KammerKompakt Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung im Land Bremen: Aufschwung hält an Welthandel birgt Risiken Inhalt Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (preisbereinigt, nach Korrektur der Statistischen Ämter, in Prozent) 3,3 1. Das Wachstum des bremischen Bruttoinlands produkts war 2017 das stärkste aller Bundesländer. Obwohl die Wachstumsraten für die Vorjahre nach unten korrigiert wurden, legte die Bremer Wirtschaftsleistung seit der Krise 2009 deutlicher zu als der Bundesdurchschnitt. 2. Die wirtschaftliche Entwicklung wird getrieben vom Exportboom, der mit den Häfen und der von industriellen Großbetrieben geprägten Wirtschaftsstruktur zu erklären ist. Die Ausfuhren summieren sich mittlerweile auf einen Wert von 63 Prozent der bremischen Wirtschaftsleistung. Dass der Exportboom nicht etwa von einem Handelskonflikt gedämpft wird, liegt im Interesse Bremens. 3. Die Wertschöpfung der bremischen Industrie steigt stark. Die Erwerbstätigenzahlen hingegen sinken sogar leicht, da immer effizienter und oft maschinell produziert wird. 4. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts wird vom Industriesektor und dem Baugewerbe getrieben, für die Rekordzahlen auf dem Arbeitsmarkt sind sowohl personen- wie unternehmensnahe Dienstleistungsbranchen verantwortlich. 5. Mit rund 17 Prozent der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe ist die Industrie in Bremen im Großstä dte vergleich von großer Bedeutung. Dagegen ist der Dienstleistungssektor mit 77,5 Prozent verglichen mit anderen Großstädten unterrepräsentiert. 6. Auch wegen des Bedeutungsgewinns von Dienstleistungsberufen, die teils von Minijobs und Teilzeit geprägt sind, nimmt die Qualität der Arbeitsbedingungen ab. 7. Der Frauenanteil unter den Bremer Beschäftigten ist mit 44 Prozent gering. Sozialversicherungspflichtige Teilzeit üben jedoch zu drei Vierteln Frauen aus, Minijobs zu 57 Prozent. Auch die Beschäftigungsquote von Frauen ist die niedrigste aller Bundesländer. BIP Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder 1,9 1,1 1,7 1,1 Deutschland 1. Bremen mit stärkstem Wirtschaftswachstum 2017 1,9 1,7 2,2 2014 2015 2016 2017 Land Bremen Im letzten Jahr betrug der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die im Land Bremen hergestellt beziehungsweise erbracht wurden fast 33,7 Mrd. Euro. Unter Berück sichtigung der Inflation ergibt sich ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,3 Prozent gegenüber 2016. Einen stärkeren Anstieg konnte kein anderes Bundesland verzeichnen, das bremische BIP-Wachstum lag damit 2017 auch deutlich vor dem bundesweiten von 2,2 Prozent, wie die Statistischen Ämter zuletzt mitteilten. Dabei wurden auch die Daten der Vorjahre überarbeitet, wobei die Korrekturen diesmal un gewöhnlich deutlich ausfielen: Das Wachstum der Wirtschaftsleistung Bremens für 2014 wurde auf 1,1 Prozent nach oben korrigiert, durch den Niveaueffekt fällt das Wachstum in 2015 und 2016 nach den neuen Berechnungen dann geringer aus als zunächst vermeldet. Damit lag die bremische Wachstumsrate in den Vorjahren unterhalb des Bundesdurchschnitts. Im vergangenen Jahr war es vor allem der in den Vorjahren schwächelnde Baubereich, der mit einem kräftigen Plus von über 29 Prozent für das starke Wachstum in Bremen verantwortlich war. Die Wachstumsrate der Industrie lag ungefähr auf dem Bundesniveau, das in den bremischen Dienstleistungsbereichen nicht erreicht wurde.
2 KammerKompakt 2. Bremen mit sehr hohem Exportanteil Bremen hat großes Interesse an einem florierenden Außenhandel. Seit dem Krisenjahr 2009 verdoppelte sich der Wert der Ausfuhren annähernd auf über 21,1 Mrd. Euro. Dies ist vor allem mit den gestiegenen Exporten von Industriegütern zu erklären: Der Wert der ausgeführten Pkw stieg auf fast 11 Mrd. Euro, Luftfahrzeuge wurden im Wert von rund 2,5 Mrd. Euro verschifft, Eisen und Stahl für 1,5 Mrd. Euro. Wichtigste Handelspartner des Landes Bremen sind Frankreich (3,3 Mrd. Euro Ausfuhr in 2017), die USA (2,4 Mrd. Euro, davon über 1,8 Mrd. Euro Pkw) das Vereinigte Königreich (1,8 Mrd. Euro), China (1,3 Mrd. Euro) sowie Italien und Belgien (je gut 1,1 Mrd. Euro). Die Einfuhren vor zehn Jahren noch von einem ähnlichen Wert stagnieren weitestgehend. Die Ausfuhren aus Bremen und Bremerhaven (in klusive be zogener Vorleistungen) erreichten damit 2017 einen Wert von fast 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Relation von Ausfuhren und Wirtschaftsleistung ist die mit Abstand größte aller Bundes länder und belegt, dass der Zwei-Städte Staat in besonderer Weise auf einen funktion ie renden und freien Welthandel angewiesen ist. Handelskonflikte sind für die bremische Industrie daher ebenso ein ernstes Risiko wie die möglichen Folgen des Brexit oder ein Abflauen der Weltwirtschaft beispielsweise infolge kriege - ri scher Auseinandersetzungen. Experten befürchten, dass die weltwirtschaftliche Entwicklung in näherer Zukunft ab ge schwächt wird, was auch den deutschen Aufschwung eintrüben würde. Seine Wirtschaftsstruktur macht Bremen tendenziell anfälliger für globale Wirtschaftskrisen, wie schon die Weltwirtschaftskrise 2009 gezeigt hat, weil die hiesigen industriellen Großbetriebe auf ihre Exportstärke an gewiesen sind. Handelskonflikte sind für die bremische Industrie ebenso ein ernstes Risiko wie die möglichen Folgen des Brexit oder ein Ab - flauen der Weltwirtschaft. Anteil der Ausfuhren (inklusive bezogener Vorleistungen) am Bruttoinlandsprodukt 2017 Bremen Saarland Hamburg Baden-Württemberg Rheinland-Pfalz Sachsen Bayern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Sachsen-Anhalt Thüringen Schleswig-Holstein Hessen Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern Berlin 11,2% 47,1% 43,3% 40,8% 38,1% 34,0% 32,3% 30,6% 27,7% 25,6% 24,6% 24,2% 22,3% 18,7% 16,8% 62,8% Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder (BIP), Statistisches Bundesdamt (Außenhandel)
3 Entwicklungen im verarbeitenden Gewerbe im Land Bremen 2009 = 100 Prozent 180 % 160 % 140 % 120 % 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Bruttowertschöpfung (preisbereinigt) Erwerbstätige (Arbeitsort) Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechung der Länder 3. Produktivität der bremischen Industrie steigt deutlich Erwerbstätigenzahl nicht Seit 2009 ist die Wirtschaftsleistung in Bremen stärker gestiegen als im Bundesdurchschnitt eine aufholende Entwicklung nach dem starken Einbruch in der Krise. Dies liegt vor allem an der bremischen Industrie, deren Wertschöpfung seit 2009 preisbereinigt um über 60 Prozent gewachsen ist. Heute wird in Bremen zwar wieder deutlich mehr industriell produziert als 2009, daran waren jedoch weniger Erwerbstätige be teiligt. Zum einen war der Einbruch bei der Erwerbstätigkeit in der Wirtschaftskrise nicht so stark wie bei der Wertschöpfung, zum anderen ist auch in den letzten Jahren die Produktivität je Arbeitsstunde massiv gestiegen. Zum Vergleich: In Dienstleistungsbranchen stieg die Bruttowertschöpfung insgesamt im selben Zeitraum um rund sieben Prozent, die Zahl der Erwerbstätigen entwickelte sich sogar noch leicht dynamischer. Hier ist also der Zuwachs an Wertschöpfung auch mit einem annähernd gleichen Zuwachs von Erwerbstätigen verbunden. 4. Beschäftigtenentwicklung: Dienstleistungsbranchen sorgen für Wachstum Wird das bremische BIP-Wachstum vom Industriesektor getrieben, sind es auf dem Arbeitsmarkt vor allem die Dienstleist ungs branchen, die für den Anstieg der Beschäftigtenzahlen verantwortlich sind. Sowohl personennahe Dienstleistungen (beispielsweise im Sozial- und Gesundheitswesen) wie auch unternehmensnahe Dienstleistungen (Ingenieursdienstleistungen, Unternehmensberatung, auch Leiharbeit) konnten seit 2013 ein starkes Plus verzeichnen. Jenseits von gut entlohnten Bereichen wie den Finanzdienstleistungen oder der IT ist die Qualität der Arbeitsbedingungen in manchen Dienstleistungssparten wie der Gastronomie oder dem Einzelhandel verbesserungs bedürftig. Der Anstieg atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse ist so auch mit dem Bedeutungsgewinn der Dienstleistungsunternehmen auf dem Arbeitsmarkt zu erklären, da sie seltener tarifgebunden sind. Sozialpartnerschaftliche Lösungen sind aufgrund kleinteiligerer Strukturen und eines geringeren Organisationsgrads von Beschäftigten schwieriger zu finden, weshalb für die Durchsetzung guter Arbeitsbedingungen auch politische Unterstützung erforderlich ist.
Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung im Land Bremen 4 Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zwischen 2013 und 2017 im Land Bremen Heime und Sozialwesen Wissenschaftliche und technische Dienstleistungen Arbeitnehmerüberlassung Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen Information und Kommunikation Gesundheitswesen Handel Öffentliche Verwaltung Gastgewerbe Logistik Erziehung und Unterricht Baugewerbe Sonstige Dienstleistungen Metall, Elektro, Stahl, Fahrzeugbau Land-, Forstwirtschaft und Fischerei Herstellung von Vorleistungsgütern Herstellung von Konsumgütern (inkl. Lebensmittel) Energie, Wasser, Entsorgung Finanz- und Versicherungsdienstleistungen -742-10 -83-223 -232 507 363 897 1.587 1.526 1.524 1.334 1.322 1.310 2.084 3.338 2.860 2.706 3.993-1.000 0 1.000 2.000 3.000 4.000 Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen im Land Bremen am 30. Juni 2017 5. Bremische Wirtschaftsstruktur: Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen Mittlerweile arbeiten über 77 Prozent der sozialversiche rungs pflichtig Beschäftigten im Land Bremen im Dienstleistungssektor. Gut 17 Prozent sind im verarbeitenden Ge werbe beschäftigt. Hinzu kommen rund 5,5 Prozent in der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft und dem Baugewerbe. Der Industrieanteil liegt damit zwar höher als in den meisten anderen Großstädten, jedoch unterhalb des Bundes durchschnitts von gut 21 Prozent. Besondere Be deutung besitzt in Bremen der Fahrzeugbau, wo in den letzten Jahren zusätzliche Beschäftigung aufgebaut wurde. Zusammen mit der Metall- und Elektroindustrie arbeiten hier über 43.700 Menschen, in der Herstellung von Vorleistungs- und Konsum gütern (beispielsweise Lebensmittel) sind 11.700 sozialver sichert Beschäftigte tätig, Tendenz sinkend. Im Bereich der Finanz- und Unternehmensdienstleister (wissen - schaftliche und technische Dienstleistungen, Arbeitnehmerüberlassung, Finanzdienstleistungen und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen wie Sicherheits- und Reinigungsgewerbe) sind 69.500, im Gesundheits- und Sozialwesen 44.300 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. 44.327 5.070 14.883 27.721 69.454 Energie, Wasser, Entsorgung Metall, Elektro, Stahl, Fahrzeugbau Sonstiges verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel, KfZ-Reparatur Gastgewerbe 43.708 11.719 35.265 10.721 40.132 12.569 9.625 Logistik Information und Kommunikation Finanz- und Unternehmensdienstleistungen Gesundheits- und Sozialwesen Öffentlicher Dienst Sonstige Dienstleistungen
Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung im Land Bremen 5 6. Art der Beschäftigungsverhältnisse: Starkes Wachstum von Leiharbeit, Teilzeit und Mini-Nebenjobs Mit 236.579 Beschäftigungsverhältnissen und einem Anstieg von 5,4 Prozent seit 2013 dominiert im Land Bremen zwar nach wie vor die sozialversicherungspflichtige Vollzeit, deutlich stärker war der Anstieg allerdings bei der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung: Hier bestanden im September 2017 über 98.000 Arbeitsverhältnisse, was einen Zuwachs von 19,7 Prozent binnen vier Jahren bedeutet. Die Zahl der Minijobs ist in Summe stabil, auffällig aber, dass auch wegen der Einführung des Mindestlohns und der Umwandlung in sozialversicherungspflichtige (Teilzeit-)Beschäftigung seltener ausschließlich in Minijobs gearbeitet wird, diese aber zunehmend als Nebenbeschäftigung zusätzlich zu einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung ausgeübt werden. Insgesamt blieb der Beschäftigtenanstieg in Bremen und Bremerhaven hinter der Entwicklung vieler anderer Großstädte zurück. Vollzeit ist weiterhin die dominierende Beschäftigungsform, Teilzeitbeschäftigung ist allerdings am stärksten gewachsen. Alarmierend sind sowohl der deutliche Anstieg von Leiharbeit um ein Viertel seit 2013 auf insgesamt 17.800 Beschäftigungsverhältnisse sowie die Stagnation bei den Ausbildungsverhältnissen, die längerfristig sogar rückläufig sind vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels sicherlich das falsche Signal. Beschäftigungsverhältnisse im Land Bremen Bestand 2017 und Entwicklung seit 2013 (jeweils 30. September) Vollzeit * Teilzeit * Minijobs (ausschließlich) Minijobs (im Nebenjob) Leiharbeit ** Ausbildung** +15,3 % 25.439 +25,1 % 17.802 +0,1 % 16.835-4,3 % 45.719 +19,7 % 98.347 +5,4 % 236.579 Männer Frauen Entwicklung seit 2013 Bestand 2017 * sozialversicherungspflichtig ** Ausbildungsverhältnisse sind Teil der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Leih arbeit ist Teil sozialversicherungspflichtiger und geringfügiger Beschäftigung. Leiharbeit zum 30. Juni.
6 KammerKompakt Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung im Land Bremen Frauenanteil sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter am 30. September 2017 Mecklenburg-Vorpommern Berlin Sachsen-Anhalt Sachsen Thüringen Brandenburg Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Hamburg Deutschland Niedersachsen Bayern Saarland Hessen Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg Bremen 50,8% 50,0% 49,2% 48,7% 48,4% 48,1% 47,7% 46,6% 46,5% 46,2% 45,8% 45,7% 45,5% 45,4% 45,2% 45,0% 43,9% 40,0% 42,0% 44,0% 46,0% 48,0% 50,0% 52,0% 7. Frauenanteil der Beschäftigten in Bremen gering Nach wie vor stagniert der Frauenanteil unter den sozialver sicherungspflichtig Beschäftigten bei unter 44 Prozent. Damit bleibt Bremen das Schlusslicht im Bundesländerver gleich. Während der Anteil weiblicher Beschäftigter bei Voll - zeit nur 31 Prozent beträgt, liegt er bei der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung bei 75 Prozent. Von den zusätzlichen Vollzeit-Beschäftigungsverhältnissen seit 2013 entstanden weniger als 29 Prozent für Frauen (Teilzeit: knapp 57 Prozent). Minijobs werden zu 57 Prozent von Frauen ausgeübt. Für Frauen ist der Zugang zu einem männlich geprägten Arbeitsmarkt mit hohem Industrieanteil erschwert. So liegt auch die Beschäftigungsquote von Frauen so niedrig wie sonst in keinem anderen Bundesland: Weniger als 50 Prozent der in Bremen wohnenden Frauen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Bundesdurchschnitt liegt bei über 55 Prozent, in Hamburg sind es deutlich mehr als 57 Prozent. Tobias Peters ist Referent für Wirtschaftspolitik und beschäftigt sich unter anderem mit der Wirtschafts- und Beschäftigungs - entwicklung im Land Bremen. E-Mail: peters@arbeitnehmerkammer.de Impressum: KammerKompakt Nr. 3 2018, Juli 2018 / Herausgeberin: Arbeitnehmerkammer Bremen, Bürgerstraße 1, 28195 Bremen / Redaktion: Elke Heyduck, Nathalie Sander / Gestaltung: GfG Gruppe für Gestaltung / Druck: Druckerei Girzig + Gottschalk, Bremen. Das Kammer Kompakt finden Sie auch zum kostenlosen Download auf der Website www.arbeitnehmerkammer.de/kammerkompakt www.arbeitnehmerkammer.de