Diskriminierung aufgrund der Religion am Arbeitsplatz ERA Dezember 2017

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Transkript:

Diskriminierung aufgrund der Religion am Arbeitsplatz ERA Dezember 2017 Dr. Ronan McCrea University College London Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung: verkomplizierende Faktoren Die Religion wird sowohl im Sinne des Rechts, keiner Diskriminierung ausgesetzt zu sein, als auch im Sinne des Rechts auf Diskriminierung als Grund angeführt Die Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung weist Überschneidungen mit einem Grundrecht auf (dem Recht auf Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Individualität der Religionsfreiheit (die die Verpflichtung beinhaltet, religiöse und nichtreligiöse Weltanschauungen gleich zu behandeln) und der Fokussierung auf die kollektive Benachteiligung, auf die die Rechtsvorschriften zur mittelbaren Diskriminierung abstellen. 1

Richtlinie 2000/78: Keine Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung Die Gleichstellung der religiösen und der nicht-religiösen Weltanschauung ist ein Kernaspekt der Rechtsprechung zu Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention Richtlinie 2000/78: Unmittelbare Diskriminierung Unmittelbare Diskriminierung: Art. 2 Abs. 2 Buchst. a: (...) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde; Unmittelbare Diskriminierung lässt sich nur rechtfertigen, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. (Art. 4 Abs. 1). 2

Richtlinie 2000/78: Mittelbare Diskriminierung b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn: i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich, oder Diskriminierung einer Person aufgrund der Religion: Aktuelle Entscheidungen des EuGH Achbita, Rechtssache C-157/15 Vorlage des belgischen Kassationshofs; mit seiner Frage möchte das Gericht wissen, ob das Verbot, als Muslima am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, als unmittelbare Diskriminierung zu betrachten ist, wenn der betreffende Arbeitgeber allen Arbeitnehmern das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet. Bougnaoui, Rechtssache C-188/15: Vorlage des französischen Kassationshofs; mit seiner Frage möchte das Gericht wissen, ob der Wille eines Kunden, Leistungen nicht von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne der Richtlinie betrachtet werden könnte. 3

Verbot von Symbolen zum Ausdruck der Religion oder Weltanschauung: Mittelbar diskriminierend Achbita (Randnummer 30): das Tragen sichtbarer Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen (...) gilt (...) unterschiedslos für jede Bekundung solcher Überzeugungen. Daher ist davon auszugehen, dass nach dieser Regel alle Arbeitnehmer des Unternehmens gleich behandelt werden, indem ihnen allgemein und undifferenziert u. a. vorgeschrieben wird, sich neutral zu kleiden, was das Tragen solcher Zeichen ausschließt. ABER: Um nicht unmittelbar diskriminierend zu sein, muss das Verbot in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden (Randnummer 40 Achbita) Neutralitätsgebot: ein rechtmäßiges Ziel Achbita (Randnummer 37): der Wille, im Verhältnis zu den öffentlichen und privaten Kunden eine Politik der politischen, philosophischen oder religiösen Neutralität zum Ausdruck zu bringen, [ist] als rechtmäßig anzusehen [...]. Angeführt wird die unternehmerische Freiheit, die durch Art. 16 der EuGRC und durch die Rechtsprechung des EGMR zu Artikel 9 EMRK geschützt wird. 4

Damit ist die Forderung nächstes Mal kein Kopftuch aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbar diskriminierend, da sie auf einen einzigen Glauben abzielt. Eine Vorschrift, die religiöse, politische oder philosophische Zeichen untersagt, wird mittelbar diskriminierend sein. (Allerdings ist die Entscheidung über den Sachverhalt Aufgabe des nationalen Gerichts.) Kundenpräferenzen und wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung Bougnaoui (Randnummern 37 und 38): Ein Merkmal, das mit der Religion im Zusammenhang steht, kann nur unter sehr begrenzten Bedingungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen Die Rechtsprechung besagt eindeutig, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen muss. 5

Achbita und Bougnaoui: Zu beachtende Punkte Das Neutralitätsgebot ist legitim, muss aber systematisch und generell angewandt werden Kundenorientierte Tätigkeit: Im Urteil des Gerichtshof werden religiöse Zeichen, ebenso wie andere Zeichen politischer oder philosophischer Überzeugungen, als potenziell kontrovers und damit für harmonische Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden störend anerkannt. Die kontroverse Natur religiöser Überzeugungen ist jedoch für harmonische Bedeutungen innerhalb des Arbeitsplatzes ebenso relevant (z. B. Ladele gegen Islington/Eweida gegen UK). Kontroverse Berufung auf die unternehmerische Freiheit (Artikel 16 EuGRC) Die Achtung von Kundenpräferenzen kann keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen Religion als Anschauung oder Weltanschauung GÄ Kokott in Achbita: Dieses Neutralitätsgebot wirkt sich auf einen religiösen Arbeitnehmer in genau derselben Weise aus wie auf einen überzeugten Atheisten, der seine antireligiöse Einstellung mit seiner Kleidung deutlich sichtbar zum Ausdruck bringt, oder aber auf einen politisch aktiven Arbeitnehmer, der sich durch Bekleidungselemente zu seiner bevorzugten politischen Partei oder zu bestimmten politischen Inhalten bekennt (z. B. mit Symbolen, Anstecknadeln oder Slogans auf seinem Hemd, seinem T-Shirt oder seiner Kopfbedeckung). [Somit ist Religion nicht wie] unabänderliche Körpermerkmale oder persönliche Eigenschaften von Menschen etwa das Geschlecht, das Alter oder die sexuelle Ausrichtung und [...] Verhaltensweisen, die auf einer subjektiven Entscheidung oder Überzeugung beruhen, so wie hier das Tragen oder Nichttragen einer Kopfbedeckung. 6

Religion als Identität GÄ Sharpston in Bougnaoui: [...] für einen praktizierenden Angehörigen eines Glaubens die religiöse Identität ein integraler Bestandteil seines ganzen Lebens ist. Die Anforderungen seines Glaubens seine Ordnung und die Regeln, die er für die eigene Lebensführung vorgibt sind nicht etwas, was außerhalb der Arbeit gelten soll (etwa für diejenigen, die einer Bürotätigkeit nachgehen, am Abend und am Wochenende), aber während der Arbeitszeit höflich abgelegt werden kann. Natürlich mag je nach den jeweiligen Regeln der betreffenden Religion und dem Maß der Betätigung der einzelnen Person dieses oder jenes Element für diese Person nicht zwingend und daher verhandelbar sein. Doch wäre die Annahme gänzlich verfehlt, dass zwar das Geschlecht und die Hautfarbe jeden Menschen überallhin begleiten, seine Religion jedoch nicht. Der EuGH führt in Achbita und Bougnaoui aus, dass die Richtlinie 2000/78 keine Definition des Begriffs Religion oder Weltanschauung enthält. Er legt jedoch dar, dass der Erwägungsgrund der Richtlinie auf Artikel 9 EMRK (das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit) Bezug nimmt. Diese Betrachtungsweise veranlasst den Gerichtshof, eher dem in den Schlussanträgen von GÄ Kokott in Achbita dargelegten Verständnis von Religion zu folgen, als dem von GÄ Sharpston in Bougnaoui. 7

Spannungsverhältnis zwischen Religionsfreiheit und Diskriminierung aufgrund der Religion Das Recht auf Religions- oder Glaubensfreiheit wird von den Gerichten (zu Recht) als ein primär individuelles Recht betrachtet, das dem Einzelnen die Wahl seines Glaubens ermöglicht und nicht zwischen weit verbreiteten, etablierten Weltanschauungen und idiosynkratischen oder heterodoxen Überzeugungen unterscheidet sowie religiöse gegenüber nicht-religiösen Glaubensformen nicht begünstigt. Bei mittelbarer Diskriminierung geht es in der Regel um den Begriff der kollektiven Benachteiligung und um die Gewährung zusätzlicher Rechte für Menschen, die belegen, dass sie einer Gruppe angehören, die wegen eines hervorstechenden Merkmals, das sie mit anderen Angehörigen dieser identifizierbaren Gruppe teilen, mit zusätzlichem Gegenwind konfrontiert sind (z. B. UK Court of Appeal in Eweida gegen British Airways EWCA Civ [2010] 80). Diskriminierung zum Schutz des Ethos eines Arbeitgebers In Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2000/78 wird auf Artikel 17 AEUV Bezug genommen: Die Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften genießen, und beeinträchtigt ihn nicht... Das Recht auf kollektive religiöse Autonomie nach Artikel 9 EMRK ist gegen die Rechte von Arbeitnehmern auf Privatsphäre, Religionsfreiheit und freie Meinungsäußerung abzuwägen, z. B. Fernandez Martinez gegen Spanien [2014] EGMR 615. Herangehensweise in den USA absolutistischer, basierend auf ministerieller Erlaubnis, Hosanna Tabor 565 US 171 (2012). 8

Ausnahmeregelungen für ethosgeprägte Arbeitgeber in Richtlinie 2000/78 Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie: ( ) in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, (...) eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt, bezogen auf das Ethos der Organisation. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund. Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen privaten oder öffentlichen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten. Ausnahmeregelungen für ethosgeprägte Arbeitgeber in Richtlinie 2000/78, II Die Ausnahmeregelung ermöglicht die Behandlung der Religion eines Arbeitnehmers als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung entweder aufgrund der Art dieser Tätigkeit (dies würde beinhalten, dass eine als katholischer Priester beschäftigte Person Katholik sein muss) oder aufgrund der Bedingungen ihrer Ausübung. Dies ist wichtig, weil es bedeutet, dass eine Aufgabe, die keine religiöse Funktion zu haben scheint, dennoch als Personen einer bestimmten religiösen Identität vorbehalten betrachtet werden kann, weil sie innerhalb einer religiösen Organisation ausgeführt wird. Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass diese Ausnahmeregelungen als Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz eng auszulegen sind (siehe McCrea, Religion and the Public Order of the European Union OUP 2010 S. 166). 9

Rechtssache C-414/16 Egenbeger Konfessionslose deutsche Frau, die bei einem Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland einen befristeten Vertrag, der die Erarbeitung eines Berichts über Rassendiskriminierung betraf, nicht erhalten hatte; laut der betreffenden Stellenanzeige mussten die Bewerber Protestanten sein. Nach deutschem Recht haben religiöse Organisationen hinsichtlich der Frage, wann eine bestimmte religiöse Identität eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, erheblichen Ermessensspielraum. Laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz kann dies unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung entschieden werden, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Artikel 9 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Dieses Selbstverständnis unterliegt nach deutschem Recht nur einer Plausibilitätskontrolle. Schlussanträge von GA Tanchev [...] die Verfassungsgebote der Union das widerspiegeln, was in der Literatur als Wertepluralismus bezeichnet wird. Infolgedessen werden Kollisionen zwischen verschiedenen Rechten oder Ansätzen als normal angesehen und durch eine Abwägung der widerstreitenden Elemente gelöst und nicht dadurch, dass einem Element hierarchisch Vorrang vor einem anderen gegeben wird (Randnr. 100). Die Richtlinie ist dahin auszulegen, dass ein religiöser Arbeitgeber nicht verbindlich selbst bestimmen kann, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts seines/ihres Ethos darstellt (Randnr. 101). Es musste ein Abwägungsprozess erfolgen, der den erheblichen Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zur Erzielung von Ausgewogenheit in diesem Bereich und hinsichtlich des Rechts auf institutionelle Religionsfreiheit berücksichtigte. Er musste allerdings auch berücksichtigen, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts die unverhältnismäßige Beschränkung anderer Grundrechte zu vermeiden ist. Ferner erforderte die Bezugnahme in der Richtlinie auf wesentliche, rechtmäßige berufliche Anforderungen eine Analyse der Nähe der fraglichen Tätigkeiten zum Verkündigungsauftrag des Beklagten. 10

Religion und Recht in Europa: Einige allgemeine Bemerkungen Durch große Unsicherheiten geprägtes Umfeld Unklar, welcher Ansatz am besten funktioniert Unberechenbarkeit Erfordert eine gewisse Demut oder Bescheidenheit internationaler Gerichte EuGH gewährt erheblichen Handlungsspielraum, verlangt jedoch Fairness bei der Anwendung von Vorschriften und der Abwägung von Rechten Sich abzeichnende Entwicklung: die Anerkennung, dass die Behörden der Mitgliedstaaten am besten entscheiden können, wie die Rolle der Religion in der Gesellschaft geregelt wird, unter Achtung der Anforderungen unserer gemeinsamen Rechtsordnung in der EU, derzufolge diese Regelung die Grundprinzipien und Grundwerte, beispielsweise Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, zu wahren hat. 11