Die gesundheitsfördernde Schule: Was bringt es unseren Kindern und Jugendlichen? Dr. med. M. I. Carvajal Stv. Kantonsärztin Leiterin Sektion Gesundheitsförderung und Präventivmedizin
HBSC Studie - Health Behaviour in School-aged Children - > 40 Länder (mehrheitlich Europa) - Ziel: Die Entwicklung von gesundheitsrelevantem Verhalten erfassen - Alle 4 Jahre werden 5. bis 9. Klässler befragt (11-, 13- und 15-Jährige) - Seit 1986, letztmals 2010 - Kanton Aargau mit vergrösserter Stichprobe in den Jahren 1994, 2002, 2006 und 2010 2
Daten aus dem Kt. Aargau 2010-92% der Befragten bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut; - 95% sind mit dem Leben allgemein zufrieden; - Psychosomatische Beschwerden in den letzten 6 Monaten geben 30% der Jungs und 48% der Mädchen an. 3
Übergewicht 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 11 13 15 M W Das Übergewicht nimmt mit dem Alter zu. Die Werte sind im Kanton Aargau deutlich tiefer als der Schweizer Durchschnitt. 4
Frühstück 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2002 2006 2010 11J M 11J W 13J M 13J W 15J M 15J W Leichte Verbesserung in der Zeitachse Mädchen nehmen weniger häufig Frühstück als Knaben Mit zunehmendem Alter wird weniger gefrühstückt 1/3 bis ½ der Schulkinder geht ohne Frühstück in die Schule 5
Bewegung: 1 Std. pro Woche 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2002 2006 2010 11J M 11J W 13J M 13J W 15J M 15J W Stabil hoch über die Jahre Knaben treiben mehr Sport als Mädchen Nimmt mit dem Alter ab 6
Medienkonsum Knaben: 2 St. + mehr: Vergleich Schultage und Wochenende 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2002 2006 2010 11J 11J WE 13J 13J WE 15J 15J WE Der Medienkonsum hat mit den Jahren massiv zugenommen Der Medienkonsum nimmt mit dem Alter zu Prävention muss früh angegangen werden 7
Medienkonsum Mädchen: 2 St. + mehr: Vergleich Schultage und Wochenende 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2002 2006 2010 11J 11J WE 13J 13J WE 15J 15J WE Der Medienkonsum hat mit den Jahren massiv zugenommen Der Medienkonsum nimmt mit dem Alter zu Kein grosser Unterschied Knaben/ Mädchen 8
Gewalt- Erfahrungen 15 Jährige 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2002 2006 2010 Plagen M Plagen W Sachb.M Sachb W Zunehmende Tendenz über die Jahre Deutliche Besserung bei den Mädchen Hohes Niveau 9
Sexualität: Geschlechtsverkehr 15 J. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2002 2006 2010 Jungs J. ohne K Mäd. M. ohne K Anzahl 15 Jährige die schon 1 Mal GV hatten pendelt sich ein Bedenkliche Tendenz hin zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr 10
Tabakkonsum - Die Mehrheit der 11- und 13-Jährigen haben noch nie Tabak geraucht; - Bei den 15-Jährigen haben 44% mal geraucht; - Kein grosser Unterschied zwischen Jungs und Mädchen; - Zugang zu den Zigaretten: - Laden 68% - Freunde 60% - Bar/ Restaurant 39% - Automat 31% 11
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Tabakkonsum: Wöchentlich oder täglich 1986 1994 1998 2002 2006 2010 15 J CH 15J AG 13 J CH 13 J AG 11 J CH 11 J AG 12
Alkoholkonsum - 28% der 15-Jährigen haben niemals Alkohol konsumiert; - Bier wird am häufigsten konsumiert; - Jungs trinken fast doppelt so viel wie Mädchen; - 24% der 15-Jährigen war schon mehrmals betrunken; - Zugang: - Party / Freunde 66% - Laden 36% - Bar / Restaurants 35% - Eltern 29% 13
Alkoholkonsum: Wöchentlich 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1986 1994 1998 2002 2006 2010 15 J CH 15 J AG 13 J CH 13 J AG 11J CH 11 J AG 14
Cannabiskonsum bei 15-Jährigen - 71% haben noch nie Cannabis konsumiert - 7% konsumieren regelmässig - Es besteht keinen Unterschied zwischen Jungs und Mädchen - Zugang meistens durch Freunde 15
Cannabiskonsum: Monatlich 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 2006 2010 CH AG 16
Evaluation des Programms Gesundheitsfördernde Schule Stadt Bern - Strategie - Bildung von interdisziplinären Teams, in denen sich nebst Lehrkräften auch Vertretungen der Eltern und der Schulbehörden (Schülerinnen und Schüler) befinden. Die Teams stehen unter der Leitung von Koordinatorinnen und Koordinatoren für GF (KGF) - Methodik - Auf der Basis einer Standortbestimmung der eigenen Schule, haben die KGF mit ihrem Team die Aufgabe, gesundheitsfördernde Bemühungen in der Schule zu initiieren, zu koordinieren und zu vernetzen. 17
Aufgaben der KGF - Spezielle Ausbildung in Gesundheitsförderung - Bilden und Leiten des Gesundheitsteams - Achten auf ressourcenorientierte und nachhaltige Prozesse - Sind Kontaktperson für GF- Fragen für das Kollegium, Eltern, Fachstellen usw. 100 % aller Stadtberner Schulkreise beteiligen sich am Projekt 18
Externe Wirkungsevaluation Gesundheit der Schülerinnen und Schüler - Indikatoren: - Selbstbeurteilte Gesundheitszustand - Krankheiten und Behinderungen - Unfälle - Psychosomatische Beschwerden - Problematischer Medikamentenkonsum - Problematische Essgewohnheiten - Depression 19
Externe Wirkungsevaluation Gesundheit der Schülerinnen und Schüler - Psychosoziale Bestimmungsfaktoren: - Stress (Stress allgemein und Schulstress) - Einstellung zum Leben - Verantwortung für die eigene Gesundheit - Unvereinbarkeit von Suchtmittelkonsum mit den eigenen Lebenszielen - Emotionales Wohlbefinden - Lebenskompetenzen - Schulleistungen 20
Wirkungsevaluation Gesundheit der Schülerinnen und Schüler - Stress: - Allgemeiner Stress (Freizeitprogramm, Auseinandersetzung mit Eltern, Freunde, usw.) erwies sich als Risikofaktor für gesundheitliche Probleme - Schulstress zeigte kaum einen Zusammenhang mit der Gesundheit 21
Wirkungsevaluation Gesundheit der Schülerinnen und Schüler - Sozialschicht: spielt in Zusammenhang mit der Gesundheit eine untergeordnete Rolle (Schule gleicht ungleiche Gesundheitschancen aus) - Geschlecht: Mädchen sind mehr betroffen von Stress, psychosomatischen Beschwerden, Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und Depressionen 22
Wirkungsevaluation Gesundheit der Schülerinnen und Schüler - Nationalität: Nur bei den Schulleistungen wurde ein Nachteil festgestellt. Das bedeutet, dass die Schule ihr ausgleichendes Potential bei der Leistungsförderung der Fremdsprachigen noch nicht ausgeschöpft hat - Schulniveau: Realschüler sind eindeutig benachteiligt (Schulmodell) 23
Anteil mit häufigen psychosomatischen Beschwerden 40 30 % 20 10 0 6. KL * 8. KL SEK REAL INT 24
Anteil mit echten Depressionen 10 8 * * % 6 4 2 0 6. KL 8. KL SEK REAL INT 25
Suchtmittelkonsum 40 30 % 20 10 0 6. KL 8. KL Tabak * * * SEK REAL INT 40 30 % 20 10 0 6. KL 8. KL Alkohol SEK REAL INT 25 20 15 % 10 5 0 6. KL 8. KL * * Cannabis SEK REAL INT 26
Externe Wirkungsevaluation (2002/3) Gesundheit der Schülerinnen und Schüler - Schutzfaktoren für einen guten Gesundheitszustand - Positive Einstellung zum Leben - Abwesenheit von Stress - Fähigkeit, Stress zu bewältigen - Probleme rational angehen - Soziale Anpassungsfähigkeit - Gute Schulleistungen 27
Wirkung kumulierter Schutzfaktoren % 80 70 60 50 40 30 20 10 >1Zig pro Woche >1 Glas OH pro Woche Mind.1 Joint pro Woche 0 0 1 2 3 4 5 Anzahl Schutzfaktoren 28
Definition des Schulklimas - A: Organisations-Klimainstrument für Schweizer Schulen OKI (= Teil des Lehrerfragebogens) - B: Indikatoren aus dem Schülerfragebogen - Allgemeines Wohlbefinden in der Schule - Verhältnis zur Lehrerschaft - Mitbestimmung - Klassenklima - Aktives und passives Mobbing 29
Schulklima und Schutzfaktoren 8. Klasse Anzahl Schutzfaktoren 8.0 7.5 7.0 6.5 6.0 5.5 5.0 Blaue Symbole: Daten von 1998 Weisse Symbole: Daten von 2002-3 -2-1 0 1 2 3 Schulklima 30
Pro Schule: Anteil SchülerInnen, die ihre Probleme aktiv zu lösen versuchen 0.7 0.6 % der SchülerInnen 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 weniger gut durchschnittlich gut Schulklima 31
Schulklima und Konsumverhalten (Tabak, Alkohol, Cannabis, Medikamente) 1.2 8. Klasse 1998 1 Konsumverhalten 0.8 0.6 0.4 0.2 0-3 -2-1 0 1 2 3 Schulklima 32
Schulklima und Schulleistung Schulleistung 1.8 1.7 1.6 1.5 1.4 1.3 1.2 r = 0.531 p = 0.004 Schulleistung: 0 ungenügend 1 genügend 2 gut 1.1 1-3 -2-1 0 1 2 3 Schulklima 33
GF-Strategie und Schulklima (LP) 80 75 r = 0.554 p = 0.026 Klima (OKI) 70 65 60 55 50-4 -3-2 -1 0 1 2 3 GF-Strategie 34
Schlussfolgerungen - Zur Förderung der Gesundheit empfiehlt sich in erster Linie eine Strategie. zur Entwicklung der individuellen psychosozialen Schutzfaktoren. - Das Schulklima ist einer der wichtigsten Faktoren für die Förderung dieser Schutzfaktoren und damit für die Gesundheit und die Leistung der SchülerInnen. 35
Schlussfolgerungen - Die Qualität des Schulklimas. ist abhängig von der Qualität der Schulleitung und vom Engagement des Lehrkörpers für eine aktive gesamtschulische Gesundheitsförderung. - Die Entwicklung dieser Qualitäten ist eine zentrale Aufgabe der Schulentwicklung daher sind Schulentwicklung und Gesundheitsförderung nicht voneinander zu trennen. 36