Corinna Gekeler Loyal dienen. Diskriminierendes Arbeitsrecht bei Caritas, Diakonie und Co.



Ähnliche Dokumente
Telearbeit - Geltungsbereich des BetrVG

Das neue Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Die Post hat eine Umfrage gemacht

BERECHNUNG DER FRIST ZUR STELLUNGNAHME DES BETRIEBSRATES BEI KÜNDIGUNG

Studieren- Erklärungen und Tipps

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Befristung Inkrafttreten des TzBfG BeschFG Abs. 1; TzBfG 14 Abs. 2 Satz 1 und 2

Alle gehören dazu. Vorwort

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Informationen in Leichter Sprache

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

Gemeinsame Erklärung zur inter-kulturellen Öffnung und zur kultur-sensiblen Arbeit für und mit Menschen mit Behinderung und Migrations-Hintergrund.

Was ist das Budget für Arbeit?

Teilzeitbeschäftigte 209

Catherina Lange, Heimbeiräte und Werkstatträte-Tagung, November

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

EINE PLATTFORM

Das Freiwillige Soziale Jahr. Der Bundes-Freiwilligen-Dienst

Leichte-Sprache-Bilder

Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung. Stellungnahme zu den Fristen bzw. Fristverkürzung im Beteiligungsverfahren. Jürgen Jendral (HMAV)

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

Der Betriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung

Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Wir bestimmen mit! JAV-Wahlen nach BPersVG

Lösungsstichworte zu den Handelsregister-Fällen. Zu Fall 1: Anspruch des K gegen V auf Lieferung des Safts ( 433 I BGB)

Das Wirtschaftsmagazin der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg

Nicht über uns ohne uns

Privatinsolvenz anmelden oder vielleicht sogar vermeiden. Tipps und Hinweise für die Anmeldung der Privatinsolvenz

Wichtig ist die Originalsatzung. Nur was in der Originalsatzung steht, gilt. Denn nur die Originalsatzung wurde vom Gericht geprüft.

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Sichere Anleitung Zertifikate / Schlüssel für Kunden der Sparkasse Germersheim-Kandel. Sichere . der

Elternzeit Was ist das?

Unsere Ideen für Bremen!

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) - Die Rolle des Betriebsrats in Cateringbetrieben

Situa?onsbeschreibung aus Sicht einer Gemeinde

Vorgehensweise bei Lastschriftverfahren

Fürsorgepflicht. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht verletzen darf und dass der Arbeitnehmer im

Nebenberuflich Geld verdienen als Tagesmutter interna

Situation. Aufgaben. Überlegen Sie sich Fragen, die Sie einem Außendienstmitarbeiter in einem Personalfragebogen stellen würden.

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Der ohne sachlichen Grund befristete Arbeitsvertrag

Betriebliche Gestaltungsfelder

Test: Sind Sie ein Unternehmertyp?

Urlaubsregel in David

Auswirkung der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf Urlaubsund Urlaubsabgeltungsansprüche von Langzeiterkrankten.

Die Änderungskündigung im Arbeitsrecht

RECHT AKTUELL. GKS-Rechtsanwalt Florian Hupperts informiert über aktuelle Probleme aus dem Beamten- und Disziplinarrecht

Reisekosten-Reform (Teil 1)

Albrecht Kleinschmidt: Neue Rechtsprechung. Arbeitsrechtstag Rhein-Ruhr in Essen. Neue Rechtsprechung

Rechte und Pflichten des Betriebsrats beim Arbeits- und Gesundheitsschutz

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Ratgeber: Kündigung. Qualität durch Fortbildung Fortbildungszertifikat der Bundesrechtsanwaltskammer

Freie Wohlfahrtspflege

Leseauszug DGQ-Band 14-26

Wann ist eine Software in Medizinprodukte- Aufbereitungsabteilungen ein Medizinprodukt?

Einkaufen im Internet. Lektion 5 in Themen neu 3, nach Übung 10. Benutzen Sie die Homepage von:

Darum geht es in diesem Heft

Mit der Maus im Menü links auf den Menüpunkt 'Seiten' gehen und auf 'Erstellen klicken.

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

Die Gesellschaftsformen

Einrichten eines HBCI- Zugangs mit Bank X 5.1

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Mehr Arbeits-Plätze für Menschen mit Behinderung auf dem 1. Arbeits-Markt

mit freundlicher Genehmigung der Kanzlei Kemper & Kollegen und ihres Mandanten Kurzgutachten

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Newsletter zum Thema Abmahnung

Befristete Arbeitsverhältnisse

Besser leben in Sachsen

Das Leitbild vom Verein WIR

Betriebsratswahlen Mitbestimmungsrecht in der. Kriese nutzen Demokratie verwirklichen. Herr / Frau Präsident/in, meine D + H

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

e-book Rechtsanwaltskanzlei Knoop

9 Auto. Rund um das Auto. Welche Wörter zum Thema Auto kennst du? Welches Wort passt? Lies die Definitionen und ordne zu.

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Antworten in Anhang dieser Brief! Montag, 23. Juli 2012

Jeder ist ein Teil vom Ganzen Inklusion ändert den Blick

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

Arbeitsrecht in Sanierung und Insolvenz. Priv.-Doz. Dr. Georg Annuß Universität Regensburg 3. Vorlesung, 2. Juni 2006

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Ab 2012 wird das Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre steigen. Die Deutsche Rentenversicherung erklärt, was Ruheständler erwartet.

Datensicherung. Beschreibung der Datensicherung

Der BeB und die Diakonie Deutschland fordern: Gesundheit und Reha müssen besser werden. So ist es jetzt:

DNotI. Fax - Abfrage. GrEStG 1 Abs. 3 Anteilsvereinigung bei Treuhandverhältnissen. I. Sachverhalt:

Das Recht auf gesundheitliche Versorgung ein Menschenrecht!

Vorgestellt von Hans-Dieter Stubben

Ihren Kundendienst effektiver machen

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Anleitung zur Daten zur Datensicherung und Datenrücksicherung. Datensicherung

Alltag mit dem Android Smartphone

Rechtsanwalt. Arbeitsverhältnis

FRAGE 39. Gründe, aus denen die Rechte von Patentinhabern beschränkt werden können

Transkript:

Corinna Gekeler. Diskriminierendes Arbeitsrecht bei Caritas, Diakonie und Co. Aschaffenburg: Alibri Verlag, August 2013, 319 S., 22,- ISBN 978-3-86569-117 Wer Kirchenmitglied ist und bleibt, nicht (offen) homosexuell ist, kirchlich verheiratet in erster Ehe zusammenlebt, nur eheliche Kinder hat und dann noch auf aktive Interessenvertretung verzichtet, dessen Arbeitsplatz ist nicht bedroht (S. 15). So fasst die Autorin die Situation von Mitarbeitern in kirchlichen Einrichtungen zusammen. Corinna Gekeler hat mit über 50 Mitarbeiter/-innen von kirchlichen Einrichtungen gesprochen, die aufgrund der spezifischen arbeitsrechtlichen Situation in diesen Einrichtungen dort Probleme bekamen, und dokumentiert anonym ihre Fälle. Bekanntermaßen nehmen die Kirchen für sich ein Sonderarbeitsrecht in Anspruch und verlangen von ihren Mitarbeitern eine mit ihrer Morallehre konforme Lebensführung. Wenn dies für unmittelbar seelsorgerisch tätige S. 1 / eingestellt: 8. September 2014 / Thomas Heinrichs

Mitarbeiter auch in Teilen nachvollziehbar ist, muss das Verständnis für diese Einmischung eines Arbeitgebers in die Privatsphäre seiner Mitarbeiter bei Krankenpflegern, Hausmeistern, Sozialarbeitern, Ärzten, IT-Fachleuten, Büromitarbeitern, Fahrern, Lehrern (nicht für Religionsunterricht) und sonstigen normalen Arbeitnehmern aufhören. Die Kirchen scheitern daher auch zunehmend vor den Arbeitsgerichten, wenn sie normale Arbeitnehmer aufgrund von privaten Verstößen gegen die kirchliche Moral kündigen wollen. Dies führte bisher jedoch nicht dazu, dass die Kirchen selbst bereit wären, hier umzudenken. Es besteht in kirchlichen Einrichtungen daher weiter ein großer Druck auf die Mitarbeiter, sich anzupassen oder ihr Privatleben zu verheimlichen. Es wird häufig ein Klima der Angst erzeugt, um diese Anpassung zu erzwingen. Zwar bessert sich die Rechtslage für die Mitarbeiter zunehmend, aber wer will schon einen Kündigungsschutzprozess gegen seinen Arbeitgeber führen der zudem häufig mit der Zahlung einer Abfindung und nicht mit einer Wiedereinstellung endet. Anpassung ist daher immer noch der vorherrschende Weg. Die Interviews der Autorin zeigen dies deutlich. Die Probleme beginnen aber nicht erst, wenn man einen Arbeitsplatz bei den Kirchen hat, sondern schon wenn man einen Arbeitsplatz in bestimmten Berufszweigen bekommen möchte. Voraussetzung für die Einstellung an einer kirchlichen Einrichtung ist die Kirchenmitgliedschaft die wiederum setzt voraus, dass man getauft ist. Zum Teil wird auch ein pfarramtliches Zeugnis, eine Art christliches Führungszeugnis, gefordert. In großen Teilen Deutschlands haben die Kirchen aufgrund einer Privilegierung im Sozialrecht ein Monopol im Bereich der Kranken-, Pflege- und Sozialarbeit. Dies führt dazu, dass es in diesen Regionen in den entsprechenden Berufszweigen de facto ein Berufsverbot für Nichtkirchenmitglieder gibt. Viele in diesen Berufen Tätige treten alleine aus diesem Grund nicht aus der Kirche aus. Sofern Nichtkirchenmitglieder wegen Arbeitskräftemangels ausnahms- S. 2 / eingestellt: 8. September 2014 / Thomas Heinrichs

weise doch aufgenommen werden, haben sie regelmäßig Nachteile am Arbeitsplatz und so gut wie keine Aufstiegschancen. Häufig werden ihre Verträge auf zwei Jahre befristet, und man erwartet in dieser Zeit den Kircheneintritt. Weigert sich der Arbeitnehmer, endet das Arbeitsverhältnis. Auch der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) kann als Weltanschauungsgemeinschaft Privilegien wie die Kirchen in Anspruch nehmen. Er hat 2012 zu den hier aufgeworfenen Fragen Eckpunkte veröffentlicht (http://www.humanismus.de/aktuelles/eckpunkte-arbeitsrechtlichen-fragen), mit denen der Bundesverband Leitlinien vorgegeben hat, an denen sich die Landesverbände orientieren sollen. Während im Individualarbeitsrecht Anforderungen an die private Lebensführung der Arbeitnehmer grundsätzlich abgelehnt werden und in der Arbeit abgesehen von genuin weltanschaulichen Tätigkeiten nur eine religiös-weltanschauliche Neutralität gefordert wird, behält sich der HVD vor, im Kollektivarbeitsrecht von den gesetzlichen Regelungen zur Arbeitnehmermitbestimmung abzuweichen, obwohl auch hier die von den Kirchen in Anspruch genommenen Privilegien eindeutig rechtswidrig sind, da durch die im Betriebsverfassungsgesetz bereits vorgesehene Ausnahmeregelung für Tendenzbetriebe ( 118 BetrVG) die Besonderheiten kirchlicher und weltanschaulicher Betriebe ausreichend geschützt sind. Der Berliner Landesverband lehnt diese Position ab. Hier gibt es die gesetzliche Mitbestimmung. Erstaunlicherweise wird die in anderen Landesverbänden insbesondere in Bayern vertretene und vom Bundesverband tolerierte Aushebelung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer durch die Humanisten von der Autorin nicht kritisiert (vgl. 288f.), während sie das entsprechende Vorgehen bei den Kirchen sehr wohl kritisiert (118ff). Mit der Umsetzung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie durch den Erlass des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) in Deutschland hätte man erwarten sollen, dass diesem Sonderrecht ein Ende bereit wird. Die Kirchen haben jedoch wie sie dies in den sie betreffenden Angelegenheiten immer tun Einfluss auf die Politik genommen. Da die Kirchen hier gut organisiert S. 3 / eingestellt: 8. September 2014 / Thomas Heinrichs

sind, ist es ihnen gelungen, zu verhindern, dass das AGG richtlinienkonform umgesetzt wurde. Während die EU-Richtlinie eine Ungleichbehandlung wegen der Religion nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn die Religion für die Arbeit nach der Art der Tätigkeit und den Umständen ihrer Ausübung wesentlich ist, reicht es für eine unterschiedliche Behandlung von Religionsund Nichtreligionszugehörigen im AGG schon aus, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt ( 9 AGG). Damit ist das Kriterium der Wesentlichkeit aufgeweicht worden und ein zusätzliches aufweichendes Kriterium, nämlich das Selbstbestimmungsrecht, hinzugekommen, welches den Religionsgemeinschaften allen Raum gibt, das Gleichbehandlungsgebot willkürlich zu umgehen. Die EU-Kommission hat daher auch ein Verfahren wegen mangelhafter Umsetzung der Richtlinie eingeleitet. Allgemein tendiert die Rechtsprechung und juristische Lehre in Deutschland dazu, das AGG insoweit für nicht richtlinienkonform zu halten. Die Autorin dokumentiert dies mit Stellungnahmen und Interviews ausführlich. So sehr der Autorin für ihre umfassende, dokumentarische Darstellung der massiven Diskriminierung nicht christlicher Arbeitnehmer und der massiven Einmischung der Kirchen in das Privatleben ihrer Arbeitnehmer zu danken ist, so sehr mangelt es der Darstellung andererseits an Systematik. Die Autorin ist keine Juristin und traut sich daher wohl zu Recht nicht, eine die Beispiele unterlegende, juristische Darstellung des kirchlichen Arbeitsrechts zu liefern. Das ist bei einem so wesentlich juristischen Thema ein Problem. Ein/e juristische/r Co-Autor/-in, der/die dies hätte leisten können, hätte dem Band gut getan. Thomas Heinrichs S. 4 / eingestellt: 8. September 2014 / Thomas Heinrichs

S. 5 / eingestellt: 8. September 2014 / Thomas Heinrichs Zeitschrift für Kultur und Weltanschauung