Entschädigung nach Art. 41 EMRK: , für immateriellen Schaden an den ZweitBf., 500, für Kosten und Auslagen an beide Bf. (6:1 Stimmen).

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Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen).

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Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 1.000,- für immateriellen Schaden, 3.500, für Kosten und Auslagen (einstimmig).

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Zulässigkeit der Beschwerden (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 8

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ENTSCHEIDUNG ÜBER DIE ZULÄSSIGKEIT

Nichtamtliche Übersetzung aus dem Englischen EUROPÄISCHER GERICHTSHOF FÜR MENSCHENRECHTE

Transkript:

Bsw 29032/04 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer III, Beschwerdesache M. und C. gg. Rumänien, Urteil vom 27.9.2011, Bsw. 29032/04. Art. 3 EMRK, Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 8 EMRK, Art. 14 EMRK - Schutzpflicht bei sexuellem Missbrauch. Zurückweisung der Einreden der Regierung (einstimmig). Zulässigkeit der Beschwerde (einstimmig). Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 8 EMRK wegen Verletzung der positiven Verpflichtungen des Staates hinsichtlich des ZweitBf. (6:1 Stimmen). Keine Verletzung von Art. 8 EMRK hinsichtlich der ErstBf. (einstimmig). Keine gesonderten Fragen unter Art. 13 EMRK (einstimmig). Keine Verletzung von Art. 14 EMRK ivm. Art. 6 EMRK hinsichtlich der ErstBf. in den Verfahren, die mit dem Urteil vom 5. Februar 2004 endeten (einstimmig). Keine gesonderte Behandlung der Beschwerde der ErstBf. unter Art. 6 EMRK alleine hinsichtlich der Verfahren, die mit Urteil vom 5. Februar 2004 endeten (einstimmig). Keine gesonderte Behandlung der Beschwerde des ZweitBf. unter Art. 6 EMRK alleine oder ivm. Art. 14 EMRK hinsichtlich der Verfahren, die mit Urteil vom 5. Februar 2004 endeten (einstimmig). Keine gesonderte Behandlung der Beschwerde unter Art. 6 EMRK alleine oder ivm. Art. 14 EMRK hinsichtlich der Verfahren, die mit Urteil vom 1. Juni 2005 endeten (einstimmig).

2 Bsw 29032/04 Entschädigung nach Art. 41 EMRK: 13.000, für immateriellen Schaden an den ZweitBf., 500, für Kosten und Auslagen an beide Bf. (6:1 Stimmen). B e g r ü n d u n g : Sachverhalt: Die ErstBf. war mit D. C. verheiratet. Dieser Ehe entstammt der 1994 geborene ZweitBf. Im Dezember desselben Jahres beantragte die ErstBf. die Scheidung. Das Bezirksgericht Bukarest gab ihrem Antrag statt und sprach ihr das alleinige Sorgerecht zu. 1998 wurde D. C. auf seinen Antrag hin ein Besuchsrecht eingeräumt. Am 14.7.1998 erstattete die ErstBf. Strafanzeige gegen D. C. mit der Begründung, dieser habe versucht, sexuelle Handlungen an ihrem Sohn vorzunehmen. Einem ärztlichen Attest zufolge wies der ZweitBf. eine Wunde im Analbereich auf, die durchaus von einem sexuellen Missbrauch herrühren konnte. In der Folge wurden die Bf., D. C. und mehrere Zeugen befragt. Letztere gaben an, der ZweitBf. habe ihnen gegenüber behauptet, von seinem Vater sexuell missbraucht worden zu sein. Ferner habe sich das Kind anderen Kindern unsittlich genähert. Sowohl die ErstBf. als auch D. C. wurden einem Lügendetektortest unterzogen. Dieser ergab bei Ersterer Anzeichen für Unaufrichtigkeit bei der Beantwortung der Frage, ob nicht sie selbst (mit Hilfe von anderen) das Delikt begangen hätte (um es ihrem Ex-Gatten anzulasten), während die Aussagen von Zweiterem durchaus wahrheitsgemäß erschienen. Der ZweitBf. gab an, gerne mit seinem Vater zusammen zu sein und dass dieser ihm einen "Schlauch in das Gesäß eingeführt habe".

3 Bsw 29032/04 Im August 1998 entschied die von der ErstBf. angerufene "Kommission zum Schutz von Kindern", den ZweitBf. aus Sicherheitsgründen vorläufig in behördliche Obsorge zu nehmen. Den Eltern wurde gestattet, ihr Kind einmal pro Woche zu sehen. Am 5.10.1999 hob die Kommission diese Entscheidung auf Antrag der ErstBf. auf und ordnete an, dass ihr Sohn nun bei ihr leben solle. Am 3.3.2000 entschied die Staatsanwaltschaft, gegen D. C. keine Anklage zu erheben. Die Oberstaatsanwaltschaft hob den Beschluss jedoch auf und ordnete die Fortführung der strafrechtlichen Untersuchung an. Im Mai 2001 beantragte die ErstBf. eine Einschränkung des Besuchsrechts von D. C., da dieser den ZweitBf. nach wie vor sexuell belästige. Mit Urteil vom 16.4.2002 wies das Bezirksgericht Bukarest das Begehren mit der Begründung ab, die ErstBf. versuche bereits seit langem, Kontakte von D. C. zu seinem Sohn zu unterbinden. Der wahre Grund für die Scheidung sei außerdem der 1995 erfolgte Austritt von D. C. aus der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas gewesen. Ein Rechtsmittel der ErstBf. wurde am 5.2.2004 rechtskräftig abgewiesen. Am 16.7.2003 entschied die Staatsanwaltschaft neuerlich, keine Anklage gegen D. C. zu erheben. Ein dagegen erhobener Einspruch der ErstBf. wurde vom Bezirksgericht Bukarest unter anderem mit dem Hinweis abgewiesen, angesichts der Zeugenaussagen, der eingeholten psychiatrischen Gutachten und der Ergebnisse des Lügendetektortests reiche die Beweislage für eine Anklage nicht aus. Bezüglich der Behauptung des ZweitBf., sein Vater habe ihm einen Schlauch in das Gesäß eingeführt, könne es sich dabei allenfalls um ein Delikt isv. 180 Abs. 1 Strafgesetz handeln (Zufügung körperlicher Schmerzen), das

4 Bsw 29032/04 vom Betroffenen anzuzeigen wäre. (Anm: Laut 180 Abs. 3 Strafgesetz kann für den Fall, dass die strafbare Handlung von einem Familienmitglied begangen wurde, auch die Staatsanwaltschaft strafrechtliche Schritte einleiten.) Rechtsausführungen: Die Bf. behaupten Verletzungen von Art. 3 EMRK (hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung), Art. 6 Abs. 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) alleine und in Verbindung mit Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot), Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und von Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz). Vorbemerkung Die Regierung bringt vor, die ErstBf. sei nur als rechtmäßige Vertreterin des ZweitBf., nicht jedoch als Bf. anzusehen. In einem an den EGMR adressierten Brief vom 1.3.2006 habe sie nämlich ausdrücklich festgehalten, sich lediglich im Namen ihres Sohnes zu beschweren. Besagter Brief stellte eine Antwort der ErstBf. auf ein Schreiben des GH dar, in dem er sie um Bekanntgabe ersucht hatte, ob sie die Beschwerde unter Art. 3 EMRK in eigenem Namen oder in jenem ihres Sohnes verfolge. Im Lichte dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die ErstBf. ihren Status als Bf. in allen Beschwerdepunkten mit Ausnahme von Art. 3 EMRK aufrecht hielt. Zur Zulässigkeit Die Bf. behaupten, das Versäumnis der Gerichte, dem ZweitBf. angemessenen Schutz vor mutmaßlichen Akten sexueller Gewalt durch seinen Vater zu gewähren, ferner die Trennung der ErstBf. von ihrem Kind und das Fehlen effektiver Rechtsmittel dagegen würden eine Verletzung der

5 Bsw 29032/04 positiven Verpflichtung des rumänischen Staats gemäß den Art. 3, 8 und 13 EMRK darstellen. Die Regierung bringt vor, die Beschwerdepunkte unter den Art. 3 und 8 EMRK seien nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist erhoben worden, da das diesbezügliche S - chreiben dem GH erst am 17.11.2004 zugegangen sei, während die Frist bereits am 5.11.2004 sechs Monate nach der am 5.5.2004 erfolgten Zustellung des rechtskräftigen Urteils vom 18.3.2004 abgelaufen wäre. Der GH hält fest, dass das erwähnte Schreiben den Poststempel des Bukarester Postamts trägt, der vom 5.11.2004 datiert. Die Bf. haben somit ihre Beschwerde noch fristgerecht eingebracht. Der Einwand der Regierung ist daher zurückzuweisen (einstimmig). Die Beschwerdepunkte sind weder offensichtlich unbegründet noch aus einem anderen Grund unzulässig und daher für zulässig zu erklären (einstimmig). Zur behaupteten Verletzung der Art. 3, 8 und 13 EMRK Der GH wird den Fall vorerst unter dem Blickwinkel der Art. 3 und 8 EMRK prüfen. Zum angemessenen Schutz des ZweitBf. vor den mutmaßlichen sexuellen Übergriffen durch D. C. Der GH erinnert an seine ständige Rechtsprechung, wonach aus Art. 3 und Art. 8 EMRK eine positive Verpflichtung des Staats resultiert, strafrechtliche Bestimmungen vorzusehen, die sexuellen Missbrauch von Kindern ahnden und diese Bestimmungen in der Praxis im Wege effektiver Strafverfolgung bzw. strafrechtlicher Untersuchungen auch umzusetzen. Im vorliegenden Fall reagierten die rumänischen Behörden durchaus mit Umsicht auf das Ersuchen der ErstBf.,

6 Bsw 29032/04 ihren Sohn einstweilig in behördliche Obsorge zu nehmen und ihm den notwendigen Schutz vor dem behaupteten sexuellen Missbrauch durch D. C. angedeihen zu lassen. Sie sahen sich zweifellos einer schwierigen Aufgabe gegenüber, da sie mit einer sensiblen Situation, einer widersprüchlichen Darstellung der Ereignisse und mit fehlenden direkten Beweisen konfrontiert waren. Andererseits hätte die Existenz mit - einander im Konflikt stehender Interessen der Parteien eine Bewertung des Kontexts der getätigten Äußerungen und eine Überprüfung der Begleitumstände erfordert. Man unternahm jedoch wenig, um die Glaubwürdigkeit der von den Parteien geschilderten Version der Ereignisse und jene der von ihnen benannten Zeugen zu hinterfragen. Insbesondere wurde kein Versuch gemacht, die Ursachen des auffälligen Verhaltens des ZweitBf. gegenüber anderen Kindern, das von zwei Zeugen beobachtet worden war, zu ergründen. Dazu kommt, dass es die Staatsanwaltschaft verabsäumte, entgegen der Weisung der Oberstaatsanwaltschaft neue Beweise aufzunehmen und sich ausschließlich auf altes Beweismaterial stützte. Schließlich schenkte das Bezirksgericht Bukarest der von ihm selbst aufgeworfenen Frage keinerlei weitere Beachtung nämlich ob das Verhalten von D. C. nicht einen Tatbestand isv. 180 Abs. 1 Strafgesetz verwirklicht haben könnte und unterließ es, die Frage der Einleitung einer strafrechtlichen Untersuchung aus eigenem Antrieb zu prüfen, wie dies in 180 Abs. 3 leg. cit. vorgesehen ist. Zudem gingen die Behörden nicht näher auf die mögliche Verwicklung der ErstBf. in den sexuellen Missbrauch ihres Sohns ein. Der GH ist der Auffassung, dass die Behörden jedwede Fakten zu erkunden haben und auf der Basis einer Bewertung aller Begleitumstände vor allem dann zu einer Entscheidung kommen müssen, wenn direkte Beweise in Form

7 Bsw 29032/04 von Anzeichen von Gewalt vorliegen. Darüber hinaus ist das Kindeswohl im Auge zu behalten. Im vorliegenden Fall haben die Behörden jedoch nicht alle Optionen erkundet, um zu einer gründlichen Untersuchung der Angelegenheit zu gelangen. Es ist ihnen der Vorwurf zu machen, nur wenig Gewicht auf die besondere Verwundbarkeit bzw. die speziellen psychologischen Faktoren beim sexuellen Missbrauch von Kindern gelegt zu haben. Ferner gab es signifikante Verzögerungen bei der Untersuchung: Nach seiner Zurückverweisung lag der Fall ein Jahr und zehn Monate bei der Staatsanwaltschaft, ohne dass neue Beweise aufgenommen wurden. Im Lichte dieser Umstände kommt der GH zu dem Ergebnis, dass der rumänische Staat seiner positiven Verpflichtung nicht gerecht wurde, ein strafrechtliches System einzurichten bzw. effektiv umzusetzen, mit dem jedwede Form von sexuellem Missbrauch geahndet wird. Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK (6:1 Stimmen; Sondervotum von Richter Myjer). Zur Trennung der ErstBf. von ihrem Sohn und zum eingeschränkten Besuchsrecht Der GH erinnert daran, dass es die ErstBf. war, die wegen der gewalttätigen Atmosphäre innerhalb der Familie einen Antrag bei den Behörden stellte, ihren Sohn zeitweilig in einer staatlichen Einrichtung unterzubringen. Die Behörden entschieden von sich aus, diese Maßnahme aufrecht zu erhalten, um die Sicherheit des Kindes während der anhängigen strafrechtlichen Untersuchung gegen seinen Vater gewährleisten zu können. Die ErstBf. hat diese Entscheidung zu keiner Zeit angefochten. Der ZweitBf. war etwas mehr als ein Jahr in behördlicher Pflege und hatte wöchentlichen Kontakt mit beiden Elternteilen. Ferner wurde

8 Bsw 29032/04 die Maßnahme auf Antrag der Mutter beendet und das Kind danach mit ihr wiedervereint. Der GH sieht auch keinerlei Anhaltspunkte, dass sich der wöchentliche Kontakt des ZweitBf. mit seinem Vater nachteilig auf seine Entwicklung auswirkte. Die Einräumung eines Besuchsrechts an D. C. stellte somit keine unausgewogene Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen aller Parteien dar. Unter diesen Umständen zeigten die Behörden den in derartigen delikaten Situationen erforderlichen Grad an Umsicht und Wachsamkeit. Keine Verletzung von Art. 8 EMRK hinsichtlich der ErstBf. (einstimmig). Angesichts dieser Feststellungen sieht der GH keinen Anlass zu einer gesonderten Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 13 EMRK im Hinblick auf beide Bf. (einstimmig). Zur behaupteten Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK alleine und ivm. Art. 14 EMRK Die Bf. behaupten eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren, da die Gerichte die von der ErstBf. gegen D. C. erhobene Zivilklage auf Einschränkung von dessen Besuchsrecht hauptsächlich aus Gründen ihrer Religionszugehörigkeit und wegen der Entscheidung der Staatsanwaltschaft, keine Anklage gegen ihren Ex-Gatten zu erheben, abgewiesen hätten. Zum Umfang der Prüfung Der GH hält mit Rücksicht auf seine Feststellungen zu Art. 3 und 8 EMRK eine gesonderte Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 6 EMRK alleine oder ivm. Art. 14 EMRK nur im Hinblick auf die ErstBf. nicht jedoch auf den ZweitBf. für notwendig (einstimmig). In der Sache

9 Bsw 29032/04 Im gegenständlichen Fall bewerteten die rumänischen Gerichte im Zuge der Prüfung des Antrags der ErstBf. auf Einschränkung des Besuchsrechts von D. C. die ihnen zur Verfügung stehenden Beweise, wobei sie stets das Kindeswohl in Betracht zogen. Den Aussagen von Zeugen und Sachverständigen zufolge liefen die Treffen zwischen dem ZweitBf. und D. C. normal ab und freute sich das Kind jedes Mal, seinen Vater zu sehen. Letzterer war auch zu keiner Zeit wegen gewalttätigem oder anderem unrechtmäßigen Verhalten gegenüber seinem Sohn strafrechtlich verurteilt worden. Der GH nimmt auch Notiz vom Bestreben der Gerichte, dafür Sorge zu tragen, das Recht jenes geschiedenen Elternteils, dem nicht das Sorgerecht übertragen worden ist, auf Aufrechterhaltung persönlicher Kontakte mit seinem Kind zu wahren. Sie betrachteten die besten Interessen aller Parteien, einschließlich des Kindeswohls, als vorrangig. Die Beweggründe dafür waren relevant und ausreichend sowie frei von Willkür oder Unfairness. Was nun die Behauptung der ErstBf. anlangt, sie wäre von den nationalen Gerichten aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen diskriminiert worden, kann im vorliegenden Fall nicht gesagt werden, diese hätten die Angelegenheit auf der Basis von deren religiöser Zugehörigkeit entschieden. Es trifft zwar zu, dass das Bezirksgericht Bukarest auf die Religion der ErstBf. Bezug nahm. Das betreffende Urteil wurde jedoch nicht rechtskräftig und es liegen keinerlei Beweise vor, dass die übergeordneten Instanzen ähnliches Gewicht auf die religiösen Überzeugungen der ErstBf. legten. Angesichts dieser Umstände ist festzustellen, dass eine unterschiedliche Behandlung der Elternteile durch die Gerichte objektiv gerechtfertigt war. Keine Verletzung von Art. 14 ivm. Art. 6 EMRK im Hinblick auf die ErstBf.

10 Bsw 29032/04 Angesichts dieser Feststellungen sieht der GH von einer Prüfung der behaupteten Verletzung von Art. 6 EMRK alleine ab (einstimmig). Entschädigung nach Art. 41 EMRK 13.000, an den ZweitBf. für immateriellen Schaden; 500, an beide Bf. für Kosten und Auslagen (6:1 Stimmen; Sondervotum von Richter Myjer). Vom GH zitierte Judikatur: Rasmussen/DK v. 28.11.1984 = EuGRZ 1985, 511 Hoffmann/A v. 23.6.1993 = NL 1993/4, 27 = ÖJZ 1993, 853 = EuGRZ 1996, 648 Palau-Martinez/F v. 16.12.2003 = NL 2004, 12 Hinweis: Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 27.9.2011, Bsw. 29032/04 entstammt der Zeitschrift "Newsletter Menschenrechte" (NL 2011, 291) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt. Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf- Format): www.menschenrechte.ac.at/orig/11_5/m. und C..pdf Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.