmassnahmen in der Psychiatrie

Individuum, Psychiatrie, Gesellschaft: Die fürsorgerische Unterbringung (FU) aus drei Perspektiven

Psychiatrie und Ethik: Eine spannungsreiche, aber unverzichtbare Beziehung

Autonomie und Fürsorge

Freiheitsbeschränkende Massnahmen in der Psychiatrie Bedeutung für die Akutbehandlung

Macht der Begriff palliatives Vorgehen in der Psychiatrie Sinn?

Medizin-ethische Perspektive: Relevantes Wissen für den Umgang mit Zwang

Sonderfall Psychiatrie? Überlegungen zu Zwangsmassnahmen und Fürsorgerischer Unterbringung

Patientenverfügung - Behandlungsvereinbarung - Fallführende Station. Dr. J. Kurmann Chefarzt Luzerner Psychiatrie MAS Philosophie und Management

Autonomie und Beziehung

Zwischen Schutz und Autonomie: das Aushandeln von Massnahmen

Psychiatrische Patientenverfügung

Entwicklung der klinischen Ethikstrukturen in der Schweiz

Advance Care Planning: Grundlagen und Ziele

Einfluss von psychischen Störungen auf die Selbstbestimmungskompetenz

Übersicht rechtliche Grundlagen zur Anwendung von freiheitsbeschränkenden Massnahmen

Die psychiatrische Patientenverfügung PPV

In Gesprächen entscheidend

Zur Rolle der Angehörigen in der psychiatrischen Behandlung: Störenfriede, Co-Therapeuten oder?

Die Notwendigkeit der ärztlichen Unabhängigkeit in der Vollzugsmedizin

FOSUMOS Arbeits-Diner: Sucht im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

neues Kindes- und Daniel Rosch lic. iur./dipl. Sozialarbeiter FH/ MAS in Nonprofit-Management

Wer entscheidet, wenn ich nicht mehr entscheiden kann?

Was bleibt? Zur Identität der Psychiatrie zwischen Kontinuität und Wandel

Fürsorgerische Unterbringung und Behandlung in der Klinik (Workshop 1)

Medizin-ethische Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» Mediengespräch Freitag, 17. November 2017, Haus der Akademien, Bern

Die konkreten Regelungen der bewegungseinschränkenden. Massnahmen

Dr. iur. Margot Michel

Verbessert das neue Erwachsenenschutzrecht die Situation der Angehörigen?

3. Teil. Was ist die richtige Entscheidung? Fachtagung für nephrologische Pflege: - Fallbeispiel CHUV Entscheidungsfindung

Medizin-ethische Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» Mediengespräch Mittwoch, 6. Juni 2018, Haus der Akademien, Bern

Selbstbestimmung oder Schutz vor sich selbst? Ethik der Suizidprävention

Autonomie ein notwendig sperriger Kernbegriff der Psychiatrie

Ist Selbstbestimmung erlaubt? Medizinische Behandlung aus juristischer Sicht

PROGRAMM PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE

Auswirkungen des neuen Rechts auf die Betreuung in Einrichtungen

Ethik-Foren-Treffen 2017

Hinweise zum Workshop mit Fallbeispielen Spital STSAG 20. August 2014 Anton Genna, Fürsprecher

Wer vertritt die Interessen von demenzkranken Menschen am Ende des Lebens?

Bitte retournieren Sie den ausgefüllten Fragebogen bis am 11. September 2018 an Vielen Dank.

Alltagstauglichkeit von Patientenverfügungen

Psychiatrische Patientenverfügung

Ärztlich assistierte Selbsttötung. Normative und praktische Herausforderungen Villigst Gliederung

ZEK Zentrale Ethikkommission: Jahresbericht 2010

Qualitätsstandards zum Umgang mit freiheitsbeschränkenden Massnahmen in Institutionen

Patientenverfügung. Rechtsdienst. Dr. iur. Jürg Müller

Fürsorgerische Unterbringung und ambulante Nachbetreuung

Pflege und DRG. Ethische Herausforderungen für die Pflege bei Einführung der DRG

Advance Care Planning

Wer entscheidet für mich, wenn ich es selber nicht mehr kann?

PFLEGESYMPOSIUM INTERLAKEN

Herausforderndes Verhalten bei Menschen mit komplexer Behinderung

PROGRAMM PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE

Über die Notwendigkeit eines kritischen Umgangs mit psychiatrischen Begriffen

Patientenbeispiel Demenz. Dr. med. Roland Kunz Chefarzt Geriatrie und Palliative Care

PROGRAMM. Anästhesiologie und Intensivmedizin

Sterben ist (k)eine Kunst

Ernährungskonzept Ernährungssymposium Ethik in der klinischen Ernährung Donnerstag, 15. Mai 2014, Uhr Hörsaal WEST U UniversitätsSpital Zürich

Fachtagung PDAG / FARO

Was heisst Patientenautonomie?

Sorgen für sich selber und andere entlasten

Urteilsfähigkeit: Wer bestimmt? In der Theorie klar, in der Praxis oft ein Dilemma

1. Begriffe Handlungs-, Urteilsfähigkeit

Abklärungsinstrumente und aktuelle Gesetzgebungsprojekte

Der vulnerable Urteilsunfähige

Wiedereinführung Vollstudium Pharmazie an der Uni Bern

Rechtlicher Rahmen von Stellvertreterentscheiden

Psychiatrische Patientenverfügung

Prof. Dr. med. Arno Deister. Stellungnahme. Hintergrund. Schleswig-Holsteinischer Landtag Sozialausschuss Postfach 7121.

Rechtliche Aspekte und Stolpersteine der Patientenverfügung. Dr. iur. Jürg Müller, Advokat

Wahrheit und Wahn in der Medizin - ein Input aus psychiatrischem Blickwinkel -

Zwangsmassnahmen im Massnahmenvollzug in der Schweiz: rechtlicher Rahmen UPK Basel: 13. Februar 2014

Die Rechte von Psychiatriepatienten im neuen Erwachsenenschutzrecht

Das Erwachsenenschutzrecht. Martin Boltshauser, Rechtsanwalt

IGSL Hospizbewegung e.v.

Rahmenkonzept. Dr. med. Barbara Loupatatzis Spezialisierte Palliativmedizin und Trainerin Advance Care Planning

Welchen Einfluss hat die Qualität der Arbeitsumgebung auf Mitarbeitende und Patienten?

Welchen Einfluss hat die Qualität der Arbeitsumgebung auf Mitarbeitende und Patienten?

Selbstbestimmte Vorsorge

Advance Care Planning

Suizidwunsch bei Menschen mit einer psychischen Erkrankung: Symptom oder autonomer Entscheid?

Substanzkonsum und Sucht Ethische Dilemmata. Vortrag am am Forum Sucht Dr. rer.nat. Julia Wolf (Lehrbeauftragte, Basel / EKSF Bern)

Familienzentrierte Pflege in der Neonatologie. Interdisziplinäres Symposium

Familienzentrierte Betreuung in der Neonatologie. Interdisziplinäres Symposium

«Wider das Vergessen: Wieso Alzheimerforschung so herausfordernd ist»

Rechtlicher Rahmen von Stellvertreterentscheiden

Freiheitseinschränkende Massnahmen (FEM)

Neues Erwachsenenschutzrecht ein Überblick. Simone Schmucki, lic. iur. Rechtsanwältin in St. Gallen

Bitte retournieren Sie den ausgefüllten Fragebogen bis am 11. September 2018 an Vielen Dank.

Patientenverfügungen

Fürsorgerische Unterbringung

8. Vierwaldstätter-Psychiatrietag

Inhaltsverzeichnis. Kapitel 1: Grundlagen S. 1 S. XX. Abkürzungsverzeichnis S. XXIV. Literaturverzeichnis. A. Einleitung S. 1

Wie man ein verantwortungsbewusster Arzt ist

Psychiatrie und Recht Psychiatrie et Droit

Gesetzlich legitimierter Zwang in der stationären Versorgung von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen/ psychiatrischen Krankheitsbildern

symposium Klinische Ethik in der Psychiatrie Donnerstag, 3. november UHR

15 Jahre Aggressionsmanagement: Entwicklungen und Visionen aus der Sicht der Psychiatrie

Transkript:

Zwangsmassnahmen in der Medizin: Eckwerte der neuen medizin-ethischen Richtlinien der SAMW Prof. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff Symposium Klinische Ethikstrukturen in der Schweiz: Update und Herausforderungen Bern, 27. März 2015

Mitglieder der Subkommission Prof. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff, Psychiatrie, Zürich (Vorsitz) Andreas Bolliger, Pflege, Affoltern a. Albis Prof. Dr. iur. Marco Borghi, Recht, Comano Dr. med. Verena Gantner, Allgemeinmedizin, Muri Dr. med. Monique Gauthey, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Genf Dr. med. Daniel Grob, Geriatrie, Zürich Prof. Dr. med. Christian Kind, ZEK-Präsident, Pädiatrie, St. Gallen PD Dr. med. Tanja Krones, Ethik, Zürich Sophie Ley, Pflegeexpertin, MA Health Care Management, Monthey lic. iur. Michelle Salathé, MAE, SAMW, Recht, Basel lic. theol. Christoph Schmid, CURAVIVA, Bern PD Dr. med. Martin Siegemund, Intensivmedizin, Basel Bianca Schaffert-Witvliet, Pflege MSN, Mägenwil Prof. Dr. med. Hans Wolff, Gefängnismedizin, Genf 2

Agenda w Das medizin-ethische Spannungsfeld w Der neue rechtliche Rahmen (KESR) w Der RL-Entwurf: Gliederung & Eckwerte w Diskussionsbedürftige Punkte

Agenda w Das medizin-ethische Spannungsfeld w Der neue rechtliche Rahmen (KESR) w Der RL-Entwurf: Gliederung & Eckwerte w Diskussionsbedürftige Punkte

Das medizin-ethische Spannungsfeld (I) - Anspruch des Pat. auf Behandlung, auch wenn krankheitsbedingt nicht oder eingeschränkt urteilsfähig - Rechtlich Behandlungspflicht (ärztliche Garantenstellung) - Aufbau einer tragfähigen Beziehung trotz diametral unterschiedlicher Interessen 5

Das medizin-ethische Spannungsfeld (II) - «Autonomie» als bloss theoretischer Rahmen ist in der Medizinethik ungenügend. - Es braucht die Adaptation auf die konkrete Situation der betroffenen Person («shared clinical decision making», «assistierte Autonomie»). 6

Values-Based und Evidence-Based medicine / practice: Eine notwendige Ergänzung CUP 2012 7

Die WFW-Balance (I) We Wi Fä Wissen Fähigkeiten Werte 8

Die WFW-Balance (II) We Wissen Fähigkeiten Werte Wi Medizin als Handlung Fä 9

Agenda w Das medizin-ethische Spannungsfeld w Der neue rechtliche Rahmen (KESR) w Der RL-Entwurf: Gliederung & Eckwerte w Diskussionsbedürftige Punkte

KESR stimuliert die Debatte zu... Zwang im Gesamtgebiet der Medizin z.b. Überarbeitung der SAMW-Richtlinien Zwang in der Psychiatrie, im Lichte von - Recovery / Empowerment / peer involvement - Identitätsfragen der beteiligten Berufsgruppen Schnittstellenproblemen Klinik / Praxis / Wohneinrichtung ( geeignete Einrichtung ) Patientenverfügungen... 11

Agenda w Das medizin-ethische Spannungsfeld w Der neue rechtliche Rahmen (KESR) w Der RL-Entwurf: Gliederung & Eckwerte w Diskussionsbedürftige Punkte

RL-Entwurf: Gliederung - Präambel - Geltungsbereich - Grundbegriffe & rechtlicher Rahmen - Grundsätze - 5 Anwendungsfelder - Anhang Zwang, ein mehrdimensionales Konzept Checklisten

ad Präambel - Wie kann Zwang verhindert werden? (Prävention) - Zwang ist immer ein Eingriff in grundrechtlich verankerte Persönlichkeitsrechte - Die Befolgung prozeduraler Richtlinien allein kann Zwang nicht rechtfertigen - Nicht nur Zwangsmassnahmen schränken die Ausübung von Grundrechten ein, sondern auch viele Erkrankungen als solche 14

ad Grundsätze - Subsidiarität und Verhältnismässigkeit von Zwangsmassnahmen - Das Umfeld muss geeignet sein - Effiziente, klare und offene Kommunikation im Team und mit der betroffenen Person 15

ad Anwendungsfelder (I) - Somatische Akutmedizin - Psychiatrie - Kinder und Jugendliche - Langzeitpflege - Straf- und Massnahmenvollzug 16

ad Anwendungsfelder (II) - Präventive Wirkung von Aufklärung, Beratung, Delirprophylaxe - Zwang ist niemals «normaler» Bestandteil medizinischen, speziell psychiatrischen Handelns - Nicht die Diagnose ist entscheidend, sondern klinischer Zustand, Risikoprofil und Urteilsfähigkeit 17

ad Anwendungsfelder (III) - Kinder und Jugendliche haben die gleichen Rechte wie Erwachsene, sind aber besonders schutzbedürftig - Einbezug auch der urteilsunfähigen Person, Berücksichtigung ihrer Präferenzen - Geeignetes Monitoring bei bewegungseinschränkenden Massnahmen - Äquivalenzprinzip im Straf- und Massnahmenvollzug 18

Agenda w Das medizin-ethische Spannungsfeld w Der neue rechtliche Rahmen (KESR) w Der RL-Entwurf: Gliederung & Eckwerte w Diskussionsbedürftige Punkte

Diskussionsbedürftige Punkte (I) (neben den in den Unterlagen bereits genannten) - Zwang wird als solcher erlebt, auch wenn die urteilsunfähige Person im Vorfeld zugestimmt hat; dies stellt aber keine Zwangsmassnahme im Sinne der RL dar. - Zwangsmassnahme liegt auch dann vor, wenn eine Ablehnung der Behandlung eindeutig und unmittelbar aus der (psychischen) Erkrankung resultiert. 20

Diskussionsbedürftige Punkte (II) (neben den in den Unterlagen bereits genannten) - Abwarten der Beschwerdefrist / des Gerichtsentscheides bei Anordnung einer Behandlung ohne Zustimmung: Ja oder nein? - Wann Beizug der KESB im Falle divergenter Positionen des Jugendlichen und der Eltern? - Rechtlicher Rahmen für Heimplatzierung dementer Personen: FU oder vertretungsberechtigte Person / Betreuungsvertrag? 21

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 22