Zum Einfluß realer und virtueller verkörperlichter digitaler Technologien

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Transkript:

Zum Einfluß realer und virtueller verkörperlichter digitaler Technologien Prof. Dr. Peter Ohler Professur Medienpsychologie Institut für Medienforschung Technische Universität Chemnitz

https://www.youtube.com/watch?v=ugk Ze990kY8

fahrerlose Automobile Industrieroboter Pflegeroboter Kuschel roboter Teilautonome Drohnen Eine intelligentes Haus Wearables Avatare Autonome Agenten NPCs Je autonomer Technologien wirken und je mehr sie sich bewegen, desto mehr sind sie verkörperte digitale Technologien (embodied digital technologies, EDTs). 18. Mai 2017

Beispiele für Interaktionen mit EDTs mit variierendem Grad der Kooperation zwischen Mensch und EDT sowie Anzahl der beteiligten Entitäten (Subjekte/Objekte?)

Neue Forschungsfelder durch vermehrtes Auftreten von EDTs EDTs, die mit Menschen interagieren, können die menschlichen Erwartungen treffen oder verfehlen Wenn Menschen mit EDT-Zusätzen (z.b. Exoskeletten) arbeiten, verändert sich ihr Körpergefühl Welche Umwelten teilen wir mit EDTs (Situationswahrnehmung, 360 Grad Rundumsicht, Teleoperation) Wie verändert sich unser Konzept von Intention? Bereits in der frühen Kindheit

Wie ändert sich das menschliche Intentionsverstehen / die Intentionszuschreibung? Untersuchung der neuen Umgebungen in der Kinder aufwachsen und wie diese deren kognitive, sozial-kognitive und emotionale Entwicklung formen EDTs bewegen sich (wie Lebewesen) und die Grenzen zwischen belebt und unbelebt verschwimmen Animacy (Belebtheitszuschreibung) entwickelt sich bereits im ersten Lebensjahr (menschliche Hand vs. Roboterarm; smooth movement) EDTs sind (zukünftig) dazu in der Lage mit kindlichen Nutzern Joint Attention zu erzeugen EDTs sind zukünftig dazu in der Lage ein Verhalten an den Tag zu legen, das kindliche Nutzer dazu verleitet, ihnen mentale Zustände zuzuschreiben wie Wünsche, Absichten, Emotionen, Überzeugungen (TOM; Alltagspsychologie)

Menschen beherrschen mit 18 Monaten joint attention Affen scheinbar auch..

aber bei genauerer Kontrolle auch wieder nicht

Forschungsfragen: Kommt es zu einer beschleunigten / verlangsamten Entwicklung der Intentionsattribution in den EDTs-Mensch- Hybridgemeinschaften? Kommt es bei Kindern zu einem tieferen/verändertem Verständnis was Intentionen sind? Wollen wir EDTs konstruieren, die kindliche Mindattributionen befördern (oder solche die es gerade nicht tun)?

Uncanny Valley (Masahiro Mori, 1970) Angenommene Linearität zwischen Menschenartigkeit und emotionaler Akzeptanz Kurz bevor perfekter Realismus erreicht wird, Umschwung zu starker Ablehnung (Ekel, Angst, Schaurigkeit ) Völlig künstliche Figur oft sympathischer als menschenähnliche Figur Darum hat Polar Express gefloppt Akzeptanzlücke

Uncanny Valley (Mori, 1970) Technologischer Fortschritt erhöht die Brisanz des Modells Quellen: Creepygirl (cubo.cc), Mass Effect 2 (Videospiel, BioWare), 3D-Grafik-Konzept (Seeker.com), HumanoidRobot (Getty Images)

Uncanny Valley (Mori, 1970) Vielzahl an Erklärungsansätzen Kontroverse Diskussion der Ursachen des Phänomens Evolutionspsychologie: Einfluss spezifischer, visueller Hinweisreize (z. B. leblose Augen) auf Furcht vor Krankheitserregern oder Wahrnehmung von Psychopathie Kognitionswissenschaft: Dissonanzeffekt subtil fehlerhafte, technische Abbildungen des Menschen können nicht problemlos in die Kategorien Mensch oder Maschine eingeordnet werden à das Resultat sind innere Unruhe und negativer Affekt

Uncanny Valley of mind? Verstärkt im Fokus mentale Einflüsse Ursprüngliche Auslegung des Modells auf audiovisuelle Faktoren (Aussehen, Bewegung, Stimme) Jüngere Forschung widmet sich komplexen Technologien wie Künstlicher Intelligenz, virtuelle Agenten, humanoide Robotern Blick auf deren "geistiges Potential" (mind) à Vermutung, dass auch Emotionalität und mentale Fähigkeiten von Menschenabbildern deutliche Ablehnung hervorrufen

Venturing into the Uncanny Valley of Mind Empirische Untersuchung im DFG-Graduiertenkolleg "CrossWorlds" (Stein & Ohler, 2017) Laborexperiment in einer VR-Umgebung (Oculus Rift DK2) Grundannahme: Emotionserkennung und empathisches Verhalten wirken schaurig, wenn sie von autonomen Computerprogrammen "berechnet" werden Stein, J.-P., & Ohler, P. (2017). Venturing into the uncanny valley of mind. The influence of mind attribution on the acceptance of human-like characters in a virtual reality setting. Cognition, 160, 43 50. doi: 10.1016/j.cognition.2016.12.010.

Venturing into the Uncanny Valley of Mind Empirische Untersuchung im DFG-Graduiertenkolleg "CrossWorlds" (Stein & Ohler, 2017) Proband beobachtet eine gescriptete Dialogszene von einem neutralen Beobachtungspunkt aus, kann sich frei umsehen (à Immersion)

Venturing into the Uncanny Valley of Mind Empirische Untersuchung im DFG-Graduiertenkolleg "CrossWorlds" (Stein & Ohler, 2017) Instruktion: "Sie sehen eine Testversion eines VR-Chatprogramms, bei dem menschliche Nutzer und virtuelle Figuren interagieren können" Manipulation zwischen vier Gruppen (between-subject) Vorgegeben, menschlich: "Sie sehen jetzt einen Beispieldialog, den zwei Mitarbeiter Wort für Wort nach Drehbuch abarbeiten." Autonom, menschlich: "Sie sehen jetzt einen Beispieldialog, den zwei Mitarbeiter frei improvisieren." Vorgegeben, Computer: "Sie sehen jetzt einen Beispieldialog, den wir zwei virtuellen Agenten einprogrammiert haben." Autonom, Computer: "Sie sehen jetzt einen Beispieldialog, der in Echtzeit von einem neuronalen Netzwerk (KI) anhand emotionaler Algorithmen berechnet wird."

Venturing into the Uncanny Valley of Mind Empirische Untersuchung im DFG-Graduiertenkolleg "CrossWorlds" (Stein & Ohler, 2017) Stimulus jedoch stets das gleiche, freundliche Gespräch zwischen zwei 3D-Charakteren, diverse empathische Äußerungen

Venturing into the Uncanny Valley of Mind Empirische Untersuchung im DFG-Graduiertenkolleg "CrossWorlds" (Stein & Ohler, 2017) Chat wurde als "Text-To-Speech"-Verarbeitung dargestellt, um Soundqualität in allen Bedingungen plausibel zu halten

Venturing into the Uncanny Valley of Mind Empirische Untersuchung im DFG-Graduiertenkolleg "CrossWorlds" (Stein & Ohler, 2017) Statistischer Befund: Die autonome, künstliche Intelligenz wurde deutlich "schauriger" als die anderen drei Bedingungen wahrgenommen Jedoch keine unterschiedlichen Ergebnisse bei der bewerteten "Attraktivität" (äußerlicher Faktor)

Danke für Ihre Teilnahme! Das Forschungsfeld Embodied Sensor and Motor Capabilities umfasst das Steuern von EDTs und Interaktionen über Berührung sowie auf Distanz mittels Gesten. Artificial Bodies als das zweite Forschungsfeld beinhaltet das Erfahren gefertigter Körper als Ersatz oder Erweiterung des eigenen Körpers aus der Ego-Perspektive und das Erfahren virtueller EDTs mit gefertigten Körpern als Interaktionspartner. Das Forschungsfeld Shared Environments zielt ab auf aktive räumliche Orientierung in medial vermittelten Umgebungen sowie auf die Koordination und Integration der Situationswahrnehmungen von Menschen und vernetzten EDTs. Das Hauptthema des vierten Forschungsfelds Intentionality in Hybrid Societies ist die Zuschreibung und Kommunikation mentaler Zustände zwischen Menschen und EDTs.