Das neue kantonale Beschaffungsrecht Adrian Mauerhofer, Fürsprecher, Rechtsamt Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE) I. Allgemeines Auf den 1. Januar 2003 sind im Kanton Bern das ÖBG 1 und die ÖBV 2 in Kraft getreten. Diese beiden Erlasse setzen die Bestimmungen des bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und der EU 3 und der revidierten IVöB 4 um und ersetzen das frühere Beitrittsgesetz und die Submissionsverordnung. Eigentlicher Anstoss der Gesetzesrevision war die Forderung der Gemeinden, den kommunalen Rechtsschutz dem kantonalen Beschaffungsrecht anzupassen. Nach dem Inkrafttreten des Beitrittsgesetzes am 1. Juli 1998 hat sich nämlich gezeigt, dass dessen Anwendung im Bereich des Rechtsschutzes zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. So dauerten Verfahren für kleinere Vergaben der Gemeinden, die nicht dem kantonalen Beschaffungsrecht unterstanden, tendenziell länger als die Verfahren für grössere Vergaben kantonaler Beschaffungsstellen. Das ÖBG beseitigt diesen Missstand: Einerseits gelten bezüglich der Rechtsmittelfrist und der aufschiebenden Wirkung für kantonale und kommunale Beschaffungen die gleichen Regeln; andererseits wird sichergestellt, dass alle Beschaffungsentscheide der Gemeinden in zweiter Instanz beim Verwaltungsgericht angefochten werden können. Das ÖBG führt ausserdem zu einer Ausweitung des Geltungsbereichs. Die ÖBV ihrerseits tritt gegenüber der früheren Submissionsverordnung in gestraffter Form auf und enthält mehrere neue bzw. modifizierte Verfahrensvorschriften. Der vorliegende Beitrag soll über die wichtigsten Neuerungen bzw. Änderungen des kantonalen Beschaffungsrechts einen kurzen Überblick verschaffen. 1 Gesetz vom 11. Juni 2002 über das öffentliche Beschaffungswesen (BSG 731.2) 2 Verordnung vom 16. Oktober 2002 über das öffentliche Beschaffungswesen (BSG 731.21) 3 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vom 21. Juni 1999 (SR 0.172.052.68) 4 revidierte Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. März 2001
II. Welche Neuerungen bzw. Änderungen hat das ÖBG zur Folge? 1. Ausweitung des Geltungsbereichs (Art. 2 ÖBG) Bis Ende 2002 waren die Gemeinden und Gemeindeverbände den kantonalen Beschaffungsregeln nur dann unterstellt, wenn sie für die konkrete Beschaffung vom Bund oder Kanton subventioniert wurden oder wenn der Auftragswert die (relativ hohen) Schwellenwerte des GPA 5 bzw. der IVöB überstieg. Art. 2 Abs. 1 Bst. b ÖBG sieht demgegenüber die vollumfängliche Unterstellung der Gemeinden und Gemeindeverbände vor. Damit wird Art. 2 des bilateralen Abkommens umgesetzt. Statt der hohen GPA- Schwellenwerte sind für die kommunalen Beschaffungsstellen somit die speziell für kommunale Aufträge geltenden Schwellenwerte von Art. 5 ÖBG anwendbar. Dem ÖBG unterstellt sind im Weiteren die im Bereich der Abwasser- und Abfallentsorgung tätigen Unternehmen. Deren Unterstellung erfolgte bislang bloss auf Verordnungsstufe. Mit der Unterstellung des Abwasser- und Abfallentsorgungsbereichs geht die gesetzliche Regelung weiter als das GPA und die IVöB verlangen. Es sind jedoch keine sachlichen Gründe ersichtlich, weshalb etwa die Unternehmen der Wasserversorgung und Verkehrsinfrastruktur den gesetzlichen Beschaffungsregeln unterliegen sollen, diejenigen der Abwasser- und Abfallentsorgung dagegen nicht. Das ÖBG ist ferner auch für diejenigen Organisationen und Unternehmen anwendbar, die vom Kanton oder den Gemeinden mit sogenannten ausschliesslichen oder besonderen Rechten, insbesondere Konzessionen, ausgestattet sind (Art. 2 Abs. 1 Bst. c ÖBG). Darunter fallen nicht nur konzessionierte öffentlich- oder privatrechtliche Organisationen, sondern auch solche, denen eine öffentliche Aufgabe und die dafür nötige Verfügungskompetenz übertragen wurde 6. In den Geltungsbereich des ÖBG fallen schliesslich neu auch private Vergabestellen, welche für ihre Beschaffungen mit mehr als 50% der Gesamtkosten von der öffentlichen Hand (Bund, Kanton, Gemeinden) Subventionen erhalten. Auch diese Unterstellung war bisher bloss auf Verordnungs-, nicht dagegen auf Gesetzesstufe enthalten. Die "50%-Grenze" entspricht der Regelung von Art. 8 Abs. 2 IVöB. 5 Government Procurement Agreement (GATT/WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen) vom 15. April 1994 (SR 0.632.231.422) 6 z.b. Übertragung der Wasserversorgung durch die Gemeinden nach Art. 6 Abs. 2 des Wasserversorgungsgesetzes vom 11. November 1996; WVG, BSG 752.32
2. Unterscheidung zwischen kantonalen und kommunalen Schwellenwerten (Art. 3-5 ÖBG) Die Frage der Höhe der Schwellenwerte wurde in der vorberatenden Kommission des Grossen Rates und im Rat selber erwartungsgemäss heftig diskutiert. Nachdem der Rat in der ersten Lesung noch einen einheitlichen Schwellenwert von 100'000 Franken für sämtliche ausschreibungspflichtige Beschaffungen des Kantons und der Gemeinden beschlossen hatte, kam er in der zweiten Lesung auf diesen Entscheid zurück und legte sich auf eine Unterscheidung zwischen kantonalen und kommunalen Schwellenwerten fest (Art. 3-5 ÖBG). Diese stellt sich wie folgt dar: a) Schwellenwerte für Aufträge kantonaler Auftraggebender nach Art. 2 Abs. 1 Bst. a ÖBG: Verfahrensarten freihändiges Verfahren Einladungsverfahren offenes/selektives Verfahren Lieferungen Dienstleistungen Bauarbeiten Baunebengew. Bauhauptgew. unter 100 000 unter 100 000 unter unter 100 000 100 000 unter 250 000 unter 250 000 unter unter 250 000 500 000 ab 250 000 ab 250 000 ab ab 250 000 500 000 Die Schwellenwerte für ausschreibungspflichtige kantonale Beschaffungen entsprechen denjenigen des früheren Beitrittsgesetzes. Neu eingeführt wurden unterschiedliche Schwellenwerte für Aufträge des Bauhaupt- und Baunebengewerbes sowie ein Schwellenwert für das Einladungsverfahren. b) Schwellenwerte für Aufträge kommunaler Auftraggebender nach Art. 2 Abs. 1 Bst. b ÖBG: Verfahrensarten Lieferungen Dienstleistungen Bauarbeiten freihändiges unter 100 000 unter 100 000 unter 100 000 Verfahren Einladungsverfahren unter 200 000 unter 200 000 unter 200 000 offenes/selektives Verfahren ab 200 000 ab 200 000 ab 200 000 Die Regelung ist hier bedeutend übersichtlicher als bei den kantonalen Schwellenwerten: Jede kommunale Beschaffung, und zwar unabhängig von der Auftragsart, die den
Auftragswert von 200'000 Franken übersteigt, muss entweder im offenen oder selektiven Verfahren öffentlich ausgeschrieben werden. Der Schwellenwert für das Einladungsverfahren liegt wie bei den kantonalen Beschaffungen bei 100'000 Franken. Den Gemeinden steht es jedoch frei, für ihre Beschaffungen tiefere Schwellenwerte vorzusehen (Art. 5 Abs. 2 ÖBG). 3. Einladungsverfahren (Art. 4 ÖBG) Bereits das frühere Recht sah faktisch ein Einladungsverfahren vor, indem festgelegt wurde, dass bei Beschaffungen der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit auch beim freihändigen Verfahren zu berücksichtigen ist und in der Regel Konkurrenzofferten einzuholen sind. Art. 4 ÖBG verankert das Einladungsverfahren nun auf Gesetzesstufe. Auch die revidierte IVöB sieht neu ein Einladungsverfahren vor 7. Erreicht die Beschaffung einen Auftragswert von 100'000 Franken, so müssen Auftraggeberinnen und Auftraggeber nach Art. 4 Abs. 2 ÖBG mindestens drei Offerten einholen. In der Praxis sind allerdings Fälle nicht auszuschliessen, bei denen es schwierig ist, überhaupt drei gültige Offerten zu erhalten. Diese Fälle werden zum Teil bei den Ausnahmen von Art. 7 Abs. 3 ÖBV berücksichtigt (freihändige Vergabe oberhalb der Schwellenwerte). Für den Fall, dass sich die Bestimmung von Art. 4 Abs. 2 ÖBG als zu streng erweisen sollte, soll der Regierungsrat auch in weiteren Fällen auf dem Verordnungsweg bestimmen können, wann vom Erfordernis, drei gültige Offerten einzuholen, abgewichen werden kann (Art. 4 Abs. 3 ÖBV). 4. Veröffentlichung freihändiger Auftragsvergaben (Art. 6 Abs. 2 ÖBG) In Art. 7 Abs. 3 ÖBV sind verschiedene Fälle aufgeführt, bei welchen ein Auftrag unabhängig vom Schwellenwert freihändig vergeben werden kann 8. Im Sinne einer wirksamen Kontrolle sieht Art. 6 Abs. 2 ÖBG vor, dass der Entscheid der Beschaffungsstelle, einen Auftrag gestützt auf Art. 7 Abs. 3 ÖBV freihändig zu vergeben, vor dem Zuschlag im kantonalen Amtsblatt veröffentlicht werden muss. Gegen diesen Entscheid steht dann der Rechtsschutz nach Art. 11 ff. ÖBG offen. Voraussetzung für die vorgängige Publikation ist allerdings, dass die in Art. 3 ÖBG aufgeführten kantonalen Schwellenwerte erreicht werden, d.h. es muss sich um Beschaffungen handeln, die normalerweise ausschreibungspflichtig wären. Art. 6 Abs. 3 ÖBG enthält zwei Fälle, bei denen auf eine Veröffentlichung gänzlich verzichtet 7 Art. 12 Abs. 1 Bst. b bis IVöB 8 vgl. auch Art. XV GPA
werden kann, da ein möglichst rascher Vergabeentscheid unabdingbar ist (zeitliche Dringlichkeit, Liquidationsverkäufe). 5. Zweistufiges Beschwerdeverfahren (Art. 12 und 13 ÖBG) Der frühere Rechtsschutz des Beitrittsgesetzes gestaltete sich bisher so, dass gegen Verfügungen im Rahmen des Beschaffungsverfahrens zunächst Einsprache bei der Beschaffungsstelle, danach Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden konnte. Das ÖBG sieht neu ein zweistufiges Beschwerdeverfahren vor, welches der Konzeption des VRPG 9 entspricht. Es ist dabei zwischen einem kantonalen und kommunalen Rechtsschutz zu unterscheiden: a) kantonaler Rechtsschutz (Art. 12 ÖBG): anfechtbare Verfügung nach Art. 11 ÖBG Beschwerde innert 10 Tagen bei der sachlich zuständigen Direktion Beschwerdeentscheid der Direktion Beschwerde innert 10 Tagen beim Verwaltungsgericht Entscheid des Verwaltungsgerichts 9 Gesetz vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (BSG 155.21)
b) kommunaler Rechtsschutz (Art. 13 ÖBG): anfechtbare Verfügung nach Art. 11 ÖBG Beschwerde innert 10 Tagen beim örtlich zuständigen Regierungsstatthalteramt Beschwerdeentscheid Regierungsstatthalteramt Beschwerde innert 10 Tagen beim Verwaltungsgericht Entscheid des Verwaltungsgerichts Hervorzuheben ist, dass sowohl für kantonale als auch für kommunale Beschaffungen die gleichen Verfahrensvorschriften nach Art. 14 ÖBG gelten (10tägige Fristen, grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung der Beschwerden, usw.). 6. Anfechtbare Verfügungen (Art. 11 ÖGB) Die anfechtbaren Verfügungen werden neu auf Gesetzesstufe klar definiert. Es ist dabei zwischen Verfügungen zu unterscheiden, welche unabhängig von den Schwellenwerten anfechtbar sind und solchen, welche nur dann angefochten werden können, wenn der massgebende Schwellenwert erreicht wird. Neu anfechtbar ist die Ausschreibung, welche somit in der Publikation ebenfalls mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist. Damit wird erreicht, dass grobe Fehler (z.b. diskriminierende Zuschlagskriterien) bereits in einer frühen Phase des Beschaffungsverfahrens korrigiert werden können. Im Übrigen wird am Grundsatz festgehalten, wonach die Anfechtbarkeit der Verfügungen nur dann gegeben ist, wenn der Schwellenwert des Einladungsverfahrens von 100'000 Franken oder die tieferen kommunalen Schwellenwerte, falls solche vorgesehen sind, erreicht werden.
III. Welche Neuerungen bzw. Änderungen hat die ÖBV zur Folge? 1. Einbezogene Auftragsarten (Art. 1 ÖBV) Dem öffentlichen Beschaffungswesen unterliegen nach Art. 1 ÖBV alle Arten von Aufträgen, d.h. Bauaufträge über die Durchführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten, Lieferaufträge über die Beschaffung beweglicher Güter sowie Dienstleistungsaufträge. Im Gegensatz zum früheren Recht wird der Kreis der unterliegenden Bau- und Dienstleistungsaufträge nicht mehr eingeschränkt. Wegen der unterschiedlichen Schwellenwerte für Aufträge des Bauhaupt- und Baunebengewerbes (Art. 3 ÖBG) stellen sich Abgrenzungsfragen. Im Hochbau fallen unter das Bauhauptgewerbe in erster Linie die Arbeiten der BKP-Nummern 211-214 des Baukostenplans der Schweizerischen Baurationalisierung 10. Bei den Tiefbauarbeiten ist eine Abgrenzung schwieriger. Da weder die Vergaberichtlinien des Interkantonalen Organs zur revidierten IVöB noch der (nicht mehr gültige) Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des LMV 11 eine für das öffentliche Beschaffungswesen brauchbare Begriffsumschreibung für das Bauhauptgewerbe liefern, wird auf eine Definition in der ÖBV verzichtet. Es wird Aufgabe der Gerichtspraxis sein, die Abgrenzung zwischen dem Bauhaupt- und Baunebengewerbe vorzunehmen. 2. Ausschreibung im Internet (Art. 9 Abs. 1 ÖBV) Aufträge, die im offenen oder selektiven Verfahren vergeben werden, müssen neu neben der Ausschreibung im kantonalen Amtsblatt bzw. Feuille officielle du Jura bernois zusätzlich auch auf der SIMAP-Website 12 ausgeschrieben werden. Die Ausschreibungspflicht gilt für kantonale Beschaffungsstellen allerdings erst ab dem 1. Januar 2004, für die übrigen Beschaffungsstellen sogar erst ab dem 1. Januar 2005 (Art. 45 ÖBV). 10 Schweizer Norm SN 506 500, Ausgabe 1997 11 Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe vom 10. November 1998 12 Verein für ein Informationssystem über das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz (www.simap.ch)
3. Fristen für Offerteinreichung (Art. 14 und 15 ÖBV) In der früheren Submissionsverordnung wurde lediglich festgelegt, dass die Fristen für die Offerteinreichung so festzulegen sind, dass niemand diskriminiert wird und allen Anbietenden genügend Zeit zur Prüfung der Unterlagen und zur Ausarbeitung des Angebots bleibt. An diesem Grundsatz hält Art. 14 ÖBV unverändert fest. Neu wird in Art. 15 ÖBV zusätzlich festgelegt, dass die Fristen für das Einreichen einer Offerte oder eines Antrags auf Teilnahme im selektiven Verfahren in der Regel nicht kürzer als 20 Tage sein dürfen. Im Staatsvertragsbereich sind die Fristen länger (Art. 14 Abs. 2 ÖBV). Eine Verkürzung der Fristen in dringlichen Fällen ist möglich (Art. 14 Abs. 3 ÖBV). 4. Gewichtung der Eignungs- und Zuschlagskriterien (Art. 16 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 2 ÖBV) Bis Ende 2002 gab es mehrere Entscheide der Eidgenössischen Rekurskommission über das öffentliche Beschaffungswesen sowie kantonaler Verwaltungsgerichte, wonach die Beschaffungsstelle verpflichtet ist, die prozentuale Gewichtung der Eignungs- und Zuschlagskriterien bereits in der Ausschreibung bzw. den Ausschreibungsunterlagen bekannt zu geben. Ich habe auf diese Praxis bereits in meinem letztjährigen KPG-Bericht hingewiesen 13. In Art. 16 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 2 ÖBV wurde diese Gerichtspraxis nun umgesetzt. Danach müssen die Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie allfällige Unterkriterien zumindest in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gegeben werden. Ist der Preis ein Zuschlagskriterium, was in der Regel der Fall ist 14, muss zusätzlich die Regel bekannt gegeben werden, wie der Preis bewertet wird (Art. 30 Abs. 2 ÖBV). Erweisen sich die Gewichtung oder die Unterkriterien im Verlauf des Beschaffungsverfahrens als nicht sachgerecht, ist eine Neuausschreibung in der Regel unumgänglich. Eine Abänderung der Kriterien bzw. der Gewichtungen ist wohl nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. Voraussetzung ist allerdings in jedem Fall, dass die Anbietenden in rechtsgleicher Weise auf die Änderungen aufmerksam gemacht werden und ihnen Gelegenheit eingeräumt wird, ihr Angebot den neuen Gegebenheiten anzupassen. 13 vgl. KPG-Bulletin 3/2002 S. 59 f. 14 eine Ausnahme dürfte bei komplexen Dienstleistungsaufträgen bestehen, bei denen das Schwergewicht bei der zu erbringenden Leistung liegt und ein festes Kostendach vorgegeben wird
5. Verbot ständiger Listen (Art. 17 ÖBV) Nach Art. 13 Bst. e IVöB müssen die kantonalen Ausführungsbestimmungen die gegenseitige Anerkennung der Qualifikation der Anbietenden gewährleisten, die in sogenannten ständigen Listen der beteiligten Kantone eingetragen sind. Die IVöB schreibt den Kantonen aber nicht vor, solche Listen zu führen. Da im Kanton Bern bisher keine ständigen Listen geführt wurden und somit kein Bedürfnis nach solchen Listen besteht, bestimmt Art. 17 ÖBV, dass die Auftraggebenden keine ständigen Listen führen dürfen. Dies hat zur Folge, dass der Kanton Bern nicht verpflichtet ist, ständige Listen anderer Kantone anzuerkennen. Selbstverständlich dürfen die Beschaffungsstellen als Arbeitsinstrument eine Fachleutedatei führen. 6. Ausschluss vorbefasster Anbieterinnen und Anbieter (Art. 24 Abs. 1 Bst. a ÖBV) Art. 24 Abs. 1 Bst. a ÖBV bestimmt neu, dass die Auftraggebenden Anbietende von der Teilnahme am Beschaffungsverfahren ausschliessen müssen, welche an der Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen oder des Beschaffungsverfahrens derart mitgewirkt haben, dass sie die Vergabe zu ihren Gunsten beeinflussen können. In meinem letztjährigen KPG- Beitrag habe ich das Thema Vorbefassung im Lichte der heutigen Rechtspraxis und -lehre eingehend erörtert 15. 7. Nachweise (Art. 20 ÖBV) Nach früherem Recht verhielt es sich so, dass die Anbietenden ihrer Offerte ein sogenanntes Selbstdeklarationsblatt beilegen mussten, in welchem sie erklären mussten, ihre Pflichten gegenüber der öffentlichen Hand (Steuern), der Sozialversicherung (Sozialabgaben) sowie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erfüllt zu haben. Dieses Mittel erwies sich in der Praxis bald einmal als untauglich, da einige Offerenten unwahre Angaben machten. Nach neuem Recht müssen die Anbietenden zusammen mit ihrem Angebot zusätzlich zur Selbstdeklaration entsprechende Nachweise einreichen (Art. 20 Abs. 1 ÖBV). Im Vordergrund stehen dabei Bestätigungen der Steuerbehörden, der Ausgleichskasse und allenfalls der paritätischen Berufskommissionen. Der Aufwand für die Anbietenden ist dabei nicht sehr gross, da die Nachweise bis zu einem Jahr alt sein dürfen (Art. 20 Abs. 2 ÖBV). 15 KPG-Bulletin 3/2002 S. 63 f.; VGE 21589 vom 30. April 2003 i.s. A.H. gegen Kanton Bern
8. Zuschlag - Wegfall der "3%-Klausel" (Art. 30 ÖBV) Kaum eine Vorschrift im Beschaffungsrecht hat in der Praxis derart Verwirrung gestiftet und zu Diskussionen geführt wie Art. 41 Abs. 1 der früheren Submissionsverordnung. Diese Bestimmung sah vor, dass bei annähernd gleich günstigen Angeboten im Rahmen des Zuschlags weitere objektive Umstände berücksichtigt werden können, wie der besondere Einsatz auf dem Gebiet der Lehrlingsausbildung, besondere Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau sowie die besondere Beachtung ökologischer Kriterien. Dabei wurden als wirtschaftlich annähernd gleich günstig diejenigen Angebote definiert, welche preislich nicht mehr als 3% über dem billigsten im Wettbewerb verbliebenen Angebot lagen. Nach meiner Kenntnis kam diese Vorschrift, welche aus politischen Gründen in die Submissionsverordnung aufgenommen wurde, in der Praxis glücklicherweise nie zur Anwendung. Mit der ÖBV wurde die "3%-Klausel" ersatzlos gestrichen. Das wirtschaftlich günstigste Angebot ist allein dasjenige, welches die Zuschlagskriterien am besten erfüllt (Art. 30 Abs. 1 ÖBV).