BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG Nr. 110-3 vom 22. November 2012 Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, zum Haushaltsgesetz 2013 vor dem Deutschen Bundestag am 22. November 2012 in Berlin: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass Menschen in der Familie Verantwortung füreinander übernehmen. Der erneute Mittelaufwuchs im Einzelplan 17 auf knapp 6,9 Milliarden Euro im Haushalt 2013 stärkt die Verantwortungsgemeinschaft Familie. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss und im Familienausschuss für die konstruktiven Beratungen, insbesondere den Berichterstattern im Haushaltsausschuss, Herrn Bockhahn, Herrn Mattfeldt, Herrn Dr. Toncar, Herrn Schwanitz und Herrn Kindler. Der größte Posten im Einzelplan 17 bleibt das Elterngeld, und das aus guten Gründen. Das Elterngeld ermöglicht etwas, was sich nahezu alle Familien in Deutschland wünschen, nämlich nach der Geburt eines Kindes eine Auszeit aus dem Beruf nehmen zu können. Heute früh hat das Statistische Bundesamt neue Zahlen zur Väterbeteiligung veröffentlicht: Sie liegt jetzt bei stolzen 27,3 Prozent. Die 4,9 Milliarden Euro, die wir 2013 für das Elterngeld ausgeben, sind also nicht nur in familienpolitischer, sondern auch in gleichstellungspolitischer Hinsicht gut angelegtes Geld. Eltern haben damit mehr Wahlfreiheit.
- 2 - Zur Wahlfreiheit tragen auch das Betreuungsgeld und der Kitaausbau bei. Mit dem Betreuungsgeld, für das im Jahr 2013 55 Millionen Euro vorgesehen sind, unterstützen wir Eltern, die die Betreuung ihrer ein- oder zweijährigen Kinder selbst organisieren wollen. Genauso unterstützen wir mit Milliardeninvestitionen in den Kitaausbau diejenigen Eltern, die für ihr Kind Betreuung wollen oder brauchen. Die Eltern verlassen sich auf unsere Zusagen. Auch deswegen wird in der christlichliberalen Koalition nicht am Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gerüttelt. Wir, der Bund, unterstützen die Länder bei der Mammutaufgabe des Kitaausbaus, wo wir nur können. Die zusätzlich von uns zur Verfügung gestellten 580 Millionen Euro können von den Kommunen rückwirkend zum 1. Juli eingesetzt werden. Sie ermöglichen Ländern und Kommunen die Einrichtung von 30.000 zusätzlichen Betreuungsplätzen. Ich freue mich, dass wir uns mit den Ländern darauf geeinigt haben, dass sie in Zukunft deutlich häufiger über den Ausbaufortschritt berichten. Wichtig war auch, dass wir in Bezug auf die neuen Gelder die parallele Gemeinschaftsfinanzierung festgeschrieben haben. Zur Erinnerung: Bisher hatten wir die sogenannte serielle Gemeinschaftsfinanzierung. Die serielle Gemeinschaftsfinanzierung war ein vornehmer Ausdruck für das Prinzip Erst zahlt der Bund, dann zahlen die Länder. Was als Tempomacher gedacht war, wurde von einigen Ländern allerdings missverstanden. Sie haben serielle Gemeinschaftsfinanzierung übersetzt mit Erst einmal alle Bundesgelder verbraten, und dann schauen wir mal. Frau Marks, Sie hatten vorhin Rheinland-Pfalz und Kurt Beck erwähnt. Die rheinlandpfälzischen Kommunen haben gestern öffentlich die Verweigerungshaltung ihres Landes kritisiert. Ich möchte den Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland-Pfalz zitieren: Vom Land kam bisher nicht einmal ein Cent. Deshalb rate ich Ländern wie Rheinland-Pfalz dringend, einen Blick in die schriftlich fixierten Abmachungen von vor fünf Jahren zu werfen. Dort heißt es wörtlich:
- 3 - Die Länder werden ebenfalls finanzielle Voraussetzungen dafür schaffen, dass die vereinbarten Ziele erreicht werden. Im Klartext heißt das: Der Bund hilft den Ländern beim Ausbau. Es heißt aber nicht: Die Länder dürfen zuschauen, wie der Bund für sie die Arbeit macht. Bei allem Engagement für den Kitaausbau sollten wir nicht vergessen, dass die Bedürfnisse von Eltern unterschiedlich sind. Der Anteil der Eltern, die ihre Kinder im Alter von einem oder zwei Jahren in einer Kita betreuen lassen wollen, liegt bei knapp 40 Prozent. Wir wollen, dass die Eltern selbst entscheiden, was gut für ihre Kinder und was gut für ihr Familienleben ist, und wir wollen, dass diese Entscheidungen respektiert werden. Ich sehe es deshalb mit Sorge, dass sich in der Familienpolitik zunehmend eine Allianz aus Volkswirten und Volkserziehern gebildet hat, der es nur darum geht, dass möglichst alle Mütter und Väter schnellstmöglich nach der Geburt eines Kindes wieder Vollzeit arbeiten. BDA-Präsident Hundt hat das mit seinem Vorschlag, die Elternzeit zu verkürzen, ganz deutlich gemacht. Mir macht diese Haltung Sorge, weil sie die Bedürfnisse von Eltern und Kindern komplett ignoriert oder sie nur als Sand im Getriebe der ökonomischen Effizienz wahrnimmt, den man loswerden muss, damit Mütter und Väter dem Arbeitsmarkt als Humankapital zur Verfügung stehen. Familien sind aber nicht der Steinbruch der Wirtschaft zur Fachkräftesicherung. Bis zu Peer Steinbrück scheint sich das leider noch nicht herumgesprochen zu haben; denn Herr Steinbrück hat kürzlich allen Ernstes erklärt, das Betreuungsgeld gefährde das Recht der Frau auf berufliche Selbstbestimmung. Da frage ich mich: Was hat Herr Steinbrück eigentlich für ein Frauenbild? Glaubt er ernsthaft, nur weil man uns Frauen 100 Euro hinhält, würden wir sofort sämtliche Ambitionen und Wünsche vergessen und töricht in irgendwelche Fallen tappen? Wenn das das Bild ist, das Herr Steinbrück von Frauen in Deutschland hat, dann zeigt das: Er hat wirklich ein Problem mit Frauen. Herr Hundt und Herr Steinbrück sind Brüder im Geiste. Beide denken, sie wüssten besser, was gut für Familien ist. Beide haben nicht verstanden, worum es in der Fa-
- 4 - milienpolitik geht. Es geht um die Frage, wie sich Eltern ein gutes und erfülltes Familienleben vorstellen. Sie dabei zu unterstützen, das ist Aufgabe von Familienpolitik. Eine Verkürzung der Elternzeit wird es mit mir daher nicht geben. Die Wirtschaft hat es selbst in der Hand, für familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu sorgen: Sie kann Betriebskitas schaffen diesbezüglich startet im nächsten Monat ein neues Programm ; sie kann die -Arbeitszeiten familienfreundlicher gestalten; sie kann sich von der unseligen Präsenzkultur bester Mitarbeiter ist, wer am längsten hinterm Schreibtisch sitzt verabschieden. Die Wirtschaft kann selbst genug dafür tun, damit Mütter und Väter gerne an den Arbeitsplatz zurückkehren. Zum Schluss komme ich auf einen Punkt zu sprechen, den Sie, Herr Kindler, angesprochen haben, nämlich auf die Präventionsprogramme gegen Extremismus. Ich habe im Haushaltsausschuss klar und deutlich gesagt, dass die bestehenden Programme zur Prävention von Extremismus auf jeden Fall weiterlaufen werden. Ich habe immer wieder betont das ist der politische Wille von uns allen, dass wir 24 Millionen Euro für die Bekämpfung des Rechtsextremismus und fünf Millionen Euro für die Bekämpfung des Linksextremismus und des Islamismus so viel zu Ihrem Vorwurf der Gleichmacherei zur Verfügung stellen und dass es unser aller Wille ist, dass diese Mittel auch für das Jahr 2014 bereitstehen. Deswegen kann ich nur sagen: Dieses Versprechen steht. Hören Sie auf, die Menschen, die sich gegen Extremismus engagieren, zu verunsichern! Ihr Engagement ist viel zu wertvoll, um im Wahlkampf als Spielball zu dienen. Mit dem Einzelplan 17 es ist ein vergleichsweise kleiner Etat geben wir Antworten auf eine Vielfalt von gesellschaftlichen Herausforderungen. Wir haben unsere knappen Mittel gut investiert: in die Unterstützung des familiären Zusammenhalts, insbesondere durch das Elterngeld; in die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere durch den Kitaausbau; in die frühkindliche Bildung, insbesondere durch die Offensive Frühe Chancen ; in einen besseren Kinderschutz, insbesondere durch das neue Kinderschutzgesetz; in die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements ich nenne den Bundesfreiwilligendienst und die Jugendfreiwilligendienste ; in den Zusammenhalt zwischen Alt und Jung durch die Fortführung des Programms für die
- 5 - Mehrgenerationenhäuser; in Unterstützung für Frauen in Notlagen, insbesondere durch das neue Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen. Das ist eine breite Vielfalt an gesellschaftspolitischen Maßnahmen, die für faire Chancen sorgen, die die Übernahme von Verantwortung unterstützen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die den Menschen dabei die Freiheit lassen, so zu leben, wie sie selbst leben wollen. Das ist moderne Familienpolitik. * * * * *