BUKO QN3 Aspekte persönlicher Lebensführung und Teilhabe bei Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf

Ähnliche Dokumente
Was ist wirklich wichtig für die Qualitätssicherung der Pflege?

Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, bitten wir Sie, vor dem Zitieren von Daten aus den Vorträgen um eine Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Autoren.

Begleitetes Wohnen e.v.

Ute Holtermann, Dipl.Geront. 1

Leitgedanken für die Heime Kriens

Haus CERES 1. Wachkomawohngemeinschaft in BaWÜ

UNSER LEITBILD. Spitex Regio Liestal. Schützenstrasse Liestal. Telefon: Telefax:

Lebensqualität für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf

Leitbild Viktoria-Stiftung Richigen

Berufsethik als normative Theorie für die Praxis

Leitbild. Pflegekreis Wilnsdorf e.v.

Konzeption für das Ambulant Betreute Wohnen psychisch Kranker

Prof. Dr. Sigrid Leitner: BEDARFE UND RESSOURCEN EINER ALTERNDEN GESELLSCHAFT: PERSPEKTIVEN FÜR DIE SOZIALE ARBEIT

Verbesserung der Teilhabe pflegebedürftiger Menschen durch Pflege. Gudrun Gille Präsidentin a.d. Bundessverband DBfK

Hauswirtschaft im Quartier

ifs Fundament Wohnen und Leben in Selbständigkeit

5. KTQ-Forum Workshop Rezertifizierung eines Krankenhauses

Fachschule für Sozialpädagogik BEURTEILUNGSBOGEN. Projekt - Praktikum. Studierende/r:... PraxisanleiterIn:... Einrichtung:...

Qualifikationsanforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Leben im Haus St. Martin

Vereinbarung. zwischen. dem Arbeitskreis der Wohngemeinschaft Erdgeschoss im Haus St. Martin. und. Name des Pflegedienstes als ambulanter Pflegedienst

Selbstbewertung und Messung von Ergebnisqualität auf dem Fundament der Pflegecharta. Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH

STAPFEN SONNENWEG LILIENWEG WITSCHI HUUS HESSGUT. Leitbild extern

Vorwort Einleitung Gudrun Wansing und Matthias Windisch. Teil 1: Konzeptionelle Entwicklungen und rechtliche Aspekte

PSG I, II, III: Wie geht es der Pflege?

Die ICF und ihre Anwendungsmöglichkeiten zur personorientierten Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben

Es tut sich was! Menschen und Organisationen im Wandel - Workshops am Donnerstag -

Geteilte Verantwortung wie Menschen mit Pflegebedarf gemeinschaftliches Wohnen organisieren

Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Ergebnisbericht LWL-Pflegezentrum Am Apfelbach. nach 14 Abs. 9 WTG in Verbindung mit 4 und 5 WTG-DVO

Pflege neu denken: Was verändert der neue Pflegebegriff in der Versorgung?

1. Oberstufen Praktikum

Qualitätsniveau I: Mobilität und Sicherheit bei Menschen mit demenziellen Einschränkungen in stationären Einrichtungen

Unser Leitbild. Individuelle Wohnangebote für Menschen mit Behinderung

Erste Erfahrungen zur Umsetzung BTHG. Landeshauptstadt Potsdam

Lebensqualität aus Nutzersicht Dr. Markus Schäfers

Elektronische Pflegedokumentation in stationären Einrichtungen der Altenhilfe unter den Bedingungen des Strukturmodells sowie der neuen Pflegegrade

Nutzen und Perspektiven: Was bringt E-Qalin allen Beteiligten und Betroffenen der Altenarbeit?

Anmerkungen zum Begriff Funktionale Gesundheit

Befragung der Mitarbeitenden

Menschen heute. Verkürzungen in der Diskussion um zentrale Ziele der Sicherungssysteme

Ältere Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigkeit Unterstützungsbedarf und passende Angebote

Qualitätssicherung in der Pflege

Patientenbefragung zur Zufriedenheit mit der Beratung und Begleitung durch den Sozialdienst. am Universitätsklinikum Münster

Was wollen die Nutzerinnen und Nutzer? Monika Schneider Wohnkonzepte Schneider gemeinnützige GmbH, Köln

Für Pflegefachkräfte (Examensjahr 1995 oder danach): die Pflegeplanung war ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ausbildung Ein Arbeitsplatz zur Erstellu

Interdisziplinäre Zusammenarbeit aus der Sicht des Pflegemanagements

Universitätsmedizin Göttingen Georg-August-Universität Göttingen Pflegedienst der UMG

Aufgabenumverteilung im Krankenhaus - Haftung und Effizienz - aus Sicht der Pflege. Renate Heinzmann

Wir bei Hausengel. Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liebe Hausengel,

Unser Leitbild. Heilen und Helfen Menschen in einem Zuhause auf Zeit. Leitsätze für die Arbeit im Evangelischen Krankenhaus Johannisstift Münster

Anforderung Wohnqualität geprüft angebots -relevant keine geringfügige wesentliche behoben am 1. Privatbereich Badezimmer / Zimmergrößen 2. Ausreichen

Qualität in der Langzeitpflege aus Sicht der pflegebedürftigen Menschen

Das Spannungsfeld von Pflege und Behinderung auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept?

Beratung und Prüfung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz

Pflegetheorien. Theorien und Modelle der Pflege

Qualität der stationären Pflegeeinrichtung Pflege im Keltenhof Senioren- und Pflegeheim

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

Konzeption. Ambulant betreutes Wohnen. Diakoniezentrum Bethesda Bereich Hilfen für Menschen mit Behinderung (Stand April 2010)

Bund-Land-Konferenz Dekubitusprophylaxe 20. März 2018

Gesetz zur Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes

Wir laden Sie ein, uns kennen zu lernen.

Herausforderndes Verhalten Herausforderung für das Management? 1. St.Galler Demenz-Kongress 27. November 2013 Yvonne Blättler-Göldi, MSc

Begleitung von Menschen mit Demenz in der Lebenswelt Wohngemeinschaft

Mobile Seniorenberatung

Beratung und Prüfung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz Ergebnisbericht: Einrichtung mit umfassendem Leistungsangebot Einrichtung: Altenheim Hermann vo

Interprofessionelle Zusammenarbeit als Schlüssel zu mehr AMTS?

Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen

Konzeption der dem Psychosozialen Wohnheim angegliederten Trainingswohnungen für psychisch Kranke

Leitbild. Oberi Bäch. Haus für demenzkranke Menschen

Wohnen, wie ich will. Individuelle Wohnangebote für Menschen mit Behinderung

Beratungsstellen für ältere Menschen und ihre Angehörigen in München

Leitbild. der Kindertagesstätten im Caritasverband Worms e. V.

Die Alterspolitik in der Region Sursee ist geleitet von der Vision, dass

4.7 Integration von Kindern mit Behinderungen

ORBIT VORSTELLUNG DES PROJEKTS ERSTE STUDIENERGEBNISSE STUTTGART, ORGANISATION DER REHABILITATION FÜR BEWOHNER IM PFLEGEHEIM

unser pflegeleitbild bezirkskrankenhaus reutte unsere grundsätze & unsere werte

Wege der Eingliederung geistig behinderter Menschen aus Psychiatrischen Kliniken in ein Leben so normal wie möglich

Anmerkungen zu Idee und Rahmenkonzeption der Jugendhilfeinspektion Hamburg aus professioneller Perspektive

Soziale Arbeit am Limit - Über konzeptionelle Begrenzungen einer Profession

(Lebens-)Qualität in der Langzeitpflege Zur Diskrepanz zwischen Messung, Darstellung und Erwartungen

Keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit - 10 Folien zum 10. Geburtstag am

Selbstbestimmung und Partizipation der Betroffenen. Marion Rink, BAG SELBSTHILFE

ZUSAMMENFASSUNG DER ARBEIT DANKSAGUNG 1. EINFÜHRUNG 1

Erfassung von Lebensqualität bei Demenz Die Perspektive des MDK

Statut. Klinisches Ethik-Komitee (KEK) der Asklepios Klinik Altona (AKA)

Die Pflegephilosophie im Wilhelminenspital

AGS. Assistentin / Assistent Gesundheit und Soziales EBA

Beratung und Prüfung nach dem Wohn- und Teilhabegesetz

Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderungen im Landkreis Bernkastel-Wittlich

Distanzierte Nähe Ein Spannungsfeld bei der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen

LEITBILD. Sozialpädagogische Einrichtungen. Kreuzschwestern Bayern. Provinz Europa Mitte

Fragmentierte Hilfe und die Problematik systemübergreifenden Handelns

Struktur und Finanzierung im stationären Hospiz

Transkript:

BUKO QN3 Aspekte persönlicher Lebensführung und Teilhabe bei Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf Werkstattvorlage Stand: März 2006 Prof. Dr. Andreas Kruse, Dr. Elke Müller, PD Dr. Eric Schmitt

Inhalt Präambel Definitorische Bezugspunkte Kernaussage Ziele 1 bis 4 und ihre jeweiligen Kriterien Verantwortliche AkteurInnen Handlungsleitende Empfehlungen Anmerkungen zur Matrix Ausblick Exkurs: Verständnisreview 2

Präambel Fokus des QN 3: Beschreibung von Verantwortungsund Handlungsdimensionen aller am betreuerischen und pflegerischen Handlungsvollzug beteiligten Akteurinnen und Akteure 3

Präambel Hauptziel Verbesserung der Pflege- und Betreuungsqualität von alten Menschen mit Erkrankung(en) und/oder Behinderung(en), die in stationären Einrichtungen der Altenhilfe leben durch 4

Präambel Ziele 1. Erhalt oder Erweiterung von Kompetenzen und Ressourcen, die im Dienste einer mit persönlichen Bedürfnissen und Wünschen übereinstimmenden Lebensführung und Alltagsgestaltung eingesetzt, erhalten oder erweitert werden können 5

Präambel Ziele 2. Beseitigung/Abmilderung von Risiken und Determinanten der individuellen Lebensverhältnisse, die einem effektiven Einsatz von Kompetenzen und Ressourcen im Wege stehen 6

Präambel Ziele 3. Unterstützung des Individuums bei der Kompensation irreversibler Kompetenzverluste durch die Nutzung vorhandener, neu aufzubauender oder zu erschließender Kompetenzen und Ressourcen 7

Definitorische Bezugspunkte Definition Qualitätsniveau Der Begriff Qualitätsniveau wird als Beschreibung einer fachlich (dies heißt, auf instrumenteller Vernunft gründenden) sowie sittlich (dies heißt, auf praktischer Vernunft gründenden) fundierten Definition von Leitbildern einer guten Intervention verstanden. (Kruse 2005) 8

Definitorische Bezugspunkte Konsentierungsprozess zwischen den Disziplinen: Gerontologie, Pflegewissenschaft, Hauswirtschaft, Medizin, Rehabilitationswissenschaften, Sozialpädagogik, Sozialrecht, Gesundheitswissenschaften 9

Definitorische Bezugspunkte Philosophische Grundpositionen Theoretische Konzeptionen und methodische Paradigmen der genannten Disziplinen Komponenten der ICF: Teilhabe/Partizipation Befähigung/Stärkung Beeinträchtigung/Schädigung 10

Definitorische Bezugspunkte Persönliche Bezugsperson Alle für das Individuum bedeutsame Kontaktpersonen, die bei der Artikulation und Verwirklichung seiner Vorstellungen von Teilhabe instrumentell oder emotional unterstützen Angehörige, Freunde, VertreterInnen der angesprochenen Berufsgruppen 11

Kernaussage Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf führen ein selbstbestimmtes Leben. Sie haben an Lebensbereichen teil, die ihnen persönlich wichtig sind. 12

Begründung persönliche Lebensführung Teilhabe (nicht nur soziale Teilhabe) Menschenrechte Subjektive Erfahrungen: Sinnerleben, Lebenszufriedenheit SGB IX, BVG u.a. Regelungen Reflexionsangebot an alle AkteurInnen 13

Aspekte/Leitbilder/Ziele Version (Sommer 2005) Allgemeine Orientierung Ich-Identität Engagement in sozialen Beziehungen Mitverantwortliche Lebensführung Selbstverantwortung Selbstständigkeit Bewusst angenommene Abhängigkeit Version (Frühjahr 2006) Selbstbestimmung Selbstständigkeit Bewusst angenommene Abhängigkeit Soziales Eingebundensein und Mitverantwortung 14

Ziele Ziel 1: Selbstbestimmung Die Bewohnerin gestaltet den Alltag nach eigenen Bedürfnissen und Interessen und kennt ihre persönlichen Rechte 15

Ziele Ziel 2: Selbstständigkeit Die Bewohnerin führt Aktivitäten des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe aus oder sie entscheidet über die für die Ausführung dieser Aktivitäten notwendige Hilfe 16

Ziele Ziel 3: Bewusst angenommene Abhängigkeit Die Bewohnerin akzeptiert irreversible Einschränkungen, setzt sich mit Kompensationsmöglichkeiten auseinander und kann Hilfe annehmen 17

Ziele Ziel 4: Soziales Eingebundensein und Mitverantwortung Die Bewohnerin nimmt sich als Teil der Gemeinschaft wahr und trägt im Rahmen eigener Möglichkeiten zum Gelingen der Gemeinschaft bei 18

Matrix QN 3 Einteilung in 3 Zuständigkeits- und Verantwortungs- Blöcke 1. Bewohnerin: Individuum und persönliche Bezugsperson 2. Einrichtung: interne MitarbeiterInnen und Träger/Management 3. Extern Beteiligte: Ehrenamtliche und extern agierende Professionen 19

Matrix QN 3 1. Individuum: Zielsetzung aus seiner Perspektive persönliche Bezugsperson(en): Stärkung, Unterstützung, Kompensation von Kompetenzen und Ressourcen 20

Matrix QN 3 2. Einrichtung (Interdisziplinarität, Hierarchie) Zuständigkeits- und Verantwortungsdimensionen, die auf alle Berufsgruppen der Einrichtung zutreffen (Überschneidungsbereiche): MitarbeiterInnen der Pflege, Hauswirtschaft und Sozialarbeit Verantwortlichkeit des Trägers und des Managements 21

3. Extern Beteiligte Matrix QN 3 Zuständigkeits- und Verantwortungsdimensionen von AkteurInnen, die von außen auf die Betreuungs- und Pflegesituation Einfluss nehmen Transparenz zur einrichtungsinternen Handlungslogik a) Ehrenamtliche/Angehörige b) Professionen (deren jeweilige Leitlinien zur QS) 22

Verständnisreview zur QN III-Matrix

Beteiligte Häuser Wohnstift in Heidelberg (Residenzkonzept) Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach GmbH mit 2 Einrichtungen Pflegeheim im Rhein-Neckar- Kreis 24

Befragte Personengruppen 3 Bewohnerinnen 2 persönliche Bezugspersonen (zugleich ehrenamtlich Tätige) 10 Pflegefachkräfte 4 Pflegefachkräfte mit Leitungsverantwortung (WB) 4 Sozialpädagogische Mitarbeiterinnen 4 hauswirtschaftliche Mitarbeiterinnen 1 Trägervertreterin 4 PDL 1 Arzt 2 PhysiotherpeutInnen (+ 2 weitere PT) 25

Fragestellungen (1) Wie zutreffend sind die Aussagen in der Matrix für Ihren Lebensbereich/ Verantwortungsbereich? Treffen diese die Wirklichkeit Ihres Lebensalltags/ Berufsalltags? Sind die Formulierungen verständlich gewählt? Ermutigen Sie die Aussagen, über ihren Handlungsspielraum nachzudenken? 26

Fragestellungen (2) Regen Sie die Aussagen an, sich mit neuen Ideen auseinander zu setzen und diese in Ihren Alltag aufzunehmen? Motivieren Sie diese Ideen, mehr mit den anderen hier genannten AkteurInnen/ Berufsgruppen zusammen zu arbeiten? 27

Ergebnisse Trotz des mehrere Tage vor der stattfindenden Befragung zur Verfügung gestellten Fragenkatalogs erfolgte die Beantwortung der Fragen eher auf der Ebene der Prüfung: das machen wir schon/das können wir hier nicht verwirklichen als auf der Ebene: das sind geeignete/ ungeeignete Empfehlungen/Prüfkriterien für unsere Einrichtung 28

Ergebnisse sehr hohe Akzeptanz der Ziele und der getroffenen Aussagen explizite Nennung auch der Hauswirtschaft (Spalte Mitarbeiterin) Auswertung wichtige ergänzende Hinweise für die Matrix 29

Ergebnisse ärztlicher Bereich: z.t. überhöhte Ideen des Machbaren/ärztlich Gewollten nicht nur Empfehlungen für das Management aussprechen, sondern auch für die Träger von Einrichtungen Operationalisierung für die eigene Einrichtung eine große Herausforderung 30

Zitat einer Bewohnerin " und das möchte ich zum Schluss doch noch mal sagen: das gefällt mir sehr gut, dass auch wir einbezogen werden, um so etwas zu beurteilen. Sonst wird ja immer nur vom grünen Tisch aus geplant und wir Alten werden nicht gefragt " (Bewohnerin Frau M., Haus B) 31

Ausblick "großes" Programm, das der wissenschaftlichen Überprüfung bedarf Haltbarkeit der Empfehlungen Akzeptanz in der Betreuungs- und Pflegepraxis Übertragbarkeit auf akutstationäre und ambulante Betreuungs- und Pflegeszenarien Klärung struktureller/finanzieller Konsequenzen bzw. Weichenstellungen Fortsetzung des interdisziplinären Diskurses 32