Diskussionspapier Nr. 10

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Transkript:

Wissenschaftliche Hochschule Lahr Diskussionspapier Nr. 10 Defizite öffentlicher Krankenhäuser in Deutschland: Empirische Befunde 1998 2004 von Björn A. Kuchinke, Ansgar Wübker Mai 2007

Diskussionspapiere der WHL Wissenschaftlichen Hochschule Lahr http://www.whl-lahr.de/startseite/forschung/ publikationen/diskussionspapiere.13221.8478,10228,10304,13221.htm Verfasser: Björn A. Kuchinke, Ansgar Wübker Herausgeber: WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr Hohbergweg 15 17 D-77933 Lahr Phone +49-(0)7821-9238-50 Fax +49-(0)7821-9238-63 www.whl-lahr.de * Dr. rer. pol. Björn A. Kuchinke ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Volkswirtschaftslehre, Fachgebiet Wirtschaftspolitik der Technischen Universität Ilmenau, Ernst-Abbe-Zentrum, Ehrenbergstraße 29, 98693 Ilmenau, Tel.: +49 3677/694032, Fax: +49 3677/694203, Homepage: www.tu-ilmenau.de/wpo, Mail: bjoern.kuchinke@tu-ilmenau.de. * Dipl.-Vw. Ansgar Wübker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre/Gesundheits- und Institutionenökonomik der WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr, Hohbergweg 15-17, 77933 Lahr/Schwarzwald, Tel.: +49 7821/923853, Fax: +49 7821/923863, Homepage: http://www.whl-lahr.de/whl/detail/896, Mail: ansgar.wuebker@whl-lahr.de.

Defizite öffentlicher Krankenhäuser in Deutschland: Empirische Befunde 1998-2004 Björn A. Kuchinke, Ansgar Wübker JEL Classification: I11, I18, C33 1. Einleitung und Problemstellung... 1 2. Grundlagen der Analyse... 2 2.1. Nachfrageseite... 2 2.2. Angebotsseite... 3 2.3. Ökonomische Bewertung von Krankenhausdefiziten... 6 2.4. Stand der Literatur... 7 3. Datensatz... 10 3.1. Definitionen und Erläuterungen... 10 3.2. Zahlen, Daten und Fakten... 11 4. Schätzverfahren und Hypothesen... 16 4.1. Schätzverfahren... 16 4.2. Hypothesen... 17 5. Ergebnisse und Interpretation... 18 6. Zusammenfassung und Fazit... 22 Literaturverzeichnis... 23 Dr. rer. pol. Björn A. Kuchinke ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Volkswirtschaftslehre, Fachgebiet Wirtschaftspolitik der Technischen Universität Ilmenau, Ernst-Abbe-Zentrum, Ehrenbergstraße 29, 98693 Ilmenau, Tel.: +49 3677/694032, Fax: +49 3677/694203, Homepage: www.tu-ilmenau.de/wpo, Mail: bjoern.kuchinke@tu-ilmenau.de. Dipl.-Vw. Ansgar Wübker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre/Gesundheits- und Institutionenökonomik der WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr, Hohbergweg 15-17, 77933 Lahr/Schwarzwald, Tel.: +49 7821/923853, Fax: +49 7821/923863, Homepage: http://www.whl-lahr.de/whl/detail/896, Mail: ansgar.wuebker@whl-lahr.de.

Abstract Hintergrund: Traditionell ist die Struktur deutscher Krankenhausdienstleistungsmärkte durch Akutkliniken in öffentlicher, frei-gemeinnütziger und privater Trägerschaft geprägt. Hierbei haben jedoch nur öffentliche Häuser im Falle der Erwirtschaftung eines Defizits die Möglichkeit, dauerhaft auf allgemeine Haushaltsmittel ihrer Träger zurückzugreifen. Problem: Das empirische Ausmaß der Defizite ist bislang jedoch noch nicht erarbeitet worden. Ebenso fehlt eine systematische, ökonometrische Aufarbeitung zur Ermittlung der Gründe für die Defizite. Methodik: In einem ersten Schritt wird mit Hilfe von Datensätzen des Statistischen Bundesamtes, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Instituts für Weltwirtschaft das Niveau und die Entwicklung der Defizite innerhalb des Zeitraum von 1998 bis 2004 für die 16 deutschen Bundesländer ermittelt. In einem zweiten Schritt werden mit Hilfe einer Fixed- Effects-Schätzung die Gründe für die Defizite analysiert. Ergebnisse: Die Defizite im Betrachtungszeitraum von 1998 bis 2004 haben für Gesamtdeutschland immer über 2 Mrd. Euro betragen. Im Jahre 2004 ist trotz des Verkaufs zahlreicher Kliniken ein Spitzenwert von über 3 Mrd. Euro erzielt worden. Mit Hilfe der Fixed-effects Schätzung wurde einerseits ermittelt, dass die Verweildauer sowie die Zahl der Beschäftigten einen signifikant positiven Einfluss auf die Entwicklung der Defizite pro Kopf haben. Auf der anderen Seite haben die Fallzahl sowie das Volumen an KHG-Mitteln einen signifikant negativen Einfluss auf die Defizitentwicklung. Schlussfolgerung: Die Analyse hat gezeigt, wie hoch die Defizite in öffentlichen Krankenhäusern sind und welche statistisch signifikanten Ursachen ermittelt werden können. Insgesamt zeigen die Fixed-Effects-Schätzer jedoch auch, dass ein großer Teil der Unterschiede in den Defiziten zwischen den Bundesländern nicht erklärt werden kann. Somit besteht weiterer Forschungsbedarf.

1. Einleitung und Problemstellung Traditionell ist die Struktur deutscher Krankenhausdienstleistungsmärkte durch Akutkliniken in öffentlicher, frei-gemeinnütziger und privater Trägerschaft geprägt. 1 In den letzten Jahren ist bei einer rückläufigen Gesamtzahl an Krankenhäusern zu erkennen, dass die absolute Zahl der öffentlichen Allgemeinkliniken insgesamt von 1.043 im Jahre 1990 auf 671 im Jahre 2004 zurückgegangen ist. 2 Dagegen ist die Anzahl der stationären Einrichtungen in privater Trägerschaft im gleichen Zeitraum von 321 auf 444 gestiegen. Ein ähnlicher Trend zeigt sich mit Blick auf die Zahl der Betten. Bei dieser Entwicklung sind zwei Umstände von Bedeutung: Erstens ist zu erkennen, dass die Zunahme der privaten Kliniken und Betten nicht durch die Erschließung neuer Standorte, sondern durch die Übernahme von zahlreichen öffentlichen Krankenhäusern erfolgt ist. 3 Zweitens ist nachzuvollziehen, dass als Hauptgrund für den Verkauf von öffentlichen Kliniken häufig Defizite angeführt werden oder aber zu vermuten sind, die von den öffentlichen Trägern nicht mehr finanziert werden können. 4 Das empirische Ausmaß der Defizite ist bislang noch nicht erarbeitet worden. 5 Ebenso fehlt eine systematische, ökonometrische Aufarbeitung zur Ermittlung der Gründe für die Defizite. Diese Lücken sollen mit dem vorliegenden Beitrag geschlossen werden. 1 2 3 4 5 Mit Krankenhäusern sind ausschließlich akutstationäre Einrichtungen gemäß 2 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), 2 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) sowie 39 SGB V (Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch) gemeint und keine Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen. Die Begriffe akutund vollstationär sowie stationär werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Vgl. STATISTISCHES BUNDESAMT (STBA, 2005 u.a. Jahre) u. im Überblick DKG (2005), S. 16. Hier wie im Folgenden werden bei Nennung von Zahlen ausschließlich Allgemeinkrankenhäuser betrachtet. In der relevanten Erhebung bzw. Abgrenzung des StBA zählen zu den Allgemeinen Krankenhäusern, Kliniken, die über Betten in vollstationären Fachabteilungen verfügen, wobei die Betten nicht ausschließlich für psychiatrische und/oder neurologische Patientinnen und Patienten vorgehalten werden. Vgl. STBA (2005), Blatt Erläuterungen. Häuser mit ausschließlich psychiatrischen, psychotherapeutischen und/oder neurologischen Betten und reine Tages- oder Nachtkliniken werden zu den sonstigen Krankenhäusern gezählt. Vgl. STBA (2005), Blatt Erläuterungen. Abweichend von den genannten, aktuellen Definitionen ist eine systematische Veränderung in der Statistik vor dem Jahre 2002 zu erkennen. Vor dem Jahre 2002 wurden reine neurologische Häuser zu den Allgemeinkrankenhäusern und nicht wie für die darauf folgenden Jahre zu den sonstigen Krankenhäusern gezählt. Ab dem Jahre 2002 werden folglich mehr sonstige und weniger Allgemeine Krankenhäuser ausgewiesen. Dies wirkt sich insbesondere auf die ausgewiesene Zahl der privaten Allgemeinkliniken aus. Diese sinkt vom Jahre 2001 zum Jahre 2002, obwohl die Zahl der privaten Kliniken insgesamt steigt. Grund hierfür ist, dass eine verhältnismäßig große Zahl an neurologischen Kliniken von Privaten betrieben wird. Vgl. STBA (2005), Blatt Erläuterungen. Die Auswirkung auf die Zahl der ausgewiesenen öffentlichen Allgemeinen (und sonstigen) Krankenhäuser, die im Zentrum der Analyse stehen, ist jedoch insgesamt als gering einzuschätzen. Eine exakte Bezifferung der rein neurologischen Kliniken für die Jahre 2001 und 2002 ist nach Aussagen des StBA so nicht möglich. Vgl. KUCHINKE/KALLFASS (2006). Außerdem ist die Bildung von Klinikketten, wie z.b. der Rhön- Klinikum AG und der Asklepios Kliniken GmbH, zu erkennen. Vgl. z.b. O.V. (2001), S. 49. Zur wettbewerbsökonomischen Diskussion vgl. KUCHINKE/SCHUBERT (2002, 2005). 1

Zunächst werden in Gliederungspunkt 2 die Grundzüge des Ordnungsrahmens kurz erläutert. Zusätzlich erfolgen eine generelle ökonomische Einordnung von Krankenhausdefiziten und deren Übernahme durch die öffentliche Hand sowie ein Überblick über den Stand der Literatur zum gesamten Problemfeld. Im darauf folgenden Gliederungspunkt 3 werden grundlegende Definitionen und Erläuterungen zum Datenmaterial vorgenommen. Der Fokus der Analyse liegt auf der Ermittlung und Erklärung der Defizite öffentlicher Allgemeinkrankenhäuser in den Jahren 1998 bis 2004. In Gliederungspunkt 4 werden anschließend Hypothesen formuliert, die in Gliederungspunkt 5 mit Hilfe der Fixed-effects Methode getestet werden. Das Paper schließt mit einer Zusammenfassung und einem Fazit in Gliederungspunkt 6. 2. Grundlagen der Analyse 2.1. Nachfrageseite Mit Blick auf die Nachfrageseite im deutschen Gesundheitswesen ist zu erkennen, dass nahezu 100 % der Bevölkerung Mitglied einer Krankenversicherung sind. 6 Alle Versicherten, unabhängig davon, ob ein privater oder gesetzlicher Krankenversicherungsschutz besteht, sind dabei vom Grundsatz her frei in der Wahl des Leistungsanbieters. Die Versicherungen übernehmen im Prinzip sämtliche anfallenden Kosten einer Behandlung, wobei die Kostenübernahme nicht begrenzt und lediglich wenige Ausnahmen bei bestimmten Behandlungsarten oder -formen bestehen. 7 Zuzahlungen der Patienten sind aktuell immer noch die Ausnahme und nicht prozentual an den Preis oder die Kosten der Leistung gekoppelt, sondern stellen gesetzlich vorgeschriebene Festbeträge dar. 8 Die gesetzliche Krankenversicherung, in der rund 90 % der Bevölkerung versichert sind, zeichnet sich ferner durch einkommens- und nicht risikoabhängige Beitragssätze sowie durch das Sachleistungsprinzip aus, d.h. der Leistungserbringer rechnet direkt mit der Versicherung ab. Zusammengefasst ergibt sich als eine Folge aus der Ausgestaltung des Krankenversicherungssystems in Deutschland, dass sich die Versicherten bzw. Patienten zentral an der Qualität orientieren können. 9 Der Qualitätsbegriff ist hierbei weit zu fassen, d.h. neben der medi- 6 7 8 9 Vgl. hier wie im Folgenden STBA (2006). Es kann insofern auch von einer Krankenvollversicherung gesprochen werden. Vgl. zur Zuzahlung bei Krankenhausaufenthalten 39 Abs. 4 und 61 Abs. 1 SGB V. Zu den Informationsproblemen bezüglich der Qualität von Krankenhausdienstleistungen vgl. KUCHINKE (2000). 2

zinischen Qualität zählt auch die Verfügbarkeit der Leistung, der Standort sowie die Art oder Konfession des Krankenhausbetreibers. 10 2.2. Angebotsseite Für alle Krankenhäuser gilt die landesspezifische Bedarfsplanung. 11 In jedem Bundesland wird in Abstimmung zwischen dem zuständigen Ministerium sowie den Landesverbänden der Krankenkassen und Krankenhäusern ein Bedarfsplan aufgestellt. In diesem sind die Standorte, die Bettenkapazitäten (sogenannte Planbetten), die Fachabteilungen usw. der für die Versorgung als notwendig erachteten Kliniken enthalten. 12 Die Aufnahme in den Plan ist aus Krankenhaussicht (Plankrankenhäuser) aus zwei Gründen wichtig 13 : Erstens darf nur dann mit den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden. 14 Zweitens erhalten alle im Plan enthaltenen Kliniken unabhängig von der Trägerschaft Investitionszuschüsse gemäß des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). 15 Diese werden landesweit pro Planbett in gleicher Höhe und auf Antrag vergeben. Im Rahmen der dualen Finanzierung erhalten deutsche Krankenhäuser neben den Investitionszuwendungen der Länder Zahlungen von den Krankenkassen, die die Finanzierung der laufenden Betriebskosten gewährleisten sollen. 16 Bis zum Jahre 2003 hatten alle Krankenkassen in der Hauptsache tagesgleiche Pflegesätze an die Kliniken zu entrichten. Die Pflegesätze sind aufgrund von krankenhausindividuellen Durchschnittskosten für einen Behandlungstag berechnet worden. Neben den Tagespflegsätzen sind parallel ab 1996 für einige Behandlungen bzw. Teilbehandlungen krankenhausindividuelle Fallpauschalen und Sonderentgelte eingeführt worden. Diese haben im Jahre 2002 ein Volumen von durchschnittlich 25 % am Umsatz einer Klinik ausgemacht. 17 Seit dem Jahre 2004 ist die Bezahlung nach einem neuem Fallpauschalensystem gemäß des Erkrankungsklassifikationssystems der Diagnosis Related Groups (DRG) 18 für alle Kassen und Krankenhäuser vorgeschrieben. Hierbei sind 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Vgl. KALLFASS (2006), S. 3 ff. Vgl. 1 Abs. 1, 17 Abs. 1 KHG und weiter KUCHINKE (2004), S. 114 ff. Die Laufzeit der Pläne beträgt i.d.r. fünf Jahre. Es besteht kein Anspruch auf die Aufnahme in den Plan. Vgl. 109 Abs. SGB V. Darüber hinaus besteht noch die Möglichkeit eines gesonderten Versorgungsvertrages, der zur Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen berechtigt. Vgl. 4 KHG. Zu den Regelungen bezüglich der Investitionen vgl. 2 Nr. 2 und Nr. 3, 6 Abs. 1, 8 Abs. 1, 9 KHG. Vgl. hier wie im Folgenden KUCHINKE (2004), S. 115 ff. Vgl. BMG (2002), S. 8. In Deutschland wird eine modifizierte Variante des australischen DRG-Systems verwendet. 3

die Fallpauschalen zunächst aufgrund von Durchschnittskosten in den einzelnen DRG krankenhausindividuell bestimmt worden. Bis zum 1.1.2009 werden diese jedoch landesweit angeglichen, d.h. ab diesem Zeitpunkt soll jedes Krankenhaus in einem Bundesland den gleichen Betrag für eine DRG erhalten. 19 Darüber hinaus gibt es seit dem Jahre 1993 krankenhausindividuelle Budgets. 20 Diese werden im Rahmen der Selbstverwaltung in jährlich stattfindenden Verhandlungen zwischen dem einzelnen Krankenhaus und den Krankenkassen prospektiv festgemacht. Das Budget hat sich bis 2003 aus der Multiplikation des Pflegesatzes mit der Pflegetagezahl und danach durch die Multiplikation der einzelnen Fallpauschalen mit den dazugehörigen Fallzahlen in den einzelnen DRG ergeben. 21 Da das Entgelt fixiert ist, liegt das Augenmerk bei allen Verhandlungen sowohl im alten wie auch im neuen Abrechnungssystem auf dem Parameter Menge, d.h. der Fallzahl. Die jährlich zulässige, maximale Steigerungsrate der Budgets hat der Gesetzgeber vorgeschrieben. Die genaue Realisierung des Budgets (Punktlandung) und damit das Eintreten der geplanten Pflegetage- bzw. Fallzahlen ist als der vom Gesetzgeber vorgesehene sowie auch der vom einzelnen Krankenhaus angestrebte Idealfall anzusehen. 22 Wird jedoch beispielsweise ein Patient weniger als geplant behandelt, so kommt es zu einer Budgetunterauslastung (Mindererlös), wird ein Patient mehr versorgt zu einer Budgetüberauslastung (Mehrerlös). Im Falle eines Mindererlös hat das Krankenhaus im besten Fall und bis zum Jahre 2004 gemäß 18 b KHG die Möglichkeit gehabt, das volle Budget zu erhalten, wenn Rationalisierungsinvestitionen begründet werden konnten. Die Krankenkassen hatten also das volle Budget auszuzahlen, obwohl keine dementsprechende Leistung erbracht worden ist. Viel entscheidender ist jedoch, dass sich bei einem dauerhaften Mindererlös, die Position eines Krankenhauses bei den Budgetverhandlungen zumindest mittelfristig verschlechtert. Im Falle der Behandlung von mehr Patienten als vorgesehen, ist der Mehrerlös von den Kassen zunächst in voller Höhe zu zahlen. Der Mehrerlös der betrachteten Periode wird jedoch vom Budget der nächsten Periode abgezogen, wobei für die einzelnen Jahre unterschiedliche Prozentsätze für den Abzug festgeschrieben worden sind. 23 Das einzelne Krankenhaus hat 19 20 21 22 23 Vgl. 4 Abs. 1 und 5 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG). Vgl. KUCHINKE (2004), S. 116 f. Die Pflegesätze bzw. Fallpauschalen stellen also eine Art Abschlagszahlung auf das Budget dar. Vgl. hier wie im Folgenden KUCHINKE (2004), S. 131 f. Vgl. den ehemaligen 12 Abs. 4 BPflV sowie 3 Abs. 6 KHEntgG und 4 Abs. 9 KHEntgG. 4

also keine oder kaum Anreize, einen hohen Mehrerlös zu erwirtschaften, da dieser in einer zwei- oder mehrperiodigen Sicht faktisch nicht realisiert wird und die zusätzlichen Behandlungen gleichzeitig zu Kosten führen. 24 Zunächst soll davon ausgegangen werden, dass in der Idealsituation der Budgeterreichung kein Gewinn und kein Verlust erwirtschaftet wird. 25 Alle bei den Planungen zu berücksichtigenden Parameter treffen ein. Die Kosten der Behandlungen werden insgesamt durch die Zahlungen der Krankenkassen und die Investitionskosten durch das Land getragen. Hiervon abweichend kann jedoch auch ein Gewinn oder Verlust erwirtschaftet werden. Die Realisierung von Gewinnen und Verlusten hängt hierbei zentral von den Faktoren Kosten und Qualität ab. Entwickeln sich beispielsweise die Kosten insgesamt bzw. bezogen auf das Abrechnungssystem in einer Periode nicht wie vorhergesehen, sondern liegen höher als erwartet 26, dann kann es sein, dass selbst bei Realisierung des Budgets ein Defizit erwirtschaftet wird. Umgekehrt kommt es ceteris paribus bei geringeren Kosten zu einem Gewinn. Zu einem Verlust kann es in der betrachteten Periode ebenfalls kommen, wenn das Budget aufgrund einer im Vergleich zum Plan zu geringen Nachfrage 27 nicht erreicht wird und keine Begründung von Rationalisierungsinvestitionen gegeben werden kann. Eine solche krankenhausindividuell geringe Nachfrage kann z.b. mit einer niedrigen Qualität begründet werden. Eine hohe Qualität impliziert dagegen eher eine außerplanmäßig hohe Nachfrage und damit einen Gewinn. 28 Dementsprechend können nun unterschiedliche Kombinationen von Kosten und Qualitäten statisch und dynamisch unter der Berücksichtigung von weiteren Parametern, wie z.b. die Zahl der Erkrankungen oder die Erkrankungsarten, analysiert werden. Die Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten kann und soll hier nicht abschließend dargestellt werden. Entscheidend für den weiteren Verlauf des Papiers ist nur der beschriebene, potenzielle Einfluss von Kosten und Qualität: Hohe Kosten und eine geringe Qualität führen potenziell zu Verlusten, geringe Kosten und eine hohe Qualität dagegen eher zu Gewinnen. 24 25 26 27 Eine unendliche, jährliche Erhöhung des Mehrerlöses ist auf Grund von Kapazitätsrestriktionen als kein realistisches Szenario anzusehen. Vgl. hier wie im Folgenden KUCHINKE (2004), S. 133 f. sowie S. 128 ff. Das Krankenhaus erzielt in dieser Situation einen normal profit, der definiert werden kann als Unternehmerlohn plus Kapitalverzinsung. Gründe hierfür könnten etwa hohe Tarifabschlüsse, die Preisentwicklung bei Vorleistungen oder der verschwenderische Umgang mit Ressourcen (X-Ineffizienz) sein. Zur Ableitung der krankenhausindividuellen und gesamtwirtschaftlichen Nachfrage vgl. KUCHINKE (2004), S. 72 ff. 5

2.3. Ökonomische Bewertung von Krankenhausdefiziten Die staatliche Übernahme von Defiziten öffentlicher Kliniken stellt eine selektive Subventionierung dar. Diese ist volkswirtschaftlich grundsätzlich als eher kritisch anzusehen. Als Grund hierfür ist die generelle wettbewerbsverzerrende Wirkung 29 von derartigen Finanzhilfen zu nennen, die effiziente Anbieter vom Markteintritt abhalten bzw. vom Markt verdrängen und damit zu dauerhaften Ineffizienzen 30 führen können. 31 Öffentliche Krankenhäuser genießen durch die Erhaltungssubventionen gewissermaßen einen Bestandsschutz. Eine optimale Allokation knapper Ressourcen wird folglich insgesamt verhindert. Das gesundheitspolitische Ziel der effizienten Bereitstellung 32 von Krankenhausdienstleistungen wird hierdurch gefährdet. Aufgrund des spezifischen Ordnungsrahmens in Deutschland ist nicht zu erkennen, wie die generelle Bezuschussungspraxis ökonomisch alternativ zu begründen ist. Öffentliche Krankenhäuser behandeln im Prinzip das gleiche Patientengut wie alle übrigen Kliniken. Ein explizite, generelle Strategie zur Vermeidung von unprofitablen Behandlungsfällen (dumping) oder aber umgekehrt, die Bemühung profitable Patienten anzulocken (cream skimming), ist im deutschen Krankenhaussektor so nicht zu erkennen bzw. noch nicht empirisch überprüft worden. Für die Unterstützung der These, dass kaum eine Selektion erfolgt, sprechen die Aufkäufe von privaten Betreibern, die alle Arten von Krankenhäusern umfassen, und die Veröffentlichungen des Bundeskartellamtes zu den untersagten Zusammenschlüssen, die Patientenströme beinhalten. 33 Es ist darüber hinaus kein generelles Marktversagen nachzuvollziehen, welches die grundsätzliche staatliche Subventionierung oder die Möglichkeit der Finanzhilfe eventuell rechtfertigen könnte. 34 Auch aus raumordnerischen Gesichtspunkten und dem Gedanken einer 28 29 30 31 32 33 34 Dies gilt, wenn das Krankenhaus keine Warteschlange bildet und die Patienten dementsprechend zeitlich, budgetneutral verteilt. Ein solcher (Qualitäts-)Wettbewerb wird vom Gesetzgeber bzw. den Regierungsverantwortlichen insbesondere in den letzten Jahren propagiert und soll durch die entsprechenden Gesetzesänderungen implementiert und verstärkt werden. Vgl. z.b. DEUTSCHE BUNDESREGIERUNG (2002), S. 2, SPD/BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN (2002), S. 53 ff. und SCHMIDT (2004), S. 2. Die gegebenen Defizite können gerade als Hinweis für bestehende Ineffizienzen bei den öffentlichen Krankenhäusern angeführt werden. Vgl. hierzu grundsätzlich KUCHINKE (2004). Vgl. z.b. DEUTSCHE BUNDESREGIERUNG (2002), SPD/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (2002) und SCHMIDT (2004). Vgl. BKARTA (2005a-d). Vgl. dagegen zum amerikanischen Markt NEWHOUSE/BYRNE (1988), MELT- ZER/CHUNG/BASU (2002), NEWHOUSE (1989) und ELLIS/MCGUIRE (1996). Vgl. KUCHINKE/SCHUBERT (2005), Rd. 44 ff., KUCHINKE (2004), Kapitel 4 sowie KUCHINKE (2000). 6

flächendeckenden Versorgung ergibt sich nicht zwangsläufig eine Begründung für den generellen staatlichen Eingriff. 35 Sowohl aus Marktversagensgründen als auch aus raumordnerischer Sicht heraus könnte höchstens in vereinzelten Ausnahmefällen eine selektive Defizitübernahme ökonomisch sinnvoll begründet werden, jedoch nicht die gegebene generelle Übernahmegarantie. 2.4. Stand der Literatur Die verfügbaren nationalen und internationalen Studien befassen sich mit alternativen Problemkreisen. Trotzdem fließen einige Erklärungsansätze, Zusammenhänge und Ergebnisse in das vorliegende Papier mit ein, da diese auch Einfluss auf die Defizitentwicklung von öffentlichen Krankenhäusern haben sollten. Steinmann/Zweifel (2003) zeigen beispielsweise für die Schweiz, dass subventionierte Krankenhäuser statistisch signifikant ineffizienter sind als nicht subventionierte Kliniken. 36 Hinsichtlich der Trägerschaft bzw. der damit verbundenen Gewinnerzielungsabsicht (forprofit/non-profit) werden in der Literatur signifikante, wenn auch teilweise widersprüchliche Ergebnisse herausgearbeitet. 37 Breyer et al. (1988) weisen beispielsweise in einer frühen Studie im Rahmen einer Kostenfunktionsschätzung 38 für Deutschland nach, dass öffentliche Häuser signifikant höhere Kosten haben als Kliniken in alternativer Trägerschaft. Helmig/Lapsey (2001) zeigen dagegen anhand von deutschen Daten auf, dass gerade private, for-profit Krankenhäuser eher technisch ineffzient sind, also höhere Kosten haben. Die Ergebnisse von Helmig/Lapsey werden von Frohloff (2007) bestätigt. Einige Studien beschäftigen sich darüber hinaus mit der Frage der mindestoptimalen Betriebsgröße. 39 In vielen der Arbeiten zu amerikanischen Krankenhausmärkten werden Größenersparnisse nachgewiesen. 40 Im Bereich der Allgemeinkrankenhäuser scheinen z.b. bei einer Anzahl von 200 bis 400 Betten alle Größenvorteile ausgeschöpft zu sein. In diesem 35 36 37 38 39 40 Vgl. KUCHINKE (2004), S. 109 ff. Vgl. STEINMANN/ZWEIFEL (2003). Vgl. zu einem Überblick auch HOLLINGSWORTH/DAWSON/MANIADAKIS (1999) und FROHLOFF (2007), Kapitel 2.1 und 2.2. Im Einzelnen kommen z.b. LI/ROSENMAN (2001) zu keinem eindeutigen Schluss. OZ- CAN/LUKE/HAKSEVER (1992), ZUCKERMAN/HADLEY/IEZZONI (1994) und ROSKO (2001) weisen eine geringere Effizienz bei privat geführten Kliniken nach. Zu einer überblicksartigen Darstellung vgl. auch EVANS (1984), S. 187 ff. Vgl. allgemein z.b. SHEPHERD (1997), S. 48 f. u. KOUTSOYIANNIS (1980), S. 126 ff. Vgl. COWING/HOLTMANN/POWERS (1983), S. 277 ff., FRECH/MOBLEY (1995), S. 287, COLES/HESTERLY (1998), S. 327 und S. 332, DRANOVE (1998), S. 78 ff. sowie GAYNOR/VOGT (2000), S. 1.452. Vgl. dagegen 7

Zusammenhang lässt sich mit Blick auf die vorhandenen Daten ein weiterer Umstand anführen, der die Höhe der Kosten insbesondere beeinflusst. Im Jahre 2003 haben die Personalkosten an den gesamten Kosten in einem deutschen Krankenhaus durchschnittlich rund 66 % ausgemacht. Hierbei ist mit ca. 36 % an den gesamten Personalkosten der mit Abstand größte Anteil auf die Berufsgruppe der Pflegekräfte entfallen. Der Anteil für den Bereich ärztlicher Dienst liegt dagegen bei etwas mehr als 23,5 %, derjenige der Verwaltung bei rund 6,5 %. 41 Vor dem Hintergrund der Einführung eines Fallpauschalensystems in Deutschland, ist es für die Beurteilung der Defizite von Krankenhäusern ferner sinnvoll zu berücksichtigen, welche empirischen Ergebnisse zum Einfluss pauschaler Entlohnungssysteme auf Kosten-, Erlösund Qualitätsentwicklung gefunden werden können. Erfahrungen hierzu liegen insbesondere für die USA vor, da dort bereits in den 1980er Jahren auf eine pauschale Krankenhausvergütung umgestellt worden ist. Verschiedene Studien wie die von Frank/Lave (1989), Coulam/Gaumer (1991), Gold et al. (1993) und Ellis/McGuire (1996) weisen darauf hin, dass durch den Wechsel auf ein pauschaliertes Entgeltsystem der Anstieg der Kosten pro Behandlungsfall gebremst wurde. In diesen Studien wird jeweils die Verweildauer zur Appoximation der Behandlungskosten herangezogen. 42 Auch konnte festgestellt werden, dass insbesondere große Krankenhäuser durch Senkung von Fallkosten infolge der Ökonomisierung des Ressourceneinsatzes und der Steigerung von Managementeffizienzen ihre Gewinne erhöhen konnten. 43 Die in Deutschland durchgeführten Studien zur Auswirkung der DRG-Einführung wie die von Wietholt et al. (2004) sowie Rüschmann et al. (2004) konnten die Ergebnisse der internationalen Arbeiten bezüglich der Verweildauerentwicklung bestätigen, ohne dabei jedoch die Ursachen zu analysieren. Bezüglich der Analyse der Defizitentwicklung ist es darüber hinaus erforderlich die Strategien zur Erlössteigerung im Rahmen von Pauschalvergütungssystemen zu beachten. Als Indikator für eine hiermit in Verbindung stehende Mengenstrategie kann die Fallzahlenentwicklung von Krankenhäusern infolge der Implementierung pauschaler Entlohnungssysteme 41 42 43 MONOPOLKOMMISSION (2006), Tz. 129. Hier wird eine mindestoptimale Betriebsgröße von 100 Betten genannt. Vgl. hier wie im Folgenden DEUTSCHE KRANKENHAUSGESELLSCHAFT (DKG, 2005), S. 20. DesHarnais et al. (1987) berücksichtigen neben der Verweildauer weitere Kostenkomponenten wie z.b. den Einsatz von Intensivmedizin. Auch sie kommen für den untersuchten allgemeinen stationären Bereich zu dem Ergebnis, dass sich durch den Systemumstieg erhebliche statistisch signifikante Kosteneinsparungen realisieren ließen. Vgl. auch CHULIS (1991). 8

herangezogen werden. So konnte Paulson (1999) für Schweden und Norwegen einen Anstieg der Fallzahlen ermitteln. Diese Daten legen Nahe, dass die Krankenhäuser Anstrengungen unternehmen, die durch fallende Verweildauern unterausgelasteten Kapazitäten durch eine Fallzahlausweitung zu kompensieren. 44 44 Vgl. NEWHOUSE (1989). Eine derartige Kompensationsstrategie konnte für Österreich jedoch nicht bestätigt werden. Vgl. Frick et al. (2001). 9

3. Datensatz 3.1. Definitionen und Erläuterungen Als Grundlage der Defizitberechnungen dienen die Arbeiten von Rosenschon (2002, 2005). 45 Subventionen werden hier definiert als selektive Vergünstigungen ausgewählter Produktionszweige die private Güter oder Dienste im Sinne der volkswirtschaftlichen Theorie erzeugen, unabhängig davon, ob diese Wirtschaftseinheiten dem Privatsektor, dem Staat oder Organisationen ohne Erwerbszweck zuzuordnen sind. 46 Als Subvention werden nur nationale Finanzhilfen verstanden, die zu Mehrausgaben in den öffentlichen Haushalten führen. 47 Die Zurechnung einer Subvention zum Subventionsgeber Bund, Land oder Gemeinde erfolgt danach, welche Ebene die Mittel ausschüttet. Hierbei wird die Subvention in voller Höhe dem Subventionsgeber zugewiesen. Um dem vorliegenden Sachverhalt gerecht zu werden, werden als Subventionsgeber nur die Bundesländerländer betrachtet. Des Weiteren werden aus Gründen der Vermeidung von Verzerrungen, die durch unterschiedliche Dezentralisierungsgrade in der Subventionspolitik in einzelnen Bundesländern auftreten können, die Finanzhilfen der Gemeinden den jeweiligen Ländern zugerechnet. Die Definition und damit die Berücksichtigung in den Daten findet dort ihre Grenze, wo aus (um-)verteilungspolitischen Gründen Einrichtungen mit karitativem Hintergrund gefördert werden, die Gruppen am Rande der Gesellschaft unterstützen, wie z.b. Behindertenheime, Asylantenaufnahmestätten usw., und wo spürbare externe Effekte, wie z.b. im Ausbildungssektor und bei Grundlagenforschungen bzw. allgemein im Schul- und Hochschulwesen 48, anfallen. 49 Die Berücksichtigung dieser Mittel würde zu einer überhöhten Ausweisung der Finanzhilfen für Krankenhäuser führen. Als weitere Quellen werden eine Veröffentlichung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG, 2005) sowie Angaben des Statistischen Bundesamtes (StBA, 2005b) ergänzt um eine Aufstellung von Bruckenberger (2006) herangezogen, in der die Investitionsmittel der Län- 45 46 47 48 49 Vgl. analog BOSS/ROSENSCHON (2003, 2006). Bei der Berechnung der Daten ab dem Jahre 2000 werden bei Rosenschon nur landesweite Pro-Kopf-Finanzhilfen ausgewiesen. Vgl. ROSENSCHON (2005), S. 29 u. S. 43 ff. Die absoluten Werte sind mit Hilfe der landesweiten Einwohnerzahlen in den entsprechenden Jahren berechnet worden. Vgl. STBA (2005a). ROSENSCHON (2002), S. 8 und S. 6 f. Subventionen die zu Mindereinnahmen beim Subventionsgeber führen, wie etwa die Gewährung von Steuervergünstigungen, werden nicht weiter betrachtet. Es fließen also keine Mittel für Forschung und Lehre in die Daten mit ein. Vgl. ROSENSCHON (2002), S. 7. 10

der in den einzelnen Jahren enthalten sind. 50 Für die erklärenden Variablen werden die Angaben des StBA aus der Reihe Grunddaten der Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen aus den entsprechenden Jahren sowie Sonderauswertungen der Gruppe VIII A Gesundheit/Gesundheitsberichterstattung verwendet. Aus den genannten Fundstellen können die Defizite der öffentlichen Krankenhäuser landesund bundesweit für die einzelnen Jahre berechnet werden, in dem von den gesamten Finanzhilfen die Investitionsmittel nach dem KHG bezogen auf einzelne Bundesländer jahresweise subtrahiert werden. Der Anteil bzw. das Residuum der gesamten landesbezogenen Finanzhilfen stellt also die von den öffentlichen Haushalten übernommenen Defizite der öffentlichen Akutkliniken in einem Bundesland dar. 3.2. Zahlen, Daten und Fakten Gemäß der erläuterten Berechnungsmethodik ergeben sich kumulierte Defizite für öffentliche Kliniken für Gesamtdeutschland sowie für die Alten und Neuen Bundesländer 51 wie in Abbildung 1 dargestellt: Abbildung 1: Landes- und bundesweite, kumulierte Defizite in den Jahren 1998 bis 2004 Shortfalls Of Public Owned Hospitals Billion Euros 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Year Germany Old West German States New East German States Quelle: EIGENE BERECHNUNGEN. 50 51 Die Daten der Publikation der DKG sind auf Anfrage der Autoren vom StBA bestätigt worden. Die Datenreihe in der Publikation der DKG sind durch Angaben vom StBA um das Jahr 2004 ergänzt worden. Vgl. STBA (2005b). Zu den Alten Bundesländern werden die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein gezählt. Zu den Neuen Bundesländern gehören Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 11

Die in Abbildung 1 festgehaltenen Ergebnisse zeigen, dass das absolute Niveau des kumulierten Defizits von öffentlichen Krankenhäusern in den betrachteten Jahren bundesweit stets über 2 Mrd. Euro gelegen hat. 52 Dieses Defizit ist über die betrachtete Periode angestiegen und erreicht im Jahre 2004 das höchste Volumen mit über 3 Mrd. Euro. Das kumulierte bundesweite Defizit hat also innerhalb von sieben Jahren einen Zuwachs von knapp 45 % erfahren. 53 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das bundesweite Defizit im Jahre 2004, also dem Jahr der (nahezu) vollständigen Umstellung auf das DRG-Entgeltsystem, verglichen mit dem Jahre 2003 um 9 % von 2,8 Mrd. Euro auf über 3 Mrd. Euro relativ stark angestiegen ist. Der absolute Defizitanstieg in diesem Zeitraum hat sich trotz des deutlichen und signifikanten Rückgangs bei der Anzahl der öffentlich betriebenen Häuser und Betten ergeben. Dies hat zur Konsequenz, dass sich das bundesweite durchschnittliche Defizit pro Klinik von ca. 2,7 Mio. Euro im Jahre 1998 um ca. 70 % auf ca. 4,5 Mio. Euro im Jahre 2004 erhöht hat. Umgerechnet auf die in Gesamtdeutschland betriebenen öffentlichen Betten entspricht dies einem durchschnittlichen Defizit von rund 7.000 Euro pro Bett im Jahre 1998. Dieser Fehlbetrag erhöhte sich auf einen Wert von nahe 12.000 Euro pro Bett im Jahre 2004, welches einer Steigerung von mehr als 67 % in diesem Zeitraum entspricht. Sowohl bei dem bundesweiten Defizit pro öffentlicher Klinik als auch pro öffentlichem Bett ist vom Jahre 2003 zum Jahre 2004 wiederum eine verhältnismäßig hohe Steigerungsrate zu erkennen. Die Werte liegen noch leicht über der Steigerungsrate der absoluten Defizite bei knapp 12 % (Defizit pro Klinik) bzw. 13 % (Defizit pro Bett). Absolut gesehen fallen die Defizite zu einem überwiegenden Teil in den Alten Bundesländern an. 54 Die kumulierten Defizite erreichen ca. 1,9 Mrd. Euro im Jahre 1998. Damit beträgt der Anteil der Defizite in den Alten Bundesländern an den Gesamtdefiziten ca. 92 %. Dieser Anteil hat sich in den folgenden Jahren schwankend auf ungefähr 90 % im Jahre 2004 verringert. 55 Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der Defizite in den Neuen Bundesländern an den Gesamtdefiziten von knapp 8 % auf etwa 10 % erhöht. 56 Hinsichtlich der Um- 52 53 54 55 56 Die angegebenen Werte sind hier wie im Folgenden buchhalterisch gerundet. Hierdurch ist die These, dass die Verkäufe der öffentlichen Häuser insbesondere aufgrund der Defizite zu Stande kommen, zu stützen. Dies ist zunächst dadurch zu begründen, dass über den Zeitraum schwankend, mit dem bereits beschriebenen rückläufigem absoluten Trend ca. 85 % aller Allgemeinkrankenhäuser bzw. ca. 80 % der öffentlichen Allgemeinkrankenhäuser ihren Standort in den Alten Bundesländern haben. Absolut ist der Wert jedoch um fast 42 % auf rund 2,7 Mrd. Euro angestiegen. Absolut steigt der Fehlbetrag hierbei von ca. 160 Mio. Euro um über 80 % auf knapp 300 Mio. Euro. 12

stellung auf das neue Pauschalvergütungssystem in den Jahren 2003/2004 ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse. In den Alten Bundesländern erhöht sich das kumulierte Defizit ähnlich dem Bundestrend von 2,4 Mrd. Euro (2003) auf über 2,7 Mrd. Euro (2004) um ca. 13 %. Dagegen sinkt das Defizit in den Neuen Bundesländern im gleichen Zeitraum, ausgehend von einem Wert von rund 370 Mio. Euro im Jahre 2003, um nahezu 25 %. Mit Blick auf die absoluten Defizite nehmen in den betrachteten Jahren bei den Alten Bundesländern die Länder Bayern (1998: 606 Mio. Euro; 2004: 916 Mio. Euro), Nordrhein- Westfalen (1998: 245 Mio. Euro; 2004: 599 Mio. Euro) und Baden-Württemberg (1998: 226 Mio. Euro, 2004: 342 Mio. Euro) regelmäßig die vorderen Plätze ein. 57 Bei den Neuen Bundsländern weisen Sachsen (1998: 90 Mio. Euro; 2004: 116 Mio. Euro), Sachsen-Anhalt (1998: 61 Mio. Euro; 2004: 59 Mio. Euro) und Thüringen (1998: 67 Mio. Euro; 2004: 66 Mio. Euro) über die Zeit regelmäßig die höchsten absoluten Defizitwerte auf. 58 Die dargestellten Defizite können als erste Anhaltspunkte im Rahmen einer ökonomischen Analyse verstanden werden. Als weitere, zentrale Kennziffer werden die Defizite pro Fall angesehen. Bezogen auf die Zahl der in öffentlichen Allgemeinkrankenhäusern behandelten Fälle ergibt sich gemäß Abbildung 2 folgendes Bild: Abbildung 2: Defizite pro Fall in den Jahren 1998 bis 2004 Shortfalls Per Case Euro 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Year Berlin Bavaria North Rine-Westphalia Saxony Saxony-Anhalt Thuringia Germany Old West German States New East German States Quelle: EIGENE BERECHNUNGEN. 59 57 58 59 Ende der 1990er Jahre weist Berlin ebenfalls (1998: 332 Mio. Euro; 1999: 300 Mio. Euro) verhältnismäßig hohe Defizite aus. Auf die Darstellung der Defizite pro Klinik und pro Bett wird an dieser Stelle verzichtet. Tendenziell ergeben sich hierbei ähnliche Trends und Entwicklung wie bei der gesamtdeutschen Darstellung. Für das Jahr 2000 liegt für Sachsen kein Wert vor. 13

Abbildung 2 zeigt, dass sich das bundesweite, durchschnittliche Defizit pro Fall ausgehend von einem Betrag von 238 Euro im Jahre 1998 auf 348 Euro im Jahre 2004 erhöht hat. Der Wert für die Alten Bundesländer liegt hierbei durchgehend über dem Bundesdurchschnitt (1998: 282 Euro; 2004: 385 Euro), die Größe für die Neuen Bundesländer über die Zeit gesehen erheblich darunter (1998: 83 Euro; 2004: 186 Euro). Bei der Entwicklung der kumulierten Werte für die Alten und Neuen Bundesländer sind Unterschiede zu erkennen. Während das Defizit pro Fall in den Alten Bundesländern kontinuierlich ansteigt, erreicht der Wert für die Neuen Bundesländer im Jahre 2000 ein Minimum und im Jahre 2003 ein Maximum. 60 Bei der Betrachtung der Alten Bundesländer ist zunächst festzustellen, dass zu Beginn des Betrachtungszeitraums Berlin (943 Euro) mit Abstand das höchste Defizit pro Fall aufweist. Hieran schließen sich Bayern (333 Euro) und Rheinland-Pfalz (322 Euro) an. Dahinter folgt eine Gruppe von Ländern, mit z.b. Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen, mit durchschnittlichen Defiziten pro Fall in einer Höhe von ca. 200 Euro. Die Defizite pro Fall haben sich über den Betrachtungszeitraum heterogen entwickelt. Die Gruppe von Ländern, die die Defizite pro Fall reduzieren konnte, führt das Land Berlin an, welches den Ausgangsbetrag um fast 66 % auf absolut 321 Euro im Jahre 2004 reduzieren konnte. 61 Viele andere Bundesländer verzeichnen dagegen durchweg steigende Fehlbeträge, so dass am Ende des Beobachtungszeitraums im Jahre 2004 die Länder Bayern (477 Euro), Hessen (447 Euro) und Niedersachsen (385 Euro) die höchsten Werte verzeichnen. In den Jahren der Umstellung auf das neue DRG-System fällt die Entwicklung der Defizite in den einzelnen Ländern unterschiedlich aus. Während in einigen Bundesländern, wie etwa Hessen, Schleswig- Holstein, Bayern und Niedersachsen, die Defizite verhältnismäßig stark angestiegen sind, steigen die Defizite in einigen Bundesländern eher moderat (z.b. Baden-Württemberg) oder sinken sogar (z.b. Berlin). Bei den Neuen Ländern nehmen durchgängig die Bundesländer Thüringen (1998: 197 Euro; 2004: 301 Euro), Mecklenburg-Vorpommern (1998: 191 Euro; 2004: 325 Euro) und Sachsen (1998: 145 Euro; 2004: 205 Euro) die Spitzenpositionen ein. Über den gesamten Zeitraum gesehen wird in Thüringen im Jahre 2003 der höchste Wert von 462 Euro erreicht. Im Gegensatz zu den Alten Bundesländern ist in der dynamischen Sicht ein Unterschied zu erken- 60 61 Dementsprechend steigt das Defizit pro Fall vom Jahre 2003 zum Jahre 2004 in den Alten Bundesländern, während es in den Neuen Bundesländern sinkt. Die Länder Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein konnten beispielsweise auch die Defizite verringern. 14

nen: In allen Neuen Bundesländern erhöhen sich die Defizite pro Fall über den Beobachtungszeitraum von 1998 bis 2004, wobei beim Übergang zum pauschalisierten Entgeltsystem in den Jahren 2003/2004 in allen Neuen Bundesländern mit Ausnahme von Mecklenburg- Vorpommern ein Rückgang der Defizite pro Fall erkennbar ist. 15

4. Schätzverfahren und Hypothesen 4.1. Schätzverfahren Beim zugrunde liegenden Datensatz handelt es sich um Paneldaten. Bei einem solchen Datensatzes sind grundsätzlich drei Schätzverfahren möglich: Die gepoolte Regression, die Fixed-Effects Methode oder die Random-Effects Methode. Bei der gepoolten Regression wird davon ausgegangen, dass die einzelnen Beobachtungen im Paneldatensatz voneinander unabhängig sind. Da sich jedes Bundesland durch individuelle, charakteristische Eigenschaften auszeichnet, die auf das Niveau und die Entwicklung der Finanzhilfen, der KHG-Mittel sowie der Defizite Einfluss nehmen und nicht komplett über die erklärenden Variablen aufgefangen werden können, sind die einzelnen Beobachtungen im Paneldatensatz nicht unabhängig voneinander. Daher würde eine gepoolte Regression zu verzerrten Schätzergebnissen führen. Folglich ist es erforderlich, eine bundeslandspezifische Variable in die Schätzgleichung zu integrieren. Dadurch wird vermieden, dass die nicht beobachtete bundeslandspezifische Heterogenität den systematischen Zusammenhängen, d.h. den erklärenden Variablen zugeordnet wird und diese verzerrt. Diese Vorgehensweise wird bei der Fixed-effects-Methode und bei der Random-effects-Methode gewählt. 62 Im Rahmen der Fixed-effects-Methode wird für jedes Bundesland eine Dummyvariable eingeführt. Die nicht beobachtete bundeslandspezifische Heterogenität wird durch diese Dummyvariablen aufgefangen, womit die geschätzten erklärenden Variablen unverzerrt sind. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass hinsichtlich der Verteilung der Dummyvariablen keine Annahmen notwendig sind. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist jedoch, dass nur die Wirkung der erklärenden Variablen geschätzt werden kann, die sich über die Zeit verändern. Ansonsten besteht perfekte Kollinearität mit den bundeslandspezifischen Konstanten. Dieser Nachteil sollte allerdings bei der gegebenen Paneldatenstruktur relativ gering sein, weil sich der deutsche Krankenhaussektor verändert hat und damit die herangezogenen erklärenden Variablen in den letzten Jahren ebenfalls entsprechenden Veränderungen unterlegen sind. Gleichzeitig ist die Anzahl der untersuchten Bundesländer gegeben und es wird daher auf die Random-Effects-Methode verzichtet. 63 62 63 Vgl. BREYER/ZWEIFEL/KIFMANN (2005), S. 376. Vgl. zur Diskussion der Geeignetheit der Methoden z.b. WOOLDRIDGE (2002) und GREENE (2000). 16

4.2. Hypothesen Insgesamt bleibt festzuhalten, dass in den empirischen Arbeiten unter der Maßgabe eines pauschalierten Entgeltsystems die Verkürzung der Verweildauer als ein Kostensenkungsinstrument der Krankenhäuser ausgemacht wird. Als erste Hypothese wird daher formuliert, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Verweildauer- und der Defizitentwicklung zu vermuten ist. Mit gleicher, positiver Wirkungsrichtung wird ein Einfluss der Beschäftigtenzahlen im Rahmen einer zweiten Hypothese vermutet. Da im überwiegenden Teil der Literatur die Ausweitung der Fallzahlen als Instrument zur Verbesserung der Erlössituation eines Krankenhauses beschrieben wird, wird drittens angenommen, dass die Defizitentwicklung negativ von der Fallzahlentwicklung pro Krankenhaus beeinflusst wird. In gleicher Weise wird eine negative Abhängigkeit von der Größe der Kliniken, gemessen an der Zahl der aufgestellten Betten, auf die Defizitsituation hinsichtlich einer vierten Hypothese unterstellt. Die fünfte Hypothese zielt auf die Gewährung der länderspezifischen Investitionsmittel ab. Es wird vermutet, dass ein negativer Zusammenhang zwischen der KHG-Mittel Vergabe und der Defizitentwicklung besteht. Die Gründe für diese Hypothese werden darin gesehen, dass bei hohen Investitionsmitteln die öffentlichen Häuser eher in der Lage sind mit verhältnismäßig geringen Kosten, im günstigsten Fall technisch effizient zu produzieren und/oder beispielsweise über die Anschaffung von modernen technischen Geräten eine verhältnismäßig gute Qualität bei den Behandlungen anbieten können. 17

5. Ergebnisse und Interpretation Die Hypothesen sind mit Hilfe von drei Schätzgleichungen überprüft worden. Als abhängige Variable wird in den ersten beiden Schätzungen das absolute Defizit herangezogen. In der letzten Schätzgleichung wird das Defizit pro Fall bezogen auf die öffentlichen Krankenhäuser betrachtet. Die verschiedenen Schätzgleichungen und die darin berücksichtigten unabhängigen Variablen sind in nachfolgender Abbildung 3 dargestellt. Abbildung 3: Schätzgleichungen Schätzgleichung I: Defizit it = a i + ß 1VD it + ß 2P it + ß 3PP it + ß 4dummy 98 it +... + ß 9dummy 03 it + u it Schätzgleichung II: Defizit it = a i + ß 1VD it + ß 2P it + ß 3PP it + ß 4KHG it + ß 5 NCPH + ß 6SPH99 it + ß 7dummy 98 it +... + ß 12dummy 03 it + u it Estimation III: DPF it = a i + ß 1VD it + ß 2Ä it + ß 3PP it + ß 4KHG it + ß 5AÖK99 it + ß 6dummy 98 it +... + ß 11dummy 03 it + u it where t = unterschiedliche Jahre (1998,..., 2003), i = unterschiedliche Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern,...), u = Störterm, ß 1-13 = estimates of the regression coefficients, a = fixe Effekte, DPF = Defizit pro Fall (öffentliches Krankenhaus), NCPH = Anzahl der Fälle im öffentlichen Krankenhaus, KHG = KHG-Mittel, VD = Verweildauer (öffentliches Krankenhaus), Ä = Anzahl Ärzte (öffentliche Krankenhäuser), PP = Anzahl Pflegepersonal (öffentliche Krankenhäuser), AÖK = Anteil öffentlicher Krankenhäuser Quelle: EIGENE DARSTELLUNG. Die Ergebnisse der Schätzvarianten sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Tabelle 1: Schätzergebnisse Abhängige Variable Defizite in 1000 Euro Defizite pro Fall in Euro Methode Panelschätzung, Fixe Effekte, Anzahl der Beobachtungen 112 Variable Koeffizient (Prob.) Koeffizient (Prob.) Koeffizient (Prob.) Verweildauer (Öffentliche Krankenh.) 51427 (0,0115)** 33954,09 (0,1146) 50,6004 (0,0518)* Ärzte (Öffentliche Krankenh.) 129,3206 (0,0000)** 117,1694 (0,0000)** 0,027656 (0,3073) Pflegepersonal (Öffentliche Krankenh.) -20,68906 (0,1060) -20,84054 (0,1832) 0,0415318 (0,0347)** KHG-Mittel (1000 Euro) -0,178669 (0,4517) -0,000636 (0,0292)** Fallzahl pro öffentliches Krankenh. -1665,94 (0,0579)* Anteil öffentlicher Krankenh. < 99 Betten -422761,1 (0,1543) -232,1516 (0,5375) 18

Abhängige Variable Defizite in 1000 Euro Defizite pro Fall in Euro Methode Panelschätzung, Fixe Effekte, Anzahl der Beobachtungen 112 Variable Koeffizient (Prob.) Koeffizient (Prob.) Koeffizient (Prob.) Dummy 98-107823,1 (0,0227)** -78501,78 (0,1114) -143,886 (0,0232)** Dummy 99-93587,85 (0,0238)** -74380,18 (0,0848)* -151,206 (0,0070)** Dummy 00-92841,37 (0,0148)** -78277,95 (0,0460)** -136,429 (0,0064)** Dummy 01-38618,46 (0,2239) -20236,10 (0,5360) -95,1957 (0,0246)** Dummy 02-16889,79 (0,4696) -10448,16 (0,6647) -51,3072 (0,0892)* Dummy 03-1170,67 (0,9532) -5807,03 (0,7745) -35,7598 (0,1647) Fixed effects Baden-Württemberg -866585-448041 -1328,745 Bayern -685921-174634 -1517,956 Berlin -651655-319014 -505,808 R² 0,946683 0,951599 0,690521 Adjustiertes R² 0,931450 0,935465 0,580295 Residuenquadratsumme 51968,75 50423,74 292806 F-Wert 62,14507 58,98178 6,26465 Wahrscheinlichkeit (F-Wert) 0,0000000 0,0000000 0,000000 Durbin-Watson-Wert. 1,833953 2,080241 1,987087 **represents p<0,05 *represents p<0,10 Quelle: EIGENE BERECHNUNGEN. Wie Tabelle 1 zeigt, liefert die ökonometrische Überprüfung der Schätzgleichung I statistisch signifikant von Null verschiedene Schätzer für die Variablen Verweildauer in öffentlichen Krankenhäusern und Anzahl der Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern. Es zeigt sich, dass eine Senkung (Erhöhung) der Verweildauer und des eingesetzten Ärztepersonals einhergehen mit einer Verringerung (Erhöhung) der Defizite in den Bundesländern. Beispielsweise ist eine Reduzierung der durchschnittlichen Verweildauer um einen Tag statistisch verbunden mit einer bundesweiten Defizitabnahme um über 51 Mio. Euro und ein weniger eingesetzter Arzt geht mit einem Defizitrückgang um über 129.000 Euro einher. Keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Defizitentwicklung zeigt demgegenüber die Personalvariable Pflegepersonal sowie weitere noch zusätzlich getestete Personalvariablen ( Verwaltung, medizinisch-technischer Dienst, Wirtschaftsdienst, Funktionsdienst ). Die Ergebnisse können die Hypothesen 1 und 2 zum Einfluss der Verweildauer und des Perso- 19

naleinsatzes von Ärzten auf die Defizitentwicklung in öffentlichen Krankenhäusern unterstützen. Die in Schätzgleichung II zusätzlich berücksichtigten Variablen zur Prüfung des Einflusses der Entwicklung der Größenstruktur sowie der KHG-Mittel auf die Defizitentwicklung liefern demgegenüber keine statistisch signifikanten Schätzer. Die Variable KHG-Mittel signalisiert jedoch die erwartete Wirkungsrichtung. So geht eine Erhöhung der KHG-Mittel einher mit einer Verringerung der Defizite in den Bundesländern. Jedoch zeigt die Variable Anteil öffentlicher Krankenhäuser unter 99 Betten, die auf Größenvorteile kontrollieren soll, ein nicht erwartetes Vorzeichen, da sie negativ mit der Defizitentwicklung korreliert. Einen schwach signifikanten statistischen Einfluss auf die Defizitentwicklung hat demgegenüber die Fallzahl pro öffentliche Klinik. Mit zunehmender Fallzahl geht ein sinkendes Defizit einher. Obwohl die zusätzlich in Schätzgleichung II aufgenommenen Variablen für sich nicht bzw. nur schwach signifikant sind, ist die Berücksichtigung dieser Variablen sinnvoll, da sie den Erklärungsgehalt der Schätzung erhöhen, was durch das erhöhte adjustierte R²adj von 0,935465 im Vergleich zum R²adj von 0,93145 in Schätzgleichung II signalisiert wird. Insgesamt kann Schätzgleichung 2 die aufgestellte Hypothese 3 (schwach) unterstützen. Die Hypothesen 4 und 5 können demgegenüber nicht unterstützt werden. Im Folgenden sind weitere Variablen auf ihre Signifikanz getestet worden. Als statistisch nicht signifikant hat sich die Variable Anteil der öffentlichen Betten erwiesen. Diese Variable ist in die Schätzung integriert worden, um darüber näherungsweise einen Indikator für die Marktanteile und die wettbewerbliche Situation zu berücksichtigen. 64 Außerdem ist der Nutzungsgrad, also die Auslastung der vorhandenen Bettenkapazität, mit gleichem nicht signifikanten Ergebnis getestet worden. Abschließend ist auch berücksichtigt worden, ob das jeweilige Bundesland eine eher linke oder eher rechte Regierung bzw. von einer Koalition regiert wird. Die eingefügte Variable Politik ist jedoch ebenfalls nicht statistisch signifikant. Statistische Signifikanz in Schätzgleichung III zeigen dagegen die Schätzer der Variablen Verweildauer in öffentlichen Krankenhäusern, Pflegepersonal in öffentlichen Krankenhäusern und KHG-Mittel. Zum einen gehen mit höherem Pflegepersonaleinsatz höhere 64 Zum Krankenhauswettbewerb und die Auswirkungen auf die Kosten, die Qualität und die Preise vgl. im Überblick GAYNOR/VOGT (2000), U.S.DJ/FTC (July 2004), FEDERAL TRADE COMMISSION (2003), VI- TA/SACHER (2001) und für Deutschland z.b. KALLFASS/KUCHINKE (2006) und KUCHINKE/KALLFASS (2006). Insbesondere für die USA werden bei fehlendem Wettbewerb unabhängig von der Trägerschaft schlechtere Ergebnisse nachgewiesen. 20