Regionale Unterschiede und Trends in der Inanspruchnahme von Akupunktur als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland

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Transkript:

Regionale Unterschiede und Trends in der Inanspruchnahme von Akupunktur als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland Lennart Hickstein, Simone Kiel, Christina Raus, Steffen Heß, Jochen Walker, Jean-François Chenot Potentielle Interessenkonflikte keine

Hintergrund Traditionelle Methode der chinesischen Medizin Große Popularität in Deutschland Akupunktur 2007 für die Indikationen chronische Knie- und Rückenschmerzen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen Hohe Qualifikationsanforderung (240 h plus 80 h) Grundlage von den Krankenkassen finanzierte GERAC Studien Was sagen die Leitlinien? In der NVL 2010 und 2017 optionale Empfehlung (D) Negative Empfehlung in der NICE 2016 (UK) ACP 2017 niedrige Evidenz, geringe Wirkung auf Schmerzen, keine Wirkung auf Funktion (USA) Haake M, et al. German Acupuncture Trials (GERAC) for chronic low back pain: randomized, multicenter, blinded, parallel-group trial with 3 groups. Arch Intern Med 2007;167:1892-98. Folie 2 11.10.2017

Fragestellung Wer nimmt Akupunktur in Anspruch? Wie viele Akupunktursitzungen werden abgerechnet? Wie oft wird die Behandlung abgebrochen? Surrogat für Wirkungslosigkeit Wie oft wiederholt? Surrogat für Wirksamkeit Wie entwickelt sich die Inanspruchnahme im zeitlichen Verlauf und gibt es regionale Unterschiede? Wer bietet Akupunktur an? Folie 3 11.10.2017

Datengrundlage Forschungsdatenbank mit Abrechnungsdaten ca. 4. Millionen Versicherte mehrerer Ersatzkassen GOP 30790 Beratungsgespräch und Eingangsuntersuchung GOP 30791 Akupunktursitzung ICDs Rücken- und Knieschmerzen Analysejahr 2014 für Inanspruchnahme Trendanalyse 2008-2015 Anzahl der Anbieter von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ca. 50% der niedergelassenen Orthopäden ca. 8% der Hausärzte Andersohn F, Walker J. Characteristics and external validity of the German Health Risk Institute (HRI) Database. Pharmacoepidemiol Drug Saf 25:106 109 Folie 4 11.10.2017

Wer nimmt Akupunktur in Anspruch? 3.564.203 Versicherte 2012-15 beobachtbar 1.003.302 mit Knie- oder Rückendiagnose 69.686 Eingangsdiagnostik (GOP 30790) 67.159 Akupunktur (GOP 30791) 86% für Rückenschmerzen Anteil in % / Ambulante Knie- oder Rückendiagnose n= 1.003.302 Mittelwert (Median ; IQR) Ohne Akupunktur n= 936.143 Mit Akupunktur n= 67.159 Alter 58,1 (59 ; 47 72) 61,1 (63 ; 51 74) Anteil Frauen 55% 67% Anteil Rentner 43% 50% Charlson-Index 1,5 (1 ; 0 2) 1,7 (1 ; 0 2) Folie 5 11.10.2017

Anzahl der Sitzungen in 2014 37% hatten bereits in 2012 oder 2013 Akupunktur 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Abbruchrate Knie 14% Abbruchrate Rücken 21% 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 +16 Üblich 10 Sitzungen weniger als 5 Sitzungen als Abbruch gewertet Abstand zwischen Sitzungen Median 4,8 Tage (IQR 7-10) Folie 6 11.10.2017

Regionale Unterschiede hohe Korrelation 0,84 (Spearman) Zahl der Anbieter und Inanspruchnahme Folie 7 11.10.2017

Zeitliche Trends 10,0 % 9,0 % extrabudgetäre Akupunktur wird qualitätsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) 8,0 % 7,0 % 6,0 % 5,0 % 4,0 % 3,0 % 2,0 % 1,0 % Frauen und Männer Männer Frauen Mögliche Interpretation Sättigungseffekte Erlebte Wirkungslosigkeit Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung 0,0 % 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Akupunktur wird Kassenleitung Cochrane-Armitrage-Test Cochran-Armitage-Test for für Trend: Trend p < 0.001 0,001 Folie 8 11.10.2017

Anzahl abgerechnete Kontakte Verteilung des Angebots von Akupunkturleistung Lorenz-Kurve der Anzahl der abgerechneten Akupunktursitzungen bei Versicherten mit Knie- oder Rückenschmerzdiagnose auf die abrechnenden Ärzte in 2014 Mögliche Erklärungen Erleben von Wirkungslosigkeit? Erfolg erfahrungsabhängig? Wirtschaftlichkeit aus Arztsicht? Anteil der Ärzte Folie 9 11.10.2017

Schlussfolgerung Inanspruchnahme eher von Frauen über 60 Jahre, nimmt tendenziell ab Kein Angebot für Alle hoher Anteil der wiederholt Akupunktur in Anspruch nimmt ( Surrogat für Effektivität) hoher Abbrecheranteil ( Surrogat für mangelnde Effektivität) Starke regionale Unterschiede Angebotsinduzierte Nachfrage Regionale Unterschiede in der Präferenz Zugangsbarrieren Starke Angebotskonzentration gibt Hinweise auf mögliche wirtschaftliche und qualitative Aspekte bei der Leistungserbringung Gematchte Analysen die den Einfluss andere Leistungen und Schmerzmittel Analysieren zu wünschenswert Folie 10 11.10.2017