Piagets Entwicklungstheorie = kognitive Theorie Der Begriff»Kognition«meint»alle jene Prozesse, durch die der sensorische Input umgesetzt, reduziert, weiter verarbeitet, gespeichert, wieder hervorgeholt und schließlich benutzt wird. Er meint diese Prozesse auch dann, wenn sie ohne das Vorhandensein entsprechender Stimulation verlaufen wie bei Vorstellungen und Halluzinationen. Begriffe wie Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung, Behalten, Erinnerung, Problemlösen und Denken nebst vielen anderen beziehen sich auf hypothetische Stadien oder Aspekte der Kognition.«(Definition von Ulric Neisser, 1974) Jean Piaget (1896 1980) Ab einer bestimmten Stärke / Qualität der affektiven Valenzen bezeichnen wir Kognitionen umgangssprachlich als Gefühle Abgrenzung Kognition Emotion? Kognitionen sind affektiv besetzt (affektive Valenz) negative Valenzen: Angst, Ekel, Wut positive Valenzen: Freude, Glück, Liebe Schachter & Singer, 1962 Die Intensität einer Emotion ist im wesentlichen durch den Grad der physiologischen Erregung bestimmt Art und Qualität der Emotion wird aber durch die Situationseinschätzung bzw. Kausalattribuierungen festgelegt Arnold (1960), Lazarus (1966) auch das Ausmaß der Erregung wird durch kognitive Prozesse bestimmt Zusammenhang zwischen Emotion und Kognition ist nicht befriedigend geklärt! Aber egal: für Piaget spielt der Kopf die zentrale Rolle
Unter Assimilation versteht Piaget die Integration neuer Informationen in bereits vorhandene (kognitive) Strukturen, also einen quantitativen Zuwachs an Informationen, keine qualitative, strukturelle Änderung. Letztere setzt eine Akkommodation voraus eine Veränderung der kognitiven Struktur durch neue Informationen. Genau genommen ist die Akkomodation also die Veränderung einer Assimilationsstruktur, welche durch die von ihr assimilierten Elemente hervorgerufen wird. Teilkomponenten der Anpassung (Adaptation) des Individuums an die Umwelt Ziel: Herstellung eines Gleichgewichtszustandes zwischen Individuum und Umwelt Beispiel Assimilation: Ein Kind hat bereits gelernt, dass ein Apfel zum Mund geführt werden muss, der Mund geöffnet werden muss und ein Stück herausgebissen werden muss. Trifft dieses Kind nun auf eine Birne, assimiliert das Kind [Apfel und Birne sehen schließlich auch ähnlich aus] und geht mit der Birne genau wie mit einem Apfel um. Beispiel Akkomodation:
Jean Piaget wollte herausfinden, wie Kinder und Jugendliche ihr Wissen aufbauen. Er versuchte allgemeine Prinzipien der menschlichen Entwicklung des Denkens aufzudecken, indem er seine eigenen Kinder beobachtete. Bei diesen Beobachtungen merkte Piaget, dass Kinder bestimmte (Denk-)Fehler machen und diese Fehler später nicht mehr machen. Anhand dieser (Denk-)Fehler entwickelte Piaget die vier Stufen der menschlichen Entwicklung des Denkens. Alles logo! Denken folgt auf dieser Stufe folgt nach Meinung von Piaget formallogischen Strukturen (Abstrahieren von konkreten Dingen oder Personen) Erst Handeln, dann Denken Denken wird reversibel. Kann Logik wird auf konkrete Dinge anwenden, aber noch nicht mit abstrakten Begriffen hantieren. Fähigkeit, andere Perspektiven einnehmen zu können, wächst. Ich bin der Mittelpunkt der Welt Kind kann seine Umgebung nur aus seiner eigenen Perspektive sehen ( egozentrisch ). Es geht ganz selbstverständlich davon aus, dass alle anderen genau das sehen, was es selbst sieht Verschmelzen von Subjekt und Objekt 2 Alle vier Stufen der kognitiven Entwicklung bauen aufeinander auf, d.h. nach Piaget muss eine Stufe erst aufgearbeitet werden, damit die nächste Stufe erreicht werden kann. Kinder sind zu logischen Schlussfolgerungen fähig, aber ihre Logik ist noch irreversibel. Das präoperationale Denken ist zentriert, es beschränkt sich häufig auf einen Aspekt der Situation. 1 Für den Säugling ist die Trennung von Subjekt, Objekt und Handlung noch unentwirrbar. Er denkt gewissermaßen mittels seiner Bewegungen und Empfindungen, in dem das Begreifen mit der Hand eine konkrete Vorform des Begreifens mit dem Kopf ist.
Die Regeln der Moral und die Regeln des Murmelspiels Vier verschiedene Stadien der Anwendung der Regeln (1)Rein motorisches und individuelles Stadium (0 3 Jahre). Das Kind spielt mit den Murmeln nach eigenen Wünschen und motorischen Gewohnheiten. Es entwickelt mehr oder weniger ritualisierte Schemata, da es jedoch allein spielt, handelt es sich um motorische Regeln, also noch nicht um Regeln des Zusammenspiels. (2) Egozentrisches Stadium (2 6 Jahre). Das Kind versucht jetzt zwar, Spielregeln nachzuahmen, tatsächlich spielt es jedoch auch, wenn es mit anderen zusammen ist, noch allein. So kann z. B. jeder noch Gewinner sein, beim Spiel mit anderen kann jeder nach seiner eigenen»interpretation«der Regeln spielen. Das Nachahmen größerer Kinder und die individuelle Anwendung der bei diesen beobachteten Spielregeln bezeichnet Piaget als Egozentrismus. (3) Beginnende Zusammenarbeit (7 10 Jahre). Jeder Spieler versucht nun, seine Mitspieler zu besiegen. Aus diesem Grund ergibt sich auch die Notwendigkeit zur gegenseitigen Kontrolle und zur Vereinheitlichung der Spielregeln. Praktisch funktioniert dies schon recht gut: die Kinder können sich meist über die Spielregeln einigen. Fragt man die Mitspieler jedoch einzeln, zeigen sich aber immer noch überraschend widersprüchliche Regelkenntnisse und - interpretationen. Piagets Arbeit zur Moralentwicklung liegen Interviews und Verhaltensbeobachtungen von ca. 100 Schweizer Kindern die meisten im Vor- und Grundschulalter zugrunde. Die Kinder wurden z. B. zu ihrem Verständnis der Regeln des Murmelspiels befragt, und sie wurden beim tatsächlichen Spiel beobachtet. Die Regeln des Murmelspiels sind für Piaget also vor allem deswegen ein vorzüglicher Bereich zur Analyse kindlicher Moral, weil der Einfluss der Erwachsenen hier denkbar gering ist. Außerdem ermöglichte ihm die Untersuchung des Spiels, sowohl die Praxis der Einhaltung der Regeln als auch das Bewusstsein der Regel zu analysieren. Die Beziehungen zwischen»regelbewusstsein«und»spielpraxis«sind identisch mit dem, was wir heute eher als den Zusammenhang zwischen»denken«und»handeln«bezeichnen würden. (4) Kodifizierung der Regeln (ab 11 Jahre). Nicht nur einzelne Spielpartien werden peinlich genau geregelt, sondern allen Mitspielern sind die Regeln in ihrer Gesamtheit bekannt. Es gibt kaum noch widersprüchliche Auskünfte selbst über die detailliertesten Regeln. Piaget bezeichnet dieses Stadium auch als»interesse für die Regel als solche«
Die Regeln der Moral und die Regeln des Murmelspiels Drei Stadien des Regelbewusstseins 1. Stadium: Individuelle Riten (motorische Schemata). Dem ersten Stadium des Regelbewusstseins entspricht die motorische bzw. individuelle Spielpraxis. Allerdings ist häufig nicht einfach zu unterscheiden, inwieweit es sich um vom Kind selbst erfundene Rituale handelt oder um die bewusste Übernahme von außen beeinflusster regelhafter Handlungen. 2. Stadium: Heteronomie. In diesem Stadium geht das Kind zwar mit den Regeln recht willkürlich um, trotzdem besteht es darauf, dass die Regeln schon immer so gewesen seien. Gegeben sind sie durch erwachsene Autorität, sei es der Vater, der Stadtrat, der liebe Gott oder wen immer das Kind für die höchste Autorität hält. Aus unserer Sicht gehen hier Bewusstsein und Verhalten weit auseinander. Ein extremer Konservativismus des Bewusstseins verbindet sich mit einer verblüffenden Lockerheit des Verhaltens. 3. Stadium: Autonomes Regelverständnis. Die Regel wird vom Kind nicht mehr als ein von außen kommendes unveränderbares Gesetz aufgefasst, sondern als Ergebnis eines auf gegenseitiger Absprache beruhenden freien Entschlusses. Diese grundlegende Veränderung im Regelverständnis macht Piaget an drei»symptomen«fest: (1) Auf die Gerontokratie und die Theokratie folgt die Demokratie: Regeln können gemeinsam verändert werden. (2) Hieraus folgt unmittelbar, dass Regeln nicht mehr als heilig, ewig gültig bzw. unveränderbar angesehen werden. (3) Der Ursprung von Spiel und Regeln wird realistisch gesehen. Nicht mehr der liebe Gott hat das Murmelspiel in grauer Vorzeit erfunden, sondern es ist durch Generationen von Kindern langsam entwickelt worden.»geo (6 Jahre) sagt uns, das Murmelspiel habe durch die Herren der Gemeinde angefangen (der Stadtrat...). Wie kam das denn? In ihrem Kopf. Sie haben es den Leuten gezeigt. Die Papas zeigen es den kleinen Jungens. Kann man anders spielen, als Du gezeigt hast? Kann man das Spiel ändern? Ich glaube, man kann es ändern, aber ich weiß nicht wie. Ganz egal wie? Nein, es gibt kein Spiel ganz egal wie. Warum? Weil der liebe Gott es sie (die Stadträte) nicht gelehrt hat. Versuche, das Spiel zu ändern. (Geo erfindet nun eine Anordnung, die er für neu hält...) Ist es so richtig wie das andere? Nein, weil es nur drei Reihen zu dreien sind «
Die autonome Moral beruht demgegenüber auf Zusammenarbeit und Kooperation der Kinder untereinander. Die einseitige Achtung elterlicher Autorität wird abgelöst durch die gegenseitige Achtung der Kinder. Erst wenn die gegenseitige Achtung stark genug ist, im Individuum das Bedürfnis auszulösen, andere so zu behandeln, wie es selbst behandelt sein möchte, gelingt der Übergang zur autonomen Moral. Die heteronome Moral beruht auf dem moralischen Zwang der Erwachsenen und bewirkt beim Kind den moralischen Realismus. Folglich hält das Kind jede Handlung, die im Einklang mit den Regeln der Erwachsenen steht, für gut, jede Handlung, die die Regeln verletzt, für schlecht. Dem moralischen Realismus entspricht eine objektive Auffassung von der Verantwortung nicht die Absicht zählt, sondern die tatsächliche Konsequenz des Handelns. Zwischen heteronomer und autonomer Moral beobachtete Piaget allerdings noch ein»zwischenstadium«, in dem das Kind nicht mehr ausschließlich an der erwachsenen Autorität orientiert ist, sondern an der verallgemeinerten Regel. Die Autonomie ist hier jedoch»erst zur Hälfte verwirklicht«, da sie immer noch als etwas von außen Aufgezwungenes gesehen wird. Entwicklung des Gerechtigkeitsbegriffs in drei großen Perioden bis zum 7. oder 8. Lebensjahr (Stadium der Heteronomie) zwischen dem 8. und 11. Lebensjahr (Zwischenstadium) Ab dem 11. bis 12. Lebensjahr (Stadium der Autonomie) geprägt durch die Autorität der Erwachsenen Primat der Gleichheit über die Autorität Der strikte Gleichheitsgedanke wird relativiert Gerecht ist, was die Erwachsenen erwarten In dieser Periode können Kinder wahre Gleichheitsfanatiker sein, die auf die geringste Benachteiligung äußerst empfindlich reagieren Piaget bezeichnet dies als Billigkeitsgefühl, das die besondere Lage jedes einzelnen mit einbezieht
Kritik an Piaget Kritikpunkte waren unter anderem grundlegende Zweifel an einer qualitativen, in Stadien verlaufenden Entwicklung, der Vorwurf einer teilweise verwirrenden Terminologie sowie die Vermutung, dass die Ergebnisse Piagets möglicherweise Kunstprodukte seiner Befragungsmethode seien. Als bestätigt können nach Lickona (1976) vor allem folgende Annahmen angesehen werden: Bestätigung und Differenzierung Das moralische Urteil entwickelt sich in Abhängigkeit vom Alter und der Erfahrung sowie von der sozialen und kulturellen Umgebung. Weniger gut als die kognitive Basis des moralischen Urteils ließen sich die von Lickona als affektive Seite bezeichneten Merkmale empirisch belegen. Seiner Ansicht nach beruht z. B. die Autoritätsgläubigkeit der heteronomen Moral weniger auf einer einseitigen Achtung der Erwachsenen als auf einer realistischen Anerkennung ihrer größeren Macht. Unterschätzung früher kognitiver Leistungen Eine Studie von Epstein (1965) differenziert zudem Piagets Behauptung, dass heteronom orientierte Kinder Regeln als heilig und unantastbar ansehen. Epstein führt dies auf die Unfähigkeit kleiner Kinder (bis ca. vier Jahren) zurück, zwischen der Veränderung und der Übertretung einer Regel zu unterscheiden. Die meisten Fünfjährigen in Epsteins Untersuchung konnten zwischen Veränderung und Übertretung unterscheiden und waren demgemäß der Meinung, Spielregeln könnten verändert werden. Skeptisch ist man heute vor allem in Bezug auf Piagets Aussagen zu den kognitiven Leistungen von Säuglingen und Kleinkindern. Es gibt mittlerweile eine große Anzahl von Untersuchungen, die mit neuen Methoden (z. B. der Analyse von Blickbewegungen) zeigen, dass Piaget die kognitiven Fähigkeiten vor allem in sehr frühem Alter deutlich unterschätzt haben könnte. Blickheuristik Piaget ging davon aus, dass sich die kognitiven Fähigkeiten zunächst aus den motorischen entwickeln, dass das Begreifen mit der Hand dem kognitiven»begreifen«vorausgeht. So plausibel diese Annahme auch erscheint, widersprechen ihr doch mittlerweile eine ganze Reihe von Befunden. Die Konsequenz könnte eine erstaunliche sein: Kinder müssen bestimmte Fähigkeiten gar nicht entwickeln, sie sind ihnen vielleicht angeboren..