Das Bundesteilhabegesetz Weiterentwicklung des Teilhaberechts - Reform der Eingliederungshilfe Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller, MdB 1
Inhaltsverzeichnis 1. Einordung der Reform 2. Ausgaben 3. Geltende Rechtslage 4. Bewusstseinswandel 5. Koalitionsvertrag 6. Ziele des Bundesteilhabegesetzes 7. Bund-Länder-Finanzen 8. AG BTHG 9. Struktur des Gesetzes 10. Mögliche Regelungsinhalte 11. Inkrafttreten 12. Ausblick 2
1. Einordnung der Reform Mehr Teilhabe, mehr Selbstbestimmung NAP BTHG BGG SER Reform Maßnahmenkatalog Barrierefreiheit, Gleichstellung Sozialleistungen UN-Behindertenrechtskonvention 3
1. Einordnung der Reform BTHG PSG II/III Inklusive Lösung 4
1. Einordung der Reform Um wen und was geht es (i.w.s.)? Hilfe zum Lebensunterhalt 370 Tsd. Beeinträchtigungen 29 Mio. Behinderungen 16,8 Mio. Anerkannte Behinderungen 10,2 Mio. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 1,0 Mio. Anerk. Schwerb. 7,5 Mio. Versorgungsber. SER 206 Tsd. Empf. Egh 711 Tsd. Angaben: destatis 2013/2014 Teilhabebericht 2013 5
1. Einordung der Reform Leistungen für Menschen mit Behinderung: Systeme und Zuständigkeiten SGB XII Eingliederungshilfe SGB II, SGB XII Lebensunterhalt, Vertragsrecht SGB III Arbeitsförderung SGB V Krankenversicherung SGB VI Rentenversicherung SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe SGB XI Pflegeversicherung SGB IX Koordination und Zusammenarbeit Kultusbereich Leistungen für Schulund Hochschulbesuch 6
1. Einordung der Reform Um wen und was geht es (i.e.s.)? vorrangig um: 711 Tsd. Empfänger von Eingliederungshilfe (2014) aber unter anderen auch um: 180 Tsd. Arbeitslose mit Schwerbehinderung (BA, 2015) 1,72 Mio. Anträge auf Leistungen zur Medizinischen Reha bei der (DRV, 2014) 345 Tsd. Rentenneuanträge auf Erwerbsminderung (DRV, 2014) 7
1. Einordung der Reform Um wen und was geht es (institutionell)? Träger der Eingliederungshilfe: Kommunen und Länder 8
1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 in Mrd. Dynamik der Ausgaben: 2. Ausgaben- Entwicklung in der Egh 16 14 12 10 8 6 4 2 0 2,0% 1,8% 1,6% 1,4% 1,2% 1,0% 0,8% 0,6% 0,4% 0,2% 0,0% Nettoausgaben der Eingliederungshilfe (linke Skala) Anteil der Eingliederungshilfe am Sozialbudget Anteil der Eingliederungshilfe an den Gesamtausgaben der öffentlichen Hand 9
2. Ausgaben Ausgabeblöcke der Egh Die wichtigsten Ausgabenblöcke 2014: Insgesamt 16,4 Mrd. Euro brutto Hilfen zum Leben in betreuten Wohneinrichtungen 6,5 1,7 Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen 4,2 Heilpädagogische Leistungen für Kinder 0,8 0,4 Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung 0,8 0,4 Sonstige Leistungen der Eingliederungshilfe 0,3 0,1 Ausgaben in Einrichtungen Ausgaben außerhalb von Einrichtungen 10
2. Ausgaben Fallkosten in der Egh Die wichtigsten Ausgabepositionen: Durchschnittliche Fallkosten Eingliederungshilfe 2014 Hilfen zum Leben in einer betreuten Wohneinrichtung 30.016 Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung 16.610 Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen 15.129 Hilfen zum Leben in einer eigenen Wohnung oder einer Wohngemeinschaft 8.599 Heilpädagogische Leistungen für Kinder 7.040 *Fallzahlen = Empfänger im Laufe des Jahres insgesamt 11
Netto-Ausgaben in der EGH Fallkosten je Land im Jahr 2013 in Tsd. Euro* SH: 16 HH: 17 MV: 9 NI: 16 HB: 29 BE: 22 BB: 12 NW: 20 ST: 13 RP: 21 HE: 18 TH: 13 SN: 8 SL: 18 BW: 18 BY: 16 * Quelle: Sozialhilfestatistik, eigene Berechnungen 12
Netto-Ausgaben in der EGH Kosten je Einwohner 2013 in Euro* SH: 202 HH: 207 MV: 155 NI: 210 NW: 201 HB: 251 ST: 160 BE: 202 BB: 148 RP: 183 HE: 175 TH: 155 SN: 98 SL: 183 BW: 128 BY: 163 * Quelle: Sozialhilfestatistik, eigene Berechnungen 13
Brutto-Ausgaben im stationären Wohnen Fallkosten je Land im Jahr 2013 in Tsd. Euro* SH: 38 HB: 45 HH: 43 MV: 21 NI: 37 BE: k.a. BB: 34 NW: 47-49 ST: 30 RP: k.a. HE: 46 TH: 29 SN: 27 SL: 38 BW: 41 BY: 38-49 * Quelle: BAGüS Kennzahlenvergleich 14
2. Ausgaben - Prognose Prognose Eingliederungshilfe Bericht Verbesserung der Datengrundlage zur strukturellen Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung * der cons_sens GmbH prognostiziert für den Zeitraum von 2012 bis 2020: Steigerung der Zahl der Leistungsberechtigten um 24 Prozent (nach con_sens: von 751.000 auf 931.000) Steigerung der Ausgaben für die Eingliederungshilfe um 31 Prozent (nach con_sens: von 16,5 Mrd. Euro auf 21,6 Mrd. Euro). * Der Bericht ist das Ergebnis einer unabhängigen Forschungsleistung der con_sens GmbH. Er gibt nicht die Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wieder. 15
3. Geltende Rechtslage Handlungsbedarfe insbesondere: Defizitärer Behinderungsbegriff Sozialhilfe oftmals Ausfallbürge für unzureichende vorgelagerte Leistungssysteme Keine Wirksamkeitskontrolle Differenzierung der Leistungen nach ambulant und stationär Vielzahl von Verfahren zur Bedarfsermittlung/- feststellung und Hilfeplanung Beschränkung der Teilhabe am Arbeitsleben auf anerkannte WfbM In vollstationären Einrichtungen Rundum-Versorgung 16
4. Bewusstseinswandel Perspektivenwechsel im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention Von der Ausgrenzung zur Inklusion Von der Einrichtungs- zur Personenzentrierung Von der Fremd- zur Selbstbestimmung Von der Betreuung zur Assistenz Vom Kostenträger zum Dienstleister Von der Defizitorientierung zur Ressourcenorientierung Nichts über uns ohne uns! 17
5. Koalitionsvertrag Handlungsfähig in Bund, Ländern und Kommunen Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen Fürsorgesystem herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln. Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf orientieren und entsprechend eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen ermittelt werden. Leistungen sollen nicht länger institutionenzentriert, sondern personenzentriert bereit gestellt werden. Wir werden das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN- Behindertenrechtskonvention berücksichtigen. Menschen mit Behinderung und ihre Verbände werden von Anfang an und kontinuierlich am Gesetzgebungsprozess beteiligt. Dabei werden wir die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten der Menschen mit Behinderung so regeln, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht. 18
6. Ziele des Bundesteilhabegesetzes Entsprechend dem Koalitionsvertrag: 1. Verbesserung der Selbstbestimmung - Umsetzung der UN-BRK 2. Ausgabendynamik in der EGH brechen 19
7. Bund-Länder-Finanzen Verhinderung der Ausgabendynamik in der EGH: Die individuelle Gesamtplanung als Grundvoraussetzung für personenzentrierte Leistungsgewährung und -erbringung in der EGH wird verbessert. Die Steuerungsfunktion der Leistungsträger gegenüber den Leistungserbringern (Vertragsrecht) wird gestärkt Flankierend werden bei den Jobcentern und der DRV Initiativen gestartet, um den Zugang von Arbeitnehmern in das System der Eingliederungshilfe ( Quereinsteiger ) durch frühzeitige Unterstützungsangebote zu verringern. Gegenfinanzierung: Minderausgaben bei den Ländern aus Trennung Fachleistungen und Leistungen zum Lebensunterhalt entspricht ungefähr den Mehrausgaben für Verbesserungen bei der Anrechnung von Einkommen und Vermögen 20
7. Bund-Länder-Finanzen Entlastung der Kommunen: BMAS tritt dafür ein, dass die im Koalitionsvertrag verabredeten 5 Mrd. Entlastung unmittelbar bei den Kommunen wirksam wird Die 5 Mrd. Entlastung werden an die Verabschiedung des BTHG gekoppelt Die Übertragung einer beschränkten Gesetzgebungskompetenz an die Länder mit dem Ziel der Ausgabensteuerung ist nicht sinnvoll 21
8. Arbeitsgruppe Bundesteilhabegesetz Alle Infos zur AG BTHG: www.gemeinsam-einfach-machen.de 10
9. Struktur des Bundesteilhabegesetzes BTHG wird als Artikelgesetz ausgestaltet Artikel 1: Neufassung des SGB IX in drei Teilen Teil 1: Regelungen für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohte Menschen Teil 2: Eingliederungshilferecht Teil 3: Schwerbehindertenrecht Artikel 2 : Folgeänderungen in anderen Gesetzen 23
Verbindliche Teilhabeplanung Stärkung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation 10. Mögliche Regelungsinhalte Leistungen wie aus einer Hand- SGB IX, Teil 1 A B Ziel: Leistungen wie aus einer Hand durch Verbindliches Teilhabeplanverfahren für alle Rehabilitationsträger Für alle Rehaträger verbindliche Regelungen der Prävention, Bedarfsermittlung und Leistungskoordinierung (Schärfung 7 SGB IX) Stärkung der Rolle der BAR durch: Verbesserung der Zusammenarbeit der unter dem Dach der BAR befindlichen Rehabilitationsträger zu verbessern Mehr Transparenz über die Zusammenarbeit durch regelmäßigen Teilhabeverfahrensbericht 24
Komplexleistung Frühförderung Unabhängige Teilhabeberatung 10. Mögliche Regelungsinhalte Leistungen wie aus einer Hand- SGB IX, Teil 1 C D Gesetzliche Regelungen zur Komplexleistung werden präzisiert und verbindlicher ausgestaltet. Frühförderung wird als Komplexleistung erhalten. Quotale Fallkostenteilung zwischen Frühförderstellen uns sozialpädiatrischen Zentren (70:30) mit Abweichungsmöglichkeit durch Landesrahmenvereinbarungen Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen werden gestärkt Flächendeckende Beratungsangebote durch ein Bundesprogramm unter Einbindung der Länder wird etabliert Dabei ein Schwerpunkt auf Peer Counselling, Beratung von behinderten Menschen durch behinderte Menschen. 25
Prävention stärken Inklusive Bildung 10. Mögliche Regelungsinhalte Leistungen wie aus einer Hand- SGB IX, Teil 1 E F Ziel: Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe brechen durch: Zugänge aus Jobcentern und DRV in die EGH verringern: Prüfung von Wegen und Strategien zur zielgerichteten und rechtzeitigen Erbringung von Leistungen zur Eingliederung und Rehabilitation durch präventiv ansetzende Modellvorhaben. Unterstützung an der Schwelle zum allgemeinen Arbeitsmarkt höherer Stellenwert der Bildung im Sinne des Artikels 24 der UN-BRK moderate Leistungsausweitungen in der EGH (Masterstudium) Erörterung mit BMBF steht noch aus 26
Personenzentrierte Leistungserbringung Soziale Teilhabe stärken 10. Mögliche Regelungsinhalte Eingliederungshilfe -neu-, Teil 2 Verbesserung der Teilhabe am Arbeitsleben G H I Konzentration auf die Fachleistung der Eingliederungshilfe durch: (Fach-) Leistungen der Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt trennen Wegfall der Unterscheidung zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung Hinweis: Keine Abschaffung von stationären Einrichtungen! Möglichkeiten einer individuellen und den persönlichen Wünschen entsprechenden Lebensplanung und - gestaltung stärken, u.a. durch Leistungstatbestand für Assistenzleistungen (auch persönliche Assistenz) Alternativen zur WfbM schaffen durch: Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter oder einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Unbefristeter Lohnkostenzuschuss für Arbeitgeber, die dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen mit einer wesentlichen Behinderung beschäftigen (Budget für Arbeit) 27
Anrechnung von Einkommen und Vermögen 10. Mögliche Regelungsinhalte Eingliederungshilfe -neu-, Teil 2 Steuerungsmöglichkeiten stärken J K Verbesserungen in zwei Stufen: 1. Schritt zum 1.1.2017 2. Schritt zum 1.1.2020 Verbesserungen auch bei Hilfe zur Pflege bei Erwerbstätigkeit Höhere Freibeträge bei Arbeitsförderungsgeld Steuerungsfähigkeit der Eingliederungshilfe stärken durch: Passgenaue, sparsame und wirtschaftliche Leistungserbringung durch ein ergänzendes Gesamtplanverfahren Schärfungen des Vertragsrechtes (u.a. Prüfungsrechte des Leistungsträgers und Wirkungskontrolle) 28
Neufassung des Schwerbehindertenrechts 10. Mögliche Regelungsinhalte Schwerbehindertenrecht SGB IX, Teil 3 L Stärkung des ehrenamtlichen Engagements der Schwerbehindertenvertretungen Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten der behinderten Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen Benutzung von Behindertenparkplätzen Schaffung eines Merkzeichens für taubblinde Menschen im Schwerbehindertenausweis Verbesserungen bei der Förderung von Integrationsbetrieben 29
11. Inkrafttreten nach Verkündung bzw. 01.01.2017 Reformstufe 1: vorgezogene Änderungen im Schwerbehindertenrecht erster Schritt bei Verbesserungen in der Einkommens- und Vermögensanrechnung im SGB XII 01.01.2018 Reformstufe 2: Einführung SGB IX Teil 1 und Teil 3 Reform des Vertragsrechts der EGHneu im SGB IX vorgezogene Verbesserungen im LTA-Bereich und im Gesamtplanverfahren in der EGH im SGB XII 01.01.2020 Reformstufe 3: Einführung SGB IX Teil 2 (EGHneu) zweite Schritt bei Verbesserungen in der Einkommens- und Vermögensanrechnung 30
12. Ausblick Abschlussbericht der AG/Fachgespräche zu einzelnen Themen Referentenentwurf zum Gesetz Gesetzentwurf - Kabinett Beratung im Bundestag und Bundesrat Verabschiedung Gesetz 31
Eine Gesellschaft, die behinderte Menschen aller Art nicht als natürlichen Teil ihrer selbst zu achten und zu behandeln weiß, spricht sich selbst das Urteil. Gustav Heinemann Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 32