Lebensqualität am Lebensende Was genau ist das eigentlich? Anna Wullenkord (SAPV Team Essen) Krankenschwester, Fachpflegekraft für Onkologie und Palliative Care Hedwigstr.14 44809 Bochum
Unsere Pflege ist von guter Qualität! Wir arbeiten nach hohen Qualitätsstandards. Die Qualität unserer Ausbildung ist in den letzten Jahren deutlich verbessert worden. Unser Ziel ist es, die Lebensqualität der Kranken & Sterbenden zu erhalten oder zu verbessern. Sätze, die wir immer wieder hören und sagen. Doch schafft unsere Arbeitsqualität auch Lebensqualität?
Qualität (lat.) bedeutet: Beschaffenheit, Eigenschaft, Zustand Obwohl die Bezeichnung Qualität in sich keine Bewertung beinhaltet, wird dieser Begriff in unserem Sprachgebrauch mittlerweile gleichbedeutend mit Gu te/norm verstanden
Definition der WHO Lebensqualität ist die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen in denen sie lebt und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen. Über die Frage, welche Bereiche zur Lebensqualität zählen, gibt es unterschiedliche Auffassungen
Lebensqualität umfasst in Anlehnung an Gesundheit das körperliche, psychische und soziale Befinden eines Individuums (WHO 1949) Verschiedene Autoren beschreiben, dass Lebensqualität weniger die objektive Verfügbarkeit von materiellen und immateriellen Dingen umfasst, sondern den Grad, mit dem ein vom Einzelnen erwünschter Zustand an körperlichem, psychischem und sozialem Befinden auch tatsächlich erreicht wird. Wikipedia
Es genügt nicht nur am Leben zu sein, man muss auch ein Leben haben Erich Loewy 6
Wertschöpfungsfaktoren in der LQ-Spirale Verlässlichkeit: Sicherheit ist der eine Pol von Lebensqualität, Wandel der andere Entlastung: von ungeliebten Tätigkeiten und Verpflichtungen. Unnötige Belastungen reduzieren Lebensqualität Qualität: Lebens-Qualität heißt nicht zufällig so. Qualität erhöht das Leben. Wobei der Mensch bestimmt, was Qualität ist Wissen: Die Kunst, ein geglücktes Leben zu führen, erfordert Wissen auf allen Ebenen des Lebens Numinosum: Qualität enthält immer auch einen Rest von Unerklärbarem, ein Geheimnis
Im Hinblick auf das Wohlergehen von Patienten im weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung wird häufig der Begriff Lebensqualität verwendet. Lebensqualität ist für Palliative Care ein Schlu sselbegriff, wie folgende Definitionen zeigen:
Palliativmedizin ist die Behandlung von Patienten, mit einer nicht heilbaren, progredienten und weit fortgeschrittenen Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung, für die das Hauptziel der Begleitung die Lebensqualität ist. (Deutsche Gesellschaft fu r Palliativmedizin, 1996) Palliative Care ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen belastenden Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art. (WHO 2002)
Lebensqualität des Tumorpatienten Ich lernte, die Krankheit als einen Teil meiner Person zu akzeptieren, meine körperliche Reduziertheit nicht als eine Minderung meiner Person zu erleben. Mehr und mehr wurde meine Krankheit zu einem Stadium des persönlichen Lernens und Wachsens, zu einer Reise zu mir selbst, zu neuen Erfahrungen und Erkenntnissen Anne Marie Tausch (1981) in: Gespräche gegen die Angst. Rowohlt, Reinbeck
Freunde Familie
lebensqualitätsmindernde Faktoren bei Tumorpatienten Physische Faktoren Verlust der körperlichen Integrität Belastende Begleitsymptome durch Erkrankung und Therapie Körperliche Schwäche Psychische Faktoren Angst (vor Schmerzen, Tod, Abhängigkeit) Depression Aversiv erlebte Therapieformen
Lebensqualität -Todessehnsucht Es kommt immer wieder vor, dass Patienten den Wunsch nach assistierten Suizid äußern, bzw. die Frage stellen, warum diese selbstbestimmte Form des Sterbens in Deutschland nicht erlaubt ist allerdings wünschen sich schwerkranke Menschen, die den Wunsch sterben zu wollen, nicht zwingend den sofortigen Tod, sondern oftmals das Ende einer unerträglichen Situation wie z.b. Unzureichende Symptomlastlinderung Angst vor medizinischer Überversorgung Angst vor dem Verlust körperlicher Fähigkeiten Entstellende Wunden Angehörigen zur Last zu fallen
Lebensqualität -Todessehnsucht Die Äußerung von Sterbewünschen kann als ein Zeichen des Vertrauens gewertet werden Es kann ein vorsichtig tastender Versuch sein auszuloten, ob sich das Gegenüber auf eine solche tiefe und existentielle Frage einlässt Die Gespräche darüber, können eine große Entlastung ( denken dürfen ) für die Betroffenen sein und eine Bereicherung der Team-Patienten- Beziehung bedeuten
Mit dem Begriff der Lebensqualität, gehen wir innerhalb der professionellen Pflege oft sehr selbstsicher um. Doch was heißt dies konkret?
Palliatives Netzwerk Essen Ziel unserer palliativen Versorgung ist es, die Lebensqualität der Schwerkranken und ihrer Angehörigen so zu verbessern, dass sie in der schweren Zeit von Krankheit so bewusst, zufrieden und symptomfrei wie möglich in ihrem vertrauten Umfeld leben und sterben können und wir definieren es so.
Umsetzung unserer Ziele: Die Würde und Selbstbestimmung zu wahren und zu fördern Dem Wunsch nachzugehen, in vertrauter Umgebung zu sterben und nicht allein gelassen zu werden Für ausreichende Symptomlastlinderung zu sorgen Gefühle von Angst und Trauer zu begleiten Die Zeit des Abschiedsnehmens in enger Verbindung zu den Angehörigen und Freunden zu gestalten
Persönliche Gespräche bei 11 Palliativpatienten (39 87Jahren) 8 Patienten äußerten trotz guter Symptomlastlinderung Einschränkungen in ihrer LQ durch körperliche Beschwerden wie: Luftnot und Hustenreiz Übelkeit und Erbrechen Schmerzen Lymphödeme Gestörter Nachtschlaf Wunden 3 gaben keinerlei körperliche Beschwerden an
Persönliche Gespräche bei 11 Palliativpatienten (7 weibl. & 4 männl.) Als weitere Einschränkungen wurden empfunden: wegen unserer Versorgung zu Hause sein zu müssen nicht Essen & Trinken zu können (PEG, Port) spüren von Wesensveränderungen & abnormen Reaktionen, verbunden mit Schamgefühlen an das Haus gebunden zu sein, wegen zeitweiser massiven Diarrhoen extrem eingeschränkte Mobilität durch Drainagen (Pleura, Aszites), Port, PEG, PCA- Pumpe, Wundverbände
Persönliche Gespräche bei 11 Palliativpatienten mit verschiedenen TU Lebensqualität bedeutet für mich: Zeit mit der Familie zu verbringen Arbeiten gehen Shoppingtouren/ Spaziergänge um dem Alltag entfliehen zu können für den Ehemann kochen können nach Polen zur kranken Mutter fahren Familienfeste zu erleben (Hochzeit, Geburtstag) wieder lange Haare zu haben jeden guten Tag zu genießen Kaffee trinken und rauchen
Meine Erkenntnis aus den Gesprächen Trotz guter Symptomlastlinderung scheint dies oft sehr subjektiv zu sein und die Patienten empfinden doch ganz anders. Nicht abänderbare Symptome, technische Geräte und Präsenz von medizinischem Personal führen z.t. zu erheblichen Einschränkungen der LQ Lebensqualität bei fortgeschrittenen Erkrankungen und mit dem Blick auf das Ende des Lebens reduziert sich zum Teil auf die kleineren, doch eher bescheidenen Dinge
Lebensqualität ist dem eigenen Lebensentwurf entsprechende Daseinserfüllung (Aulbert, Zech) Das Missverhältnis zwischen Erwartungen und Realität stört den Patienten am meisten - je größer die Abweichung, desto schlechter wird die Lebensqualität empfunden. Eine Verbesserung der Lebensqualität ist möglich durch: Realistische Korrektur der Erwartungen (Adaptation); hier ist Unterstützung bei der Akzeptanz gefragt Verbesserung der aktuellen Situation (Symptomkontrolle)
Cicely Saunders 22.06.1918 14.07. 2005 Es geht nicht darum, dem begrenzten Leben Zeit hinzuzugeben, sondern alles daran zu setzen, der begrenzten Zeit Leben zu geben.
Lebensqualität ist also subjektiv multidimensional und umfasst die körperliche, die psychische, die soziale und die spirituelle Dimension auf Selbstbeschreibung beruhend wandelnd und dynamisch kulturell verschieden
Individuelle Lebensqualität Quality of life is whatever the patient says it is. Prof. d. Psych. Dr. Ciaran O Boyle, Dublin
Das Leben ist eine Reise. Glück finden wir auf dem Weg, nicht am Ziel Palliativpatientin,91 Jahre
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit