Paritätische sozialraumorientierte Flüchtlingsarbeit: Angebote für Partizipation und Integration ab dem ersten Tag Angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation startete der Paritätische Berlin bereits im letzten Jahr über seine laufende Arbeit hinaus eine große Engagement-Kampagne. Der Verband rief alle Mitgliedsorganisationen auf, ihre bestehenden Angebote für Flüchtlinge zu öffnen, sich aktiv in die Zusammenarbeit mit Geflüchteten einzubringen und das Engagement der Zivilgesellschaft für Flüchtlinge zu unterstützen. Auf diesen Aufruf reagierten die Mitglieder mit einer Explosion an Kreativität, Engagement und Aktivität. Mit der Unterstützung des Verbandes konnten eine Vielzahl neuer Projekte in allen Bereichen angestoßen sowie zahlreiche bestehende Einrichtungen für geflüchtete Menschen geöffnet werden. Neben den vielen Mitgliedsorganisationen, die bereits seit Jahrzehnten im Flüchtlingsbereich tätig sind, engagieren sich daher mittlerweile eine Vielzahl weiterer paritätischer Mitgliedsorganisationen aus allen Bereichen der sozialen Arbeit für Geflüchtete. Das breite Angebot der paritätischen Flüchtlingsarbeit soll hier kurz dargestellt werden: Fachspezifische Beratungsstellen und Begleitung für geflüchtete Menschen Geflüchtete Menschen müssen einen Zugang zu flächendeckender, unabhängiger und spezialisierter Fachberatung haben, um sich schnell in der neuen Umgebung zurechtzufinden und Zugang zu Arbeit, Bildung und Wohnen zu bekommen. Ohne fehlende spezifische Fach- sowie Asylverfahrensberatung verlieren die Menschen viel Zeit, und können durch Unkenntnis sogar unbeabsichtigt negative Auswirkungen auf sich ziehen. Probleme entstehen unter anderem durch mangelnde Kenntnisse über die Anforderungen des Asylverfahrens, fehlende Anerkennung von Abschlüssen, fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt, Unkenntnis über den Beratungsanspruch bei Behörden und Ämtern, Beitragsschulden bei Krankenkassen, Probleme mit korrekter Anmeldung von Selbständigkeit und Steuererklärung und vielem mehr). Der Paritätische verfügt über ein breites Netzwerk an spezialisierter Flüchtlingsarbeit: paritätische Mitgliedsorganisationen sind seit fast 40 Jahren in der professionellen und spezialisierten Beratung von Flüchtlingen aktiv. Sie verfügen über das Fachwissen, die Erfahrung und vor allen den direkten Zugang zur Zielgruppe. Diese Angebote möchten wir mit der entsprechenden Unterstützung so schnell wie möglich erweitern, um den gestiegenen Flüchtlingszahlen gerecht zu werden.
Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen: Gesundheit ist ein zentraler Faktor für das Gelingen der individuellen und sozialen Integration. Die geplante Einführung der egk für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG ist ein längst überfälliger Schritt für die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen in Berlin. Geflüchtete Menschen müssen von Anfang an Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten, die bereits bei der Erstaufnahme zu gewährleisten ist und mit Clearingaufgaben zur Überleitung in die Regelversorgung verknüpft werden muss. Niedrigschwellige, auch mobile Angebote freier Träger für gesundheitliche Prävention und Hilfe, können sinnvoll darauf abgestimmt werden. Besonders vulnerable Gruppen müssen im Konzept der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales stärker berücksichtigt werden. Die Angebote freier Träger der Sucht-und Drogenhilfe sowie der Aids-Hilfen in Berlin werden von Flüchtlingen bereits jetzt in Anspruch genommen. Für besonders schutzbedürftige Menschen sehen die EU-Richtlinien eine spezialisierte Behandlung und einen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung vom ersten Tag an vor. Damit insbesondere Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen schnell behandelt werden können und nicht aufgrund von Chronifizierung an dauerhaften Folgeschäden leiden, ist ein sofortiger Zugang zu medizinischer und psychotherapeutischer Versorgung sicherzustellen. Paritätische Mitgliedsorganisationen haben über 35 Jahre Erfahrung in der psychosozialen Versorgung und Behandlung von besonders schutzbedürftigen (z.b. traumatisierten) Flüchtlingen. Gesundheitliche und soziale Bedarfe lesbischer, schwuler, bisexueller, trans* und inter* (LSBTI*) Flüchtlinge müssen dringend berücksichtigt und anerkannt werden. Freie Träger bieten Kontakt- und Anlaufstellen an und planen die Einrichtung von Wohnplätzen für diese Zielgruppen. Beratung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge und Flüchtlinge mit Behinderungen Flüchtlinge mit Behinderungen sind in besonderer Weise von den Folgen des Krieges und der Flucht betroffen und mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt: je nach Status besteht mitunter über viele Monate oder Jahre kein Anspruch auf Hilfsmittel, Therapien oder Schwerbehindertenausweis als Grundlage für Nachteilsausgleiche. So werden physische und psychische Rehabilitation, Integration und Teilhabe an Gesellschaft, Schule und Erwerbstätigkeit zusätzlich erschwert. Unsere Beratungsstelle für Menschen mit Behinderungen ist - neben ihrer laufenden Arbeit - die Fachstelle für Flüchtlinge mit Behinderungen im Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge. Sie arbeitet nach dem Peer-Counseling-Prinzip, d. h. die Beratung erfolgt von behinderten Menschen für behinderte Menschen. Der Paritätische fördert aktiv den Erhalt und den Ausbau von Peer- Counseling-Angeboten im Rahmen der paritätischen Flüchtlingshilfe.
Flüchtlinge mit erheblichen psychosozialen Problemlagen Viele Flüchtlinge leiden unter zum Teil schweren Traumata oder auch anderen psychosozialen Beeinträchtigungen oder Behinderungen. Für diese Menschen sind aufsuchende und begleitende Hilfen vor Ort notwendig. Eine Reihe von Mitgliedsorganisationen bieten psychosoziale Hilfen für Flüchtlinge bereits an. Andere sind dabei, spezifische Wohn- und Unterstützungsangebote für Flüchtlinge zu schaffen oder haben bereits Möglichkeiten eröffnet. In diesem Bereich sind zusätzliche Ressourcen unumgänglich, um den immensen Bedarfen nachzukommen. Vor allem müssen die Ressourcen flexibel entsprechend den spezifischen Bedarfen einsetzbar sein und bürokratische Hemmnisse müssen abgebaut werden. Fortbildungen für die professionellen Mitarbeiter*innen sind angelaufen und müssen dringend ausgebaut werden. Unterbringung von geflüchteten Menschen: Auch in der menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen engagiert sich der Paritätische Berlin: Sieben Mitgliedsorganisationen stellen bereits insgesamt zehn Unterkünfte für geflüchtete Menschen sowie unbegleitete Minderjährige zur Verfügung, weitere Mitglieder sind dabei, eigene, gemeinnützig betriebene Unterkünfte zu eröffnen. Kinder geflüchteter Familien in Kitas: Die noch nicht schulpflichtigen Kinder bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit. Als erstes muss ein sozialpädagogisch betreutes Spielzimmer direkt in allen Erstaufnahmeeinrichtungen eingerichtet werden, in denen Familien wohnen, um den Kindern einen geschützten kindgerechten Raum zu geben. Als nächstes ist der Zugang zu den Kitas als ein wichtiger Schritt der Integration und der (sprachlichen) Bildung anzustreben. Das ist in Berlin geregelt und viele Kitas unter dem Dach des Paritätischen haben sich bereit erklärt, trotz Platzmangels jeweils 1-2 Plätze für Flüchtlingskinder zur Verfügung zu stellen. Einige Träger betreiben neben Kitas auch Familienzentren und nehmen sich auch in diesem Rahmen des Themas an. Zudem hat sich im Januar 2015 das Bündnis Willkommen konkret- Bündnis für Kinder geflüchteter Familien gebildet. Dies ist ein Zusammenschluss aus pädagogischer Praxis, Wissenschaft, Verwaltung und Journalisten, an dem der Paritätische und viele seiner Kita-Träger von Anfang an mitwirken, um auf die besonderen Bedürfnisse der kleinen Kinder hinzuweisen und aktiv an der Beseitigung von Barrieren zu arbeiten.
Willkommensklassen an Freien Schulen in paritätischer Trägerschaft: Paritätische Träger von Freien Schulen in Berlin haben bereits mehrere Willkommensklassen an ihren Schulen eingerichtet, und würden auch gerne weitere Willkommensklassen starten. Angebote der Schulen liegen den jeweiligen Bezirken vor und können jederzeit von diesen in Anspruch genommen werden. Angebote für geflüchtete Kinder und Jugendliche: Die Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit werden für junge geflüchtete Menschen zugänglich gemacht. Unterstützungsleistungen erfolgen auch durch die Anbieter von Mentoring- und Patenprojekten, deren Bedeutung in diesem Kontext weiter steigen wird. Im Bereich der Hilfen zur Erziehung folgen die Wohlfahrtverbände einer Einladung der SenBJW zu einer Arbeitsgruppe, die sich dem Thema Platzausbau im stationären Bereich widmen wird. Die AG-Ergebnisse werden mit den Mitgliedorganisationen thematisiert und umgesetzt. Der Paritätische Arbeitskreis Betreutes Jugendwohnen wird in Kürze Kriterien für eine mittel- und langfristige Aufnahme von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen veröffentlichen. Nachbarschaftsarbeit: Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäuser leisten einen Beitrag dazu, dass ein authentischer Dialog zwischen Berlinerinnen und Berlinern entsteht, dass Menschen vernetzt werden und gemeinsam ihren Sozialraum gestalten. Stadteilzentren und Nachbarschaftshäuser sind prädestiniert, diese Aufgabe zu übernehmen, denn sie sind Träger der sozialraum- und gemeinwesenorientierten Kinder- Jugend- und Familienarbeit. Bereits jetzt sind sie in der Arbeit mit geflüchteten Menschen aktiv. Sie betreuen zahlreiche Ehrenamtliche, die die Arbeit der Projekte und Einrichtungen - Kindertagesstätten, Schulkooperationen, Jugendfreizeiteinrichtungen, Nachbarschafts- und Seniorenzentren - auf vielfältige Weise unterstützen. Täglich wird diese Zusammenarbeit weiter ausgebaut. Zugang zum Arbeitsmarkt: Eine Grundlage für die gelingende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen ist die schnelle Integration in das Beschäftigungssystem. Die weiterhin geltende Vorrangprüfung stellt jedoch derzeit eine der größten Hürden für den Zugang zum Arbeitsmarkt dar. Der Paritätische fordert daher die Abschaffung der Nachrangigkeit für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt sowie die Aufhebung von weiteren Barrieren zum Beschäftigungsmarkt für Asylsuchende und Geduldete durch den Zugang zu Sprachkursen vom ersten Tag an, ein vereinfachtes Verfahren zur Anerkennung und die Prüfung von Qualifikationen sofort bei Einreise sowie die Berücksichtigung bei Arbeitsmarktinstrumenten.
Paritätische Mitgliedsorganisationen arbeiten sehr gut mit den Jobcentern zusammen und stellen muttersprachliche Berater und Joblotsen direkt in den Jobcentern vor Ort bereit. Sie können dies allerdings nur in den Bezirken, in denen sie am Integrations- und Flüchtlingslotsen Programm teilhaben. Gerne würden wir dieses Angebot auf die ganze Stadt ausweiten und in Kooperation mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern für alle Bezirke anbieten. Das Paritätische Projekt Work für Refugees zur Vermittlung von Asylsuchenden und Geduldeten in Beschäftigung und Arbeit ist gestartet. Dazu werden in einem vereinfachten Verfahren Kompetenzen und Erfahrungen gemeinsam mit den Flüchtlingen ermittelt. Paritätische Mitgliedsorganisationen beschäftigen darüber hinaus geflüchtete Menschen und bieten Gelegenheiten zu bezahlten Praktika an. Ältere Menschen Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement der Seniorenorganisationen und Mitglieder im Bereich Ältere Menschen spiegeln eine vielfältige Flüchtlingshilfe wieder. Viele der Älteren Menschen wollen sich gerade auch vor dem Hintergrund eigener biographischer Lebenserfahrungen zu Flucht und Vertreibung für Flüchtlinge engagieren. Mitgliedsorganisationen im Bereich der Pflege stehen vielfach vor der Aufgabe, eine zum Teil anspruchsvolle Behandlungs- und Krankenpflege auch an ungeeigneten Lebensorten oder bei nicht immer geklärter Kostenübernahme zu ermöglichen. Darüber hinaus bilden sie geflüchtete Menschen bereits erfolgreich für den Pflegeberuf aus.