Regierungsrat des Kantons Schwyz Beschluss Nr. 379/2013 Schwyz, 23. April 2013 / ju Elektronische Archivierung gemeinsames Vorgehen von Kanton, Bezirk und Gemeinden? Beantwortung der Interpellation I 2/13 1. Wortlaut der Interpellation Am 16. Januar 2013 haben Kantonsrätin Andrea Fehr und Kantonsrat Andreas Meyerhans folgende Interpellation eingereicht: Im Rahmen des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes, welches seit Januar 2013 in Kraft ist, wurden die Gemeinden verpflichtet, den Behörden und Mandatsträgern nebst den Akten in Papierform auch die elektronisch erfassten Akten zu übergeben. Dabei traten in einzelnen Gemeinden Unsicherheiten betreffend die Langzeitarchivierung von elektronischen Daten auf. Insbesondere war unklar, ob die einzelnen Gemeinden nach Übergabe der elektronischen Datenbank ihre Daten gleichwohl zu archivieren haben oder diese löschen dürfen. Falls die elektronischen Daten zu archivieren sind, war unklar, wie diese Archivierung konkret ausgeführt und auf welcher Stufe (Gemeinde, Kanton) diese umgesetzt werden sollte. Der Öffentlichkeit noch bewusster dürften die anstehenden Fragen mit der schon lange diskutierten elektronischen Baubewilligung werden, in deren Verfahren Gemeinden wie Kanton involviert sein werden. Aus der heute geltenden Verordnung über das Archivwesen (SRSZ 140.611) können diese Fragen nicht beantwortet werden, da die Archivierungspflicht elektronischer Daten darin nicht geregelt ist. Da jedoch ein rasch wachsender Teil der Unterlagen öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit elektronischen Hilfsmitteln produziert wird, wird eine explizite gesetzliche Regelung der Archivierungspflicht elektronischer Daten unumgänglich. Neben dem grundsätzlichen Postulat der Schaffung eines Archivgesetzes, das die offenen Punkte im Bereich der elektronischen Archivierung für Kanton, Bezirke und Gemeinden aufgreift und regelt, stellen sich kurz- und mittelfristig Fragen im konkreten Umgang mit den zu archivierenden Daten respektive beim Aufbau von elektronischen Archiven und der dazu benötigten Software. Einerseits bewegen sich viele Anbieter auf dem Markt. Investitionen in diesem Bereich sind wohl zu überlegen, auch vor dem Hintergrund des Datentransfers und des Systemunterhalts. Andererseits benötigt auch die Betreuung von elektronischen Archiven Fachkompetenz, die sich wohl nicht jede Gemeinde leisten kann und muss. Ein weiterer zu beachtender Punkt sind die im Kanton existierenden Rechenzentren, die für diverse Gemeinden die Datenbetreuung übernehmen.
Da das Staatsarchiv in Archivfragen eine Aufsichtsfunktion über die Gemeinde- und Bezirksarchive ausübt ( 25 Archivverordnung), hat wohl auch der Kanton ein eminentes Interesse an nachhaltigen und tragfähigen Lösungen. Die angestrebte Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen Ebenen findet auch in der E-Government-Strategie ihren Rückhalt. Wir bitten deshalb den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Welche Strategie schlägt der Regierungsrat im Bereich der elektronischen Archivierung für die kantonale Verwaltung und die dem Kanton angegliederten Bereiche (Kantonsschulen, usw.) ein? Existiert bereits ein Konzept und berücksichtigt dieses allenfalls auch die Anliegen der Bezirke und Gemeinden? 2. Auf welche Teile der Archivverordnung stützt er dieses Vorgehen? 3. Wer befasst sich heute auf Kantonsebene mit der Archivierung elektronischer Daten? 4. Kann sich der Regierungsrat ein gemeinsames Vorgehen von Kanton, Bezirken und Gemeinden in Fragen der elektronischen Archivierung vorstellen? Sieht er eine Möglichkeit, dass der Kanton eine Leadfunktion bei der Implementierung von E-Archiv-Lösungen übernimmt und eine Art Kompetenzzentrum bildet? 5. Kann es sich gar vorstellen, dass der Kanton eine E-Archiv-Lösung für alle staatlichen Ebenen schafft? Wir danken dem Regierungsrat für die Beantwortung der Fragen. 2. Antwort des Regierungsrates 2.1 Vorbemerkung 2.1.1 Die Archivverordnung Die Verordnung über das Archivwesen des Kantons Schwyz (SRSZ 140.611) führt als Archivgut nebst Urkunden, Protokollen, Amtsbüchern, Akten, Register, Karteien, Bildmaterial (Karten, Pläne, Graphiken, usw.), Tondokumente, Druckschriften und Zeitungen auch "andere Datenträger aller Art" auf. Diese Verordnung stammt aus dem Jahr 1994 und wurde in der Zeit erstellt, in welcher in der kantonalen Verwaltung elektronische Informationssysteme eingeführt wurden. Mit "Datenträgern aller Art" dachte der Regierungsrat, der diese Verordnung erliess, vermutlich an zukünftiges Archivgut vor allem eben an jenes in digitaler Form. Die recht offene Formulierung zeigt, dass man sich damals wohl bewusst war, dass inskünftig mit der Informatisierung der Verwaltung auch neue Formen und damit neue Fragestellungen der Archivierung aufkommen sollten. Welche Herausforderungen es schliesslich sein würden, war hingegen nicht abschätzbar. Klar war, dass elektronische Daten im Vergleich zu den analogen Daten "gefährdeter" einzustufen sind. Materialfehler, menschliche Manipulation oder die Kompatibilität respektive Inkompatibiliät der elektronischen Formate sollen hierbei als Stichworte erwähnt werden. 2.1.2 "Records Management" Für digital erstellte Dokumente und "Datenträger aller Art" stellt sich weltweit die Frage nach der dauerhaften Archivierung. Unter dem Begriff "Records Management" wird dabei die Datensicherung und Archivierung von Archivalien verstanden. Digitale Langzeitarchivierung hat zum Ziel, elektronische Informationsträger über eine lange Zeit verständlich zu erhalten, ihre Authentizität sicherzustellen und den Zugang zu ihnen zu ermöglichen. Unter "Langzeit" versteht man dabei prinzipiell einen unbegrenzten Zeitraum, wenigstens aber eine Zeitspanne, welche mehrere Generationen an Hard- und Software überdauert. Zudem erfordert die Schnelllebigkeit der digitalen Formate und Programme Vorkehrungen, mithilfe derer die Lesbarkeit, aber auch die Eigenschaften digitaler Daten erhalten bleiben. Digitale Akten erfordern somit klar andere Vorgehensweisen bei der Archivierung, als dies beim Umgang mit Urkunden, Papierdokumenten, Karten, graphi- - 2 -
schen Blättern, Plänen oder Fotos, also bei so genannt analogem Archivgut, der Fall ist. Gerade weil digitale Dokumente einfach zu verändern sind, entstehen bei der Archivierung neue Anforderungen. 2.1.3 (Zwischen-)Ablagen der Verwaltungsabteilungen und Gerichte Die 17-19 der Archivverordnung regeln die Zwischenablage der von den Verwaltungsabteilungen und Gerichte produzierten Unterlagen, bevor sie dem Staatsarchiv zur dauernden Aufbewahrung übergeben werden. Für dieses "Zwischenarchiv" sind die einzelnen Verwaltungsabteilungen und Gerichte selber verantwortlich ( 18); das Staatsarchiv kann zur Beratung und Mithilfe beigezogen werden ( 17 Ziff. 2). Auf die digitale (Zwischen-)Archivierung von Daten bezogen bedeutet dies sinngemäss, dass für die Sicherstellung digitaler Daten vor deren Endarchivierung das Amt für Informatik zuständig ist. Das Staatsarchiv kann auch hierbei zur Beratung und Mithilfe beigezogen werden. 2.1.4 "Provenienzprinzip" In der Verordnung über das Archivwesen werden auch die Bezirke, Gemeinden und überkommunalen Zweckverbände zur Führung eines Archivs verpflichtet. Die allgemeinen Bestimmungen der Archivverordnung gelten sinngemäss auch für die Archive der Bezirke, Gemeinden und überkommunalen Zweckverbände (vgl. 21 f. der Archivverordnung). Bei der Archivierung hat sich weltweit das sog. "Proveninenzprinzip" durchgesetzt. Das bedeutet, dass analoge Akten bei der aktenproduzierenden Stelle bleiben und nicht an eine andere Ebene verschoben werden. In diesem Sinne spricht die Archivverordnung von den Archiven des Kantons, der Bezirke und Gemeinden; die Aktenhoheit wird bewusst nicht angetastet. Ebenso spricht das Gesetz über die Organisation der Gemeinden und Bezirke (SRSZ 152.100) von der Archivierungspflicht der Gemeinden ( 41). In gleicher Weise muss die Verantwortung über digitale Archivdaten bei der produzierenden Stelle bleiben. Eine Übertragung der Verantwortung über digitale Archivdaten (z.b. von einer Gemeinde an den Kanton) würde dieses Prinzip verletzen. Sofern diese Prämisse eingehalten wird, ist hingegen eine zentrale, digitale Datenhaltung von verschiedenen produzierenden Stellen durchaus denkbar. 2.2 Beantwortung der Fragen Welche Strategie schlägt der Regierungsrat im Bereich der elektronischen Archivierung für die kantonale Verwaltung und die dem Kanton angegliederten Bereiche (Kantonsschulen, usw.) ein? Existiert bereits ein Konzept und berücksichtigt dieses allenfalls auch die Anliegen der Bezirke und Gemeinden? Das Staatsarchiv verfolgt die Problematik der digitalen Langzeitarchivierung seit einiger Zeit und verfasste ein "Konzept zur dauerhaften Sicherung archivwürdiger digitaler Daten aus der Verwaltung des Kantons Schwyz". Hierin wird aufgezeigt, welche Begleitmassnahmen für die Umsetzung einer erfolgreichen digitalen Lanzeitarchivierung nötig sind (u.a. Sensibilisierung bei den Mitarbeitern der kantonalen Verwaltung durch interne Kommunikation, Miteinbezug der Interessen des Staatsarchivs bei Informatikprojekten, Anschluss des Staatsarchivs an das gesamtschweizerische Langzeitarchivierungskonzept "arcun", usw.). Zudem konnte per August 2012 im Staatsarchiv eine neue Stelle "Archivinformatiker" (80%-Pensum) geschaffen werden. Bevor eine konkrete Strategie formuliert werden kann, geht es in erster Linie darum, sich verwaltungsweit einen Überblick über die im Einsatz stehenden elektronischen Datensysteme zu verschaffen. In einem weiteren Schritt sollen die Regeln des "Records Management" Anwendung finden. Hierbei wird dem Staatsarchiv eine federführende und aktive Aufgabe in der Beratung der Aktenführung von Ämtern und Dienststellen innerhalb der Verwaltung zukommen. Mittels Records Management lassen sich Arbeitsabläufe innerhalb der Verwaltung optimieren; der administrative - 3 -
Aufwand für die Ablage, die Suche, die Aufbewahrung und Aussonderung von Akten und Unterlagen wird in wesentlichem Ausmass reduziert. Um Records Management einführen zu können, müssen allerdings vorgängig gesetzliche wie organisatorische Bestimmungen geschaffen werden. Hierfür soll ein Archivgesetz die Grundlage bilden. Den Anliegen der Bezirke und Gemeinden soll im Rahmen des Möglichen Rechnung getragen werden. Bei der Ausarbeitung des Archivgesetzes wird ein Vertreter des Verbandes der Gemeinden und Bezirke (VSZGB) Einsitz im Projektteam haben. Auf welche Teile der Archivverordnung stützt er dieses Vorgehen? Die Archive von Bund, Kantonen und Gemeinden der Schweiz haben den gesetzlichen Auftrag, aus den Unterlagen, die im Geschäftsgang öffentlicher Organe produziert werden, eine überlieferungswürdige Auswahl zu treffen, diese in ihre Obhut zu nehmen und für die dauerhafte Zugänglichkeit dieses Archivguts zu sorgen. Zudem müssen aus Gründen der Rechtssicherheit die Akten und Unterlagen einer dauerhaften Archivierung zugeführt werden. Die Untertitel I (Allgemeines), II (Das Staatsarchiv), IV (Ablagen und Registraturen der Verwaltungsabteilungen und Gerichte des Kantons) und V (Archive der Bezirke, Gemeinden und Zweckverbände) der Archivverordnung bilden hierzu die wesentlichen Grundlagen. Allerdings greifen diese rechtlichen Grundlagen heute zu kurz. Die Aufgaben des Archivwesens im Spannungsfeld zwischen Informationsrecht und Datenschutzrecht bedürfen einer Regelung auf Gesetzesebene. Wer befasst sich heute auf Kantonsebene mit der Archivierung elektronischer Daten? Das Staatsarchiv (insbesondere der für diese Fragen zuständige Archivinformatiker). Dabei wird der enge Kontakt zum Amt für Informatik gepflegt. Kann sich der Regierungsrat ein gemeinsames Vorgehen von Kanton, Bezirken und Gemeinden in Fragen der elektronischen Archivierung vorstellen? Sieht er eine Möglichkeit, dass der Kanton eine Leadfunktion bei der Implementierung von E-Archiv-Lösungen übernimmt und eine Art Kompetenzzentrum bildet? Im Rahmen des Erlasses eines Archivgesetzes wird sich diese Frage zweifelsohne stellen. Das eingangs erwähnte Provenienzprinzip wird jedenfalls auch in Zukunft zur Anwendung kommen. Ob und wieweit es sinnvoll ist, gemeinsame Systemlösungen zu suchen, muss derzeit offenbleiben. Die Verantwortung über die digitalen Archivdaten verbleibt in jedem Fall bei den produzierenden Stellen. Anlässlich einer Sitzung der E-Gouvernement-Kommission mit Vertretern des Staatsarchivs im November 2012 wurde diese Thematik andiskutiert. Im Sinne von 25 der Archivverordnung wird das Staatsarchiv auch inskünftig eine federführende Rolle auch bei Fragen der elektronischen Archivierung spielen. Bei der Implementierung von E-Archiv-Lösungen wird die enge Zusammenarbeit mit dem Amt für Informatik nötig sein. Kann er sich gar vorstellen, dass der Kanton eine E-Archiv-Lösung für alle staatlichen Ebenen schafft? Für die Pflege von elektronischen Daten der Gemeinden oder der Bezirke sind auch inskünftig die aktenproduzierenden Stellen verantwortlich. Sinnvoll wäre jedoch selbstredend, wenn auf Kantonsstufe eine E-Archiv-Lösung geschaffen würde, die von anderen staatlichen Ebenen unter Ausweisung eines Kostenteilers bedürfnisgerecht adaptiert werden könnte. - 4 -
Beschluss des Regierungsrates 1. Der Vorsteher des Bildungsdepartements wird beauftragt, die Antwort im Kantonsrat zu vertreten. 2. Zustellung: Mitglieder des Kantons- und des Regierungsrates; Bildungsdepartement; Staatsschreiber; Sekretariat Kantonsrat (3); Amt für Informatik; Amt für Kultur (2). Im Namen des Regierungsrates: Dr. Mathias E. Brun, Staatsschreiber - 5 -