Die Verordnung von BtM-rezeptpflichtigen Opioiden nach der neuen Arzneimittelvereinbarung in Sachsen von Rechtsanwältin Claudia Reich, Boemke und Partner Rechtsanwälte mbb, Leipzig Nachdem in den Januar- und Februar-Beiträgen die Grundzüge der neuen Zielwertprüfung sowie die Systematik der Zielerreichung erläutert wurden, soll Gegenstand dieses Beitrags die Handhabung von BtM-Rezept-pflichtigen Opioiden im Rahmen der Arzneimittelvereinbarungen 2018 in Sachsen sein. Im Zusammenhang mit den Wirtschaftlichkeitszielen in diesem Bereich wird auch die Besonderheit der Verordnung von Fixkombinationen erläutert. Fachgruppe: Anästhesisten Die Arzneimittelvereinbarung 2018 enthält für die Fachgruppe der Anästhesisten Zielvorgaben hinsichtlich BtM-rezeptpflichtiger Opioide nach Stufe III des WHO-Schemas. Sie können allerdings auch für andere Fachgruppen relevant werden (siehe Hinweise für die Praxis am Ende des Beitrags). Die Anästhesisten gehören zu den Fachgruppen mit weiterhin bestehenden Richtgrößen. Diese sind im Jahr 2018 in folgender Höhe festgelegt worden: 0-15 Jahre: 16,56 Euro 16-49 Jahre: 62,05 Euro 50-64 Jahre: 151,53 Euro Ab 65 Jahre: 114,14 Euro Die neben diesen Richtgrößen benannten Wirtschaftlichkeitsziele wirken bei Einhaltung im Rahmen der Richtgrößenprüfung richtgrößenentlastend. D.h. die Verordnungen aus den eingehaltenen Wirtschaftlichkeitszielen im Bereich der Opioide werden in der Richtgrößenprüfung von den Verordnungskosten des Arztes abgezogen ( 4 Abs. 2 Satz 3 Anlage 1a Teil B zur Prüfungsvereinbarung). Wirtschaftlichkeitsziele im Rahmen der Richtgrößenprüfung Für die Fachgruppe der Anästhesiologie (PG 010) wurden folgende Arzneimittelziele 2018 festgelegt:
Gruppe Ziele Quote Zielsubstanzen vorrangig Ziel Nr. 010/s Anteil orale Darreichungsformen mind. 58,7 Prozent Morphin Orale und transdermale (ohne Fentanyl, Opioide der Stufe + Naloxon, III nach WHO- Tapentadol) Schema als BEU, BTA, FTA, HKP, KAP, LOE, LSE, LUT, REK, RET, RGR, SMT, SUT, TAB, TRA, TRO Ziel Nr. 010/t Anteil Morphin, mind. 64,9 Prozent Morphin Orale Opioide der, Stufe III nach, WHO und Buprenor- phin an oralen Darreichungsformen Eingeschränkt verordnen Morphin + Naloxon Fentanyl Tapentadol als PFL, PFT Fentanyl + Naloxon Tapentadol Die Abkürzungen stehen dabei für folgende Darreichungsformen: BEU = Beutel, BTA = Brausetabletten, FTA = Filmtabletten, HKP = Hartkapseln, KAP = Kapseln, LOE = Lösung, LSE = Lösung zum Einnehmen, LUT = Lutschtabletten, REK = Retard-Kapseln, RET = Retard-Tabletten, RGR = Retard-Granulat, SMT = Schmelztabletten, SUT = Sublingualtabletten, TAB = Tabletten, TRA = Trinkampullen, TRO = Tropfen. PFL = Pflaster, PFT = Pflaster, transdermal. Orale vs. und transdermale Opioide günstig vs. teuer Zur Zielerreichung im Ziel Nr. 010/s müssen mindestens 58,7 Prozent der Verordnungen im Bereich oraler und transdermaler Opioide der Stufe III nach WHO in Form oraler Darreichungsformen (ohne Fentanyl, + Naloxon, Tapentadol) erfolgen. Die Verordnung in transdermalen Darreichungsformen soll hingegen nachrangig sein. Das Ziel Nr. 010/t knüpft an das vorgenannte Ziel an, fokussiert allerdings auf Opioide der Stufe III nach WHO-Schema in oraler Darreichungsform. Zur Erreichung des Ziels muss der Anteil der Verordnungen von Morphin,,, und mindestens 64,9 Prozent aller Verordnungen in oraler Darreichungsform
ausmachen. Demgegenüber nachrangig zu verordnen sind Fentanyl, die Fixkombination aus + Naloxon sowie Tapentadol. Zur Begründung dieser Ziele verweist die KV Sachsen in einer am 07.03.2018 veröffentlichten Broschüre zu den Arzneimittel-Zielen 2018 (ogy.de/16pz) auf S. 61 bis 64 darauf, dass die medikamentöse Versorgung von Schmerzpatienten mit Opioiden der WHO- Stufe III durch die derzeit am Markt verfügbaren oralen Fertigarzneimittel hinreichend abgesichert sei. Entsprechend der allgemein gültigen Empfehlungen (WHO, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) sollten vorzugsweise orale Darreichungsformen angewendet werden. Retardiertes orales Morphin soll das Opioid der ersten Wahl sein. Erst bei unzureichender analgetischer Wirkung oder intolerablen Nebenwirkungen sollte ein Wechsel auf ein anderes Präparat der Wirkstoffgruppe erwogen werden. und in retardierter Form können dann eine Alternative sein. Die KV Sachsen reagiert hier auf eine im Arzneiverordnungs-Report 2017 dargestellte Entwicklung, wonach der Verordnungsanteil von Morphin an stark wirkenden Opioidanalgetika im Jahr 2016 weiterhin rückläufig gewesen ist und nur noch 9,5 Prozent betrug. Demgegenüber ist Fentanyl unter den stark wirkenden Opioiden mit Abstand die meist verordnete Substanz. Die KV Sachsen verweist in ihren Wirtschaftlichkeitszielen ausdrücklich darauf, dass die Schmerztherapie mit transdermalen Arzneiformen, d. h. insbesondere in Form von Pflastern, nur bei Patienten angezeigt ist, die orale Schmerzmittel nicht einnehmen können, (z.b. bei Schluckbeschwerden, bei therapieresistentem Erbrechen, bei einem Passagehindernis im Gastrointestinaltrakt). Laut KBV Wirkstoff aktuell Ausgabe 09/2007 sind Fentanyl-Pflaster auch eine Alternative zur subkutanen Infusion oder zu den sondengängigen Applikationsformen für und. Dies bedeutet im Ergebnis, dass Fentanyl-Pflaster auch als Nichtzielsubstanzen weiterhin verordnet werden können. Die KV Sachsen verweist in den KVS-Mitteilungen Heft 2/2018 explizit darauf, dass die Ärzte den ihnen vorgegebenen Korridor für Nichtzielsubstanzen auch nutzen sollten. Da sich die Zielwerte grundsätzlich am Durchschnitt der Prüfgruppe ausrichten, würde dieser Korridor sonst bei einem ungerechtfertigt zu niedrigen Einsatz immer enger werden. Die Folge wären nur noch schwer einhaltbare Zielwerte und eine gegebenenfalls zu attestierende Fehlversorgung von Patienten. Berücksichtigt man, dass der Unterschied zwischen den DDD-Nettokosten von Morphin HEXAL in Höhe von 2,84 Euro und den DDD-Nettokosten von Fentanyl-HEXAL Pflastern in Höhe von 4,10 Euro (Angaben laut Arzneiverordnungs-Report 2017) verhältnismäßig gering ist, verbleibt für den Arzt nach der Berechnungssystematik zur Ermittlung des Zielerfüllungsgrades (siehe Februar-Beitrag) ein entsprechender Verordnungsspielraum für Fentanyl-HEXAL Pflaster.
Bezüglich der Therapie der Durchbruchschmerzen von analgetisch behandelten Tumorpatienten verweist der Arzneiverordnungs-Report 2017 darauf, dass hier Fentanyl auch in schnell, stark und kurz wirkenden Arzneiformen wie Nasensprays und Sublingualoder Bukkaltabletten zur Verfügung steht. Für diese spezielle Indikation gebe es mehrere Vergleichsstudien, die eine Überlegenheit von Fentanyl gegenüber nichtretardiertem Morphin beschreiben (Übersicht bei Bornemann-Cimenti et al. 2013). Die KV Sachsen knüpft daran an und verweist darauf, dass die schnellfreisetzen Darreichungsformen eine Option sein können. Allerdings sei zu beachten, dass die oralen Fentanylpräparate zur Akutbehandlung mit Tagesdosiskosten von mehr als 20,00 Euro im Vergleich zu den anderen Wirkstoffen in schnellfreisetzenden oralen Darreichungsformen besonders kostenintensiv sind. Dies sei bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen Bezüglich der Fixkombination /Naloxon (z.b. im Präparat Targin enthalten) verweist die KV Sachsen darauf, dass diese die spastische Obstipation vermindern soll. Die vermeintliche Besserung der Darmfunktion durch die Fixkombination sei jedoch marginal, da die meisten Patienten (45-70 %) weiterhin Laxantien benötigen (Placebo: 81 %). Da ein Zusatznutzen der Fixkombination /Naloxon im Vergleich zu bisher nicht belegt sei und vermehrte Nebenwirkungen zu beobachten seien, die teilweise auf durch Naloxon induzierte Opioid-Entzugssymptome zurückzuführen seien, sei der Einsatz der kostenintensiven Kombinationspräparate mit /Naloxon kritisch zu hinterfragen. Das bedeutet also auch hier, dass die Fixkombination /Naloxon auch als Nichtzielsubstanz weiterhin verordnet werden kann, dies allerdings mit Augenmaß geschehen sollte. Laut KBV Wirkstoff aktuell Ausgabe 6/2012 hat die Fixkombination /Naloxon insbesondere bei Patienten, die keine reguläre Laxantientherapie erhalten, einen Zusatznutzen. Bei der Verordnung sollten die medizinischen Hintergründe dokumentiert werden. Ebenfalls primär aus Kostengründen soll Tapentadol nur eingeschränkt verordnet werden. Die Therapiekosten für dieses dual als Opioid und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wirksame Arzneimittel seien mehr als dreimal so hoch wie für Morphin (durchschnittliche Tagesdosiskosten 10,78 Euro vs. 3,18 Euro). Der Arzneiverordnungs-Report 2017 hatte darauf verwiesen, dass Tapentadol unter den meist verordneten Arzneimitteln vertreten sei und auch im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr wieder deutlich häufiger verschrieben wurde, obwohl es eine therapeutische Reserve für eine sehr überschaubare Anzahl klinischer Situationen sei. Daran knüpft die KV Sachsen an und verweist darauf, dass Tapentadol deshalb nur bei Erwachsenen mit starken, chronischen Schmerzen eingesetzt werden sollte, die nur mit Opioidanalgetika angemessen behandelt werden können und bei denen retardiertes Morphin zu keiner ausreichenden Schmerzkontrolle führt oder nicht vertragen wird. Tapentadol kann außerdem eine Alternative bei starken gastrointestinalen Nebenwirkungen unter vergleichbarer Opioidtherapie sein. Dabei sind jedoch zusätzlich
Wechselwirkungen mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Monoaminoxidasehemmern zu berücksichtigen. Bei Nichttumorschmerzen sollen schließlich bevorzugt Medikamente mit verzögerter Freisetzung eingesetzt werden. Die Bedarfsmedikation mit nichtretardierten Opioiden sei nicht empfehlenswert, da diese ein höheres Risiko für Stürze bzw. eine Suchtentwicklung haben. Grundsätzlich sollten Opioide bei Nichttumorschmerz in Kombination mit physikalischen, physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen, inklusive einer Veränderung des Lebensstils, angewandt werden. Hinweise für die Praxis Erklärte Zielstellung sowohl der Krankenkassen als auch der KVen im Bereich der BtMrezeptpflichtigen Opioide ist es, den Verordnungsanteil von Morphin, der im Jahr 2016 auf 9,5 Prozent zurückgegangen war (Vergleich 1996:60 Prozent) unter Zurückdrängung der teureren Präparate zu erhöhen. Wie bereits im Februar-Beitrag dargestellt wurde, kommt der Zielerreichung im Bereich kostenintensiverer Wirkstoffe hier ein größeres Gewicht zu. Der Arzneiverordnung-Report 2017 beziffert das Einsparvolumen im Bereich der stark wirkenden Opioidanalgetika insgesamt auf 428,2 Mio. Die Wirtschaftlichkeitsziele in diesem Bereich verpflichten primär Anästhesisten, die bei Einhaltung der Wirtschaftlichkeitsziele im Rahmen der Richtgrößenprüfung durch Herausnahme dieses Verordnungsbereichs entlastet werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Beachtung dieser Wirtschaftlichkeitsziele auch außerhalb der Fachgruppe der Anästhesisten relevant werden kann. Die KV Sachsen verweist in ihren KVS-Mitteilungen Heft 2/2018 auf S. V (ogy.de/ng2z) darauf, dass im Hinblick auf Verordnungen anderer Prüfgruppen das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte, sodass entsprechende Verordnungen auf Antrag der jeweiligen Krankenkasse durch die Prüfgremien auf Zulässigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit geprüft werden können. Insofern können auch andere Fachgruppen, für die die dargestellten Wirtschaftlichkeitsziele primär nicht gelten, die allerdings in erhöhtem Umfang Nichtzielsubstanzen verordnen, in den Fokus einer Wirtschaftlichkeitsprüfung geraten. (11.786 Zeichen)