Motivationen für Maßnahmen im Stadtverkehr am Beispiel von Klimaschutz, Luftreinhaltung und Verkehrssicherheit Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze M. Sc. Stefan Groer Technische Universität Darmstadt Verkehrsplanung und Verkehrstechnik 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Das Wissen der Städte: Klimapolitische Perspektiven der Stadtforschung Darmstadt, 27. März 2014 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014
Gliederung Das Wissen der Städte in den Handlungsfeldern Klimaschutz Hintergründe Strategien und Motivationen Luftreinhaltung Beispiel Umweltzone Verkehrssicherheit Fazit und Ausblick 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 2
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Klimaschutz: Hintergründe CO 2 -Emissionen des Verkehrs 160,00% 150,00% 140,00% 130,00% Relative Veränderung weltweiter CO 2 -Emissionen 1990-2011 Quellen: IEA,UNFCCC; eigene Darstellung 120,00% 110,00% 100,00% 90,00% 80,00% Anteil des Verkehrs 1990 2011 Annex I* 22,6% 29,5% Welt (Schätzung) 22,3% Gesamt Verkehr (Annex I) Annex I: Länder der OECD (ohne Südkorea, Mexiko) und osteuropäische Staaten inkl. Russland 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 3
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Klimaschutz: Hintergründe CO 2 -Emissionen des Verkehrs 115,00% 105,00% 95,00% 85,00% 75,00% 65,00% 2011: 807 Mt 2011: 156 Mt Verkehr Energiewirtschaft verarbeitendes Gewerbe Haushalte und Gewerbe gesamt Relative Veränderung der CO 2 -Emissionen in Deutschland, 1990-2011 Quelle: UBA, eigene Darstellung 55,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% Anteil des Verkehrs davon Straßenverkehr 0,00% 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 4
Klimaschutz: Hintergründe CO 2 -Vermeidung im Verkehr Ansätze Verkehr vermeiden Verkehr verlagern (modal) Effizienz verbessern Rollen von Städten und Kommunen Verbraucher und Vorbild z.b. Heimarbeit i.d. Verwaltung z.b. Job-Ticket für städt. Mitarbeiter z.b. emissionsarmer städtischer Fuhrpark Planer und Regulierer z.b. Bauleitplanung z.b. Stellplatzsatzung z.b. Tempolimits Versorger und Anbieter z.b. Bürgerdienste im Internet z.b. städtischer ÖPNV-Betreiber z.b. Optimierung Lichtsignalanlagen Berater und Promoter z.b. Mobilitätsmanagement z.b. Mobilitätsmanagement z.b. Training emissionsarmes Fahren 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 5
Klimaschutz: Hintergründe Forschungsprojekt (Theoretisches) Wissen zum Klimaschutz im Verkehr ist vorhanden. Probleme bei der Umsetzung Interdisziplinäres Forschungsprojekt Aus welchen Gründen werden Maßnahmen im Verkehrssektor (nicht) ergriffen? Themenübergreifender Ansatz zu Klimaschutz in den Bereichen Verkehr, Flächenmanagement, Immobilien, zugehörigen politischen Prozessen (EU, Netzwerke und Wettbewerbe, Verwaltung) Vergleichende Fallstudie Frankfurt a.m., Stuttgart, München 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 6
Rolle der Kommune Klimaschutz: Strategien und Motivationen Maßnahmen in allen drei Städten Verbraucher und Vorbild Planer und Regulierer Versorger und Anbieter Berater und Promoter Nahmobilität verkehrsorientierte Bauleitplanung Strategien Vermeiden Verlagern Verbessern Ausbau Radverkehr (Radverkehrskonzept) ÖPNV-Ausbau + Beschleunigung Attraktivitätssteigerung ÖPNV (Zugang, Fahrgastinfo, Tarife) Förderung Radverkehr Energieeffiziente Fahrzeuge im städtischen Fuhrpark (auch Busse/ Tram) Förderung E-Fahrzeuge (v.a. Taxis und Car Sharing, keine Verlagerung von Umweltverbund) In allen drei Städten als für den Klimaschutz wichtig benannte Maßnahmen WCTRS/Institute for Transport Policy Studies 2004; Kern et al. 2007 Städte stützen sich im Kern auf ähnliche Maßnahmen. Die klimaschützende Funktion der Maßnahmen ist oft nicht erwähnt. Klimaschutz ist kein ausschlaggebender Beweggrund für die Umsetzung. 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 7
Rolle der Kommune Klimaschutz: Strategien und Motivationen Besondere Schwerpunkte Verbraucher und Vorbild Strategien Vermeiden Verlagern Verbessern Planer und Regulierer München, Stuttgart Flächendeckendes Parkraummanagement (Innenstadtbereiche) Frankfurt Umweltzone Stuttgart Verbesserung Verkehrsfluss z.b. Geschwindigkeitskontrollen, LSA-Steuerung, Telematik Versorger und Anbieter Berater und Promoter München Umfassende Mobilitätsmanagementkampagne mit Schwerpunkt Förderung Radverkehr Genannte Maßnahmen dienen nicht immer dem globalen Klimaschutz 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 8
Klimaschutz: Strategien und Motivationen Motivationen für Maßnahmen Erwartungen der Stadtgesellschaft Erwartungen der Stadtgesellschaft Globales Engagement, Vorbildfunktion, globales Selbstverpflichtung Engagement, Vorbildfunktion, Selbstverpflichtung Luftverschmutzung (Teilmenge von lokaler Problembez.) Luftverschmutzung lokaler Problembezug, einhalten lokaler gesetzlicher Problembezug, Vorgaben Einhalten gesetzlicher Vorgaben 0 2 4 6 8 10 Stuttgart Frankfurt München Relative Häufigkeit der Nennung pro Interview Maßnahmen werden in den meisten Fällen aus anderen Gründen ergriffen, können aber dem Klimaschutz zuträglich sein Strategien zur Treibhausgasminderung werden in lokalen Kontext gesetzt 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 9
Luftreinhaltung Motivationen zur Luftreinhaltung Ca. 50.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr in Deutschland allein durch Feinstaub Verursacheranteil des Verkehrs ca. 20% Klare gesetzliche Regelungen und funktionierendes Monitoring-System durch flächendeckendes Netz von Luftmessstationen (im Gegensatz zum Klimaschutz) Wissenslücken über Wirkungen von Maßnahmen Gängige Maßnahme im Verkehr: Umweltzone stärkere (wenn auch nicht ausreichend starke) Motivation für Städte zum Handeln 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 10
µg/m³ Luftreinhaltung Effektivität von Umweltzonen 42,00 38,00 Einführung der Umweltzone in 2008 10 - PM Jahresmittelwerte 10 Jahresmittelwerte 34,00 30,00 26,00 22,00 mit Mit UZ-2008 (2008), n=19 ohne UZ, n=114 HIN städt. Hintergr., n=103 Trendlinie Trend: mit UZ (mit (2008) UZ-2008) Trendlinie Trend: ohne (ohne UZ UZ) Trendlinie Trend: städt. (HIN) Hintergr. 18,00 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Boltze et al. 2014 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 11
Luftreinhaltung Effektivität von Umweltzonen Studie zur Wirkung von Umweltzonen (Boltze et al. 2014): Analyse der Luftmessdaten von ca. 250 Luftmessstationen in Deutschland Ergebnisse: Wirkung der Umweltzone auf PM 10 -Konzentration Signifikanter Rückgang nach Einführung der Umweltzone um ca. zusätzlich 2µg/m³ im Vergleich zu Städten ohne Umweltzone PM 10 -Überschreitungstage Signifikanter zusätzlicher Rückgang nach Einführung der Umweltzone um ca. 9 Überschreitungstage im Vergleich zu Städten ohne Umweltzone PM 2,5 -Konzentration Ungenügende Datenlage NO x -Konzentration Keine eindeutigen Auswirkungen, aber auch kein Anstieg der Belastung 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 12
Luftreinhaltung Fazit Umweltzonen Positive Wirkung auf die Feinstaubbelastung durch direkte Effekte und indirekte Effekte (insbesondere Modernisierung Fahrzeugflotte). Keine nennenswerte Wirkung auf Stickoxidbelastung (aktuelle Grenzwertüberschreitungen!) und CO 2 -Emissionen (globaler Klimaschutz). Weitere bedeutende Wirkungen bei gleichbleibenden Grenzwerten nicht zu erwarten, da größter Teil der Fahrzeugflotte (ca. 90 %) bereits Standards für grüne Plakette erfüllt. Bedeutung von Ausnahmeregelungen. Gezielte Weiterentwicklung des Instruments notwendig. 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 13
Verkehrssicherheit Fortschritte Verkehrssicherheit Knapp 3400 Tote pro Jahr durch Verkehrsunfälle Lokaler Bezug Detaillierte gesetzliche Regelungen Gesichertes Wissen über Ursachen und Wirkung von Maßnahmen Tempolimit außerorts Helmtragepflicht Gurtanlegepflicht Wiedervereinigung Große Erfolge bei der Reduzierung der Anzahl der Todesopfer im Straßenverkehr Hohe Sichtbarkeit von Unfallopfern hohe Motivation zum Handeln Quelle: BMVBS/DIW: Verkehr in Zahlen 2012/2013, Berlin 2013 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014 14
Fazit und Ausblick Einschätzungen der Autoren Globaler Klimaschutz Luftreinhaltung (Feinstaub) Verkehrssicherheit Problemdimension??? Verursacheranteil Verkehr ca. 50.000 vorzeitige Todesfälle / Jahr ca. 20% ca. 20% 100% Bezugsrahmen global städtisch lokal knapp 3.400 Todesopfer / Jahr Stand gesetzliche Regelungen - - + + + Wissensstand der Städte o o + + Effizienz städtischer Maßnahmen o + + + Handlungsmotivation o + + + 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.03.2014 15
Fazit und Ausblick Unterschiedliche Motivationen der Städte im gegebenen Kontext der Problemfelder sind folgerichtig. Perspektive städtischer Klimaschutzpolitik im Verkehrssektor ist als allein stehende Motivation problematisch. Integration lokaler Klimaschutzpolitik im Verkehr in benachbarte Felder als Ziel von Forschung und Planungspraxis: Nutzen von Synergien und bewährten Strukturen ( Motivationen) und Vermeiden von Zielkonflikten bei der Auswahl von Maßnahmen Schaffen einer integrierten Wissensbasis 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.03.2014 16
Motivationen für Maßnahmen im Stadtverkehr am Beispiel von Klimaschutz, Luftreinhaltung und Verkehrssicherheit Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze M.Sc. Stefan Groer Technische Universität Darmstadt Verkehrsplanung und Verkehrstechnik 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Das Wissen der Städte: Klimapolitische Perspektiven der Stadtforschung Darmstadt, 27. März 2014 Danke für die Aufmerksamkeit! 6. Hessenkonferenz Stadtforschung Prof. Dr.-Ing. Manfred Boltze 27.3.2014