Sparen um jeden Preis? Wie zwingend ist die Haushaltskonsolidierung für deutsche Kommunen?



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Transkript:

Sparen um jeden Preis? Wie zwingend ist die Haushaltskonsolidierung für deutsche Kommunen? Thomas Schneidewind 1 Einleitung Primäre Zwecksetzung dieses einführenden Beitrags ist die Darlegung der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung von Haushalten deutscher Kommunen sowie das Herausarbeiten von Erfahrungen aus anderen Ländern mit der Haushaltsfinanzierung und den sich daraus ergebenden Auswirkungen. 1 Inhaltlich stellt der zweite Abschnitt auf die begriffliche Sphäre der Haushaltskonsolidierung ab. In diesem Zusammenhang sind auch die häufig genutzten Begriffe des Haushaltsdefizits, der Nettoneuverschuldung und auch der Schulden zu erläutern. Kerngegenstand des dritten Abschnitts ist die knappe Darlegung der wesentlichen rechtlichen Aspekte, die auf die kommunale Haushaltskonsolidierung abstellen. Im Wesentlichen geht es um die Darlegung der sich aus dem kommunalen Haushaltsrecht ergebenden Anforderungen an die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung; schließlich stellt ein in (kameralistischen) Einnahmen und Ausgaben bzw. in (doppischen) Erträgen und Aufwendungen ausgeglichener Haushalt den rechtlich vorgegebenen Sollzustand dar. Angesichts der aktuellen Diskussion im Hinblick auf die für die staatliche Ebene geltende Schuldenbremse ist auch die 1 Redaktioneller Stand der vorliegenden Daten und Literaturquellen ist der 30. September 2013. T. Schneidewind ( ) Fachbereich Verwaltungswissenschaften, Hochschule Harz, Domplatz 16, 38820 Halberstadt, Deutschland E-Mail: tschneidewind@hs-harz.de J. Weiß (Hrsg.), Strategische Haushaltskonsolidierung in Kommunen, DOI 10.1007/978-3-658-04891-4_2, Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 11

12 T. Schneidewind Frage zu beantworten, inwiefern diese Schuldenbremse für die kommunale Haushaltspolitik Gültigkeit erlangt. Der vierte Abschnitt befasst sich mit der Finanzsituation kommunaler Haushalte; insbesondere werden hierbei unter Zuhilfenahme aktueller Statistiken die Entwicklung der Verschuldung aufgezeigt und im Anschluss daran die wesentlichen Einflussfaktoren herausgearbeitet. Dabei soll zwischen sog. exogenen Einflussfaktoren, die von außen auf die finanzielle Ausgestaltung der Kommunalhaushalte wirken, und endogenen Einflussfaktoren, deren Ursprung im internen Bereich der jeweils betreffenden Gebietskörperschaft zu finden ist, unterschieden werden. Im fünften Abschnitt werden mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung Denkanstöße aufgezeigt, die gegenwärtig vergleichsweise weniger häufig und weniger intensiv diskutiert werden. In diesem Zusammenhang eignet sich ein Blick auf das Finanzierungsgebaren US-amerikanischer Gemeinwesen und die damit gemachten Erfahrungen bzw. die daraus resultierenden Auswirkungen. Auf die Erörterung der bereits in entsprechender Breite und Tiefe diskutierten Reformelemente (bspw. Reform der Gewerbesteuer oder die Implementierung einer kommunalen Infrastrukturabgabe) ist an dieser Stelle zu verzichten. Vielmehr soll der Fokus darauf gelegt werden, inwiefern Anreize für eine geflissentliche Haushaltspolitik sorgen können. 2 Begriff der Haushaltskonsolidierung Den Begriff der Haushaltskonsolidierung kann man definieren als ein Maßnahmenbündel, das darauf abstellt das gegenwärtige Haushaltsdefizit abzubauen oder ein künftiges Haushaltsdefizit abzuwenden, die Nettoneuverschuldung zu verringern und bzw. oder den Schuldenstand abzubauen. In der herkömmlichen Kameralistik ist unter dem Haushaltsdefizit ein Fehlbetrag zu verstehen, der dadurch entsteht, dass die im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben höher als die veranschlagten Einnahmen sind. Zur Deckung entstehender Haushaltsdefizite müssen Kredite aufgenommen werden; hierbei spricht man von Einnahmen aus Krediten. Die Nettokreditaufnahme, also die Einnahmen aus Kreditaufnahmen abzüglich der Kredittilgungen, darf jedoch nicht die Summe der Investitionsausgaben übersteigen.

Sparen um jeden Preis? 13 In allen Bundesländern wurde das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen in den letzten Jahren reformiert. In den meisten Ländern wurde dadurch die so genannte doppische Haushaltsführung verpflichtend. In diesen Bundesländern erfolgen keine kameralistische Planung und Bewirtschaftung des Kommunalhaushaltes mehr, vielmehr wurde das an Zahlungsströmen ausgerichtete Haushalts- und Rechnungswesen ergänzt um eine verbrauchsorientierte Sichtweise. In der Folge wurden der Verwaltungs- und Vermögenshaushalt ersetzt durch den an Zahlungsgrößen orientierten Finanzplan und den am Ressourcenverbrauch orientierten Ergebnisplan. In doppischen Haushalten entsteht ein Haushaltsdefizit dann, wenn die im Ergebnishaushalt veranschlagten Aufwendungen die veranschlagten Erträge übersteigen. Die Nettoneuverschuldung, auch als Nettokreditaufnahme bezeichnet, stellt einen Saldo dar, der sich aus der Summe der zugeflossenen finanziellen Mittel aus der Kreditaufnahme abzüglich der gesamten Kredittilgungen zwischen zwei Zeitpunkten errechnet. Abzugrenzen ist die Nettoneuverschuldung von der Bruttoneuverschuldung, die auf die Ermittlung sämtlicher in einem bestimmten Zeitraum neu aufgenommenen Verbindlichkeiten abstellt. Die Nettoneuverschuldung und die Bruttoneuverschuldung zeigen den über Kredite finanzierten Teil des Gesamthaushaltes auf. Der Begriff der öffentlichen Schulden ist vielschichtigen Charakters. Privatwirtschaftliche kommerziell-gewinnstrebende Betriebe weisen ihre Schulden als Verbindlichkeiten aus. Unter den Verbindlichkeiten im Jahresabschluss sind sämtliche Leistungen zu verstehen, die juristisch erzwingbar, wertmäßig feststellbar und für den entsprechenden Betrieb zum Abschlussstichtag wirtschaftlich belastend sind. 2 Während die Inhalte des Verbindlichkeitenbegriffs vergleichsweise präzise formuliert sind, ist der Begriff der öffentlichen Schulden schon allein deshalb unkonkreter, da sich die Schulden aus unterschiedlichen Schuldenarten zusammensetzen bzw. unterschiedlich strukturieren lassen (vgl. Zimmermann et al. 2012, S. 171 ff.). Ungeachtet der vielen grundsätzlichen Möglichkeiten der Schuldenstrukturierung in Theorie und Praxis soll im Folgenden der Schuldenbegriff entsprechend der Schuldenstatistik des Statistischen Bundesamtes dargelegt werden. In der Schul- 2 Gemäß 266 Abs. 3 HGB erfolgt in der Handelsbilanz grundsätzlich keine Trennung der Verbindlichkeiten nach Fälligkeiten. Kapitalgesellschaften haben aber in ihrer Bilanz die Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr zu vermerken (siehe hierzu auch 268 Abs. 5 HGB).

14 T. Schneidewind denstatistik des Statistischen Bundesamtes 3 wurde bis zum Jahr 2009 zwischen folgenden Schuldenarten unterschieden: Kreditmarktschulden im weiteren Sinne (entsprechen Kreditmarktschulden im engeren Sinne zuzüglich der Ausgleichsforderungen 4 ); Schulden bei öffentlichen Haushalten 5 ; kreditähnliche Rechtsgeschäfte 6 ; innere Schulden 7 und Kassenverstärkungskredite 8. Seit dem Jahr 2010 wird nach neuer Schuldenstatistik zwischen nachstehenden Schuldenarten unterschieden: Schulden beim öffentlichen Bereich (Kredite und Kassenkredite beim öffentlichen Bereich) 9 ; 3 Die Schuldenstatistik ist eine jährlich veröffentlichte Finanzstatistik des Statistischen Bundesamtes, die die Entwicklung der öffentlichen Verschuldung seit 1950 darstellt. 4 Bei Kreditmarktschulden im engeren Sinne handelt es sich um Wertpapierschulden, die sich zusammensetzen aus Anleihen, Bundesschatzbriefe, Bundesobligationen, Bundesschatzanweisungen, unverzinsliche Schatzanweisungen, Finanzierungsschätze, Landesobligationen, Landesschuldzuweisungen, sonstige Wertpapierschulden. Ausgleichsforderungen sind Forderungen gegenüber der öffentlichen Hand, die als Ausgleich für den Wegfall von Forderungstiteln gegen das Dritte Reich nach Ende des Zweiten Weltkriegs bestehen. 5 Sofern Gebietskörperschaften untereinander Verbindlichkeiten aufnehmen, werden diese als Schuldner öffentlichen Haushalten erfasst. 6 Beispiele für kreditähnliche Rechtsgeschäfte sind Grund-, Hypotheken- und Rentenschulden sowie Leasingverträge. 7 Der finanzstatistischen Abgrenzung entsprechend umfassen die inneren Schulden die inneren Darlehen sowie innere Kredite und entsprechen somit der vorübergehenden Inanspruchnahme von Rücklagemitteln ohne Sonderrechnung, die für einen anderen Zweck bestimmt waren. 8 Unter Kassenverstärkungskrediten (Synonym für Kassenkredite) wurden kurzfristige Verbindlichkeiten erfasst, die im Idealfall zur kurzfristigen Überbrückung temporärer Kassenanspannungen aufgenommen wurden; sie dienen also der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft bzw. der Liquiditätssicherung. 9 Schulden beim öffentlichen Bereich setzen sich zusammen aus den Schulden der einzelnen Gebietskörperschaften, der Extrahaushalte (wie bspw. Hochschulen oder Landesbetriebe) sowie sonstiger öffentlicher Fonds, Einrichtungen (bspw. Krankenhäuser, Ver- und Entsorger) und Unternehmen (bspw. Verkehrsunternehmen), wenn sie diese Verbindlichkeiten bei öffentlichen Gläubigern (Bund, Länder, Gemeinden/Gemeindeverbände, Zweckverbände, gesetzliche Sozialversicherung, verbundene Unternehmen, Beteiligungen und Sondervermögen, sonstige öffentliche Sonderrechnungen) eingegangen sind; vgl. Statistisches Bundesamt (2013a, S. 8, 14).

Sparen um jeden Preis? 15 Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich (Wertpapierschulden, Kredite und Kassenkredite beim nicht-öffentlichen Bereich) 10 und kreditähnliche Rechtsgeschäfte. Das Maßnahmenbündel zur Haushaltskonsolidierung kann, je nach vorherrschender Art des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens, grundsätzlich sowohl an der (kameralistischen) Einnahmen- bzw. der (doppischen) Ertragsseite als auch an der (kameralistischen) Ausgaben- bzw. der (doppischen) Aufwandseite ansetzen. Beispiele für einnahme-/beitragsbezogene Konsolidierungsmaßnahmen sind Steuer-, Beitrags- und Gebührenerhöhungen. Ausgabe-/aufwandsbezogene Konsolidierungsmaßnahmen sind beispielsweise die Umschuldung (Verringerung der Zinsausgaben/des Zinsaufwands), die Verzögerung oder Vermeidung von Investitionen und den damit einhergehenden Folgelasten sowie auf Ebene der kommunalen Gebietskörperschaften die Reduzierung oder Aufgabe von freiwilligen Leistungen (Theater, Museen, Freizeit- und Sporteinrichtungen); ein vergleichsweise beliebtes Mittel sind Einsparungen im Personalbereich durch Einstellungsstopps, Nutzung der natürlichen Fluktuation, Personalfreisetzung oder Gehaltsreduzierungen. 3 Rechtliche Vorgaben Mit Blick auf die rechtliche Perspektive ergibt sich die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung auf Ebene der kommunalen Gebietskörperschaften aus dem kommunalen Haushaltsrecht, welches das dauerhafte Erreichen des Haushaltsausgleichs vorgibt. Beispielhafte Formulierungen zum Haushaltsausgleich finden sich in: 90 Abs. 3 S. 1 GO LSA: Der Haushalt ist in jedem Haushaltsjahr in Planung und Rechnung der Erträge und Aufwendungen (Ergebnishaushalt) auszugleichen. 110 Abs. 4 S. 1 NKomVG: Der Haushalt soll in jedem Haushaltsjahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein. 10 Schulden beim nicht-öffentlichen Bereich setzen sich zusammen aus den Schulden der einzelnen Gebietskörperschaften, der Extrahaushalte sowie sonstiger öffentlicher Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, die bei folgenden Gläubigern aufgenommen wurden: Kreditinstitute, sonstiger inländischer Bereich und sonstiger ausländischer Bereich; vgl. Statistisches Bundesamt (2013a, S. 11, 13).

16 T. Schneidewind 75 Abs. 2 S. 1 GO NRW: Der Haushalt muss in jedem Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein. 75 Abs. 3 GO S-H: Der Haushalt soll in jedem Haushaltsjahr ausgeglichen sein. Der ausgeglichene Kommunalhaushalt stellt den rechtlich vorgegebenen Sollzustand dar und Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind von der Verwaltung einer öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft immer dann zu ergreifen, wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht wurde (ex post-betrachtung nach Ablauf des Haushaltsjahres und Erstellung der Abschlussrechnungen) bzw. nicht erreicht werden kann (ex ante-betrachtung während des laufenden Haushaltsjahres). Es ist zu vermuten, dass die Gesetzgeber mit dem gesetzlich geforderten Haushaltsausgleich (mindestens) zwei Aspekte der Finanzierung des kommunalen Verwaltungshandelns besonders berücksichtigt wissen wollen. Da die kommunalen Gebietskörperschaften gegenwärtig de facto nicht insolvent werden können, existiert lediglich ein wenig ausgeprägter Zwang zum wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit den zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln im Zuge des Verwaltungshandelns. Die wirtschaftliche und sparsame Verwendung finanzieller Mittel ist allerdings Voraussetzung dafür, die Kommunalhaushalte ausgeglichen zu gestalten; insofern sind auch die in diesem Kontext erhobenen Forderungen der Gesetzgeber nach wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung zu verstehen. 11 Weiterhin ist zu unterstellen, dass sich der Gesetzgeber bei der Forderung nach ausgeglichenen Haushalten vom Prinzip der Intergenerationengerechtigkeit hat leiten lassen. Mit Bezug auf die Finanzierung des Verwaltungshandelns bedeutet das Prinzip der Intergenerationengerechtigkeit, dass jede Generation nur Ressourcen in der Höhe verbraucht, in der sie diese auch erwirtschaftet. In den doppischen Haushalten findet sich die Intergenerationengerechtigkeit sehr konkret in der Forderung wieder, dass der Ergebnishaushalt und die Ergebnisrechnung in den Erträgen (Ressourcenaufkommen) und den Aufwendungen (Ressourcenverbrauch) in jeder Periode gleich zu gestalten sind. 12 11 Die Forderungen nach wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltswirtschaft finden sich bspw. in 90 Abs. 2 GO LSA, 110 Abs. 2 NKomVG, 75 Abs. 1 S. 2 GO NRW oder 75 Abs. 2 GO S-H. 12 Vgl. hierzu bspw. 90 Abs. 3 S. 2 GO LSA, 110 Abs. 4 S. 2 NkomVG oder 75 Abs. 2 S. 2 GO NRW.

Sparen um jeden Preis? 17 Im Folgenden sollen die verfassungsrechtlichen Finanzausstattungsgarantien der Kommunen (vgl. Diemert 2013; Schulze 2011) nicht im Fokus stehen und auch die immer noch nicht beendete Diskussion der verfassungsrechtlichen Geltung einer Schuldenbremse nach Art. 109 GG für die Kommunen ist an dieser Stelle nicht aufzugreifen. Bei der staatlichen Schuldenbremse handelt es sich um eine Regelung, die die Nettoneuverschuldung von Bund und Ländern begrenzen soll. Da die Schuldenbremse Eingang in das Grundgesetz gefunden hat, ist sie gem. Art. 79 Abs. 1 und 2 GG auch nur noch mit einer 2/3-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat änderbar. Zu erwähnen ist in diesem Kontext, dass die verfassungsrechtliche Schuldenbremse nicht die Maastrichter Konvergenzkriterien 13 ersetzt, sondern ergänzt. Grundsätzlich stellt sich allerdings die Frage, inwiefern die für die staatliche Ebene geltende Schuldenbremse auch für die Kommunen gültig ist. So ist in der Diskussion umstritten, ob die Kommunen als verfassungsrechtlicher Teil der Länder in die verfassungsrechtliche Schuldenbremse mit einzubeziehen sind; wohl aber seit dem Europäischen Fiskalpakt vom 2. März 2012 sind die Kommunen als Teil der Länder zu betrachten, die nach Art. 143 d Abs. 1 S. 4 GG im Grunde ab 2020 keine Kredite mehr aufnehmen dürfen. 14 Dies bedeutet auch, dass bereits in der Gegenwart entsprechende Konsolidierungsmaßnahmen zum Abbau der strukturellen Defizite und der Verschuldung festzulegen sind. 15 Der Europäische Fiskalpakt 16 ist ein Vertrag mehrerer EU-Mitglieder zum Zwecke, die Disziplin bei der Planung und Bewirtschaftung öffentlicher Haushalte zu erhöhen, die Wirtschaftspolitik der Vertragsparteien verstärkt zu koordinieren, die Steuerung des Euro-Raums zu verbessern und die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Der Europäische Fiskalpakt ist eng verknüpft mit dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) vom 2. Februar 2012 (vgl. EU 2012b); so sollen 13 Neben Vorgaben zur Preisstabilität, zur Wechselkursstabilität und zu den langfristigen Zinssätzen darf nach 126 Abs. 2 Bst. b und b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) der staatliche Schuldenstand nicht mehr als 60 % des Bruttoinlandsprodukts betragen und das jährliche Haushaltsdefizit darf 3 % des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. 14 Vgl. Katz (2012, S. 266). Zu den Auswirkungen der Schuldenbremsen auf die Kommunen siehe bspw. auch Dedy und Dahlke (2011). 15 Betrachtet man allerdings die Kommunen nicht als einen Teil der Länder, ist bei ihnen eine Anreizwirkung zu vermuten, finanzielle Belastungen in die Kommunalhaushalte zu verschieben; vgl. auch Bertelsmann Stiftung (2012, S. 24). 16 Der Begriff Europäischer Fiskalpakt hat sich im Sprachgebrauch etabliert für den korrekten Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ; vgl. Europäische Union (2012a). Er ist mit Ausnahme des Vereinigten Königreiches und Tschechiens am 2. März 2012 von allen Staats- und Regierungschefs der 27 EU- Mitglieder unterzeichnet worden; vgl. Europäische Union (2012a, S. 1).

18 T. Schneidewind Ingesamt 2067.624 Bund 1287.517 Länder 644.929 Gemeinden 135.178 0 500 1000 1500 2000 2500 Abb. 1 Schulden per 31.12.2012 in Mrd. Euro. (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013a, S. 23 ff.) nur diejenigen Länder die erforderlichen Hilfen aus den dem ESM erhalten, die den Europäischen Fiskalpakt ratifiziert sowie eine nationale Schuldenbremse implementiert haben (vgl. ebd., S. 4). 4 Zur Finanzsituation kommunaler Haushalte 4.1 Entwicklung Abbildung 1 zeigt die Verschuldung sämtlicher Ebenen der Gebietskörperschaften im Überblick. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Kern- und Extrahaushalte von Bund, Ländern und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden und enthalten neben den Wertpapierschulden auch die Kassenkredite. Die Verbindlichkeiten der gesetzlichen Sozialversicherung sind nicht berücksichtigt. Der Anteil der kommunalen Verschuldung beträgt, gemessen am gesamten Verschuldungsvolumen der deutschen Gebietskörperschaften, vergleichsweise geringe 6,54 %, wie die Abb. 2 zeigt. Die Abb. 3 zeigt die Schuldenentwicklung der gesamten kommunalen deutschen Haushalte, ab 2010 mit den bereits angesprochenen geänderten statistischen Daten auf Grundlage eines geänderten Schuldenbegriffes. Die Entwicklung der Schulden zeigt einen eindeutig steigenden Trend, der durch die eingezeichnete (gestrichelte) lineare Trendlinie verdeutlicht wird. Ein etwas differenzierteres Bild gibt die Abb. 4, die die Einnahmen und Ausgaben der Jahre 1992 bis 2012 zeigt.

Sparen um jeden Preis? 19 Abb. 2 Schuldenanteil nach Gebietskörperschaften. (Quelle: Eigene Berechnung; Statistisches Bundesamt (2013a, S. 23 ff.)) Gemeinden, 6.54% Bund, 62.27% Länder, 31.19% Die in Abb. 4 dargestellten Einnahmen enthalten die Schuldenaufnahmen am Kreditmarkt, Innere Darlehen sowie Entnahmen aus den Rücklagen und die Ausgaben setzen sich zusammen aus der Tilgung am Kreditmarkt, der Rückzahlung Innerer Darlehen, dem Ausgleich von Fehlbeträgen aus Vorjahren sowie den Zuführungen an die Rücklagen. Ein Turnaround zum Ende des Jahres 2012 ist in der Form gegeben, dass nunmehr in der Summe ein positiver Finanzierungssaldo in Höhe von 2,3 Mrd. 160,000 140,000 120,000 100,000 98,705 98,011 98,844 100,534 107,531 111,796 115,232 112,243 110,627 108,864 113,810 123,569 129,633 135,178 80,000 60,000 48,531 64,017 40,000 20,000 106 0 5,904 20,480 Abb. 3 Entwicklung der Verschuldung kommunaler Haushalte (in Mio. Euro). (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013a, S. 20)

20 T. Schneidewind 200 190 180 170 160 Einnahmen Ausgaben 149.97 178.28 170.8 182.26 175.39 185.28 183.6 187.38 189.68 150 142.68 140 130 134.4 146.3 Abb. 4 Einnahmen und Ausgaben 1992 2012 (in Mrd. Euro). (Quelle: Deutscher Städtetag 2012, S. 88) erwirtschaftet wurde. Dies bedeutet, dass in den vorherigen Jahren die Städte, Gemeinden und Landkreise ihre Ausgaben nicht mit selbst erwirtschafteten Einnahmen ausgleichen konnten. Dies führt in der Konsequenz aber auch dazu, dass Kassenkredite entgegen der Vorschriften der Gemeindeordnungen nicht nur zur kurzfristigen, sondern auch zur langfristigen Finanzierung bei permanenter Einnahmenunterdeckung eingesetzt wurden (vgl. Hardes 2013a, S. 52 f.). Es bleibt allerdings unklar, ob diese Wende auch langfristig Gültigkeit besitzt; aufgrund von Umfragen lässt sich nämlich kein eindeutig positives Finanzierungsbild in den deutschen Kommunen zeichnen (vgl. KfW Bankengruppe 2013, S. 17 ff.). Im Folgenden sind die Ausgaben für den Zeitraum von 1992 bis 2012 differenzierter zu betrachten. Die Abb. 5 verdeutlicht einen signifikanten Anstieg der kommunalen Sozialleistungen. Wenngleich die Anzahl der Beschäftigten und Beamten in den Kommunen weiter sinkt 17, steigen die Personalausgaben angesichts entsprechender tarifvertraglicher Abschlüsse kontinuierlich. Weiterhin ist ersichtlich, dass die Ausgaben 17 Im Jahr 2000 waren 1,572 Mio. Beschäftigte und Beamte im kommunalen Sektor tätig und im Jahr 2012 waren es nur noch 1,386 Mio. Beschäftigte und Beamte; vgl. Statistisches Bundesamt (2013b, S. 82).

http://www.springer.com/978-3-658-04890-7