VDI MEG Pflanzenschutztechnik: Sensorik nimmt dem Landwirt mehr und mehr Entscheidungen ab 270 Teilnehmer diskutierten auf der Tagung Land.Technik für Profis 2016 bei der Firma Lemken in Alpen die Zukunft in der Pflanzenschutztechnik. Im Fokus: Die genaue Aufbringung auf der Zielfläche. Besonders interessant war der Blick über Deutschlands Grenzen hinaus. Amazone Gezielte Behandlung von Einzelpflanzen mit Sensortechnik ist dies möglich.
Die Flugdrohne dreht über dem Vorgewende, um die letzten drei Hektar des Winterweizenschlages zu scannen. Landwirt Eckard Meier sieht auf dem Monitor in der Kabine seines Pflanzenschutz-Selbstfahrers, wie der Rechner in Echtzeit die Ergebnisse des Drohnenflugs lädt. 15 Stundenkilometer schnell gleitet Meiers Selbstfahrer mit elektronisch geregeltem Gestänge über den Bestand. Auf seinem Display sieht er, wie viel Hektar und wie viele Minuten er noch zu spritzen hat. Restmengen und Reinigung des Tanks sind kein Thema, Meiers Spritze arbeitet mit Direkteinspeisung. Er steckt lediglich die handlichen Patronen mit Wirkstoff in die Aufnahme links an der Spritze. Der Barcodescanner erkennt das Mittel automatisch und dosiert es, wie es die Empfehlung des Schadschwellenmonitoring, verrechnet mit aktuellen Klimadaten, online vorgibt. Meier schaltet seinen Monitor um. Jetzt sieht er die Ergebnisse der Benetzungssensoren, die er im Bestand gerade mit seinem Gestänge passiert hat. Nicht ganz optimal, murmelt er. Er bestätigt den Vorschlag des Systems, auf eine feintropfigere Düse zu wechseln, per Fingertipp. Der verringerte Wind und die zunehmende Luftfeuchte machen den Einsatz der feintropfigeren Düsen möglich. Durch den verringerten Wasseraufwand kann er auch den Mittelaufwand herunterfahren. Die Konzentration in der Brühe bleibt gleich, die Benetzung ist besser, wieder hat er ein paar Euro Pflanzenschutzmittel eingespart Jetzt geht es mehrere Minuten mit der automatischen Lenkung geradeaus. Meier nutzt die Zeit, um sich per Knopfdruck noch einmal die Ertragswerte des letzten Jahres, als hier Raps stand, aus seiner Schlagkartei aufzurufen. Meier leistet sich heute nach längerer Zeit den Luxus, mal wieder auf seiner Spritze mitzufahren. Normalerweise arbeitet diese total autonom. Aber wozu ist man Landwirt, wenn man gar nicht mehr über die eigenen Flächen fährt und sich nur noch auf die Drohnenbilder und Messsensoren verlässt, fragt er sich. Die Zeiten, als man sich beim Befüllen der Spritze in Vollschutz hüllte, als man noch selbst lediglich mit zwei bis drei Mitteln in der Mischung über den Acker fuhr, kennt Meier nur aus Erzählungen seines Vaters. Fazit Bei Behältergrößen, Gestängebreiten und Gewichten ist in der Pflanzenschutztechnik bereits viel ausgereizt. Möglichkeiten zur Optimierung bieten vor allem die bessere Nutzung von Wetterdaten, die automatisch eine Düsenempfehlung geben. In Zukunft nimmt die Sensorik dem Landwirt mehr und mehr Entscheidungen ab. Das eingangs beschriebene Szenario ist von den technischen Voraussetzungen bereits heute weitgehend möglich. Bis es zum Alltag gehört, dauert es sicherlich noch einige Jahre.
Konstruktionsleiter Gottf
Landwirt Henning Schoo Mit rund 270 Teilnehme
Berater Harald Kramer:
Christoph Schulte-Stent
An der Podiumsdiskussi
Ökologie und Wertkonservatismus schließen sich für Schoof gegenseitig nicht aus. Die Landwirtschaft müsse nicht bei jeder den Pflanzenschutz betreffenden gesetzlichen Vorgabe aufschreien. Wer fachmännisch Pflanzenschutz praktiziert, könne dies auch selbstbewusst und überzeugend Nichtlandwirten erläutern. Aber die Landwirte müssten sich vorhandenen Problemen stellen, so Schoof. Die Gewässerbelastung mit Pflanzenschutzwirkstoffen sei zu 50 Prozent auf sogenannte Punkteinträge, z.b. durch das Reinigen der Spritze auf dem Hof, zurückzuführen. Spritzenreinigung gehört auf den Acker. Dies gewähre die beste biologische Abbaubarkeit, betonte der Pflanzenschutzberater der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Harald Kramer. Er befürwortet die Investition in eine automatische Tankinnenreinigung, die seinen Praxiserfahrungen nach die Spritzhygiene deutlich erhöht. Wenn es zügig und einfach geht, dann ist das Spülen und Ausbringen der Spülflüssigkeit möglichst in einem Spritzfenster auf dem Acker die beste Lösung, so Kramer. Die Spritze soll einfach und sicher, ohne dass der Landwirt mit Pflanzenschutzmittel in Kontakt kommt, befüllt werden. In Alpen stellten verschiedene Referenten geschlossene Befüllsysteme vor, die eine genaue Dosierung ohne Kontamination von Anwender und Umwelt vereinfachen. Apropos Wirkstoffe: Hier befürchtet Dr. Friedrich Dechet, der als Vertreter des Industrieverbandes Agrar die Unternehmen der Agrarchemie vertritt, dass ein Paradigmenwechsel der Zulassungsbehörden im schlechtesten Fall bis zu drei Viertel der Getreideherbizide aus dem Markt werfen kann. Der Umschwung von der bisher risikobasierten Bewertung eines Pflanzenschutzmittels zu einer gefahrenbasierten Betrachtung erschwere für viele Wirkstoffe die Wiederzulassung, so Dr. Dechet. Zeit sparen bei der Befü Pflanzenschutzmittel gezielter auszubringen, diesen Ansatz zur Schonung der Umwelt und des Geldbeutels verfolgt das Julius Kühn Institut (JKI) in Braunschweig mit der teilflächenspezifischen Behandlung und Direkteinspeisung. Dr. Jens-Karl Wegener vom JKI stellte die gemeinsam mit Dammann entwickelte Fünfkammer Spritze mit einem Direkteinspeisesystem von Raven vor. Neben einem Tank für Frischwasser und einem für Spülwasser stehen drei weitere für drei Pflanzenschutzmischungen zur Verfügung. Um eine kurze Reaktionszeit von der Sensorerkennung bis zum gezielten Sprühausstoß zu erreichen, hat jeder Tank eine eigene Düsenleitung, die mit Spritzbrühe vorgeladen ist. Eine weitere Verbesserung der Sensortechnik, online oder offline, kann dieses System der Praxisreife einen Schritt näher bringen, so Dr. Wegener. Möglichst ausschließlich die Zielfläche, sei es der Boden oder ein Bestand, mit der erforderlichen Wirkstoffmenge zu benetzen, dieser Aufgabe stellten sich die in Alpen vertretenen Düsenhersteller. Injektordüsen und die Doppelflachstrahldüse sind in Deutschland verbreitet. Droplegs, hier sitzen die Düsen an beweglichen Schläuchen, die durch den Bestand gleiten, könnten ein Beitrag sein für beste Benetzung der Zielfläche und bei Raps die Belastung der Bienen in der Blüte reduzieren.
Powered by TCPDF (www.tcpdf.org) Einen Blick über die Entwicklungen der Pflanzenschutztechnik weltweit warf Christoph Schulte-Stentrup, vom Hersteller Hardi. Seinen Angaben nach werden weniger als fünf Prozent der gesamten Pflanzenschutzgerätepopulation jedes Jahr neu verkauft. Das heißt, technische Neuerungen brauchen eine längere Zeit, bis sie in der Breite der Geräte Einsatz finden. Die Anforderungen der Praktiker an die Spritzenkonstrukteure lauten: Mehr Fläche pro Zeit, höhere Präzision und mehr Anwendersicherheit. Beim Thema Komfort sieht der Pflanzenschutzexperte bei Neugeräten die automatische Reinigung sowie Gestängesteuerung und gefederte Fahrwerke auf dem Vormarsch. Große Behälter, weniger Wasseraufwand, weite Gestängebreiten, schnelleres Spritzen und weniger Nebenzeiten seien die Forderungen der Landwirte. Als Beispiel für lokale Unterschiede nannte Schulte-Stentrup Frankreich und die Niederlande: In beiden Ländern ist das Ertragsniveau bei Getreide hoch. Franzosen fahren aber oft schneller als 15 km/h mit lediglich 100 Litern Brühe, die sie pro Hektar versprühen. Der niederländische Bauer setzt dagegen 200 l/ha ein, fährt nur 6 km, dafür aber mit einem breiteren Gestänge. Bei der Düsenfrage seien sich die meisten Ackerbauern einig. Die grobtropfigen Injektordüsen haben sich trotz der schlechteren Benetzung aufgrund der gesetzlichen Vorgaben durchgesetzt. Für die gleichmäßige Verteilung des Wirkstoffes auf der Zielfläche setzt der Kunde eine schnelle Regelung der Flüssigkeit voraus. Automatische Teilbreitenschaltungen, möglichst in kleinen Segmenten sowie geringe Restmengen helfen, Überlappungen und Fehlstellen zu vermeiden. Das spart Kosten, vermeidet Resistenzen und schont die Umwelt. Systeme, die möglichst schnell die Aufwandmengen regeln können, liegen daher im Trend. In den USA werden daher bei Großgeräten direkt regelbare Kreiselpumpen aufgebaut. Ein Druckregelventil ist nicht mehr notwendig. In Europa ist die Membranpumpe mit Regelventil noch Standard. Sieht so der Pflanzenschutz in 15 Jahren aus? Die Antwort auf diese Fragen diskutierten die 270 Teilnehmer der Tagung Land.Technik für Profis 2016. Unter der Regie von DLG und der Max-Eyth-Gesellschaft Agrartechnik im VDI. Gastgeber dieser Veranstaltung am 17. und 18. Februar war die Firma Lemken in Alpen, die mit ihrem einen Tag zuvor offiziell eröffnetem Entwicklungswerk (eilbote 9/2016) einen passenden Rahmen bot. Die Tagungsgä-ste fanden reichlich Platz in den neuen Hallen, in denen jetzt Maschinenversuche laufen. In Alpen entwickelt Lemken Maschinen für die Bodenbearbeitung, Drill- sowie Pflanzenschutztechnik. Die Tagung versteht sich als Diskussionsplattform für Landwirte, Wissenschaftler und Landmaschinenhersteller, wobei als Gäste die Landwirte im Fokus stehen. Diese fühlten sich durch die Einladung so zahlreich angesprochen, dass die Veranstalter die Teilnehmerzahl begrenzen mussten, um den Rahmen nicht zu groß werden zu lassen. Über 16 Redner, Moderatoren und Podiumsdiskutanten gestalteten die Veranstaltung, aus der wir hier einige Aspekte herausgreifen: Pflanzenschutz geschieht nicht im Verborgenen, sondern wird von der Öffentlichkeit sehr sensibel verfolgt. Das Befüllen der Spritze mit den Mitteln passiert günstigerweise lieber an einem von der Straße aus weniger gut einzusehenden Platz auf dem Hof. Wenn sich der Landwirt dann dabei auch noch vorschriftsmäßig zum Eigenschutz mit Einmaloverall, Schutzhandschuhen und Gesichtsspritzschutz ausrüstet, ist der Schreck für den Laien zu groß. Um bei Nachbarn mehr Verständnis für die Notwendigkeit des Pflanzenschutzes zu gewinnen, sind auch die Landwirte gefordert, über diese Arbeit zu informieren. Als ein Beispiel nannte der vortragende Landwirt Henning Schoof er bewirtschaftet mit mehreren Partnern 1.300 ha im Lipper Land Aktionen wie Schaufenster Pflanzenschutz. Hier lassen die Landwirte vorzugsweise an viel frequentierten Wegen Spritzfenster und erklären auf Schildern, warum die Melde an dieser Stelle die jungen Rübenpflanzen komplett überragt. In einigen Märkten ist auch die Direkteinspeisung wieder ein Thema. Moderne Systeme können mehrere Mischstationen steuern und von Applikationskarten gestützt Pflanzenschutzmittel punktgenau ausbringen. Als Smart-Farming Lösungen beschreibt Schulte-Stentrop variable Düsenschaltungen mit zwei bis vier Düsen, die in Echtzeit auf Sensorinformationen reagieren können. Dual-Line Systeme seien in Australien bei modernen pendelgesteuerten Gestängen weit verbreitet. Eine zweite Düsenleitung ermöglicht dabei den Wechsel zwischen zwei Düsengrößen. Pulsierende Düsen variieren die Ausbringmenge durch Öffnen und Schließen der Düsen mit 10 bis 50 Hz. Laut Schulte-Stentrop gibt es hier noch Testbedarf. In Nordamerika seien diese Düsen aber bereits in größerer Stückzahl auf dem Markt.