REGIERUNG VON OBERBAYERN PROJEKTGRUPPE SONDERAUFGABEN STÄDTEBAU Kommunales Flächenressourcenmanagement: Strategien der Stadt Fürstenfeldbruck Architektin Dipl.-Ing. Manuela Skorka, Neuried Landschaftsarchitektin Dipl.-Ing. (FH) Martina Schneider, München...
Flächenressourcenmanagement am Beispiel der Untersuchung in Fürstenfeldbruck 2004/05 Was ist Flächenressourcenmanagement? Voraussetzung für ein Flächenressourcenmanagement ist eine Untersuchung, in der die freien Flächen und baulichen Potentiale einer Kommune erfasst und in ihrer Lage dargestellt werden. Die Daten fl ießen in die Ermittlung des Bedarfs von neuem Bauland ein. Für geeignete Flächen können dann Konzepte und Strategien zur Nachverdichtung erstellt werden. Ziel ist eine Entwicklung, die städtebauliche Qualität steigert, Zentren und Infrastruktureinrichtungen stärkt und den Flächenverbrauch auf ein erforderliches Maß reduziert. Eine Reduzierung von neuen Baufl ächenausweisungen, welche im Einzelfall weiterhin notwendig und sinnvoll sein können, bedingt nicht automatisch eine Nachverdichtung im Innern. Daher ist aktives Handeln aller Akteure zugunsten einer Innenentwicklung erforderlich. Das kommunale Flächenressourcenmanagement entspricht der Forderung des 2002 ins Leben gerufenen Bündnisses zum Flächensparen. Städte und Gemeinden müssen in Zukunft vor in Kraft treten neuer Bebauungspläne nachweisen, dass die Belange des sparsamen Umgangs mit Grund und Boden in der Planung berücksichtigt wurden. Herangehensweise Im Fall von Fürstenfeldbruck erschien es auf Grund der Größe (35.300 Einw.) nicht zielführend, die einzelnen Potentiale parzellengenau zu erfassen. Es wurde daher eine Systematik entwickelt, mit deren Hilfe die Potentiale zur Nachverdichtung erhoben und verglichen werden können. Das Stadtgebiet wurde in Quartiere vergleichbarer städtebaulicher Struktur eingeteilt. Die Nachverdichtungspotentiale wurden innerhalb dieser Strukturen erhoben und den Quartieren zugeordnet. Es wurde unterschieden zwischen Quartieren mit Wohnanlagen, Reihen- und Einfamilienhäusern, Gewerbefl ächen, der Innenstadt mit Blockrandbebauung und heterogener Bebauung sowie den dörfl ichen Flächen. Die Potentiale der Nachverdichtung wurden entsprechend bestehender städtebaulicher Ziele und ihrer Umsetzbarkeit gewertet. Phase 1 - Erhebung der Nachverdichtungspotentiale im Stadtgebiet Definieren von Kategorien Zunächst wurden die Quartiere auf Ihre Nachverdichtungspotentiale hin untersucht. Folgende Kategorien der Nachverdichtung wurden hier unterschieden: Baulücke Zweite Reihe Anbau Ergänzung Wohnungsbau Ergänzung Stadtrand Ergänzung Reihenhäuser Freie Fläche im Innenbereich Abb.2 Kategorien der Nachverdichtung Umstrukturierung Aufstellung der gesamten Potentiale Insgesamt wurden in Fürstenfeldbruck Potentiale einer Größenordnung von ca. 3000 Wohneinheiten in Wohngebieten, 440 zusätzlichen Gebäuden im Stadtkern und ca. 40 Gewerbeparzellen gefunden. Würde man dieses Potential in Neubaugebieten unterbringen wollen, würden hierfür 110 ha Bauland benötigt. Hinzu kommen freie Flächen im Innenbereich, der Stadtrand und Umnutzungen im dörfl ichen Bereich. Diese Potentiale basieren auf einer Ergänzung der bestehenden städtebaulichen Struktur mit neuen Gebäuden. Die Verteilung der gesamten Potentiale auf die Quartiere einer städtebaulichen Struktur lässt sich prozentual wie folgt darstellen: Abb.1 städtebauliche Strukturen Abb.3 Verteilung der Potentiale entsprechend der Baustruktur Seite 1
Bei der genaueren Untersuchung der Flächen war die maßvolle Verdichtung von Quartieren und Flächen bei Erhalt oder Verbesserung der städtebaulichen Qualität wichtiges Ziel. Eine maximale Verdichtung bei Verschlechterung der Gesamtsituation wurde in der Untersuchung nicht weiter verfolgt. Deshalb war die Betrachtung der gesamten städtischen Situation Grundlage der weiteren Untersuchung. Betrachtung der Nachverdichtungspotentiale im Kontext der stadträumlichen Situation In einer Gesamtkarte wurden die gefundenen Potentiale im Stadtgebiet räumlich zugeordnet. Dabei wurde unterschieden in Potentiale, für die das Baurecht bereits vorhanden und geregelt ist und solche, für die das Baurecht erst ausgewiesen werden muss. Bei der Betrachtung der Potentiale, die erst durch die Ausweisung von neuem Baurecht umgesetzt werden können, zeigen sich Handlungsschwerpunkte für die Kommune. Fazit Aktivierung von Potentialen durch Neuausweisung ist vor allem im Stadtzentrum möglich. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der bereits baurechtlich vorbereiteten Potentiale im Laufe der Zeit umgesetzt werden. Dies ist bei Bedarfsanalysen für künftigen Bedarf an Gebäuden und Baufl ächen zu berücksichtigen. Bedeutung der Freiflächen für die Untersuchung Neben der baulichen Nutzung werden in der Stadt freie Flächen für Plätze, Grünfl ächen, Spielfl ächen, Parkierung oder Veranstaltungen benötigt. Bei der Entscheidung, ob eine Fläche bebaut werden soll, müssen daher auch Freiraumnutzungen berücksichtigt werden. Dabei gilt: je stärker eine städtische Struktur verdichtet wird, umso weniger private Grünfl ächen stehen für Freizeitnutzung zur Verfügung, der Bedarf an öffentlich nutzbaren Freifl ächen im näheren Wohnumfeld steigt. In Fürstenfeldbruck sind etwa 70% der Gesamtfl äche nicht bebaut, zum Großteil landwirtschaftliche Flächen oder Wald. Innerhalb des bebauten Bereiches sind nur ca. 5% des gesamten Siedlungsgebietes frei von Bebauung oder Baurecht. Der Bedarf an Freifl ächen wird exemplarisch am Beispiel der öffentlichen Kinderspielfl ächen und wohnungsnahen Freifl ächen für Jugendliche und Erwachsene überprüft. Dabei zeigt sich, in welchen Stadtgebieten ein Bedarf an neuen öffentlich nutzbaren Freifl ächen besteht. Bei Neuausweisungen von Baurecht sollten hier verstärkt Freifl ächen geschaffen werden, die auch den Bedarf der umgrenzenden Wohngebiete decken. Abb. 4 Potentiale gesamt im Stadtgebiet Abb. 5 Potentiale mit neu zu schaffenden oder neu zu ordnenden Baurecht im Stadtgebeit Große Möglichkeiten zur Nachverdichtung durch neues Baurecht liegen in Fürstenfeldbruck vor allem im Stadtkern und den umliegenden heterogenen Gebieten. Hier kann die Stadtstruktur durch Umstrukturierung und Neuplanung mit neuen Gebäuden und Freifl ächen ergänzt werden und somit eine Entwicklung nach Innen gefördert werden. Zwei Drittel der Nachverdichtungspotentiale in Fürstenfeldbruck sind baurechtlich bereits vorbereitet. Die Hälfte davon sind ungenutzte Baulücken. Sie werden in einer eigenen Karte lagegenau dargestellt. Baulücken befi nden sich vorwiegend in Einfamilienhaus- und Gewerbegebieten. Abb. 6 Erhebung der Freifl ächen Fazit Der Innenbereich ist weitestgehend bebaut oder mit Baurecht belegt. Es stehen nur noch wenige Flächen für eine Freiraumnutzung zur Verfügung. Der Bedarf an innerstädtischen freien Flächen kann nicht weitab am Stadtrand untergebracht werden. Der Wert der Ressource Fläche ist daher innerhalb des Stadtgebietes besonders hoch, da sie sehr viel schneller aufgebraucht ist als die Flächen außerhalb. Bei Überlegungen zum Flächensparen durch Nachverdichtung im Stadtgebiet müssen daher auch die Belange der Freiraumnutzung berücksichtigt werden. Seite 2
Zusammenstellung der Nachverdichtungspotentiale innerhalb der einzelnen städtebaulichen Strukturen Einfamilien- und Reihenhausgebiete Ein Großteil der Potentiale in Einfamilien- und Reihenhausgebieten liegt auf Flächen mit nicht ausgeschöpften vorhandenem Baurecht in Form von Baulücken, in zweiten Bauzeilen auf bebauten Grundstücken und in der Vergrößerung bestehender Gebäude. Von dem gesamten Potential von ca. 1000 EFH sind 820 EFH bereits baurechtlich gesichert. Da die Stadt keinen direkten Zugriff auf private Flächen mit Baurecht hat, kann sie nur durch Anreize und Aktivierungsstrategien auf den Prozess der Nachverdichtung einwirken. Da eine Nachverdichtung erst mittel- und langfristig umgesetzt wird, können Neuausweisungen für einen akteullen Bedarf notwendig sein. Langfristig ist jedoch davon auszugehen, dass Baulücken bebaut werden und Baurecht umgsetzt wird. Dies sollte bei der Erstellung von Bedarfsanalysen durch die Stadt berücksichtigt werden. Wohnsiedlungen In einigen Wohnsiedlungen können die bestehenden Gebäude ergänzt werden. Gleichzeitig können Maßnahmen zur Aufwertung des Wohnumfeldes umgesetzt werden. Lärmschutz, Verbesserung der Parkierung, Neuordnung der Freiräume oder Sanierung sind hier mögliche Themen. Gewerbegebiete Die Gewerbegebiete weisen viele Baulücken auf, d.h. es sind baurechtlich vorbereitete Flächen vorhanden. In Zukunft sollten daher, auf Grundlage von Rahmenplanungen, bedarfsorientiert Flächen bereitgestellt werden, anstatt weitere neue Gewerbefl ächen auf Vorrat auszuweisen. Dabei können besondere Standortfaktoren der interessierten Betriebe berücksichtigt werden. Übergänge von der Kernstadt in die umliegenden Wohnsiedlungen möglich. Hochwertiges stadtnahes oder städtisches Wohnen in diesen Quartieren könnte eine gefragte Alternative zum Wohnen am Stadtrand bieten. Abb. 7/8 Brachfl ächen in zweiter Reihe / Innerstädtisches Wohnen im Brunnenhof Aufstellung von weiteren Nachverdichtungspotentialen im gesamten Stadtraum Unbebaute Flächen im Innenbereich und Nachverdichtungen durch Ergänzungen des Stadtrandes wurden in der Erhebung nicht den städtebaulichen Kategorien zugeordnet. Hier müssen die Flächen im Einzelfall betrachtet werden. Der Umgang mit Baulücken kann unabhängig von der Lage im Stadtgebiet erfolgen. Baulücken Baulücken sind unbebaute Grundstücke, auf welchen bereits Baurecht vorhanden ist. Für die Bebauung sind keine baurechtlichen Handlungsschritte durch die Stadt erforderlich. In Fürstenfeldbruck wurden 230 Baulücken gefunden. Sie haben eine Gesamtfl äche von 34 ha. Dies entspricht 6% des besiedelten Gebietes. Sie liegen vorwiegend in Einfamilienhaus- und Gewerbegebieten. Die Baulücken stellen etwa 25% des gesamten Potentials dar. Dörfliche Bereiche In den Dörfern werden langfristig Gebäude landwirtschaftlicher Betriebe frei. Soll der dörfl iche Charakter mit seinen großen Bauvolumen auf Dauer erhalten werden, müssen Nachfolgenutzungen für landwirtschaftliche Gebäude gefunden werden. Mit der Ansiedlung von Dienstleistung, Handwerksbetrieben und Kleingewerbe kann die traditionelle Durchmischung von Wohnen und Arbeiten im Dorf erhalten werden. Bei Beibehaltung der typischen Gebäudeformationen können auch Wohnungen angesiedelt werden. Innenstadt Im Bereich der Innenstadt liegen in zweiter und dritter Reihe besonders große Nachverdichtungspotentiale. Diese Quartiere mit heterogenem Charakter im direkten Anschluss an die Innenstadt bieten die Möglichkeit einer Umstrukturierung. Trotz ihrer sehr zentralen Lage ist die Bebauungsdichte in diesen Quartieren zum Teil sehr gering und mit Nutzungen belegt, die der hochwertigen Lage nicht entsprechen. Mit der Neuordnung der Areale kann die Gesamtstruktur der Stadt langfristig entwickelt und gestärkt werden. Es werden qualitativ hochwertige Abb. 7 Erhebung der Baulücken Unbebaute Flächen im Innenbereich Unbebaute Flächen sind prinzipiell potentielle Flächen zur Nachverdichtung. Hierzu zählen freie Bereiche innerhalb des Stadtgebietes, auf denen bislang aber kein Baurecht liegt. Flächen, die belegt sind mit wichtigen städtischen Nutzungen, wurden aus der Erhebung herausgenommen. Dies sind städtische Plätze, Parkanlagen, Spielplätze, Sportfl ächen und Flächen für Gemeinbedarf. Seite 3
Jede unbebaute Fläche sollte daraufhin geprüft werden, ob eine baulich Nutzung hier sinnvoll ist, oder ob sie anderen städtischen Funktionen zugeordnet werden sollte (z.b. Volksfestplatz). Insgesamt wurden 13 ha unbebauter Flächen ermittelt. Phase 2 Entwickeln von Maßnahmen Als Ergebnis der ersten Phase wurden einzelne Quartiere mit hohem Nachverdichtungspotential herausgefi ltert. Diese Quartiere wurden in der zweiten Phase genauer untersucht. Ziel der Untersuchung war es, Flächen zu benennen, die als Pilotprojekte für eine städtische Nachverdichtung besonders geeignet sind. Hierbei wurden folgende Fragen zur Einordnung der Flächen gestellt: In welchem Maße ist eine Nachverdichtung auf der Fläche möglich? Entspricht die Nachverdichtung den städtebaulichen Zielen der Kommune? Kann durch eine Nachverdichtung die Qualität des Standortes nachhaltig verbessert werden? Ist die Maßnahme fi nanzierbar und technisch sinnvoll? Abb. 10 Erhebung der unbebauten Flächen Ergänzung des Stadtrandes Schließt der bebaute Bereich mit einer Straße ab, kann in bestimmten Fällen die Bebauung an der offenen Straßenseite ergänzt werden. Durch die Ausnutzung bestehender Infrastruktur (Straße, Kanal) werden fl ächen sparend neue Gebäude realisiert. Mit der Ausweisung von neuem Baurecht können öffentliche Grünfl ächen ausgewiesen und nutzbar gemacht werden, die auch die angrenzenden Wohnquartiere versorgen. Abb. 11 Prinzip der Ergänzung eines Stadtrandes Zusammenfassung der wichtigsten Handlungsempfehlungen aus der ersten Stufe: Initiieren von Pilotprojekten, Auswahl geeigneter Quartiere, in denen die Ziele des Flächen sparenden Bauens mit planerischen und strategischen Mitteln umgesetzt werden können Besonderer Focus auf das Stadtzentrum, Entwicklung der Flächen in zweiter Reihe der Hauptstraße Erarbeitung einer Untersuchung zur Nutzung von freiwerdenden Gebäuden im landwirtschaftlichen Bereich Verbesserung der Versorgung mit Freifl ächen in einzelnen Stadtgebieten Information und Fragebogen an Eigentümer von nicht realisiertem Baurecht, um Hintergründe zu erfahren, evtl. Aufbau einer Vermittlerbörse zwischen Eigentümern und Bauwilligen Einbinden der Erhebung der Nachverdichtungspotentiale in laufende Planungen Im nächsten Schritt muss geprüft werden, ob die Eigentümer Interesse an einer Veränderung der Situation zeigen. Gemeinsam mit dem Eigentümer und dem Bauamt können die Vorraussetzungen für die Entwicklung der Fläche geschaffen werden. Als Pilotprojekt hat die Stadt Fürstenfeldbruck ihre eigenen Wohnbaufl ächen auf die Möglichkeiten einer Nachverdichtung überprüft. Ein Vorschlag zum Umgang mit den Flächen wird zur Zeit in der Stadt vorbereitet. In Folge der Untersuchung hat sich die Stadt erfolgreich für das Modellvorhaben Leben fi ndet Innenstadt beworben. In dem zweijährigen Programm stellt sie sich der Aufgabe gemeinsam mit den Eigentümern die östliche Innenstadt baulich zu entwickeln. Die Ergebnisse des Flächenressourcenmanagements fl ießen in die Arbeit ein. Resümee aus der Sicht der Kommune Die Erhebung möglicher Potentiale ist für stadtentwicklungspolitische Entscheidungen und viele stadtplanerische Einzelentscheidungen ein wichtiger, neuer Informationshintergrund. Es wäre allerdings ein Trugschluss zu glauben, wenn nun nach der Dampfkesselmethode einfach keine Neuausweisungen von Baugebieten am Stadtrand mehr vorgenommen werden, würde sich der Druck auf die entwicklungsfähigen Flächen im Innenbereich automatisch erhöhen und damit die gewünschten Prozesse in Gang gesetzt werden. Es ist vielmehr eine gezielte und vom Stadtrat politisch gewollte Aktivierung geeigneter Gebiete erforderlich. Darüber hinaus wird es im begründeten Einzelfall sicher auch weiterhin zur Ausweisung von Baugebieten auf der grünen Wiese kommen. Für eine aktive Innenentwicklung auf der Basis der erfassten Nachverdichtungspotentiale sind die erforderlichen fi nanziellen und personellen Kapazitäten der Kommune gezielt einzusetzen. Dipl.-Ing. Arch. Manuela Skorka, Neuried www.planungsbuero-skorka.de Dipl.-Ing. LA Martina Schneider, München www.rockingerundschneider.de Dipl.-Ing. Arch. Martin Kornacher, Stadt Fürstenfeldbruck Seite 4