Strafrecht BT Einführung Vermögensdelikte 3. Fall Lösung: Überraschung am Wochenende Strafbarkeit von A und B I. Strafbarkeit A und B (nach 123 Abs. 1, 25 I StGB durch Betreten des Wochenendhauses des O) a) Gebäude, befriedetes Besitztum Das Haus des O stellt eine Wohnung oder zumindest ein befriedetes Besitztum dar. b) Eindringen Indem A und B das Wochenendhaus betreten haben und dies auch gegen den mutmaßlichen Willen des O geschah, sind sie auch eingedrungen. c) Mittäterschaft, 25 Abs. 2 StGB, Da A und B jeder für sich den Tatbestand des 123 I Alt. 1 StGB verwirklichen, kommt es auf eine gegenseitige Zurechung der Tatbeiträge im Sinne des 25 II StGB nicht an. 1
Sowohl A und B handelten mit Wissen und Wollen (Vorsatz) aller objektiven Tatbestandsmerkmale. 3./ 4. Rechtswidrigkeit und Schuld A und B handelten auch rechtswidrig und schuldhaft. 5. Strafantrag O müsste noch Strafantrag nach 123 II StGB stellen, da sonst bezüglich 123 I StGB ein Strafverfolgungshindernis vorliegt. IIa. Strafbarkeit A und B (nach 249 Abs. 1, 25 StGB, durch Schlagen, Fesseln und bedrohen des O und die anschließende Mitnahme der Sachen) a) Niederschlagen mit Knüppel und Stein aa) [...] eine fremde bewegliche Sache [...] Gegenstände aus dem Haus bb) [...] wegnimmt [...] Gewahrsam des O gebrochen, nachdem O gefesselt cc) Var. 1: Wer mit Gewalt gegen eine Person [...] 2
Gewalt = physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes (1) Niederschlagen mit Knüppel und Stein OS: Fraglich ist, ob A und B den O mit Knüppel und Stein niedergeschlagen haben, um die spätere Wegnahme zu ermöglichen. Def: Erst die Verknüpfung von Gewalt bzw. Drohung mit dem Gewahrsamsbruch bestimmen den besonderen Unwertgehalt des Raubes und begründen dessen erhöhte Strafdrohung. Wie diese Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme ausgestaltet sein muss, erscheint problematisch, da der Wortlaut des 249 Abs. 1 StGB dazu keine eindeutige Aussage trifft. 1. Subs: Ausgehend vom Wortlaut, verlangt 249 Abs. 1 StGB, dass mit Anwendung von Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen eine Wegnahme erfolgt. Als minimale Anforderung ist zumindest erforderlich, dass ein Ursachenzusammenhang im Sinne von Kausalität und objektiver Zurechnung besteht. Danach war das Niederschlagen kausal und objektiv zurechenbar für die spätere Wegnahme, da erst durch die Überwindung der Wehrfähigkeit des O, dessen Fesselung möglich war und er somit keinen Widerstand mehr leisten konnte. 2. Subs: Vermittelnd lässt sich anführen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob die zunächst erfolgte Gewaltanwendung zum Zweck der Wegnahme erfolgte, oder ob die Wirkung der Gewaltanwendung später zur Wegnahme ausgenutzt wird. Wendet man hierbei die Rechtsfigur der Ingerenz aus 13 StGB an, so schaffen die Täter eine Zwangslage aus vorangegangenem rechtswidrigen Tun, die zum 3
Zeitpunkt der Wegnahme noch andauert. Insoweit ist ein Zusammenhang zu bejahen. 3. Subs: Andererseits kann man dieser Konstruktion aber entgegenhalten, dass aufgrund der hohen Strafdrohung des 249 StGB einen enge Auslegung geboten ist, und der 249 StGB gerade kein echtes Unterlassungsdelikt ist. Vielmehr verlangt dieser eine finale Struktur, nach der die Gewaltanwendung gerade auf die Wegnahme abzielen muss. Danach lag im Zeitpunkt des Niederschlagens gerade keine beabsichtigte Wegnahme vor. Ein einfacher Ursachenzusammenhang genügt der gesteigerten Strafdrohung nicht. Erg:??? (h.m. Gewalt nein, da finaler Zusammenhang erforderlich) b) Var. 2: [...] oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben [...] (2) Bedrohen mit der Waffe OS: Fraglich ist hier, ob A und B den O mit einer nicht geladenen Waffe bedroht haben. Drohung = ist das in Aussichtstellen eines empfindlichen Übels, auf das der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Subs: Bei der Drohung kommt es nicht nur auf die objektiven Umstände an. Es genügt daher, wenn bei dem Opfer der Eindruck entsteht, dass ihm Gefahr für Leib oder Leben droht. Die Strafbarkeit kann daher nicht abhängig davon sein, ob die Waffe tatsächlich geladen ist. Insofern ist auf die Perspektive des O abzustellen. Dieser durfte sich aus Sicht einen durchschnittlichen Dritten durch die Waffe bedroht fühlen. 4
Erg: Im Vorhalten der ungeladenen Waffe ist eine Drohung zu sehen. OS: Weiterhin ist aber auch fraglich, ob A und B durch die Drohung die Wegnahme final ermöglicht haben. s.o. Erg: Insoweit fehlt es auch hier an dem finalen Charakter der Drohung, da A und B erst nach Fesselung des O, die Zwangslage zur Wegnahme ausgenutzt haben. (a.a. absolut vertretbar, dann Argumentation s.u.) (3) Fesselung des O 1. OS: Fraglich ist, ob A und B durch die Fesselung des O, Gewalt angewendet haben. Def: Gewalt = physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes Subs: Zwar hat sich O ohne Gegenwehr von A und B fesseln lassen, jedoch ist die Fesselung in gewisser Hinsicht als Festhalten mittels eines Hilfsmittels anzusehen. Insoweit haben beide physisch vermittelten Zwang angewandt um die Flucht des O und eine mögliche Gegenwehr zu überwinden. Erg: Daher liegt eine Gewaltanwendung vor. 2. OS: Weiterhin ist auch hier fraglich, ob A und B Gewalt final angewandt haben, um die Wegnahme zu ermöglichen. 5
Def: Wie bereits oben dargestellt ist dazu eine finale Verknüpfung erforderlich. Subs: Wie beim Niederschlagen und Drohen mit der Waffe, war auch zum Zeitpunkt der Fesselung beiden noch nicht klar, dass sie die Gegenstände des O an sich bringen würden. Anders aber als bei den ersten beiden Tätigkeiten, haben A und B den Entschluss zur Wegnahme während der Aktion gefasst. Dies reicht aus, da sie nun ihren Entschluss erweitern und der Fesselung eine neue Zweckrichtung geben. Erg: Daher liegt in der Fesselung eine Gewaltanwendung. e) Mittäterschaft Gegenseitiges Zurechnen, nach 25 II StGB, funktionale Tatherrschaft nach gemeinsamem Tatplan a) Vorsatz bzgl. a) oder b) und c) und d) b) Zueignungsabsicht c) Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung und Vorsatz IIb. Strafbarkeit A und B (nach 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 lit. a, Abs. 1 Nr. 1 lit. a, lit. b, 25 StGB, durch Schlagen, Fesseln und bedrohen des O und die anschließende Mitnahme der Sachen) 6
a) 249 StGB s.o. b) 250 Abs. 2 Nr. 1 aa) Waffe wenn oben Drohung bejaht, dann hier fraglich ob Waffe verwendet wurde, da ungeladen = objektive Eignung erforderlich. bb) Strick kein gefährliches Werkzeug c) 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a schwere Gesundheitsbeschädigung, keine Angaben im SV d) 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a aa) Knüppel, Stein obj. geeignet, Verwendungsabsicht unklar, aber haben deutlich gemacht, dass sie nicht davor zurückschrecken würden sie zu verwenden bb) Scheinwaffe 250 II Nr. 1 a, 1. Alt: Verwendung einer Waffe bei der Tat hier (-), da Schusswaffe zzt des Diebstahls nicht einsatzbereit ist 7
250 I Nr. 1 b: Fesseln mit Paketband und Vorhalten der ungeladenen Schusswaffe = beisichführen eines anderen Mittels, um den Widerstand zu verhindern (hier +) IIc. Strafbarkeit A und B (nach 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 i.v.m. 22, 23 StGB, durch Bedrohen des O und die anschließende Mitnahme der Sachen mittels Scheinwaffe) 1. Tatentschluss 2. Unmittelbares Ansetzen III. Strafbarkeit A und B (nach 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, 25 StGB, durch Schlagen des O mittels des Steins und des Knüppels) 223 durch Niederschlagen mit dem Knüppel 224 1. Nr. 2 (+), gefährliches Werkzeug 2. Nr. 3 (-), kein verschleierndes Vorgehen 3. Nr. 4 (+), gemeinschaftlich = Zusammenwirken von mindestens zwei Beteiligten am Tatort 8
IV. Strafbarkeit A und B (nach 239 Abs. 1, 25 StGB, durch Zurückdrängen des O ins Haus und Fesselung, Drohung mit der Waffe) V. Strafbarkeit A und B (nach 240 Abs. 1, 2, 25 StGB, durch Zurückdrängen des O ins Haus und dessen Fesselung an den Stuhl) VI. Strafbarkeit A und B (nach 239 Abs. 1, 25 StGB, durch Zurückdrängen des O ins Haus und Drohung mit der Waffe) VII. Strafbarkeit A und B ( 241 Abs. 1, 25 StGB, durch Vorhalten der Waffe und Fesseln) VIII. Konkurrenzen: 223, 224; 249, 250 I Nr. 1 b, 249, 250 II Nr. 1, 22, 23, 239, 52; 123; 53 9
Abwandlung: 249, 250, 13 (+/-) 1. Wegnahme fremder beweglicher Sachen (+) 2. Einsatz von Raubmitteln a) Fesselung als positives Tun: hier fehlt der (subjektive) Finalzusammenhang = Einsatz des Nötigungsmittel (Fesselung) zur Wegnahme; Diebstahlsentschluss erfolgte erst später nach Fall der fortwirkenden ( 249 -) und nicht Fall der aktiven Aufrechterhaltung der (fortdauernden) Gewalt ( 249 +); ausnahmsweise jedoch auch im Falle fortwirkender Gewalt 249 (+) wenn sich fortwirkende Gewalt als neue konkludente Drohung darstellt, hier (-). b) Aufrechterhaltung der Fesselung als Gewalt durch Unterlassen? so BGH JZ 2004, 362, Garantenstellung aufgrund vorheriger pflichtwidriger Fesselung, Unrechtsgehalt von aktiver und passiver Gewalt gleich; demgegenüber hm in der Lit: Gewalt durch Unterlassen schon sprachlich nicht möglich, da ihr Aktivität immanent ist; ferner: kein Einsatz der passiven Gewalt zur Wegnahme möglich, schließlich, Nichtbeseitigung passiver Gewalt - sofern man doch Gewalt durch Unterlassen bejaht entspricht im Unrechtsgehalt nicht der aktiven Gewalt, vgl. 13 I. 2. HS., daher eher ablehnen und 242 bejahen. 10